Stenographisches Protokoll

82. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 10., und Freitag, 11. Juli 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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82. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Donnerstag, 10., und Freitag, 11. Juli 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 10. Juli 1997: 9.00 – 24.00 Uhr

Freitag, 11. Juli 1997: 0.00 – 0.05 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung des Gentechnik-Volksbegehrens

2. Punkt: Erste Lesung des Frauen-Volksbegehrens

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, und

Bericht über den Antrag 81/A der Abgeordneten Dr. Liane Höbinger-Lehrer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 4/A (E) der Abgeordneten Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen betreffend Verankerung von Grundrechten in bezug auf Lauschangriff und Rasterfahndung

5. Punkt: Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Bundessozialämtergesetz geändert werden

7. Punkt: Bericht über den Antrag 57/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Novellierung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes

8. Punkt: Bericht über den Antrag 499/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) geändert wird

9. Punkt: Bericht über den Antrag 308/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Sicherstellung der Dotierung des "Nationalfonds zur besonderen Hilfe für Behinderte"


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10. Punkt: Bericht über den Antrag 320/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Feiertagsruhegesetz sowie das Arbeitsruhegesetz geändert werden

11. Punkt: Bericht über den Antrag 223/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend umfassende Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten

12. Punkt: Bericht über den Antrag 297/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Familienbeihilfe für ausländische Mitbürger

13. Punkt: Bericht über den Antrag 393/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Untersuchung zur "Bit-Steuer"

14. Punkt: Bericht über den Antrag 495/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Schaffung eines Rechtsmittels hinsichtlich der Eignung einer Kinderbetreuung nach der Sondernotstandshilfe-Verordnung beim AMS

15. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit

16. Punkt: Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit

17. Punkt: Erste Lesung des Antrages 430/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 201/1996 (Art. 34 Strukturanpassungsgesetz), BGBl. Nr. 411/1996 (Art. I des Sozialrechtsänderungsgesetzes 1996) und BGBl. Nr. 600/1996 (Art. I des BG, mit dem das ASVG u. a. geändert werden) sowie die Bundesabgabenordnung in der Fassung BGBl. Nr. 411/1996 geändert werden

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird, sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden

19. Punkt: Bericht über den Antrag 167/A (E) der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Schaffung eines modernen und umfassenden Gesetzes über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe

20. Punkt: Bericht über den Antrag 390/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Ausbildungsoffensive in Gesundheitsberufen für Österreicher/innen

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 15

Ordnungsruf 95

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt gemäß § 49 Abs. 5 GOG, den Punkt 3 von der Tagesordnung abzusetzen – Ablehnung 32, 33

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt gemäß § 59 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer Debatte – Ablehnung 33, 33


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82. Sitzung / Seite 3

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2311/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 34

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 140

Redner:

Mag. Thomas Barmüller 140

Bundesminister Rudolf Edlinger 142

Kurt Eder 143

Matthias Ellmauer 144

Mag. Reinhard Firlinger 145

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 34

Unterbrechung der Sitzung 101

Verlangen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers sowie auf Unterbrechung der Sitzung bis zu dessen Eintreffen – Ableh-
nung 106, 106, 107

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zu den Wortmeldungen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler 106, 107

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny betreffend Vertretung eines Mitgliedes der Bundesregierung 107

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler betreffend die Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch Staatssekretär Dr. Peter Wittmann und Ersuchen, die Rede in schriftlicher Form zu erhalten 120

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und dem Versagen der Organe der Justiz gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 238

Bekanntgabe 132

Ablehnung des Antrages 239

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, die Regierungsvorlage 49 d. B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, in der Fassung des Ausschußberichtes 812 d. B. an den Justizausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 180

Antrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Ver


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82. Sitzung / Seite 4

dächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 239

Bekanntgabe 211

Ablehnung des Antrages 239

Fragestunde (19.)

Arbeit, Gesundheit und Soziales 15

Dr. Günther Leiner (142/M); Theresia Haidlmayr, Klara Motter, Manfred Lackner, Dr. Brigitte Povysil

Mag. Walter Guggenberger (138/M); Mag. Herbert Haupt, Johann Schuster, Klara Motter, Theresia Haidlmayr

Finanzen 19

Ing. Mag. Erich L. Schreiner (148/M); Franz Kampichler, Dr. Alexander Van der Bellen, Mag. Helmut Peter, Dr. Alfred Gusenbauer

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (151/M); Dr. Alexander Van der Bellen, Klara Motter, Dr. Ewald Nowotny, Ing. Wolfgang Nußbaumer

Mag. Helmut Peter (147/M); Marianne Hagenhofer, Hermann Böhacker, Ernst Fink

Marianne Hagenhofer (145/M); Ing. Mag. Erich L. Schreiner, Mag. Franz Steindl, Mag. Helmut Peter

Ausschüsse

Zuweisungen 31, 84, 217, 218, 220

Wahl eines Ausschusses zur Vorberatung des Gentechnik-Volksbegehrens 54, 241

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Proporzpolitik statt Wirtschaftspolitik (2738/J) 101

Begründung: Helmut Haigermoser 107

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 112

Debatte:

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 120

Dr. Ewald Nowotny 123

Mag. Dr. Josef Höchtl 126

Ing. Wolfgang Nußbaumer 128

Dr. Kurt Heindl 129

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 132

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 134

Josef Edler 135

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (tatsächliche Berichtigung)137

Johann Kurzbauer 137

Mares Rossmann 138

Mag. Reinhard Firlinger 139

Dr. Günther Kräuter (tatsächliche Berichtigung)139

 


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82. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Übertragung der der OeKB übertragenen Aufgaben – Ablehnung 122, 140

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mag. Erich L. Schreiner und Genossen betreffend Novellierung des Sparkassengesetzes hinsichtlich Haftungsverzicht oder Haftungsentgelt – Ablehnung 129, 140

Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung des Gentechnik-Volksbegehrens (715 d. B.) 34

Redner:

Annemarie Reitsamer 34

Franz Koller (tatsächliche Berichtigung)36

Dr. Alois Pumberger 36

Klara Motter 38

Dr. Brigitte Povysil (tatsächliche Berichtigung)40

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 40

Maria Rauch-Kallat 42

Mag. Johann Maier 43

Mag. Karl Schweitzer 45

Mag. Thomas Barmüller 45

Ing. Monika Langthaler 47

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung)49

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 49

Josef Schrefel 51

Heinz Gradwohl 52

Ing. Mathias Reichhold 53

Wahl eines besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Gentechnik-Volksbegehrens 54

2. Punkt: Erste Lesung des Frauen-Volksbegehrens (716 d. B.) 54

Redner:

Dr. Elisabeth Hlavac 54

Rosemarie Bauer 55

Edith Haller 58, 71

Dr. Peter Kostelka (tatsächliche Berichtigung)59

Edith Haller (persönliche Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 60

Maria Schaffenrath 60

Mag. Doris Kammerlander 63

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 66

Dr. Helga Konrad 68

Edeltraud Gatterer 70

Dr. Martina Gredler 73

Karl Öllinger 74

Doris Bures 77

Dr. Gertrude Brinek 78

Elfriede Madl 79

Mag. Helmut Peter 81

Mares Rossmann 83

Zuweisung des Frauen-Volksbegehrens an den Gleichbehandlungsausschuß 84

"Entschließungsantrag" der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Arbeitslosenversicherung, Wegfall der Einkommensanrechnung bei Notstandshilfeleistungen – siehe dazu die Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder 76, 76


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82. Sitzung / Seite 6

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (49 d. B.): Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, und

den Antrag 81/A der Abgeordneten Dr. Liane Höbinger-Lehrer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (812 d. B.) 84

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 4/A (E) der Abgeordneten Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen betreffend Verankerung von Grundrechten in bezug auf Lauschangriff und Rasterfahndung (786 d. B.) 84

Redner:

Dr. Harald Ofner 84

Dr. Willi Fuhrmann 88

Mag. Dr. Heide Schmidt 90

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 95

Dr. Volker Kier (tatsächliche Berichtigung)97

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 97, 162

Mag. Terezija Stoisits 100, 146

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 149

Anton Leikam 152

Dr. Helene Partik-Pablé 154

Paul Kiss 156

Dr. Volker Kier 158

Dr. Johannes Jarolim 159

Rudolf Anschober 160

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung)162

Günther Platter 165

Dr. Michael Krüger 167

Dr. Elisabeth Hlavac 172

Walter Murauer 173

Franz Lafer 174

Anna Huber 175

Dr. Martin Graf 176

Mag. Helmut Kukacka 178

Emmerich Schwemlein 179

Annahme des Gesetzentwurfes in 812 d. B. 180

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 786 d. B. 183

5. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (734 d. B.): Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997 (813 d. B.) 183

Redner:

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 184

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 187

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 190

Dr. Michael Krüger 191

Dr. Willi Fuhrmann 193

Mag. Reinhard Firlinger 194

Mag. Helmut Peter 195

Mag. Terezija Stoisits 196


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82. Sitzung / Seite 7

Mag. Dr. Josef Trinkl 196

Mag. Johann Maier 196

Annahme des Gesetzentwurfes in 813 d. B. 197

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 813 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Regelung über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen (E 75) 199

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 813 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Entlohnung des Masseverwalters, des Ausgleichsverwalters und der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände für Tätigkeit im Insolvenzverfahren (E 76) 199

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (737 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Bundessozialämtergesetz geändert werden (802 d. B.) 199

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 57/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Novellierung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (298 d. B.) 199

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 499/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) geändert wird (808 d. B.) 199

Redner:

Josef Meisinger 199

Rudolf Nürnberger 201

Dr. Volker Kier 203

Winfried Seidinger 203

Karl Öllinger 204

Bundesministerin Eleonora Hostasch 205, 207

Dr. Gottfried Feurstein 206

Annahme der Gesetzentwürfe in 802 und 808 d. B. 208

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes in 298 d. B. 208

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 808 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Weiterentwicklung der Sozialversicherung – Neuregelung des Zusammentreffens von Einkommen aus vorübergehender Beschäftigung mit einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung (E 77) 209

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend praxisgerechte Anrechnung von Nebeneinkommen auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und das Karenzgeld – Ablehnung 201, 208

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 308/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Sicherstellung der Dotierung des "Nationalfonds zur besonderen Hilfe für Behinderte" (803 d. B.) 209

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 320/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betref


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82. Sitzung / Seite 8

fend ein Bundesgesetz, mit dem das Feiertagsruhegesetz sowie das Arbeitsruhegesetz geändert werden (804 d. B.) 209

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 223/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend umfassende Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten (805 d. B.) 209

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 297/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Familienbeihilfe für ausländische Mitbürger (806 d. B.) 209

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 393/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Untersuchung zur "Bit-Steuer" (807 d. B.) 209

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 495/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Schaffung eines Rechtsmittels hinsichtlich der Eignung einer Kinderbetreuung nach der Sondernotstandshilfe-Verordnung beim AMS (809 d. B.) 209

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (735 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit (810 d. B.) 209

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (769 d. B.): Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit (811 d. B.) 210

Redner:

Sigisbert Dolinschek 210

Sophie Bauer 211

Dr. Volker Kier 212

Karl Donabauer 213

Karl Öllinger 215

Karl Donabauer (tatsächliche Berichtigung)216

Bundesministerin Eleonora Hostasch 216

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 803, 804, 805, 806 und 807 d. B. 217

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 803 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend ausreichende Dotierung des Nationalfonds im Budget 1998 und 1999 (E 78) 217

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 805 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Berufskrankheiten-Liste (Anlage 1 zum ASVG) – Berücksichtigung österreichischer Erfordernisse (E 79) 217

Zuweisung des Antrages 297/A (E) an den Familienausschuß 217

Zuweisung des Antrages 393/A (E) an den Finanzausschuß 218

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 809 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Rechtsmittel hinsichtlich Eignung einer Kinderbetreuung nach der Sondernotstandshilfe-Verordnung beim AMS (E 80) 218

Genehmigung der Staatsverträge in 810 und 811 d. B. 218

17. Punkt: Erste Lesung des Antrages 430/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 201/1996 (Art. 34 Strukturanpassungsgesetz), BGBl. Nr. 411/1996 (Art. I


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82. Sitzung / Seite 9

des Sozialrechtsänderungsgesetzes 1996) und BGBl. Nr. 600/1996 (Art. I des BG, mit dem das ASVG u. a. geändert werden) sowie die Bundesabgabenordnung in der Fassung BGBl. Nr. 411/1996 geändert werden 218

Redner:


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82. Sitzung / Seite 10

Dr. Volker Kier 218

Heidrun Silhavy 219

Dr. Gottfried Feurstein 219

Hermann Böhacker 220

Zuweisung des Antrages 430/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 220

18. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (709 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird, sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden (777 d. B.) 220

19. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 167/A (E) der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Schaffung eines modernen und umfassenden Gesetzes über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (778 d. B.) 220

20. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 390/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Ausbildungsoffensive in Gesundheitsberufen für Österreicher/innen (779 d. B.) 220

Redner:

Dr. Alois Pumberger 221

Dr. Günther Leiner 224

Klara Motter 225

Heidemaria Onodi 226

Theresia Haidlmayr 228

Dr. Erwin Rasinger 229

Dr. Martina Gredler 230

Manfred Lackner 231

Johann Schuster 232

Dr. Elisabeth Pittermann 232

Ridi Steibl 233

Mag. Walter Guggenberger 234

Hannelore Buder 235

Ing. Erwin Kaipel 236

Bundesministerin Eleonora Hostasch 236

Annahme des Gesetzentwurfes in 777 d. B. 237

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 778 und 779 d. B. 238

Entschließungsantrag der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend zeitgemäße Regelung für alle Gesundheits- und Krankenberufe – Ablehnung 225, 238

Entschließungsantrag der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Verankerung der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege im tertiären Sektor – Ablehnung 226, 230, 238

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend Gewalt in den Medien (522/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend eine Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes und des Post-Betriebsverfassungsgesetzes (523/A)

Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend Steuerbefreiung von Stipendien und Preisen aus Wissenschaft und Forschung (524/A) (E)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen betreffend Einführung eines Vizedekans an großen Fakultäten (525/A) (E)

Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 geändert wird (526/A)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend flankierende Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr (527/A) (E)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (528/A)

Annemarie Reitsamer und Genossen betreffend Erhöhung des Eigenfinanzierungsgrades für Bauern und Gewerbetreibende in der Pensionsversicherung (529/A) (E)

Annemarie Reitsamer und Genossen betreffend Umbasierung der Arbeitgeberbeiträge in der Sozialversicherung (530/A) (E)

Dr. Elisabeth Hlavac und Genossen betreffend Finanzierung von Ersatzzeiten und Erhöhung des für die Kindererziehung vorgesehenen pensionserhöhenden Betrages (531/A) (E)

Dr. Ilse Mertel und Genossen betreffend EU-Richtlinie 96/34/EG zur Umsetzung der von den Europäischen Sozialpartnern abgeschlossenen Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub (532/A) (E)

Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich (Stellenbesetzungsgesetz) (533/A)

Annemarie Reitsamer und Genossen betreffend unbefristete Verlängerung der Arbeitsstiftung für Arbeitnehmer in der Lebensmittelwirtschaft (Aufleb) (534/A) (E)

Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend das Bundesgesetz über den der Führerschein (Führerscheingesetz – FSG) geändert wird (BGBl. Nr. .../97) (535/A)

Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen (481/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Proporzpolitik statt Wirtschaftspolitik (2738/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Leistungskürzungen der SV-Träger (2739/J)


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82. Sitzung / Seite 11

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Ausgliederung der Forschungsförderung aus dem Wissenschaftsressort (2740/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Wachstumsprognose der österreichischen Wirtschaft (2741/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Befürchtungen des Forschungsförderungsfonds, daß Mittel aufgrund des Technologiepakets halbiert werden (2742/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend parteipolitische Einflußnahme LH-Weingartners auf Schüler des Gymnasiums der Franziskaner in Hall in Tirol (2743/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Streichung der Obst-Zukaufsrechte für 1 250 Tiroler "300 Liter Brenner" rückwirkend auf zweieinhalb Jahre (2744/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Streichung der Obst-Zukaufsrechte für 1 250 Tiroler "300 Liter Brenner" rückwirkend auf zweieinhalb Jahre (2745/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend TV-Satire mit Folgen für Österreich in Millionenhöhe (2746/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Verletzung des Volksbegehrensgesetzes (2747/J)

Heinz Gradwohl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Projekt der Straßentangente B 78 (Weißkirchen) zur S 36 – Umfahrung Zeltweg-West – Judenburg-Ost (2748/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Personalentwicklung bei den Ämtern der Landesschulräte (2749/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend den Stand der Teilnahme Österreichs am Förder- und Austauschprogramm für die Rechtsberufe ("GROTIUS") (2750/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Müllgeschäfte vor Industrie-Arbeitsplätzen (2751/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Prüfungsgebühren (2752/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Pensionsversicherungsschutz für Prostituierte (2753/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Jubiläumszuwendungen und Nachkauf von Schul- und Studienzeiten für Beamte (2754/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend AMS-Förderung (2755/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kindergartenmillionen (2756/J)

Mag. Helmut Peter und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Zustand des österreichischen Patentamtes (2757/J)


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82. Sitzung / Seite 12

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend die behördliche nationale Kontrolle gentechnisch veränderter Lebensmittel, Lebensmittelzutaten und Zusatzstoffe (2758/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Ausbildungskosten – Rückersatzvereinbarung in den Schulen (2759/J)

Annemarie Reitsamer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend unterschiedliche Versicherungsprämien von Männern und Frauen bei privaten Krankenversicherungen (2760/J)

Edeltraud Gatterer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend vermißte Personen (2761/J)

Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Familienverträglichkeitsprüfung (FVP) (2762/J)

Edeltraud Gatterer und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Rückzahlung des Zuschusses zum Karenzgeld vom Elternteil des Kindes, wenn an den anderen Elternteil ein Zuschuß gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 ausbezahlt wurde (2763/J)

Edeltraud Gatterer und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Weglegung von Kindern (2764/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Auflösung des Panzerartilleriebataillons 4 im Zuge der "HG-NEU-NEU" (2765/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Anerkennung von Untersteirern und Gottscheern als Volksgruppe durch Slowenien (2766/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Prozeß gegen Emil Lachout (2767/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Ziel-4-Förderungen (2768/J)


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82. Sitzung / Seite 13

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Untersuchung einer neuen Trassenvariante für die B 301 (2769/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Finanzierung der Unterinntalbahn (2770/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Umweltverträglichkeitserklärung zur B 169 (2771/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Bahnhof in St. Anton am Arlberg (2772/J)

Rudolf Anschober und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Errichtung von Kühlhäusern an den Grenzkontrollstellen zur Erfüllung der veterinärbehördlichen Verpflichtungen des EU-Beitrittsvertrages (2773/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Errichtung von Kühlhäusern an den Grenzkontrollstellen zur Erfüllung der veterinärbehördlichen Verpflichtungen des EU-Beitrittsvertrags (2774/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Errichtung von Kühlhäusern an den Grenzkontrollstellen zur Erfüllung der veterinärbehördlichen Verpflichtungen des EU-Beitrittsvertrags (2775/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Weiterführung beziehungsweise Auflassung der Außerfernerbahn (2776/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Elektroheizungen in Bundesgebäuden (2777/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Entgang von LKW-Mauteinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe durch fehlende Umsetzung der parlamentarischen Entschließung vom November 1995 (2778/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schaffung der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für Third-Party-Financing von Energiesparinvestitionen in Bundesgebäuden (2779/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Schaffung der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für Third-Party-Financing von Energiesparinvestitionen in Bundesgebäuden (2780/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausbaupläne für leitungsgebundene Energien und Energieförderungsbeirat (2781/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vollziehung des Gesetzes über ein Verbot von Anti-Personen-Minen (2782/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Vollziehung des Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen (2783/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Vollziehung des Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen und die damit in Zusammenhang stehende Entschließung des Nationalrates (2784/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vollziehung des Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen (2785/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten zur Zukunft der österreichischen Außenpolitik (2786/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Mitwirkung Österreichs an den Bemühungen für ein internationales Verbot von Anti-Personen-Minen und für die Überwindung der Folgen der in den letzten Jahren in Kriegshandlungen eingesetzten APM (2787/J)

Franz Riepl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen (2788/J)

Inge Jäger und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Frauenanteil bei Botschafterinnen (2789/J)


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82. Sitzung / Seite 14

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend die 3. Wiener Wasserleitung aus dem Bereich der Mitterndorfer Senke (2790/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Schadensabgeltung für IBR-IPV-geschädigte Rinderhalter – Säumigkeit seit 1995 (2791/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Schadensabgeltung für IBR-IPV-geschädigte Rinderhalter – Säumigkeit seit 1995 (2792/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Grüne Versicherungskarte mit Lichtbild anstelle des Krankenscheins (2793/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Lebensmittelbericht (2794/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend ausländisches Gesundheitspersonal in Österreich (2795/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Verbraucher(innen)bericht – Lebensmittelbericht (2796/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Jakob Auer und Genossen (2385/AB zu 2453/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2386/AB zu 2435/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2387/AB zu 2457/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2388/AB zu 2477/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (2389/AB zu 2440/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2390/AB zu 2458/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (2391/AB zu 2481/J)


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82. Sitzung / Seite 15

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen, bitte Sie, die Plätze einzunehmen, und beginne pünktlich mit der 82. Sitzung des Nationalrates, die hiermit eröffnet ist.

Das Amtliche Protokoll der 80. Sitzung vom 8. Juli 1997 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Preisinger, Dr. Haider, Dr. Mock, Kröll und Dr. Schwimmer.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde. Ich beginne jetzt – um 9 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor wir mit den Anfragen an den Herrn Finanzminister beginnen, haben wir noch von gestern zwei Anfragen an Frau Ministerin Hostasch.

Die 1. Frage verliest Herr Abgeordneter Dr. Günther Leiner. – Bitte sehr.

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Ministerin! Herr Minister! Meine Frage lautet:

142/M

Welche Auswirkungen hatte bisher die Einführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung per 1. Jänner 1997?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Schönen guten Morgen, Herr Präsident, Herr Kollege Dr. Leiner und meine sehr geehrten Damen und Herren! – Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Aufgrund einer Vereinbarung gemäß Artikel 15a des Bundes-Verfassungsgesetzes über die Reform des Gesundheitswesens und die Krankenanstaltenfinanzierung und natürlich auch über die wesentlichen Begleitgesetze wurde das LKF-System mit 1. Jänner eingeführt und auch das LKF-Bepunktungssystem für die Krankenanstaltenfinanzierung mit diesem Zeitpunkt wirksam. Es ist seither eine relativ kurze Zeit verstrichen, sodaß noch keine profunden Aussagen über Plausibilität und Vollständigkeit getroffen werden können und auch noch keine aussagekräftigen Daten zur Verfügung stehen, sodaß ich keine konkrete Antwort auf Ihre Frage geben kann.

Ich glaube, daß Ende des Jahres entsprechende Erkenntnisse vorhanden sein werden. Ich nehme jedoch an, daß das Verhalten der Krankenanstalten ähnlich sein wird wie im Bundesland Vorarlberg, wo ja das neue System umfangreich getestet wurde. Es dürfte auch zu den gewünschten Effekten der Verkürzung der Belagsdauer, der Zunahme der Entlassungshäufigkeit und der Abnahme der Entlassungen am Montag kommen. Nachhaltige strukturelle Veränderungen sind jedoch – wenn ich mich auf Vorarlberg beziehe – erst bei einer längerfristigen Durchführung der LKF-Abrechnung zu erwarten.


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Ich darf ergänzend noch berichten, daß wir gerade, was Entlassungen und Neuaufnahmen betrifft, ein Controlling eingeführt haben, um zu beobachten, ob unerwünschte Effekte eintreten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Günther Leiner : Frau Ministerin! Es scheint zurzeit einen Finanzierungs- und Verteilungskampf zwischen den Sozialversicherungen und den Ländern zu geben. Schon 1992 wurde ein Katalog erstellt, mit dem der damalige Gesundheitsminister aufgefordert wurde, einen entsprechenden Finanzierungsplan zu erstellen, damit diese leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung tatsächlich funktioniert – auch extramural. Welche diesbezüglichen Maßnahmen wurden bis jetzt getroffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wie ich zuerst ausgeführt habe, kann ich diese Ihre Einschätzung nicht wirklich profund bestätigen, und es liegen mir auch keine Fakten vor, auf die ich mich beziehen könnte. Nichtsdestotrotz habe ich in Aussicht genommen und bereits bei der letzten Sitzung der Strukturkommission angekündigt, daß im September, bei der nächsten Sitzung der Strukturkommission, über diese Frage ein Informationsaustausch und auch eine Beratung stattfinden wird. Und damit auch hier entsprechende Gespräche geführt werden können – in dieser Strukturkommission sind ja alle Beteiligten vertreten –, werde ich diesbezügliche Maßnahmen einleiten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Haidlmayr, bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Ministerin! Obwohl Krankenhaushygiene 1993 im Krankenanstaltengesetz gesetzlich verankert wurde, führt sie in vielen Krankenhäusern ein kümmerliches Dasein. Was werden Sie unternehmen, damit Krankenhaushygiene an allen Krankenanstalten adäquat durchgeführt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich kann Ihre Einschätzung nicht bestätigen, daß die Krankenhaushygiene ein kümmerliches Dasein führt. Wir haben Qualitätsstandards für die Krankenhäuser erarbeitet, und es wird dementsprechend auch überall versucht, diese Qualitätsstandards einzuhalten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Motter, bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es gibt bereits Ansätze, daß die Rufbereitschaft in einzelnen Spitälern dazu benützt wird, Ärztepersonal abzubauen. Dem gegenüber steht aber das Krankenanstaltengesetz, das vorsieht, in den kommenden Jahren mehr Personal aufzunehmen. Nun meine Frage: Wie beurteilen Sie diesen Widerspruch?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Mir sind keine Detailinformationen über eine derartige Entwicklung bekannt. Die Umsetzung und Anwendung des Gesetzes obliegt den Betreibern und Verantwortlichen in den Krankenanstalten und den zuständigen kompetenten Organisationen. Ich werde natürlich ein Auge darauf haben, ob eine derartige Entwicklung eintritt, und sollte es erforderlich sein, werde ich mit den Betroffenen Gespräche führen. Ich habe natürlich Interesse daran, daß nicht nur das Gesetz eingehalten wird, sondern auch keine unerwünschten Beschäftigungseffekte eintreten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Lackner, bitte.


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Abgeordneter Manfred Lackner
(SPÖ): Frau Bundesministerin! Ist durch die Einführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung die Qualität der ärztlichen, medizinischen und pflegerischen Versorgung in den Krankenanstalten gewährleistet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Abgeordneter! Die Realisierung der geplanten Maßnahmen wird nach meiner Überzeugung – ich bin überzeugt, auch nach Ihrer – zu keiner Beeinträchtigung des bisherigen Leistungsniveaus führen. Für das Bundesministerium sind daher die Forcierung von Qualitätssicherungsmaßnahmen in den Gesundheitsinstitutionen und auch die Einführung von Kontrollmechanismen zur Sicherung dieser Versorgungsstandards wesentliche und unabdingbare Begleitmaßnahmen, die mit dieser Reform verbunden sind. Ich werde nachdrücklich dafür sorgen, daß das auch eingehalten wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Dr. Povysil, bitte.

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Frau Ministerin! Warum wird in Österreich statt des veralteten ICD-9-Codes zur Erfassung der medizinischen Leistungen in den Spitälern, der auch die häufigsten Diagnosen, wie zum Beispiel eine einfache Blindarmoperation oder eine Leistenbruchoperation, nicht erfaßt und größte Mängel in der Bepunktung der einzelnen Leistungen aufweist – wie Sie wissen, ist eine beidseitige Halsoperation nur halb so viel bepunktet wie eine einseitige –, nicht der bereits vorhandene anerkannte Leistungskatalog ICPM oder auch ICD 10 verwendet, welcher inhaltlich vollständig ist, der modernen Medizin entspricht und auch eine adäquate Dokumentation ermöglicht? Warum wurde dieser Leistungskatalog nicht gleich in das bestehende Ambulanzsystem eingegliedert?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Der ICD-10-Code wird 1999 eingeführt. Die jetzige Form entspricht einer langjährigen Vorberatung, und ich glaube, daß damit auch Ihren Intentionen Rechnung getragen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist die 1. Frage erledigt. Kollege Guggenberger formuliert die 2. Anfrage. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Frage lautet:

138/M

In welchem zeitlichen Rahmen werden Sie, anknüpfend an das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, auch das Berufsbild und die Berufsausübung anderer, noch nicht gesetzlich geregelter Gesundheitsberufe in Angriff nehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich hoffe, daß heute in diesem Hohen Haus jenes große Gesetzeswerk beschlossen werden kann, das als Gesundheits- und Krankenpflegegesetz einen wesentlichen Fortschritt in dem von Ihnen angesprochenen Thema bringen wird. Diese Ausbildungsreform kann nach meiner Erfahrung und Überzeugung nur schrittweise erfolgen, da es sich um eine sehr komplexe Materie handelt, die nicht in einem Schritt gemacht werden kann.

Ich darf daran erinnern, daß als erster Schritt 1990 das Berufsbild des Pflegehelfers und der Pflegehelferin geschaffen wurde, daß wir 1992 das MTD-Gesetz hier beschlossen haben und vor kurzem auch das Hebammengesetz miteinbeziehen konnten – nicht zuletzt aufgrund der EWR- und EU-Bestimmungen.


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Es gibt einen Vorentwurf für ein neues Gesetz bezüglich des medizinisch-technischen Fachdienstes, der in Beratung steht, jedoch bisher aufgrund der finanziellen Implikationen bei den Ländern auf Ablehnung gestoßen ist. Weitere fachliche Vorarbeiten und die Fortsetzung der bisherigen Aktivitäten hinsichtlich der Reform des medizinisch-technischen Fachdienstes und auch der weiteren Sanitätsdienste, insbesondere der Heilbade- und Heilmasseurausbildung, sind von mir im Rahmen dieser Legislaturperiode geplant.

Was die Zahnarzthelfer und -helferinnen betrifft, ist eine ÖBIG-Studie erarbeitet worden, die die fachliche Grundlage für Gespräche liefern soll. Ebenso ist auch der Beruf des Kardiotechnikers ein bis jetzt noch ungeregelter Bereich, der zunächst im Rahmen des Krankenpflegegesetzes einer Regelung zugeführt werden soll.

Sie sehen anhand dieser Beispiele, daß es eine Fülle von Betroffenheiten gibt, wo man versuchen muß – natürlich auch immer unter Berücksichtigung der finanziellen Implikation –, schrittweise voranzukommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger : Frau Bundesministerin! In letzter Zeit ist öfters von den Rettungssanitätern beziehungsweise deren Bemühungen um eine verbesserte Ausbildung die Rede. Wie schaut in diesem Bereich Ihr Zeitplan in bezug auf eine allfällige neue Regelung aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Hinsichtlich der Rettungssanitäter ist eine ÖBIG-Studie in Fertigstellung. Diese wurde schon vor einiger Zeit in Auftrag gegeben. Ich gehe davon aus, daß diese Studie Ende Sommer fertiggestellt sein wird. Sie wird für mich eine Grundlage bei den Verhandlungen hinsichtlich der Verbesserung der Situation der Rettungssanitäter sein. Wir möchten in diesem Zusammenhang auf die Situation der hauptberuflich beschäftigten Rettungssanitäter zu sprechen kommen, dürfen aber nicht vergessen, daß es auch freiwillige Helfer in diesem Bereich gibt, die ebenfalls einer entsprechenden Unterstützung und Ausbildung bedürfen. Ich glaube, es ist zu betonen, daß es gerade in diesem Bereich ohne die ehrenamtliche Tätigkeit, ohne das große Engagement nicht möglich wäre, den vielfältigen Aufgaben Rechnung zu tragen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage: Kollege Mag. Haupt.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es freut mich, daß Sie Ihre vor drei Wochen im Fernsehen formulierte Meinung nun doch revidiert haben und der ÖBIG-Studie als Grundlage für das Berufsbild des Rettungssanitäters nähertreten.

Ich möchte von Ihnen nunmehr wissen: Welchen Zeithorizont werden Sie für diese Maßnahmen von sich aus vorsehen? Es ist ja bekannt, daß einerseits auf der Seite der Mediziner berechtigte Forderungen bezüglich der Sanitäterausbildung bestehen, weil bei den Patienten vermeidbare Schäden bis hin zu Todesfällen auftreten, andererseits auch im Bereich der im Roten Kreuz und anderen Hilfsorganisationen tätigen Angehörigen des Sanitätsberufes beziehungsweise der Freiwilligen der Ruf nach diesem Berufsbild immer lauter wird. In der Bundesrepublik Deutschland existiert ein solches bereits.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Soweit ich mich erinnern kann, habe ich auch in diesem Fernsehinterview auf die ÖBIG-Studie verwiesen. Meine Absicht ist, diese Frage in der laufenden Legislaturperiode einer Lösung zuzuführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Schuster, bitte.


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Abgeordneter Johann Schuster
(ÖVP): In wenigen Stunden wird, sehr geehrte Frau Bundesministerin, wie Sie richtig ausgeführt haben, das Hohe Haus mit einer großen Mehrheit das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe beschließen.

Sie haben bei der Aufzählung neuer Berufe erwähnt, daß Sie eine ÖBIG-Studie in Auftrag gegeben haben. Meine Frage an Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin: War dies noch notwendig, obwohl es bereits Studien von der Österreichischen Akademie für Gesundheitswesen und des Österreichischen Roten Kreuzes in dieser Angelegenheit gibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe die Erfahrung gemacht, daß es wichtig ist, für politische Überlegungen und Konzepte mehrere Grundlagen und Gesichtspunkte heranzuziehen. Ich habe es daher für sinnvoll erachtet, zusätzlich ein ergänzendes Gutachten, eine Studie durch das ÖBIG, das sehr große Erfahrungen in diesem Bereich hat, in Anwendung zu bringen. Und ich glaube, daß das ÖBIG bewiesen hat, daß es sehr qualifiziert arbeitet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Klara Motter.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Wie mir bekannt ist, liegt Ihnen ein Arbeitspapier – erstellt 1995 – über die Ausbildung der zahnärztlichen AssistentInnen von der interdisziplinären Arbeitsgruppe der Universitätsklinik Graz vor. Bis wann gedenken Sie diesen Vorschlag in die Realität umzusetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich bin nicht in der Lage, Ihnen einen ganz klaren Zeitplan in Aussicht zu stellen. Ich möchte aber trotzdem sagen, daß ich mich bemühen möchte, in dieser Legislaturperiode auch diese Frage einer Lösung zuzuführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Frau Abgeordnete Haidlmayr, bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Ministerin! Glauben Sie, daß die gesetzliche Erweiterung des Aufgabenbereiches der Krankenschwestern im neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, nämlich daß Krankenschwestern Spritzen und Infusionen geben können, angesichts der neuerlichen tragischen Ereignisse im Kaiser-Franz-Josef-Spital wirklich sinnvoll und verantwortungsbewußt ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte sehr.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Auch wenn dieses Gesetz, das, glaube ich, ein sehr gutes Gesetz ist, sicherlich nicht alle Risken abdecken kann, die es in diesem sensiblen Bereich gibt, so glaube ich doch, daß es ein wesentlicher Fortschritt ist, mehr Sicherheit gibt und damit auch für die Qualifikation der Betroffenen eine größere Chance bietet, ihren Anforderungen Rechnung zu tragen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. Damit ist der Komplex Soziales erledigt.

Bundesministerium für Finanzen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zu den Fragen an den Herrn Finanzminister.

Die 3. Frage – 148/M – formuliert Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. – Bitte sehr.


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82. Sitzung / Seite 20

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner
(Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

148/M

Plant die österreichische Bundesregierung – wie es EU-Kommissar Dipl.-Ing. Dr. Fischler empfohlen hat –, bereits im Vorfeld des EuGH-Verfahrens das Bankgeheimnis zu verschärfen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich möchte Ihnen mitteilen, daß solche Pläne derzeit nicht bestehen. Ich glaube, daß zurzeit kein Bedarf an einer Verschärfung des Bankgeheimnisses besteht, weil Österreich im internationalen Vergleich eines der strengsten Bankgeheimnisse besitzt, wie Sie ja wissen. Das österreichische Bankgeheimnis gehört mit jenen der Schweiz, Liechtensteins und Luxemburgs zu den strengsten in Europa.

Österreich hat damit ein wesentlich strengeres Bankgeheimnis als Deutschland beziehungsweise als nahezu alle anderen Mitgliedsländer der Europäischen Union. Das österreichische Bankgeheimnis ist im BWG gesetzlich geregelt und auch strafrechtlich geschützt. Ich glaube daher, daß wir jenen Standpunkt, den wir bisher eingenommen haben, nämlich die Anonymität der Sparbücher und Sparkonten aufgrund der bereits gesetzten Maßnahmen zu bewahren, gegenüber der Europäischen Union weiter aufrechterhalten können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner : Herr Bundesminister! Sie bestätigen mir nun die Vermutung, die viele Fachleute äußern, daß das Bankgeheimnis nicht verschärft wird. Ist es richtig, was gestern im Wirtschaftsteil von Tageszeitungen zu lesen stand, daß das Bankgeheimnis von Ihnen deswegen nicht verschärft wird, um bei der Aufhebung der Anonymität der Sparbücher die Zinserträge nach dem Einkommensteuertarif versteuern und damit ein erhebliches Mehr an Steuern, rund 10 Milliarden Schilling, lukrieren zu können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe diese Zeitungsberichte nicht gelesen. Diese Argumentationslinie ist mir auch fremd. Ich bleibe dabei, daß unser Bankgeheimnis eines der besten in Europa ist. Bei dem politischen Konflikt oder Dialog, wie immer Sie es nennen wollen, mit der Europäischen Union geht es um die Anonymität. Ich gebe aber zu, daß sehr viele Menschen – Sie werden gar nicht glauben, wie viele, es sind auch hochrangige darunter – die Anonymität und das Bankgeheimnis miteinander verwechseln. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. – Zusatzfrage: Abgeordneter Kampichler, bitte.

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Hinblick darauf, daß momentan die Anonymität und nicht das Bankgeheimnis in Diskussion steht: Glauben Sie nicht doch, obwohl Sie jetzt anders geantwortet haben, daß eine Verschärfung des Bankgeheimnisses notwendig wäre, um verschiedenen Spekulationen vorzubeugen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß es der Europäischen Union um die Anonymität von Sparbüchern und um die Anonymität von Wertpapieren geht.

Wir haben einerseits durch die "Eisberglösung" bei den Wertpapieren und andererseits durch eine beabsichtigte Verschärfung des Strafrechts, was die Wertuntergrenzen betrifft, Maßnahmen gesetzt. Ich persönlich bin davon überzeugt, daß Omas Sparbuch für Geldwäsche nicht


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82. Sitzung / Seite 21

geeignet ist und daß die Anonymität auch zur österreichischen Sparkultur gehört. Ich glaube, wir sollten darum kämpfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön. – Kollege Van der Bellen, bitte.

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundesminister! Das österreichische Justizministerium hat sich mehrfach kritisch zur Anonymität von Finanzvermögen in Österreich geäußert, und zwar nicht nur hinsichtlich des Widerspruchs zur EU-Richtlinie betreffend Geldwäsche, sondern namentlich deswegen, weil die Anonymität regelmäßig zu Schwierigkeiten in Erbschafts- und Scheidungsangelegenheiten führt. Teilen Sie diese Ansicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Das mag schon sein, daß es in den von Ihnen zitierten Fällen im persönlichen Bereich zu Konflikten kommen kann. Die Aufhebung der Anonymität ist seit der Einführung der Endbesteuerung für den Fiskus kein Problem, es liegt daher im persönlichen Bereich.

Ich möchte mich nicht gesetzlich in möglicherweise familiäre Probleme einmischen. Es mag schon sein, daß die Anonymität von Sparbüchern ein Startvorteil für jene ist, die unter Umständen zuerst dort sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Abgeordneter Mag. Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich halte es einerseits für eine Schimäre, zu behaupten, daß wir ein solch ausgezeichnetes Bankgeheimnis hätten – weiß doch jeder Mitarbeiter einer Bankfiliale, wem welches Konto gehört –, und meine auf der anderen Seite, es ist nicht mit einer europäischen Finanzkultur vereinbar, weiter an der Anonymität festzuhalten.

Meine konkrete Frage: Sind Sie bereit, Nummernkonten in Österreich einzuführen, bei denen nur mehr die Leitung des Bankinstitutes weiß, wem welches Konto gehört, und nicht jeder Mitarbeiter am Schalter?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich kann mir durchaus vorstellen, daß man bestimmte Korrekturen am sogenannten Bankgeheimnis anstrebt. Ob dies allerdings die Lösung ist, möchte ich jetzt von diesem Pult aus nicht sagen. Im Augenblick – das möchte ich noch einmal dezidiert feststellen – besteht keine Absicht seitens des Bundesministeriums und auch nicht von mir, am Bankgeheimnis etwas zu verändern.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Dr. Gusenbauer, bitte.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Bundesminister! Es besteht kein Zweifel daran, daß die österreichische Bundesregierung weiterhin daran interessiert ist, die hohe Sparkultur in Österreich aufrechtzuerhalten und auch für die Anonymität zu kämpfen. Was uns aber mit großer Sorge erfüllt, ist, daß sich der steuerliche Ertrag von Kapitalvermögen im europäischen Kontext aufgrund der Existenz von sogenannten Steuerhäfen und Steuerparadiesen sehr schwierig gestaltet.

Welche Maßnahmen plant man in der Europäischen Union, dieser unnötigen Praxis zu Leibe zu rücken, um auch die Steuerertragssicherheit in der Europäischen Union sicherzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Das ist, wie ich glaube, ein sehr wichtiges Thema, das die gesamte Europäische Union betrifft. Ich sehe das weniger von den Möglichkeiten des Steuerertrages her, sondern ich sehe die Notwendigkeit der Harmonisierung gerade im Kapitalbesteuerungsbereich innerhalb der Europäischen Union


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deshalb als so vordringlich, um den unlauteren Wettbewerb, der durch die Schaffung von sogenannten Steueroasen entsteht, auszuschalten.

Ich habe daher als sehr positiv registriert, daß die luxemburgische Präsidentschaft in ihrem Arbeitsprogramm, das am Montag im Ecofin-Rat in Brüssel vorgestellt worden ist, die Harmonisierung der Steuern zu einer wichtigen Frage gemacht hat, und zwar nicht nur in jenen Bereichen, die im Monti-Bericht vorgesehen sind, also das heißt, auch unter Beachtung der Wettbewerbsverzerrung in verschiedenen Bereichen. Ich bin mir aber dessen bewußt, daß die Harmonisierung des europäischen Steuersystems eine extrem schwierige Angelegenheit ist, weil die Steuersysteme der einzelnen europäischen Länder eine individuelle Geschichte haben und in jedem Land der Schwerpunkt in einem anderen Bereich liegt.

Ich möchte das an einem Beispiel demonstrieren, um von der Kapitalbesteuerung wegzukommen. Wir haben etwa, was die Mehrwertsteuer betrifft, in den 15 Ländern der Europäischen Union eine Differenz von 10 Prozentpunkten, nämlich 15 Prozent in dem Land mit der geringsten Mehrwertsteuer und 25 Prozent in jenem mit der höchsten Mehrwertsteuer.

Eine Annäherung dieser Systeme ist natürlich ungeheuer schwierig. Es gibt auf der einen Seite Probleme für jene, die reduzieren müssen, die 25 Prozent haben und 2 oder 3 Prozentpunkte abbauen müssen. Als Österreicher könnten wir jetzt sagen: Wunderbar, wir liegen in der Mitte, wir haben keinen Bedarf! – Aber auf der anderen Seite bringt es viele Probleme für einen Nationalstaat, wenn er seiner Bevölkerung erklären muß: Ich muß jetzt wegen der Europäischen Union die Mehrwertsteuer um 3 oder 4 Prozentpunkte anheben.

Das ist ein schwieriges Kapitel, das trifft in anderen Bereichen auch zu, aber ich glaube, daß die Frage der Steuerharmonisierung ganz wichtig ist. Ich habe auch mit den Vertretern jener Länder, mit denen wir uns in der Troika befinden werden, nämlich mit den Deutschen und den Finnen, die Frage der europäischen Besteuerung bereits besprochen, weil ich glaube, daß das ein mittelfristiges Programm darstellt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – 4. Fragenkomplex: Dr. Lukesch, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister!

151/M

Wie stehen Sie angesichts der unterdurchschnittlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Ausmaß von 1,5 Prozent des BIP in Österreich zur Errichtung eines Forschungsförderungsfonds, der unabhängig von der Budgetsituation die Finanzierung von Grundlagen angewandter Forschung als Aufgabe hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es ist überhaupt keine Frage, daß die Optimierung der Technologiepolitik ein zentrales Anliegen der österreichischen Bundesregierung darstellt. Österreich braucht – das sage ich in aller Deutlichkeit – eine breit angelegte Innovationsstrategie. Nur die Ergebnisse einer permanenten Weiterentwicklung unserer Produkte und unserer Leistungen im öffentlichen und im privatwirtschaftlichen Bereich werden unser Land auch in Zukunft wettbewerbsfähig erhalten.

Es kommt in vielen Bereichen zur Erarbeitung einer neuen Struktur, etwa im Bereich der Technologieförderung, und wir hatten auch die Möglichkeit, im Rechnungshofausschuß ausführlichst darüber zu diskutieren. Es geht darum, die Forschungsquote zu erhöhen, es geht aber auch darum, die Erhöhung des privaten Finanzierungsanteiles für Forschung und eine stärkere Praxisorientierung der technologischen Forschung zu erreichen.

Herr Abgeordneter Dr. Lukesch! Wenn Sie mich fragen, wie ich zu einem budgetunabhängigen Forschungsförderungsfonds stehe, dann muß ich sagen, das ist nicht so einfach zu beantworten, weil natürlich jede öffentliche Förderung, auf welche Weise sie auch immer organisiert


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wird, eine bestimmte Budgetrelevanz haben wird. Mit Ausnahme des ERP-Fonds, der ein Sondervermögen darstellt, sind alle anderen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der einen oder anderen Form direkt oder indirekt budgetabhängig.

Natürlich kann man überlegen, beispielsweise Privatisierungserlöse in einen Fonds einzubringen und Zinserträge für Förderungszwecke zu verwenden. Das ist ein Gedanke, den ich weiterverfolge. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß dies auch eine Frage – ich formuliere das unter Anführungszeichen absichtlich so – "der kreativen Buchhaltung im Sinne Maastrichts" ist, denn sonst könnte das sehr kontraproduktiv sein, und ich glaube nicht, daß man mit einer guten Sache eine andere, nämlich die Erreichung der Budgetkonsolidierung gemäß den Maastricht-Kriterien, zerstören soll.

Daher soll man darüber nachdenken, da gebe ich Ihnen durchaus recht. Ich glaube auch, daß man über ein Technologiekonzept nachdenken muß. Die beiden Minister Farnleitner und Einem sind beauftragt, bis zum Herbst auf der Grundlage des Papiers Hochleitner-Schmidt die Umsetzung zu diskutieren und auch zu organisieren. Ich bin davon überzeugt, daß sich das Parlament dann auch damit beschäftigen wird. In diesem Rahmen haben wir dann selbstverständlich auch die Frage der Finanzierung zu besprechen. Die Zielsetzung kann nur sein, innerhalb von fünf Jahren 2 Prozent des BIP zu erreichen, aber in einer Aufteilung zwischen öffentlicher und privater Förderung, die letztendlich dem europäischen Durchschnitt entspricht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Auch Ihnen wird die problemhafte Situation der einzigen Großforschungseinrichtung in Österreich, des Forschungszentrums Seibersdorf, nicht entgangen sein. Wir haben in dieser Woche ein Budgetüberschreitungsgesetz beschlossen, das die erste zusätzliche Forschungs- und Technologiemilliarde haushaltsmäßig absichert.

Ist sichergestellt, Herr Bundesminister, daß diese zusätzlichen Forschungsmittel auch für Seibersdorf zur Bewältigung der Umstellungsprobleme eingesetzt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe die Aufgabe gehabt, für die Bedeckung der von der Bundesregierung versprochenen Technologiemilliarde trotz der durchaus relevanten Budgetproblematik Sorge zu tragen. Sie wissen, daß diese Technologiemilliarde nach bestimmten Kriterien aufgeteilt worden ist. Bezüglich der Entscheidung darüber, welche Inhalte getragen und finanziert werden können, würde ich Sie bitten, sich an den zuständigen Fachminister zu wenden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Abgeordneter Van der Bellen, bitte.

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben die Studie von Schmidt und Hochleitner angesprochen, die im wesentlichen ein Organisationskonzept für die wirtschaftsnahe Forschungsförderung darstellt. Welche Chance geben Sie diesem Papier eigentlich, da ich den Eindruck habe, daß innerhalb der SPÖ allenfalls der Bundeskanzler, nicht aber der Wissenschaftsminister hinter diesem Papier steht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich glaube, daß man die Debatte über diese Vorschläge nicht danach beurteilen soll, wie einzelne Mitglieder einer politischen Partei dazu stehen, sondern ich glaube, daß zu prüfen ist, ob es zweckmäßig ist und zu welchen Resultaten eine organisatorische Veränderung führt.

Im wesentlichen sehe ich – da gebe ich Ihnen recht – eine organisatorische Reform der österreichischen Förderungspolitik als einen Aspekt an, aber selbstverständlich ist auch die


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Konzentration vorhandener Mittel ein mittelfristiger Aspekt. Ich bin auch durchaus bereit, im Rahmen der Steuerreformdebatte steuerliche Maßnahmen im Hinblick auf Forschung und Entwicklung im privaten Bereich zu ventilieren.

Worum es dabei geht, ist – da gebe ich Ihnen recht, weil ich auch die Diskussionen verfolgt habe –, daß man aus diesem Strukturkonzept ableiten könnte, daß künftighin nur noch das geforscht werden darf, was die Wirtschaft braucht. Nun glaube ich, daß das sicher ein wichtiger Aspekt ist, denn die Forschung braucht ganz einfach auch die wirtschaftliche Entwicklung und den wirtschaftlichen Bedarf, aber ich meine durchaus, daß jene Gefahr, die Sie in den Raum gestellt haben, nämlich daß damit die Unabhängigkeit und die Freiheit von Wissenschaft und Forschung beschränkt werden, nicht gegeben sein darf.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Klara Motter, bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist eine Tatsache, daß Frauen in der Forschung immer noch unterrepräsentiert sind. Meine Frage lautet: Könnten Sie sich vorstellen, eine spezifische Förderung für Frauen einzurichten, die aus der Technologiemilliarde hervorgeht, ohne einen eigenen Förderungstopf schaffen zu müssen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich bin grundsätzlich dafür, daß man in allen Bereichen Weichenstellungen vornimmt, die dem Grundsatz entsprechen, daß Frauen in stärkerem Maße in wichtige Positionen der österreichischen Gesellschaft aufrücken können. Ich vermag aber jetzt von hier aus nicht zu beantworten, ob im Rahmen der Forschungs- und Technologieförderung vom Förderungssystem her Maßnahmen ergriffen werden können, die frauenspezifisch sind. Ich möchte mich in dieser Frage nicht festlegen. Grundsätzlich möchte ich nur sagen, daß ich im wesentlichen jene Initiativen unterstütze, die zur Gleichstellung der Frauen in der österreichischen Gesellschaft führen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Minister. – Herr Abgeordneter Dr. Nowotny, bitte.

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Bundesminister! Im internationalen Vergleich gibt es verschiedene Wege der Technologiepolitik, wobei es darum geht, zum Teil nicht nur die Investitionsseite, sondern auch den Einsatz von hochqualifizierten personellen Ressourcen zu fördern. Gibt es im Rahmen Ihres Ressorts Überlegungen, auch in dieser Richtung Förderungsinstrumente zu entwickeln?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich glaube, daß die Förderungspolitik im Bereich von Forschung und Wissenschaft drei Bereiche umfassen sollte, auch im Hinblick auf eine innovative Wirtschaftspolitik: in die Ausbildung der Menschen zu investieren – das heißt, die Humanressourcen entsprechend zu entwickeln –, in die technische Infrastruktur – das ist ein ganz wichtiger Bereich – und letztendlich auch in den klassischen Bereich der Forschung und Entwicklung.

Ich glaube daher, daß wir im Zuge der Diskussion, die letztendlich zu einer Neustrukturierung – organisatorisch, aber auch inhaltlich – der österreichischen Forschungs- und Entwicklungspolitik führen soll, mit der Zielsetzung, bis zum Jahr 2002 tatsächlich 2 Prozent des BIP für Forschungsaufgaben aufzuwenden – und zwar nicht für die Statistik, sondern in kluger Art und Weise –, diesen sehr wichtigen Aspekt berücksichtigen müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Nußbaumer.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Ich knüpfe gleich an diese Frage an. Österreich hat 26 Forscher auf 10 000 Einwohner und liegt damit weit unter dem OECD-Schnitt von, ich glaube, 48 Forschern. Unser stärkster Handelspartner


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Deutschland hat mit 61 mehr als doppelt so viel, die USA mit 76 das Dreifache und Japan mit 97 fast das Vierfache an Forschern auf 10 000 Einwohner.

Auf der anderen Seite mehren sich aber die Klagen, daß in Österreich ausgebildete Forschungswillige keine Stelle in Österreich bekommen. Sie haben vorher geantwortet, daß Sie auch in Humanressourcen investieren, das ist sehr gut. Aber wenn die Leute dann ins Ausland gehen müssen, dann heißt das, daß wir den mit österreichischen Steuergeldern bestausgebildeten Forschern keine Forschungsarbeitsplätze in Österreich anbieten können.

Meine Frage lautet daher: Was tun Sie in diese Richtung, und was unternehmen Sie, damit das in Seibersdorf zur Kündigung anstehende Forschungsteam nicht ins Ausland muß?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bin jetzt natürlich nicht in der Lage, Ihre hier zitierten Zahlen zu überprüfen, aber ich bin bereit, Ihnen zu glauben, daß das richtig ist. Denn auch ich habe festgestellt, daß im Bereich von Forschung und Entwicklung die Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz zu bekommen, selbstverständlich zu gering sind. Das hat sicherlich auch damit zu tun, daß die Höhe der gesamten Ausgaben für die Forschung in Österreich, gemessen an jenen von vergleichbaren Staaten, gering ist.

Genau in diesem Bereich sollen Überlegungen angestellt werden. Vielleicht ist es aber auch so, daß ein gut Teil der Arbeitsplätze in der Forschung in diesen Staaten nicht durch öffentliche Förderungen zur Verfügung gestellt wird. Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß gerade in den Ländern USA und Japan der Anteil der öffentlichen Förderungen an den allgemeinen Forschungsausgaben besonders hoch ist. Das heißt, wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, bei denen Forschung und Entwicklung unter einen Hut gebracht werden. Bei den österreichischen Forschungsausgaben zahlt der Staat zu fast 50 Prozent mit, in der Schweiz nur zu 28 Prozent, in Schweden zu 31 Prozent, in Finnland zu 39 Prozent und in Dänemark zu 37 Prozent. Der EU-Schnitt liegt bei 39 Prozent.

Wir müssen also Rahmenbedingungen schaffen, die es auch der privaten Wirtschaft attraktiv erscheinen lassen – das gilt auch für die Klein- und Mittelbetriebe, etwa durch Cluster-Bildung und ähnliches –, Forschungsaufträge zu erteilen. Das tun sie natürlich nur dann, wenn sie früher oder später auch einen entsprechenden betriebswirtschaftlichen Erfolg haben. Diese Weichenstellung ist vorzunehmen. Das ist aufgrund dieses Konzeptes auch möglich, wobei das kein Anwendungsbericht ist, sondern ein, wie ich glaube, kluger Vorschlag.

Ich bin auch den Herren Hochleitner und Schmidt sehr dankbar dafür, daß das vorliegt. Das gehört in aller Ruhe diskutiert, und dann muß darüber entschieden werden, in welcher Weise wir die notwendige Umstrukturierung der Forschungs- und Entwicklungspolitik in Österreich vornehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Wir kommen zum 5. Fragenkomplex: Kollege Mag. Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage:

147/M

Warum haben Sie bei der Neuregelung der Mindestkörperschaftsteuer die von Steuerrechtsexperten und Beamten Ihres Hauses geäußerten schwerwiegenden Bedenken hinsichtlich der neuerlichen Gleichheitswidrigkeit dieser Regelung nicht berücksichtigt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es liegt in der Natur der Sache, daß zu steuerlichen Maßnahmen, die einen weitgehenden Eingriff ... (Bundesminister Edlinger schaut in Richtung Freiheitliche und sieht nicht, wo Abg. Mag. Peter


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steht.)  – Verzeihung. Jetzt war ich total verwirrt, ich habe Sie dort gesucht. (Heiterkeit. – Abg. Haigermoser: Peter wechselt so oft die Partei, er weiß auch nicht, wohin er soll!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist der Herr Finanzminister!

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger (fortsetzend): Herr Abgeordneter! Dadurch, daß ich nicht den Blickkontakt mit Ihnen gefunden habe, wollte ich Ihnen in keiner Weise nahetreten.

Es liegt in der Natur der Sache, daß zu steuerlichen Maßnahmen, die einen weiter gehenden Eingriff in die geltende Rechtslage mit sich bringen, immer wieder eine Reihe von Steuerexperten Bedenken und unterschiedliche Meinungen anmelden. Im konkreten Fall handelt es sich aber keinesfalls um eine auch nur einigermaßen geschlossene Meinung von Steuerrechtsexperten, die sich aus schwerwiegenden Bedenken gegen die Neuregelung der Mindest-KöSt ausgesprochen haben.

Einigermaßen erstaunt bin ich über Ihre Behauptung, daß auch Beamte meines Hauses diesbezüglich schwerwiegende Bedenken hätten. Eine öffentliche Meinungsäußerung ist mir nicht bekannt, auch keine private mir gegenüber, außer einer einzigen von einem Experten der Steuersektion, der mit der legistischen Ausarbeitung der Neuregelung beauftragt war und einen, wie ich glaube, argumentativ sehr klugen Beitrag in der "Österreichischen Steuerzeitung", Heft 13/1997, verfaßt hat.

Ich vertrete die Ansicht, daß die Neuregelung den Aussagen und dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1997 entspricht, und meine, daß man davon ausgehen kann, daß sich der Verfassungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis keinesfalls dahin gehend ausgesprochen hat, daß die Mindestkörperschaftsteuer an und für sich nicht möglich ist, sondern daß sie an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden muß.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter: Herr Bundesminister! Die Bundesregierung verfolgt ein Konzept zur Jungunternehmerförderung. Junge Unternehmen sind durch Kapital- und Liquiditätsenge gekennzeichnet. Sind Sie der Auffassung, daß die Mindestkörperschaftsteuer für Jungunternehmer eine Jungunternehmerförderung darstellt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Wir haben auch in den parlamentarischen Verhandlungen den Steuersatz für Jungunternehmen für das erste Jahr so belassen, wie er war. Ich glaube, daß das durchaus eine Jungunternehmerförderung darstellt, meine aber auch, daß Jungunternehmerförderung nicht allein durch steuerliche Maßnahmen erfolgen kann, sondern daß es dazu auch vieler anderer Maßnahmen, die es durchaus gibt, bedarf. Eine Reihe von Ländern haben in den Bereichen Betriebsgründung und -ansiedlung bestimmte Maßnahmen gesetzt. Und all das muß als Ganzes gesehen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Hagenhofer, bitte.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Bundesminister! Der Verfassungsgerichtshof hat die Mindestkörperschaftsteuer aufgehoben. Können Sie uns bitte die Summe der Steuerausfälle, die dadurch entstanden sind, nennen beziehungsweise sagen, durch welche Maßnahmen diese kompensiert werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: An und für sich mußte im Rahmen der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof mit einem Steuerausfall von 2,5 Milliarden Schilling gerechnet werden. Durch die Neuregelung, die ja bereits beschlossen wurde, ist jener steuerliche Ertrag möglich, der im Budget 1997 vorgesehen war, nämlich ein Ertrag in einer


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Dimension von 800 Millionen bis 900 Millionen Schilling. Ich bin mir daher sicher, daß die erwarteten Einnahmen, die ja letztendlich im Konsolidierungspaket für das Budget 1997 vorgesehen waren, eintreffen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Böhacker, bitte.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie werden sicher nicht erstaunt sein, daß ich Ihre Meinung im Zusammenhang mit der Neueinführung einer Mindestkörperschaftsteuer "Neu" aus rechtlicher Sicht nicht teile, ist doch diese Mindest-KöSt "Neu" auch wieder eine Substanzbesteuerung, eine verkappte Vermögensbesteuerung und widerspricht großen Prinzipien der Ertragsbesteuerung. Das Ergebnis wird sein: Massenberufungen, Massenbeschwerden – wie schon bei der alten Mindestkörperschaftsteuer.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich frage Sie nun: Werden Sie die nachgeordneten Dienststellen anweisen, bei eingebrachten Berufungen und damit verbundenen Stundungs- beziehungsweise Aussetzungsansuchen unbürokratisch vorzugehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Es mag durchaus sein, daß es wieder zu einer Flut von Berufungen kommt; das ist an und für sich legitim.

Ich möchte diese Frage und auch ähnliche folgendermaßen beantworten: Ich erteile grundsätzlich, wenn das in der hervorragenden Finanzverwaltung überhaupt notwendig ist, immer die Weisung, möglichst unbürokratisch und bürgernah vorzugehen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Fink, bitte.

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Neuregelung der Mindestkörperschaftsteuer bedeutet auch eine Belastung für die Finanzbeamten. Die von uns in diesem Haus beschlossenen Gesetze müssen vollzogen werden und bedeuten eine entsprechende Belastung.

Die Finanzbeamten haben Sie, glaube ich, gestern besucht. Wie haben Sie mit ihnen verhandelt? Haben Sie die Absicht, wie heute in einer steirischen Tageszeitung steht, die Hälfte des 15. Gehaltes zu streichen, und handelt es sich um ein 15. Gehalt oder um Zulagen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Zunächst zu Ihrer ersten Frage, nämlich wie ich gestern mit den Finanzbeamten gesprochen habe. Ich habe mit den Finanzbeamten so gesprochen, wie ich mit jedem Menschen spreche: sehr freundlich. Ich halte es für wichtig, auch dann freundlich zueinander zu sein, wenn man nicht der gleichen Auffassung ist.

Ich möchte aber im Zusammenhang mit dem Punkt, den Sie angeschnitten haben, folgendes feststellen: Es geht um die sogenannte Belastungsbelohnung, und die Entscheidung, eine 50prozentige Kürzung durchzuführen, ist ja nicht nur auf die Finanzbeamten beschränkt, sondern es sollen im Rahmen des Konsolidierungspaketes und des Konsolidierungskurses im gesamten öffentlichen Bereich jene Zulagen, bei denen dies rechtlich möglich ist, um 50 Prozent gekürzt werden. Die Belastungsbelohnung ist ein solcher Aspekt, und ich habe auch die Beschlüsse, die dieses Hohe Haus im Zusammenhang mit den Budgets 1996/97 gefaßt hat, zu vollziehen.

Ich habe aber den Finanzbeamten mitgeteilt, daß ich selbstverständlich verhandlungsbereit bin, allerdings unter dem Aspekt, daß eine über die um 50 Prozent gekürzte Belastungsbelohnung hinausgehende Leistung des Staates nur dann erfolgen kann, wenn eine leistungsorientierte Untermauerung gegeben ist.


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Bei allem Respekt: Ich weiß, daß es hervorragende Finanzbeamte gibt, ich weiß aber auch, daß sie unterschiedlich belastet sind, und zwar vom Zeitaufwand her, aufgrund der menschlichen Ressourcen und anderer Faktoren. Wir haben uns darauf verständigt, daß wir im Herbst über eine leistungsbezogene Adaptierung über die 50 Prozent hinaus reden werden – jedenfalls aber nicht auf die ursprüngliche Höhe, das ist auch ganz klar, denn das würde nicht dem Ziel entsprechen –, weil ich wirklich weiß, daß die Finanzbeamten unterschiedlich belastet sind. Und diese unterschiedliche Belastung soll dann durch eine solche Zulage ausgeglichen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Eine weitere Zusatzfrage dazu liegt nicht vor.

Wir kommen zum 6. Fragenkomplex. Frau Abgeordnete Hagenhofer formuliert die Frage.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

145/M

Durch welche Maßnahmen werden Sie im Rahmen des Budgetvollzugs 1997 erreichen, daß Österreich die Maastricht-Kriterien erfüllen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wie Sie wissen, sieht der Vorschlag des Bundes für 1997 742 Milliarden Schilling an Einnahmen und 679 Milliarden Schilling an Ausgaben und daher ein Defizit von 68 Milliarden Schilling oder 2,7 Prozent des BIP vor.

Einige Fakten machen einen sehr restriktiven Budgetvollzug sowie kompensatorische Maßnahmen notwendig. Wir haben darüber bereits anläßlich eines Budgetüberschreitungsgesetzes in diesem Hause, glaube ich, diskutiert.

Ich möchte kurz zusammenfassen: Auf der Ausgabenseite hat die Änderung der Krankenanstaltenfinanzierung beim Bund zu einer Mehrbelastung von 3,3 Milliarden Schilling geführt. Diese war zum Zeitpunkt der Budgeterstellung nicht bekannt, weil die Einigung mit den Finanzausgleichspartnern ja erst im November 1996 zustande kam.

Im Sozialbereich, nämlich sowohl bei der Sozialversicherung als auch beim FLAF, sind infolge der konjunkturell schwächeren Einnahmenentwicklung Mehrbelastungen zwischen 5 Milliarden und 7 Milliarden Schilling für das Budget zu erwarten.

Auf der anderen Seite führten die bereits angesprochene Aufhebung der Mindest-KöSt beziehungsweise die Änderung bei der Werkvertragsregelung durch den Verfassungsgerichtshof zu Einnahmenausfällen in der Größenordnung von 2 Milliarden bis 2,5 Milliarden Schilling.

Um das veranschlagte Defizit in Höhe von rund 68 Milliarden zu halten, wurde daher eine Reihe von Maßnahmen gesetzt. Zum Beispiel wird der Bundesbeitrag zur Krankenanstaltenfinanzierung durch die Ausschüttung der Pensionsrückstellungen der P.S.K. an den Bund in der Höhe von etwa 3,5 Milliarden mehr als kompensiert.

Bei der Mindestkörperschaftsteuer wurde eine Neuregelung beschlossen.

Die Mehrbelastungen im Bereich des Sozialbudgets werden insbesondere durch Einsparungen bei den Ermessensausgaben kompensiert. Sie wissen, daß wir die gestaltbaren Ermessensausgaben mit April um 8 Prozent gekürzt haben, und das macht einen Betrag von 4,5 Milliarden bis 5 Milliarden Schilling aus.

Außerdem bin ich guter Dinge, durch die Einfuhrbeschränkung bei Tabakwaren aus Drittstaaten im Laufe des Budgetvollzuges 1997 noch 1 Milliarde bis 1,3 Milliarden Schilling für das Budget zu erhalten.


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Eine weitere Entlastung gegenüber dem Haushaltsvoranschlag ist bei der Zahlung an die Europäische Union zu erwarten.

Erfreulich ist natürlich auch die Tatsache, daß wir für den Zinsenaufwand aufgrund der Zinsenentwicklung weniger brauchen werden, als im Voranschlag vorgesehen ist.

Und erst diese Woche haben wir die legistischen Voraussetzungen dafür geschaffen, den Nullkuponfonds aufzulösen. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) – Bitte? (Abg. Böhacker: "Auszuräumen" habe ich verstanden!) Ach so. Sie befleißigen sich einer anderen Semantik. Ich habe "aufgelöst" gemeint, um so für das Budget 1997 2,4 Milliarden Schilling zu lukrieren.

Die budgetär quantitativ bedeutsamen Personalausgaben liegen im Plan.

Es ist und bleibt daher das Ziel der Bundesregierung – daran hat sich nichts geändert; und ich bin so sehr überzeugt davon, daß wir es erreichen werden, daß ich es auch hier in aller Öffentlichkeit sage –, den Budgetvollzug 1997 in dem Rahmen zu halten, wie es geplant war, nämlich mit einem Abgang im Bundeshaushalt in Höhe von 68 Milliarden beziehungsweise 2,7 Prozent – bleiben wir lieber bei 2,7 Prozent – des BIP. Ich bin davon überzeugt, daß sich dieses Budget so vollziehen läßt. Und damit sind natürlich alle Spekulationen darüber, wieviel im Budget 1997 fehlen könnte – das habe ich faktisch als Morgengabe bei meiner Amtsübernahme empfangen –, ad absurdum geführt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Abgeordneter Schreiner, bitte sehr.

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die Fragen betreffend den Budgetvollzug 1997 haben Sie uns nun erläutert. Es wird beim Rechnungsabschluß dann tatsächlich feststehen, wie viele Ihrer jetzigen Prognosen wirklich wahr geworden sind.

Herr Bundesminister für Finanzen! Mich interessiert, was Sie von der OECD-Studie halten, die prognostiziert, daß wir zwar im heurigen Jahr mit 3 Prozent – bezogen auf das BIP – den Nettoabgang halten können, nämlich was die Maastricht-Kriterien anlangt, daß wir aber bereits 1998 darüber liegen werden, nämlich mit rund 3,4 Prozent. Was halten Sie davon in Form einer mittelfristigen Budgetprognose, und kann es eine nachhaltige Stabilität auch in Österreich geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Abgeordneter Schreiner! Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, da Sie damit eigentlich eine Frage nach dem Budget 1998 stellen und damit indirekt meiner Aussage, daß der Budgetvollzug 1997 voranschlagsgemäß mit 2,7 Prozent über die Bühne gehen wird, zustimmen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das hat er nicht gesagt!) Ich danke Ihnen dafür wirklich. Es ist dies ein sehr freundlicher Vertrauensvorschuß, den ich auch verdiene; Sie werden das beim Rechnungsabschluß feststellen. Ich bin auch gerne bereit, mit Ihnen um eine Flasche Sekt zu wetten, daß wir 2,7 Prozent erreichen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Kein Alkohol in diesem Haus!) – Frau Abgeordnete! Ich habe ja nicht gesagt, daß wir sie hier im Haus trinken. Ich halte mich selbstverständlich an die Regeln dieses Hauses. (Abg. Rosemarie Bauer: Dann bin ich zufrieden!)

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit folgendes: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Lassen Sie sich bitte noch zwei oder drei Wochen Zeit, denn ich bin überzeugt davon, daß es der Koalitionsregierung in gemeinsamer und schwieriger Arbeit gelingen wird, in wenigen Wochen ein Maastricht-konformes Budget für die Jahre 1998 und 1999 vorzulegen. Bitte, gedulden Sie sich noch ein bißchen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Fragesteller: Mag. Steindl, bitte.

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Minister! Ein Maastricht-Kriterium ist, daß die öffentliche Verschuldung nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen soll. Die Ten


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denz der diesbezüglichen Werte Österreichs ist durch verschiedene Maßnahmen sinkend; sie liegt derzeit bei, glaube ich, 67 Prozent.

Meine Frage: Wie, mit welchen Maßnahmen und wann werden wir die 60-Prozent-Marke erreichen beziehungsweise sogar unterschreiten?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Noch vor wenigen Monaten haben wir darüber diskutiert – auch in der Öffentlichkeit wurde darüber diskutiert; es ist das immer wieder behauptet worden –, daß sich die Quote der öffentlichen Verschuldung Österreichs weiter nach oben entwickeln wird. Selbstverständlich – und das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen – ist ein laufendes Defizit zu finanzieren. Das heißt, wenn wir im Budget 1997 einen Abgang in Höhe von 68 Milliarden haben, erhöht sich dadurch zunächst einmal der Schuldenstand der Republik – darin sind wir uns, glaube ich, alle einig.

Erstens ist nun der Schuldenstand an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts zu messen, und zweitens ist die Quote der Verschuldung durch Maßnahmen, die innerhalb der Europäischen Union möglich sind, nämlich durch Privatisierungen und Ausgliederungen zu senken.

Ich bin überzeugt davon und hoffe sehr, daß im Zusammenhang mit den ASFINAG-Ausgliederungen allfällige Irritationen in den Bundesländern bis zur Sitzung des Bundesrates noch bewältigt werden können, denn das ist ein sehr wichtiger Bereich. Ich glaube, daß durch die Ausgliederung auf der einen Seite die Effizienz in diesem Bereich steigen wird und daß sie auf der anderen Seite eine positive Auswirkung im Hinblick auf den Verschuldenstand haben wird.

Wir haben darüber hinaus auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß es den Gemeinden möglich ist, ihre Haushalte so zu strukturieren, daß sie aus der Maastricht-relevanten Betrachtung herausgenommen werden können. Auch Maßnahmen der Darlehensveräußerung beim Wasserwirtschaftsfonds, die relativ gut gelaufen sind, werden dazu beitragen, sodaß ich davon ausgehen kann, daß die öffentliche Verschuldung, die derzeit bei knapp über 70 Prozent liegt, im heurigen Jahr auf etwa 67 Prozent sinken wird, in den Folgejahren auf 66, 65 Prozent.

Zur Erreichung dieses Kriteriums sind nicht die 60 Prozent entscheidend – es kann auch keiner volkswirtschaftlich erklären, warum es 60 Prozent sein sollen; so ist es halt –, sondern es geht darum, sich in Richtung dieser 60 Prozent zu bewegen.

Ich sage hier im Hohen Hause sehr bewußt folgendes – es deckt sich das nicht mit der Meinung aller EU-Staaten –: Ich würde meinen, wir sollten auch mittelfristig kein Nulldefizit anstreben, denn das würde zu einer derart restriktiven Politik führen, daß wir vor allem im sozialpolitischen Bereich extreme Probleme bekämen. Aber wir sollten mittelfristig die volkswirtschaftlich wesentlich vernünftigere Formel anwenden, daß das Defizit das Wachstum des BIP nicht übersteigen sollte.

Ich glaube, daß das ein vernünftigerer Konsolidierungskurs ist, der vor allem die Handlungsmöglichkeiten des öffentlichen Budgets nicht auf lange Zeit extrem begrenzt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Mag. Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Die öffentlichen Einnahmen sprudeln. Die Österreicherinnen und Österreicher zahlen mehr Einkommensteuer, mehr Lohnsteuer, mehr Körperschaftsteuer. Ihre Budgetsanierung ist daher überwiegend eine einnahmenseitige. Diese einnahmenseitige Budgetsanierung haben Sie von den Ihnen vorangegangenen Finanzministern geerbt. Diese haben die entsprechenden Gesetze durch den Nationalrat gebracht.

Was wird Ihr Beitrag zur Budgetsanierung sein, um die ausgabenseitige Dynamik zu bremsen? Wo wird Ihr Beitrag angesiedelt sein? Welche Kosten werden Sie beschneiden, damit das Budget auch ausgabenseitig wieder ins Lot kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich wundere mich, daß, wenn in den Medien verlautbart wird, daß die Einnahmen für das Budget so ungeheuer sprudeln, darob das große Staunen ausbricht. Mit dem Voranschlag 1997 wurde diese Dynamik beschlossen. Würden die Einnahmen für das Budget nicht sprudeln, wie Sie gesagt haben, dann wäre das Budget 1997 falsch, denn es sind im Voranschlag 1997 zusätzliche Einnahmen vorgesehen worden. Wir liegen genau auf Kurs. Mit Mehreinnahmen von 20 Milliarden Schilling im ersten Halbjahr liegen wir knapp unter der Marke, die das Budget erreichen soll und – davon bin ich überzeugt – auch erreichen wird.

Ich möchte aber schon darauf hinweisen – Sie müßten das aus eigener Erfahrung viel besser wissen als ich, ich mußte mir das erst anlesen, denn ich bin erst seit 5 Monaten im Amt (Abg. Dr. Khol: Fishing for compliments!)  –, daß im Grundsatzpaket für die Jahre 1996 und 1997 die Ausgaben zu den Einnahmen in einem Verhältnis von 60 zu 40 standen, was auch eingehalten wird.

Wir haben selbstverständlich auch auf der Ausgabenseite Restriktionen vorgenommen. Ich habe zuvor bei einer anderen Frage gesagt, daß ich noch nachträglich die Ausgaben durch die Sperre der Ermessenskredite eingebremst habe – weil im März noch nicht ganz klar war, inwieweit sich die Einnahmen entwickeln werden –, damit das Budgetziel auf jeden Fall erreicht werden kann.

Ich gehe aber davon aus, daß sich Ihre Frage auf die nächsten Budgets bezieht. Darüber wird es eine Reihe von, wie ich meine, sehr schwierigen Diskussionen zu bewältigen geben. Ich nehme an, Herr Abgeordneter, daß Sie auch das den Medien entnommen haben. Wir werden ausgabenseitige Maßnahmen setzen. Ich bin nämlich wirklich der Meinung, daß man der Bevölkerung nur dann ein verhandelbares Budget vorlegen kann, wenn auch ausgabenseitig gespart wird. Es ist ja interessant, daß der Begriff "Sparpaket" so negativ besetzt ist, obwohl der Begriff "sparsamer Mensch" eigentlich positiv besetzt ist. Daher: Ich werde kein Sparpaket, sondern einen sparsamen Budgetvollzug vorschlagen, und wir werden dann einnahmenseitige Ergänzungen vornehmen, wenn wir sie benötigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Die 60 Minuten der Fragestunde sind beendet.

Ich danke dem Herrn Finanzminister. Wir werden morgen fortsetzen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 2385/AB bis 2391/AB.

2. Initiativanträge:

Zurückziehung: 481/A (E).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


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Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bürgerinitiative Nr. 8 betreffend die gesetzliche Anerkennung des Blindenführhundes als Hilfsmittel und Diensthund in Österreich;

Familienausschuß:

Petition Nr. 16 betreffend "finanzielle Gleichstellung der Fahrtkosten zwischen Heimschülern und Fahrschülern", überreicht von der Abgeordneten Brigitte Tegischer.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 521/A (E) der Abgeordneten Anton Blünegger und Genossen betreffend Kostenübernahme für Bildschirmbrille nach § 68 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 1994;

Finanzausschuß:

Antrag 515/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz 1956, BGBl. Nr. 165/1956, geändert wird,

Antrag 516/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird,

Antrag 502/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend PensionistInnenabsetzbetrag;

Gleichbehandlungsausschuß:

Antrag 518/A (E) der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek und Genossen betreffend Neuregelung der Pensionsauszahlung bei aufrechter Ehe und anteiliger Pensionsanspruch im Scheidungsfall;

Unterrichtsausschuß:

Antrag 519/A der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird;

Verfassungsausschuß:

Antrag 517/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das B-VG und das Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz geändert wird, geändert werden.

*****

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. – Bitte sehr.

10.02

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich möchte einen Antrag gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung stellen. Wir haben eine Abstimmungsnacht hinter uns, von der ich glaube, daß sie das Vertrauen der Bevölkerung in die Verantwortung der Parlamentarier schwer erschüttert hat. Ich meine, daß der Ärger über den Koalitionspartner nicht Maßstab für Sachentscheidungen werden darf, erst recht dann nicht, wenn man meint, daß es um Gewissensentscheidungen geht.


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Mit dem Tagesordnungspunkt 3 der heutigen Tagesordnung sollen neue Fahndungsmethoden eingeführt werden. Das wäre ein Einschnitt in Grundrechte, der von niemandem bestritten wird, und ich meine, daß gerade eine solche Materie auch das Gewissen anspricht.

Ich glaube, daß es nicht nur das Interesse der Liberalen sein kann, die gegen diese Methoden auftreten, sondern auch das Interesse all jener, die dafür sind, daß die Bevölkerung das Gefühl hat, daß hier Sacherwägungen Ursache für die Einführung solcher Methoden sind und keine Koalitionsüberlegungen. Ich glaube, daß das im augenblicklichen Klima nicht möglich ist und ersuche Sie daher, den Tagesordnungspunkt 3 von der Tagesordnung zu nehmen. (Abg. Schwarzenberger: Dieser Antrag wurde heute in der Früh schon abgelehnt!)

10.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das ist ein Antrag gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung. – Frau Dr. Schmidt, bitte.

10.03

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung): Ich stelle diesen Antrag, und ich ersuche auch, über den Antrag abzustimmen, daß eine Debatte darüber durchgeführt wird.

10.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag nach § 49 Abs. 5 ist ein Antrag, der einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Der Antrag über die Debatte stützt sich auf § 59 der Geschäftsordnung. Nach dem, was wir gestern besprochen haben, ist eine Abstimmung darüber zweifellos zulässig, weil es sich um einen Antrag handelt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, eine Debatte durchzuführen.

Ich mache einen raschen Blick in den Saal, um festzustellen, ob das erforderliche Quorum vorhanden ist. – Das Quorum ist gegeben.

Ich lasse daher abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Schmidt auf Durchführung einer Debatte zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt. (Abg. Dr. Schmidt  – in Richtung ÖVP –: Dieses Mal wollt ihr nicht debattieren!)

Damit ist aber erst die Abstimmung über den Antrag, eine Debatte durchzuführen, erledigt.

Vielleicht beobachten manche Kollegen, auch auf der rechten Seite dieses Hauses, daß Damen und Herren den Sitzungssaal betreten, was nach der Geschäftsordnung nicht verboten ist. Ich möchte das in einer ruhigen Minute klarstellen, weil es offenbar in manchen anderen Situationen zu schrecklichen Aufregungen führt.

Wir stimmen nun ab über den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Schmidt, den Punkt 3 von der Tagesordnung abzusetzen. Für diesen Antrag ist gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag auf Vertagung nach § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist nicht die Zweidrittelmehrheit des Hohen Hauses. Der Antrag ist daher nicht beschlossen.

Ich setze mit den Mitteilungen fort, die vor Eingang in die Tagesordnung zu machen sind.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Haigermoser und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 2738/J der Abgeordneten Haigermoser und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Proporzpolitik statt Wirtschaftspolitik dringlich zu behandeln.

Im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15.00 Uhr behandelt werden.


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Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2311/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich vor Eingang in die Tagesordnung bekannt, daß das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2311/AB der Anfrage 2372/J der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend "Rücküberweisung zu Unrecht durch die Wohnungsanlagen GesmbH Linz an die Republik Österreich ausgeschütteter Gewinne" durch den Herrn Bundesminister für Finanzen abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung, wie soeben bekanntgegeben, die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage vorgesehen ist, wird die kurze Debatte nach Erledigung der Behandlung der Dringlichen Anfrage stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 3 und 4, 6 bis 8, 9 bis 16 sowie 18 bis 20 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann besteht darüber Einvernehmen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nunmehr gehe ich in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es wurde eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" in Aussicht genommen, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135, ÖVP 126, Freiheitliche 117, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden. Ich frage, ob es gegen diesen Vorschlag Einwendungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist das einvernehmlich so beschlossen.

1. Punkt

Erste Lesung des Gentechnik-Volksbegehrens (715 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein. Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Ich erteile es ihr.

Da die Erstrednerin nicht anwesend ist, gebe ich das Wort der Frau Abgeordneten Reitsamer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.10

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Als Abgeordnete, die schon bei der Gentechnik-Enquetekommission mit dabei war, kann ich nur bestätigen, daß für uns Gesundheitsschutz, Verbraucherschutz, überhaupt der Schutz der Konsumenten immer im Vordergrund gestanden sind, ohne daß wir dabei forschungsfeindlich sein wollen.

Ich möchte mich nun ganz kurz mit den drei Punkten des Gentechnik-Volksbegehrens auseinandersetzen.

Erster Punkt: Kein Essen aus dem Genlabor. – Über 80 Prozent Ablehnung müssen wir, glaube ich, ernst nehmen. Wir müssen uns aber auch dessen bewußt sein, daß die EU ein freier, grenzenloser Markt ist und daß es kein Abschotten geben kann. Ich halte allerdings die Novel-


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Food-Verordnung der EU für nicht ausreichend. Aber auch da macht sich bereits ein Umdenken bemerkbar. Trotzdem kann für uns in Österreich die Lösung nur heißen: Kennzeichnung, und zwar lückenlose Kennzeichnung, eine entsprechende Kontrolle der Einhaltung und natürlich auch die sogenannte Positivkennzeichnung, also eine eindeutige Kennzeichnung jener Artikel, die gentechnikfrei sind.

In diesem Zusammenhang möchte ich das Importverbot für Genmais und ein eventuell von der Frau Ministerin in Erwägung gezogenes Importverbot für Genraps hier näher erörtern. Ich meine, daß wir dadurch, auch wenn das letztendlich nicht halten sollte, immerhin so etwas wie eine Atempause hätten. Wenn dann die lückenlose Kennzeichnung wirklich geregelt ist, dann sieht das für den österreichischen Konsumenten wesentlich anders aus und dann haben wir wesentlich mehr Sicherheit.

Was den zweiten Punkt des Gentechnik-Volksbegehrens, die Freisetzung genmanipulierter Organismen in Österreich, anbelangt, möchte ich sagen: Man muß schon immer unterscheiden zwischen Freisetzung für Forschung und Aussaat zu kommerziellen Zwecken; ich habe das hier im Hohen Hause bereits mehrmals gesagt. Es sind uns die Risiken und Gefahren solcher Freisetzungsversuche nicht bekannt, und wenn nicht geforscht wird, dann werden wir auch nie feststellen können, welche es gibt. Allerdings können wir mit der strengen Kontrolle noch nicht sehr gut umgehen. Dazu kommt noch, daß es bei den Haftungsbestimmungen in Österreich noch nicht jene Lösung gibt, die wir uns alle wünschen würden.

Den Aufruf der Frau Ministerin Prammer zu freiwilligem Verzicht auf Freisetzungen sehe ich als etwas durchaus Positives, weil ich der Meinung bin, daß wir mit dem, was die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung möchte, sehr sensibel umgehen müssen. Das muß uns ein Anliegen sein.

Wir müssen aber auch bedenken, daß es eine wirklich große Zahl von Freisetzungen im EU-Raum gibt. Ich denke als Salzburgerin etwa daran, daß nahe unserer Grenze, nämlich in Bayern, Freisetzungsversuche gemacht werden. Ich persönlich kann zwar die Risiken für die Bevölkerung nicht abschätzen, halte es aber für unlauter, daß der Salzburger Landeshauptmann angesichts dieses Umstandes von einer gentechnikfreien Zone Salzburg spricht.

Bei der Argumentation für Freisetzungsversuche wird immer die Ausrede gebraucht, man wolle damit eine Qualitätsverbesserung im Interesse der Verbraucher erzielen. Dazu muß ich sagen: Das halte ich schlichtweg für eine Verfälschung des tatsächlichen Vorgehens. Soviel ich weiß, beschäftigt man sich nämlich nur bei einem Prozent der Freisetzungsversuche mit einer Qualitätsverbesserung.

Vielleicht kann man all dem mit einer verstärkten Förderung des echten biologischen Landbaus begegnen. Aber ich bin da nicht sehr zuversichtlich, wenn ich mir das Vorgehen rund um das Saatgutgesetz anschaue. Darin hätten wir sehr gerne die Kennzeichnungspflicht verankert. Übriggeblieben ist jedoch nur ein Entschließungsantrag, weil uns unser Koalitionspartner da im Regen stehen gelassen hat. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt. ) Sehr richtig!

Dritter Punkt: Kein Patent auf Leben. – Dieser Forderung kann ich mich vollinhaltlich anschließen. Meiner Meinung nach kann man ohnehin nur Erfindungen patentieren, nicht aber Entdeckungen. Es gibt einen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission betreffend rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen und zu diesem Vorschlag bereits 64 Abänderungsanträge. Demnächst findet die Lesung im Europäischen Parlament statt, und dann hat sich der Rat damit zu beschäftigen.

Wir haben anläßlich des Beitrittes zur Europäischen Union für den Hauptausschuß ein Mitspracherecht in sehr wichtigen Gesetzesmaterien ausverhandelt, und ich möchte mich sehr darum bemühen, daß sich der Hauptausschuß mit dieser sogenannten Patentrichtlinie im kommenden Herbst intensiv auseinandersetzt, um den zuständigen Minister dann, mit entsprechenden Aufträgen ausgestattet, in Brüssel zu unterstützen, sodaß er dort wirklich im Interesse der österreichischen Bevölkerung vorgehen kann.


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Ich meine, daß 1 225 790 Eintragungen zu diesem Gentechnik-Volksbegehren mehr als ernst zu nehmen sind. Wir müssen aber auch so ehrlich sein, den Menschen zu sagen, welchen Spielraum wir haben, was für uns umsetzbar ist und was wir nicht umsetzen können. Ehrlichkeit ist, glaube ich, das oberste Gebot bei einer so sensiblen Materie wie der Gentechnik, wo wir alle miteinander noch nicht abschätzen können, was auf uns zukommen wird, wie intensiv wir uns auch mit dieser Materie beschäftigt haben mögen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Koller zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.17

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Vorrednerin, Frau Abgeordnete Reitsamer, hat gesagt, sie trete für eine durchgehende Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ein.

Tatsache ist, daß wir bei der Behandlung des Saatgutgesetzes einen Abänderungsantrag auf Kennzeichnung gestellt haben (Abg. Dr. Schmidt: Das ist eine politische Wertung, keine tatsächliche Berichtigung!) , aber diesen Abänderungsantrag hat die gesamte SPÖ-Fraktion abgelehnt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Wow!)

10.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Die Redezeit ist freiwillig auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

10.18

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Drei Monate sind schon seit dem Gentechnik-Volksbegehren im April verstrichen, und heute, nach nunmehr drei Monaten, befaßt sich das Parlament zum ersten Mal mit diesem Volksbegehren. Bezeichnend dafür, wie "ernst" vor allem die ÖVP dieses Volksbegehren nimmt, ist der Umstand, daß die zukünftige Ausschußvorsitzende, die Generalsekretärin Rauch-Kallat, es nicht einmal der Mühe wert findet, rechtzeitig am Morgen nach einer anstrengenden Sitzung ihr Bett zu verlassen, um sich hier zu ihrer Wortmeldung einzufinden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Der Haider fehlt noch immer!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es genügt nicht, daß Sie einen bestehenden Unterausschuß, der sich mit einer Menge von Oppositionsanträgen, alle betreffend Gentechnik, befaßt, außer Kraft setzen wollen, nein, Sie wollen noch dazu einen Ausschuß nach § 87 Abs. 1 der Geschäftsordnung nicht einsetzen, sondern wählen – ich gebe zu, das ist geschäftsordnungskonform –, weil sie nicht wollen, daß der für diese Materie zuständige Ausschuß, angesichts welcher mehr als 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher in die Eintragungslokale gegangen sind und dort ihren Unmut über die österreichische Gentechnikpolitik bekundet haben, von einem freiheitlichen Vorsitzenden geführt wird. Das ist der einzige Grund, meine Damen und Herren, warum Sie diese Materie, die im Gesundheitsausschuß angesiedelt ist, jetzt der Zuständigkeit des Gesundheitsausschusses entziehen wollen und erstmals in den sechs Jahren, die ich im Parlament bin, einen Sonderausschuß, das heißt, einen besonderen Ausschuß einsetzen wollen – und das mit Hilfe der Stimmen der kleinen Oppositionsparteien, des Liberalen Forums und der Grünen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den kleinen Oppositionsparteien, ich frage Sie: Ist es Ihnen recht, daß das demokratische Prinzip verletzt wird, daß ein von allen Parteien einstimmig gewählter Obmann des Gesundheitsausschusses und ein von allen Parteien einstimmig gewählter Obmann des Unterausschusses, der sich ausschließlich mit Gentechnikfragen beschäftigt, auf diese merkwürdige Art und Weise aus der Welt geschafft wird, weil man einer ÖVP-Ex-Ministerin und Abgeordneten den Vorsitz zuschanzen will? – Beim Frauen-Volksbegehren scheint das alles nicht notwendig zu sein! Das wird dem Gleichbehandlungsausschuß zugewiesen, dort hat ja die SPÖ den Vorsitz, da brauchen wir keinen Sonderausschuß einzusetzen.


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Beim Gentechnik-Volksbegehren aber liegen die Dinge anders. Es gibt keinen anderen Grund, als daß Sie bei dieser wesentlichen Materie, die nach dem Willen der gesamten österreichischen Bevölkerung schleunigst behandelt werden soll, mit der sich das Parlament im Sinne der Bevölkerung und des Schutzes der Bevölkerung vor eventuell schädigenden Lebensmitteln intensiv beschäftigten sollte, sagen: Jetzt vergeuden wir einmal Zeit, jetzt machen wir es genauso wie beim Tierschutz-Volksbegehren. – Da hat man auch extra einen Unterausschuß des Verfassungsausschusses eingesetzt. Raten Sie einmal, wer da der Vorsitzende ist! – Es ist der Klubobmann der SPÖ, Dr. Kostelka!

Seit einem Jahr ist das schubladisiert. Im Unterausschuß wurde das Tierschutz-Volksbegehren ein-, zweimal behandelt, nun ist es schubladisiert, die Bevölkerungsinteressen werden nicht vertreten. Genauso machen Sie es mit dem Gentechnikanliegen. (Abg. Dr. Graf: Man will keinen kritischen Vorsitzenden!)

Es gibt ja von den Oppositionsparteien – und daher wundert es mich, daß die Grünen und die Liberalen für eine Änderung dieser Materie sind, nämlich in der Weise, daß ein anderer Ausschuß, ein besonderer Ausschuß eingesetzt wird – ein ganzes Konvolut von Anfragen und Anträgen, die sich alle inhaltlich mit dem Volksbegehren decken. Das alles lag schon vor dem Volksbegehren vor. Weil aber diesbezüglich nichts geschehen ist, hat sich die Bevölkerung gefragt: Was ist denn da los? Das Parlament wird nicht aktiv, die Oppositionsanträge werden verschleppt. Daraufhin haben die Umweltschutzorganisationen gesagt: Jetzt machen wir ein Volksbegehren! – Unterstützt wurde das dann, ich muß schon sagen: scheinheiligerweise, von einigen Ministern. Die haben gesagt: Wir unterschreiben, das ist ja ganz wichtig, die Bevölkerung hat ein Recht auf Kennzeichnungspflicht, auf Freisetzungsverbot und vieles mehr! – Damals haben Sie unterschrieben, und jetzt verschleppen Sie. Jetzt wollen Sie nur Ihren Machtanspruch bewahren, Sie wollen, daß dieses Volksbegehren nicht unter der Federführung eines freiheitlichen Ausschußvorsitzenden behandelt wird, und dafür ist Ihnen jedes Mittel recht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben ja gestern bei der Frage um die 0,5 Promille schon bewiesen, daß es Ihnen bei wichtigen Anliegen nicht um die Sache geht. (Abg. Dr. Schmidt: Fragen Sie die Kollegin Povysil, warum sie einmal so und einmal so entschieden hat!) Wenn es Ihnen heute nacht darum gegangen wäre, daß die Verkehrssicherheit erhöht wird, dann hätten Sie sachbezogen abgestimmt, dann hätten Sie nicht einen derartigen Koalitionskrach heraufbeschworen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann hätten Sie nicht die Abgeordnete Hagenhofer genötigt, zur Stimmabgabe herunterzukommen. Sie hat fast einen Nervenzusammenbruch bekommen und konnte bei den folgenden Stimmabgaben gar nicht mehr teilnehmen. (Abg. Dr. Schmidt: Wonach hat die Frau Abgeordnete Povysil entschieden? Einmal so und einmal so!) Frau Kollegin Schmidt, die Abgeordnete Hagenhofer konnte gar nicht mehr teilnehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie war fix und fertig, fragen Sie sie! Fragen Sie die Frau Abgeordnete Hagenhofer, wie schwer sie gelitten hat! (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.)

Sie können sich aufregen, soviel Sie wollen! Das grenzt sogar an einen strafbaren Tatbestand, wenn man eine Abgeordnete zur Stimmabgabe nötigt. Und das war eindeutig eine Nötigung, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist Ihnen gestern nicht um die Sache gegangen, es war Ihnen völlig egal, ob durch Alkoholisierung weitere Menschen ums Leben kommen. (Abg. Wabl: Ihnen ist es nicht um die Sache gegangen! Ihnen geht es nur um Stimmenmaximierung!) Es ist Ihnen nicht um die 0,5 Promille gegangen, es ist Ihnen darum gegangen, daß Sie sich innerhalb Ihrer Koalitionsparteien – die Schwarzen für sich, die Roten für sich – durchsetzen.

Und genauso geht es beim Gentechnik-Volksbegehren zu. Nicht ich darf den Vorsitz in diesem Ausschuß führen, sondern es muß jemand von der ÖVP machen, und zum Ausgleich bekommt die SPÖ das Frauen-Volksbegehren. Sie teilen sich auch das proportional auf, und dann ist alles wieder unter der "Tuchent", dann kann man wieder alles verschleppen und verzögern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren, das darf aber nicht auf Kosten der Bevölkerung geschehen. Sie wischen die Sorgen der Bevölkerung einfach vom Tisch. Wenn sich 1 225 790 Österreicherinnen und Österreicher die Mühe machen, in die Gemeinden, in die Abstimmungslokale zu gehen, sich zu deklarieren, zu unterschreiben, dann ist das ein deutlicher Gradmesser für die Unzufriedenheit und das Mißtrauen hinsichtlich der Gentechnik. Die tiefen Sorgen der Bevölkerung müssen für uns schon ein Anlaß sein, dafür Sorge zu tragen, daß das zukünftige Wohlergehen für Mensch und Natur sichergestellt wird. Daher kann ich Ihnen auch nicht folgen, wenn Sie jetzt die Sache weiter verschleppen, denn ich nehme an, einer der nächsten Redner wird einen Antrag auf Einsetzung eines besonderen Ausschusses einbringen.

Meine Damen und Herren! Setzen wir uns schleunigst im bestehenden Unterausschuß zusammen! Wir haben dort bereits acht Anträge der Opposition und eine Petition "Gentechnik – nein danke" zu behandeln. Nehmen wir das Volksbegehren dazu und setzen wir uns meinetwegen auch in der Sommerpause zusammen, damit endlich etwas weitergeht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte sehr.

10.26

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß jetzt die neue Vorsitzende dieses neu zu gründenden (Abg. Dr. Schmidt: Noch ist sie nicht gewählt!)  – die Bewerberin, danke schön – Unterausschusses anwesend ist, denn ich habe schon fast gedacht, es geht so weiter wie gestern (Abg. Dr. Graf: Vorauseilender Gehorsam!) , daß Partei wichtiger ist als Sache. – Sie hört mir nicht zu, sie wird sich aber vielleicht trotzdem rechtfertigen, wenn man es ihr sagt. Ich bin froh, daß sie jetzt da ist.

Zu Ihnen, Herr Kollege Pumberger, kann ich nur sagen: Haltet den Dieb! Sie sprechen hier von Nötigung (Abg. Dr. Pumberger: Ich habe das gesehen!) , obwohl Sie in Ihren eigenen Reihen eine Abgeordnete haben, die Sie hergebracht haben. Es tut mir leid, daß diese Dame krank ist, sie ist heute wieder entschuldigt. Die Frau Povysil hat zuerst für 0,5 Promille abgestimmt (Abg. Dr. Pumberger: So geht die SPÖ mit den Frauen um, und Sie unterstützen das!) – Herr Pumberger, jetzt bin ich am Wort, und ich rede jetzt nicht von der SPÖ, ich rede jetzt von Ihnen! –, aber beim zweiten Mal, nachdem der Herr Klubobmann Stadler sie, ich möchte nicht sagen: genötigt, aber dort hinten "bearbeitet" hat, hat sie gegen diese dritte Lesung gestimmt. (Abg. Rossmann: Das ist Ihre Phantasie!) Ist das eine Haltung?! Schämen Sie sich! Haltet den Dieb!, mehr kann ich dazu nicht sagen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Mit zweierlei Maß messen ...!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube aber, wir haben heute eine andere Aufgabe, und die 1,2 Millionen Unterzeichner dieses Gentechnik-Volksbegehrens haben eine andere erste Lesung verdient, als sie jetzt hier begonnen wurde. Ich bekenne mich dazu, daß auch ich dieses Volksbegehren unterschrieben habe. Das heißt aber nicht, daß ich mit allen Forderungen der Initiatoren einverstanden bin. Es ging mir wie vielen anderen Menschen, wie ich meine, darum, dem Volksbegehren eine Chance zu bieten, das Thema Gentechnik in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion und letztendlich auch hier ins Hohe Haus zu bringen.

Wie ich schon bei der Sondersitzung zu den Volksbegehren im April erwähnte, liegen schon seit Mai 1996 zwei Anträge der Liberalen vor: Einer betraf die Änderung des Gentechnikgesetzes, der andere die Regelung der Haftungsfragen bei Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen. Allerdings mußte offenbar erst ein sehr erfolgreiches Volksbegehren durchgeführt werden, bis die Regierungsparteien bereit waren, sich endlich mit den zum Teil durchaus berechtigten Forderungen des Volksbegehrens auseinanderzusetzen. Wir sollten die Gelegenheit nutzen, eine sachliche Debatte zu führen, meine Damen und Herren.


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Ein Grund, warum so viele Menschen unterschrieben haben, ist sicherlich die Unsicherheit, sind die schwer abschätzbaren Risken, die der Einsatz der Gentechnik zur Folge hat, und die daraus resultierenden Ängste.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz auf die einzelnen Punkte des Volksbegehrens eingehen.

Dem Verkaufsverbot gentechnisch veränderter Lebensmittel kann ich mich auch als Konsumentensprecherin nicht vorbehaltlos anschließen, denn ich gehe davon aus, daß der mündige Konsument die Wahl haben soll, was er kaufen will. Voraussetzung dafür ist aber die klar ersichtliche und möglichst lückenlose Kennzeichnung aller Produkte, die, und sei es auch nur zum Teil, gentechnisch verändert sind.

Wie wir alle wissen – und das sage ich besonders in Richtung Regierungsparteien –, wurde diese Forderung bereits bei der Beschlußfassung des Gentechnikgesetzes 1994 von allen Parlamentsparteien erhoben. Die Versäumnisse der Bundesregierung auf diesem Gebiet sind eklatant. Es bleibt nur zu hoffen, daß jetzt endlich etwas weitergeht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Auf den zweiten Punkt des Volksbegehrens, auf die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, möchte ich genauer eingehen. Wie schon erwähnt, wurde von mir bereits im vorigen Frühjahr ein Antrag betreffend die Haftungsregelung für Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen im Gesundheitsausschuß eingebracht, der aber erst unter dem Druck des Volksbegehrens, nach monatelanger Blockade durch die Regierungsparteien, endlich in einem Unterausschuß des Gesundheitsausschusses behandelt wird. – Noch wird das dort behandelt, denn er ist noch nicht aufgelöst.

Wir fordern mit diesem Antrag ein Moratorium bezüglich der Freisetzung, bis entsprechende Haftungsregelungen in Kraft gesetzt werden. Es muß im Sinne des Verursacherprinzips die Möglichkeit geben, die Verursacher von Schäden, die möglicherweise durch gentechnisch veränderte Organismen auftreten können, auch dafür haftbar zu machen. Sich darauf auszureden, daß man bezüglich der Haftungsfragen auf die EU warten müsse, wie das die Bundesregierung seit langem tut, ist als fahrlässig zu bezeichnen. Immerhin gibt es in Deutschland bereits seit längerem ein solches Haftungsrecht, und auch in Österreich liegen seit Jahren zwei Entwürfe, die man schon lange umsetzen hätte können, im Justizministerium vor.

Frau Ministerin! Ich hoffe nun, daß, wie angekündigt, im Herbst ein Gesetzentwurf vorgelegt wird.

Zum dritten und letzten Punkt des Volksbegehrens, der Patentierung von Lebewesen, möchte ich nur kurz festhalten, daß meine Klubkollegen und ich uns hier dem Volksbegehren anschließen. Es bedarf dazu noch einer grundlegenden Diskussion über die ethischen Grundlagen einer Patentierung. Im übrigen folgen wir damit der Argumentation der EU und auch aller – ich glaube zumindest, daß es noch so ist – Parlamentsparteien hier im Hohen Haus.

Meine Damen und Herren! Das Gentechnik-Volksbegehren war insgesamt gesehen eine meiner Meinung nach notwendige und gerechtfertigte Initiative. Es gibt uns die Gelegenheit, die Bevölkerung zu informieren und eine breite Diskussion zu führen. Es liegt jetzt vor allem an uns und an der Bundesregierung, etwas daraus zu machen.

Die Opposition hat nach mühsamen Verhandlungen endlich erreicht, daß alle zuständigen Ausschüsse zusammenarbeiten, was angesichts der Komplexität der Materie absolut sinnvoll ist. Ich hoffe und wünsche, daß in dem neu zu gründenden Ausschuß in der Formation, wie wir sie im Gesundheitsausschuß durchgesetzt haben, auch etwas weitergeht. Es steht uns eine verantwortungsvolle Aufgabe bevor. Wir müssen einen Weg finden, der einerseits den Fortschritt nicht behindern darf, andererseits aber auch einen vorsichtigen Umgang mit der Gentechnologie fordert. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.33


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82. Sitzung / Seite 40

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Dr. Povysil gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

10.33

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frau Abgeordnete Motter hat behauptet, ich sei von Herrn Klubobmann Stadler zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten genötigt worden. (Abg. Dr. Schmidt: "Genötigt" hat sie nicht gesagt!) Das ist unwahr und falsch.

Ich lasse mich von keinem Menschen zu einem Abstimmungsverhalten nötigen oder bearbeiten oder beeinflussen. Es mag möglicherweise nicht in Ihr Weltbild passen, aber in meines paßt es, daß ich meine Meinung vertreten darf, so wie ich will. (Abg. Dr. Kier: Seit wann?!) Es hat aber meiner Meinung nach keinen Sinn, ein Gesetz zu befürworten, bei dem die Strafmaßnahmen völlig fehlen. In anderen Parteien hat es Nötigungen gegeben, aber auf diesem Auge sind Sie leider blind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Das ist bereits eine Erläuterung des Gesetzes und keine tatsächliche Berichtigung mehr. Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (fortsetzend) : Herr Präsident! Ich habe meinen Schlußsatz bereits gesprochen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic.

10.33

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dinge klingen manchmal ganz unterschiedlich, je nachdem, von welcher Seite sie dargestellt und wahrgenommen werden. So heftig die Empörung war, und zwar leider bei Kolleginnen von verschiedenen Fraktionen, hier sei Beeinflussung, Nötigung, Druckausübung erfolgt, so anders klingt es dann in bezug auf die Angehörigen der jeweils eigenen Fraktion in der Präsidiale. So sagte etwa Klubobmann Khol gestern, auch angesprochen auf ähnliche Vorkommnisse, die ich persönlich wahrgenommen habe: Na, Überzeugungsarbeit wird man ja noch leisten dürfen!

Die Überzeugungsarbeit, die wahrscheinlich auch in Sachen Gentechnik geleistet werden will, geht in manchen Fällen dann eben sogar bis zu Tränen desjenigen, der "überzeugt" wird, und bis zu einer offenbar persönlich sehr schwierigen Situation des oder der Betreffenden.

Trotzdem sage ich Ihnen: Auch ich glaube, daß Überzeugungsarbeit in der eigenen Fraktion möglich und manchmal notwendig ist, und daß das sicher auch zu harten Debatten führen kann. (Abg. Dr. Graf: Aber sie sollen mit Worten geführt werden!) Ich glaube auch, daß es Politikerinnen und Politikern zumutbar ist, auch oder gerade in den eigenen Reihen harte Debatten zu führen. Nur eines, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, von der ÖVP und Frau Kollegin Povysil, verstehe ich wirklich nicht: Wie die Logik aussieht, wenn Personen – das muß niemand tun – öffentlich erklären: Das ist meine Meinung, ich werde mich so verhalten – ob das jetzt die Gentechnik betrifft oder die Promillegrenze –, ich werde mich in der Öffentlichkeit und auch in diesem Haus so verhalten!, aber dann, weil behauptetermaßen eine unzulässige Beeinflussung von Angehörigen einer anderen Fraktion vorgefallen ist, nicht mehr zu ihrer eigenen Meinung stehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Aber Sie kennen den Unterschied zwischen zweiter und dritter Lesung, oder?)

So quasi: Weil der andere offenbar oder vielleicht nicht mehr die eigene Meinung sagen konnte, durfte, sich nicht mehr getraut hat, deswegen kann ich auch nicht mehr meine Meinung sagen, oder deswegen sage ich überhaupt: Das, was ich vorher an die Adresse von Klubobmann Khol in aller Öffentlichkeit gesagt habe, kann ich dann nur mehr in einer geheimen Abstimmung im Parlament als Willenskundgebung an den Tag legen. – Das ist eine Logik, bei der mein Demokratieverständnis wirklich aussetzt. Das wird aber an einem anderen Ort zu erörtern sein.


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Nun zur Gentechnik. Es gab – und die Grünen haben das im Rahmen einer Dringlichen Anfrage aufgezeigt – diverse Vorsprachen der österreichischen Genlobby, Firma AgrEvo, bei den eigentlichen und tatsächlichen Gentechnikministern, bei Bartenstein, Molterer und Farnleitner. Man hat im Vorfeld des Volksbegehrens hier ganz offenbar versucht, diese Vorsprachen nicht an die große Glocke zu hängen, aber bereits unmittelbar danach hat es dann geheißen, im Herbst wird es Freisetzungen von Winterraps, von gentechnisch manipuliertem Saatgut geben.

Meine Damen und Herren! Der Appell von Mitgliedern der Bundesregierung, die Industrie möge so lange, bis, ich weiß nicht, wer, Europa oder Amerika oder Japan oder die ganze Welt oder der liebe Gott, reagiert, freiwillig auf Freisetzungen verzichten, ist meiner Meinung nach blamabel. Eine deutlichere und beschämendere Abdankung der Politik kann es ja wohl nicht geben! Der Appell von zuständigen Regierungsmitgliedern, die Industrie möge doch, bitte schön, mit Verlaub, so "lieb und nett" sein und die über 1,2 Millionen Unterschriften von Österreicherinnen und Österreichern ernst nehmen, dieser Appell, dieser fromme Wunsch ist etwas, wozu wir ein gewähltes Parlament und eine von den Mehrheitsparteien gebildete Regierung de facto überhaupt nicht mehr brauchen.

Ich habe auch den Eindruck, daß das die beabsichtigte Vorgangsweise ist. Und vielleicht mag es im Lichte der Vorkommnisse von gestern abend ja auch eine ganz vernünftige Vorgangsweise sein, denn dort, wo es um kommerzielle Interessen, vielleicht auch um Überzeugungen geht, etwa bei den Firmen Spar, Billa und Meinl, orte ich erheblich mehr Berechenbarkeit als bei Abstimmungsvorgängen dieser Art: Weil die einen nicht dürfen, können die anderen jetzt nicht mehr zu der öffentlich geäußerten Meinung stehen. – Also bevor uns auch in Sachen Gentechnik derartiges ins Haus steht, ist die Umweltbewegung, würde ich sagen, gut beraten, gleich mit den wirtschaftlich potenten Lobbies zu reden, auch zu sagen, wie sich das Konsumentenverhalten wahrscheinlich in Zukunft gestalten und welche Entwicklungen es auf den Märkten geben wird. Ich denke, da wird einiges mehr an Berechenbarkeit vorhanden sein.

Meine Damen und Herren! Was die Frage der Behandlung des Volksbegehrens in diesem Ausschuß betrifft, weist auch das darauf hin, daß es einmal mehr um Parteitaktik und nicht um die Frage, was wo sinnvollerweise abgehandelt werden soll, geht. In der Präsidiale haben wir vernommen – ich habe es zu meinem großen Erstaunen aus dem Mund von Klubobmann Khol vernommen –, daß das Gentechnik-Volksbegehren etwas ganz anderes anstrebt als das Gentechnikgesetz und daß es daher sachlich begründet sei, dieses Volksbegehren woanders abzuhandeln als die Gentechnikmaterie als solche.

Das Gentechnik-Volksbegehren – so Khol – ziele nämlich darauf ab, die Forschungsfreiheit einzuschränken, der Wirtschaft Zügel anzulegen, im großen und ganzen eine neue Sparte in Forschung und Wirtschaft zu verhindern, und zwar durch Einschränkung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Freiheiten, und daher gehöre dies in den Verfassungsausschuß und daher müsse dies ein Unterausschuß unter dem Vorsitz von Frau Rauch-Kallat abhandeln. (Abg. Dr. Pumberger: Das haben Sie unterschrieben! Da sind Sie dafür!)

Warum dann aber hier in diesem Haus bereits Anträge liegen, die sehr wohl alle Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens beinhalten und im Rahmen einer Novelle des Gentechnikgesetzes zu behandeln sind, warum diese sehr wohl offenbar möglich waren, das konnte nicht geklärt werden. Insofern, Herr Abgeordneter, ist etwas anderes beschlossen worden, nämlich daß ein eigener Ausschuß gebildet wird, und bezüglich der Frage, wie denn der eingesetzt wird, frage ich Sie, welche Bündnisse Sie hier eingehen – offenbar sind diese auch nicht so zuverlässig, wie Sie sich das anscheinend gestern abend vorgestellt haben.

Ich will die Beratungen dieses besonderen Ausschusses nicht von vornherein hier mit Unkenrufen belasten, aber mir haben die Ereignisse von gestern abend und auch die Frage, was im Vorfeld dieses Volksbegehrens passiert ist, nämlich dieser Lobbyismus bei den eigentlichen Gentechnikministern, schon eine ein bißchen, wie ich meine, realistische Sicht der Dinge nahegebracht. Wie gesagt, ich denke, es ist sehr vernünftig, wenn die Umweltbewegung auch der Wirtschaft federführend klarmacht, was es heißt, die Interessen der Bevölkerung nicht zu berücksichtigen.


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Und ein Allerletztes, vielleicht auch noch einmal zum Nachdenken: Wenn über 1,2 Millionen Menschen in einer sehr heftig umstrittenen Materie, in einer Materie, in der es Meinungsverschiedenheiten in allen Gemeinden, in allen Schichten, in allen Regionen gegeben hat, wenn 1,2 Millionen Menschen mit Namen, mit Unterschrift, mit ihrer Adresse für das einstehen, was ihre Überzeugung ist, dann finde ich es einmal mehr wirklich unendlich beschämend, wenn Abgeordnete dieses Hauses ihre in der Öffentlichkeit geäußerte Meinung nur im Rahmen einer geheimen Abstimmung kundzutun bereit sind. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Schmidt. )

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Parlamentarierdelegation aus Indonesien unter der Leitung des Vizepräsidenten Katili, der in Innsbruck studiert hat und den man daher auf Deutsch begrüßen kann, hier im Haus auf der Galerie herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte sehr.

10.45

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Die heutige erste Lesung dieses Gentechnik-Volksbegehrens ist das Ergebnis einer Volksbefragung (Abg. Wabl: Ein Volksbegehren war das!) , Entschuldigung, eines Volksbegehrens – der Versprecher erfolgte aufgrund der späten Stunde von gestern –, das von mehr als 1,2 Millionen Österreichern unterstützt wurde und damit zum zweitstärksten Volksbegehren in der Zweiten Republik wurde. Und im Vorfeld dieses Volksbegehrens, meine Damen und Herren, haben die Proponenten des Volksbegehrens völlig zu Recht Lobbyismus betrieben, für ihr Anliegen geworben mit massiven Aktionen, mit Unterstützung der Medien, vollkommen zu Recht, um auch Unterstützung für ihr Anliegen und für die, wie wir durch die Zahl der Unterzeichner gesehen haben, berechtigten Sorgen der Österreicherinnen und Österreicher zu finden.

Aber es gibt auch Sorgen der Wirtschaft. Daher möchte ich jetzt zu Frau Abgeordneter Petrovic sagen: Daß Sie einen Lobbyismus von Firmen, die auf Gentechnologie angewiesen sind, und von Forschungseinrichtungen bei den zuständigen Ministern für illegitim halten, verstehe ich nicht. (Abg. Dr. Petrovic: Die Umweltbewegung verdient nichts an ihrem Lobbyismus! – Abg. Dr. Stummvoll: Die schaffen Arbeitsplätze, Frau Petrovic!) Ich verstehe völlig den Lobbyismus der Gegner der Gentechnologie beziehungsweise, wenn Sie so wollen, der Proponenten des Gentechnik-Volksbegehrens, aber es muß in einer Demokratie legitim sein, Frau Abgeordnete Petrovic, auch die Interessen Andersmeinender und Andersüberzeugter gelten zu lassen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Pumberger: Darum werden Sie Vorsitzende!)  Der Ausschuß muß mich ja erst wählen, das steht ja noch bevor.

Es geht in diesem Ausschuß schlicht und einfach darum, daß die Anliegen, die das Gentechnik-Volksbegehren in der Öffentlichkeit vertreten hat, die die Proponenten des Gentechnik-Volksbegehrens nunmehr in Form einer Petition der Bundesregierung überreicht haben und die ursprünglich in drei Punkten des Gentechnik-Volksbegehrens, nunmehr aber in 38 Punkten formuliert wurden, intensiv diskutiert werden und daß wir genauso wie in anderen Ausschüssen Experten hören, aber Experten beider Seiten.

Ich verstehe die Sorge bezüglich gentechnisch veränderter Lebensmittel. Ich verstehe die Sorge im Zusammenhang mit dem Patent auf Leben. In diesen Punkten treffen wir uns durchaus. Ich verstehe aber auch die Sorge, die berechtigte Sorge von österreichischen Wissenschaftern und wissenschaftlichen Einrichtungen, daß die Forschung in Österreich verunmöglicht werden könnte. Die Grünen haben zwar immer im Zuge dieses Volksbegehrens gesagt: Die Medizin tasten wir nicht an. Wir sehen ein, daß in der Medizin die Gentechnik wichtige Erkenntnisse und wichtige Verbesserungen mit sich bringen kann. Nur, Frau Abgeordnete Petrovic: Viele Wissenschafter sagen, die Forschung lasse sich nicht trennen in rein medizinische Forschung und andere Forschung. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kann nicht angehen, Frau Abgeordnete Petrovic, daß wir jungen österreichischen Wissenschaftern, die eine Chance in diesem Bereich sehen, vor allem auch eine Chance zur


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Verbesserung der medizinischen Leistungen, eine Chance für viele Menschen, die krank sind und die Hoffnung hegen, es könne bei ihnen durch die Gentechnologie eine Verbesserung erreicht werden, daß wir diesen Wissenschaftern in Österreich die Möglichkeit nehmen, hier zu bleiben, hier zu forschen, hier die Tradition der österreichischen Wissenschaft fortzusetzen, und sie ins Ausland treiben, wo sie ihre Forschungen durchführen können.

Das gleiche gilt für Bereiche der Wirtschaft, in denen Gentechnologie notwendigerweise angewandt werden muß. Da geht es um österreichische Arbeitsplätze, Frau Abgeordnete Petrovic. Und wir von der Österreichischen Volkspartei fühlen uns auch diesen Arbeitsplätzen verpflichtet. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist noch lange kein purer Lobbyismus für die Gentechnik. (Abg. Dr. Stummvoll: Lobbyismus für Arbeitsplätze!) Ich werde versuchen, sollte ich zur Vorsitzenden dieses Ausschusses gewählt werden, ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )  – Nein, uns ist der Wirtschaftsstandort Österreich ein Anliegen, Herr Kollege Pumberger, weil wir gerade in Zeiten wie diesen um jeden einzelnen Arbeitsplatz ringen müssen. Und die Österreichische Volkspartei setzt sich dafür ein und steht dafür. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden sicherstellen müssen, daß der Wirtschaftsstandort Österreich auch in Zukunft attraktiv bleibt (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger ), und zwar nicht nur für österreichische Unternehmen, sondern auch für ausländische Unternehmen, die hier ihre Niederlassungen gründen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter! Wir treten sehr massiv für eine umfassende Information der Konsumenten, der Bürgerinnen und Bürger, ein, und zwar für eine klare, deutlich sichtbare Information. Aber wir gehen auch davon aus, daß der mündige Bürger das Recht hat, zu entscheiden, was er als Konsument wählt und was er nicht wählt.

Ich glaube daher, meine Damen und Herren, daß wir versuchen müssen, in diesem Sonderausschuß einen Weg zu finden, der uns bar von Emotionen – und Sie werden mir zugestehen, daß manche Phasen im Zuge des Gentechnik-Volksbegehrens nicht mehr emotionsfrei, sondern sehr emotionsgeladen waren –, ohne Aufregung, sachlich, durch Experten fundiert ... (Abg. Dr. Pumberger: 1,2 Millionen Unterschriften kommen nicht von Emotionen!)  – Nein, nein, ich habe ja nicht gesagt, daß die Unterschriften davon kommen, aber daß es emotionalisierte Phasen gegeben hat, daß manche Aussagen nicht immer nur der Vernunft verpflichtet gewesen sind, das werden Sie mir zugestehen.

Ich glaube daher, daß es wichtig ist, in diesem Ausschuß sachlich und durch Experten fundiert zu diskutieren (Abg. Dr. Pumberger: Das haben wir schon! Wir hatten schon Experten!) , eine gemeinsame Linie zu finden, auch die notwendigen Veränderungen, die sich daraus ergeben, einer Lösung zuzuführen und die berechtigten Erwartungen der Unterzeichner des Gentechnik-Volksbegehrens zu erfüllen. (Beifall bei der ÖVP.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Johann Maier. Er hat das Wort.

10.54

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist mir schon klar, daß die Oppositionssprecher eine andere Sicht der Dinge haben. Trotzdem glaube ich, daß es einiges aufzuklären gilt.

Kollege Pumberger hat beispielsweise von einer "merkwürdigen Art und Weise" gesprochen, wie dieses Gentechnik-Volksbegehren behandelt wird. – Ich meine, Kollege Pumberger: Merkwürdig ist vielmehr das Verhalten Ihrer Fraktion beziehungsweise Ihr persönliches Verhalten, weil Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, welche Maßnahmen seitens der Bundesregierung bislang bereits gesetzt worden sind.

Ich möchte jetzt gar nicht auf die Gespräche eingehen, welche die Bundesregierung beziehungsweise deren Vertreter mit den Repräsentanten des Volksbegehrens geführt haben, oder darauf, welche Ergebnisse dabei erzielt worden sind. Ich möchte Sie nur auf zwei Dinge


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hinweisen, die Ihnen anscheinend zur Gänze entgangen sind. Ich stelle fest, Kollege Pumberger: Sie sind absolut uninformiert! (Abg. Dr. Pumberger: Aha! – Abg. Dr. Fuhrmann: Das ist kein Wunder, das passiert öfter!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einer Woche hat das zuständige Bundesministerium zwei Verordnungen zur Begutachtung ausgesandt; zum einen die Gentechnik-Zusatzstoffkennzeichungsverordnung. Ich weiß nicht: Wissen Sie das oder wissen Sie das nicht? (Abg. Dr. Pumberger: Die Frau Ministerin schreibt Briefe an Unternehmer!) Und wenn Sie die Erläuternden Bemerkungen lesen, Kollege Pumberger, dann finden Sie folgenden Satz: "In Reaktion auf das Gentechnik-Volksbegehren soll eine Regelung, die auch die verpflichtende Kennzeichnung gentechnisch veränderter beziehungsweise gentechnisch hergestellter Zusatzstoffe vorsieht, erlassen werden." (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Die Regierung hat also reagiert, Kollege Pumberger!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Außerdem gibt es auch den Entwurf einer Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung aufgrund einer Initiative einiger Parteien im Europäischen Parlament, und diese Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung ist ein erster Schritt in Richtung der angestrebten umfassenden und durchgehenden Kennzeichnung von Gentechnikprodukten. Nur als Anmerkung, Kollege Pumberger: Mit diesen Bestimmungen sollen auch die Roh- und Vorprodukte erfaßt werden.

Ich fasse kurz zusammen: Die Bundesregierung hat reagiert. In dem neu zu bildenden Unterausschuß werden wir die Möglichkeit haben, diese und andere Fragen noch im Detail zu diskutieren.

Ein Wort zur Kollegin Motter: Ich stimme ihr fast hundertprozentig zu. Auch ich habe dieses Volksbegehren unterschrieben, aber auch ich muß für mich feststellen, daß ich den Intentionen dieses Begehrens nicht in allen Punkten folgen kann. Ich glaube, daß wir die offenen Fragen in diesem Unterausschuß diskutieren können werden. Wir müssen überdies hier zu einer Versachlichung des Problems kommen.

Auch ein Wort zur Kollegin Petrovic, zur Frage der Behandlung. Ich bin froh darüber, daß diese Fragen des Gentechnik-Volksbegehrens in einem eigenen Unterausschuß, in einem Sonderausschuß, behandelt werden, weil es aus meiner Sicht auch darum geht, den Intentionen der 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher gerecht zu werden, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben. Und eines geht nicht: daß die Ideen des Volksbegehrens mit den Anträgen der Opposition, beispielsweise im bestehenden Gesundheitsausschuß, vermengt werden. Es geht darum, daß dieses Volksbegehren von keiner Oppositionspartei und auch nicht von den Regierungsparteien vereinnahmt werden soll.

Lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches sagen: Auch für mich geht es in erster Linie um die Fragen der ökologischen und gesundheitlichen Risken. Wir dürfen aber auch die Frage der Arbeitsplätze – Kollegin Rauch-Kallat hat das hier angesprochen – nicht vergessen. Wir müssen verhindern, daß es zu einer Technologiefeindlichkeit, zu einer Forschungsfeindlichkeit kommt, die dazu führen kann, daß wir eines Tages vielleicht nicht einmal mehr in der Lage sind, unsere entsprechenden Kontrollaufgaben und sonstigen diesbezüglichen Aufgaben wahrzunehmen.

Es geht in diesem Zusammenhang um den Wirtschaftsstandort Österreich, wobei folgendes festzustellen ist: Unter dem Strich wird von der Gentechnik kein Arbeitsplatzboom zu erwarten sein. Es geht schlichtweg darum, bestehende Arbeitsplätze abzusichern und diese Technologie nicht von vornherein zu verteufeln. Jeder Verwendungs- und Anwendungsbereich und im Extremfall jeder Einzelfall muß behördlich geprüft und genehmigt werden. Es ist zu klären, wo die Risken liegen und wem die jeweilige Anwendung nützt. Wir Sozialdemokraten werden diese Linie im entsprechenden Unterausschuß vertreten. (Beifall bei der SPÖ.)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Er hat das Wort. Die Uhr ist auf 4 Minuten eingestellt. (Zwischenruf.)  – Sie können auch mehr haben. Ich gebe Ihnen 5 Minuten. (Abg. Mag. Schweitzer: Danke, Herr Präsident!)


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11.00

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der noch nicht eingebrachte Vierparteien-Antrag bestätigt einmal mehr, wie man sich der Geschäftsordnung bedient. Ein Thema, das an und für sich schon zugewiesen ist, das seine Behandlung im Gesundheitssausschuß erfahren sollte beziehungsweise in einem Unterausschuß, den man im Gesundheitsausschuß einrichten könnte, reißen sich – und ich sage es so – jetzt aufgrund einer Geschäftsordnungsauslegung die Regierungsparteien unter den Nagel, weil es sich einerseits um ein heikles Thema, andererseits um ein Thema handelt, das sich in der Öffentlichkeit recht gut verkaufen läßt. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es geht einmal mehr darum, die angestammten Rechte der Opposition – dieses Thema wäre im Ausschuß unter dem freiheitlichen Vorsitzenden Pumberger zu behandeln gewesen – zu beschneiden.

Aber es ist das nicht das erste und einzige Mal, daß man sich dieser Geschäftsordnungsmöglichkeit bedient, Herr Präsident. Auch im Zusammenhang mit der Einsetzung eines Unterausschusses des Hauptausschusses, auf die wir seit langem warten, geht man so vor. Nach d’Hondt wäre ein Freiheitlicher zum Vorsitzenden zu wählen, und die Europafragen würden in einem Unterausschuß des Hauptausschusses unter freiheitlichem Vorsitz zu diskutieren sein. Aber da nimmt man auf die Rechte der Opposition überhaupt keine Rücksicht! Die Regierungsparteien, oft auch mit Unterstützung der kleinen Oppositionsparteien, bedienen sich der Geschäftsordnung so, wie sie es gerade brauchen. Dafür ist einmal mehr der Beweis geliefert.

Mich wundert es, daß die Klubvorsitzende der Grünen damit einverstanden ist. Frau Kollegin Rauch-Kallat hat in ihren Ausführungen hier bereits durchblicken lassen, wie sie agieren wird im Hinblick auf Arbeitsplätze, im Hinblick einer Weiterverbreitung der Gentechnik. Frau Kollegin Langthaler! Es wundert mich, daß mit Unterstützung der Grünen quasi der Bock zum Gärtner gemacht wird.

Sie haben mehrfach das Arbeitsplatzargument betont; dieses kommt mir irgendwie schon bekannt vor. Die Grünen, die Liberalen, wir alle haben ein Schreiben von Greenpeace erhalten, in dem darauf aufmerksam gemacht wird, daß es eine PR-Firma gibt, die für den Dachverband der europäischen Gentechnikindustrie EUROBIO entsprechende Werbefeldzüge vorbereiten soll. Bei dieser EUROBIO handelt es sich um einen Zusammenschluß der weltgrößten Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé, Unilever, Danone, Agro-Chemie, Gentechnikindustrie sowie Monsanto, Ciba Geigy, Sandoz und so weiter.

Da gibt es eine klar ausgeklügelte Kampagne – ich zitiere: Die Gentechnikindustrie soll sich mangels Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit nicht zu Umwelt- und Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit Gentechnik äußern. Dies seien – so die Agentur wörtlich – "killing fields". Stattdessen sollte sich die Industrie darauf beschränken, positive Wahrnehmungen zum Beispiel in bezug auf Arbeitsplätze zu schaffen und nicht öffentlich gegen die Trennung von Gentechnikpflanzen auftreten.

Ich habe Kollegin Rauch-Kallat zugehört und muß sagen: Sie hat diese Strategie bereits in ihrer Rede angewandt. Sie hat genau das getan, was von dieser PR-Firma gefordert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Und diese Lobbyistin, diese Gentechnik-Lobbyistin machen Sie zur Vorsitzenden eines Sonderausschusses, dessen es nicht bedarf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.04

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das Argument der Arbeitsplätze in der Diskussion um die Gentechnik ist ein vorgeschobenes, das ist überhaupt keine Frage. Wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen, dann sollten wir uns auf die erneuerbaren Energieträger konzen


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trieren. Es gibt auch genügend Unterlagen und Studien, die beweisen, in welchem Ausmaß Arbeitsplätze gerade im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe geschaffen werden können.

Bei der Gentechnik ist es ein vorgeschobenes Argument, und man verdeckt damit, daß die politische Entscheidung die ist, welche Technologie man einsetzen will. Wenn man gentechnologisch arbeiten will, dann soll man das auch sagen, aber man soll es nicht damit verbrämen, daß man sagt, man möchte Arbeitsplätze schaffen, denn das Verhältnis der Arbeitsplätze zum Aufwand wird ein ähnliches sein, wie wir es bei der Atomtechnologie auch gesehen haben. Nehmen Sie nur etwa das Beispiel der Windenergienutzung in Deutschland her: Dort beschäftigt man derzeit nach einem Stromeinspeichergesetz, das seit 1990 gilt, aufgrund dieses Gesetzes eben, in der Windindustrie rund 15 000 Personen. Das sind doppelt so viele Personen, wie etwa im Bereich der Atomtechnologienutzung beschäftigt werden. – Ich sage Ihnen: Ein ähnliches Mißverhältnis wird es auch im Bereich der Gentechnik geben.

Mich wundert überhaupt, wie sich manche als Technikfreaks etablieren, wenn es um die Gentechnologie geht, aber wenn es um bereits bestehende Technologien, wie um erneuerbare Energieträger geht, dann werden alle zu Technikpessimisten. Dann sagen dieselben: Das kann nicht funktionieren. – Ich sage Ihnen, das ist ein vorgeschobenes Argument! (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Graf. )

Insoferne, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, ist es auch nicht verwunderlich, daß die Debatte insgesamt emotionalisiert ist, denn wenn das so gehandhabt wird, wie es in Wirklichkeit im Bereich der Gentechnologie von dieser Koalitionsregierung, von den Koalitionsparteien gemacht wird, nämlich eine Hinhaltetaktik zu betreiben, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Emotionen sozusagen aufkochen.

Wahr ist: Wir hatten vor über vier Jahren hier im Hause eine Enquetekommission. Dort ist unter anderem einstimmig eine klar ersichtliche und verständliche Kennzeichnung beschlossen worden, was aber bis heute nicht umgesetzt wurde. Wenn es jetzt – wie Herr Abgeordneter Maier ausgeführt hat – aufgrund des Gentechnik-Volksbegehrens zu einer Reaktion der Bundesregierung gekommen ist, dann sage ich: Na danke, daß es einen einstimmig beschlossenen Bericht hier im Hause gibt, von allen fünf Fraktionen beschlossen, den die Regierung jedoch einfach ignoriert, und daß es zuerst einmal eines Gentechnik-Volksbegehrens mit über 1,2 Millionen Unterschriften bedarf, damit sich diese Regierung bequemt, letztlich das zu tun, was in dieser Enquetekommission von allen fünf Fraktionen beschlossen wurde. – Das ist kein Ruhmesblatt, meine Damen und Herren! Das ist Hinhaltetaktik! Und da dürfen Sie sich nicht wundern, wenn es zu einer Diskussion kommt, die emotionalisiert ist. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler. )

Zum Ausschuß: Ich glaube, daß ein eigener Ausschuß eine gute Gelegenheit wäre, dieses Thema tiefgehend zu erörtern, aber ich sage Ihnen auch, es ist überhaupt keine Frage, daß man mit dem Argument des eigenen Ausschusses – man macht sogar einen eigenen Ausschuß dafür – in Wirklichkeit ein Begräbnis erster Klasse veranstalten kann.

Ich erinnere Sie an die Diskussion über den Nationalen Umweltplan, und ich habe ... (Abg. Mag. Schweitzer: Und ihr unterstützt das!)  – Genau, wir unterstützen das, weil beide Gelegenheiten da sind. Und ich sage dir noch etwas, lieber Kollege Schweitzer: Daß unter dem Abgeordneten Pumberger als Vorsitzendem des Gesundheitsausschusses dieses Thema nicht verhandelt wird, halte ich für sehr positiv, denn der ist mit seinen "normalen" Materien schon überfordert – und mit dieser erst recht! Das ist auch einmal klar und deutlich festzuhalten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß jetzt offenbar der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden soll – wenn ich mir etwa vorstelle, daß vielleicht die Frau Abgeordnete Rauch-Kallat diesem Ausschuß vorsitzen soll –, das halte ich aber auch nicht für den richtigen Weg. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Faktum ist, lieber Kollege Schweitzer, daß ein eigener Ausschuß eine gute Gelegenheit für eine intensive Behandlung der Materie bringt. Wenn sich die Freiheitlichen vielleicht entscheiden


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könnten, nicht taktisch, sondern inhaltlich zu denken, dann hätten wir sogar eine Chance, das durchzubringen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich möchte abschließend nur ein Mißverständnis aufklären: Es ist nicht so, wie Frau Abgeordnete Rauch-Kallat gesagt hat, daß das Gentechnik-Volksbegehren jegliche Forschung in Österreich unmöglich machen würde. – Wahr ist vielmehr, daß etwa die medizinische Forschung vom Gentechnik-Volksbegehren überhaupt nicht betroffen ist. Und daher, meine Damen und Herren, wird dieser Ausschuß, den es einzusetzen gilt, hoffentlich die Gelegenheit bieten, daß wir inhaltlich klar und sauber diese Materien trennen, klar sagen, was Sache ist – und nicht jene Hinhaltetaktik weiterverfolgt wird, die die Bundesregierung seit über zwei Jahren in Sachen Gentechnik betreibt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

11.09

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen, vor allem auch von den Freiheitlichen! Ich gebe dir recht, Herr Schweitzer, daß die Situation, daß die Frau Abgeordnete Rauch-Kallat den Vorsitz dieses Ausschusses übernehmen soll, keine sehr positive ist. Ich bin auch nicht dafür, denn Frau Rauch-Kallat zeigt ganz offensichtlich an diesem Thema kein sonderliches Interesse. Sie ist nämlich heute überhaupt nie da, obwohl gerade darüber diskutiert werden soll, wie mit diesem Volksbegehren umgegangen wird. Sie will Ausschuß-Vorsitzende werden, war beim Aufruf zu ihrer ersten Wortmeldung hier im Saal gar nicht anwesend, hat dann kurz ihre Wortspende abgegeben und entschwand dann wieder aus diesem Saal. – Eine größere Mißachtung nicht nur diesem Thema, sondern auch diesem Hause gegenüber, wenn sie selbst sich um diesen Vorsitz bewirbt, habe ich noch nie erlebt. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Es ist das für mich ein klares Beispiel dafür, daß sie nicht die Vorsitzende dieses Ausschusses sein soll. (Abg. Rauch-Kallat, den Saal betretend: Aber Sie müssen wissen, ich höre Ihnen zu!)  – Das ist schön, Frau Rauch-Kallat!

Aber ich komme auch noch zu den Ausführungen des Abgeordneten Schweitzer. Wenn es so wäre, daß es euch wirklich um die Sache ginge, daß ihr während der gesamten Gentechnik-Debatte und auch bei den Abstimmungen für die Sache eintreten würdet, hätte ich kein Problem, wenn der Ausschußvorsitzende von eurer Partei wäre. Aber ich habe gestern nacht hier erlebt, daß es euch nie um die Sache geht, sondern nur um die Taktik.

Du selbst hast dich in mehreren Zeitungsartikeln für 0,5 Promille ausgesprochen. Aber die Taktik war gestern offensichtlich wichtiger als die Sache selbst. Ich habe das schon mehrmals von den Freiheitlichen erlebt: Wenn es tatsächlich um die Sache selbst und um das Einbekenntnis geht, siegt immer die Taktik schwarz/blau, ganz egal, worum es geht. Was hier heute nacht passiert ist, ist ein derart unglaublicher Vorfall, bei dem nur die Taktik gesiegt hat, bei dem es nicht mehr um die Sache ging, es ging überhaupt nicht mehr darum, was Abgeordnete Wochen vorher vertreten haben, sondern ausschließlich darum, daß man halt schwarz/blau vorzeigt, daß man zeigt, daß man die Mehrheit hat. (Abg. Mag. Stadler: Wann verteidigen Sie Frau Hagenhofer?)  Ich muß Ihnen ehrlich sagen, ich habe den Vorfall, den Sie hier beobachtet haben, einfach nicht gesehen. (Abg. Mag.  Stadler: Sagen Sie etwas zur Frau Hagenhofer!) Ich habe aber sehr wohl gesehen, daß da hinten zwei Abgeordnete von der ÖVP von anderen ÖVP-Abgeordneten sehr lautstark unter Druck gesetzt wurden, doch schwarz/blau zu stimmen (Abg. Dr. Krüger: Das ist eben selektive Wahrnehmung!) , und zwar geschah das mit einer Lautstärke, daß man sich nur wundern konnte, daß so etwas hier stattfinden kann. Das konnte ich beobachten.

Aber was sich leider heute nacht gezeigt hat, war, daß es offensichtlich nicht darum geht, nach freiem Wissen und Gewissen abzustimmen (Abg. Mag. Stadler: Bei uns schon!) , sondern ausschließlich nach taktischen Manövern. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja nicht unsere Partei!) Herr Abgeordneter Stadler, jetzt kommen Sie mir doch nicht so daher! (Abg. Mag. Stadler: Aber


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ja, Sie wissen das doch!) Man ist von unserer Position aus in der Lage, sehr gut zu sehen, was in diesen Reihen (in Richtung ÖVP weisend) so an Absprachen passiert. (Abg. Mag. Stadler: Machen Sie mich bitte nicht für die ÖVP verantwortlich!) Es gab einige Abgeordnete, auch von Ihrer Partei, die hier ganz andere Positionen ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Ich kann Sie ja verstehen, Sie haben heute nacht natürlich einen Erfolg erzielt. Sie haben es der SPÖ gezeigt, Sie haben die ÖVP sozusagen wieder ein bißchen näher zu sich gerückt – aber das Schlimme an Ihrer Freude ist, daß halt die Sache auf der Strecke geblieben ist. Bei der Gentechnik scheint es genauso zu sein, daß es den meisten hier beim Rednerpult nicht um die Sache, sondern um Taktik geht.

Den Grünen geht es in dieser Angelegenheit konkret um die Sache, vor allem um die drei im Volksbegehren geforderten Punkte. Wir gehen nach wie vor davon aus, daß es wichtig ist, die drei Forderungen umzusetzen und nicht nur ein bißchen etwas bei der Kennzeichnung und ein bißchen was bei der Haftung zu machen. So wichtig das auch ist – ich halte beides für wichtig, zu verbessern, gerade auch im Haftungsbereich –, aber das darf nicht davon ablenken, daß die zentralen Forderungen die drei Forderungen des Volksbegehrens sind.

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! Zur Forschung – das finde ich nämlich etwas kühn. Wir haben immer wieder herausgestrichen, daß es weder den Grünen noch den Initiatoren dieses Volksbegehrens darum ging, den Forschungsstandort Österreich in diesem Bereich zu verunmöglichen. Es wurde immer wieder hervorgehoben, daß gerade im medizinischen und pharmazeutischen Bereich die Forschung auch in Zukunft gewährleistet sein soll.

In Wien gibt es 40 Institute, die Forschung in diesem Bereich betreiben, und die sind von den Forderungen sicherlich ausgeklammert. Es gibt eine einzige Forschungstätigkeit, die auch in Wien stattfindet, die aber zum Beispiel gar nicht von der Stadt Wien gefördert wird. Sie wissen, das ist ein EU-Projekt, das allerdings von den Ländern Steiermark und Niederösterreich mitsubventioniert wird, bei meinem ehemaligen Chef Kattinger. Da geht es aber genau um das, was wir sehr wohl ablehnen, und zwar auch im Bereich der Forschung, nämlich um den Bereich transgene Tiere und Pflanzen. Es geht um eine in In-vitro-Kultivierung von Obstgehölzen zur raschen Vermehrung von virusfreien Edelsorten, konkret um virusresistente Marillen, wobei diese Marillen gegen Shaka-Viren resistent gemacht werden sollen. Aber das sind transgene Forschungsprojekte, und ich habe sehr wohl meine Probleme damit; man muß sich die Sicherheitsstandards da noch genau ansehen.

Aber die anderen 40 Institute, die in Österreich davon betroffen sind, werden überhaupt nicht angetastet. Also bauschen Sie da nicht etwas auf, was gar nicht zur Debatte steht! Es wird immer so viel vermischt, was überhaupt nicht im Vordergrund steht. Forschung im medizinischen, im pharmazeutischen Bereich soll es weiterhin geben. Diese 40 Institute, die es in Österreich gibt, stehen nicht zur Diskussion. Das, was derzeit im Bereich transgener Tier- und Pflanzenforschungen stattfindet, muß allerdings kritisch hinterfragt werden.

Die Arbeitsplätze – sie wurden hier mehrmals erwähnt – sind wirklich ein vorgeschobenes Argument. Warum treten Sie nicht mit der gleichen Vehemenz für Bereiche ein, wo man tatsächlich Arbeitsplätze schaffen kann, so zum Beispiel im Bereich Umweltschutz und Ökologie, ein Bereich, in dem es überhaupt kein Problem gibt. Biomasseförderung, Frau Rauch-Kallat, was gäbe es denn da an Möglichkeiten, Wärmedämmungsmaßnahmen ... (Abg. Rauch-Kallat: Das sind ja tatsächlich Arbeitsplätze! Oder sind das keine Arbeitsplätze?)  – Frau Rauch-Kallat, nochmals: Die Arbeitsplätze im Forschungsbereich dieser 40 Institute stehen überhaupt nicht zur Diskussion. Das, wo wirklich Arbeitsplätze geschaffen werden könnten – konkret mit Förderungen –, ist vor allem der Bereich alternativer Energieträger. Da könnte sich Österreich einen Namen machen: Biomasseförderungen, Windkraftförderung.

Es stehen derzeit einige Windkraftanlagen kurz vor dem Konkurs, weil es nicht gelingt, vernünftige Einspeiseregelungen zu schaffen. Warum regen Sie sich da nicht auf über den Verlust von Arbeitsplätzen?! – Das gleiche gilt für den Biomassebereich. Wir haben selbst hier im Parlament mit dem Herrn Kopec, mit Ihnen nahestehenden Personen gesprochen: Da geht es konkret um Arbeitsplätze, die verlorengehen. Warum, Herr Abgeordneter Stummvoll, kom


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men Sie da nicht heraus und regen sich mit der gleichen Vehemenz auf? (Abg. Dr. Stummvoll: Ein Windrad sichert auch wenig Arbeitsplätze!) Das paßt Ihnen offenbar nicht. Was ist mit der Biomasse, was ich mit den ganzen Bereichen ... (Abg. Dr. Stummvoll: Ich habe noch nie gehört, daß jemand ein Windrad betreibt!)

Herr Abgeordneter Stummvoll! Wissen Sie, daß man im Bereich der Windenergie sicherlich so viele Arbeitsplätze schaffen kann – es gibt nämlich über 100 Projekte dafür in Österreich – wie im gesamten Forschungsbereich, der gar nicht zur Diskussion steht? Es gibt eine Studie, die Landeshauptmann Pühringer in Oberösterreich in Auftrag gegeben hat, in der von einigen hundert Arbeitsplätzen in diesem Bereich die Rede ist.

Das Schlimme ist, daß Sie eine falsche Prioritätensetzung vornehmen. Im Bereich der Wärmedämmung, überall dort, wo es um unproblematische, risikofreie Möglichkeiten geht, mit staatlichen Förderungen Arbeitsplätze zu schaffen, dort sind Sie mehr als zurückhaltend, aber einen wirklich risikoreichen Bereich wie die Gentechnik zu finanzieren, sind Sie ganz offensiv. Das läßt tatsächlich vermuten, daß es um den Einfluß von Lobbies geht, denen es nicht um die Sache im allgemeinen, sondern nur um ihren eigenen Verdienst und ihren eigenen Profit geht.

Wir von den Grünen wollen, daß die drei Forderungen des Volksbegehrens konkret umgesetzt werden, damit auch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen beschlossen werden können. Wir Grünen werden uns nicht mit Kennzeichnungs- und Haftungsbestimmungen alleine abfinden – so wichtig diese zum Teil auch sein mögen –, denn zweifellos ist Kennzeichnung nicht alles. Es muß im Bereich der Lebensmittel der Grundsatz gelten, daß Gentechnik bei Lebensmitteln grundsätzlich nichts verloren hat. (Beifall bei den Grünen. )

11.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet.  – Bitte, Herr Abgeordneter. 2 Minuten Redezeitbeschränkung. Beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

11.19

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzte Kollegin Monika Langthaler hat hier behauptet, daß ich in mehreren Interviews gesagt hätte, daß ich für eine 0,5-Promillelösung stimmen werde. Ich berichtige tatsächlich: Es gibt von mir kein einziges Interview – das kann über die APA nachgeprüft werden –, in dem ich mich auch nur irgendwie in diese Richtung geäußert hätte.

Im übrigen: Um diese verlogene Diskussion über 0,5 oder 0,8 Promille zu beenden, bin ich gerne bereit, mit Ihnen gemeinsam einen Antrag auf 0,0 Promille einzubringen ... (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.  – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

11.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Der letzte Satz war keine tatsächliche Berichtigung mehr.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte.

11.19

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich melde mich bei der ersten Lesung zum Gentechnik-Volksbegehren zu Wort, wenngleich hier auch konstatiert wurde, daß ich offensichtlich nicht die zuständige Ministerin bin.

Ich werde mich auch in Zukunft als für die Gentechnik zuständig erklären und fühlen, so wie ich das, wie ich meine, in den letzten fünf Monaten bereits sehr intensiv bewiesen habe. (Beifall bei der SPÖ.)

Es haben im Rahmen des Gentechnik-Volksbegehrens 1,2 Millionen Menschen manches zum Ausdruck gebracht – vielleicht kann man auch interpretieren, daß sie drei konkrete Punkte


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unterschrieben haben. Ich gehe aber davon aus, daß die Menschen ein Signal ausgesandt haben: große Skepsis, was den Einsatz von Gentechnik bei Lebensmitteln betrifft, vor allen Dingen die Unzufriedenheit mit der Situation, und schlußendlich gibt es eine von einer großen Bevölkerungsgruppe getragene Angst vor dem, was auf sie im Zusammenhang mit der Gentechnik in der Landwirtschaft zukommt.

Ich denke, daß wir alle gut beraten wären, uns der Skepsis und der Bedürfnisse der Menschen anzunehmen. Unabhängig davon müssen wir natürlich darauf achten, in welchen Rahmen wir eingebettet sind. Ich möchte an dieser Stelle nur auf ein paar Punkte eingehen.

Erstens: Die österreichische Position ist es gewesen, die in Europa, in der Europäischen Union die Diskussion um die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel wiedererweckt und weitergebracht hat. Wir sind noch weit davon entfernt, den Menschen eine umfassende Kennzeichnung garantieren zu können, aber wir haben alles daranzusetzen – ich bekenne mich dazu –, daß wir diesen Weg in Europa fortsetzen. Wir haben gute Chancen, uns in Europa hinsichtlich der Kennzeichnung durchsetzen zu können, denn die Skepsis existiert nicht nur in Österreich, sondern mittlerweile in vielen Staaten der Europäischen Union. Es reicht auch nicht aus, in Österreich eine veränderte Situation zu schaffen, wenn sie nicht über die Grenzen hinweg garantiert werden kann.

Ich möchte nur in Erinnerung rufen, daß in der Europäischen Union die neuerliche Diskussion um die Novel-food-Verordnung stattfindet, daß Ausweitungen vorgenommen werden, daß wir – und das hat Abgeordneter Maier schon gesagt – auch innerösterreichisch mehr Kompetenzen erlangt haben und ich diese Kompetenzen in Form von eigenen Verordnungen wahrzunehmen begonnen habe. Ich denke, daß es gerade das sein wird, was die Menschen sicher oder unsicher macht: Entweder wir setzen uns durch, dann werden die Menschen auch sicher sein, oder wir setzen uns nicht durch, dann werden die große Skepsis und die Unzufriedenheit steigen. Aus diesem Grund bin ich überzeugt davon, daß wir diese Diskussion nicht einseitig führen dürfen.

Es wurde heute viel von Forschung und Wirtschaft gesprochen: Wir sollten aber nicht so tun, als würde Forschung unabhängig von wirtschaftlichen Aspekten betrieben werden. Das wäre unlauter. Wir sollten uns durchaus dazu bekennen, daß das eine mit dem anderen unmittelbar verbunden ist. Umso wichtiger ist es, bei der Forschung die höchsten Sicherheitsstandards zu setzen und die Forschung immer unter dem Zusammenhang zu sehen, daß sie schlußendlich auch Auswirkungen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit hat.

Zu meinem Brief an die Wirtschaft: Ich bekenne mich dazu, daß diese Aufforderung wesentlich ist. Sie alle, meine Damen und Herren, haben ein Gentechnikgesetz beschlossen, das ganz klar einen Rahmen vorgibt, wonach bei Freisetzungsanträgen dementsprechend vorgegangen werden muß. Ich glaube, daß die österreichische Wirtschaft gut beraten wäre, diesem Appell Folge zu leisten und derzeit keine Freisetzungsanträge zu stellen, weil es im Sinne einer guten Bewertung der Wirtschaft sein sollte, daß die Diskussion nicht weiter eskaliert und vor allen Dingen die Situation nicht verschärft wird.

Ich glaube, wir haben noch vieles zu bewerkstelligen, das wissen Sie auch. Wir müssen die Frage der Haftung klären, wir müssen die Frage der Umweltverträglichkeit klären, und wir müssen die Frage der Kennzeichnung klären. Ich persönlich freue mich sehr darüber, daß sich das Parlament dazu entschlossen hat, einen Sonderausschuß zum Thema Gentechnik-Volksbegehren einzusetzen, denn es ist nicht wichtig, wie der oder die Vorsitzende heißt, sondern es ist wichtig (Abg. Dr. Pumberger: Daß sie rot oder schwarz ist!), daß etwas geschieht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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11.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Bundesministerin.

Es liegt jetzt dazu noch eine Wortmeldung vor, und zwar vom Abgeordneten Schrefel. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. Im Anschluß daran kommen wir zur Abstimmung über die Einsetzung des erwähnten Ausschusses. – Bitte.

11.26

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Frau Bundesminister, ich bezweifle nicht Ihre Kompetenz als Umweltministerin, zumal es ja anschließend um die Diskussion des Frauen-Volksbegehrens geht und sehr, sehr viele Frauen in Sorge um ihre Zukunft auch das Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben haben.

Die Volkspartei, meine sehr verehrten Damen und Herren, nimmt das Ergebnis und die Anliegen des Gentechnik-Volksbegehrens, welches im April stattgefunden hat, sehr ernst – ohne es sich "unter den Nagel zu reißen", Herr Abgeordneter Schweitzer, wie Sie vorhin vermutet haben. Die breite Unterstützung verlangt aber eine eingehende Behandlung im Nationalrat, wenngleich die ÖVP einzelne Forderungen aus diesem Volksbegehren sicher nicht eins zu eins umsetzen kann.

Die Bundesregierung hat bereits am 4. März 1997 in einem Positionspapier Stellung zur Gentechnik genommen, und die große Zustimmung der Bevölkerung zum Volksbegehren bestätigt die kritische Haltung der Bundesregierung zu dieser Technologie. Es wird auch Auftrag der Bundesregierung sein, alles zu tun, um den Bürgern den verantwortungsvollen Umgang mit der Gentechnik zu garantieren.

Auch nach dem Volksbegehren, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird es kein gentechnikfreies Österreich geben. Wichtig ist vor allem, daß alle Vorkehrungen getroffen werden, um Gefahren für Mensch und Umwelt auszuschließen. Nur: In Österreich ist die Grundlagenforschung bis heute vernachlässigt worden, ja sogar von manchen als experimentär gefährlich abgestempelt worden. Sogar der Einsatz der Gentechnik auf dem Gebiet der medizinischen Forschung und die verantwortungsvolle Nutzung beim Erkennen und Heilen von Krankheiten wurde früher von den Grünen ins Abseits gedrängt. – Heute geben Sie zu: Sorry, wir haben uns geirrt.

Heute wissen wir, daß die Grundlagenforschung in der Gentechnik forciert werden muß. Dem muß eine breite öffentliche Informationskampagne vorausgehen, um den Anschluß an die Gentechnologie in Europa nicht gänzlich zu verpassen. Wir könnten Nischenpolitik in der Forschung betreiben – ich denke da vor allem an die Wirkungsforschung. Die Ängste, die heute noch großteils in der Bevölkerung in Österreich vorherrschen, resultieren meist aus Unkenntnis. Denn was wir nicht wissen, was wir nicht verstehen, davor haben wir Angst. Aber auch das muß zugegeben werden: Es wurden bislang klare Aussagen der Politiker auch in dieser Frage meist vermißt.

Diese klaren Aussagen liegen nun in einem Positionspapier der Bundesregierung, wie eingangs erwähnt, vor und wurden vom Ministerrat beschlossen. Es umfaßt 12 Punkte, auf die ich hier im Detail nicht eingehen will, mit denen sich der Nationalrat aber in einem Unterausschuß eingehend auseinandersetzen wird.

Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, auf den Punkt 1 des Gentechnik-Volksbegehrens etwas ausführlicher einzugehen, nämlich: kein Essen aus dem Genlabor in Österreich! – Die Gentechnologie im Landwirtschaftsbereich wird heute speziell im Veredelungsbereich umfassend in Anwendung genommen. Ob in der Käserei, der Brauerei, bei Backwaren oder bei Konservierungsverfahren – überall sind heute genveränderte Organismen enthalten.

Die Gentechnik in der Landwirtschaft hat derzeit vorwiegend im Pflanzenbau Bedeutung. Die Genveränderung von Pflanzen ist oft die einzig langfristig und sinnvoll ökologische als auch ökonomische Maßnahme, um die Kulturen in einer Region am Leben zu erhalten, wobei insbesondere im Hinblick auf die geringe Aufwandsmenge und im Hinblick auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln ein für die Umwelt positiver Effekt erzielt werden kann. (Abg. Ing. Reichhold: Ist das eine Rede von Ciba-Geigy oder was? Das muß eine Rede von Ciba-Geigy sein!)

Frau Kollegin Langthaler hat den Forschungsbereich im Zusammenhang mit Marillen als Beispiel gebracht, wo man resistente Pflanzen züchten kann, um Düngemittel- und Spritzmitteleinsatz zu verhindern. (Abg. Ing. Reichhold: So einen unappetitlichen Lobbyismus habe ich überhaupt noch nicht erlebt da herinnen!)


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In Österreich gibt es außer Weizen speziell bei Getreide fast keine Pflanzenzüchtung mehr, lieber Herr Kollege. Sortenmaterial wird ausschließlich aus dem Ausland angeboten und ist großteils nicht frei von Genveränderungen. Das bedeutet Wettbewerbsnachteile und somit höhere Kostenabhängigkeit und höhere Preise – und wer zahlt sie? (Abg. Ing. Reichhold: Das ist doch das Vorwort von einem Prospekt von Ciba-Geigy!)

Das heißt aber auch, meine Damen und Herren, daß wir nicht kontrollieren können. Daher muß neben der Grundlagenforschung schlußendlich auch die Wirkungsforschung forciert und betrieben werden. Denn wir erfahren vieles nur, indem wir selbst forschen. Wir wissen aber auch, daß der Einsatz der Gentechnik Risken bedeutet, Risken für Mensch und Umwelt. Um diese so gering wie möglich zu halten, ist ein strenges Prüfverfahren vor der Zulassung genveränderter Organismen notwendig. Moratorien, wie sie vielfach verlangt werden, führen uns nicht weiter. Die EU-Mitgliedschaft verpflichtet uns, im Prüfungs- und Zulassungsverfahren mitzutun, nur fehlt uns leider bis jetzt die fachliche Erfahrung, und wir können deshalb nur sehr schwer ein Urteil abgeben. (Abg. Dr. Petrovic: Es lebe die "freie" Rede!)

Ich frage Sie: Wollen wir in Österreich an der Entwicklung der Gentechnik teilnehmen, an der Forschung und an der Wertschöpfung – oder verlassen wir uns auf das Ausland? Kaufen wir alles aus dem Ausland zu? Lagern wir somit künftig auch Arbeitsplätze aus? – Die Konsumenten sind nicht beziehungsweise in nur sehr bescheidenem Maße bereit, einen generell höheren Preis für Produkte aus gentechnikfreier Landwirtschaft zu zahlen. Österreich als gentechnikfreie Zone ist deshalb nicht machbar. Dort aber, wo gentechnikfreie Lebensmittel verlangt werden, müssen diese angeboten werden. Der Konsument soll eine Wahlmöglichkeit haben.

Für die biologische Landwirtschaft ist jedoch die Gentechnikfreiheit Voraussetzung. Der Verzicht auf Gentechnik entspricht dem Grundprinzip des biologischen Landbaues und dem Grundverständnis der Biobauern. Wir treten daher für eine umfassende Kennzeichnung von genveränderten Lebensmitteln sowie für eine verpflichtende Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut und Futtermitteln ein. (Beifall bei der ÖVP.)

Entsprechende Regelungen auf europäischer Ebene sind dazu notwendig; nationale Alleingänge sind weder juristisch noch technisch machbar. Dort aber, wo Gentechnik angewandt wird, ist eine gewissenhafte, objektive und transparente Zulassungs- und Haftungsregelung die Voraussetzung für die Freigabe. Auch die Frage der Ethik spielt hiebei eine entscheidende Rolle. Es ist das auch eine Frage der Moral und der Wahrhaftigkeit. Die Haftungsethik soll eine Verpflichtung zur Deckungsvorsorge für eventuell später auftretende Schäden beinhalten.

Meine geschätzten Damen und Herren! Dort, wo das Volksbegehren generell gegen die Gentechnik und ihren verantwortungsbewußten Einsatz auftritt, geht es in die Irre und verbaut mit seiner Polemik echte Zukunftschancen für Österreich und seine Menschen. Wer seriös argumentiert, muß auch verschiedene Gentechnikprodukte im einzelnen differenziert beurteilen. Auch ohne EU müßten wir uns an dieser modernen Entwicklung beteiligen, um nicht den ökonomischen und technischen Anschluß gänzlich zu verlieren. Die Gentechnik bringt neue Wirtschaftschancen – auch für Österreich, das seinen guten Ruf als Land moderner Technologie und moderner Wirtschaft nicht aufs Spiel setzen darf. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich nunmehr noch Herr Abgeordneter Gradwohl dazu zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.34

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Den Ausführungen meines Vorredners habe ich sehr aufmerksam gelauscht. Kollege Schrefel, ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie die letzten Verhandlungen im Landwirtschaftsausschuß etwas anders sehen, als sie tatsächlich abgelaufen sind (Beifall des Abg. Ing. Reichhold ), denn das, was Sie hier gesagt haben, wäre weit über das hinausgehend, was wir im Landwirtschaftsausschuß zustandegebracht haben.


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Ich fasse es aber – und meine heutige Krawatte soll das untersteichen (die Krawatte des Redners zeigt viele gelbe "Smileys")  – als positives Zeichen auf, und ich bin zuversichtlich, daß es in diesem Sonderausschuß gelingen wird, zu echten Regelungen zu kommen: zu echten Regelungen der Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Futtermittel, von Saatgut und allen Zusatzstoffen, die zur Lebensmittelproduktion und auch für die Landwirtschaft verwendet werden.

Herr Kollege Schrefel, ich gebe Ihnen recht: Es gibt eine Chance für Österreich, und es gibt auch eine Chance für die Landwirtschaft, aber nicht, wie Sie meinten, im gentechnischen Bereich, sondern meiner Meinung nach im gentechnikfreien Bereich. Sie haben auch die Biobauern genannt. (Abg. Schwarzenberger: Er ist selber Biobauer!) Ja, aber in seiner Rede, Georg, ist das nicht so ganz herausgekommen. Seine Rede war doch eher dahin gehend angelegt, die Wirtschaftsinteressen, die Interessen von Großkonzernen zu unterstützen und nicht unbedingt jene der Biobauern.

Damit das Bild ein wenig relativiert wird, Kollege Schrefel: Es gibt in der Steiermark, und zwar im Südwesten der Steiermark, eine kleine genossenschaftliche Molkerei, und in dieser Molkerei und von den Genossenschaftern dieser Molkerei wurde bereits im November 1995 eine Aktion für einen Verzicht auf Gentechnologie und auf Hormonfütterung in der Milcherzeugung gestartet. Kollege Schrefel, seit November 1995 unterstützen die Bauern, die das beschlossen haben, und die Konsumenten, die diese Milch, nämlich die bekannte Stainzer Milch, trinken und die Produkte daraus verzehren, diese Aktion: Es ist innerhalb kürzester Zeit gelungen, 26 000 Unterschriften von Produzenten und Konsumenten zu erhalten, die gentechnikfreie und biologische Produktion in der Landwirtschaft wollen.

Wir haben einen Auftrag im Rahmen dieses Sonderausschusses und in Umsetzung des Volksbegehrens: zum einen, das Aushängeschild Biobauern zu unterstützen, und zum anderen, sowohl den Produzenten als auch den Konsumenten die Sicherheit zu geben, zu wissen, welche Produkte sie in der Hand haben. Deine Ausführungen betreffend Kennzeichnung stimmen mich wirklich zuversichtlich, daß wir über die Kompromißlösungen, die wir in den vergangenen Monaten erzielt haben, hinauskommen und in diesem Sonderausschuß tatsächlich zu echten Lösungen und zu einer Kennzeichnung kommen. Ich bin der Frau Bundesministerin sehr dankbar dafür, daß sie die Verordnungsentwürfe ausgesandt hat. Im Gegensatz zum Kollegen Schrefel: Ich halte Frau Bundesministerin Prammer für zuständig, da sie ja für einen Teil der Gesundheitspolitik, für die Lebensmittel verantwortlich ist und den Schutz der Bevölkerung im Auge zu haben hat.

Das Beispiel der Stainzer Milch und die Umfragen charakterisieren 93 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher als diejenigen, die gentechnikfreie Lebensmittel haben wollen – entgegen den Aussagen in der Präsidentenkonferenz von Astl, Ledermüller und Co. (Abg. Schrefel: Aber sie kaufen sie nicht!) Sie kaufen es doch! Die Stainzer Milch, Kollege Schrefel, hat einen hervorragenden Absatz, und ich wünsche mir, daß sie diesen Absatz auch weiterhin haben wird, ja sogar ausbauen kann.

Insgesamt gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß wir, abgesehen von den heutigen Redebeiträgen, in diesem Sonderausschuß tatsächlich zu Lösungen kommen werden, die die Konsumenten, die Produzenten und uns alle in die Situation versetzen, die Gentechnikfreiheit marktwirtschaftlich nutzen zu können, aber auch die Sicherheit haben, zu wissen, welche Produkte wir in der Hand haben, welche Produkte wir und welche Vormaterialien die Produzenten verwenden. (Beifall bei der SPÖ.)

11.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Ing. Reichhold hat sich zu einem zweiminütigen Debattenbeitrag gemeldet. – Bitte.

11.39

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Rede des Herrn Abgeordneten Schrefel hat sich so angehört, als würde er aus dem


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Prospekt eines der großen Gentechnikkonzerne vorlesen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Schrefel ist Biobauer!)

Ich bin entsetzt darüber, Kollege Schwarzenberger, daß ein Biobauer einen derart unappetitlichen Lobbyismus betreibt. Und wenn er das klassische Argument der Gentechniklobby hier anführt, daß nämlich durch den Einsatz der Gentechnik eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln erfolgen würde, so ist dem entgegenzuhalten, daß es bis heute eine einzige Zielsetzung gibt, die klar nachvollziehbar ist: daß nämlich Resistenzen gegen die Pflanzenschutzmittel gezüchtet werden. Das heißt, die Bauern werden abhängig hinsichtlich des Saatgutes, die Bauern werden abhängig hinsichtlich des Düngers, und sie werden letztlich abhängig hinsichtlich der Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel. – Das kann doch wohl nicht das Ziel sein!

Für mich ist das heute der Beweis dafür, daß die Aussagen der ÖVP hinsichtlich Kennzeichnung und gentechnikfreier Produktion nur Lippenbekenntnisse sind. Wir Freiheitlichen werden sehr wachsam im Sonderausschuß sein, damit diese 1,3 Millionen Menschen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, dort auch würdig vertreten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Es liegt der Antrag vor, zur Vorberatung des Gentechnik-Volksbegehrens in 715 der Beilagen einen besonderen Ausschuß zu wählen, der 21 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder umfassen soll.

Gemäß § 32 Abs. 1 der Geschäftsordnung nehme ich die Wahl dieses Ausschusses sofort vor, und ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Ausschuß sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Die Einsetzung dieses Ausschusses erfolgt mehrheitlich.

Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des hiemit gewählten Ausschusses werden auf die Klubs im Verhältnis der Zahl der ihnen angehörenden Abgeordneten nach den im § 30 der Geschäftsordnung festgelegten Grundsätzen verteilt.

Demgemäß entfallen auf die sozialdemokratische Parlamentsfraktion 8 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder, auf den Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei 6 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder, auf den Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs 5 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder, auf den Parlamentsklub Liberales Forum 1 Mitglied und 1 Ersatzmitglied und auf den Klub der Grünen ebenfalls 1 Mitglied und 1 Ersatzmitglied.

Die Klubs haben die auf sie entfallenden Mitglieder beziehungsweise Ersatzmitglieder des Ausschusses namhaft zu machen, und diese gelten dann gemäß § 32 Abs. 1 der Geschäftsordnung als gewählt. Die Namen dieser Abgeordneten werden außerdem im Stenographischen Protokoll angeführt werden. (siehe S. 241)

Damit haben wir Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

2. Punkt

Erste Lesung des Frauen-Volksbegehrens (716 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Die Debatte darüber wird durch Frau Abgeordnete Dr. Hlavac eröffnet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.43

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das Frauen-Volksbegehren wurde von 644 665


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Wahlberechtigten unterzeichnet. Das ist für uns ein Signal und ein Auftrag, ein Signal dafür, daß sich viele Menschen in unserem Land, vor allem Frauen, wünschen, daß es einen neuen Schub der Frauenpolitik, der Reformpolitik gibt, daß wir Maßnahmen für die Frauen setzen.

Es ist ein Auftrag für uns, daß wir uns ernsthaft und seriös mit den Anliegen des Volksbegehrens auseinandersetzen und uns bemühen, in angemessener Zeit und nach einer ernsthaften und gründlichen Beratung die Anliegen umzusetzen und die Probleme zu lösen.

Es wurde erst kürzlich von einer der Initiatorinnen geschrieben, Frauen hätten nur die Wahl zwischen Abhängigkeit und Mehrfachbelastung. Ich muß leider sagen, daß es tatsächlich noch große Benachteiligungen für die Frauen gibt. Auch wenn wir vieles erreicht haben, so zeigt sich immer wieder, daß Frauen nach wie vor in vielen gesellschaftlichen Bereichen benachteiligt sind.

Gerade die Situation auf dem Arbeitsmarkt verstärkt die Probleme, verstärkt den Druck, und manche versuchen, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt, die wirtschaftlichen Probleme auf dem Rücken der Frauen zu lösen. Dagegen müssen wir uns wehren, und dem müssen wir ein Programm entgegensetzen.

Wir streben an, daß jede Form der Berufstätigkeit in die Sozialversicherungspflicht aufgenommen wird. Wir streben eine gerechte Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit und eine qualifizierte und ausreichende, den Bedürfnissen der Eltern entsprechende Betreuung von Kindern an. (Beifall bei der SPÖ.) Wir halten das für eine absolute Notwendigkeit, damit Frauen Beruf und Familie vereinbaren können.

Wir Frauen wollen die gleichen Chancen auf Selbstverwirklichung, auf ein gesellschaftliches, berufliches und familiäres Leben haben, wie es für die Männer eine Selbstverständlichkeit ist.

Wir werden im Herbst intensiv mit den Beratungen beginnen und eine Reihe von Hearings mit Expertinnen und Experten veranstalten; wir wollen uns gründlich in die Materie vertiefen.

Ich möchte betonen, daß es für uns ganz wichtig ist, daß die Initiatorinnen des Volksbegehrens auch in diese Beratungen miteinbezogen werden. Es zeigt sich jetzt bereits im Vorfeld der Beratungen, wie wichtig es war, dieses Volksbegehren abzuhalten, und wie wichtig es war, daß so viele Frauen und auch Männer dieses Volksbegehren unterzeichnet haben, denn das hat sichtlich eine Auswirkung auf die politische Diskussion gehabt. Es hat zu einer Sensibilisierung geführt und hat die Probleme der Frauen deutlicher gemacht.

Das heißt nicht, daß uns irgend etwas geschenkt wird. Wir werden uns eine Verbesserung der Situation der Frauen natürlich erkämpfen müssen. Wie gesagt: Geschenkt wird uns gar nichts, aber ich glaube, daß wir eine gute Ausgangsposition haben, um gemeinsam etwas für die Frauen zu erreichen.

Was von uns erwartet wird, ist ein großer Schritt nach vorne, ist ein großes Reformpaket im Interesse von uns Frauen, und ich denke, die Frauen erwarten das auch zu Recht von uns. (Beifall bei der SPÖ.)

11.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten angegeben. – Bitte.

11.47

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich unterstütze jene, die meinen, daß die Unterzeichnerinnen dieses Frauen-Volksbegehrens – und das ist eine beträchtliche Anzahl – Gewißheit haben müssen, daß diese Forderungen, die sie aufgestellt haben, nicht bei der Regierung, aber auch nicht im Parlament liegenbleiben. Es war uns deshalb ein großes Anliegen, diese erste Lesung heute hier durchzuführen.


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Sie wissen – und das habe ich in einer anderen Plenarsitzung bereits gesagt –, daß es seitens der ÖVP-Frauen Vorbehalte gegen die Ausformulierung einiger Punkte gibt. Einige Punkte konnten wir vollinhaltlich unterstützen, einige mußten wir eher ablehnen. Aber das ist heute nicht Gegenstand dieses Tagesordnungspunktes, das ist Vergangenheit. Ich habe auch wirklich akzeptiert, daß manche gemeint haben, sie haben selbst Probleme mit so manchen dieser Punkte, aber sie unterschreiben dieses Volksbegehren, weil es ein Signal ist.

Egal, ob man es unterschrieben hat, weil man ein Signal setzen wollte oder weil man sich inhaltlich damit identifizieren kann: Ich glaube, es ist wichtig, daß wir schnell und rasch die Situation der Frauen verändern und verbessern, daß wir Maßnahmen setzen, die den Frauen auch wirklich etwas bringen.

Lassen Sie mich aber noch einmal die Vorbehalte, die wir damals gehabt haben, kurz erläutern. Die Unabhängigkeit dieses Forums war nach den ersten Kontakten, die sehr fruchtbringend waren, für mich nicht ganz klar erkennbar, denn meines Wissens ist die Abgeordnete beziehungsweise Exministerin Dohnal nie aus der Sozialistischen Partei ausgetreten, aber sie war mit eine "Präponentin" des Unabhängigen Frauenforums. (Abg. Mag. Peter: Proponentin! – Heiterkeit beim Liberalen Forum.) Sie hat sich hier halt engagiert, aber wenn man als Parteimitglied oder Parteivorstandsmitglied einem Forum angehört, das sich "unabhängig" nennt, dann finde ich das komisch, aber das ist eben meine Ansicht.

Inhaltlich hat uns ein Punkt im speziellen gestört: Wenn man schon das Thema Arbeitsplätze beziehungsweise neue Arbeitsplätze anspricht, dann wollen wir nicht haben, daß Frauen – wenn man die Formulierung genau nimmt, dann kommt das so heraus – in Berufe gedrängt werden, wo wir nicht unbedingt eine absolute Frauenquote haben wollen. Frau Abgeordnete Konrad, damalige Ministerin, hat sich bei der letzten Diskussion hier dazu bekannt, daß sie diese Punkte hineinreklamiert hat. – Ich bin daher Frau Ministerin Prammer sehr dankbar: Sie hat nämlich diese Sache entschärft, und ich glaube, jetzt kann man ganz anders darüber reden. Ich glaube auch gar nicht, daß dieser Punkt so gemeint war. – Aber Schwamm drüber! Ich wollte das hier nur klarstellen.

Unser bedingtes "Jein" damals zu diesem Frauen-Volksbegehren – es haben viele von uns unterschrieben, das war überhaupt keine Frage, wir haben niemanden davon abgehalten, es zu tun, wir haben nur unsere Vorbehalte erklärt, was ich auch heute noch einmal gemacht habe – hat aber nie geheißen, daß für Frauen nichts getan werden soll. Wir haben nur das eine oder andere so nicht gewollt, und daher haben wir noch in dieser Plenarwoche Entschließungsanträge eingebracht, die bewußt an den Gleichbehandlungsausschuß gerichtet sind und nicht an den jeweiligen Minister, wobei zu sagen ist, daß in weiterer Folge die Behandlung natürlich auch in anderen Bereichen wird stattfinden müssen. Wir wollten jetzt noch vor dem Sommer signalisieren, daß wir bereits beginnen wollen, Aktivitäten zu setzen.

Es werden meine Kolleginnen noch auf die einzelnen Anträge eingehen. Zwei sind mir besonders wichtig, denn es hat sich zu der ganzen Diskussion um die Situation der Frauen auch noch die Diskussion über die Pensionen dazugesellt, und das ist ja offensichtlich eines der wesentlichsten Themen, geht es doch uns allen – und das haben wir ja immer wieder andiskutiert – um Arbeitsplätze, um gerechte Entlohnung, um soziale Absicherung und letztendlich auch um soziale Absicherung im Alter. Da sind schon bedrohliche Diskussionen aufgekommen. Die Maßnahmen, die die Rürup-Studie vorsieht und die auch öffentlich diskutiert werden, sind nicht speziell frauenfeindlich, aber in den Auswirkungen stellen sie aufgrund der besonders benachteiligten Situation der Frauen im allgemeinen schwere Drohungen dar. Und ich war sehr froh darüber, daß sowohl die Sozialministerin als auch die Frauenministerin vorweg dazu ein klares Nein gesagt haben. – Ich hoffe, es wird bei diesem Nein auch bleiben.

Es ist auch diskutiert worden, ob die Angleichung des Pensionsalters der Frauen an das der Männer bereits vor der vorgesehenen verfassungsmäßig normierten Zeit kommen soll. Wir haben nie ein niedrigeres Pensionsalter gehabt, weil wir Frauen sind, sondern deshalb, weil wir viele Hürden und viele Benachteiligungen in Kauf nehmen müssen. Wenn diese Benach


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teiligungen nicht beseitigt oder abgebaut sind, dann kann ich mir eine Diskussion über eine Angleichung überhaupt nicht vorstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird daher notwendig sein, daß auch jene uns bei unserem Anliegen unterstützen, diese Benachteiligungen wegzubekommen ... (Abg. Dr. Mertel: Das war jetzt eine doppelte Verneinung und eigentlich eine Bejahung!)  – Da habe ich mich bitte versprochen. Aber ich glaube, es weiß jeder, was ich gemeint habe.

Der Abbau dieser Benachteiligungen ist uns grundsätzlich ein Anliegen, weil vielen Frauen dadurch Chancen verstellt werden und die Chance auf eine gute Altersabsicherung verlieren. Uns geht es um eine verbesserte Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung. Rürup meinte ja, daß diese Zeiten gleich wie Erwerbseinkommen behandelt werden sollen. – Das finde ich sehr gut, das wäre eine wesentliche Verbesserung.

Ich komme noch auf einen anderen Punkt zu sprechen: Wir brauchen Arbeitsplätze, und zwar qualifizierte Arbeitsplätze für Frauen. Wir haben diesbezüglich noch viele Hürden zu nehmen. Ich habe den Eindruck: Die Formen der Verhinderung, daß Frauen auch in höhere Positionen kommen, werden immer subtiler. Da muß viel geschehen! Auch der öffentliche Dienst ist gefordert, er muß eine Vorbildfunktion übernehmen, vor allem auch jetzt nach dem Beschluß in bezug auf Teilzeitarbeit. (Abg. Dr. Mertel: ... Privilegien!)  – Nein, es geht gar nicht um Privilegien, sondern der Bund hat immer eine Vorbildfunktion gehabt. Das haben wir überhaupt nie bestritten, denn bei allem, was da beschlossen wurde, haben wir immer gesagt: Der Bund muß zeigen, daß das funktioniert – und diese Praxis hat sich bis jetzt auch immer sehr gut bewährt. (Abg. Dr. Mertel: Aus anderer Sicht sind es dann Privilegien!)

Die Arbeitsplätze, die wir brauchen, sind für die Frauen sehr wichtig. Aber wir haben andere Arbeitsplätze, neue Arbeitsplätze beziehungsweise Arbeitsplätze in der Schattenwirtschaft. Tausende Frauen arbeiten heute im Bereich der geringfügigen Beschäftigung. Dazu haben wir offensichtlich eine andere Sicht der Dinge. Wir haben eine Maßnahme dahin gehend gesetzt – und das hat ja auch die Kollegin Hostasch unterstützt –, daß auch geringfügig Beschäftigte bei der Unfallversicherung gemeldet werden müssen, damit sie überhaupt einmal sichtbar werden.

Und ich bin auch der Meinung, daß es nicht sein darf, daß jemand mehrere solche Beschäftigungsverhältnisse subsumiert und damit ein echtes Dienstverhältnis umgangen wird. Das soll nicht sein. Auch diese Beschäftigungsverhältnisse sollen sozialrechtlich abgesichert sein.

Aber zu sagen, jedes Beschäftigungsverhältnis muß sozialrechtlich abgesichert sein, ist auch nicht richtig, denn das würde, so glaube ich, viele Arbeitsplätze für Frauen vernichten. Selbst Rürup sagt in seiner Studie, daß diese Art von Beschäftigungen Ein- und Ausstiegsbeschäftigungen sind. Und ich erlebe das in meinem eigenen Umfeld sehr, sehr oft und sehr intensiv.

Wir haben einen Antrag eingebracht, der, wenn Sie so wollen, auch Beschäftigungsverhältnisse schafft, und zwar geht es da um Beschäftigungen im Bereich der Schattenwirtschaft. Das ist das sogenannte Homeservice oder der Dienstleistungsscheck – es gibt dazu eine breite Palette von Formulierungen. Es geht dabei um Tausende Frauen, die als Haushaltshilfen arbeiten, die Putzarbeiten, Gartenarbeiten, ja auch Pflegearbeiten verrichten, die Kinder beaufsichtigen. Und das alles geschieht zu einem großen Teil im Bereich der Schattenwirtschaft. Es geht um die sogenannten Haushelferinnen, die sich sozusagen schon fast in die Haushalte "einschleichen". Es gibt nämlich keinen offiziellen Markt für diesen Beruf. Man muß aber auch dazusagen, daß immer mehr Frauen, Familien und vor allem alte Menschen Hilfe brauchen und sich diese Hilfe auch holen wollen.

Wir sind der Ansicht, daß wir nach deutschem Muster, belgischem Muster, dänischem Muster sehr wohl – und das ist nur ein Sektor – versuchen könnten, wenn wir schon über geringfügige Beschäftigungen reden, diese Dienstleistungsangebote zugunsten der Frauen, die sie ausführen, in geregelte Beschäftigungsverhältnisse überzuführen. Das wäre für die Frauen wichtig, weil sie dadurch einen Schutz hätten. Sie würden für die Arbeit, die sie verrichten, auch sozial entlohnt werden und könnten damit unter Umständen die nötigen Pensionszeiten erwerben. Und


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so könnte man auch jenen, die wirklich benachteiligt sind und ins soziale Netz fallen, eine Chance geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus treten wir natürlich für mehr Chancen für gut ausgebildete Mädchen und Frauen ein, denn Mädchen haben die besseren Zeugnisse – aber die schlechteren Jobs. Dieses Thema haben wir schon sehr oft hier behandelt.

Ich glaube, daß wir uns ganz aggressiv, möchte ich fast sagen, und offensiv dem Thema Frauen-Volksbegehren und Verbesserung der Situation der Frauen widmen müssen – auch angesichts der Pensionsreform –, damit wir für die Frauen wirklich etwas Gutes zusammenbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.58

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir freiheitlichen Frauen sind immer für demokratische Mittel eingetreten und haben somit auch das Frauen-Volksbegehren als Hilfeschrei der österreichischen Frauen und als echtes demokratisches Mittel zur Umsetzung von gewissen Zielen betrachtet – obwohl wir freiheitlichen Frauen nie und von Anfang an nicht von den Initiatorinnen miteingebunden wurden, was ich als nicht besonders demokratisch empfinde.

Im Laufe der Formulierung dieses Volksbegehrens mußten wir immer mehr feststellen, daß viele dieser Formulierungen ... (Abg. Mag. Peter: Das wird auch einen Grund haben, Frau Haller!) – Natürlich wird es einen Grund haben, ich sage es Ihnen dann schon. – Im Laufe der Formulierung dieses Volksbegehrens mußten wir dann immer wieder feststellen (Abg. Mag. Peter: Analysieren Sie einmal den Grund!)  – ich bin am Wort, Herr Kollege Peter! – (Abg. Mag. Peter: Und ich mache Zwischenrufe, wann es mir paßt!), daß sich die Forderungen des Frauen-Volksbegehrens doch von den freiheitlichen Forderungen immer mehr entfernt haben, daß sie zum Großteil auch gar nicht umsetzbar sind. Trotzdem haben viele freiheitliche Frauen aus Solidarität dieses Volksbegehren unterschrieben.

Wir sind den Weg gegangen, daß wir eigene Anträge formuliert haben, die jetzt im Gleichbehandlungsausschuß liegen, Herr Kollege Peter.

Ich freue mich wirklich, daß die ÖVP-Frauen jetzt den gleichen Weg gegangen sind und die Anträge 509 bis 512 eingebracht haben und in diese Anträge auch freiheitliche – und ich würde fast sagen: großteils freiheitliche – Positionen übernommen haben. Das freut mich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit der Abg. Rosemarie Bauer. )

Jetzt aber liegt das Frauen-Volksbegehren zur parlamentarischen Behandlung vor, und anhand der Erläuterungen mußte ich feststellen, daß es sich wirklich immer weiter von unseren Positionen entfernt (Zwischenruf des Abg. Öllinger ), daß es sogar in bestimmten Positionen widersprüchlich ist, Herr Kollege Öllinger. Man will Notstandshilfe und Ausgleichszulagenregelungen als selbständigen Anspruch der Frauen haben, aber andererseits will man denselben Frauen kein steuerliches Existenzminimum zubilligen. Und das alles in einem Absatz! Bitte, erklären Sie mir das, wie das gerechtfertigt sein soll! (Abg. Bures: Frau Haller, Sie haben es nicht verstanden!)

Ich kann aus meiner Position nur sagen: Es kommt halt immer mehr zutage – das muß man einmal ganz offen sagen –, daß in diesem Frauen-Volksbegehren sehr, sehr viel linke Ideologie drinnen ist – was mir doch leid tut, das möchte ich auch nicht verheimlichen (Zwischenruf der Abg. Dr. Konrad )  –, aber insgesamt wirft dieses Frauen-Volksbegehren ein bezeichnendes Licht auf die österreichische Frauenpolitik der letzten 20 Jahre: Zwei erfolglose Frauenministerinnen haben sich bemüßigt gefühlt, bei dieser Initiative mitzutun, und die dritte versucht nun, das Frauen-Volksbegehren zu vereinnahmen.


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Mir ist seit gestern, spätestens seit gestern abend, seit den Vorfällen um die Kollegin Hagenhofer, klar, warum das so ist, wie man in der SPÖ mit den Kolleginnen umgeht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Wie ist das mit der Kollegin Preisinger? – Abg. Dr. Mertel: Wie steht es um die Gesundheit der Kollegin Preisinger? Wie ist das mit der Kollegin Preisinger, die schon seit einem halben Jahr nicht mehr da ist? Wie geht es der Kollegin Preisinger gesundheitlich?)

Wenn Herr Klubobmann Khol heute in der Früh via Radio gesagt hat, es wurde die Kollegin Hagenhofer zur Wahlurne "begleitet" (Abg. Dr. Mertel: Was macht der Schlaganfall von der Frau Preisinger? Haben Sie sie wieder ins Krankenhaus bringen lassen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Sie können schreien, was Sie wollen, ich habe die lautere Stimme –, so kann ich feststellen, daß sie geschoben wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schämen Sie sich! So treten Sie ein für die Rechte der Frauen?)

Wenn Kollege Kostelka versuchen wird, auch mich als Lügnerin darzustellen, wird ihm das nicht gelingen, liebe Frau Kollegin Mertel, denn euer Kollege Parnigoni ist einwandfrei der Gewaltanwendung und der Nötigung hier in diesem Parlament überführt. (Empörte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er ist überführt! Und er hat das nicht nur einmal gemacht bei der Stimmabgabe, sondern er hat es noch einmal gemacht, als er die Frau Kollegin Hagenhofer aus dem Saal gezerrt hat. (Abg. Dr. Mertel: Als Kriegsbeute? Oder was meinen Sie damit? – Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe auf alle Fälle bereits heute vormittag eine schriftliche Darstellung der Vorfälle aus meiner Sicht (Abg. Dr. Mertel: Ihre Sicht ist eng!) und der Sicht einiger Kollegen – nicht nur meiner persönlichen – bei Herrn Präsidenten Fischer deponiert. (Abg. Dr. Mertel: Ihre Sicht ist sehr eng!) Ich verlange darüber eine parlamentarische Behandlung, denn es kann doch bitte nicht so sein, daß man wegen einer verbalen sexuellen Belästigung Rücktritte in diesem Parlament verlangt – eine Nötigung mit Gewaltanwendung aber unter den Tisch kehren will. Das geht einfach nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Gewaltanwendung hat es nur einmal gegeben in diesem Parlament! Von der Frau Abgeordneten Praxmarer! Die hat den Abgeordneten Anschober geschlagen! Das war nur einmal!)

Es gibt ja auch Kameras in diesem Raum, und Sie werden sehen, es gibt auch einige Aussagen, die das bestätigen werden, was passiert ist. Ich kann mir schon vorstellen, daß Ihnen das peinlich ist, Frau Kollegin Mertel, denn gerade die Frauen haben die Frau Kollegin Hagenhofer ganz allein gelassen. Und auch die Frauenministerin wird gefordert sein und klarmachen müssen, wie sie sich bei derartigen Vorfällen verhält – oder ob sie sich in Zukunft nur auf sexuelle Belästigung beschränken wird. (Abg. Mag. Kammerlander: Wissen Sie, jemand, der eine schwerkranke Abgeordnete aus dem Krankenhaus hierher beordert, hat kein Recht, so zu reden!)

Auf alle Fälle ist eines klar: Es ist wirklich höchste Zeit, daß den österreichischen Frauen endlich klargemacht wird, wie die Männer dieser "Frauenpartei" SPÖ mit den Frauen in dieser Partei umgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Sie sitzen im Glashaus und werfen mit Felsbrocken!) Und dann wird man endlich verstehen (Abg. Dr. Mertel: Sie werfen mit Felsbrocken, obwohl Sie im Glashaus sitzen!) , warum 20 Jahre sozialdemokratischer Frauenpolitik uns Frauen Null Komma Josef gebracht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Sie wissen nicht, wovon Sie reden! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

12.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Kostelka hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter, Sie kennen die Geschäftsordnung. Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

12.05

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Haller hat soeben behauptet, daß der Abgeordnete Parnigoni die Abgeordnete


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Hagenhofer aus dem Saal gezerrt hätte. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Erst rein, dann raus!) Heute in der Früh mußten wir hören, daß sie angeblich heruntergetragen wurde.

Bei Behauptungen, die so widersprüchlich sind, ist eines von Anfang an klar: Hier soll eine Legende begründet werden, die nicht den Realitäten entspricht. (Abg. Rosemarie Bauer: Sie ist gestoßen worden!)

Frau Abgeordnete Hagenhofer hat über die gestrige Vorgangsweise von sich aus eine APA-Meldung abgegeben. Bitte, lesen Sie sie nach! Es wurde keine Nötigung ausgeübt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nachher dann noch einmal!)

Ganz im Gegenteil: Ich würde mich an Ihrer Stelle schämen, eine schwerkranke Kollegin in einer solchen Situation hereinzuzitieren. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie geht arbeiten!) Das ist die Form des Umgangs mit Menschen, die Sie in diesem Zusammenhang an den Tag legen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie geht jeden Tag in die Geschäftsstelle arbeiten!)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen: Die Sozialdemokratie hat in Ihrer hundertjährigen Geschichte niemanden genötigt – und wird es auch in Zukunft nicht tun! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ein echter Pharisäer sind Sie!)

Das, was Sie tun wollen, ist Kaschieren eines billigen Paktes auf Kosten der Verkehrssicherheit, den Sie gestern eingegangen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

12.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Haller, Sie wollen eine persönliche Erwiderung ?  – Ich bitte Sie aber, sich an die Geschäftsordnung zu halten, denn die tatsächliche Berichtigung entgleitet uns allmählich wieder. – Bitte.

12.07

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Eine persönliche Erwiderung zu Ihren Aussagen, Herr Klubobmann!

Wenn Sie hier unterstellen, daß von unserer Seite nicht die Wahrheit gesagt wurde, dann werden wir Ihnen beweisen, daß wir die Wahrheit gesagt haben. (Abg. Dr. Kostelka: Wo ist die persönliche Erwiderung? – Abg. Brix: Das ist ja unglaublich! – Abg. Dr. Kostelka: Dann beweisen Sie es doch endlich! Sie können es nicht! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Wir haben genügend Aussagen, die das bestätigen, wir sind dabei. Und dann werden Sie der Unwahrheit überführt werden, Herr Klubobmann Kostelka. (Abg. Silhavy: Dann behaupten Sie es nicht immer, beweisen Sie es doch! Beweisen Sie es, Frau Kollegin!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Das hat nicht mehr den Charakter einer persönlichen Erwiderung.

Abgeordnete Edith Haller (fortsetzend): Ich bitte, mir das auf meine zweite Wortmeldung anzurechnen.

12.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Ich kann jetzt nichts anrechnen. Sie haben sich zu einer persönlichen Erwiderung gemeldet, und dabei bleibt es. Und die muß geschäftsordnungskonform erfolgen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das steht Ihnen gar nicht zu! Jetzt kommen Sie schon bald aus Ihren Bänken rüber! Vor Ihnen kann man sich ja nur fürchten! – Abg. Dr. Mertel: Was ist mit Ihnen, Frau Partik-Pablé? Warum regen Sie sich so auf? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Weil ich Sie beobachtet habe! – Abg. Dr. Mertel: Ach, Sie haben mich beobachtet! – Abg. Silhavy: Haben Sie schlechte Nerven? Sind Sie müde?)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte.

12.08

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, wir haben in diesem Haus ohnehin viel zuwenig Gelegenheit und nehmen sie auch zuwenig wahr, über die Frauen


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problematik zu diskutieren. Ich bin mir dessen bewußt, daß gerade von FPÖ-Seite bisher recht wenige Beiträge zur Lösung der Frauenproblematik gekommen sind. Daß sich die Frau Kollegin Haller auch noch die Zeit nimmt, im Rahmen dieser Debatte polemische Äußerungen von sich zu geben, empfinde ich als den Frauenangelegenheiten wahrlich nicht dienlich. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Frau Kollegin Hlavac, du hast in deiner Rede angeführt, daß es viel zu tun gibt und daß wir jetzt aktiv werden müssen. – Ich muß schon darauf hinweisen, daß die Forderungen dieses Frauen-Volksbegehrens keine neuen Forderungen sind und daß einige dieser Forderungen eigentlich nur deshalb wieder notwendig wurden, weil die frauendiskriminierenden Bestimmungen oder Maßnahmen im letzten Sparpaket und auch diverse Streichungen aus dem neuen Koalitionsübereinkommen 1995 das wiederum notwendig gemacht haben.

Es ist für mich aus gutem Grund klar, daß Frauen die Geduld verloren haben, und es ist daher auch nicht verwunderlich, daß die Initiatorinnen des Frauen-Volksbegehrens bei der Bevölkerung Österreichs eine so breite Zustimmung gefunden haben. Ich allerdings beurteile die Aussichten auf Umsetzungen nicht sehr positiv, solange die Regierungsparteien weiterhin an eher kleinmütigen Reparaturversuchen festhalten, wo echte Reformen notwendig wären, oder sich eigentlich selbst durch – ich möchte schon fast sagen – ideologische Scheingefechte im Wege stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist insbesondere bei der Verankerung der Gleichstellung von Männern und Frauen und beim Abbau von Benachteiligungen in der Verfassung erkennbar. Die Liberalen und die Grünen haben hier bereits entsprechende Anträge eingebracht, die in den Ausschüssen einer Erledigung harren.

Die Bestrebungen der SPÖ, die zweifelsfrei vorhanden sind, werden jetzt natürlich von einer ÖVP blockiert, die sozusagen im Gegenzug die verfassungsrechtliche Absicherung der Familie verlangt, um diese Lebensform gewissermaßen als die einzige Lebensform zu legitimieren und sie so anderen frei wählbaren, alternativen Lebensformen überzuordnen.

Damit soll wohl auch die Basis für eine immer wieder in Diskussion stehende Familienbesteuerung, die einseitig zum Nachteil der Frauen wirkt, vielleicht auch in Form des steuerfreien Existenzminimums für nichterwerbstätige Familienmitglieder bereitet werden.

Besonders deutlich werden diese Grabenkämpfe auch, wenn es um die Situation rund um die Kinderbetreuung geht. Wir alle hier wissen, daß bei einer Betrachtung der derzeitigen Situation die 600 Millionen Schilling insbesondere in den ländlichen Regionen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein können. Aber da haben wir eine ÖVP, die Frauenproblematik ohnehin nicht interessiert, wie die geringe Anwesenheit beweist, die sich auf ein Tagesmüttermodell stürzt, ohne die sozialrechtliche Absicherung der Frauen vehement zu fordern, und jetzt noch geradezu im gemeinsamen Chor mit der FPÖ den Frauen mit dem Kinderbetreuungsscheck meiner Meinung nach geradezu gefährlich droht. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Rosemarie Bauer: Wo haben wir mit dem Kinderbetreuungsscheck gedroht?) Schauen Sie sich die Aussagen Ihres Familienministers genauer an. Ich nehme doch an, daß er die ÖVP-Linie vertritt. (Abg. Rosemarie Bauer: Was soll diese Vorhaltung? Wir haben diesen Antrag nicht eingebracht!) Ich habe nicht "Antrag" gesagt. Ich spreche von Ihren Äußerungen in der Öffentlichkeit.

Wenn durch diesen Kinderbetreuungsscheck Karenzzahlungen, Sozialleistungen abgeschafft werden sollen, dann wollen Sie damit Frauen ganz offensichtlich dazu anhalten, sich aus einer momentanen schwierigen finanziellen Situation heraus von der Erwerbsarbeit zurückzuziehen – Sie wollen sie zurückdrängen, müßte man geradezu sagen –, damit diese Frauen dann in letzter Konsequenz mit einer noch schlechteren sozialrechtlichen Absicherung dastehen. (Abg. Rosemarie Bauer: Ihre Ministerin macht den Vorschlag, daß die Frauen acht Jahre zu Hause bleiben können!) Daß das auch den Ausbau der notwendigen Kinderbetreuungseinrichtungen verschleppen wird, das wird von der Frauenministerin zu Recht befürchtet. (Abg. Rosemarie Bauer: Sie macht den Vorschlag, daß die Frauen acht Jahre zu Hause bleiben! Wo ist da der qualitative Unterschied? Sie agieren genau wie die Männer! Noch viel schlimmer!)


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Auch die Forderung nach einer Grundpension im Rahmen dieses Volksbegehrens wird von uns nicht nur unterstützt, sondern wir arbeiten sehr konkret und fundiert an einem Modell der Grundsicherung. Dem in Diskussion stehenden Modell des Pensionssplittings können wir allerdings nicht besonders viel abgewinnen, weil es einmal lediglich die Frauen in der traditionellen Ehe berücksichtigt und andere Lebensformen nicht erfaßt, aber andererseits durch das Splitting gerade in unteren Einkommensbereichen das Existenzminimum für beide keinesfalls gesichert ist.

Solange allerdings die Sozialministerin – wie etwa im Rahmen der jüngsten Fragestunde hier – die Mitversicherung der Frauen auch als Absicherung für geringfügig Beschäftigte und als außerordentlich wichtige familienpolitische Maßnahme bezeichnet, obwohl da die Frauen nach mehreren Jahren Familienarbeit im Krisenfall ohne sozialrechtliche Absicherung dastehen, wird das der Sozialministerin zwar viel Beifall beim Koalitionspartner einbringen, aber das pensionsrechtliche Problem der Frauen wird dadurch keinesfalls gelöst werden.

Es bleibt leider nicht so viel Zeit, auf alle einzelnen Punkte einzugehen, aber lassen Sie mich noch zu einzelnen Forderungen Stellung nehmen.

Zur Forderung nach zwei Jahren Karenzzeit für Alleinerzieherinnen sagen wir grundsätzlich und überzeugt ja, weil die De-facto-Kürzung der Karenzzeit für Alleinerzieherinnen eine Ungleichbehandlung bedeutet und sich die Situation gerade für diese Frauen auch durch die Ablehnung der Gewährung von Notstandsbeihilfe, insbesondere im Zusammenhang mit der Betreuungssituation zusätzlich verschärft. Aber lange Karenzzeiten sind auch nachteilig für den Wiedereinstieg. Es gilt daher, Impulse zu setzen und die Karenzzeit auch für Männer attraktiver zu machen. Dafür gibt es bisher allerdings keine Ansätze.

Das liegt natürlich auch am mangelnden Bewußtsein, daß Betreuungsarbeit eine gemeinsame Arbeit von Eltern ist, oft spielt aber auch die finanzielle Situation eine Rolle, insbesondere dann, wenn das Einkommen des Mannes ein höheres ist, was eigentlich schon der Regelfall ist. Da gilt es, Überlegungen anzustellen, wie ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden kann.

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber bei weitem nicht. Die starke Segmentierung des Arbeitsmarktes in die gutbezahlte Männerarbeit und die schlechtbezahlte Frauenarbeit ist einer von mehreren Gründen. Dieser Segmentierung wäre frühzeitig entgegenzuwirken. Das Liberale Forum verweist seit langer Zeit darauf, daß da echter Handlungsbedarf im Bildungsbereich besteht.

Konkrete Ansätze fehlen. – Die Ankündigung der Unterrichtsministerin, "99 Punkte, um den Mädchen Mut zu machen", und auch Ihre Ankündigung, sehr geehrte Frau Frauenministerin, die eigentlich schon eingeschlafene Aktion "Töchter können mehr" jetzt wiederzubeleben, werden nicht ausreichen. Beide Aktionen sind über das Stadium des Broschüren-Verteilens noch nicht hinausgekommen. Es handelt sich meiner Meinung nach daher um Lippenbekenntnisse. Wenn Sie es tatsächlich ernst damit meinen – und wir würden Sie gerne unterstützen –, dann müssen Sie auch Rahmenbedingungen schaffen, und zwar konkret und konsequent.

Sie haben selbst gesehen, daß die Förderung von Mädchen in atypischen Berufen mit Hilfe des Arbeitsmarktservices nicht gegriffen hat, eigentlich, wie ich meine, auch nicht greifen kann. Da gibt es Informationsdefizite und darüber hinaus auch noch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Arbeitsmarktservice, die den Mädchen – das weiß ich aus eigener Erfahrung in Zusammenhang mit meiner Tochter – eigentlich eher abraten als sie dazu zu motivieren, einen sogenannten atypischen Beruf zu ergreifen.

Wir werden, wenn es um die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung von Teilzeitarbeit und geringfügiger Beschäftigung geht, weiterdenken müssen, denn im Rahmen des derzeitigen Pensionssystems ist eine Umsetzung kaum möglich. Und wenn wir an die Forderung eines Mindestlohnes von 15 000 S denken, müssen wir überlegen, daß dieser an den Vollerwerb geknüpft ist und dann im Bereich der Teilzeitbeschäftigung für Frauen wieder keine Absicherung gegeben wäre.


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Konsequent wäre es allerdings, diese Forderung weiter durchzudenken: Wie hoch soll die Ausgleichszahlung des Staates sein, wenn Frauen nichtbezahlte Betreuungsarbeit leisten? Wie hoch soll die Ausgleichszahlung des Staates sein, wenn – und das wird uns der zukünftige Arbeitsmarkt noch lehren – Frauen und Männer von der Erwerbstätigkeit überhaupt ausgeschlossen sind? Die letzte Konsequenz muß eigentlich die Entkoppelung von sozialen Leistungen, von Transferzahlungen von der Erwerbsarbeit sein. Wir Liberale nennen das Grundsicherung und sehen eigentlich nur darin einen machbaren Weg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gäbe noch einige andere Punkte, die man hier andiskutieren könnte und denen wir auch durchaus kritisch gegenüberstehen. Wir haben in manchen Bereichen eigentlich weitergehende Vorstellungen. Wir halten dieses Volksbegehren trotzdem für ein ausgezeichnetes Instrument, schon längst fällige, überfällige Aktivitäten zu setzen, das Einlösen von Versprechungen der vergangenen Jahre wirklich einzufordern. Die Liberalen bieten dazu gerne ihre Unterstützung an.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich hoffe, Sie fühlen sich für Frauenangelegenheiten gleich zuständig und können die gleiche Bereitschaft ausdrücken, sich dafür einzusetzen, wie Sie das für die Gentechnik-Angelegenheit heute hier schon bekundet haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

12.19

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das erste Problem bei solchen Debatten ist immer das, daß der Saal noch leerer ist als sonst untertags. Es hören mir zwar einige sehr interessierte Frauen zu, mit denen ich gerne darüber rede, deren Meinung ich inzwischen im großen und ganzen kenne und über ... (Abg. Dr. Gredler und Abg. Motter: Drei Männer sind da!) Ich habe ja gesagt, einige Frauen. Ich habe nicht gesagt, "nur" Frauen, ich habe gesagt: "überwiegend" Frauen, Frauen deren Meinung ich kenne und mit deren Meinung ich mich auch gerne dann im Ausschuß auseinandersetze.

Aber ich habe mir gerade gedacht, es wäre eigentlich viel spannender, zu erfahren, was Sie, werte Kollegen, zu diesem Frauen-Volksbegehren sagen und welche Meinung Sie haben. Wir haben das auch vorhin im Klub kurz diskutiert, weil auch wir Grünen Frauen als Rednerinnen gemeldet haben. Das ist vielleicht so eine Art natürlicher Reflex, daß Frauen sich zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort melden. (Abg. Hans Helmut Moser: Einer meiner Kollegen hat sich zu Wort gemeldet!)  – Ich weiß, ich weiß, nur keine Aufregung! Das Liberale Forum hat einen Mann auf der Rednerliste, aber was macht, unter uns gesagt, einer unter 15 schon aus? – Vielleicht wäre dies eine Anregung für die nächste frauenpolitische Debatte und würde wieder etwas mehr Wind und mehr Bewegung in diese Diskussion bringen.

Zum Anliegen selbst, zur Zuleitung des Frauen-Volksbegehrens in den Ausschuß und zu seiner Behandlung. Ich glaube, ich brauche es nicht lange zu betonen: Sie wissen, wir haben dieses Frauen-Volksbegehren unterstützt. Wir können uns mit allen Forderungen einverstanden erklären, und wir werden auch alle Forderungen nach unseren Möglichkeiten im Parlament vertreten und einbringen.

Wir haben konkret zu fünf Bereichen Anträge eingebracht und zum zentralen Bereich, nämlich der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen in der Verfassung, liegt ein Antrag seit über einem Jahr im Nationalrat. Bezüglich dieses Antrages werden wir morgen eine Fristsetzungsdebatte beantragen, weil wir denken, es ist wirklich an der Zeit, daß dieser Antrag, der von Ihrer Vorgängerin, Frau Ministerin, vorgestellt wurde und bereits in Begutachtung war, endlich behandelt wird. Wenn so viel Vorarbeit bereits geleistet wurde, dann können wir ihn doch auch im Parlament behandeln und brauchen nicht noch ein weiteres Jahr zuzuwarten, bis wir diese Frage entscheiden können.


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Frau Kollegin Hlavac! Ich bin natürlich froh, wenn Sie ankündigen: Wir Sozialdemokraten werden ein großes Reformpaket auf den Tisch legen, wir werden das diskutieren und umsetzen. – Allerdings müssen Sie sich – meine Vorrednerin hat das auch schon gesagt – dann schon von uns die Antwort gefallen lassen: Die Sozialdemokratische Partei hatte 20 Jahre lang Zeit, dieses große Reformpaket zu schnüren! Einiges wurde gemacht, das gebe ich gerne zu, Ihre Frauenministerinnen haben einiges verwirklicht. Aber viele Forderungen, die in diesem Frauen-Volksbegehren enthalten waren, sind keine wirklich neuen Erfindungen, sondern alte Hüte und Dinge, die einfach verschleppt, entweder nicht umgesetzt oder durch die Sparpakete verschlechtert wurden.

Zwei Beispiele dazu. Erster Punkt: Das zweite Karenzjahr für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher ist eine Leistung, die durch das Sparpaket wieder zurückgenommen wurde. Um diese Entscheidung revidieren zu können, bräuchten wir kein großes Reformpaket und auch sonst nichts, sondern nur eine politische Meinung und Mehrheit hier im Haus. Dazu bräuchte es keine langen Beratungen, keine Unterausschüsse – nichts!

Die zweite Frage betrifft die Notstandshilfe und das Arbeitslosengeld für Frauen mit Betreuungspflichten. Diesbezüglich ist durch die Sparpakete eine Verschärfung auf uns zugekommen. Auch um diese Entscheidung zu revidieren, brauchen wir gar nichts: keine Unterausschüsse, keine großen Reformpakete – nichts. Da bräuchten wir nur – im Gegensatz zu Ihrer Kollegin, der Sozialministerin – eine ganz klare Position, aber nicht eine so windelweiche, wie wir sie gestern in der Aktuellen Stunde erlebt haben: Naja, nein, und eigentlich, und so weiter, und auf den Punkt gebracht kommt heraus: Es bleibt ein Willkürakt des jeweiligen AMS-Beamten, wie das gehandhabt wird!

Es unterliegt der Einschätzung der einzelnen Beamten und Beamtinnen vor Ort, ob sie eine Betreuungspflicht als eine notwendige, als eine nicht aufschiebbare einstufen oder wie sie das sonst qualifizieren. Es gibt keine klare Handhabung! Und wir alle, die wir hier sitzen, wissen doch, wie das in der Realität ausschaut! Wir alle wissen doch, daß es wieder genau jene Frauen trifft, die bereits jetzt doppelt und dreifach durch das Sparpaket belastet sind. Auch um diese Situation zu ändern, bräuchten wir keinen Unterausschuß, kein großes Reformpaket, kein ExpertInnen-Hearing – nichts. Wir bräuchten nur einen deutlichen Willen und eine Mehrheit hier im Haus. – Das einmal vorweg und als Einleitung.

Es gibt Bereiche – da gebe ich Ihnen recht, Frau Kollegin Hlavac –, bei denen wir längere Beratungen und auch ExpertInnen-Hearings brauchen werden. Aber ein Bereich, der gestern ebenfalls thematisiert wurde, sollte dann nicht so behandelt werden, wie das derzeit der Fall ist, nämlich der der Pensionsregelung.

Ich habe Ihnen schon gestern gesagt: Wenn Sie ein Gutachten bestellen oder wenn der Vorgänger der Sozialministerin ein Gutachten bei Professor Rürup bestellt, dann ist das Ergebnis für Sie zunächst wie ein riesiges Osterei, von dem Sie noch gar nicht wissen, was alles drinnen ist und als was sich das alles entpuppt. Meiner Meinung nach ist das gerade die verkehrte Art, an das Problem heranzugehen.

Frau Ministerin! Ich habe Ihnen gestern gesagt: Die Fragen, die es – gerade auch aus frauenpolitischer Sicht – zuallererst zu klären gilt, lauten: Wie schauen die Lebensläufe von Frauen aus? Wieviel Erwerbstätigkeit kommt in einem durchschnittlichen Lebenslauf von Frauen zusammen? Wieviel Betreuungsarbeit häuft sich in einem durchschnittlichen Lebenslauf von Frauen an? – All das ist vorweg einmal klarzustellen.

Wenn wir aber so an das Problem herangehen, dann stellen wir fest – und damit komme ich zum Thema geringfügig Beschäftigte –, daß all Ihre sicher sehr ernsthaften und ehrenwerten Bemühungen, geringfügig Beschäftigte in die Sozialversicherung, in die Pensionsversicherung einzubeziehen, zum Scheitern verurteilt sind. Wenn man das Modell durchrechnet – und wir haben uns das Modell, das die Gewerkschaft vor einem Jahr, wie ich glaube, überprüfen und durchrechnen hat lassen, sehr genau angeschaut –, dann muß man erkennen, daß es zum einen sicherlich Probleme bei der Finanzierung geben wird, und zwar sowohl bei den


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Arbeitgebern als auch bei den Arbeitnehmern – letzteren werden die Beiträge ja einfach abgezogen – als auch, daß nach 20 Jahren oder 30 Jahren Arbeit nichts von der Plackerei übrig bleibt, die diese Frau ihr Leben lang gehabt hat.

Ich betone: Solche Frauen arbeiten als geringfügig Beschäftigte in einem, zwei oder drei Arbeitsverhältnissen. Sie machen daneben den Haushalt, die Kindererziehung und haben in den ländlichen Gebieten in der Regel auch noch eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft. Diese Frauen hackeln und schuften ihr ganzes Leben lang und haben im Alter zu der geringfügigen Pension, die sie haben, nichts als die Ausgleichszulage. – Es ist ein unwürdiges Angebot, das Sie uns als Frauen hier machen, Frau Ministerin! Ich wiederhole: ein unwürdiges Angebot! (Abg. Dr. Mertel: Was wollen Sie denn?!)

Die einzige Möglichkeit ist die, die Ihre Vorgängerin bereits überprüfen hat lassen. Die einzige Möglichkeit ist die Grundpension, die einen Sockelbetrag für jede Frau und für jeden Mann vorsieht, und dazu kommt die Pension aus der jeweiligen Erwerbstätigkeit. Je mehr sie gearbeitet haben, desto mehr kommt dazu. Ich sage Ihnen: Das ist die einzige Möglichkeit!

Sprechen wir doch auch eines ehrlich aus: Tun wir, wenn wir hier stehen, doch – gerade auch aus gewerkschaftlicher Sicht – nicht so, als ob wir glauben würden, wir könnten à la longue bestimmte Arbeitsverhältnisse verhindern! Ich glaube es nicht mehr. Ich glaube nicht, daß wir bestimmte Arbeitsverhältnisse wirklich auf Dauer verhindern können. Man sieht es bei den veränderten Ladenschlußzeiten: die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse – wir haben es gestern wieder gehört – entwickelt sich in Rekordhöhe.

Was ist das Notwendigste, wenn wir auf der einen Seite Beschäftigungsinitiativen – damit meine ich adäquate Beschäftigungsinitiativen – für Frauen setzen wollen, auf der anderen Seite aber auch die Absicherung brauchen? – Das Notwendigste ist meiner Überzeugung nach in erster Linie die Grundsicherung im Alter. Denn die Armut im Alter nach einem arbeitsreichen Leben ist wirklich unwürdig. Und da würde ich schon sagen, in dieser Frage brauchen wir im Ausschuß sicher noch ExpertInnen. Da brauchen wir die Debatte noch. Aber das Ziel sollte klar sein, und wir sollten den Mut haben, zu sagen: Es wird sich für die Frauen nur dann etwas ändern, wenn wir in der Sozialversicherung, in der Pensionsversicherung an das System gehen – und uns nicht länger mit Korrekturen zufrieden geben, die da oder dort vielleicht kurzfristig die eine oder andere Verbesserung bringen, aber langfristig nichts am Gesamtsystem ändern.

Natürlich will ich mich nicht damit zufrieden geben, daß Frauen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen stecken. Natürlich will ich nicht, daß Frauen immer sozusagen die letztklassige Arbeit machen. Natürlich möchte ich, daß im Bereich der Ausbildung massiv investiert wird, damit die Frauen wirklich auch vom Bildungsweg her die gleichen Chancen haben. In meinem Bild von Gesellschaft teilen wir die erwerbstätige und die nichterwerbstätige Arbeit zwischen den Geschlechtern auf, sodaß Frauen dieselben Chancen haben, in Berufen, in Betrieben, in öffentlichen Ämtern so weit zu kommen wie Männer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie erinnern: Wir haben voriges Jahr in diesem Zusammenhang über den "gläsernen Plafond" diskutiert. Wir haben eine Studie ausgearbeitet und sie der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie kennen unsere Positionen ganz genau. Es gibt ein ganzes Bündel von ausgehandelten Maßnahmen im Bereich der Gleichstellung im öffentlichen Dienst. Es ist fertig, Frau Ministerin! Oder: Es gibt ein ganzes Bündel von Gleichstellungsmaßnahmen im privaten Bereich. Es liegt fertig auf Ihrem Tisch. Holen Sie es hervor, bringen Sie es in den Gleichbehandlungsausschuß! Es ist fertig! Bitte, beschließen wir es doch endlich!

Frau Ministerin! Ich meine, Sie verstehen Ihre Aufgabe falsch, wenn Sie Postkarten wie diese (die Rednerin hält eine graue und eine blaue Postkarte in die Höhe) verschicken, in denen Sie Frauen, die sich benachteiligt fühlen, auffordern, sich an Sie zu wenden. Darin heißt es: Fühlen Sie sich benachteiligt? Schicken Sie der Frauenministerin ein Fax!

Frau Ministerin! Sie sind nicht die Ombudsfrau von Österreich! Sie sind die Ministerin, die politisch entscheiden soll, die beispielsweise politisch entscheiden soll, daß es ab morgen Gleichbehandlungsanwältinnen in allen Bundesländern gibt. Deren Aufgabe wäre es dann,


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Benachteiligungen zu verfolgen und entsprechenden Vorfällen nachzugehen. Das ist nicht Ihre Aufgabe! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Und erzählen Sie von den Mehrheitsfraktionen mir nicht noch einmal, daß es kein Geld gibt. Erzählen Sie mir, solange Sie solche Postkarten verteilen oder verschicken, nicht noch einmal, daß es kein Geld gibt für die sofortige Einsetzung von Gleichbehandlungsanwältinnen in allen Landeshauptstädten. Das wäre unser Anliegen! Auch dafür bräuchten wir keine Untersuchungskommissionen, keine ExpertInnen, keine Unterausschüsse – nichts! Das könnten wir morgen hier im Haus beschließen, wenn wir es wollen, wenn Sie es wollen, wenn es Ihnen ernst damit ist, daß sich bei der Gleichbehandlung etwas ändern soll, wenn es Ihnen ernst damit ist, daß die Benachteiligung der Frauen ein Ende haben soll.

Beschließen wir es doch morgen! Machen wir doch einen gemeinsamen Initiativantrag! Sagen wir doch dem Finanzminister für das nächste Budget: So geht es nicht weiter!

Es geht nämlich wirklich so nicht weiter. Wenn wir dieses Frauen-Volksbegehren auch nur ein bißchen ernst nehmen, und wenn wir es in den Bereichen ernst nehmen, in denen wir wissen, wir könnten es sofort umsetzen, dann lade ich Sie ein: Beraten wir diesen Antrag noch heute nachmittag!

Stellen wir morgen hier in diesem Haus einen Fünfparteien- oder Vierparteien-Initiativantrag, in dem wir genau diese erwähnten Bereiche behandeln! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Beschließen wir ein zweites Karenzjahr für AlleinerzieherInnen, klare Regelungen für Notstandshilfe und Arbeitslosengeld im Falle von Betreuungspflichten und selbstverständlich auch die Einsetzung von GleichbehandlungsanwältInnen in den Bundesländern! Ein Stufenplan dazu liegt fertig im Ministerium. Wir brauchen ihn nicht neu zu erfinden, holen wir ihn hervor und bringen wir all das als Entschließungsantrag an den Finanzminister morgen hier ein! Das ist das einzige deutliche Signal, das die Frauen hören wollen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben – nichts anderes, nicht mehr und nicht weniger! – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

12.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte, Frau Ministerin.

12.32

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es wurde einiges gesagt, was ich ganz sicher so nicht stehen lassen kann.

Zum einen: Wenn die Frauenministerin den Frauen die Möglichkeit gibt, sich auch an die Frauenministerin zu wenden, dann hat sie, wie ich meine, ihre Rolle sehr wohl verstanden! Es gibt so vieles, was für Frauen oft auch mit ganz einfachen Mitteln leichter gemacht werden könnte, wenn wir es nur wüßten! Diese Unterstützung will ich den Frauen geben, und ich hoffe, daß sehr viele Frauen dieses Angebot auch in Anspruch nehmen und sich dementsprechend auch an mich wenden werden.

Es ist gerade gesagt worden, daß wir den Großteil der Punkte des Volksbegehrens überhaupt nicht zu diskutieren brauchen. – Ich muß sagen, in den Äußerungen und Argumentationen, die soeben vorgebracht wurden, war vieles, was meine Überzeugung verstärkt hat, daß wir sehr wohl darüber diskutieren müssen.

Zum Beispiel muß man meiner Meinung nach sehr wohl darüber diskutieren, ob wir eine Grundpension für die Frauen wollen oder ob wir lieber eine Pension aus Erwerbstätigkeit für alle Frauen wollen, und zwar eine eigenständige Alterssicherung, die aber darauf abzielt, daß Frauen auch die Chance bekommen, während ihres Erwerbsalters im Erwerbsleben bleiben zu können. Das sind zwei grundlegende Ansätze, die meines Erachtens auch sehr grundlegend diskutiert werden müssen.


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Ich persönlich meine, daß es ganz wesentlich und wichtig sein wird, alles daran zu setzen, die Frauen in der Erwerbstätigkeit zu halten und ihnen dort die besten Chancen zu geben. Diese haben sie jetzt ganz sicher nicht. Aufbauend auf diese Situation müssen wir dann auch eine entsprechende Alterssicherung gewähren.

Auch mit den Männern haben wir sehr vieles zu diskutieren, besonders mit jenen Männern, die derzeit die Nutznießer der heutigen Situation sind, zum Beispiel dann, wenn ihre Frauen zu Hause sind und seitens dieser Männer keine Beiträge zur Sozialversicherung dieser Frauen geleistet werden. Dies ist ein ganz konkreter Ansatz, der, wie ich meine, ausführlich diskutiert werden muß.

Einige weitere Punkte: – Leider hören die Freiheitlichen das jetzt nicht. (Widerspruch der Abgeordneten Apfelbeck und Haller. ) Es wurde gesagt, daß in manchen Situationen die Notwendigkeit bestehe, daß verheiratete Frauen Notstandshilfe erhalten. – Wir denken in der Zwischenzeit sehr intensiv über mögliche Maßnahmen und konkrete Wege nach. Frauen, die verheiratet sind und deren Männer ein entsprechendes Einkommen haben, fallen aus der Notstandshilfe. Diese Zeiten fehlen ihnen dann für die Pension. Es entstehen riesige Lücken, und wir haben darüber nachzudenken, wie wir diese Lücken im Hinblick auf die zukünftige Pension dieser Frauen schließen können.

Es ist auch gesagt worden, daß die Aktion "Töchter können mehr" zwar wieder aktiviert werde, aber ins Leere gehe. – Ich meine, sie geht tatsächlich ins Leere, wenn wir nicht parallel dazu entsprechend wirksame Maßnahmen setzen. Da ist die Wirtschaft ganz intensiv in die Verantwortung zu nehmen! Es wird auch nicht möglich sein – dessen müssen wir uns bewußt sein –, diese Maßnahmen nur auf freiwilliger Basis zu setzen. Wenn es uns nicht gleichzeitig auch gelingt, Druck auszuüben, wird wenig zustande kommen. Daher ist es zum Beispiel ganz wichtig, zumindest jenes Anreizsystem zu schaffen, das bei öffentlichen Auftragsvergaben und bei öffentlichen Subventionen an Unternehmungen die Frauenförderung als wesentlichen Aspekt beinhaltet. Ich werde im Herbst eine entsprechende Enquete im Hohen Haus veranstalten. Es gibt entsprechende ausländische Modelle, und ich denke, diese Maßnahmen müssen zumindest in Etappen auch bei uns eingeführt werden.

Wir müssen auch überlegen: Was sind denn Frauenförderungspläne? – Auch darauf haben wir noch keine endgültige Antwort gefunden. Das Kapitel Frauen und Frauenförderung gehört in die Verfassung.

Wir haben auf Basis des Vertrages von Amsterdam einen ganz klaren Auftrag. Die Europäische Union hat uns diesbezüglich etwas vorgegeben, was wir dringend und schnell in Österreich nachzuvollziehen haben. Ich bin sehr froh drüber, daß es zum Beispiel ein Kalanke-Urteil oder ähnliche Urteile in Zukunft im Europäischen Gerichtshof nicht mehr geben kann, und daß sich die Europäische Union eindeutig dazu bekannt hat, daß Frauenförderung noch sehr lange notwendig sein wird, wenn wir wollen, daß Frauen die gleichen Chancen vorfinden.

Die Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die Sozialversicherung ist wesentlich und wichtig. Das ist auch insofern eine wesentliche Angelegenheit, als nicht nur die Zahl der geringfügig Beschäftigten ständig steigt, sondern auch, weil ein Verdrängungsmechanismus entsteht. Jene Frauen, die von ihrer Vollzeit-Erwerbstätigkeit leben wollen und müssen, werden in die Arbeitslosigkeit gedrängt und durch andere Frauen mit kleineren und geringfügigen Einkommen ersetzt.

Es hilft nicht, darüber zu diskutieren, daß wir diesen Frauen die Sozialversicherungsbeiträge abziehen werden müssen. Ich meine, es muß viel wichtiger und interessanter sein, den Frauen entsprechende, höherwertige Beschäftigungen zu geben und sie eben nicht in die geringfügige Beschäftigung zu drängen. Die geringfügige Beschäftigung muß meines Erachtens für die Wirtschaft ein unattraktives Beschäftigungsverhältnis werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen ergänzende Maßnahmen, und wir brauchen vor allem auch mehr Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir müssen alles daran setzen, daß diese Kinderbetreuungseinrichtungen wirklich flächendeckend installiert werden. Da sind auch die Länder und die Gemeinden in die


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Verantwortung zu nehmen. Ich habe gerade im Rahmen der Aufteilung der 600 Millionen Schilling gesehen, wie mühselig es ist, vom Bund zur Verfügung gestellte Mittel einigermaßen rasch und effizient an den Mann – meistens an den Mann; selten an die Frau – zu bringen.

Es ist vor allem auch notwendig, diese Maßnahmen so zu installieren, daß Berufstätigkeit und Familie vereinbar sind. Alles, was in die Richtung geht, Frauen ein gewisses "Zubrot" zu geben, sie mit einer Art "Almosen" zu versorgen, geht in die falsche Richtung. Frauen haben einen Anspruch darauf, selbständig, eigenständig, eigenverantwortlich leben zu können. Nur Maßnahmen, die darauf abzielen, können entsprechend greifen. Alles, was so manches Mal unter dem sozialen Aspekt gesehen wird, muß dreimal und viermal geprüft und hinterfragt werden, damit es ja nicht in die falsche Richtung geht.

Wir haben so manche soziale Maßnahme in der besten Absicht gesetzt – und erst später gemerkt, wie sehr und wie stark sie Frauen in eine Sackgasse führen. Das soll uns in Zukunft nicht mehr passieren. Das ist besonders wesentlich bei der Pensionsreform, das ist wesentlich bei der Einbeziehung aller Arbeitsverhältnisse in die Versicherung, und das ist vor allen Dingen auch wesentlich bei den Rahmenbedingungen, die wir zur Verfügung stellen.

Wenn wir darauf abzielen, alles nur als freiwillige Maßnahme zu machen, nur motivatorische Maßnahmen zu setzen, dann führt das in die falsche Richtung. Wir brauchen etwas ganz Eindeutiges, nämlich Druck und ein klares Bekenntnis zu den Frauen in unserem Land. Ich denke, das wird uns auch gelingen, und zwar auf Basis dieses Volksbegehrens und auf Basis der vielen Interessen, die auch in diesem Hause vertreten werden. Sie können sicher sein, daß sie ganz intensiv und vehement von meiner Seite vertreten werden! (Beifall bei der SPÖ.)

12.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Konrad. – Bitte.

12.40

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Behandlung des Frauen-Volksbegehrens im Parlament als einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung und Umsetzung von wichtigen frauenpolitischen Forderungen. Erste Gespräche mit Regierungsvertretern hat es schon gegeben. Ganz im Gegensatz zu einigen Meinungen, die hier geäußert wurden, möchte ich sagen, es freut mich auch, und ich begrüße das, daß die Frauenministerin ganz ausdrücklich hinter allen Forderungen des Frauen-Volksbegehrens steht und selbstverständlich ihren politischen Einfluß geltend machen wird, um diese Forderungen umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Von einer erwünschten oder erhofften Entschärfung kann überhaupt nicht die Rede sein, sondern die Frauenministerin steht voll hinter all diesen Forderungen. (Abg. Rosemarie Bauer: Frauenförderprämie!)

Ich möchte in meinen Anmerkungen im Zuge dieser ersten Lesung auf drei Bereiche eingehen. Der erste Bereich wäre der rechtliche, denn das Recht muß den Frauen zur Gleichberechtigung verhelfen. Der zweite Bereich, den ich behandeln möchte, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern, von Beruf und Familie und der dritte die Frage der Pensionen, die Vorrednerinnen heute auch schon angeschnitten haben.

Wenn gesagt wurde, daß Unterlagen zur Verankerung der tatsächlichen Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen in der Verfassung vorliegen, so ist das richtig. Aber, liebe Kollegin Kammerlander, tun wir doch nicht so, als wäre es nur die Frage, ob wir das Gesetz ins Parlament bringen und darüber abstimmen. Das ist uns auch schon eingefallen, das haben wir schon vielfach versucht. Es geht wohl auch darum, eine Mehrheit dafür zustande zu bringen, und wir wissen, wie schwierig das ist. (Zwischenruf der Abg. Mag. Kammerlander. ) Bitte, tu nicht so! Wir haben es gestern erlebt. Viele von uns waren für 0,5 Promille, aber das Gesetz ist trotzdem nicht zustande gekommen. Die Dinge liegen also schon etwas komplizierter, als du es dargestellt hast.


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Es ist allerdings richtig, daß ich als Frauenministerin diese Vorlage zur Verankerung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern in der Verfassung eingebracht habe, und wir sozialdemokratische Frauen unterstützen das auch vehement.

Ich möchte sogar einen Schritt weiter als die Frauenministerin gehen. Beim letzten Regierungsgipfel in Amsterdam hat die EU auch auf diesem Gebiet entsprechende Gleichstellungsmaßnahmen beschlossen und in die EU-Verträge aufgenommen. Ich möchte insofern weitergehen, als ich meine, daß die Aufnahme dieser Gleichstellung in die Verträge eigentlich auf Initiative Österreichs zustande gekommen ist, wodurch wir uns stark unterstützt fühlen, wenn wir auf die Notwendigkeit dieser Maßnahme hinweisen.

Der zweite Bereich, mit dem ich mich kurz auseinandersetzen möchte, ist die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern. Frauen – und, ich behaupte, auch immer mehr Männer – wollen Beruf und Familie vereinbaren können. Da kommt es dann darauf an, welche Maßnahmen wir setzen.

Es sind Maßnahmen zu setzen, damit Frauen qualifizierte Arbeitsplätze bekommen; ich betone "qualifizierte Arbeitsplätze". Putzengehen und Hilfsleistungen machen sind zwar auch Bereiche, in denen Frauen tätig sind, aber da liegt nicht unser Schwerpunkt, sondern meine Betonung liegt auf "qualifizierten Frauenarbeitsplätzen". Frauen haben ein Anrecht auf Arbeitsplätze und darauf, daß sie so entlohnt werden und soviel an Gehalt bekommen, daß sie davon auch leben können.

Wir verstehen unter qualifizierten Arbeitsplätzen Arbeitsplätze im Kinderbetreuungsbereich, in Kindergärten oder auch den Beruf der Tagesmutter oder Berufe im Pflegebereich. Andere Maßnahmen, die wir eingefordert haben und an denen wir arbeiten, sind solche im Technologiebereich oder, um ein Beispiel zu nennen, das Business-Frauen-Center, das Frauen, die sich selbständig machen wollen, intensiv unterstützt. Mir liegt schon daran, deutlich zu machen, daß es mir um die qualifizierten Arbeitsplätze geht und daß wir diesbezüglich Initiativen setzen wollen.

Nach wie vor liegt die Forderung des Frauen-Volksbegehrens nach einem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern mit Kleinkindern auf dem Tisch. Wir sozialdemokratische Frauen unterstützen sie jedenfalls, denn das würde beiden Elternteilen die Möglichkeit bieten, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Wir wissen, daß nur ganz wenige diese Möglichkeit der Teilzeitarbeit in der Karenz, die es jetzt schon gibt, in Anspruch nehmen – nicht deshalb, weil die Eltern nicht wollen, sondern weil die Arbeitgeber ihnen oft diese Möglichkeit verwehren. Es geht darum, daß wir uns bemühen, für Eltern mit Kleinkindern einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit zustande zu bringen.

Wenn heute schon davon gesprochen wurde, daß Maßnahmen, wie zum Beispiel der Ausbau von ganztägigen qualifizierten Kinderbetreuungseinrichtungen, notwendig sind, und wenn als andere Variante der Kinderbetreuungsscheck genannt wurde, dann kommt auch von meiner Seite ein ganz klares Wort: Wir lehnen diesen Kinderbetreuungsscheck ab, denn er ist eine Armutsfalle für Frauen! Er verschleiert die wahren Absichten, die dahinterstecken. Denn wenn einerseits Leistungen, die es heute gibt, dadurch zurückgenommen, gekürzt oder nicht mehr gegeben werden und sich die Kinderbetreuungseinrichtungen dadurch verteuern würden, aber auf der anderen Seite den Frauen dann ein Scheck gegeben werden soll, mit dem sie ihre Kinderbetreuung sicherstellen sollen, dann ist das sicher nicht die Art und Weise, wie wir uns vorstellen, Beruf und Kinder vereinbaren zu können.

Die Journalistin Elfriede Hammerl hat das im "profil" mit einem Vergleich sehr deutlich gemacht. Wie wäre es denn, wenn es einen "Gesundheitsscheck" gäbe? – Dann bestimmt jede Person mit dem Scheck selbst, ob sie sich die Mandeln selbst operiert oder Hilfe in Anspruch nimmt? Oder was wäre mit einem "Wegebauscheck"? – Bestimmt dann jede Person selbst, ob sie etwa den eigenen Weg selbst herstellt oder herstellen läßt? So kann es also nicht sein! Die Öffentlichkeit ist verantwortlich und hat für die Kinderbetreuung zu sorgen, und dafür treten wir auch ein.


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Ich schneide noch kurz einen letzten Bereich an, nämlich den der Pensionen. Diesbezüglich gibt es auch unterschiedliche Auffassungen. Wir treten für eine eigenständige Alterssicherung aller Frauen ein. Wir meinen, daß es sinnvoll ist, im System zu bleiben, und wir sind dafür, die Pflichtversicherung so auszubauen, daß sie der Lebensrealität von Frauen entspricht. Das heißt, ein wesentliches Element müßte und würde sein – ich kann das jetzt nicht näher ausführen –, daß Kinderbetreuungszeiten besser angerechnet werden und somit alle Frauen eine eigenständige Alterssicherung haben und im Alter abgesichert und nicht abhängig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. Die vorgeschlagene Redezeitbeschränkung beträgt 5 Minuten. – Bitte.

12.50

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich glaube, der letzte Vorschlag von Frau Kollegin Konrad hinsichtlich einer besseren Anrechnung von Kindererziehungszeiten wäre ein Vorschlag, den wir sofort mittragen könnten, damit es für Frauen in der Pension eine "wirkliche Pension" gibt. Es sollte nicht so sein, daß Frauen, die die Berufstätigkeit unterbrechen müssen, die teilzeitarbeiten, die wenig Pension beziehen, heutzutage im Alter noch Bittstellerinnen sind, vor allem Hausfrauen, die mehrere Kinder erzogen und überhaupt keine Anwartschaften haben.

Ich glaube, das Volksbegehren ist gerade in Zeiten wie diesen ein Anlaß, um über Frauenthemen zu diskutieren. Wir haben in Österreich viele Probleme im wirtschaftlichen Bereich und mit den Arbeitsplätzen. Es ist aber so, daß das Frauen-Volksbegehren die Thematik der Frauen wieder ins Gespräch gebracht hat, während man sonst sagen würde, man hat andere Probleme, sprechen wir über die wirklich wichtigen Sachen. – Dafür bin ich sehr dankbar! Ich glaube auch, wir sollten im Hohen Haus gerade unter uns Frauen der verschiedenen Parteien und ideologischen Anschauungen nicht den Fehler machen, daß wir uns gegeneinander ausspielen und uns das Leben gegenseitig schwer machen – sagen wir es einmal so. (Zwischenruf der Abg. Motter. )

Alle Fraktionen haben jetzt Anträge eingebracht, und wir sollten wirklich im Gleichbehandlungsausschuß versuchen, etwas für die Frauen zu erreichen. Wir sollen Partei ergreifen, aber wir sind es, glaube ich, den Frauen schuldig, daß wir diese Chance nicht in kleinlichem Hickhack vertun, sondern wirklich die Chance ergreifen, um für Frauen etwas zu erreichen. Ich bin sicher, daß wir auch trotz der ideologisch bedingten unterschiedlichen Auffassungen einiges zur Besserstellung der Frauen erreichen können.

Die Zeit hat sich rasant geändert, für die Frauen ist viel geschehen. Wir sprechen heute von Globalisierung, von Technisierung, wir leben in einer Informationsgesellschaft. Trotzdem ist es weltweit, somit auch in Österreich so, daß Frauen auf fast allen Gebieten nach wie vor benachteiligt sind. Man muß nur auch einmal ins Hohe Haus schauen! Wir haben sehr viele Pflichten, aber noch wenig Rechte oder nicht ausreichend Rechte und auch noch sehr wenige Chancen.

Alle Frauengenerationen vor uns konnten ihren Töchtern sagen: Du wirst es besser haben! Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich das heute meiner 21jährigen Tochter sagen kann, was ich traurig finde. Vieles ist im Gespräch, und auch in vielen Bereichen merkt man, daß es ein Backlash gibt, daß den Frauen ein eisiger Wind in manchen Bereichen entgegenbläst, sei es in der Wirtschaft oder am Arbeitsplatz, wo der Verdrängungswettbewerb besonders groß ist und wo nach wie vor Frauen – zum Beispiel Frauen mit Betreuungspflichten – benachteiligt sind. Ich möchte mich auf drei wesentliche Punkte konzentrieren. Unsere Fraktionsrednerin, Kollegin Rosemarie Bauer, hat die Anträge der ÖVP schon eingehend beleuchtet. Ich möchte aber unsere drei wesentlichsten Ziele noch einmal unterstreichen.

Die drei wesentlichsten Bereiche sind Beschäftigungsmaßnahmen für Frauen, denn wenn wir von Sicherheit, von Selbstbestimmung für Frauen sprechen, dann ist das Problem der Beschäftigung ein ganz zentrales. Arbeitsplätze haben, Arbeitsplätze schaffen, Arbeitsplätze sichern. – Natürlich gilt das auch für Frauen im selbständigen und nicht nur im unselbständigen Bereich. Ich glaube, man muß auch den Frauen, die wirklich nur einen geringfügigen Zuverdienst haben


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möchten, diese Chance nach wie vor gewähren. Ich glaube, es ist nicht in Ordnung, wenn wir diesen Frauen von vornherein sagen, es darf überhaupt keine Möglichkeit geben. Es ist wohl so, daß wir Frauen, wenn sie mehrere geringfügige Beschäftigungen haben, sagen müssen, daß sie versichert sein sollen. Das ist auch ganz in unserem Sinn.

Frau Ministerin! Die wirkliche Verunsicherung liegt sicher im Bereich der Pensionen, da zähle ich auf Sie und auf die Sozialministerin. Nach wie vor ist es so, daß es eklatante Unterschiede gibt. Ich habe mir das noch einmal im Sozialbericht angeschaut. Die durchschnittliche Eigenpension beträgt bei einem Mann 13 879 S, bei einer Frau 7 922 S. Wenn ich die Invaliditätspension zum Vergleich heranziehe, dann, muß ich sagen, ist es noch schlimmer, dann sind es 10 298 S für Männer, aber nur 4 801 S für Frauen.

Es ist wirklich schwierig für Frauen, wenn sie jetzt hören, in Zukunft gibt es einen anderen Durchrechnungszeitraum, es soll die 20 Jahre geben. Es gibt nach wie vor keine ausreichende Berücksichtigung der Kindererziehung. Es gibt nach wie vor viele Bereiche, wo es überhaupt keine Pensionsanwartschaft gibt. Meiner Meinung nach sollten wir uns gemeinsam noch einmal überlegen, ob für Pflegepersonen ab Stufe 4, die sonst keine Versicherung haben, nicht eine verpflichtende Versicherung eingeführt werden sollte. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nach wie vor ist es ein ungelöstes Problem, wenn Frauen weniger als 15 Versicherungsjahre haben, und nach wie vor ist es so, daß Frauen, die ihren Beruf selbst aufgegeben haben, im Alter überhaupt keine finanzielle Absicherung haben. Wir sehen auch das Problem bei Frauen, vor allem wenn sie lange verheiratet sind, aber dann geschieden werden, die überhaupt keine sozialrechtliche Absicherung haben. Es sind viele Probleme offen, und es ist besonders schmerzhaft, daß die Verunsicherung und auch das Gefühl bei den Frauen – berechtigterweise, sage ich – sehr groß sind, daß sie in erster Linie die Bezahlerinnen des Defizits im Pensionsbereich sein sollen, obwohl sie schon jetzt eklatant benachteiligt sind.

Ich möchte hier deponieren, daß wir wirklich voll auf Sie, Frau Frauenministerin, zählen, sonst würde es noch einmal zu einer großen Benachteiligung der Frauen kommen!

Heute hat Rosemarie Bauer schon gesagt, daß für uns die Anhebung des Pensionsantrittsalters nicht in Frage kommt, solange es nicht eine völlige Gleichstellung der Frauen in allen Bereichen gibt. Leider haben wir wenig Hoffnung, daß das bald der Fall sein wird, das heißt, die jetzt im Hohen Haus beschlossenen Zeiten sollen eingehalten werden. Ist es früher möglich, daß eine absolute Gleichstellung zwischen Männern und Frauen in allen Bereichen erreicht werden kann, dann wird es sicher auch in der Pension eine Gleichstellung geben können. Aber das ist noch ein sehr weiter Weg bis dahin. Ich würde dies durchaus miteinander verknüpfen und sonst nicht in Frage stellen. (Das rote Licht beim Rednerpult leuchtet auf.)  – Ist das falsch eingestellt?

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Ich habe Ihrem Wunsch entsprechend 5 Minuten Redezeit eingestellt, das ist aber eine freiwillige Redezeitbeschränkung. Sie haben nach der Geschäftsordnung noch mehr als 12 Minuten Zeit.

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (fortsetzend) : Ich glaube, wir haben sehr gute Vorschläge eingebracht, wir sollten uns schnell zusammensetzen, denn es gibt einige Bereiche, meine ich, wo wir uns schnell einigen würden. Wir müssen den Auftrag der Frauen, jener, die das Volksbegehren unterschrieben haben, ernst nehmen und initiativ werden. Wir sollten wirklich Partei für die Frauen ergreifen, um endlich etwas zu erreichen! (Beifall bei der ÖVP.)

12.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Haller hat sich zum zweiten Mal zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.58

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Vorerst eine Erklärung, warum von den Freiheitlichen so wenige Abgeordnete anwesend sind: Das ist nicht eine Mißachtung von Frauenanliegen, sondern es findet derzeit eine Klubsitzung


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statt, wo wir uns noch einmal über Rasterfahndung und Lauschangriff unterhalten müssen. Vor allem aufgrund der Vorfälle und des Verhaltens, des "demokratischen" – unter Anführungszeichen – Verhaltens der beiden Regierungsparteien, wie es in den letzten beiden Plenartagen offenkundig geworden ist, müssen wir nochmals unsere Position ernsthaft überdenken, weil bei einem solchen Demokratieverständnis die Gefahr besteht, daß es eine mißbräuchliche Anwendung dieser beiden Mittel geben könnte.

Aber nun möchte ich zum eigentlichen Thema kommen. Frau Hillary Clinton, die First Lady der USA, meinte, ohne die volle Beteiligung von Frauen ist die Demokratie ein Widerspruch in sich. Sie hat das im Zusammenhang mit der hier in Wien gleichzeitig stattfindenden Konferenz "Women in democracy" gesagt und hat dabei die Rolle der Frauen in den postkommunistischen Ländern gemeint. Führe ich mir das jetzt als österreichische Frau zu Gemüte, was sich gestern abend und auch heute in diesem Plenum abgespielt hat, dann muß ich zum Schluß kommen: Auch in Österreich gibt es beim Demokratieverständnis zwischen Männern und Frauen und in den Parteien, vor allem in der Regierungspartei, noch sehr viel aufzuholen. (Abg. Anschober: Was hat das mit der österreichischen Frau zu tun?)

Es ist ja ganz leicht, wenn sich Herr Kollege Kostelka auf eine Aussendung der Kollegin Hagenhofer bezieht. Erstens ist Papier geduldig. (Abg. Dr. Kostelka: Sie biegen die Wahrheit so, wie Sie sie haben wollen! Das ist ungeheuerlich!) Dann sollte Frau Hagenhofer zum Rednerpult heruntergehen – es hält sie niemand davon ab – und das hier noch einmal sagen, Herr Klubobmann Kostelka. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist die Unwahrheit!) Das ist nicht die Unwahrheit. Sie werden schon sehen, daß das nicht die Unwahrheit ist. (Abg. Dr. Karlsson: Aber die Beweise gibt es noch immer nicht! – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Dieser gegenteilige Pressedienst bezeugt einmal mehr, wie sehr in Ihrer Partei Einflußnahme auf einzelne Abgeordnete stattfindet. Nicht umsonst hat Präsident Fischer Frau Hagenhofer liebevoll in die Arme genommen, und er hat wahrscheinlich auch zur Formulierung dieser Presseerklärungen beigetragen. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist eine Frechheit und stimmt nicht!) Das ist gar keine Frechheit! (Abg. Dr. Kostelka: Na sicher! Weil Sie der Abgeordneten Hagenhofer etwas unterschieben, was gar nicht stimmt! Sie dichten die Wahrheit zusammen, wie Sie sie haben wollen!) Sie vertreten Ihre Positionen, wir vertreten unsere, und in diesem Fall sind unsere Positionen einfach die besseren, Herr Klubobmann. So ist es. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Karlsson: Frau Hagenhofer sagt, sie ist nicht genötigt worden! – Abg. Dr. Kostelka: Sie werfen eine strafbare Handlung vor! Herr Präsident! Ich beantrage einen Ordnungsruf!)

Denn die gestrige Bestürzung der Frau Hagenhofer und die Nötigung waren für viele Abgeordnete in diesem Parlament einwandfrei erkennbar. Das war gestern erkennbar! Ich hoffe, daß es diesen Film noch gibt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Natürlich! Da wird es nicht nur um ein subjektives Empfinden der Frau Hagenhofer gehen, sondern ich weiß, daß Nötigung zur Stimmabgabe und Nötigung insgesamt sehr wohl ein strafrechtlich verfolgbares Vergehen darstellen. Es ist uns Freiheitlichen eigentlich nicht so wichtig, wie sich ÖVP und SPÖ nun untereinander bezüglich der 0,5 Promille-Abstimmung bekämpfen, sondern es geht einfach um die Vorfälle, die passiert sind, um die Scheinheiligkeit, mit der in Österreich Frauenpolitik betrieben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

An die Adresse der Grünen. Klubobfrau Petrovic ist derzeit nicht hier; sie hat sicher gestern – ich habe das beobachtet – die Vorfälle nicht selbst gesehen, aber ihr hätte ich die Aufrichtigkeit zugetraut, daß sie, hätte sie sie gesehen, ganz anders auf diese reagiert hätte. (Abg. Dr. Karlsson: Es waren keine Vorfälle! Sie erdichten etwas! Sie haben zu schreien angefangen, wie der Parnigoni neben mir gesessen ist!) Sie hätte anders auf diese körperliche Bedrohung, die hier stattgefunden hat, reagiert, auf die mangelnde Solidarität der SPÖ-Frauen, die ihrer Kollegin nicht zu Hilfe gekommen sind, als Kollege Parnigoni die Nerven verloren hat, weil er Angst hatte, daß ihm die Felle bei der Abstimmung davonschwimmen werden. (Abg. Dr. Mertel: Wie geht es der Frau Preisinger, Frau Haller? Ist sie heute gesund?) Menschlich ist das irgendwo verständlich, aber in einem Parlament ist dieses Verhalten wohl nicht angebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.04


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Frau Kollegin Haller! Sie haben selbst einbekannt, daß Sie den Vorfall, den Sie geschildert haben, nicht selbst gesehen haben. Sie haben gesagt, daß Ihnen bewußt ist, daß Nötigung ... (Abg. Haller: Nein, das habe ich nicht gesagt! Ich habe die Vorfälle selbst gesehen! Ich habe das im Zusammenhang mit Frau Petrovic gesagt!) Sie haben gesagt, daß Nötigung eine strafbare Handlung darstellt.

Ich werde Einsicht in das Protokoll nehmen. Sollte es aber so sein, wie ich es gehört habe, würde diese Aussage einen Ordnungsruf verdienen. Ich werde vorher noch Einsicht in das Protokoll nehmen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

13.04

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! – Die Frau Bundesministerin ist verschwunden. – Gestern habe ich zum Beispiel Frau Abgeordnete Brinek bei der zweiten Abstimmung beobachtet. Sie hatte Karten mit beiden Farben mit. Sie ist nach vorne gegangen. Sie hat lange diskutiert, und dann hat sie sich – für mich: leider – für eine "falsche" Farbe entschieden und hat diese Karte in die Abstimmungsbox reingehaut. (Abg. Schwarzenberger: Geworfen! – Abg. Rosemarie Bauer: Geworfen!) Entschuldigung, sie hat sie in die Abstimmungsbox hineingelegt oder geworfen. Ich würde ihr niemals unterstellen, daß sie genötigt wurde, daß sie das nicht aus freien Stücken gemacht hat. (Abg. Dr. Ofner: Außer es hat jemand gesehen!)

Ich bin der Ansicht, daß jeder Abgeordnete für sein politisches Handeln verantwortlich ist, und daher glaube ich nicht, daß man den Druck bei manchen Leuten noch erhöhen sollte, bei Leuten, die einfach nicht die Nerven haben, in manchen Situationen so "cool" zu sein, hier herunterzugehen und Dinge zu sagen, die Sie vielleicht gerne gehört hätten.

Nehmen Sie das zur Kenntnis: Es gibt Frauen, die einfach mehr Mut haben, und Frauen, die sich nicht trauen, die aber dabei sind, das zu lernen. Es gibt wehrhafte Frauen und, wie ich hoffe, in Zukunft noch mehr. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Ich danke in diesem Zusammenhang den Initiatorinnen dieses Volksbegehrens, die sehr wohl mutige und wehrhafte Frauen waren, die natürlich Verbündete gesucht haben. Man kann ihnen nicht vorwerfen, daß eine dieser Verbündeten Frau Dohnal war. Sie ist ja eine Frau, die auf diesem Gebiet wirklich Erfahrung hat, die eine Expertise erstellt hat, die man sich nicht entgehen lassen wollte. Man kann das doch um Gottes willen diesen Frauen nicht vorhalten. Ich finde es wirklich mies, wie hier Polemik betrieben wird – und das nur, weil Frau Dohnal es gewagt hat, dort mitzumachen. Das ist doch unglaublich! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Ich habe heute in meiner Post das Magazin "Conturen" gefunden, das vom Institut für Wirtschaft und Politik herausgegeben wird, in dem sämtliche Autoren sehr interessante Beiträge leisten. Das ist ein Institut, das Ihnen wesentlich näher steht als mir. (Abg. Dr. Ofner: Ich kenne es nicht!) Sie sitzen gerade an der Kante. Ich meine ... (Abg. Dr. Ofner: An der Kante zur ÖVP!) Genau. In diesem Magazin schreiben unter anderem Erhard Busek, Kardinal König und so weiter. Da gibt es Beiträge nur von Männern. Im hinteren Teil findet man eine Empfehlung: "Bücher quer gelesen", das sind zwei Seiten Empfehlungen von Büchern, die nur von Männern geschrieben wurden. So ist es. "Man" verweist, die Männer verweisen auf Männer, die Männer diskutieren mit Männern über Politik und Wirtschaft – und dann wundert man sich, daß man ein Frauen-Volksbegehren braucht, damit dieses Thema endlich anders behandelt wird, daß man auch den Dialog mit Frauen sucht.

Ich halte das heutzutage für absolut notwendig, und ich glaube nicht, daß wir es uns leisten können, manche Dinge, die im Gleichbehandlungsausschuß liegen, einfach liegenzulassen und nicht zu behandeln. Ich meine, der Gleichbehandlungsausschuß sollte jetzt mit Vollgas arbeiten, denn dann hätten wir die Chance, wirklich etwas zu ändern.


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Frau Ministerin! Sie haben gesagt, der Sinn der Postkartenaktion sei der, daß Frauen mit Ihnen in einen Dialog treten können. – Der Umkehrschluß ist aber, daß Frauen offensichtlich nicht mehr gewagt haben, mit dem zuständigen Ministerium einen Dialog zu suchen, sodaß Sie jetzt Handlungsbedarf gesehen haben. – Egal, wie es ist: Sie sollten auf jeden Fall für jeden Bürger und für jede Bürgerin dieses Landes immer zur Verfügung stehen, und zwar nicht nur über Postkarten.

Was ich nicht verstehe, ist, daß Sie gesagt haben: Mit dem Vertrag von Amsterdam gibt uns die EU etwas vor, was wir schnell nachzuvollziehen haben. – Ich brauche keinen Druck von außen, sondern ich hätte mir gewünscht, daß wir jetzt schon wesentlich länger dabei wären, ohne daß wir warten müssen, daß sich die Männer – denn es waren nur Männer – in Amsterdam einigen. Es gab im ganzen Vorbereitungskomitee, in das Herr Scheich von uns entsandt worden ist, keine einzige Frau, die diesen Vertrag vorher mitverhandelt hätte. Die einzige Frau, die entsandt worden wäre, war aus dem Europäischen Parlament. Diese wurde aber nicht zugelassen. Das war ein Skandal!

Es war erst recht ein Skandal, als es darum ging, was mit der Frauenpolitik in der EU zu tun wäre. Die Peinlichkeit gipfelte darin, daß die Herren gesagt haben: Bitte, die anwesenden Beamtinnen sollen sich jetzt miteinander unterhalten, denn wir sind ja nicht in der Lage, das korrekt und gut zu formulieren. – Das war die Peinlichkeit! Europa wird von Männern verhandelt – und nicht von Frauen. Wir sollten reklamieren, daß es mindestens einen Frauenanteil von 50 Prozent in jedem Verhandlungsteam gibt. Das wäre eine Innovation, die notwendig ist. Dabei würde ich mir Impulse von Ihnen, Frau Bundesministerin, wünschen.

Zum Thema EU noch folgendes: Wir haben Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, die im speziellen für Frauen notwendig sind, die über das AMS verwaltet werden. Das heißt, das sind Qualifizierungskurse, bei denen im Prinzip Privatinitiativen Qualifizierungskurse für Frauen anbieten könnten. Tatsache ist, daß das AMS befürchtet, daß das Bildungsinstitut des AMS, das BFI, Konkurrenz bekommt. Alle Privatinitiativen wurden nicht finanziert. Diese Information habe ich von einer Dame, die auf einer Liste der ÖVP kandidiert hat, von Frau Irene Schulte, die sich sehr darüber beklagt hat, daß man nicht mehr Frauenqualifikationskurse als Privatinitiative anbieten kann, weil man keine Kofinanzierung vom österreichischen Staat erhält und dadurch keine Gelder von der EU bekommt. Das wäre eine Aktion, Frau Bundesministerin, bei der Sie sehr hoch punkten könnten.

Weiters zum Thema Frauen an der Universität und Forscherinnen: Heute früh hat meine Kollegin Klara Motter Herrn Finanzminister Edlinger gefragt, ob es nicht möglich wäre, einen Teil dieser "Technologiemilliarde" für Forscherinnen zu reservieren. – Der Bundesminister wußte gar nichts davon. Der Bundesminister hat sich nicht einmal überlegt, daß wir in Österreich keine beziehungsweise viel zu wenig Forscherinnen haben. Diese wurden bis jetzt nicht ausreichend unterstützt, und daher sind auch bei dieser Milliarde nicht Überlegungen in die Richtung angestellt worden, daß man einen Impuls in diese Richtung setzen könnte.

Frau Bundesministerin! Bitte unterhalten Sie sich mit dem Bundesminister für Finanzen! Vielleicht könnten wir von dieser einen Milliarde einen Teil für Forscherinnen abzweigen. Das wäre wirklich sehr nett. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei der SPÖ.)

13.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.11

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich bin etwas bestürzt darüber, daß die Debatte über dieses an und für sich sehr wichtige Thema dazu benützt wird, noch etwas parteipolitisches Kleingeld von gestern zu wechseln und hier eine Debatte zu führen, die meiner Ansicht nach mit der Thematik, die wir heute vordringlich behandeln sollten, nichts bis sehr wenig zu tun hat.


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Ich bin auch etwas bestürzt, aber eigentlich nicht überrascht darüber, daß sich mit Ausnahme des Kollegen Peter, der noch reden wird, die Männer an dieser Debatte nicht beteiligen. Es existiert so allgemein die Haltung: Das ist ein Frauenthema. Da sollen sich die Frauen untereinander in den Fraktionen irgendwie abstreiten. Wir schauen uns an, was herauskommen wird, und irgendwie werden sich vermutlich die Frauen schon in die Haare kriegen und zusammenraufen, weil die Parteipolitik nach wie vor auch zwischen Frauen eine bestimmende Rolle spielt. Somit müssen wir uns dazu gar nicht näher äußern. Ich frage mich, meine sehr geehrten Herren, ob das wirklich die geeignete Haltung ist, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Die eigentliche Frage ist aber, meine Damen und Herren, wie wir Parteienvertreter mit den Themen dieses Frauen-Volksbegehrens umgehen. Ich erinnere nur an einige von den Frauen im Frauen-Volksbegehren genannten Themen, wie etwa die Forderung nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die in mehreren Forderungen enthalten ist. Sie wird von bestimmten politischen Parteien umgewandelt, in diesem Fall hauptsächlich von der ÖVP – Gott sei Dank gibt es auch noch andere Meinungen – und von der FPÖ. Es gibt die Forderung nach einem Kinderbetreuungsscheck, was nichts anderes heißt, als daß Frauen aus dem Arbeitsmarkt ausgekauft werden sollen.

Falls Ihnen dieser Unterschied nicht geläufig ist, meine sehr geehrten Damen von den Freiheitlichen – der Herr Ofner ist auch da, Entschuldigung, den habe ich übersehen (Abg. Dr. Ofner: Ich bin geschlechtsneutral!)  –, möchte ich doch sagen, er ist sehr essentiell für die Frauen; denn entweder versteht man sich dazu, daß Frauen nach wie vor zu Hause bleiben sollen und dafür ein bißchen Geld erhalten, eine Alimentation, mit der sie das Zuhausesein einigermaßen erträglich finden könnten, und sich der Familie widmen (Abg. Apfelbeck: Wenn sie wollen! – Abg. Haller: Wahlfreiheit!) , oder man bekennt sich dazu, auf das, worauf die Frauen sehr großen Wert legen, einzugehen und ihren Interessen, zumindest teilweise, Berücksichtigung durch legistische Maßnahmen zu verschaffen. Aber das ist ja ein großer Unterschied.

Zweiter Punkt ist die Forderung nach Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern. Diese Forderung des Frauen-Volksbegehrens wird – und das geht auch an die Adresse der SPÖ – durch die Verfügbarkeits- und Zumutbarkeitsbestimmungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz konterkariert.

Ich weiß schon, Frau Ministerin, Sie äußern manchmal, was Sie in dieser Hinsicht nicht für richtig halten; aber das ist mir zu wenig. Sie wissen genausogut wie ich – vermute ich einmal –, daß Hunderte Frauen bereits betroffen sind und daß Hunderte Frauen in Österreich Bescheide vom Arbeitsmarktservice erhalten haben, weil sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Ich habe es selbst nicht geglaubt. Ich habe geglaubt, das sei nur eine theoretische Bestimmung, weil uns das Sozialministerium, die Frau Sozialministerin oder auch die Verantwortlichen des AMS immer versichern, das werde ja bei Frauen nicht vollzogen. Ich weiß aber sehr wohl aus der Praxis, daß es darüber eine erkleckliche Anzahl von Klagen, von Beschwerden von Frauen gibt, die gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservices berufen haben. Diese haben in der Berufungsinstanz nicht recht bekommen, haben aber nicht den Mut, diese Fragen bis zum Verwaltungsgerichtshof zu tragen, weil das natürlich eine sehr aufwendige Sache ist.

Aber das ist die Realität, die schon teilweise vor dem Frauen-Volksbegehren existiert hat. Das ist mir schon klar, aber wir sollten doch diese Sachen endlich ernst nehmen. Die Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Gleichstellung der Frauen wird durch den ideologischen "Quargelsturz", den ÖVP und FPÖ mit der verfassungsrechtlichen Bevorzugung der Familie erreichen wollen, erstickt. Das halte ich – und wir hatten ja schon die Möglichkeit, darüber zu diskutieren – für einen nicht gerade geringen Affront gegenüber den Frauen.

Der Forderung nach einer eigenständigen Alterssicherung – und das betrifft Sie, Frau Ministerin – wird eigentlich in der Realität – nicht durch das, was Sie sagen – zynisch begegnet, nämlich durch die Forderung, durch den Vorschlag nach Ausweitung des Bemessungszeitraums, durch die Anspruchsvoraussetzung von 15 Jahren, die erhöht werden. Die Anspruchsvoraussetzung wird zwar nicht erhöht, aber sie schränkt de facto den Zugang der Frauen zur Alterspension ein. Man müßte von Ihrer Seite eigentlich fordern, daß diese Anspruchsvoraus


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setzung bedingungslos fällt. Nur dann könnte man die Forderung nach einer eigenständigen Alterssicherung, die Sie erheben, ernst nehmen. Ansonsten kann man sie nicht ernst nehmen. Sie wissen genausogut wie ich, Frau Ministerin, daß Hunderte Frauen daran scheitern, daß sie diese 15 Jahre Anspruchsvoraussetzung nicht erreichen, obwohl sie immer wieder in ihrem Leben gearbeitet haben. Sie erreichen sie auch nicht mit den Kinderanrechnungszeiten. Das ist Realität in Österreich.

Wenn wir diese Frage ernst nehmen wollen, dann müßten wir schon ins Detail gehen. Andernfalls können wir diese Debatte bleiben lassen und verlieren uns in Allgemeinplätzen. Dann sollten wir aber auch so ehrlich sein, den Initiatorinnen des Frauen-Volksbegehrens und jenen, die es unterschrieben haben, zu sagen: Wir können und wollen nicht.

Aber in einer Zeit, in der gleichzeitig immer mehr geringfügige Beschäftigungsverhältnisse existieren, in der immer mehr Frauen in Teilzeit arbeiten müssen – egal, ob sie das wollen oder nicht – und deshalb keinen ausreichenden Pensionsanspruch erwerben können, in der alle anderen legistischen Maßnahmen greifen, die diese existentielle Absicherung der Frauen behindern oder einschränken, in dieser Zeit davon zu reden, es sei möglich, im Rahmen des ASVG diese eigenständige Absicherung zu erreichen, halte ich für vermessen. Das hat leider schon etwas mit Realitätsverweigerung zu tun. Das ASVG ist in seiner derzeitigen Konstruktion mit diesen Voraussetzungen, die es beinhaltet, nicht imstande, den Frauen eine eigenständige Altersversorgung zu bieten. Ihre Vorgängerin hat ja genau aus dieser Überlegung heraus versucht, ein Modell zu entwickeln, und zwar mit einer Grundsicherung für alle im Alter, das dem Rechnung trägt.

Ich meine, meine Damen und Herren, diese Punkte sollten eigentlich geeignet sein, etwas mehr in die Sache hineinzugehen, die Diskussion auf der einen Seite zu versachlichen, auf der anderen Seite aber auch die gesellschaftspolitischen Zuspitzungen etwas voranzutreiben.

Meine Damen und Herren, vor allem die Herren in diesem Hohen Haus! Ich möchte Ihnen, den Männern, die Kraft geben und sie dazu ermutigen, über ihren langen Schatten, den sie in der Gesellschaft, in der Politik und in der Wirtschaft werfen, zu springen und diesen Anliegen der Frauen im Frauen-Volksbegehren etwas mehr Rechnung zu tragen, indem Sie diese Debatte, meine Herren, etwas ernster nehmen.

Abschließend bringe ich Ihnen den Entschließungsantrag betreffend Arbeitslosenversicherung, Wegfall der Einkommensanrechnung bei Notstandshilfeleistungen – das ist der Punkt, den ich auch erwähnt habe – zur Kenntnis:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Pollet-Kammerlander, Anschober, Freundinnen und Freunde betreffend Arbeitslosenversicherung Wegfall der Einkommensanrechnung bei Notstandshilfeleistungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzesvorschlag, der die entsprechenden Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsrecht ändert, binnen drei Monaten dem Nationalrat zuzuleiten.

*****

(Beifall bei den Grünen.)

13.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Öllinger! Gemäß § 69 Abs. 6 gibt es folgende Regelung: In der ersten Lesung dürfen nur Anträge auf Wahl eines besonderen Aus


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schusses zur Vorbereitung der Vorlage gestellt werden. Entschließungsanträge sind damit ausgeschlossen.

Sie haben also, würde ich sagen, Ihre Meinung bekundet, aber keinen formellen Entschließungsantrag gestellt. Sie können einen Selbständigen Antrag später noch einbringen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.20

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Diskussion vergißt man wieder, wie groß der Erfolg dieses Volksbegehrens war – nicht nur, weil es Hunderttausende Menschen, vor allem Frauen, unterzeichnet haben, sondern weil dies bedeutet, daß es wieder eine soziale Bewegung in Österreich gibt. Ich halte eine Frauenbewegung außerhalb der Parteien für sehr wichtig, da sie uns Politikerinnen in unserer Tätigkeit sehr unterstützt.

Durch die Diskussion der letzten Stunden ist auch ein bißchen der Eindruck entstanden, wir würden wieder bei Adam und Eva anfangen. Meiner Ansicht nach können aber viele der berechtigten Forderungen nur deshalb formuliert werden, weil in den letzten Jahren sehr viel geschehen ist.

Kollegin Haller hat sich – das weiß ich aufgrund ihrer Tätigkeit im Familienausschuß – nicht sehr in diese Materie vertieft. Es ist ihr deshalb auch entgangen, daß in den siebziger Jahren die Familienrechtsreform und die Frage der Fristenregelung (Abg. Dr. Mertel: Die Individualbesteuerung!) sehr wesentlich zur persönlichen Unabhängigkeit der Frauen beigetragen hat.

In den darauf folgenden Jahren ging es vor allem um Fragen der Gleichstellung in der Arbeitswelt. So gab es damals die heute schon öfter erwähnte Aktion "Töchter können mehr", die Gleichbehandlungsgesetzgebung, Frauenförderungsprogramme, Schutz vor Gewalt in der Familie – vor allem für Frauen und Kinder – mit Wegweiserecht und Interventionsstellen.

Nichtsdestotrotz gibt es immer noch eine Diskrepanz zwischen der gesetzlichen Gleichstellung und der realen Lebenswelt von Frauen. Es ist mir daher sehr recht, wenn Frauen formulieren, was geändert werden muß. Die Tatsache, daß zwei Drittel der Unterzeichnerinnen dieses Volksbegehrens Frauen waren, beweist, wie notwendig diese Änderungen sind. Denn diese Frauen wissen, wovon sie sprechen, weil sie – unabhängig davon, aus welchem sozialen und persönlichen Umfeld sie kommen – täglich erfahren, was Diskriminierung bedeutet.

Sie alle wissen auch, daß Frauen im Vergleich zu Männern rechtlich und sozial um vieles schlechter abgesichert sind. Grund dafür ist, daß diese Systeme, vor allem das Pensionssystem, auf typische Männerbiographien abgestimmt sind. In einem neuen Modell der Altersabsicherung muß es in erster Linie darum gehen, die Frauen in der Erwerbstätigkeit zu halten, um zu verhindern, daß im Alter die Armut weiblich ist. Denn Frauen wollen nicht durch irgendwelche Almosen für Benachteiligungen entschädigt werden, sondern wollen, daß diese Benachteiligungen beseitigt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir unterstützen daher all jene Forderungen nach Verbesserung der eigenständigen Existenzbedingung von Frauen, wie sie auch im Frauen-Volksbegehren formuliert sind, lehnen hingegen jene Vorschläge, die Frauen in ihre traditionelle Rolle zurückdrängen – und die auch heute wieder gekommen sind –, ab.

Als Beispiel für diese traditionelle Diskriminierung von Frauen möchte ich die Forderung nach Einführung eines Kinderbetreuungsschecks nennen. Statt Familienbeihilfen, Karenzgeld und weiteren Sozial- und Zusatzleistungen soll es einen Scheck geben. – Auf der anderen Seite wissen wir aber genau, daß es zu wenige Kinderbetreuungseinrichtungen gibt und die Mütter gar keine Wahlmöglichkeit haben. Das bedeutet nun, daß die Mütter zwar einen Scheck in der Hand hätten, Haushalt und Kinder aber selbst übernehmen müßten. Dem können wir uns nicht an


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schließen, denn wir stehen für eine partnerschaftliche Aufteilung dieser Tätigkeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Volksbegehren ist – davon bin ich überzeugt – ein Auftrag an die Politik und auch an die Wirtschaft, denn es ist unerträglich, daß Frauen im Durchschnitt noch immer um ein Drittel weniger verdienen als Männer.

Meine Politisierung hat nicht nur in der Sozialistischen Jugend, sondern auch in der Frauenbewegung begonnen. Damals ging es um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Ich habe als sehr junger Mensch viele Diskussionen darüber geführt und geglaubt, diese in Zukunft nicht mehr führen zu müssen. – Die heutigen Debattenbeiträge hier, vor allem seitens der Freiheitlichen Partei, haben mir gezeigt, daß das doch wieder notwendig geworden ist. Umso wichtiger ist die Frauenbewegung.

Wir müssen die nötigen Maßnahmen rasch umsetzen, etwa die Verankerung der Gleichstellung der Frauen in der Verfassung. Ich halte keine einzige Forderung des Volksbegehrens für unerfüllbar oder überflüssig. Wir Sozialdemokratinnen werden uns um eine Diskussion und rasche Umsetzung dieser Punkte bemühen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte es in der Frauenfrage immer mit dem Zitat: "Den Männern ihre Rechte und nicht mehr, den Frauen ihre Rechte und nicht weniger." (Beifall bei der SPÖ.)

13.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.26

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zur Debatte und zum Volksbegehren selbst wäre das geflügelte Wort angebracht: "Gut und gutgemeint muß nicht dasselbe sein." (Abg. Dr. Khol: Ja!)

Das Frauen-Volksbegehren war gutgemeint, und es hat auch ein wesentliches Ziel erreicht: Erstmals haben Frauen auf ihre Probleme aufmerksam gemacht und andere Frauen zum Nachdenken genötigt, eingeladen, aufgefordert – wie immer Sie das formulieren wollen. Heute haben wir auch die Standpunkte aller im Parlament vertretenen Parteien dazu gehört.

Die Initiatorinnen des Frauen-Volksbegehrens haben gesagt, daß sich eine Parlamentarierin, die die Forderungen des Volksbegehrens unterstützt, daran messen lassen müsse, ob diese auf Punkt und Beistrich erfüllt werden. Das ist meiner Ansicht nach der Grund dafür, daß viele Frauen und Männer nicht unterschrieben haben, obwohl sie grundsätzliche Anliegen und einige Forderungen daraus sehr wohl unterstützen könnten. Das sei angemerkt.

Nach Meinung der Österreichischen Volkspartei muß man in der Frauenpolitik zwischen einzelnen Gruppen, die verschiedene Bedürfnisse haben, unterscheiden.

Eine altersmäßige Unterteilung ergibt zum einen die Gruppe jener Frauen, die ihre Berufslaufbahn bereits abgeschlossen haben und nun als Seniorinnen gelten. Sie sind noch aktive Mütter, Großmütter und Partnerinnen. Viele von ihnen gehören, um mit Christine Nöstlinger zu sprechen, zu den "ganz armen Frauen". Für diese haben die ÖAAB-Frauen vor längerer Zeit ein Modell ausgearbeitet, das ihnen vor allem bei Scheidungsproblemen helfen soll. Die ÖVP-Frauen haben Ihnen das in einem Entschließungsantrag vorgestellt. Wenn noch Zeit bleibt, werde ich darauf eingehen.

Frauenpolitik heißt aber auch, an jene zu denken, die gerade ins aktive Leben einsteigen. Schülerinnen, Schulabgängerinnen, Abgängerinnen von Ausbildungsgängen haben es heute doppelt so schwer wie früher, obwohl sie formal besser ausgebildet sind. Für sie sind Motivationsprogramme und Netzwerke notwendig, Politik auf einer symbolischen, immateriellen, nicht so sehr auf der aktiven, das heißt unmittelbaren Maßnahmenebene.


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Die dritte Gruppe ist die große Gruppe der Frauen, die "mittendrin" sind, für die der Tag 48 Stunden haben müßte, für die Geld, Zeit, Liebe, Energie, Humanressourcen, wie immer Sie es nennen, nicht reichen. Für diese Frauen müssen wir eine Unmenge tun. Europaweit, von Oslo bis Rom, fordern die Frauen, Beruf und Familie vereinbaren zu können. Das ist auch, so glaube ich, jener Punkt, in dem wir uns alle einig sind und der uns zu entsprechenden Maßnahmen motiviert.

Man muß aber auch, wie es heute bereits vielfach angeklungen ist, grundsätzlich zwischen Frauen- und Familienpolitik unterscheiden. Die Frauenpolitik ist weiterreichend, hat aber auch etwas mit Familienpolitik zu tun.

Ein kleines Aperçu zu einem vieldiskutierten Punkt, dem Betreuungsscheck – die schon zitierte Elfriede Hammerl hat vielleicht bei Gertrude Brinek abgeschrieben: Ich habe vor etwa zwei Monaten den Gedanken "Was könnte denn noch alles verscheckt werden" in einer internen Vereinszeitung entwickelt. Das ist ebenso ein Fall von "Gut und gutgemeint muß nicht dasselbe sein!". Lassen wir aber diejenigen, die gutmeinend unterwegs sind, eine Idee entwickeln und diskutieren, damit die aus frauenpolitischer Sicht negativen Dimensionen aufgezeigt und ausgemerzt werden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Frau Abgeordnete Mertel! Ich bin guter Dinge (Abg. Öllinger: Ich leider nicht!), wenn ich in der Zeitschrift "Familie", dem Organ des Familienbundes, lese, daß es wichtigster Punkt in der Frauen- und Familienpolitik sei, Anreize zu schaffen, daß Frauen mehr bezahlte Arbeit und Männer mehr unbezahlte Arbeit machen. Das kann nur in die richtige Richtung gehen! Ich vertraue darauf! (Abg. Öllinger: Ich bin Realist!)

Ein zweiter wesentlicher Punkt in diesem Artikel besagt, daß eine der stärksten Bedrohungen für das familiäre Kindeswohl die aus vielen Gründen weitverbreitete Abwesenheit der Väter ist. Männerselbstentwicklung sei daher der wichtigste Beitrag zu einem harmonischen Familienleben. Setzen wir also Incentives, damit Männer mehr unbezahlte Arbeit und Frauen mehr bezahlte machen, setzen wir Incentives, daß Männer ihren Erziehungspflichten nachkommen.

Was ist vordringlich? – Den ganz armen Frauen, jenen, die von einer Scheidung bedroht sind, zu helfen, indem man dem Ehemann beibringt, daß in einer Familie jeder seinen Beitrag leisten muß und er sich nicht still und leise verabschieden kann, sondern auch etwas tun muß.

Da in der Geschlechterpolitik die Symbolik sehr wichtig ist, soll die getrennte Behandlung von Ansprüchen aus Leistungen der Pensionen auch den Frauen in aktiver und aufrechter Ehe zustehen. Das ist eine wichtige Geste. Unsere Bäuerinnen sagen uns, wie wichtig ihnen diese Errungenschaft ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch ein Wort zu den Ausführungen von Frau Abgeordneter Gredler, ich muß das nicht im Detail ausführen: In der Volkspartei haben alle Frauen und Männer gestern ihre Wahl unbeeinflußt getroffen. Sie braucht sich darüber keine Sorgen zu machen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Madl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

13.32

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Abgeordnete Konrad, ich möchte auf Ihre Ausführungen näher eingehen. Sie haben in einer fast zehnminütigen Rede erklärt, in welchen Punkten Sie besonders hinter dem Frauen-Volksbegehren stehen und welche Themen Sie darüber hinaus noch forcieren wollen, um Österreichs Frauen zu unterstützen. Sie haben das als Abgeordnete gesagt. – Frau Kollegin Konrad! Sie hätten als Bundesministerin genug Zeit gehabt, sämtliche Themen, die im Frauen-Volksbegehren angeschnitten wurden, wenigstens im Ansatz einzubringen! (Abg. Dr. Mertel: Aber! Übertreiben Sie nicht so!) Das haben Sie aber überhaupt nicht gemacht!


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82. Sitzung / Seite 80

Ich selbst war in den Sitzungen des Gleichbehandlungsausschusses. (Abg. Dr. Mertel: Da machen Sie sich lächerlich! Jetzt hören Sie auf!) Es ist nichts dergleichen auf der Tagesordnung gestanden. Nun stellen Sie sich hier zu diesem Pult und reden so, als hätten Sie niemals die Verantwortung für dieses Ressort gehabt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist meiner Meinung nach eine Heuchelei, die wirklich ihresgleichen sucht! (Abg. Dr. Mertel: Da machen Sie sich lächerlich!)

Nein, das ist nicht lächerlich. Frau Kollegin! Das Volksbegehren war die Antwort auf Ihre Säumigkeit! (Abg. Dr. Konrad: Nein!) Selbstverständlich! Denn ein Volksbegehren ist ein Instrument der Bevölkerung, die mit der Gesetzeslage nicht zufrieden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Volksbegehren bringen die Unzufriedenheit der Bevölkerung, in diesem Fall die der Frauen, zum Ausdruck. (Abg. Dr. Ofner: Mit der Regierung, nicht mit der Opposition!) Jawohl! Durch ein Volksbegehren setzt die Bevölkerung ein Signal, daß die Bundesregierung säumig ist und endlich etwas unternehmen soll. Unternehmen Sie etwas! Aber wann? (Abg. Dr. Mertel: Das ist ja geradezu lächerlich!)

Ich frage: Warum wurde das, was heute über die Forderungen des Volksbegehrens gesprochen wurde, im Zusammenhang mit der Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses abgesagt? Damals wäre das Frauen-Volksbegehren auf der Tagesordnung gestanden. – Aber ganz im Gegenteil: Am selben Tag haben Sie nichts anderes zu tun gehabt, als ein Hearing über eine Quotenregelung für politische Mandatarinnen zu veranstalten. (Abg. Dr. Mertel: Frau Rossmann verlangt eine qualifizierte Ausbildung für Frauen! Meint sie damit Sie?) Die Behandlung des Volksbegehrens haben Sie abgesagt. Heute wird nur darüber geredet, damit morgen in den Medien zu lesen ist, was die Frauen-Vertreterinnen alles für die Frauen machen. (Abg. Dr. Mertel: Frau Rossmann verlangt in einer Aussendung qualifizierte Frauen!) Das bin ich sehr wohl!

Wenn Sie sich entschlossen hätten, die Thematik "Frauen-Volksbegehren" im Gleichbehandlungsausschuß auf die Tagesordnung zu setzen, hätte das reale Auswirkungen gehabt. Das haben Sie aber abgesagt und statt dessen einen Unterausschuß über ein Thema, das die österreichischen Frauen an und für sich nicht so sehr interessiert, einberufen. (Abg. Fuchs: Ausschließlich Ihre Einschätzung!)

Zum zweiten sollten zum Beispiel auch die weiblichen Mitglieder der Bundesregierung aufgefordert werden, alle Gesetzentwürfe oder Ministerratsbeschlüsse auf negative Auswirkungen für Frauen zu überprüfen und gegebenenfalls nicht zuzustimmen. Das vermisse ich heute – und das hat auch Frau Ministerin Konrad verabsäumt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Mertel und Dr. Konrad. )

Frau Kollegin Konrad! Ich habe es schon das letzte Mal gesagt, und Sie werden das immer wieder von mir hören: Sie als Frau haben dem Belastungspaket II, das Frauen massiv benachteiligt, zugestimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das werde ich Ihnen immer wieder zum Vorwurf machen. Wir reden über eine Quotenregelung für Frauen in der Politik, weil sie eine andere Sicht der Dinge haben. Sie haben bewiesen, daß Sie die Dinge nicht anders sehen, sondern Sie haben mit den Männern solidarisch dem Belastungspaket für Frauen zugestimmt!

Noch einmal zu den Vorfällen von gestern: Ich habe es persönlich gesehen und wundere mich wirklich, daß die Frauen dieses Hauses nicht solidarisch hinter der Kollegin Hagenhofer stehen. Denn jeder konnte sehen, was sich da abgespielt hat! (Abg. Fuchs: Was hat sich denn abgespielt? Sagen Sie uns das!) Jetzt aber lassen Sie sie im Regen stehen!

Kollegin Hagenhofer wurde zur Stimmabgabe gezwungen. Sie wollte offenbar gar nicht, denn der Buchstabe "V" war schon ausgerufen: Herr Kollege Parnigoni ist nach hinten gegangen und hat die Kollegin mit Drohgebärden heruntergeschickt.

Wir werden das ja noch im Film sehen. (Abg. Mag. Posch: Redezeit!) Daß die Kollegin danach weinend hinausgelaufen ist, beeindruckt Sie überhaupt nicht! Sie sind nur im Saal gesessen und haben getuschelt! Statt daß die Frauen hinter der Kollegin stehen, nehmen Sie den Kollegen


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Parnigoni in Schutz! (Abg. Dr. Mertel: Wer nimmt wen in Schutz?) Das ist Ihre "Unterstützung" der Frauen! Ich "gratuliere" Ihnen zu dieser Geisteshaltung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. –Bitte.

13.38

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Nur der Ordnung halber und für das Protokoll halte ich fest, daß Frau Kollegin Madl eben einen strafrechtlich relevanten Vorwurf erhoben hat. (Abg. Dr. Mertel: Jetzt gehen wir!) Sie hat klar behauptet, daß Frau Hagenhofer zur Abstimmung gezwungen wurde. Das ist der strafrechtliche Tatbestand der Nötigung. Ich bitte, zu untersuchen, wie die sozialdemokratische Fraktion zu diesem strafrechtlich relevanten Vorwurf steht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Frauenpolitik ist auch Männerangelegenheit (Abg. Dr. Mertel: Stimmt! Die bremsen nur dauernd!), und zwar deswegen, weil in unseren Köpfen ... (Abg. Dr. Mertel verläßt den Saal.) Frau Abgeordnete Mertel hat einen Zwischenruf gemacht – und jetzt entschwindet Sie. Grüß Gott! (Abg. Dr. Ofner: Das ist doch immer so!)

Sie haben mich nicht ausreden lassen. Frauenpolitik ist auch Männerangelegenheit, weil ich überzeugt davon bin, daß sich vor allem in den Köpfen von uns Männern etwas ändern muß. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der ÖVP.)

Frauenpolitik ist selbstverständlich auch eine ökonomische Frage. Ich bedauere daher, daß sich die Wirtschaftssprecher der anderen Parteien zu diesem Thema verschweigen. Es ist für sie einfacher, die Frauen diskutieren zu lassen, als zu den Themen, die heute zur Diskussion stehen, konkret Stellung zu nehmen.

Für mich ist die Gleichstellung ein Selbstverständnis, das es leider noch nicht in allen Bereichen der Gesellschaft gibt. Also haben die Frauen das Recht und auch die Pflicht, darauf hinzuweisen.

Ich habe vor allem deswegen den Mut, heute vor Ihnen zu diesem Thema zu sprechen (Abg. Seidinger: Mut brauchen Sie dazu nicht!), weil ich Ihnen stolz mitteilen kann, daß unser Unternehmen in Oberösterreich zu den zehn frauenfreundlichsten Betrieben gewählt wurde. Daher habe ich, wie ich glaube, die Kompetenz, zu dieser Frage zu sprechen. Für uns ist es schlicht und ergreifend ein Teil der Unternehmenskultur, daß Frauen und Männer in unserem Unternehmen arbeiten und daß wir ohne Fundamentalismus ganz selbstverständlich auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich zugehen.

Dennoch habe ich das Frauen-Volksbegehren bewußt nicht unterschrieben, weil ich einige Punkte für unrealistisch und kontraproduktiv halte; das werde ich auch noch genauer erläutern.

Ich vertrete einen Standpunkt, der im Gegensatz zur Meinung von Frau Kollegin Bures steht. Sie hat wörtlich gesagt, daß Ihrer Ansicht nach keine Forderung des Frauen-Volksbegehrens überflüssig oder nicht umsetzbar sei und die Sozialdemokraten alle Forderungen umsetzen würden. Ich glaube, daß das nicht möglich sein wird, und ich kann das auch begründen. Als Wirtschaftssprecher bin ich zu positiver und kritischer Analyse dieser Forderungen verpflichtet und möchte zu diesem Zweck nur vier Punkte herausgreifen.

Die erste dieser Forderungen bezieht sich darauf, daß ein Unternehmen nur dann Förderungen oder öffentliche Aufträge erhalten soll, wenn in dem Unternehmen auf allen Hierarchiestufen der Anteil der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Parität von 48 Prozent Männern zu 52 Prozent Frauen entspricht. Meine Damen und Herren! Dieses Anliegen kann im besten Fall ein Ziel sein, aber nicht eine Forderung in so apodiktischer Form, wie sie im Volksbegehren steht. Wenn Sie dafür eine bessere Formulierung gefunden hätten, könnte das auf eine Art Bevorzugung abzielen. Ich könnte mich damit einverstanden erklären, daß man für die Auftragsvergabe folgen


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des festlegt: Wenn mehrere Unternehmen Angebote zu gleichen Konditionen legen, dann bekommt das Unternehmen mit der höchsten Frauenbeschäftigungsquote den Zuschlag. (Abg. Mag. Posch: Das war gemeint!) So aber, wie es jetzt im Volksbegehren steht, wird es nicht vollziehbar sein. (Abg. Mag. Posch: So war es gemeint! – Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Es steht aber anders darin, Herr Kollege, und ich habe als Wirtschaftssprecher meiner Fraktion im Hohen Haus die Aufgabe, den Text so, wie er vorliegt, in ökonomischer Hinsicht zu analysieren!

Was im zweiten Punkt bezweckt wird, nämlich gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, ist zwar – Gott sei Dank – in einem Gesetz festgeschrieben, aber leider noch nicht Realität geworden. Dabei geht es tatsächlich um eine ökonomische Frage, in der wir mehr politischen Druck erzeugen müssen. In dieser Hinsicht müssen wir vor allem – deshalb habe ich gesagt, daß Frauenpolitik weitgehend auch Männerangelegenheit ist – in den Köpfen der Männer eine Veränderung bewirken. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum und der Abg. Ing. Langthaler. )

Ich muß als Ökonom aber unmißverständlich hinzufügen, daß ein jährlich an die Lebenshaltungskosten angeglichener Brutto-Mindestlohn von 15 000 S auf nichts anderes hinausliefe als auf eine Einkommensanpassung nach Art der "scala mobile", die in Italien 20 Jahre lang wirksam war und zu furchtbar hoher Inflation geführt hat. Genauso verhält es sich mit dem gestern von Kollegen Ofner eingebrachten Antrag der Freiheitlichen zur Pensionssicherung: So gut er auch gemeint sein mag, so unrealistisch ist er aus ökonomischer Sicht, weil niemand versprechen kann, daß sich der Lebenshaltungskostenindex und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes parallel entwickeln. Der zweite Punkt des Volksbegehrens enthält daher Versprechungen, die ökonomisch nicht umsetzbar sind. Ich warne Sie davor, in diese Richtung zu marschieren, weil das gegenüber der ökonomischen Realität nicht durchsetzbar ist. (Abg. Öllinger: Kollege Peter! Sind 15 000 S zuviel für 40 Stunden Arbeit?)

Nein! Herr Kollege Öllinger! 15 000 S brutto, das ist sehr, sehr wenig. Aber das Problem besteht darin, daß Arbeitskosten nur in gewissem Umfang darstellbar sind. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Wir können uns Arbeitskosten als Ziel setzen, wir können uns Bruttolöhne als Ziel setzen, oder wir können die Arbeitskosten gleich lassen und über Auslagerung von Lohnnebenkosten-Bestandteilen die Bruttolöhne sogar anheben – dafür habe ich mich immer wieder im Hohen Haus eingesetzt. Aber es wäre meiner Ansicht nach unseriös, absolute ökonomische Zahlen in dieser Form festzulegen. Ich betrachte es als meine Verantwortung, das hier in aller Seriosität zu sagen. (Abg. Öllinger: Betrachten Sie das als soziale Vorgangsweise? – Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )

Herr Kollege Posch! Die Volkswirtschaft ist nichts anderes als die Summe der Betriebswirtschaften. Wenn die Betriebswirtschaften nicht funktionieren, wird auch die Volkswirtschaft nicht funktionieren, denn Beschäftigung findet im volkswirtschaftlichen Rahmen innerhalb der Betriebswirtschaften statt. Wenn Sie Betriebswirtschaften mit Kosten und Vorschriften überlasten, die auf dem Markt nicht darstellbar sind, werden Sie das Ergebnis herbeiführen, das wir heute erreicht haben: eine bedauernswerte Unterbeschäftigung, die mir große Sorgen macht!

Einige wenige Sätze zum achten Punkt des Volksbegehrens: Darin geht es um den gesetzlich garantierten Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollarbeitszeit. – Aus ökonomischer Sicht bedeutet die Umsetzung eines solchen sozialpolitischen Zieles nichts anderes als eine mindestens sechsjährige Unkündbarkeit. Dazu steht im Gegensatz, daß wir heute über unsere Möglichkeiten diskutieren, im öffentlichen Dienst Pragmatisierungen und Definitivstellungen schrittweise zurückzudrängen, um mehr Flexibilität im Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Daher halte ich die Diskussion darüber für notwendig, inwieweit eine solche Forderung umsetzbar wäre.

Der neunte Punkt sieht die Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz nach der Karenzzeit auf 26 Wochen vor und enthält damit eine der Schutzbestimmungen, die vordergründig sehr gut klingen und sich argumentativ begründen lassen. Ich weise jedoch darauf hin, daß Schutzbe


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stimmungen, die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit auf den Weg gegeben werden, sich in einem freien Arbeitsmarkt sehr leicht als Diskriminierung der betroffenen Frau, des betroffenen Mannes oder Lehrlings auswirken können. Ich glaube, daß das Rückkehrrecht nach der Karenz sehr wichtig ist, aber wichtiger noch als eine Verlängerung der Behaltefrist wäre es, daß wir gemeinsam über die Wiedereinstiegshilfe in den Beruf und über die Schulung einer Frau oder eines Mannes, die oder der zwei Jahre in Karenz war, nachdenken; ihr oder ihm zu helfen, in einer Zeit des schnellen Wandels wieder in den Beruf einzusteigen, hielte ich für sinnvoller und besser. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Rosemarie Bauer: Da gibt es schon einiges! – Abg. Mag. Posch: Wie schaut es bei Kellnerinnen mit der Behaltefrist aus? – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Ich halte es für wichtig, Frauen oder auch Männern – von ihnen sind zwar nur wenige in Karenz, aber das gibt es ja auch – die Möglichkeit zu geben, nach konsumierter Karenz oder begleitend vielleicht auch schon während der Karenz im Unternehmen mitzutun und einbezogen zu bleiben, um nachher wieder einsteigen zu können. (Abg. Mag. Posch: Wie machen Sie das bei Kellnerinnen mit der Behaltefrist? – Weitere Zwischenrufe.)

Lieber Herr Posch! Wir tun sehr viel dafür. Es ist für uns nicht die Frage, ob ein Mann unser Kellner oder eine Frau unsere Kellnerin ist (Abg. Mag. Posch: Wie machen Sie das bei der Behaltefrist?), sondern uns geht es darum, die Mitarbeiter zu schulen. Denn wir wissen, daß wir nur mit geschulten und guten Mitarbeitern – sprich: Gastgebern – bei Ihnen als Gast, Herr Posch, erfolgreich sein können. (Abg. Mag. Posch: Mit einer Änderung ...!)

Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich freue mich über die Diskussion und würde mir darüber eine noch viel intensivere Diskussion wünschen. Denn sie führt zu einer Veränderung des gesellschaftlichen Bewußtseins und wird zuletzt in manchen Männerbetonschädeln einiges aufbrechen! (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abgeordneten Rosemarie Bauer und Ing. Langthaler. )

13.46


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rossmann. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.46

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich x-mal gefragt, welche Beweggründe es dafür gibt, daß eine Partei, die mehr als ein Vierteljahrhundert lang in der Regierung ist und die Frauenministerin stellt, seit es das Frauenministerium gibt, daß also eine solche Partei, vor allem in Person einer ehemaligen Frauenministerin, ein Frauen-Volksbegehren unterstützt sowie anschließend hier behandelt und dabei sämtliche Rechte der Frauen herauskehrt.

Seit gestern ist es mir klar, Frau Minister! Seit gestern weiß ich, warum das für Ihre Partei dringend notwendig ist. Ich möchte Ihnen sagen, daß es mir jetzt leid tut, das Frauen-Volksbegehren nicht selbst unterzeichnet zu haben. Damit komme ich auf den Zweck dieses Debattenbeitrags zu sprechen, nämlich darauf hinzuweisen, was sich gestern hier im Hause abspielte. Wir konnten es von unseren Sitzen aus genau beobachten. Wenn eine Abgeordnete von einem Fraktionskollegen – aber als "Kollegen" will ich ihn lieber nicht bezeichnen – bei den Schultern genommen, hochgezogen und heruntergedrängt, also zur Abstimmung mehr oder weniger gezwungen wird, wenn eine Partei soweit gekommen ist, dann muß sie wirklich ein Volksbegehren massiv unterstützen, damit die Frauen in Ihren Reihen überhaupt zu ihren Rechten kommen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Reitsamer: Lassen Sie das einmal sein!)

Das ist das Problem dieser Partei. Mir tut es aus diesem Blickwinkel von Herzen leid, daß ich das Frauen-Volksbegehren nicht unterzeichnet habe! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Schweitzer. )

13.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise das Frauen-Volksbegehren, 716 der Beilagen, dem Gleichbehandlungsausschuß zu.

3. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (49 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, und

den Antrag 81/A der Abgeordneten Dr. Liane Höbinger-Lehrer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (812 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 4/A (E) der Abgeordneten Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen betreffend Verankerung von Grundrechten in bezug auf Lauschangriff und Rasterfahndung (786 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung.

Die Debatte darüber wird unter einem durchgeführt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt von Abgeordnetem Dr. Ofner vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. (Abg. Dr. Ofner  – auf dem Weg zum Rednerpult –: 10 Minuten?) Ja, laut dem, was mir der Bildschirm zeigt. Aber Sie können auch einen anderen Wunsch äußern. (Abg. Dr. Ofner: Ich werde mich bemühen, mich kurz zu fassen! Für den Fall, daß es länger als 10 Minuten dauert, bitte ich schon jetzt um Verständnis!)

13.50

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lauschangriff, Rasterfahndung – das sind die Schlagworte für das Vorhaben, um das es heute geht.

Wir alle wissen, daß man einer modernen Kriminalität, die mit allen Methoden arbeitet, die unsere Zeit bietet, nicht mit Biedermeiermitteln entgegentreten kann, wie es bisher häufig der Fall gewesen ist. Wenn man aber daran geht, moderne Ermittlungsmethoden einzuführen – auch auf den Sektoren der elektronischen Abhörmethoden oder der Fahndung mit Hilfe gerasterter Daten –, dann muß es für die Anwendung dieser Methoden Grenzen geben.

Die Grenzen werden von den Vorgaben gezogen, die uns der Rechtsstaat gebietet. Die Grenzen werden von den Regelungen gezogen, die die Menschenrechtskonvention vorsieht. Die Grenzen werden aber vor allem von den Erfordernissen der Rechtskultur gezogen. Österreich hat auf diesem Sektor eine sehr lange, schöne und gute Tradition zu verteidigen. Es geht dabei vor allem um die folgenden Problemkreise.

Die Vorlage sieht vor, daß auch in den sensiblen Räumen von Angehörigen der sogenannten Vertrauensberufe abgehört werden darf, also dort, wo der Bürger sich darauf verlassen können muß, daß dann, wenn er sein Herz ausschüttet, nicht gleich die Polizei mithört. Diese Vertrauensberufe sind nach Ansicht der Freiheitlichen die Verteidiger in Strafsachen, die Rechts


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anwälte, die Notare, die Wirtschaftstreuhänder, die Psychiater und auch die anderen Ärzte, die Psychotherapeuten und – so sieht es auch die Vorlage vor – die Medienrepräsentanten.

Wenn es nun danach aussieht, daß in letzter Minute eine Regelung eingeführt wird, derzufolge man in den Räumlichkeiten, in denen die Angehörigen dieser Berufe tätig sind, nur abhören dürfe, wenn der sogenannte Rechtsschutzbeauftragte zugestimmt habe, so erlaube ich mir den Hinweis, daß das nichts anderes als eine Alibihandlung ist. Dabei geht es nicht um die Absicht, den Angehörigen eines Vertrauensberufes persönlich eine Sonderstellung einzuräumen. Es geht nicht darum, den Anwalt, den Arzt, den Psychiater, den Psychotherapeuten, den Wirtschaftstreuhänder oder den Notar persönlich zu privilegieren. Denn jeder von ihnen kann jetzt schon abgehört werden, am Telephon, zu Hause, in der Kanzlei oder in der Ordination, im Auto oder am Zweitwohnsitz, wo immer Sie wollen. Ortsbezogen muß es aber Ausnahmen geben, damit der Bürger sicher sein kann, daß dort, wo er in der Überzeugung, in einem Rechtsstaat zu leben, hingeht und sein Herz ausschüttet, die Polizei nicht mithört. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da nützt es ihm nichts, wenn er darauf hingewiesen wird, daß in den Räumen des Anwalts, des Verteidigers oder des Arztes, mit dem er sich aussprechen möchte, ohnehin nur abgehört werden darf, wenn vorher der Rechtsschutzbeauftragte zugestimmt hat. Der Bürger weiß ja nicht, was allenfalls schon vorgefallen sein könnte, und muß sich in seinem Interesse – dem Interesse des Recht oder Behandlung suchenden Bürgers – auf eines verlassen können: Wenn ich bei der Tür des Angehörigen eines Vertrauensberufes hineingehe, den Mund aufmache und etwas sage, mag es auch noch so peinlich oder gefährlich sein, dann kann ich sicher sein, daß niemand darüber plaudern und niemand zum Plaudern gezwungen werden darf, und ich kann sicher sein, daß es auch nicht erlaubt ist, dies durch Wanzen unter dem Tisch zu umgehen.

Meine Damen und Herren! Es ist daher ein Kardinalanliegen, daß Besprechungsräume und Ordinationszimmer der Angehörigen von Vertrauensberufen absolut von den Abhörmethoden ausgenommen werden und daß man auch nicht mit dem Feigenblatt der Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten dort Wanzen unter dem Schreibtisch oder Ordinationstisch anbringen darf.

In diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis wesentlich, daß es längst nicht mehr darum geht, ob ein Telephon angezapft werden darf oder nicht. Das ist unter den Bedingungen der heutigen Praxis Geschichte, es ist kalter Kaffee von vorgestern. Vielmehr geht es darum, daß in der Nacht mit Einbrechermethoden in die Räumlichkeiten eingedrungen wird und diejenigen, die eindringen, sich bemühen, die geeigneten elektronischen Vorrichtungen anzubringen, weil sie mit der klassischen Wanze, dem Richtmikrophon, der geheimen Videokamera oder ähnlichem festhalten sollen und wollen, was drinnen geschieht.

Es geht daher nicht um das Schicksal des Angehörigen eines Vertrauensberufes, es geht nicht um seine Privilegierung. Es geht darum, daß der Bürger in jedem Rechtsstaat – und daher auch in Österreich – den selbstverständlichen Anspruch hat, daß er dann, wenn er sich an einen Angehörigen eines Vertrauensberufes wendet und dort sein Herz ausschüttet, sicher sein kann, daß nicht gleich die Exekutive mithört und ihn womöglich festnimmt, wenn er sich zum Beispiel aus dem Haus des Arztes wieder hinaus auf die Straße begibt. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Posch. )

Interessanterweise gibt es im Entwurf eine absolute Ausnahme, nämlich jene der "Räume zur geistlichen Aussprache". Es steht nicht etwa darin, daß der Beichtstuhl ausgenommen ist. "Räume zur geistlichen Aussprache" bedeutet: alle Räumlichkeiten anerkannter Religionsgemeinschaften. Das heißt, in dem islamischen Bethaus in der Gasse, in der ich wohne, darf nicht abgehört werden, wohl aber in meiner Kanzlei in einem Zimmer, in dem mir jemand erzählen möchte – das muß ihm einem Verteidiger oder Anwalt gegenüber zugestanden werden –, was er angestellt hat oder was ihm geschehen ist: Hier darf die Polizei mithören. In der Moschee nicht und bei mir schon? – Ganz verstehe ich das nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Reichhold: Dann mußt du eben in die Moschee gehen!)  – Ich bin bekennender Katholik und daher auf diesem Sektor ganz unanfechtbar.


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Damit komme ich auf den Rechtsschutzbeauftragten zu sprechen. Der Rechtsschutzbeauftragte ist eine Verlegenheitserfindung der vorletzten Stunde im Verlauf der Entstehung dieser Regierungsvorlage. Der Wortlaut läßt darauf schließen, daß die Intention auf irgendeinen emeritierten Universitätsprofessor abzielt. Ich glaube, daß sich seine praktische Wirksamkeit als sehr begrenzt erweisen wird. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, daß die Regel über die Installierung und über das Wirken dieses Rechtsschutzbeauftragten eine Verfassungsbestimmung sein oder zumindest beinhalten müßte.

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, der Präsident des Rechtsanwaltskammertages und der Vorsitzende der Volksanwaltschaft sind aufgerufen, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.

Der Justizminister ernennt den Rechtsschutzbeauftragten. Der Rechtsschutzbeauftragte hat die Möglichkeit – oder soll sie zumindest haben –, in die Justiz einzugreifen, in manchen Fällen indirekt, manchmal direkt. Wenn das nicht einer Verfassungsbestimmung bedarf – was sonst? Wenn es so beschlossen wird, wie es jetzt vorliegt, wird sich sicherlich jemand finden, der boshaft genug ist, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen; dort wird er vielleicht eine Zeitlang warten müssen, aber er wird – davon bin ich überzeugt – schließlich recht bekommen.

Meine Damen und Herren! Es ist argumentiert worden, daß die Polizei dies alles brauche. Ich zweifle ein wenig daran, daß die Mafia nur darauf wartet, sich dorthin zu begeben, wo die Polizei soeben ihre Wanzen angebracht hat.

Ich darf daran erinnern, daß es zu allen Zeiten die Exekutive gewesen ist, die geglaubt hat, auf irgendwelche Methoden nicht verzichten zu können. Trotzdem hat die Gesellschaft immer wieder die Reife gehabt, darauf zu verzichten.

Aus der Lektüre meiner Studienzeit ist mir in Erinnerung, was vor der Abschaffung der Folter vor sich ging. Da rannten die Exponenten der damaligen Exekutive – wenn Sie so wollen – dem Souverän die Tür ein und behaupteten, ein solcher Schritt sei nicht tragbar; der Rechtsstaat werde zusammenbrechen und die Strafrechtspflege unmöglich werden; man müsse die Delinquenten auf die Streckbank spannen und ihnen die Daumenschrauben ansetzen können; andernfalls könne man mit der Strafrechtspflege "zusperren". – Wir haben die Folter abgeschafft, und trotzdem funktioniert alles. (Abg. Kiss: Dieser Vergleich ist in keiner Form angemessen! Die Folter ist ja nicht vergleichbar!)

Erst im Jahr 1950 wurde die Todesstrafe im ordentlichen Verfahren abgeschafft. Auch damals gab es Leute, die behaupteten, man könne dies nicht tun, weil sonst die Strafrechtspflege nicht mehr funktionieren werde. Heute machen wir – Gott sei Dank – keinen Gebrauch mehr von der Todesstrafe, und die Strafrechtspflege funktioniert noch immer, wenngleich in den Grenzen, die unsere Zeit in diesen Dingen offenbar zieht. (Abg. Kiss: Solche Vergleiche sind ein Armutszeugnis!)

Es geht um eine Werteabwägung. Man kann nicht immer dann, wenn sich die Exekutive etwas wünscht, ihr das auch auf den Christbaum hängen. Manchmal steht dem der Rechtsstaat, die Rechtskultur oder die Menschenrechtskonvention entgegen. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Kiss. )

Es mangelt aber in der Vorlage auch – das sagen uns Fachleute – an durchdachten Vorkehrungen für Zwischenfälle. Es fehlt an der Vorsorge für die Bewältigung solcher Probleme, zum Beispiel für den Fall, daß in eine Wohnung eingebrochen wird, um dort Wanzen anzubringen.

Was ist zum Beispiel, wenn eine Sicherheitsvorrichtung angebracht ist, die teuer und kompliziert ist, sodaß sie von der Polizei nicht bewältigt werden kann? – Das gibt es. Da bedarf es gesetzlicher Regelungen, daß die Erzeuger- und Montagefirmen gezwungen werden können, der Polizei beim Eindringen zu helfen. Gibt es diese Regelungen? – Nein.


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Was ist, wenn die Polizei in der Nacht heimlich, still und leise eindringt, in der Annahme, niemand ist drinnen, aber dort zwei große scharfe Hunde sind? – Werden diese gleich erschossen, werden die vergiftet, oder wird das mit der Knackwurst-Methode erledigt, oder zieht sich die Polizei einfach zurück?

Was ist, wenn jemand in den Räumen ist, in die die Polizei in der Nacht eindringt, um die Wanze anzubringen? Der sieht sich auf einmal eindringenden Zivilisten gegenüber, sieht sich bedroht und zieht die Pistole. – Wird er gleich erschossen, oder kommt ein Feuergefecht? Geht der Polizist auf den Gang und telephoniert mit Generaldirektor Sika? – Wahrscheinlich. (Abg. Dr. Fekter: James Bond!) Denn Generaldirektor Sika ist gefragt worden, wie das geregelt ist. Darauf hat er gesagt: Das werden wir von Fall zu Fall regeln. – Das ist eine schöne österreichische Antwort. Der Polizist wird sich also zurückziehen und wird sagen: Herr Generaldirektor! Ich bin am Handy, ich bin der "Kottan" am Handy, da drinnen sind zwei scharfe Hunde und jemand mit einer Pistole. Was sollen wir machen? – Ich weiß nicht, ob das wirklich eine seriöse Regelung für eine solche Sache ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieses und anderes mehr berücksichtigt ein entsprechender Abänderungsantrag der Freiheitlichen. Ich darf in diesem Zusammenhang erwähnen, daß ich brieflich und fernmündlich vom Präsidenten des Rechtsanwaltskammertages, Dr. Klaus Hoffmann, aufgefordert worden bin, hier dem Gremium mit allem Nachdruck vorzutragen, daß es ein ernstes Anliegen der Rechtsanwaltschaft ist, daß die Ausnahme – hier natürlich in erster Linie die Verteidiger in Strafsachen – vom Verwanzen der Besprechungsräume der Verteidiger eine Notwendigkeit unserer Rechtskultur gegenüber ist und Platz greifen sollte.

Es gibt folgende Kernpunkte in dem aufliegenden Abänderungsantrag. Das ist zunächst einmal die unbedingte Ausnahme der sensiblen Orte der Vertrauensberufe vom Lauschangriff, die einen der Hauptgegenstände dieses Antrages bildet.

Das ist zweitens das Einziehen einer höhergelegenen Untergrenze für die Anwendung von Lauschangriff und Rasterfahndung – einer Untergrenze insofern, als wir uns vorstellen, daß diese beiden heiklen und gefährlichen Mittel nur bei organisierter Kriminalität oder dann, wenn die Höchststrafdrohung mehr als zehn Jahre beträgt, angewendet werden dürfen.

Ein Anliegen der Freiheitlichen ist es auch, daß bei Gefahr im Verzug nicht der Untersuchungsrichter allein entscheiden kann, entscheiden muß, entscheiden soll, sondern daß es immer die Ratskammer sein muß, die die Verantwortung zu tragen hat.

Weiters sind wir dagegen, daß in einem Nebensatz dieser Vorlage eingeführt wird, daß auch bei der Strafdrohung mit "lebenslang" eine bedingte Verurteilung ausgesprochen werden soll dürfen.

Dann gibt es ein Verlangen in dem Abänderungsantrag – auch das ist einer der Kernpunkte –, daß ein neuer Tatbestand § 302a Strafgesetzbuch eingeführt wird, also angehängt an den Mißbrauch der Amtsgewalt, und zwar für den Fall, daß es zum Mißbrauch bei der Anwendung dieser beiden heiklen Mittel durch Exekutivbeamte kommt.

Und dann steht noch drinnen, daß wir uns einen vertraulichen Unterausschuß des Justizausschusses des Nationalrates zur konkreten Berichterstattung wünschen, ähnlich wie der Stapo-Ausschuß und der Nachrichtendienst-Ausschuß, die tätig sind.

Das ist der Abänderungsvorschlag in seinen Kernpunkten, den die Freiheitlichen vorgelegt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben in seinen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen ist schriftlich eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung. Seines Umfanges wegen lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im übrigen wird der Text dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden. (siehe S. 169)


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Die nächste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Fuhrmann vor. 12 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.05

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir diskutieren heute über eine Gesetzesmaterie, die wir seit zirka eineinhalb Jahren auf der politischen Agenda haben. Es ist im Vorfeld der heutigen Debatte behauptet worden, es sei zu früh, diese Plenardebatte durchzuführen, man solle das auf Herbst verlegen, es sei eine überhastete Beschlußfassung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mir kurz vor Augen halte, daß wir fünf Unterausschußsitzungen hatten, daß wir intensive Gespräche mit allen Fraktionen dieses Hohen Hauses und den beiden betroffenen Ministerien geführt haben, daß wir ein sehr langes Expertenhearing gemacht haben, dann meine ich, daß diese Materie sehr wohl in einer sehr intensiven und verantwortungsvollen Weise zur Beschlußreife gebracht worden ist, und ich meine, daß man sich daher durchaus inhaltlich mit dieser Sache auseinandersetzen kann.

Bevor ich auf das schlußendlich jetzt vorliegende Ergebnis der Beratungen, welches wir im Justizausschuß beschlossen haben, eingehe, möchte ich nur einen Satz zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Ofner – Kollege Dr. Ofner im doppelten Sinn, nämlich als Abgeordneter und als Rechtsanwalt – sagen.

Noch am 31. Jänner 1996, also vor rund (Abg. Dr. Ofner: Vor eineinhalb Jahren!) eineinhalb Jahren, hat Kollege Dr. Ofner als zweiter Antragsteller mit der damals noch im Haus befindlichen Kollegin Dr. Höbinger-Lehrer einen Initiativantrag zu den besonderen Ermittlungsmethoden eingebracht, in dem mit keinem Wort auf irgendeine Ausnahme dieser sensiblen Berufsgruppen eingegangen worden ist und schon gar nicht auf die Schutzmaßnahmen, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde, die wir jetzt in diesem Hohen Haus zur Beschlußfassung empfehlen werden.

Kollege Ofner hat im Justizausschuß gesagt, man kann klüger werden. (Abg. Dr.  Ofner: Ich habe damit Kreisky zitiert!) Aber ich habe Kollegen Ofner schon vor eineinhalb Jahren als durchaus klugen und erfahrenen Rechtsanwalts- und Abgeordnetenkollegen eingeschätzt, sodaß ich mir eigentlich diesen Gesinnungswandel in dieser Frage nur sehr schwer erklären kann. Aber es möge sich jeder seinen Reim darauf machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ergebnis der Beratungen im Expertenhearing, das Ergebnis der Beratungen im Unterausschuß zwischen den Fraktionen des Hohen Hauses, aber auch innerhalb der Fraktionen und das Ergebnis der Diskussionen innerhalb meiner eigenen Fraktion haben zu einer umfassenden Abänderung der Regierungsvorlage geführt, und zwar deshalb, weil die Verbesserungsvorschläge aufgrund dieses Hearings und aufgrund dieser Diskussionen zu einer großen Anzahl aufgenommen worden sind. Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich sehr wohl der Überzeugung, hier nichts Falsches zu sagen, wenn ich behaupte, daß Grundrechtsschutz und Schutz vor Mißbrauch unter Aufrechterhaltung des Zieles der Schaffung von wirkungsvollen Instrumenten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität bestmöglich erreicht worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube – ich glaube es nicht nur, ich bin überzeugt davon –, daß es uns gelungen ist, mit diesem Gesetz, das wir heute beschließen wollen, die Aufrechterhaltung der Schutzfunktion unseres Rechtsstaates durch die Verbesserung der Effizienz der Strafverfolgung bei Wahrung der Grundsätze eines liberalen Rechtsstaates durch bestmögliche Absicherung der Grundrechte der Staatsbürger in diesem Zusammenhang zu gewährleisten.

Ich verweise hiezu – um Ihnen weitwendige Wiederholungen zu ersparen, weil Sie ja die Unterlagen vor sich haben – auf die vollinhaltlich zu unterstützenden, wirklich ausgezeichnet formulierten Ausführungen, und zwar die allgemeinen im Ausschußbericht, und ich nehme an, daß Kollege Leikam auf das Gefahrenpotential der schweren organisierten Kriminalität noch näher eingehen wird. Ich brauche mich damit jetzt nicht aufzuhalten.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Wort zu den Kritikern, die heute nicht zustimmen werden. (Abg. Mag. Barmüller: Es gibt auch Kolleginnen!) Sie haben recht, Kollege Barmüller! Ich bin aber auch bekannt dafür, daß ich das immer (Abg. Mag. Barmüller: Ignoriere!) erwähne. Ich danke Ihnen, daß Sie mich aufmerksam gemacht haben. – Also ein Wort zu den Kritikerinnen und Kritikern des heute zu erwartenden Beschlusses. Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich habe großes Verständnis für alle, die meinen, daß sie trotz der massiven Verbesserungen durch den Abänderungsantrag im Justizausschuß aus Überzeugungsgründen nicht zustimmen können, nicht zustimmen wollen. Ich habe daher überhaupt kein Problem damit, wenn jemand aufgrund dieser ehrlichen, anerkennenswerten und zu würdigenden Haltung diesem Gesetz seine Zustimmung nicht geben kann. Daher gibt es bei uns auch überhaupt kein Problem mit einem differenzierten Abstimmungsverhalten von Kolleginnen und Kollegen aus dem eigenen Klub. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: So wie gestern!)

Ich möchte aber eines ganz scharf zurückweisen, nämlich wenn von anderer Seite behauptet wird, daß diejenigen, die heute diesem Gesetz zustimmen wollen und werden, aus übler Gesinnung für das Bespitzeln, Ausspähen, für die Errichtung eines Polizeistaates et cetera sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine solche Unterstellung, eine solche Diffamierung von Abgeordneten dieses Hohen Hauses, die diesen Bestimmungen zustimmen werden, ist unfair, ungerecht und wahrheitswidrig. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Ich werde Ihnen mit folgender Aufzählung beweisen, was wir in der parlamentarischen Arbeit an Verbesserungen des Grundrechtsschutzes geschafft haben, wie sie heute zur Beschlußfassung vorliegen.

Es wird einen unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten geben, der in begleitender Kontrolle in allen Stadien des Verfahrens, vom Antragstadium her, die Angelegenheit verfolgen wird. Es wird eine genau definierte Berichtspflicht der Sicherheitsbehörde geben, was unter dem Schlagwort Progress-Report all jenen bekannt ist, die sich mit dieser Frage fachlich auseinandergesetzt haben.

Meine Damen und Herren! Diese Maßnahmen können maximal auf ein Monat befristet zugelassen werden, eine Verlängerung ist nicht möglich. Es müßte ein neues Antrags- und Bewilligungsverfahren durchgeführt werden.

Weiters: Es ist eine genaue Definition der Verhältnismäßigkeit im Gesetz vorgenommen worden. Was heißt das auf deutsch? Verhältnismäßigkeit ist natürlich auch deutsch, aber was heißt das in der Umgangssprache? – In der Umgangssprache heißt das, ihr dürft das nur machen, wenn es anders überhaupt nicht geht, einen Mafiaboß oder eine Mafiaorganisation zu überführen. Das ist eine ganz wichtige Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ein wesentliches Argument gegenüber all jenen, die behaupten, wenn wir das zulassen, dann wird kreuz und quer durch Österreich gelauscht und gerastert werden können. – Das ist durch diese Festlegung des Verhältnismäßigkeitsgebotes ausgeschlossen.

Dazugekommen ist nach den parlamentarischen Verhandlungen ein absolutes Beweisverwertungsverbot der Ergebnisse aus diesen besonderen Maßnahmen im Verwaltungsverfahren und im Zivilverfahren. Das war eine berechtigte Sorge, die uns vorgebracht worden ist, auf die wir eingegangen sind und die wir ernst genommen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube auch als ein Anhöriger eines solchen Vertrauensberufes, daß diese Problematik künstlich hochgespielt wird. Da muß man einmal ein paar Dinge klarstellen: Es gibt schon jetzt, und zwar im § 152 Abs. 1 in den Ziffern 4 und 5 der Strafprozeßordnung, bestimmte Berufsgruppen – Ofner hat sie richtig zitiert –, die ein Zeugnisentschlagungsrecht über alles, was sie in Ausübung ihres Berufes erfahren, haben. Dieses darf nicht umgangen werden. Es gibt aber auch – das ist auch nichts Neues – schon jetzt in der Zivilprozeßordnung das absolute Beichtgeheimnis. – Das ist etwas anderes, als das, was wir Rechtsanwälte haben, und das wissen Kollege Ofner und Kollege Krüger ganz genau. Nun ist in dieser Vorlage, in der Fassung dieses vom Justizausschuß beschlossenen Abänderungs


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antrages klar festgelegt, daß so wie bisher in der Strafprozeßordnung das Zeugnisentschlagungsrecht der Mitglieder von Vertrauensberufen nicht umgangen werden darf.

Warum ist das so? – Es darf nur bei absolut gravierendem Verdacht ein Lauschangriff zugelassen werden, wenn der Rechtsschutzbeauftragte dies auch erkennt und sagt, wenn man den gravierend verdächtigen Anwalt, Arzt, Psychiater oder was auch immer nicht anders erwischen kann und wenn tatsächlich ein Zufallsergebnis anfallen sollte, dann gibt es ein absolutes Verwertungsverbot. Ofner kann als Rechtsanwalt damit nicht leben – Fuhrmann kann als Rechtsanwalt damit sehr wohl leben. (Abg. Dr. Ofner: Die Bürger können damit nicht leben!)

Kollege Ofner! Seien wir doch unter Kolleginnen und Kollegen Anwälte ehrlich: Es gibt sehr viele Anwälte, die nicht wünschen, zu einer Berufsgruppe zu gehören, der vom Gesetz her ein Status eingeräumt werden würde, der sie potentiell verdächtig machen würde, weil sie ein "Leo" für eine organisierte Kriminalität abgeben könnten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen wir die Kirche im Dorf, lassen wir die Kuh im Stall, und übertreiben wir nicht! (Abg. Dr. Ofner: Rede einmal mit deinen Kollegen – ausnahmsweise!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt den Geheimnisschutz, bei der Rasterfahndung gibt es den Ausschluß aller sensiblen Daten und das Veröffentlichungsverbot mit Strafsanktion. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, die nach mir drankommen, auch darauf hinzuweisen, wie das mit dem medienrechtlichen Schutz vor verbotenen Veröffentlichungen ist. Interessanterweise schreiben manche Journalisten, das ist ohnehin in Ordnung, wir wollen nicht etwas veröffentlichen, was gesetzwidrig zu uns gekommen ist. Andere haben sich wieder aufgeregt. – Ich werbe bei den Medien dafür, daß man bitte auch da die Kirche im Dorf lassen sollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weitere Details werden noch die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion ausführen. Ich sage Ihnen nur noch, daß ich hoffe, daß Sie folgendes akzeptieren und anerkennen: Wir haben es durch die Einführung eines strikten und rigiden Bewilligungsverfahren, durch einen höchstmöglichen Schutz vor Mißbrauch, durch die Einführung von effizienten Kontrollen durch Gericht, Rechtsschutzbeauftragten und Parlament geschafft, daß ich als Willi Fuhrmann und als sozialdemokratischer Abgeordneter, als jemand, der sich dieser Materie nicht in einer unkritischen Hurra!-Einstellung genähert hat, dem diese Materie, aber auch die Grundrechte und die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung im Bewußtsein der Verantwortung eines Parlamentariers ein Anliegen zu sein haben, mit voller Überzeugen zustimmen kann, und ich gehe davon aus, daß dies auch die Mehrheit meiner Fraktion können wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.18

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Wir haben nicht nur gestern in der Nacht Einwendungen gegen die heutige Tagesordnung erhoben, sondern wir haben auch heute einen Antrag gestellt, diesen Punkt von der Tagesordnung zu nehmen.

Herr Kollege Fuhrmann! Wir glauben nicht, daß das eine Huschpfusch-Gesetzgebung ist, das will ich gar nicht sagen, sondern wir glauben, daß die Bedenken, die von vielen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, aber auch von sehr vielen Verfassungsexperten und Grundrechtsexperten geäußert werden ... (Abg. Kiss: Eine alte Schallplatte, eine abgeleierte!)

Wissen Sie, Grundrechte sind so wichtig, daß ich glaube, man muß sie immer wieder den Leuten nahebringen. Ich weiß schon, Herr Kollege Kiss, daß das mit Ihrem Grundrechtsbewußtsein nicht übereinstimmt. (Abg. Kiss: Eine alte Schallplatte, die hören wir tagtäglich!)


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Jedenfalls meine ich, daß diese Grundrechtsbedenken abzuwägen sind, und zwar mit der letzten Fassung der Vorlage, Herr Kollege Fuhrmann. Sie haben jetzt aufgezählt, wann wir welche Ausschüsse gehabt haben, das ist schon richtig, nur: Die heute zu beschließende Fassung ist keiner so ausführlichen Beratung mehr unterzogen worden. Sie haben recht, wenn Sie sagen, es ist das Ergebnis, aber mit diesem Ergebnis sind viele Experten nicht zufrieden.

Das heißt, zu diesem Ergebnis sollten wir eine Nachdenkphase einlegen. Ich glaube, daß das auch im Interesse jener sein sollte, die sich für diese Ermittlungsmaßnahmen aussprechen. Denn daß das ein massiver Grundrechtseingriff ist, wird ja von niemandem bestritten, nicht einmal vom Kollege Kiss – und das heißt etwas.

Es ist wesentlich, daß die Bevölkerung die Sicherheit hat, daß die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, wenn sie eine solche Entscheidung treffen, das nicht aus parteitaktischen Überlegungen heraus machen, sondern aus sachlich abgewogenen.

Das, was Sie gestern in der Nacht geliefert haben, kann der Bevölkerung nicht das Gefühl geben, daß sachgemäße Überlegungen zu einem Gesetzesbeschluß führen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Denn wenn es Abgeordnete der ÖVP gibt, die vorher sagen, sie seien aus Überzeugung für eine 0,5 Promille-Grenze – und dann aus Ärger über den Koalitionspartner diese Position nicht mehr vertreten, dann kann niemand in diesem Lande mehr glauben, daß Entscheidungen nach Überzeugungen gefällt werden, sondern dann muß der Eindruck entstehen – ich glaube, daß dieser richtig ist –, daß einzig parteitaktische Überlegungen zu einem Beschluß führen. Das halte ich im Zusammenhang mit Grundrechten für eine gefährliche Botschaft an die Bevölkerung. Das ist der Grund, warum ich sage: Es kann jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sein, eine solche Vorlage zu beschließen – auch nicht in Ihrem Interesse! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich möchte aber auf die Sache selbst eingehen, auf das Hauptargument, das immer vorgebracht wird, nämlich daß diese Instrumente dringend notwendig sind, um die Kriminalität effizient bekämpfen zu können. Ich hoffe, Sie werden nicht wieder von diesem Rednerpult aus das unsinnigste und – ich sage es jetzt – primitivste Argument verwenden und sagen: Diejenigen, die gegen die Ermittlungsmethoden sind, haben kein Interesse an der Verbrechensbekämpfung! – Das ist ein Niveau, das nicht bis an dieses Rednerpult dringen sollte. (Abg. Kiss: Aber umgekehrt unterstellen Sie, Frau Kollegin Schmidt, daß diejenigen, die dafür sind, gegen den Grundrechtsschutz auftreten!)

Ich denke nur, daß man bei einer solchen Feststellung auch die Beweise auf den Tisch legen sollte. Niemand von Ihnen war bisher in der Lage dazu, weil das nämlich nichts weiter als eine Einschätzungsfrage ist. Es bleibt Ihnen unbenommen, Ihre Hoffnung daran zu knüpfen, daß diese Ermittlungsmethoden effizienter zur Verbrechensbekämpfung beitragen werden. Das mag schon sein, daß Sie sich das redlich erhoffen, nur den Beweis sind Sie alle schuldig geblieben. Den Beweis hat noch niemand erbracht, auch nicht in jenen Ländern, in denen diese Ermittlungsmethoden bereits in Kraft sind. Daher ist das für mich ein Argument, das man zwar für die Einschätzung durchaus einbringen kann, aber nicht als Beweis.

Kollegin Fekter! Sie kommen mit den Argumenten, was jetzt noch alles bekämpft werden könnte, und nennen das Beispiel Autodiebstahl, man könne doch ein Auto hinstellen ... (Abg. Dr. Fekter: Nein! Nein!) – Lassen Sie mich ausreden, dann brauchen Sie nicht nein zu sagen. (Abg. Dr. Fekter: Mafiose Autoschieberbanden habe ich gesagt!) Das ist auch Autodiebstahl, Autodiebstahl, über den man dann vielleicht auch zu Autoschieberbanden kommt. (Abg. Dr. Fekter: Ich habe von Netzwerken gesprochen, nicht von "kleinen" Autodieben! "Kleine" Autodiebe können wir anders erwischen! Dazu brauchen wir den Lauschangriff nicht!)

Das heißt, Sie haben davon gesprochen, man könne ein Auto hinstellen, es sozusagen als Provokation verwanzen, sodaß jemand hinkommt, sich hineinsetzt und uns dann mittels dieses Lauschangriffes zu den Tätern führt.


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Erstens muß ich Ihnen sagen, daß Ihnen der Lauschangriff, wenn es nicht organisierte Kriminalität ist – und dann brauchen Sie einen Verdacht ... (Abg. Dr. Fekter: Nur von dieser organisierten Kriminalität habe ich gesprochen! Nur von dieser!)

Dann, Frau Kollegin Fekter, frage ich Sie, wieso Sie ein Gesetz beschließen wollen, wenn Sie doch zumindest sagen ... (Abg. Dr. Fekter: Ich habe erklärt, daß der "kleine" Autodieb für dieses Argument nicht in Frage kommt!) – Lassen Sie mich ausreden, Sie kommen ohnehin nach mir dran. (Abg. Dr. Khol: Falsche Behauptungen muß man sofort berichtigen!)

Sie haben hier ein Gesetz vorgelegt, in dem steht, daß jedenfalls ein Verdacht gegen eine Person vorhanden sein muß, und zwar ein dringender Verdacht, eine bestimmte Straftat begangen zu haben, und zwar eine Straftat, die entweder mit einer Freiheitsstrafe über zehn Jahren bedroht ist oder dem organisierten Verbrechen zuzuordnen ist. Das heißt, Sie brauchen eine konkrete Person. Und das, Frau Kollegin Fekter, haben Sie nicht, wenn Sie ein Auto irgendwo auf die Mariahilfer Straße hinstellen und warten, daß einer kommt und es stiehlt. Das heißt, die Voraussetzungen von Ihrer Vorlage für jenen Lauschangriff, von dem Sie sprechen, sind gar nicht gegeben. (Abg. Dr. Fekter: Für den "kleinen" Autodieb nicht, aber für die dahinterstehende organisierte Kriminalität schon!)

Es ist daher ein Argument, das die Bevölkerung in die Irre führt. Was wir hingegen jetzt schon haben – das ist auch gut und sinnvoll so –, sind die Sonden, die man an einem solchen Fahrzeug anbringen kann, um dann, wenn es geklaut wird – das kann man durchaus provozieren –, den Weg zurück- oder weiterverfolgen zu können. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Das haben wir schon! Mit dem Lauschangriff können Sie nicht mehr auch nur einen Schritt weiterkommen; es ist noch dazu eine Irreführung in der Argumentation. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Zweites Argument, das Sie bringen: Sie sagen, wenn man irgendwo Haschisch beschlagnahmt, dann muß man es demjenigen nicht sagen, bei dem man es gefunden hat, sondern man verwanzt das, und dann kommt man an die Verbrecherbanden heran. (Abg. Dr. Fekter: Von Beschlagnahme habe ich nicht gesprochen! Von Beschlagnahme habe ich nicht gesprochen!)

Wie sonst wollen Sie denn dazukommen? – Wenn Sie es finden, dann pflanzen Sie dort eine Wanze ein – was Sie jetzt schon tun können, was auch sinnvollerweise schon geschieht, wenn das überhaupt gelingt! Da ist eine Sonde anzubringen, und das ist auch das, was der Verhältnismäßigkeit entspricht. Das heißt, Sie brauchen auch zur Verfolgung dieser Straftat keinen Lauschangriff. Auch das ist eine Irreführung der Argumentation. (Abg. Kiss: Nein, Sie führen in die Irre mit Ihrer Argumentation, weil die meisten Beispiele nicht stimmen, die Sie vorbringen!)

Nächstes Beispiel. Das läßt natürlich die Emotionen hochgehen, auch meine, denn wir sind uns hoffentlich alle hier einig darüber, daß es zu den widerlichsten Verbrechen gehört, Kinderpornographie in Umlauf zu bringen. Überhaupt ist die Kinderpornographie eines der widerlichsten Kriminalitätstatbilder. Darin sind wir uns alle einig. Aber auch da kommen Sie mit einem Lauschangriff nicht heran, denn Sie kennen genau den Strafrahmen. Da geht es nicht um die organisierte Kriminalität, sondern Sie reden davon, daß irgend jemand die jungen Leute zu sich in die Wohnung holt. Wir haben einen Strafrahmen von drei Jahren, Sie können daher den Lauschangriff nicht einmal anwenden! (Abg. Dr. Fekter: Wir haben ganze Kinderpornoringe gehabt, die international tätig waren!) Das heißt, arbeiten Sie doch nicht mit derartigen Argumentationen, die einfach der Sache nicht gerecht werden. Es ist nicht wahr!

Was Sie hingegen tun – jetzt komme ich zur Videofalle –, ist, daß Sie die Videofalle ermöglichen, und zwar ohne Untergrenze im Hinblick auf den Straftatbestand. Das heißt, Sie ermöglichen, daß bei einem Zeitungsständer eine Videokamera installiert wird, Sie ermöglichen, daß in Kaffeehäusern, an den vielzitierten Stammtischen Videokameras installiert werden. Das ermöglichen Sie, weil Sie nicht einmal definieren, welcher Strafrahmen vorgesehen wäre. (Abg. Kiss: Wovon reden Sie denn überhaupt? Sie wissen nicht einmal, wovon Sie reden!)

Das ist einfach möglich, und dann kommen Sie, Frau Fekter, und sagen: Das ist deswegen notwendig, weil sonst doch die Banken und die Kaufhäuser ihre Videokameras nicht haben


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könnten! – Das ist einfach unrichtig, was Sie sagen! (Abg. Dr. Fekter: Frau Kollegin Schmidt! Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes lesen!)

Wenn es Ihnen darum gegangen wäre, dann hätten Sie die Merkmale für genau einen solchen Tatbestand definiert. Dann hätten wir in das Gesetz hineingeschrieben, daß eben in Kaufhäusern und Banken – da gibt es Kriterien, und die Beamten des Hauses sind klug genug, um sie Ihnen auch zu sagen und zu definieren, wenn es vielleicht sonst nicht möglich ist, das festzumachen – solche Überwachungen ermöglicht werden sollen. Sie aber machen es allgemein ... (Abg. Dr. Fekter: Genau das ist passiert, Frau Kollegin Schmidt! Genau das ist passiert!)  – Nein, diese Vorlage geht über das mehr als hinaus, und das ist der Dammbruch, den Sie auf diese Weise herbeiführen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es geht noch weiter: Sie sind sogar bereit, eine Videokamera, in eine Wohnung hinein gerichtet, anbringen zu lassen. Wissen Sie, welchen Strafrahmen Sie dafür vorsehen? – Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, ich kann es Ihnen aber sagen, nämlich eine Obergrenze von einem Jahr. Das heißt, das sind folgende Delikte, um Ihnen nur jene zu nennen, die in den privatesten Bereich hineingehen: Verletzung der Unterhaltspflicht, da haben wir einen Strafrahmen von zwei Jahren, Schwangerschaftsabbruch: drei Jahre, Störung der Religionsausübung: zwei Jahre.

Bei all diesen Delikten wäre es nach dieser Vorlage möglich, mit Zustimmung des Wohnungseigentümers, das gebe ich schon zu ... (Abg. Dr. Fekter: Und wenn der Wohnungseigentümer dieses Sicherheitsbedürfnis hat, dann gestehe ich ihm das zu!) Um den geht es doch nicht, Frau Fekter! Haben Sie bis heute in dieser langen Diskussion noch nicht begriffen, daß es um Rechte unbeteiligter Dritter geht?! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wenn es um die Verfolgung des Tatbestandes Unterhaltspflicht, Schwangerschaftsabbruch, Störung der Religionsausübung geht, dann kann ich einwilligen, und alle, die jetzt zu mir kommen, werden mit einer Videokamera überwacht. Das ist mit dieser Vorlage möglich. (Abg. Dr. Fekter: Sie wollen die Kriminalität ja gar nicht bekämpfen! Sie akzeptieren das Sicherheitsbedürfnis von anderen Personen nicht!)

Das ist ein Dammbruch, der seinesgleichen sucht, und Sie haben bis jetzt noch nicht verstanden, daß es nicht darum geht, Verbrecher zu schützen, sondern daß es darum geht, die Rechte unbeteiligter Dritter zu schützen.

Nun komme ich zum Thema Lauschangriff, denn das gehörte alles noch zum Bereich Video. Beim Lauschangriff hat Kollege Ofner schon sehr ausführlich über all jene Fälle gesprochen, die Vertrauensberufe betreffen. Das ist schlimm genug, ich will es nur aus Zeitgründen, weil wir eine Redezeitbeschränkung haben, nicht erweitern und wiederholen. Ich kann das nur unterstreichen, er hat recht.

Ich glaube, daß die derzeitigen Formulierungen, so wie sie hier liegen, völlig ungerechtfertigt sind und daß Sie auch wieder das Vertrauen der Gesellschaft schlechthin zerstören, indem Sie sagen: Es kann niemand sicher sein. – Und so ist es auch!

Genauso ist es. Man kann nicht davor sicher sein, daß hier sowohl gelauscht als auch über eine Videokamera beobachtet wird. Und das Schlimmste in diesem Zusammenhang ist (Abg. Dr. Fekter: Sie lehnen das Sicherheitsbedürfnis von Personen ab!): Sie haben sogar in Ihrem Bericht stehen (Abg. Dr. Fekter: Sie ignorieren berechtigte Interessen!) , daß die Überwachung von nicht verdächtigen Personen möglich ist. All jene, die sich ihre Entscheidung schwer machen – es sind leider nicht alle –, all jene, die merken, worum es hier geht, mögen sich das anschauen! Es ist ehrlich darin aufgeschrieben, daß auch jene überwacht werden können, die nicht verdächtig sind, wenn irgend jemand den Verdacht hat, daß sie mit einer verdächtigen Person in Kontakt treten.

Das ist die Aushöhlung und Umkehr der Unschuldsvermutung. Das sind Grundprinzipien unseres Rechtsstaates, die Sie – ich behaupte: für nichts und wieder nichts – aufs Spiel setzen. Und das halte ich für Verantwortungslosigkeit aus meinem Blickwinkel. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. )


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Ich komme zur Rasterfahndung. Die Rasterfahndung, die so dargestellt wird, als wäre das ein technisches Hilfsinstrument für die Sicherheit, ist ebenfalls ein Dammbruch. Denn es ist vorgesehen, daß Daten, und zwar auch private Daten, verrastert werden dürfen. Es sind Daten von Kaufhäusern, es sind Daten von Versandhäusern, es sind Daten von Vereinen, es sind Daten von Videotheken, es sind Daten von Zeitungsabonnements. Das wird die Freiheitlichen im Zusammenhang mit der "Aula" mit Recht sehr interessieren oder auch die Sozialdemokraten wegen der "Zukunft", wie auch immer. Da gab es ja schon Beschwerden darüber. All das darf künftig verrastert werden. – Ich halte das für unverhältnismäßig, und ich halte das für polizeistaatliche Methoden.

Wenn Sie dann sagen, daß es dabei Ausnahmen gibt, nämlich Ausnahmen in die Richtung, daß Merkmale die rassische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse oder andere Überzeugungen oder den Gesundheitszustand oder etwas über das Sexualleben erkennen lassen, die die Mauer sind, über die keine drüberkommen kann, dann können Sie damit vielleicht redliche Mitarbeiter – ich sage jetzt wirklich leider – von "SOS-Mitmensch" oder von der Aids-Hilfe beruhigen, aber mich nicht, und zwar deswegen nicht, weil ich fürchte, wie Sie nachher die Ausnahme von der Ausnahme auslegen lassen werden.

Ich kann der Sicherheitsbehörde nicht einmal einen Vorwurf machen, aber wenn darin steht, daß alle diese Ausnahmen, über die sich die Betroffenen freuen und sagen: Wenigstens das haben wir erreicht!, dann nicht gelten, wenn die Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt wurden, dann muß ich Sie fragen: Wissen Sie, was das heißt? – Alles können Sie verrastern!

Denn dann ist es so, daß die Polizei aus irgendwelchen Gründen – egal, ob Mitverdacht oder sonst irgendwas – in ein Lokal der einschlägigen Szene, sage ich jetzt einmal, geht und dort Daten über erkennungsdienstliche Maßnahmen aufnimmt. Sobald diese aufgenommen sind, sind sie verrasterungsfähig. Es heißt, die Ausnahme ist null und nichtig. Das muß ich all jenen sagen, die froh sind, wenigstens noch ein Körnchen gerettet zu haben.

Nichts davon haben sie gerettet, denn gerade wenn die Polizei – ich sage das einmal, weil das ein Stein des Anstoßes ist – einmal im homosexuellen Milieu ermitteln will und sich aufgrund dieser Bestimmung nicht traut, die einschlägigen Daten der Vereine zu verwenden, dann wird sie irgendwo eine Maßnahme treffen und erkennungsdienstlich die Daten aufnehmen, und schon sind sie verrasterungsfähig. Und da glauben Sie wirklich, daß Sie noch die Grundrechte schützen?!

Jetzt erzähle ich Ihnen noch ein Beispiel. Im Ausschuß habe ich an einen Fall aus dem Burgenland erinnert. Das ist deswegen wichtig, weil all jene, die heute die Absicht haben, zuzustimmen, sollen nur wissen, wozu sie hier zustimmen. Denn diese Verantwortung kann Ihnen niemand abnehmen: kein Rechtsschutzbeauftragter, kein Richter, kein Niemand, auch nicht die Partei, wenn ich das sagen darf. Man hat nämlich nicht nur der Partei gegenüber eine Verpflichtung, Herr Dr. Khol, sondern man hat vor seinem Gewissen eine Verpflichtung – egal, ob man öffentlich oder ob man geheim abstimmt. (Abg. Kiss: Sie haben auch eine Verantwortung! – Abg. Dr. Khol: Das brauchen Sie mir nicht zu sagen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie machen einen Unterschied, ob Sie öffentlich oder geheim abstimmen, je nachdem, ob Sie sich nach Ihrem Gewissen verhalten. Und deswegen sage ich das. Das ist mir eine Lehre, daß die ÖVP nur dann nach ihrem Gewissen entscheidet, wenn es geheim ist. Und da die Abstimmung heute wahrscheinlich durch Aufstehen und Niedersetzen vorgenommen wird, fürchte ich, Sie werden nicht nach Ihrem Gewissen entscheiden, denn das trauen Sie sich nicht öffentlich zu machen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Sie wollen wieder einmal den Kopf in den Sand stecken!) Aber, Sie sollten wissen, worüber Sie hier entscheiden, nämlich daß Daten verrastert werden dürfen, die aufgrund bestehender Bundes- oder Landesgesetze ermittelt wurden.

Nun gab es im Burgenland vor Jahren einen Fragebogen im Zusammenhang mit der Feststellung des Hauptwohnsitzes, den die Bürgermeister ausgeteilt haben und auf dem unter anderem – aus Zeitgründen kann ich Ihnen nicht alle Daten nennen – gefragt wurde nach der


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Art der Kontakte und der kulturellen Betätigung (bei lokalen Vereinen und Institutionen, Besuch kultureller Veranstaltungen und ähnliches). Das sind die Daten, die dann aufgenommen werden. Das war 1994.

Wir haben 1994 den damaligen Minister Löschnak gefragt, wie er denn so etwas beurteilt. Er hat darauf geschrieben: "Da die Definition des ordentlichen Wohnsitzes ... auf den Mittelpunkt der wirtschaftlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen abstellt, sind die gesellschaftlichen Kontakte und die kulturellen Betätigungen eines Menschen durchaus maßgeblich dafür, ob er an einem bestimmten Ort den ordentlichen Wohnsitz hat."

Im Grunde genommen hat er recht. Aber er sagt dann weiters – nächster Satz –, "daß die gesetzmäßige Ermittlung personenbezogener Daten" in dieser Art "als wünschenswerte Aufgabenerfüllung und nicht als "Überwachung der Bürger" gesehen wird".

Ich zeige Ihnen nur den Geist, der dahinter steht. Kollege Szymanski hat mir im Ausschuß gesagt – ich habe ihn zumindest so verstanden –, diese Fragebögen gibt es nicht mehr. Ich bin der Sache nachgegangen. Wissen Sie, wie die Fragebögen heute ausschauen? – Das, was ich Ihnen vorgelesen habe, wo vorher Art der Kontakte, der kulturellen Betätigung und so weiter stand und dann die Zahlen frei waren, schaut heute folgendermaßen aus:

"Aktive gesellschaftliche Betätigungen in dieser Gemeinde". Darunter steht: "Wie aktiv sind Ihre gesellschaftlichen Betätigungen in dieser Gemeinde? Berücksichtigen Sie bitte Ihre kulturellen, sportlichen, sozialen und politischen Betätigungen, die den Aufenthalt in dieser Gemeinde erfordern." (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Das ist Ihr Burgenland, Herr Kiss! Ich verstehe Ihr Rechtsschutzverständnis.

Dann ist aufgelistet: kulturelle Betätigung, sportliche Betätigung, soziale Betätigung, politische Betätigung. Das müssen Sie sich einmal vorstellen, Herr Minister Schlögl! Das sind jene Fragebögen, die aufgrund landesgesetzlicher Bestimmungen ausgegeben werden. Es steht auf der Rückseite: Dieser Fragebogen dient ausschließlich zur Feststellung ... im Sinne der Landtagswahlordnung 1995 und der Gemeindewahlordnung 1992.

Das heißt, das sind landesgesetzliche Bestimmungen. Diese Daten sind verrasterungsfähig. Jetzt sagen Sie mir nicht, das werden sie schon nicht machen, das wird schon im Vergleich der Verhältnismäßigkeit daher nicht eintreten. Sie können diese Verantwortung nicht abschieben! Sie übernehmen heute die Verantwortung dafür, daß Sie derartige Daten verrastern lassen und damit nicht mehr den geringsten Freiraum für den einzelnen lassen, wenn Sie das heute beschließen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. )

14.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wegen des mehrfachen Vorwurfs der Nötigung, und zwar insbesondere wegen der bewußten Feststellung – ich zitiere –, daß "Nötigung zur Stimmabgabe und Nötigung insgesamt" sehr wohl ein strafrechtlich verfolgbares Verhalten darstellen, also daher bewußt der Vorwurf einer strafbaren Handlung gemacht worden ist, erteile ich der Frau Abgeordneten Haller einen Ordnungsruf .

Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Dr. Fekter vor. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.37

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Meine Herren Minister! Im Spannungsfeld zwischen Grundrechtseingriff, nämlich der von Frau Kollegin Schmidt sehr breit ausgeführten möglichen Beeinträchtigungen der Privatsphäre von unbeteiligten Dritten, und der Kriminalitätsbekämpfung als Staatsaufgabe, als Anrecht der Bürger, daß die Sicherheitsbehörden effizient vorgehen, liegt diese Materie.

Frau Kollegin Schmidt! Das Sicherheitsbedürfnis von Bürgern wollen wir nicht ignorieren. In Ihrer Rede ist davon nämlich nicht einmal eine Silbe vorgekommen. Sie ignorieren dieses Sicherheitsbedürfnis. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich betrachte das Ergebnis als einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Rechtsschutzinteressen, nämlich einerseits einen möglichst geringen Eingriff in die Privatsphäre und andererseits aber auch das Rechtsschutzinteresse der Kriminalitätsbekämpfung, indem dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger entgegengekommen wird. Die Beratungen waren sehr lange und intensiv, Frau Kollegin Schmidt. Wir haben selten ein Gesetz so intensiv nicht nur öffentlich, sondern auch in einem Unterausschuß behandelt. (Abg. Schaffenrath: Haben Sie es auch verstanden?) – Natürlich, Frau Schaffenrath! Ich habe mich wahrscheinlich am intensivsten von allen Abgeordneten hier in diesem Haus damit befaßt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kier: Und das ist dabei herausgekommen!)

Für mich entscheidend war mit Sicherheit das Expertenhearing vom 23. Oktober 1996. Da hat mich besonders das beeindruckt, was die ausländischen Experten gesagt haben, nämlich jene Praktiker, die sich sowohl wissenschaftlich als auch praktisch operativ seit Jahrzehnten mit diesem Instrument auseinandersetzen.

Es hat zum Beispiel Alan McDonald ausgeführt, daß dieses Instrument in Amerika bereits vor 30 Jahren eingeführt wurde. Lassen Sie mich aus dem Protokoll dieses Hearings zitieren:

"Das elektronische Überwachungssystem der Vereinigten Staaten, das eine gesetzliche Basis hat und auch vom Gericht festgelegt werden kann, hat in den letzten 30 Jahren sehr gut funktioniert." (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Und weiters: "Ich möchte dazu sagen, daß die elektronische Überwachung bei uns eine der wichtigsten Untersuchungsmethoden darstellt. Wir verwenden sie bei der Untersuchung organisierten Verbrechens. Es gibt natürlich auch andere Untersuchungsmethoden – es gibt die geheimen Operationen, es gibt die Verwendung von Informanten –, aber letztendlich hat sich bei uns herausgestellt, daß die elektronische Überwachung doch die zielführendste Methode ist."

Und weiters heißt es: "Ich würde sagen, daß sich ohne diese Methode das organisierte Verbrechen einschließlich des Drogenhandels und des Terrorismus wahrscheinlich dem Recht entziehen und auf diese Weise die Gesellschaft ernst gefährden könnte." (Beifall bei der ÖVP. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die praktischen Beispiele aus den USA sind wissenschaftlich aufgearbeitet worden, und zwar nicht in den USA, sondern in Deutschland, und zwar im Kriminologischen Forschungsinstitut von Niedersachsen. Wir haben den Leiter dieses Instituts eingeladen, und Universitätsprofessor Pfeiffer hat uns wissenschaftlich-analytisch dargestellt, welche Ergebnisse die amerikanischen Methoden bringen, und er hat zu unserem Gesetzentwurf folgenden Kommentar abgegeben: Ich finde die Voraussetzungen des Lauschangriffes geradezu vorbildlich geregelt und will deswegen dazu nichts weiter sagen.

Das bedeutet: Wir sind sehr seriös vorgegangen. Wir haben die Kritiker nicht nur ausführlichst zu Wort kommen lassen (Abg. Dr. Kier: Aber ignoriert! Angehört, aber ignoriert!)  – diesbezüglich kann man uns nichts vorwerfen –, sondern auch ihre Meinung in der Legistik berücksichtigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Kollegin Schmidt! Sie zweifeln in jeder Ihrer Reden an, daß wir dieses Instrument brauchen. Die wissenschaftliche Analyse – neun Jahre lang wurde am Institut in Niedersachsen ausgewertet – hat folgendes ergeben – ich zitiere Herrn Universitätsprofessor Pfeiffer –:

"Das Faszinierende ist – und insoweit ist der Lauschangriff zweifelsohne eine erfolgreiche Maßnahme –, daß dann, wenn es zu einer Verurteilung kommt, im Durchschnitt bei reinen Mikrophoneinsätzen etwa sieben Personen verurteilt werden, wenn es Telephon- und Mikrophonüberwachungen gleichzeitig sind, dann etwa zehn Personen. Das heißt, die Amerikaner können mit ihrem Datenmaterial zeigen, der große Lauschangriff ist geeignet, ganze Netzwerkstrukturen von krimineller Kommunikation beweisbar zu machen und dadurch ganze Gruppen Verurteilungen zuzuführen." (Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. )


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Und das ist der Unterschied, Frau Kollegin Schmidt: Wir wollen nicht nur den "kleinen" Autoknacker schnappen, sondern wir wollen die Struktur, die dahinter steht, die Autoschieberbande, die international tätig ist, sprengen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist mir schon ein Anliegen, darauf hinzuweisen, daß der Ausschuß sehr wohl die öffentlichen Befürchtungen und die von den Fraktionen, von den Oppositionsparteien eingewandten Befürchtungen sehr intensiv und sehr sensibel beraten und berücksichtigt hat, um auch das Rechtsschutzbedürfnis unbeteiligter Dritter im Gesetz entsprechend zu würdigen.

Ich sage Ihnen folgendes, Frau Kollegin Schmidt: Noch vor einem Jahr, als wir hier die erste Lesung hatten, bestand der Hauptvorwurf darin – das können Sie im Protokoll nachlesen –, daß wir die organisierte Kriminalität nicht ausreichend definiert haben, daß wir kein Abgrenzungskriterium haben, daß das, was das Strafgesetzbuch als organisierte Kriminalität normiert, für den Einsatz dieses Instrumentes nicht geeignet ist. – Heute kam kein Wort mehr darüber. Dieser Vorwurf kommt nicht mehr, weil wir darauf reagiert und eine vorbildliche, international sehr beachtete Definition für die organisierte Kriminalität gefunden haben. Das ist bereits in § 278a des Strafgesetzbuches normiert und rechtskräftig.

Das heißt, wir haben sukzessive ein Gesetz geschaffen, das aus meiner Sicht – das kann man feststellen, wenn man sich seriös damit beschäftigt – als ausgewogen bezeichnet werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

All die Restriktionen, die wir in das Gesetz eingebaut haben – ich möchte sie nicht im einzelnen hier anführen –, führen dazu, daß sowohl der Rechtsschutz in Richtung unbeteiligte Dritte, Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre, als auch das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und die Kriminalitätsbekämpfung ausgewogen berücksichtigt sind. An den Argumenten kann man erkennen, daß wir da einen Mittelweg gegangen sind.

Ich möchte, daß man jedes Rechtsschutzbedürfnis der Bevölkerung berücksichtigt und nicht nur einseitig die Privatsphäre und von der Kriminalitätsbekämpfung kein Wort sagt, denn das wäre keine seriöse Vorgangsweise. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Dr. Kier hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung sind bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.47

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Fekter hat, indem sie eine unrichtige Behauptung aufgestellt hat, meiner Klubobfrau unterstellt, sie hätte sich nicht mit dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen beschäftigt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Ich sage hier: Das ist tatsächlich unrichtig. – Die gesamte Rede der Klubobfrau des Liberalen Forums war dem Sicherheitsbedürfnis der österreichischen Bevölkerung gewidmet (Abg. Dr. Khol: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Das ist eine Rede!), allerdings nicht einäugig, sondern sowohl ... (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Dr. Kier! Das war zumindest an der Grenze einer tatsächlichen Berichtigung. (Abg. Dr. Kier: Wenn sie die Unwahrheit sagt!)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Schlögl. – Herr Bundesminister! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß um 15 Uhr eine Dringliche Anfrage aufzurufen ist. – Bitte, Herr Bundesminister. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

14.48

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bedanke mich für die bisher sehr engagiert geführte Diskussion, auch wenn ich mit manchen Debattenbeiträgen nicht sehr glücklich war, weil ich


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glaube, daß sie, obwohl sie wahrscheinlich von ehrlicher Überzeugung getragen waren, nicht ganz die Wahrheit wiedergegeben haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leikam: So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns muß bewußt sein, daß wir in einer Zeit leben, in der sich die Kriminalität deutlich geändert hat. Wir haben eine Kriminalität, die in vielen Bereichen aggressiver und in vielen Bereichen professioneller geworden ist. War die organisierte Kriminalität zu Beginn der achtziger Jahre nur in einigen Bereichen tätig, wie vor allem im Drogenbereich oder vielleicht ansatzweise im Rotlichtmilieu, ist sie in den letzten Jahren in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen tätig. Das Verbrechen hat sehr stark an "Effizienz" gewonnen. Das organisierte Verbrechen hat in den letzten Jahren große Gewinne gemacht, und diese Gewinne werden wieder in neue Kriminalität investiert. Das muß uns bewußt sein, und wir dürfen daher diesen Einfluß der Kriminalität keinesfalls unterschätzen. (Abg. Dr. Petrovic: Es ist unfair, Herr Minister, daß Sie jetzt reden!)

Jeder von uns weiß, daß das organisierte Verbrechen im Osten unseres Staates sehr stark im Vormarsch ist und daß es auch in Österreich in den letzten Jahren etwas – zwar nicht viel, aber doch – an "Bedeutung" gewonnen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem organisierten Verbrechen stehen alle Ressourcen zur Verfügung: die besten Experten und alle modernen technischen Möglichkeiten sowie alle Freizügigkeiten, die die Demokratie ihren Bürgern gewährt. – Ich glaube, dieses Bedrohungsszenario, das ich darlege, ist nicht übertrieben, sondern sehr realistisch, und ich meine daher, daß es für uns alle notwendig und wichtig ist, mit ganzer Kraft mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Mir ist bewußt, daß verdeckte Maßnahmen beim Bürger, der zu Recht nach einem transparenten Staat verlangt, Unbehagen schaffen. Deshalb war es notwendig und wichtig, daß wir uns mit den Argumenten der Kritiker auseinandergesetzt haben und auseinandersetzen. Ich habe mich gemeinsam mit meinem Kollegen Michalek sehr bemüht, diese Auseinandersetzung zu führen, wir haben uns auch bemüht, auf die Bedenken der Gegner sehr genau einzugehen.

Es geht heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht, wie Frau Abgeordnete Schmidt gesagt hat, darum, Parteitaktik durchzusetzen, sondern um die Sicherheit unseres Landes und die Entwicklung der Sicherheit in Österreich. Ich bitte Sie daher in diesem Sinne, den vorliegenden Gesetzentwurf zu unterstützen.

Ich höre von manchen in diesem Hause oft, daß die Grundrechte der österreichischen Bürgerinnen und Bürger gefährdet seien. Ich sehe das – ich sage das ganz ehrlich – nicht so, denn wenn das wirklich stimmen sollte, Frau Abgeordnete Schmidt, was wäre dann mit den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, in Frankreich, in den Niederlanden, in der Schweiz, in Dänemark, in den Vereinigten Staaten, in England, in Wales, in Spanien? (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt. – Ich könnte diese Liste beliebig lang aufzählen. In diesen Staaten sind diese neuen Fahndungsmethoden, Rasterfahndung und Lauschangriff, seit vielen Jahren üblich und werden erfolgreich zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Wollen Sie auch die Todesstrafe, die gibt es woanders auch?! Das ist doch kein Argument!)

Nächster Punkt, sehr geehrte Frau Abgeordnete Schmidt: Frau Abgeordnete Fekter hat schon sehr richtig gesagt, daß es bei diesen neuen Fahndungsmethoden nicht um die Bekämpfung der herkömmlichen Kriminalität geht. (Abg. Dr. Schmidt: Warum regeln Sie es dann so, wie Sie es regeln wollen?) Es geht um die Bekämpfung von Schwerstkriminalität, von Kriminalität, die mit über zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, und darum, gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen – und das ist sehr wichtig. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist auch sehr wichtig, daß manche Vorurteile, die heute hier gebracht wurden, richtiggestellt werden.


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Dieser Fragebogen, den Sie zitiert haben – ich kenne ihn nicht (Zwischenrufe beim Liberalen Forum) –, ist gesetzwidrig. Es gibt aus dem Jahr 1995 einen Bescheid des Innenministeriums an die Landesregierung des Burgenlandes. Wenn dieser nicht eingehalten wird, dann bin ich der erste, der mit Ihnen gemeinsam dagegen vorgeht. Und ein Fragebogen, der gesetzwidrig weitergegeben wird, ist für Rasterfahndungen nicht zu verwenden, weil wir keine Verrasterung mit Daten vornehmen dürfen, die gesetzwidrig erhoben wurden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Weiters haben Sie in diesem Zusammenhang die Lokale für Homosexuelle angeschnitten und gemeint, daß die österreichische Exekutive diese Lokale für Homosexuelle betritt und erkennungsdienstliche Maßnahmen setzen würde. Das geht nicht so einfach, wie Sie das hier blauäugig dargestellt haben, Frau Abgeordnete.

Was heißt "erkennungsdienstlich" – ich habe es mir herausschreiben lassen –: Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind technische Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen. (Abg. Dr. Schmidt: Richtig!) Also zum Beispiel Fingerabdrücke, dazu muß jemand etwas getan haben, denn man kann nicht so leicht von jemandem Fingerabdrücke machen. – Ich meine daher, daß da sehr bewußt Dinge in den Raum gestellt werden, die nicht stimmen. (Abg. Dr. Kier: Photografieren ist das auch! Auch ein Photo ist das! – Abg. Dr. Schmidt: Photos von Demonstrationen fallen darunter!)

Für mich ist es wichtig, daß es da keinesfalls um die Beeinträchtigung von bürgerlichen Grundwerten oder um das Herumstöbern in Datenbeständen oder gar im Privatleben von Österreicherinnen und Österreichern geht. Das wollen wir nicht haben, dagegen wenden wir uns, und dazu dient es auch nicht. (Abg. Dr. Schmidt: Warum regeln Sie es dann so?) All jene Maßnahmen, die wir gesetzt haben, dienen ausschließlich der Bekämpfung von Kriminalität im Bereich des Terrorismus, des Suchtgifthandels und des Menschenhandels. (Abg. Dr. Kier: Was heißt "gesetzt haben"?)

Ich kann Ihnen sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir haben diese Bedenken wirklich sehr ernst genommen – es ist das ja schon erwähnt worden –, beispielsweise jene hinsichtlich des besonderen Rechtsschutzes, indem wir einen Rechtsschutzbeauftragten vorgesehen haben.

Zweitens zum Schutz der Berufsgeheimnisträger – es ist ja nicht so, wie es Abgeordneter Ofner dargestellt hat, daß bei Rechtsanwälten und bei anderen nach Belieben gelauscht werden kann. Es ist klar festgestellt, wer die Berufsgeheimnisträger sind, und bei diesen kann man nur dann lauschen, wenn die Tat wirklich nicht anders aufzuklären und dieser Berufsgeheimnisträger selbst verdächtig ist. Wenn eine verdächtige Person zu ihm kommt, er selbst aber nicht verdächtig ist, kann nicht gelauscht werden – das sollte man auch klar sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Graf und Dr. Ofner. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns auch bei der Rasterfahndung, beim automationsunterstützten Datenabgleich sehr bemüht. Diesen Datenabgleich machen wir schon seit vielen Jahren, jedoch unter schwierigen Bedingungen, mit hohem Personeneinsatz, mit vielen Stunden Arbeit, und nun wollen wir das automationsunterstützt durchführen. Dieser Datenabgleich dient dazu, daß man leichter auf einen möglichen Schwerverbrecher, auf einen Täter kommen kann. (Abg. Dr. Kier: Sie sollten das Datenschutzgesetz lesen!)

Es ist klargestellt, daß es bei diesem Datenabgleich zu keinem Zugriff auf private Daten kommt. Ich halte es für sehr wichtig, daß wir das geändert haben. Die von Ihnen zitierten Organe "Zukunft" und "Aula" können in diesem Zusammenhang nicht verwendet werden, weil klar festgelegt ist, daß Daten über die politische Einstellung, über die religiöse Einstellung, über die Herkunft und über die sexuelle Orientierung nicht verwendet werden dürfen.

Ich könnte die Aufzählung, wie wir auf die Bedürfnisse der Gegner eingegangen sind, beliebig fortsetzen. Ich denke zum Beispiel nur daran, daß wir den Geheimnisschutz sehr ernst nehmen werden, daß wir eine zeitliche Befristung der Bewilligung einführen und das Gesetz befristet einführen.


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Da die Abgeordnete Stoisits schon darauf wartet, daß sie noch vor der Behandlung der Dringlichen Anfrage sprechen kann (Abg. Mag. Kammerlander: Ja, aber jetzt ist es schon zu spät, weil Sie so unhöflich sind! – Abg. Tichy-Schreder: Was ist da unhöflich?), darf ich nur noch sagen: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß wir die Anliegen der Gegner wirklich sehr ernst genommen haben, und ich kann Ihnen mit bestem Wissen und Gewissen empfehlen, diese Gesetzesvorlage zu unterstützen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.58


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Es stünden jetzt der nächsten Rednerin, Frau Abgeordneter Mag. Stoisits, nicht einmal ganz 2 Minuten zur Verfügung, ich müßte sie dann unterbrechen, daher frage ich Sie, Frau Abgeordnete, ob Sie jetzt sprechen wollen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.58

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, was das ist? (Die Rednerin hält ein Mikrophon in die Höhe. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Das ist ein sogenanntes Richtmikrophon mit Parabolspiegel. (Abg. Schwarzenberger: Eine Bestrahlungslampe für das Baby!) Meine Damen und Herren! Nehmen Sie sich in Zukunft in acht vor solchen Dingen! (Abg. Mag. Stadler: Wo steht das?) Man darf es zwar besitzen als Privatbürger (die Rednerin berührt das Saalmikrophon)  ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete! Passen Sie bitte auf die Mikrophone auf. – Danke schön.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Künftig gibt es keinen Ort mehr (Ruf bei der ÖVP: Das wird nur auf Verbrecher gerichtet sein!), wo Sie flüsternde Zwischenbemerkungen machen können, denn mit solch einem Ding können Sie 300 Meter weit alles, was gesprochen wird, aufnehmen, mithören, ablauschen (Abg. Schwarzenberger: Haben Sie das schon in Verwendung?)  – 300 Meter! Es ist nicht wie bei Funktelephonen, die man zu Hause hat, wo keine Mauer dazwischen sein darf – sondern das funktioniert auch durch Panzerglasscheiben, durch Wände, einfach durch alles! Alles wird mitgehört! (Abg. Schwarzenberger: Wen haben Sie damit belauscht?) Nehmen Sie sich in acht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Herr Kollege Mühlbachler! Ich bezweifle ja, daß es bei Ihnen tatsächlich etwas zu belauschen gibt.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete! Bitte um den Schlußsatz, oder ich müßte Sie sonst in Ihren Ausführungen unterbrechen.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was heute hier zur Debatte steht, bedeutet für die Zukunft mehr Überwachungsstaat und weniger bürgerlicher Rechtsstaat. (Abg. Dr. Fekter: Mehr Sicherheit für die Bürger heißt das!) Das bedeutet mehr Überwachungsstaat, der den einzelnen Bürger und die einzelne Bürgerin völlig ins Visier nimmt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mir geht es darum, daß die Einschränkung von Grundrechten des einzelnen hier und heute im Zentrum dieser Diskussion steht ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete, sprechen Sie bitte den Satz als Schlußsatz zu Ende! Sonst müßte ich Sie jetzt unterbrechen.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Mir geht es um die bürgerlichen Grundrechte und nicht um ein Sicherheitsplacebo, das der österreichischen Bevölkerung hier verabreicht werden soll. Es geht um mehr Sicherheit, aber nicht durch die Einschränkung von Grundrechten. Darum geht es heute! – Nach der Dringlichen Anfrage mehr davon. (Beifall bei den Grünen.)

15.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ihre Ausführungen sind damit unterbrochen.

Ich unterbreche nun die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 3 und 4, um die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage aufzunehmen.

(Die Sitzung wird um 15.01 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wiederaufgenommen. )

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Haigermoser und Kollegen an den Bundeskanzler

betreffend Proporzpolitik statt Wirtschaftspolitik (2738/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 2738/J. Da diese inzwischen an alle Abgeordneten verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die Konkurrenzfähigkeit Österreichs hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert.

Dafür maßgebend war, daß die österreichische Bundesregierung auf die geänderten Rahmenbedingungen, wie z.B. die Beseitigung von Handelshemmnissen und den ,ohne wenn und aber’ erfolgten Beitritt zur Europäischen Union (EU), nicht durch entsprechende Maßnahmen reagiert hat. Die Bundesregierung hat die dramatischen Änderungen der Rahmenbedingungen zum einen nicht einmal erkannt und zum anderen eine bloße Ankündigungspolitik betrieben. Erforderliche ,Hausaufgaben’, welche die logische Konsequenz dafür gewesen wären, um den Wirtschaftsstandort zu sichern, wurden nicht oder unzureichend erledigt. Dies hat zu Folge, daß Österreichs Wettbewerbsfähigkeit, wie nachfolgende Kenngrößen verdeutlichen, massiv beeinträchtigt wurde:

Hinsichtlich der Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften stuft das in Genf beheimatete ,’World Economic Forum’ Österreich unter 53 Ländern auf Rang 27 ein (1994: 12), das konkurrierende Schweizer ;Institut für Management und Entwicklung’ setzt Österreich auf Rang 19 (1995: 11).

Nach den im ,World Economic Outlook’ der OECD jüngst veröffentlichten Prognosen rangiert Österreich in puncto Wirtschaftswachstum im EU-Raum an vorletzter Stelle.

Im Jahresreport 97 des ;Economic Freedom Index’, einer Studie über bürokratische Wirtschaftshemmnisse, ist Österreich von Rang 36 des Vorjahres aus den Top 40 auf Platz 41 abgestürzt und liegt somit hinter Ländern wie Mauritius oder Fidschi.

Der Anteil der tatsächlich Erwerbstätigen an der erwerbsfähigen Bevölkerung hat sich in Österreich binnen 25 Jahren (zwischen 1960 und 1995) von 71,1 Prozent auf 67,2 Prozent verringert, wodurch Österreich innerhalb der EU abgeschlagen im Hinterfeld liegt. In diesem Zusammenhang kritisiert die OECD in ihrem Wirtschaftsbericht 1997 die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung wie folgt: Um die geringe arbeitsplatzschaffende Kapazität der Wirtschaft zu stärken, müssen Entscheidungen über strukturelle Reformen und wesentlich größere institutionelle Flexibilität seitens der Sozialpartner getroffen werden. Dazu paßt auch, daß die sich in den letzten Jahren massiv verschlechternde Arbeitsmarktsituation – die im letzten Winter mit mehr als 300 000 Arbeitslosen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat – noch dadurch statistisch verfälscht wird, daß arbeitswillige Personen aus dem Arbeitsmarkt in die Frühpension gedrängt werden. Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß die echte Arbeitslosigkeit laut Experten bei 12 Prozent liegt, und daß das Pensionssystem mittlerweile unfinanzierbar geworden ist.


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Das WIFO verweist in seinem Kommentar vom Mai 1997 über ,Die Kosten des Paktes für Stabilität und Wachstum’ darauf, daß die aktuelle Budgetdefizitquote zum Großteil durch das strukturelle Defizit bestimmt wird. Die Bundesregierung hat, um von den von ihr verschuldeten strukturellen Schwächen abzulenken, in den letzten Jahren auf Kosten der nächsten Generationen gewirtschaftet, um so dringend notwendige strukturverbessernde Maßnahmen nicht in Angriff nehmen zu müssen, wodurch sie die proporzmäßige Aufteilung Österreichs erhalten und ausbauen konnte.

Einen weiteren Indikator für die internationale Wettbewerbsfähigkeit bildet die Leistungsbilanz. Im Waren- und Dienstleistungsaustausch klafft seit 1995 ein Loch von jährlich ca. 40 Mrd. öS. Das jährliche Handelsbilanzdefizit beläuft sich bereits auf über 120 Milliarden Schilling. Vergleicht man die Leistungsbilanzsalden in Prozent des BIP mit jenen der EU-Mitgliedsstaaten, so befindet sich Österreich auch bei dieser Rangordnung an vorletzter Stelle.

Eine Ursache für das auf über 40 Milliarden Schilling angewachsene Leistungsbilanzdefizit ist der deutliche Rückgang der Reiseverkehrsüberschüsse von 67 Milliarden Schilling 1992 auf 23 Milliarden Schilling 1996.

Nicht zuletzt zeigt auch, daß Österreich im internationalen Vergleich mit 23 Prozent über eine bescheidene Exportquote verfügt, die nach Expertenansicht für Staaten von der Größe Österreichs bei zumindest 30 Prozent liegen sollte.

Als Gründe für diese bescheidene Exportquote geben selbst die von dieser Regierung beauftragten Experten Dipl.-Ing. Pühringer und Dr. Dernoscheg folgende für den Export hemmende Schwachstellen zu:

unterkritische Größe, geringe Eigenkapitalausstattung, Risikokapital nicht zugänglich, Ausbildung nicht exportorientiert – daher Vertriebsschwäche, preissensitive Massenprodukte – daher schlechte Wettbewerbsposition, suboptimaler Informationsfluß zwischen Exportländern/projektvorbereitenden Stellen und österreichischer Wirtschaft, Unterstützung bei Projektvorhaben in Exportländern ist verbesserungswürdig, Österreich hat Kultur- und Freizeitimage, jedoch kein ,Technologie-Knowhow-Image’.

Weiters führen die Verfasser des Technologieberichtes, GD Dipl.-Ing. Hochleitner und Univ.-Prof. Dr. Schmidt noch aus, daß eine Erhöhung der technologischen Leistungsfähigkeit der österreichischen Unternehmen dringend geboten ist, da diese eine der wichtigsten Vorbedingungen für eine verbesserte Exportperformance ist.

Mit einer F&E (Forschung und Entwicklung)-Quote von 1,5 Prozent liegt nämlich Österreich weit unter dem OECD-Schnitt von über 2 Prozent. In dem von den zuletzt genannten Experten erstellten Bericht wird hervorgehoben, daß Österreich zuwenig für Forschung und technologische Entwicklung (FTE) ausgibt, wobei sowohl die Forschungsanstrengungen der Wirtschaft als auch deren staatliche Unterstützung zu gering ausfallen. Die Folge davon ist eine gefährliche Technologielücke (strukturelles Außenhandelsdefizit im Hochtechnologiesektor), die sich in stark negativen Patent- und Lizenzbilanzen sowie in einem vergleichsweise niedrigen Warenwert der Exporte niederschlägt. Deshalb ist der Anteil der High-Tech Güter an den Gesamtexporten sehr gering: Gegenüber dem OECD-Durchschnittswert von 17,5 Prozent Hochtechnologieanteil am gesamten Industriewarenexport liegt Österreich mit 8,2 Prozent weit zurück. Dipl.-Ing. Hochleitner und Dr. Schmidt weisen zu recht darauf hin, daß diese Situation für ein Hochlohnland kaum haltbar ist.

Unisono erklärten die vier oben angeführten, von der Regierung beauftragten Experten, daß der Risikokapitalmarkt in Österreich unterentwickelt ist. Österreich weist mit einer Börsenkapitalisierung von 16 Prozent einen äußerst schlechten Wert auf.

Diese Expertenanalysen führen das Versagen der Bundesregierung deutlich vor Augen. Die Bundesregierung hat in ihrer mehr als zehnjährigen Amtszeit bewirkt, daß die Probleme nicht nur nicht gelöst wurden, sondern sich – wie die internationalen Kenndaten zeigen – in einem be


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sonderen Ausmaß verstärkt haben. Dies zeigt, daß die bloße Ankündigung von Exportoffensiven (mittlerweile 15) nicht ausreicht, diese Probleme zu lösen.

Auch die nunmehrige ,16. Exportoffensive’ muß bei näherer Betrachtung der anläßlich der Ruster Regierungsklausur vorgestellten Maßnahmen als Fortsetzung der bisherigen Politik und somit als gefährliche Drohung angesehen werden, zumal sie keinerlei Ansatz zu strukturellen Reformen beinhaltet.

Sie beinhalten bloß ein phantasieloses Fortschreiten der bisherigen verfehlten, die zukünftigen Budgets belastenden, arbeitsplatzvernichtenden, defensiven und proporzmäßig ausgerichteten Wirtschaftspolitik.

Dies zeigt sich insbesondere an Hand folgender Beispiele:

Im Zuge des am 12. Jänner 1997 abgeschlossenen Koalitionsübereinkommens anläßlich des CA-Verkaufs wurde festgelegt, daß je eine Milliarde für Export und Forschung/Entwicklung für die Jahre 1997 bis 1999 zur Verfügung gestellt wird. Diese Mittel wurden entgegen mehrerer Zusagen bis dato nicht flüssig gemacht. Nunmehr wird die Technologie-Milliarde trotz der oben aufgezeigten Mängel im Technologiebereich um ein Drittel gekürzt.

Gegenüber den GUS-Staaten soll eine weniger restriktive Haltung bei der Risikoübernahme erfolgen. Dies trotz des Umstandes, daß mittlerweile mangels Zahlungsfähigkeit bereits mehr als 103 Milliarden Schilling an garantierten Exportforderungen umgeschuldet worden sind, wovon 70 Milliarden Schilling auf die ehemaligen Ostblockstaaten und hiervon wieder mehr als 30 Milliarden Schilling auf die ehemaligen GUS-Staaten entfallen. Es ist allgemein bekannt, daß vor kurzem mit Rußland die 5. Umschuldung über einen Betrag von 31 Milliarden Schilling durchgeführt wurde. Als Rückzahlungszeitpunkt ist hierbei ein Zeitraum bis zum Jahre 2020 vorgesehen, wobei bis 2002 nur Zinsenzahlungen anfallen. Seit 1992 hat Rußland 2,6 Milliarden an Zinsen zurückbezahlt.

Die Ausweitung der Haftungsübernahmen auch auf Exportgeschäfte mit überwiegend ausländischer Wertschöpfung wird dazu führen, daß im Inland Arbeitsplätze verloren gehen.

Eine Erleichterung der Ausländerbeschäftigung durchzuführen, ist in Anbetracht der derzeitig in Österreich bestehenden Arbeitsmarktlage – siehe Arbeitslosenrekord von mehr als 300 000 im letzten Winter – höchst unverantwortlich und keinesfalls vertretbar.

Solange die inländische Wirtschaft durch Belastungspakete (Mindest-KöSt, Streichung des Verlustvortrages, Werkvertragsregelung etc.) massiv belastet wird, ist die steuerliche Anerkennung von Anlaufverlusten ausländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften und die Schaffung eines ,Anrechnungsvortrages’ ausländischer Quellensteuern zumindest gegenüber den KMUs nicht zu rechtfertigen.

Zwingende Aufrechterhaltung des bestehenden Systems der Außenhandelsstellen der Wirtschaftskammer: Es ist bezeichnend, daß diese Forderung erhoben wurde, obwohl zum einen einige Außenstellen nicht sehr erfolgreich agiert haben, und zum anderen die Wirtschaftskammer eine Reihe von Dienstleistungen eingeschränkt oder eingestellt hat. Erwähnenswert ist auch, daß die Wirtschaftskammer vor nicht allzu langer Zeit 200 Millionen Schilling aus der Außenhandelsförderung zur Sicherung der Pensionen umgeleitet hat. Dazu paßt auch, daß die von der exportierenden Wirtschaft zu Unrecht einbehaltenen Außenhandels-förderungsbeiträge in Höhe von mehr als 3 Milliarden seit Jahren großteils nicht zurückbezahlt wurden.

Auffällig ist, daß der Bundesregierung die bisherige proporzmäßige Besetzung in der OeKB nicht reicht und diese den Proporz nun auch in ein neu zu errichtendes Büro für Forschung und Technologie (BFT) übertragen will. So ist beabsichtigt, daß der Aufsichtsrat von der Bundesregierung auf Vorschlag von Bundeskanzler und Vizekanzler bestellt werden soll. Zur Absicherung des Proporzes ist auch festgelegt, daß in dem Fonds für Kompetenzzentren, Impulsprogramme und Regierungsinitiativen (KIR-Fonds) ein Teil der Mitglieder des Aufsichtsrates ad


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personam ohne öffentliche Ausschreibung bestimmt werden soll, und daß für einen Teil der Aufsichtsräte (2 bis 4) das Nominierungsrecht den Sozialpartnern zustehen soll.

Gerade der letzte Punkt zeigt äußerst deutlich auf, daß es der Bundesregierung und insbesondere dem Bundeskanzler nicht daran liegt, von der proporzmäßigen Besetzung von maßgeblichen Funktionen Abstand zu nehmen. So wie die bisherigen 15 Exportoffensiven erwies sich auch das von Bundeskanzler Klima proklamierte 5-Punkte-Programm als bloßes Lippenbekenntnis. Dies beweisen auch die seit der Proklamation dieses Programms erfolgten Postenbesetzungen im Bereich der OeNB, OeKB, PSK, ÖBB und CA.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler die nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Wie kommentieren Sie den Erfolg der bisherigen 15 Exportoffensiven angesichts der von den Regierungsbeauftragten DI Pühringer und Dr. Dernoscheg aufgezeigten Schwachstellen?

2. Wie beurteilen Sie den Erfolg der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung vor dem Hintergrund des Umstandes, daß Österreich im Hinblick auf die internationalen Kenndaten stark abgerutscht ist?

3. Wie schätzen Sie Ihren Anteil am offenkundigen Mißerfolg der Wirtschaftspolitik der Koalitionsregierung ein und werden Sie daraus Konsequenzen ziehen?

Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

4. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Kritik der OECD in ihrem Wirtschaftsbericht 1997, wonach Entscheidungen über strukturelle Reformen überfällig sind?

5. Welche Veranlassungen wird die Bundesregierung im Hinblick auf die Aussage des WIFO vom Mai 1997, daß die aktuelle Budgetdefizitquote zum Großteil durch das strukturelle Defizit bestimmt wird, im Zuge der Budgeterstellung für 1998/1999 treffen?

6. Teilen Sie die Einschätzung, daß das Handelsbilanzdefizit auch im Jahr 1997 mehr als 120 Milliarden Schilling betragen wird, und inwieweit ist dafür die Bundesregierung verantwortlich?

7. Welche Sofortmaßnahmen wird die Bundesregierung im Hinblick auf den neuerlich zu erwartenden massiven Rückgang des Tourismus in Österreich treffen?

8. Wie rechtfertigt die österreichische Bundesregierung, daß laut Expertenmeinungen bis dato zu wenig für Forschung und Technologieentwicklung (FTE) ausgegeben wird?

9. Welche Mittel werden Sie innerhalb welcher Zeit zur Verfügung stellen, um die F&E-Quote von bisher 1,5 Prozent auf den OECD-Durchschnitt von über 2 Prozent anzuheben?

10. Inwieweit ist die österreichische Bundesregierung dafür verantwortlich, daß die Patent- und Lizenzbilanzen stark negativ sind?

11. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um möglichst rasch den Anteil der High-Tech-Güter an den Gesamtexporten von derzeit 8,2 Prozent zumindest auf den OECD-Durchschnittswert von 17 Prozent anzuheben?

12. Wie rechtfertigen Sie, daß die im Zuge der am 12. Jänner 1997 anläßlich des CA-Verkaufes abgeschlossenen Koalitionsvereinbarung zugesagte Forschungsmilliarde bisher nicht nur nicht ausbezahlt wurde, sondern nunmehr sogar um ein Drittel gekürzt werden soll?


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13. Wie erklären Sie die Lockerung der Deckungspolitik gegenüber den GUS-Staaten angesichts des Umstandes, daß bereits derzeit mangels Zahlungsfähigkeit dieser Staaten mehr als 30 Milliarden Schilling an garantierten Exportforderungen aushaften und uneinbringlich sind?

14. Wie werden Sie dafür Sorge tragen, daß die negativen Erfahrungen der Vergangenheit mit den GUS-Staaten ausgeschaltet werden?

15. Auf welche Weise unterscheidet sich die jüngste Exportoffensive der Bundesregierung von den bisher angekündigten Initiativen?

16. Wer trägt dafür die Verantwortung, daß laut den Aussagen der Regierungsbeauftragten DI Hochleitner und Dr. Schmidt in Österreich eine gefährliche Technologielücke besteht, die die Stellung Österreichs als Hochlohnland ernsthaft gefährdet?

17. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die derzeit aushaftenden und bereits mehrmals umgeschuldeten Forderungen von mehr als 103 Milliarden Schilling hereinzubringen?

18. Wie begründet die Bundesregierung die Ausweitung der Haftungsübernahmen auch für Exportgeschäfte mit überwiegend ausländischer Wertschöpfung?

19. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die beabsichtigte Erleichterung der Ausländerbeschäftigung in Anbetracht der derzeitigen tristen Arbeitsmarktdaten?

20. Auf welchen Überlegungen beruht die Absicht der Bundesregierung, ausländische Betriebsstätten und Tochtergesellschaften steuerlich zu fördern?

21. Wie erklärt die Bundesregierung die Absicht, einen ,Anrechungsvortrag’ ausländischer Quellensteuer zu schaffen, im Hinblick auf die im Zuge der Belastungspakete vorgenommene Streichung des Verlustvortrages?

22. Wie rechtfertigen Sie den Umstand, daß auf Kosten der österreichischen Unternehmer derzeit bestehende – wie die Kenndaten zeigen – äußerst ineffiziente Organisationen im Bereich der Exportförderungen aufrechterhalten werden sollen?

23. Wie beurteilen Sie den Umstand, daß die Wirtschaftskammer ihre Leistungen im Bereich der Außenhandelsstellen stark reduziert hat bzw. einstellen mußte, da sie vor nicht allzu langer Zeit dreistellige Millionenbeträge von der Ausfuhrförderung zur Absicherung der Kammerpensionen umgewidmet hat?

24. Wie begründen Sie die beabsichtigte proporzmäßige Aufteilung der Funktionen im Aufsichtsrat des Büros für Forschung und Technologie im Hinblick auf Ihr Fünf-Punkte-Programm?

25. Wie rechtfertigen Sie die proporzmäßige und sozialpartnerschaftlich ausgerichtete beabsichtigte Besetzung des Aufsichtsrates im KIR-Fonds im Hinblick auf Ihr Fünf-Punkte-Programm?

26. Wie rechtfertigen Sie die seit der Präsentation Ihres Fünf-Punkte-Programmes erfolgten proporzmäßigen Besetzungen im Bereich der OeNB, OeKB, PSK, ÖBB und CA?

27. Die bisherige Art der Exportförderung in Österreich hat dazu geführt, daß die Banken als Nutznießer des bisherigen Systems ein Kreditvolumen von mehr als 350 Milliarden Schilling für Exporte überwiegend in die ehemaligen Ostblockstaaten und Entwicklungs- sowie Schwellenländer aufbauen konnten, wobei das Risiko allerdings verstaatlicht wurde.

28. Warum glauben Sie, daß diese Art der Exportförderung auch in Zukunft beibehalten werden soll?

29. Sind Sie der Auffassung, daß die unentgeltliche Verstaatlichung des Risikos der Banken tatsächlich auch in Zukunft ein zielführender Weg ist?


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Wenn ja, warum nicht? Wenn nein, welche Maßnahmen planen Sie in diesem Zusammenhang?

30. Wird die Bundesregierung bzw. deren Mitglieder in Zukunft in verstärktem Maß Einfluß auf die Gestaltung der Konditionen (insbesondere der Zinssätze) der für die Banken risikolosen Exportkredite ausüben?

Wenn ja, inwieweit? Wenn nein, warum nicht?

31. Wodurch glauben Sie sicherstellen zu können, daß in Hinkunft ein größerer Kreis von Unternehmungen eine Exportförderung erhalten kann?

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum ehestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundeskanzler wird von Herrn Staatssekretär Dr. Wittmann vertreten.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Haigermoser als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort.

Zuerst hat sich aber Herr Abgeordneter Stadler zur Geschäftsbehandlung gemeldet. – Bitte sehr.

15.02

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Die gegenständliche Dringliche Anfrage richtet sich an den Bundeskanzler. Mir wurde mitgeteilt, daß der Herr Bundeskanzler nicht entschuldigt ist, und es wurde mir auch mitgeteilt, daß in der Früh keine Vertretungsregelung angekündigt wurde. Daher ersuche ich, die Beratungen über die Dringliche Anfrage bis zum Erscheinen des Bundeskanzlers zu unterbrechen.

15.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Staatssekretär (Beifall bei den Freiheitlichen)  – entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Mag. Stadler! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Staatssekretäre sind weisungsgebunden. Ich weiß nicht, ob Sie große Freude mit einer solchen Funktion hätten!

Ich teile dem Hohen Haus folgendes mit: Der Herr Bundeskanzler ist nicht im Ausland, daher gibt es keine Vertretung im Sinne der Bundesverfassung für den Fall des Auslandsaufenthaltes, er befindet sich in Salzburg. Er hat um 15 Uhr und um 16.30 Uhr Termine, was den Fraktionen von der Parlamentsdirektion schriftlich mitgeteilt wurde. Es handelt sich hiebei um Gespräche mit ausländischen Staatsoberhäuptern, und diese Termine wurden vor einigen Tagen angesetzt.

Der Staatssekretär ist verfassungsgemäß zur parlamentarischen Vertretung des Bundeskanzlers befugt, wie das ausdrücklich in der Verfassung und in der Geschäftsordnung festgehalten ist. Es handelt sich nicht um eine Auslandsreise mit der Vertretung durch ein anderes Regierungsmitglied, sondern um eine parlamentarische Vertretung im Sinne der Geschäftsordnung und der Bundesverfassung. Das ist die Gesetzeslage, die ich hiemit dem Hohen Haus mitteilen wollte.

Herr Abgeordneter Stadler noch einmal zur Geschäftsbehandlung. – Bitte sehr.

15.04

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Wir haben vermutet, daß sich der Herr Bundeskanzler in Österreich aufhält. Sonst hätten wir keine Möglichkeit, sein Erscheinen im Hohen Haus zu verlangen.


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Daher ersuche ich Sie noch einmal, daß die Beratungen bis zum Erscheinen des Herrn Bundeskanzlers unterbrochen werden.

15.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Kollege Dr. Nowotny.

15.05

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Sie haben eben freundlicherweise Herrn Mag. Stadler die verfassungsrechtlichen Grundlagen dargelegt. Ich bitte Sie, entsprechend der Verfassung vorzugehen, die vorsieht, daß der Staatssekretär zur Vertretung des Bundeskanzlers befugt ist.

15.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Stadler! Ich kann Ihre Anregung nur so auffassen, daß Sie einen Antrag stellen, der Nationalrat möge beschließen, die Anwesenheit des Bundeskanzlers zu verlangen. – Das ist möglich. Wenn ein solcher Beschluß die Mehrheit findet, dann ist die Sitzung bis zu dessen Anwesenheit zu unterbrechen. Ist das so gemeint? – Gut.

Meine Damen und Herren! Dann wird über den Antrag des Herrn Abgeordneten Stadler abgestimmt, im Sinne der Bestimmung der Geschäftsordnung einen Beschluß auf Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers zu fassen.

Ich darf jene Damen und Herren, die dem Antrag des Kollegen Stadler zustimmen, um ein Zeichen bitten. – Der Antrag hat nicht die Mehrheit. Er ist daher abgelehnt.

Daher erhält nun Herr Abgeordneter Haigermoser zur Begründung der Anfrage das Wort.

15.06

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen! Meine Herren! Hohes Haus! Ich habe die Mehrheitsentscheidung des Hauses nicht zu kommentieren. – Herr Präsident! Faktum ist, daß die Parlamentstermine bereits seit mehr als einem Jahr bekannt sind. Das heißt, daß sich Herr Klima darauf einstellen hätte können. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Er muß als Chef der Regierung dessen gewärtig sein. Denn die Regierung steht heute zur Debatte, meine Damen und Herren, und nicht die Opposition! (Ruf bei der SPÖ: Wo ist Haider? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Jetzt wende ich mich an die linke Seite des Hauses: Am Wort ist Abgeordneter Haigermoser!

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): Nicht die Opposition ist im Gespräch, sondern die Bundesregierung hat diesem vom Volk gewählten Parlament Rede und Antwort zu stehen, meine Damen und Herren! Und wenn der Herr Bundeskanzler – ich möchte das nicht beurteilen – Zeit für Phototermine mit einem Wasserkübel hat, dann hat er auch für das Parlament Zeit zu haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich werde mich trotzdem in Abwesenheit an ihn wenden und zum heutigen Thema einige Anmerkungen machen. – Keinen treffenderen Titel könnte man für die österreichische Wirtschaftspolitik wählen als: "Proporz statt Wirtschaftspolitik". Denn diese Überschrift verfolgt uns allenthalben im wirtschaftspolitischen Handeln der derzeitigen sozialistischen Koalitionsregierung.

Schauen wir uns einmal die Exportoffensive an: Die 16. Exportoffensive der zitierten sozialistischen Koalitionsregierung wurde in Rust geboren. Sechzehnmal gab es Ankündigungen, sechzehnmal Lippenbekenntnisse, sechzehnmal Halbherzigkeiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die "Salzburger Nachrichten" glossieren die Ruster Vorkommnisse vom 10. Juni 1997: "Wer lange am Ufer sitzt, sieht viele Exportoffensiven den Bach hinab beziehungsweise den Neusiedlersee hinaus treiben." – Meine Damen und Herren! Das sagt die unabhängige Presse.


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Der Leitsatz, welchen die beiden Beauftragten der Bundesregierung für eine allfällige Exportoffensive, für eine Wirtschaftspolitik ohne Proporz gewählt haben, ist an sich zu unterstützen. Aufgabe, meinen die beiden Genannten, ist die Entwicklung und Konkretisierung von Maßnahmen zur mittelfristigen Steigerung des österreichischen Exportvolumens um 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das sind rund 72 Milliarden Schilling. – So weit, so gut. Das ist ein hehres Unterfangen, welches selbstverständlich auch von der freiheitlichen Opposition in diesem Grundsatz zu unterstützen ist.

Wie schaut es aber mit den Fakten aus? – Die Begleitmusik ist eine ganz andere!

Ganz kurz ein Blick zurück, nicht im Zorn, sondern um nicht zu vergessen, mit welchen ankündigungspolitischen Handlungen die seinerzeitigen sozialistischen Koalitionsregierungen gearbeitet haben – nämlich ebenso, wie die heutige sozialistische Koalitionsregierung arbeitet: Der bereits fast in Vergessenheit geratene Franz Vranitzky verkündete einer staunenden Öffentlichkeit am 18. Dezember 1990 zum Thema "Privatisierung nach Kriterien der Zweckmäßigkeit": Ein Bestandteil einer stärkeren privatwirtschaftlichen und marktwirtschaftlichen Orientierung ist die Verringerung staatlichen Einflusses auf die Banken. – Ende des Zitats. 1990 hat das Vranitzky, wie weiland die Brüder Grimm, verkündet, meine Damen und Herren!

Meine Damen und Herren! Genau diesen staatlichen Einfluß, der 1990 abgeschafft werden hätte sollen, finden wir jedoch heute stärker denn je, zum Beispiel bei der Oesterreichischen Kontrollbank, über welche zu einem Gutteil, im Verein mit den parteiabhängigen Kommerzbanken, die Exportgarantien gelaufen sind und weiter laufen sollen. Glauben Sie ja nicht, daß der selbst ernannte Theaterexperte Scholten, der jetzt dorthin – unter Anführungszeichen – "versetzt" wurde, plötzlich die Parteipolitik schubladisieren wird! Er wird selbstverständlich im Sinne der Parteipolitik die Kredite vergeben, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Natürlich!) Denn im innersten Herzen ist er ein in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat, und die Sozialdemokratie hat von Wirtschaft noch nie etwas verstanden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Ergebnis ist klar und deutlich: In den Jahren der – unter Gänsefüßchen – "tatkräftigen Mithilfe" des Herrn Klima, Verkehrsminister, Finanzminister, aufgestiegen zum Kanzler, hat sich die Situation und die Qualität des Wirtschaftsstandortes Österreich dramatisch verschlechtert, trotz des Fleißes der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in diesem Lande, meine Damen und Herren! Das zeigen die Statistiken allenthalben, zum Beispiel jene des in Genf beheimateten "World Economic Forum", in welcher Österreich auf den 27. Platz eingestuft wird. 1994 waren wir auf Platz 12 , meine Damen und Herren! Das konkurrierende Schweizer "Institut für Management und Entwicklung" setzt Österreich auf Rang 19, während wir 1995 auf Rang 11 waren. Und im Jahresreport 1997 des "Economic Freedom Index" ist Österreich vom Rang 36 des Vorjahres auf Platz 41 abgestürzt.

Wer ist denn da zuständig, meine Damen und Herren? – Doch nicht der heilige Nikolaus! Vielleicht der Herr Staatssekretär, der in jugendlicher Unschuld jetzt auf der Regierungsbank dulden muß.

Meine Damen und Herren! Schuld an dem ganzen ist die sozialistische Koalitionsregierung mit ÖVP-Restbeteiligung! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese ist schuld, daß uns diese Zahlen ins Stammbuch geschrieben wurden. Und da sagen noch vor wenigen Tagen die "Zwillinge" Farnleitner und Edlinger als Sprachrohr des Herrn Klima: Alles nicht so schlimm!, frei nach dem Motto: Verkauft’s mein G’wand, ich fahr in ’n Himmel! (Abg. Dr. Lukesch: Das ist falsch!)

Meine Damen und Herren! Herr Professor Lukesch! Mit einer solchen Regierungspolitik werden Sie bei den Österreichern nicht punkten! Sie sollten sich daher die Umfragen anschauen. (Abg. Dr. Lukesch: Die kenne ich!) Herr Lukesch! Ich meine die Umfragen und die entsprechende Stimmung in der Bevölkerung: Sie werden bei der nächsten Nationalratswahl mit 20 Prozent, und wenn Sie so weitermachen, 18 Prozent nach Hause bringen. – Aber das soll mir recht sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt geht der Streit aber fröhlich weiter. Gestern haben wir ein Trauerspiel letztklassiger Art in diesem Haus gesehen – ich möchte ja nicht das Wort "Nötigung" verwenden. Vielleicht gibt es


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keinen Ordnungsruf, wenn man sagt: Eine Abgeordnete wurde zur Abstimmung gezerrt. – Dafür bekomme ich wohl sicherlich keinen Ordnungsruf, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Das entspricht der Realität!) Sie muß selber fertig werden mit ihrem demokratiepolitischen Verständnis.

Sie sagen: Die Freiheitlichen müssen wir ausgrenzen, sie sind keine Demokraten. – Sehen Sie doch selbst einmal unter "demokratiepolitisches Benehmen" nach! Diese Seite haben Sie wahrscheinlich aus dem Buch herausgerissen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun will Herr Einem die Leitung der Technologieoffensive. Da gibt es einen Streit zwischen Rot und Schwarz. Der Wirtschaftsstandort interessiert Sie nicht. Parteipolitischer Einfluß ist bei Ihnen gefragt! – Ich sage Ihnen zu Herrn Einem nur einen Spruch: Von vielen Ministern halte ich wenig, von Einem gar nichts! Aber das ist eine andere Geschichte, meine Damen und Herren.

Wenn man sich die "Presse" anschaut, dann sieht man, daß diese im Ansatz gute Technologieoffensive politisch wiederum zerfleddert wird. – Dort heißt es: Die Realisierung der von den Projektleitern Albert Hochleitner und Arnold Schmidt im Auftrage der Bundesregierung erarbeiteten Technologieoffensive für die heimische Wirtschaft droht noch vor der Realisierung zu verkümmern. – Und so weiter, und so weiter. Dieser ganze Artikel ist eine Offenbarung für Ihre Technologiepolitik!

Herr Staatssekretär! Sie sitzen, glaube ich, auch im Bundesvorstand der Sozialdemokratie, einem nicht wenig mächtigen Instrument, am selben Tisch mit Herrn Haiden. Was sagt Herr Haiden – und er ist kein Freiheitlicher, der eine böse Botschaft überbringt – zu dieser Technologieoffensive? – Haiden übt Kritik an geplanter Technologieförderung: Die Überlegungen hinsichtlich der Finanzierung dieses Projektes gehen jedoch völlig in die falsche Richtung. – Das ist ein Zitat Haidens, der ein Genosse von Ihnen ist, Herr Kollege! Er ist einer Ihrer hochrangigen Banker-Genossen, der jetzt in Pension ist, da ist ihm ein bisserl langweilig, daher krebst er halt in der Politik herum.

Meine Damen und Herren, das ist die Praxis! Praxis ist aber auch – und jetzt komme ich zu einem praktischen Beispiel –, wie Sie Wirtschaftspolitik in Ihren Ämtern, also in jenen Einheiten, wo Sie das Sagen haben, betreiben: Da gibt es einen österreichischen kreativen und innovativen Unternehmer aus Vorarlberg. Ihm erging es wie vielen: Von Amts wegen werden sie quasi bestraft. Sie haben eine Marke geschaffen, international viel Geld investiert, gehen zum Patentamt, und diese Marke wird ihnen mit Brief und Siegel bestätigt. Alles paletti, es heißt: Ihr könnt mit dieser Marke auf den internationalen Markt gehen, ihr habt die markenrechtlichen Schutzbestimmungen. – Was passiert aber? In gutem Glauben geht die Firma Pfanner in den Export. Dann kommt aber ein Multi, nämlich die Firma Eckes, und sagt: Nix da! Diese Markenrechte sind nicht geschützt. Das österreichische Patentamt hat Ihnen zwar einen Brief geschickt, das Ganze ist aber in der Schublade verschwunden!

Meine Damen und Herren! Folge dieser ganzen Exportoffensive ist, daß die Firma Pfanner alle Produkte aus dem Ausland, die unter diesem Markenzeichen exportiert wurden, zurückziehen muß, daß die Markenrechte die Firma Eckes hat und die Firma Pfanner gewaltigen Schaden erleidet, und zwar durch das Patentamt. Und wem untersteht das Patentamt? – Es untersteht nicht der freiheitlichen Opposition, vielmehr hat die Regierung darauf Einfluß! Das heißt also: Sie versagen jeden Tag auf dem Felde der Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Grund hiefür ist, daß die Posten nicht ausgeschrieben, sondern nach Proporz verteilt werden: rot – schwarz, schwarz – rot, es ist immer dasselbe Strickmuster. Und das ist der eigentliche Grund dafür, warum Sie immer noch wie die Kletten beisammen sind: Es hält Sie eigentlich nichts mehr zusammen, meine Damen und Herren – gestern haben wir es wieder gesehen –, aber der Proporz, die Packelei, die Pfründenwirtschaft, die Privilegien, all das verbindet! Da streiten Sie ein bisserl zu mitternächtlicher Stunde, aber dann hängen Sie sich wieder ein, und die Partie geht wieder über die Bühne, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Das sind die Dinge, die den Bürger in zunehmendem Maße entnerven. Es geht fröhlich weiter im Wirtschaftsbereich mit dem Postenschacher. Frau Fekter ist diesbezüglich eine besondere Wegbereiterin: Als sie Staatssekretärin war, wurde Austro Control ausgegliedert, und ihr Günstling wurde als dritter Direktor eingesetzt. Damals haben wir geglaubt, drei Direktoren werden genug sein. Zwei schwarze und ein roter – das geht sich aber nicht ganz aus. Da hat man Schwierigkeiten gesehen. Daher muß ein vierter eingesetzt werden, damit es sich wieder ausgeht. Jetzt wird ein vierter Direktor bei Austro Control eingesetzt! Ich weiß nicht, welcher Couleur er sein wird, aber sicherlich wird dieser Posten nicht ausgeschrieben, meine Damen und Herren, sondern unter der Tuchent vergeben werden. (Abg. Mag. Kukacka: Er wird ausgeschrieben!)

Meine Damen und Herren! Diese zukünftige Moritat werden wir über den Sommer zu den Bürgern tragen, Herr Kukacka, damit ihnen wieder einmal die Augen aufgehen und Sie nicht bei den prognostizierten 18 Prozent landen, sondern noch weiter darunter. Daran werden wir arbeiten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Papier, das Sie ausgearbeitet haben, ist ja eine Fundgrube. Es enthält an sich gute Absichtserklärungen, aber auch ein Sittenbild Ihrer wirtschaftspolitischen und parteipolitischen Untätigkeit. Auf Seite 25 heißt es unter "Probleme": "Ein großer Teil der österreichischen Wirtschaft weist Merkmale auf, die hemmend für den erfolgreichen Export sind." – Hört die Botschaft, meine Damen und Herren: geringe Eigenkapitalausstattung, Risikokapital nicht zugänglich, Ausbildung nicht exportorientiert, daher schlechte Wettbewerbssituation. (Abg. Mag Stadler: Wenn wir das sagen, heißt es, wir betreiben Polemik!)

Das steht in diesem Papier, das ist keine bösartige Erfindung eines Freiheitlichen! (Abg. Dr. Nowotny: Sie sind ein schlauer Bursche!) Herr Professor! Schreiben Sie nur fest an Ihrer Antwort, ich kenne Ihre eingefrorenen Posthorntöne schon. Aber diese Feststellungen werden Sie nicht wegdiskutieren können, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Das ist ein sehr feiner Befund. Herr Kollege Professor! Sie werden sagen: Die Freiheitlichen haben keine Ahnung, der Prinzhorn hat keine Ahnung, und der Haigermoser, der kleine Greißler, hat auch keine Ahnung. Die verstehen nichts. Sie glauben, nur Sie verstehen es, mit dem Rohrstock vom Katheder aus die Bürger zu belehren. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Wirtschaftstreibenden bei uns wissen Ihrer Meinung nach nichts. Sie haben aber in den von Ihnen geschaffenen Rahmenbedingungen Wirtschaft zu treiben, und sie sind nicht wenig erfolgreich, Herr Kollege, denn unsere Mitarbeiter arbeiten mit uns zusammen und lassen sich nicht von Ihnen in die Irre führen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf Seite 54 dieses Papier werden Empfehlungen gegeben: Einbindung entsprechender österreichischer Stellen neben der Außenhandelsorganisation, vor allem Einbeziehung der diplomatischen Vertretungen als Botschafter für Österreichs Wirtschaft, der Fremdenverkehrswerbung und der Betriebsansiedlungsgesellschaft. – Das ist eine alte Forderung von freiheitlicher Seite. Vranitzky ist in seinen noch guten Zeiten damals Gott sei Dank verbal auf diesen Zug aufgesprungen. Er hat gesagt: Österreichhäuser müssen geschaffen werden. – Jetzt stehen aber wieder die Schwarzen auf der Bremse! Es gibt da eine Spielwiese der ÖVP, des Herrn Maderthaner, wo man die CVler unterbringen kann, nämlich die Außenhandelsstellen. Anstatt all das in Österreichhäuser zusammenzuführen, was tatsächlich eine gute Idee ist, krebst jetzt wieder jeder in seinem Schrebergarten herum und gießt die Radieschen. (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zusätzlich werden der Außenhandelsförderung 200 Millionen Schilling seitens der Wirtschaftskammer entzogen. Wo kommen diese 200 Millionen Schilling hin, Herr Klubobmann Kostelka? – In den Privilegienpensionsfonds der Wirtschaftskammer, der jetzt mit fast einer Milliarde gefüttert ist, meine Damen und Herren! Eine Milliarde für die Privilegien und 200 Millionen – grapsch, grapsch weg! – für die Außenhandelsförderung! (Abg. Dr. Partik-


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Pablé: Wer macht das?) So war es ursprünglich gedacht. Und die Rücklage – das ist ganz interessant, in diesem Bereich sind Sie ja voll unterwegs – des Budgets der Sozialpartner für die Förderung außenwirtschaftsorientierter Forschungsvorhaben österreichischer Exportfirmen ist mit 3 768 000 S präliminiert. (Abg. Mag. Stadler: Mit so viel?) Eine Milliarde für die Privilegienpension und drei schäbige Millionen für Technologieförderung, meine Damen und Herren!

Dafür ist auch die Bundesregierung verantwortlich. Der Herr Kanzler würde wahrscheinlich sagen, wenn er da wäre: Was geht denn das mich an, mein Name ist Hase, das ist ja ein Selbstverwaltungskörper! – Sie müßten aber wissen, daß irgendwann einmal etwas auch Chefsache sein sollte, Herr Klima – ich spreche ihn jetzt via Satellit in Salzburg an, meine Damen und Herren. Das heißt also: Das System wird von ihm und von der Bundesregierung aufrechterhalten, weil Herr Bundeskanzler Klima erstens ein Kind dieses Systems ist – er ist ja geboren aus dieser Sozialpartnerschaft! – und weil zweitens die jeweiligen Parteigänger ordentlich versorgt werden müssen. Da darf nichts passieren, da lassen Sie sich keinen herausschießen!

Meine Damen und Herren! Das ist ein – unter Anführungszeichen – "Markenzeichen" der Sozialpartnerschaft. Verantwortlich dafür ist die Bundesregierung. Erinnern wir uns zurück zum Amtsantritt des Herrn Klima, als er uns mit blitzendem Lächeln anläßlich der tragischen Vorkommnisse um Praschak mitgeteilt hat, es gebe jetzt ein Fünfpunkteprogramm, die sauren Wiesen würden trockengelegt werden, es werde keinen Parteibuchschacher mehr geben. – Kaum ist jedoch ein bißchen Moos über die Geschichte gewachsen, geht es frisch und fromm weiter.

Postenschacher CA: Generaldirektor Hampel, SPÖ-Vize – Alarich Fenyves, ÖVP.

Postenschacher ÖBB, neue Vorstände: Gerhard Stindl, ÖVP, Pröll-Sekretär – Anton Moser, SPÖ.

Postenschacher Oesterreichische Nationalbank: Frau Direktor Tumpel-Gugerell, SPÖ – Direktor Duchatczek, ÖVP.

Postenschacher Kontrollbank: Der sattsam bekannte Scholten – Johannes Attems, ÖVP.

Meine Damen und Herren! Das ist das Sittenbild, das Ihnen jeden Tag vorgehalten werden muß. Deswegen sind Sie unglaubwürdig! Deswegen wird Herr Klima von Tag zu Tag unglaubwürdiger, meine Damen und Herren! Die Werte, die er am Anfang eingebracht hat, als er noch – unter Anführungszeichen – "frisch" war, sind schon weit im Sinken, und wir werden dazu beitragen, daß er noch weiter von seinem hohen Roß heruntergeholt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sparen könnte man allenthalben, Stichwörter: Österreichhaus, Exportoffensive. – Wo könnte man denn Gelder herausholen, ohne den Bürger zu belasten? – Da gibt es zum Beispiel bebaute Grundstücke bei der Außenhandelsorganisation der Wirtschaftskammer in Damaskus, Büro und Wohnung im Wert von 29,867 Millionen Schilling, in Straßburg im Wert von 21 Millionen, in Teheran im Wert von 11 Millionen, in New York im Wert von 25 Millionen. (Abg. Dr. Lukesch: Woher wissen Sie all das?) Das ist ja nichts Schlechtes, Herr Kollege Lukesch! Das ganze hat zirka eine halbe Milliarde Buchwert und ist rund um den Erdball mit CVlern besetzt, um die Reisebedürfnisse des Herrn Maderthaner befriedigen zu können.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Schaffen Sie Österreichhäuser, vereinen Sie die Botschaften und alles, was Österreich vertreten könnte und sollte, in einem Haus! Damit haben Sie Synergieeffekte, und damit sparen Sie. Sie könnten die Parteibücher weglassen und würden zum Nutzen der österreichischen Wirtschaft Gewaltiges leisten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiters könnte man bei den Dienstleistungen fündig werden. Dieser Sozialpartner hat auch die finanzielle Unterstützung der Registrierung geistigen Eigentums – ich nenne nur das Stichwort Pfanner – eingeschränkt. Da hat man ein paar Millionen nicht, aber eine Milliarde für die Privilegienpensionen hat man sehr wohl, meine Damen und Herren! Das Beispiel Pfanner ist so signifikant, es tut einem Wirtschaftstreibenden weh, der sich freut, wenn Bürger dieses Landes


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in der Wirtschaft international tätig sind, Arbeitsplätze sichern, um die Steuern in Österreich einbringen zu können, nicht einen Betriebsstandort irgendwohin verlagern, sondern in Vorarlberg fleißig arbeiten. Es tut weh, daß wir keinen Centesimo übrig haben, um solche Leute zu unterstützen, sondern sie vielmehr behindern, indem ihnen – wie in diesem Fall – das Patentamt Prügel vor die Beine wirft.

Ich bin gespannt auf den Ausgang dieses Prozesses, den die Firma berechtigterweise gegen die Republik angestrengt hat, meine Damen und Herren! Zahlen wird das Ganze aber wieder der Steuerzahler. Das ist eine gewaltige Doppelmühle, die hier aufgemacht wird.

Ich möchte zum Schluß kommen: Es gibt Konzepte der Freiheitlichen, meine Damen und Herren, zum Steuerproblem. (Abg. Mag. Schreiner: Welche?) Es gibt Konzepte der Abgeordneten Schreiner, Trattner, Böhacker, es gibt ein Industriekonzept von Nußbaumer, es gibt ein Wirtschaftsprogramm von Prinzhorn, es gibt ein Mittelstandsprogramm. – Ich sage Ihnen: Wer für seine Erfolgserlebnisse nicht selbst sorgt, hat sie nicht verdient. Arbeiten Sie an diesem Erfolg zum Nutzen der Republik, und hören Sie auf, die Parteibuchwirtschaft zum obersten Dogma zu erheben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung erhält unter Bedachtnahme auf Art. 78 Abs. 2 der Bundesverfassung der Herr Staatssekretär das Wort. – Bitte, Herr Staatssekretär.

15.28

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Erlauben Sie mir, daß ich einleitend mit einigen Worten darauf eingehe, daß der Herr Bundeskanzler an der heutigen Debatte über die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen Partei nicht teilnehmen kann und seine verfassungsmäßig vorgesehene Vertretung in Anspruch nehmen muß. Dies um so mehr, als sein heutiger Aufenthalt in Salzburg beim "Central and Eastern European Economic Summit" in einem engen Zusammenhang mit der von Ihnen gewählten Themenstellung steht.

Der heute in Salzburg stattfindende Gipfel ist wohl einer der größten und höchstrangigen politischen und wirtschaftspolitischen Dialoge mit den Staaten Zentral- und Osteuropas, was unter anderem auch durch die Anwesenheit höchstrangiger Repräsentanten osteuropäischer Staaten sowie des Gastgeberlandes Österreich unterstrichen wird. Es ist dies somit eine wichtige Veranstaltung für die außen- und wirtschaftspolitischen Initiativen der Bundesregierung. (Abg. Ing. Reichhold: Können Sie auch auf Haigermosers Rede ein bißchen eingehen?)

Hohes Haus! Ich darf kurz darauf verweisen, was gestern hier schon Bundesminister Edlinger zum Wirtschaftsbericht erläutert hat. (Abg. Ing. Reichhold: Können Sie auf unsere Rede eingehen? Dann sparen wir Zeit!)

Von den österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituten, der Europäischen Kommission, der OECD und dem Internationalen Währungsfonds wird übereinstimmend ein Wirtschaftswachstum von rund 1,5 Prozent erwartet. Für 1998 erwarten die Wirtschaftsforscher sogar ein Wachstum von etwa 2,2 Prozent.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist im internationalen Vergleich weiterhin günstig. Für 1997 wird eine Arbeitslosenrate von 4,2 Prozent prognostiziert, womit Österreich weit unter dem EU-Durchschnitt von 10,5 Prozent liegt. Trotz dieser im internationalen Vergleich günstigen Situation hat die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit für die österreichische Bundesregierung absolute Priorität. Unser erklärtes Ziel ist es, in Österreich wieder Vollbeschäftigung herzustellen.

Die Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten viele wichtige Projekte beschlossen. Ich verweise als Beispiele auf die Export- und Technologieoffensive sowie auf das Lehrlingspaket. All diese Initiativen werden den Wirtschaftsstandort Österreich stärken und zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen beitragen.

Ihre einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:


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Zur Frage 1:

Die Zielsetzung der Exportoffensive der österreichischen Bundesregierung ist sehr hoch. Es geht dabei um neue Schwerpunktsetzungen in der Exportfinanzierung, die Ausweitung des Finanzierungsinstrumentariums, die Erbringung neuer Dienstleistungen vor allem für Klein- und Mittelunternehmen, gemeinsames Marketing der bestehenden Fördereinrichtungen, die Vereinfachung von Verwaltungsabläufen, die Verbesserung von Koordination und Kooperation in der Exportförderung.

Diese ambitionierten Zielsetzungen erfordern eine eingehende Analyse der Ist-Situation. Die Arbeitsgruppe "Exportoffensive" unter der Leitung von Dipl.-Ing. Pühringer und Dr. Dernoscheg hat sich dieser Aufgabenstellung intensiv gewidmet und der Bundesregierung in Rust die Ist-Analyse und den Maßnahmenkatalog zur Kenntnis gebracht. In den nächsten Wochen und Monaten wird intensiv an der Umsetzung der Maßnahmenvorschläge gearbeitet.

Gerade in den Bereichen Förderung von Exporten und Förderung von Forschung und Entwicklung müssen wir unsere Instrumente permanent auf Effizienz und Wirksamkeit hinterfragen. Politisch ist hier die Gegenfrage zu stellen, wie Österreich, heute eines der reichsten Länder, ohne den in den früheren Jahren unternommenen Exportoffensiven einen derart hohen wirtschaftlichen Standard erreichen hätte können.

Diese Bundesregierung wird nicht den Weg gehen, kritische Analysen zu ignorieren. Sie wird vielmehr umgekehrt die vorliegenden Vorschläge zum Anlaß nehmen, einen weiteren massiven Vorstoß zur Erhöhung der Exporte und zur Erhöhung der Forschung und Entwicklung in unserem Land zu unternehmen.

Zu den Fragen 2 und 3:

Ich kann nicht erkennen, daß Österreich bei den wissenschaftlich anerkannten Kennzahlen Wohlstand pro Kopf, Arbeitslosigkeit, Preisstabilität und öffentliche Defizite abgerutscht ist. Im Gegenteil: Wir sind bei all diesen Werten im Spitzenfeld der Europäischen Union und konnten uns 1996/97 weiter verbessern. Andere Kennzahlen mögen zwar für spezifische Bereiche eine Berechtigung haben, für die Bundesregierung zählt aber primär, wie es den Einwohnern Österreichs wirtschaftlich geht. Da liegt Österreich weiterhin im Spitzenfeld. (Beifall bei der SPÖ.)

Dies bedeutet für mich aber nicht, daß wir uns zurücklehnen können. Im Gegenteil: Die Bundesregierung hat, wie in der Regierungserklärung festgehalten ist, den festen Willen, gemeinsam mit den Österreicherinnen und Österreichern unsere Chancen für die Zukunft zu nutzen und diese aktiv zu gestalten.

Zur Frage 4:

Der OECD-Bericht enthält keine Passage, wonach strukturelle Reformen überfällig wären. Vielmehr hält er fest, daß Österreich auf die wesentlichen Herausforderungen reagiert hat, so zum Beispiel bei der Budgetkonsolidierung, bei den Reformen im Bereich der öffentlichen Leistungen, bei der Privatisierung, im Gesundheitssystem, im Bereich der Bildung.

Zur Lösung der Pensionsproblematik, die auch im Bericht erwähnt wird, möchte ich nur auf die von Frau Sozialministerin Hostasch initiierte laufende Debatte verweisen.

Der Bericht enthält natürlich auch weitergehende Anregungen, die die Bundesregierung auch weiterhin prüft.

Im übrigen teile ich zur Gänze die Einschätzung der OECD, daß sich Österreich auch in Zukunft Herausforderungen gegenübersehen wird. Ich möchte hier auch festhalten, daß der OECD-Bericht ausdrücklich festhält, daß Vollbeschäftigung für Österreich keine Illusion, sondern ein erreichbares Ziel ist.


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Zur Frage 5:

Zunächst möchte ich festhalten, daß das große Problem der Haushaltskonsolidierung derzeit erfolgreich bewältigt wird. Dies zeigen auch die Berechnungen der EU-Kommission, wonach das um die Konjunktur bereinigte Defizit der öffentlichen Haushalte im Jahre 1997 nur 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen wird, also geringer als das tatsächliche Defizit von 3 Prozent sein wird. Da für 1998/99 ein beschleunigter Konjunkturaufschwung prognostiziert wird, bestätigt die Analyse, daß das tatsächliche Defizit sich sicher unter der 3-Prozent-Marke halten wird. Wieviel Prozent des tatsächlichen Defizits konjunkturbedingt sind, ist im übrigen völlig nebensächlich gegenüber der Frage, wie hoch das Defizit ist.

Zur Frage 6:

Das Leistungsbilanzdefizit und nicht das Handelsbilanzdefizit ist die wirtschaftspolitisch entscheidende Größe. Dieses wird nach den derzeitigen Prognosen des Wifo im Jahre 1997 etwa 44 Milliarden Schilling betragen. Empirische Untersuchungen des Bundesministeriums für Finanzen finden keine negativen Auswirkungen der aktuellen makroökonomischen Rahmenbedingungen, die die österreichische Wirtschaftspolitik beeinflussen können, auf die Leistungsbilanz. Vielmehr dürfte es sich überwiegend um ein durch exogene Faktoren erzeugtes Problem im Bereich des Tourismus handeln. Das derzeitige Leistungsbilanzdefizit ist mittel- und langfristig zu hoch – nicht etwa deshalb, weil wir um die Zahlungsunfähigkeit Österreichs fürchten, sondern deswegen, weil der Wohlstand in Österreich abzusichern ist. Daher hat die Bundesregierung die Ihnen bekannte Exportoffensive initiiert.

Zur Frage 7:

Die Ursache für die tendenzielle Verringerung der Tourismusnachfrage liegt vor allem im beschleunigten Rückgang des deutschen Marktsegments in der Sommersaison. Dem steht ein steigendes Interesse der restlichen Auslandsgäste durch die Entschärfung der strukturellen Bereinigungen in der Tourismuswirtschaft zugunsten des gehobenen Segments gegenüber. (Abg. Haigermoser: Wer hat denn das alles aufgeschrieben? – Abg. Mag. Stadler: Ist das schriftlich?) Durch Erschließung neuer Angebots- und Kundenschichten bestehen gerade in diesem Bereich auch in Zukunft gute Entwicklungschancen.

Von seiten der Bundesregierung wurden nicht erst seit Bekanntwerden der jüngsten Entwicklung folgende Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung der österreichischen Tourismuswirtschaft gesetzt:

Maßnahmen vor allem im Rahmen der ÖHT, und zwar die Aktion TOP-Tourismus neu;

Beteiligungsfinanzierung: Die ÖHT wird in Kooperation mit Beteiligungsgesellschaften Beteiligungskapital zur Eigenkapitalstärkung und Liquiditätsverbesserung zugänglich machen; (Abg. Rossmann: Wieso haben Sie die BÜRGES-Zinsen erhöht?)

Kooperation: Zur Überwindung des Betriebsgrößennachteils Anregung von Kooperationen auf einzelbetrieblicher bis regionaler Ebene;

Langzeitdarlehen: Da geht es besonders darum, zinsstabiles und langfristiges Kapital zu schaffen;

Strukturbereinigung: Förderung des Ankaufes von bestehenden beziehungsweise stillgelegten Tourismusbetrieben zum Zweck der Schaffung von Mitarbeiterquartieren;

Förderungen im Wege der BÜRGES;

Gewerbestrukturverbesserungsaktion: Unterstützung von Schwerpunktinvestitionen zur Verbesserung von Qualität und Diversifizierung des Angebotes, Erhöhung der Prämie in spezifischen Regionen, zusätzliche Prämie bei touristischer Kooperation;


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Kleingewerbekreditaktion: Da ist die Anhebung der Kreditobergrenze auf 2 Millionen Schilling geplant.

Die für die gegenwärtige Situation neben dem strukturellen Nachfragewandel hauptsächlich ausschlaggebende konjunkturelle Entwicklung in den Herkunftsländern der Österreich-Touristen kann von der Bundesregierung autonom nicht bekämpft werden. Die gesamteuropäische Konjunkturentwicklung läßt jedoch eine Erholung in der konjunkturell geschwächten Nachfrage bereits ab dem nächsten Jahr erwarten.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Entschließungsantrag vom 8. Juli 1997 hinweisen, in dem unter Punkt 7 gefordert wird, daß insbesondere durch eine neue Schwerpunktsetzung im Rahmen der Tourismusförderung die Bildung von kooperativen und regionalen Tourismusorganisationen anzuregen und gezielt zu fördern ist, die Österreichische Hotel- und Fremdenverkehrs-Treuhand Gesellschaft m.b.H. in eine Restrukturierungsbank umzubauen und die gezielte und koordinierte Vernetzung der Freizeitinfrastruktur einer Region mit dem touristischen Angebot voranzutreiben ist. Mit diesen Maßnahmen soll all den Bedingungen und Kriterien, die ich zuvor genannt habe, Rechnung getragen werden. Die entsprechenden gesetzlichen, vertraglichen und richtlinienmäßigen Voraussetzungen werden demnächst geschaffen werden. (Abg. Haigermoser: Ein bißchen mehr Begeisterung, Herr Staatssekretär!)

Zur Frage 8:

Vergleiche mit Ländern ähnlicher Größe wie Schweiz oder Niederlande zeigen, daß ein Großteil des Rückstandes bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf das Fehlen großer internationaler Konzerne mit vergleichsweise sehr hohen Forschungs- und Entwicklungsausgaben dieser Einzelunternehmen zurückzuführen ist. Diese Analyse spiegelt sich auch im Bericht der Technologiebeauftragten wider. Nicht der Staat gibt zuwenig Mittel für Forschung und Entwicklung aus, sondern die Unternehmen, was wiederum auf strukturelle Besonderheiten zurückzuführen ist. Das Konzept von Schmidt und Hochleitner sieht daher vor, mehr staatliche Mittel direkt den Unternehmen zugute kommen zu lassen, um dort durch eine Multiplikatorwirkung erhöhte Investitionen in Forschung und Technologie zu stimulieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 9:

Wir werden 1997, 1998 und 1999 je eine zusätzliche Milliarde zur Verfügung stellen. Die Mittelverwendung für 1997 wurde vorgestern im Rahmen des Budgetüberschreitungsgesetzes hier im Hohen Hause beschlossen. Sowohl das technologiepolitische Konzept der Bundesregierung als auch die noch umzusetzenden Vorschläge der Technologiebeauftragten der Bundesregierung für eine Neustrukturierung der Forschungs- und Technologieförderung zielen vor allem auf einen noch effizienteren Mitteleinsatz und die Erhöhung des Beitrages der Wirtschaft zu den Forschungs- und Entwicklungsausgaben ab.

Zur Frage 10:

Zunächst einmal ist festzuhalten, daß bezogen auf die Einwohnerzahl unseres Landes die Patentanmeldeaktivität in Österreich den europäischen Durchschnitt übersteigt. Im Vergleich mit dem für Forschung und Entwicklung ausgegebenen Anteil des BIP kann die Patentanmeldebereitschaft der Österreicher sogar als im europäischen Spitzenfeld liegend bezeichnet werden. Österreich liegt mit dieser Vergleichszahl nicht nur eindeutig im obersten Bereich der europäischen Länder, sondern überflügelt hier sogar die Vereinigten Staaten. – Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist wohl kein Zufall!

Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit erfolgreich wesentliche Akzente und Anreize gesetzt, um die Anmeldung von Patenten und Lizenzen zu erleichtern beziehungsweise zu stimulieren. Dies durch erstens: Änderungen im Hochschuldienstrecht – Abgehen vom Prinzip der Diensterfindung –, zweitens: Einrichtung einer Patentkredit-Förderungsaktion im Rahmen der Innovationsagentur, drittens: Erleichterung der Verfahrensbestimmungen bei der Einreichung von Patenten beim österreichischen Patentamt.


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Im Zuge der Reorganisation der österreichischen Technologiepolitik ist die Einrichtung einer Patentverwertungsagentur mit dem Ziel der optimalen Vermarktung von Forschungsergebnissen der universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie im Dienstleistungswege von Ergebnissen der unternehmensbezogenen Forschung und Entwicklung vorgesehen. Wenn es also ein Problem mit den Patent- und Leistungsbilanzen gibt, liegt das wiederum an den insgesamt zu niedrigen Forschungs- und Entwicklungsausgaben Österreichs.

Zur Frage 11:

Die Bundesregierung hat bereits folgende Maßnahmen geplant und beschlossen:

Erstens: Reorganisation und Effizienzsteigerung im österreichischen technologiepolitischen System.

Zweitens: Substantielle Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

Drittens: Einrichtung von nationalen Kompetenzzentren in Form von Private-Public-Management.

Viertens: Weitere Verstärkung der bereits jetzt sehr erfolgreichen Teilnahme der österreichischen Wissenschaft und Wirtschaft an den High-Tech-Programmen der EU.

Darüber hinaus ist durch die beabsichtigte Verschränkung von Technolgie- und Exportoffensive der Bundesregierung die Synchronisation von österreichischen High-Tech-Entwicklungen und internationaler Vermarktung gewährleistet.

Zur Frage 12:

Die sogenannte Technologiemilliarde hat folgende Schwerpunkte zur Grundlage:

Erstens: Schwerpunktmaßnahmen des Wirtschaftsministeriums.

Zweitens: Produktionsfaktor Wissen, ein Aktionsprogramm des Wissenschaftsministeriums.

Drittens: Kofinanzierungen zu Gemeinschaftsinitiativen des Sozialministeriums.

Das Budgetüberschreitungsgesetz 1997 stellt die Auszahlung der Förderungsgelder sicher. Der Nationalrat hat in seiner Sitzung am 8. Juli diesem Antrag zugestimmt. Die Technologiemilliarde wird somit ungekürzt ausbezahlt werden.

Zur Frage 13:

Die Deckungspolitik gegenüber den GUS-Staaten ist sehr restriktiv. Die Garantiebedeckung wird in nur sehr beschränktem Umfang beziehungsweise teilweise überhaupt nicht übernommen. Neben den internationalen Umschuldungsvereinbarungen – ich weise an dieser Stelle den von Ihnen verwendeten Begriff "uneinbringlich" zurück – gibt es derzeit nur geringfügige Schadensfälle. (Abg. Mag. Stadler  – in Richtung der SPÖ –: Ihr könnt ruhig ein kleines Schlaferl machen! – Abg. Haigermoser: Sehr aufregend!)

Als Beispiele der Lockerung der Deckungspolitik führe ich an:

Erstens: Die Garantie für Rußland läuft seit nur fünf Jahren; Höchstvolumen 100 Millionen Schilling.

Zweitens: Hinsichtlich Ukraine gibt es nur kurzfristige Laufzeiten mit einem Garantiehöchstbetrag von maximal 30 Millionen Schilling.

Die Lockerung der Deckungspolitik erfolgt somit äußerst risikobewußt.


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Zur Frage 14:

Die Erfahrungen mit den GUS-Staaten haben zu unserer restriktiven Haltung in der Deckungspolitik geführt. Lockerungen werden – wie zuvor schon erwähnt – äußerst risikobezogen und vorsichtig vorgenommen. (Abg. Haigermoser: Herr Staatssekretär! In Ihrem Papier steht etwas anderes! Was sagen Sie dazu?)

Zur Frage 15:

Die Exportoffensive der österreichischen Bundesregierung hat die Steigerung der österreichischen Exporte zum Gegenstand. Mit dieser Zielsetzung unterstreicht die Bundesregierung die Notwendigkeit, den Motor der österreichischen Wirtschaft, die Exportwirtschaft, zu unterstützen.

Es geht dabei erstens um die Ausweitung des Exportvolumens und des Exportradius des österreichischen Exportes und zweitens um die Erhöhung der Warenwerte der Exporte. Daher ist die Verknüpfung von Exportoffensive und Technologieoffensive eines unserer zentralen wirtschaftspolitischen Anliegen. Die Initiative der Bundesregierung ist breit angelegt und wird von Arbeitsgruppen unter der Leitung von Wirtschaftsexperten begleitet.

Wir erwarten uns dadurch entscheidende Impulse für die österreichische Wirtschaft. Die erfolgreiche Entwicklung der österreichischen Exporte in der Vergangenheit müssen wir in der Zukunft fortschreiben können. Die Förderung der Exporte wird daher immer ein großes und dringendes Anliegen der Bundesregierung sein. (Abg. Haigermoser: Es gilt das gesprochene Wort!)

Zur Frage 16:

Diese Analyse ist wesentlich durch strukturelle Ursachen bestimmt. Da ist vor allem die Frage der Unternehmensgrößen anzusprechen. Nur wenige heimische Unternehmen sind aufgrund ihrer Größe in der Lage, die Rolle von forschungsintensiven Leitbetrieben für ganze Regionen zu übernehmen, wie das etwa in der Schweiz und in Schweden durchaus der Fall ist. Dagegen besteht die österreichische Wirtschaft zu zirka 95 Prozent aus kleinen und mittleren Unternehmen.

Derzeit setzt die österreichische Bundesregierung eine Reihe von Initiativen, um die Forschungsintensität der kleinen und mittleren Unternehmen und ihre Fähigkeit, neue Technologien aufzunehmen, wesentlich zu erhöhen.

Es ist weiters darauf hinzuweisen, daß die Bundesregierung in ihrer Klausur in Rust keineswegs nur die Analyse zur Kenntnis genommen hat, sondern auch die Umsetzung der sich daraus ergebenden Reformvorschläge der Technologiebeauftragten beschlossen hat.

Zur Frage 17:

Die international abgeschlossenen Umschuldungsverträge haben das Ziel, Forderungen langfristig einbringlich zu machen und Schaden zu minimieren. Die Umschuldungsvereinbarungen, die im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft abgeschlossen wurden, folgen dem Modell, daß sich die Gläubigerstaaten weltweit koordinieren und damit die Benachteiligung einzelner Kreditgeber ausgeschlossen werden kann.

Österreich hat seine Verantwortung in diesem Bereich stets mit großem Engagement und großer Genauigkeit wahrgenommen und damit die Interessen der Steuerzahler vertreten. Insgesamt haften Umschuldungskredite, wie Sie richtig ausgeführt haben, mit 103 Milliarden Schilling aus. Österreich nimmt an den Sitzungen des Pariser Klubs seit dem Jahr 1977 teil. Zielsetzung ist es, Schuldenerleichterungen durchzuführen. International bieten sich dazu zwei Optionen an: erstens die Schuldenstreichung, zweitens Zinssatzreduktionen. Österreich hat sich aus budgetären Überlegungen für den Weg der Zinssatzreduktionen entschieden.

Die Umschuldungsverträge haben das Ziel, Forderungen langfristig einbringlich zu machen. Bisher hat es kumulative Rückzahlungen aus den Schuldnerländern in der Höhe von rund 35 Mil


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liarden Schilling an Kapital und Zinsen gegeben. Die Bundesregierung wird den im Pariser Klub akkordierten Weg weitergehen. Die internationalen Schuldenstrategien und Schuldeninitiativen haben zum Ziel, die betroffenen Länder wieder in geordnete wirtschaftliche Bahnen zu lenken.

Zur Frage 18:

Die österreichische Regelung für Auslandsanteile bei Exportgeschäften entspricht der Regelung der Europäischen Union unter Beachtung des OECD-Consensus. Wir bewegen uns in dem Spannungsfeld möglichst hoher Inlandsanteile einerseits sowie möglichst guter Unterstützung der österreichischen Exportwirtschaft andererseits. Es geht um die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft, die arbeitsteilig in einer globalisierten Wirtschaftswelt und auch mit Auslandsanteilen ihre Erfolge erzielt.

Zu Frage 19:

Die vor kurzem beschlossenen Maßnahmen im Bereich der Ausländerbeschäftigung sehen keine Erleichterungen bei der Neuzulassung ausländischer Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt vor. Die Ausländerbeschäftigung ist nach wie vor durch Quotenbeschränkungen und eine strenge Arbeitsmarktprüfung in jedem einzelnen Bewilligungsfall geregelt. Vorrang auf dem Arbeitsmarkt hat die Wiederbeschäftigung der vorgemerkten Arbeitslosen.

Die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes wird auch in den nächsten Jahren erwartungsgemäß nur beschränkt sein, sodaß eine weitere Zunahme des ausländischen Arbeitskräftepotentials hintangehalten werden muß. Die Neuzulassung ausländischer Arbeitskräfte wird daher in den nächsten Jahren auf das für die Sicherung von Arbeitsplätzen unbedingt notwendige Ausmaß an Führungskräften eingeschränkt werden. Es sollen aber jene ausländischen Mitbürger Beschäftigungsmöglichkeiten erhalten, die sich bereits über viele Jahre regelmäßig in Österreich aufhalten.

Eine strenge Arbeitsmarktprüfung wird aber sicherstellen, daß die Arbeitsmarktintegration dieser Personen in arbeitsmarktverträglicher Weise erfolgt.

Die wichtigsten Ziele für die Ausländerbeschäftigungspolitik der nächsten Jahre sind: Einschränkung des Neuzuzuges von Arbeitskräften, Integration der bereits langjährig Anwesenden und optimale Auslastung des vorhandenen Arbeitskräftepotentials in allen Beschäftigungsbereichen.

Zu den Fragen 20 und 21:

Es bestehen zurzeit keine konkreten Absichten, die ausländischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften steuerlich zu fördern. Auch besteht derzeit keine konkrete Absicht, einen Anrechnungsvortrag ausländischer Quellensteuer zu schaffen. Bei beiden Vorschlägen handelt es sich um langjährige Forderungen der Wirtschaft, die auch im Rahmen der Arbeitsgruppe zur Exportoffensive diskutiert wurden. Der Bereich der indirekten Förderungsaktionen wurde an einen Arbeitsausschuß der Steuerreformkommission zur näheren Prüfung weitergegeben.

Zur Frage 22:

Im Bereich der österreichischen Ausfuhrförderungsverfahren sind die betreffenden Institutionen, im besonderen die Oesterreichische Kontrollbank, als besonders effizient anzusehen. Sie erbringen Serviceleistungen für die österreichische Exportwirtschaft in ausreichendem Umfang. Neben der Kontrollbank wird das österreichische Exportfördersystem auch von den Serviceeinrichtungen und Außenhandelsstellen der Wirtschaftskammer getragen. Im Bereich der Haftungsübernahmen kommt auch dem Ost-West-Fonds Bedeutung zu.

Im Rahmen der Exportoffensive der Bundesregierung werden eine Reihe von Maßnahmen gesetzt werden, um das österreichische Finanzierungs- und Förderungssystem in seiner Gesamtheit noch leistungsorientierter zu gestalten.


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Zur Frage 23:

Die der Wirtschaftskammer Österreich für die Außenwirtschaftsförderung zur Verfügung stehenden Mittel sind durch die mit dem Wegfall des Ausfuhrförderungsbeitrages im Zuge des EU-Beitritts notwendige Umstellung der Finanzierung von 2,4 auf 1,6 Milliarden Schilling zurückgegangen. Dieser Rückgang um ein Drittel hat im Förderungsbereich notwendigerweise zu Kürzungen führen müssen. Die zur Verfügung stehenden Mittel werden von der Wirtschaftskammer weiterhin gezielt für die Aufrechterhaltung der Außenwirtschaftsorganisation und die Unterstützung der Exportwirtschaft eingesetzt.

Seit der Umstellung der Finanzierung gehen die Zahlen der Pensionsverpflichtungen der Wirtschaftskammer nicht mehr zu Lasten des Haushaltsbudgets, sondern werden aus Pensionsrückstellungen finanziert, die die Wirtschaftskammer Österreich im Sinne eines ordentlichen Kaufmannes dotiert hat, um zukünftigen Zahlungsverpflichtungen aus diesem Titel nachkommen zu können. (Abg. Haigermoser: Da mußt du den Kontrollamtsbericht anschauen, lieber Freund! – Das war nicht sein Freund, der ihm das aufgeschrieben hat!)

Zur Frage 24:

Die proporzmäßige Aufteilung der Funktionen ist nicht beabsichtigt.

Zur Frage 25:

Die institutionelle Einbindung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen in wesentliche Bereiche der Wirtschaftspolitik ist freilich ein bewährtes Prinzip, von dem auch in Zukunft nicht vollständig abgegangen werden soll. Im übrigen verweise ich auf die Antwort zur Frage 24.

Zur Frage 26:

Die fünf Punkte für Klarheit, Offenheit und Kontrolle richten sich an jene Unternehmen, in denen Bund, Länder und Gemeinden einen bestimmenden Einfluß haben. Es geht der Bundesregierung dabei um die transparente und objektivierte Auswahl von Führungskräften. Die öffentliche Ausschreibung von Vorstandspositionen ist ein wichtiges Element dieser fünf Punkte.

Konkret zur Oesterreichischen Nationalbank: Nach der gegenwärtigen Gesetzeslage obliegt die Bestellung der Direktoren der Oesterreichischen Nationalbank ausschließlich dem Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank. Nach einer gemäß Ausschreibungsgesetz 1982 erforderlichen öffentlichen Ausschreibung dieser Funktionen ist die Ernennung der neuen Mitglieder des Direktoriums am 26. Juni 1997 vom Generalrat einstimmig beschlossen worden. Durch dieses Verfahren ist eine objektive Auswahl gewährleistet.

Die Vorstandsposten der P.S.K. AG wurden ebenfalls ausgeschrieben. Die Entscheidung über die Zusammensetzung des Vorstandes hat der Aufsichtsrat der P.S.K. AG getroffen. Die Vorstandsentscheidungen sind von den Organen der Gesellschaft zu verantworten. Die Vorstandsbestellung bei der ÖBB wurde nach Durchführung einer Ausschreibung vom Aufsichtsrat getroffen. ÖKB und CA sind Unternehmen, die nicht dem bestimmenden Einfluß der öffentlichen Hand unterliegen. Die Bestellungen fallen somit nicht unter die Bestimmung des Ausschreibungsgesetzes.

Zu den Fragen 27 und 28:

Österreichische Exporteure erhalten über Antrag Garantien für Exportgeschäfte und bei Bedarf eine Refinanzierung ihrer Hausbanken. Von einer Verstaatlichung des Risikos kann dabei keine Rede sein. (Abg. Haigermoser: Das ist ja starker Tobak!) Darüber hinaus ist das österreichische Exportförderungsverfahren ein äußerst wirksames und wettbewerbsfähiges Instrument, das viele Exporte erst ermöglicht.


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Zur Frage 29:

Für die Übernahme von Haftungen ist ein Garantieentgelt zu bezahlen, gleich, ob der Garantienehmer ein österreichischer Exporteur oder eine Bank ist. Von einer Unentgeltlichkeit kann in keinem Fall gesprochen werden.

Zur Frage 30:

Die Entwicklung der Zinssätze auch im österreichischen Exportförderungsverfahren hängt von vielschichtigen nationalen und internationalen Faktoren ab, die nicht im Einflußbereich der österreichischen Bundesregierung gelegen sind.

Zur Frage 31:

Nach dem Ausfuhrförderungsgesetz 1981 in der geltenden Fassung kann jeder Unternehmer, der die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, einen Antrag auf Garantieübernahme stellen. Entscheidender Bestandteil des Maßnahmenkataloges der Arbeitsgruppe Exportoffensive ist auch die Verbesserung der Beratungsleistungen für Klein- und Mittelbetriebe. Damit wird es gelingen, den Kreis der geförderten Unternehmen zu erweitern. Eine Ausweitung der Inanspruchnahme der Exportförderung wird letztendlich aber auch vom Engagement und der Risikobereitschaft der österreichischen Unternehmen abhängen, die sich auf ausländischen Märkten erfolgreich durchsetzen.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit ausführlich beantwortet zu haben. Ich war nicht bereit, auf etwaige Zwischenrufe zu reagieren, weil es meine Aufgabe ist, die gestellten Fragen korrekt und im Sinne der Bundesregierung zu beantworten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Kollege Stadler.

15.56

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Der Herr Staatssekretär hat soeben etwas langatmig, sichtlich bemüht, aber dennoch etwas gequält die Rede von der Anrede bis zum letzten Punkt verlesen. Sie war teilweise gar nicht nachvollziehbar, weil rhetorisch offensichtlich die falschen Pausen gemacht wurden. Herr Präsident! Ich würde Sie bitten, daß wir diese Rede schriftlich bekommen, weil wir die Antworten auch gerne nachvollziehen möchten. Ich ersuche auch, in Zukunft beim Herrn Staatssekretär immer darauf zu achten, daß wir die Rede vorher bekommen, dann können wir mitlesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Die Redezeiten betragen 10 Minuten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Prinzhorn. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.)

15.58

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Nerven bewahren, Nerven bewahren! Wir wissen, wohin es sonst führt.

Hohes Haus! Herr Präsident! Wir begehen heute gemeinsam mit Herrn Klima einen Geburtstag, und zwar den 50. Geburtstag, und ich glaube, wir haben allen Grund, diesen auch ein bißchen zu würdigen. Dieser 50. Geburtstag bezieht sich auf das Jahr 1947, auf die damals erfolgte gesetzliche Verankerung des Proporzes in Österreich unter Führung der Sozialisten und der ÖVP. – Ich hoffe, daß Sie bessere Nerven haben, Herr Klima, als Ihr Stellvertreter, denn es wird meine Rede keine Geburtstagsrede werden, wie man sich das an runden Geburtstagen erwarten würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Bundeskanzler Klima! Die Ankündigungspolitik setzen Sie fort. (Abg. Marizzi: Der ist nicht da! – Abg. Ing. Reichhold: Das wollen wir ja hören!) Aber zumindest in Österreich ist er, das ist ja schon etwas.

Ihre Ausführungen sind zwar langweilig, aber Sie täuschen uns Österreicher trotzdem nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind so ähnlich wie die theoretischen Ausführungen von Herrn Professor Nowotny (Abg. Marizzi: Der ist da! Der Bundeskanzler ist nicht da!) über Staatswirtschaft. Internationale privatwirtschaftliche Studien werden negiert, das staatliche Statistische Zentralamt und Parteiinstitutionen werden hier zitiert, von denen man alles verlangen kann, die Ihnen alles bestätigen, was immer Sie dort bezahlt in Auftrag geben – aufgrund des Proporzes, den Sie auch im Bildungssystem eingeführt haben. Entweder sind Sie blind vor Unwissenheit – oder Sie sind blind vor Angst. Eines von beiden sind Sie. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Wahrheit kennen Ihre Wähler schon lang, deswegen wandern sie von Ihnen sehr rasch zu uns. Bei uns hören sie nämlich die Wahrheit! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber so, wie Sie, Herr Klima (Abg. Marizzi: Der ist nicht da!) , von der WestLB nichts gewußt haben, so können Sie natürlich auch von den EU-Daten nichts wissen, sonst würden Sie uns nicht solche Exportzahlen nennen. Das hier (eine Grafik vorweisend, die eine steil nach unten verlaufende Kurve zeigt) sind die Exportzahlen, schauen Sie sich das an! Das geht von 1990 bis 1997, wir haben bereits die Daten vom 30. Juni. Und wissen Sie, von wem das ist? – Von der EU ist das! Das ist diese EU, Herr Marizzi, in die Sie uns hineingetrieben haben, ohne uns vorzubereiten! Deswegen stürzt der Export ab. So schaut das aus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Klima ist nicht da! Nowotny ist da!)

Aber regen Sie sich nicht auf. Die "Neue Zürcher Zeitung" hat Ihnen heute schon ein entsprechendes Zeugnis ausgestellt. (Abg. Marizzi: Der Klima ist nicht da!) – Nicht nervös sein, Herr Marizzi! Da kommt man irgendwann einmal politisch ins schiefe Licht, und die Klapsmühle ist dann auch nicht weit. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Marizzi! Zum Regierungsbericht über Österreichs Wirtschaft von dieser Woche sagt die "Neue Zürcher Zeitung" nur: Die beiden für die Wirtschaft zuständigen Minister wirkten vor dem Nationalrat defensiv. – Ähnlich defensiv haben auch die Ausführungen des Herrn Klima heute gewirkt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Der Klima ist nicht da! Der Nowotny ist da! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Der Klima ist nicht da!)

Es ist seit Jahren alles bekannt, was zu tun ist. Die Allgemeinplätze kennen wir von Ihnen. Sie bleiben alles andere schuldig. (Abg. Mag. Stadler: Die haben immer noch nicht begriffen, daß du sie am Schmäh hältst!) Na ja, das dauert ein bißchen länger bei denen. Deswegen sind wir so weit hinten in der wirtschaftlichen Entwicklung. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber jetzt haben Sie einen anderen Kollegen aufgesucht, den Experten Pühringer, um für Exportrezepte zu sorgen. Ich habe ihn gefragt, wie denn das möglich ist, mit einer Milliarde 28 Milliarden Exporte zu machen. Wissen Sie, was er mir gesagt hat? (Abg. Dr. Nowotny: Exklusiv!) Er hat mit beiden Augen gezwinkert und gesagt: Gut präsentiert habe ich es ihnen, aber glauben tu’ ich nicht daran. – Das sagt mir Ihr Exportexperte, Sie können ihn fragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Finanzminister zuckt die Achseln (Abg. Marizzi: Der ist nicht da, der Finanzminister!) , wenn Herr Stummvoll sagt, 1 Prozent vom BIP bräuchten wir zusätzlich für Forschungsausgaben. – Herr Minister! 1 Prozent ist nicht 1 Milliarde Schilling, sondern das sind 24 Milliarden Schilling. Da fehlen 23! Aber das sind ja "kleine" Zahlenspiele für Sie, die sind ja für Sie nicht von Bedeutung. Hauptsache, Ihre Propagandapolitik funktioniert. Daher sind wir in Europa auch Schlußlicht bei Forschung und Entwicklung, und Sie wissen das ganz genau. (Abg. Marizzi: Der Herr Minister ist nicht da!) Da können Sie zwischenrufen, soviel Sie wollen.

Die Manager der Staatsbetriebe haben mir auch etwas Interessantes aufgezeigt. Die Manager der ÖIAG, also von Ihren Betrieben, haben mir etwas Interessantes aufgezeigt, und zwar zur


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Exportfinanzierung: Sie haben in einer internen Gesprächsnotiz in der ÖIAG die Schwächen der Exportförderungsinstrumente aufgezeigt. Ich nenne Ihnen ein paar, von denen höre ich in Ihrem Programm gar nichts: keine rasche Anpassung der OeKB-Refinanzierungssätze auf internationalen Märkten; keine ungebundenen Finanzkredite zu Soft-loan-ähnlichen Konditionen; hohe Zinsstützungserfordernisse für den Exporteur; keine Mischfinanzierung wie in den OECD-Staaten; keine Rahmen-2-Mittel; kosmetische Zinssätze, weil man in Österreich nicht kapiert, wie sie gegeben werden; Bearbeitung von Soft-loan-Aufträgen.

Ich brauche Ihnen nicht noch weiter vorzulesen. Das ist eine von Ihren Experten in der ÖIAG zusammengestellte Liste von Mankos Ihrer Exportförderung. Und der Erfolg davon – Sie sehen ihn (erneut die Grafik vorweisend): Der Vergleich macht Sie sicher! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber was soll´s, Herr Klima! Wir Freiheitlichen stellen wieder einen Antrag zwecks Förderung der Exportfinanzierung. (Abg. Marizzi: Der Klima ist nicht da! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Herr Marizzi! Ich kann das nicht glauben, was Sie da sagen, wirklich nicht.

Ich bringe Ihnen unseren Antrag zur Kenntnis:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn, Mag. Schreiner, Böhacker und Kollegen betreffend Übertragung der der OeKB übertragenen Aufgaben

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Herr Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die durch die OeKB gemäß Ausfuhrförderungsgesetz 1981 und Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz zu erfüllenden Aufgaben wie folgt neu aufgeteilt werden:"

Und jetzt hören Sie zu! Das sind nämlich die Strukturmaßnahmen, die Ihnen seit Jahrzehnten abgehen. (Abg. Marizzi: Der Klima ist nicht da! Der Haider ist auch nicht da!)  – Danke sehr, Herr Marizzi.

Ich fahre mit der Verlesung des Antrages fort:

"Übertragung aller mit der Automation des Wertpapierhandels und der Abwicklung bei der OeKB konzentrierten Aktivitäten an eine neu zu gründende Börsen AG

Übertragung der Haftungen auf die FGG" (Abg. Marizzi: Können Sie uns das schriftlich geben? Bitte die ganze Rede!) – Sie kriegen es schriftlich auch, dann haben Sie mehr Zeit zum Nachdenken.

Weiters heißt es in unserem Antrag:

"Schaffung eines dezentralen Verwaltungskörpers zwecks Übertragung der Exportfinanzierung auf diesen." (Abg. Marizzi: Bitte alles schriftlich!) – Sie kriegen es ja. Ich gebe es dann dem Präsidenten. (Abg. Marizzi: Bitte die ganze Rede!) Aber selbstverständlich! Das mache ich beim nächsten Mal gern, Herr Marizzi! Kein Problem. Das Papier kommt aus meiner Firma.

Und weiter im Antrag:

"Einhebung eines angemessenen Entgeltes als Abgeltung für die Haftungsübernahme durch den Bund bei der OeKB bis zur Übertragung an einen dezentralen Verwaltungskörper."

*****

(Abg. Marizzi: Beim nächsten Mal bitte vorher, damit wir mitlesen können! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Sie müssen zuhören, sonst werden Sie es nie verstehen, Herr Marizzi! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)


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82. Sitzung / Seite 123

Aber Sie beschäftigen sich ja mit etwas anderem, Herr Klima. (Abg. Marizzi: Der Klima ist nicht da! Der Nowotny ist da! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie beschäftigen sich zum Beispiel mit der Besetzung des OMV-Vorstandes durch Ihren Sekretär Marc Hall. Seit fünf Monaten wird dort die Besetzung des Vorstandes blockiert, Herr Klima! (Abg. Marizzi: Der ist nicht da!) Aber Marc Hall wird nicht durchkommen. Er kommt nicht durch, weil nämlich in der internen Bewertung andere Leute vorgereiht sind. Daher muß der Herr Marc Hall warten, bis irgendwann eine günstige Gelegenheit ist und ein Gegengeschäft gemacht werden kann. Dann wird er den Marc Hall durchbringen.

Daher steht hier: "Neue Hüte, alte Köpfe." Das trifft auf Sie zu: neue Hüte, alte Köpfe. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Und weiter heißt es da: Die Menschen haben das Gefühl, daß Postenschacher betrieben wird. – Hört, hört! (Abg. Dr. Nowotny: Hört, hört!) Andreas Rudas, Ihr Geschäftsführer, hat gesagt: Wo der Staat mitzureden hat, darf es in Zukunft politische Besetzungen nicht mehr geben. – Wo hat denn der Staat bitte nicht mitzureden bei Besetzungen in der Wirtschaft? – Ich kann Ihnen nur sagen, das rot-schwarze Farbenspiel in Österreichs Vorstandsetagen geht von der AUA bis zum Verbund. Ich könnte Ihnen Namen nennen, aber Sie kennen sie selbst. Es sind alles Ihre Parteimitglieder und in zunehmend abnehmendem Maße auch die Parteimitglieder der ÖVP. Aber so geht es einem eben in dieser Koalition. Sie kriegen ja jetzt langsam die Rechnung dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Können wir die Rede haben?)

Sie kriegen die Unterlagen schriftlich, dann werden Sie es verstehen.

Die Banken sind überhaupt die "Alpenfestung der Proporzdiktatur" – ich zitiere. Da steht, es geht nur um die politische Dividende. – So schlecht ist die Dividende der Bank Austria und so viel schwächer der Ertrag als bei der CA, daß man nur sagen kann: Die wirtschaftliche Dividende ist mager, die politische Dividende muß sehr groß sein. Und wenn man sieht, wie sich die Bank Austria aus der Österreichischen Investkredit zurückzieht, weil sie den Auftrag hat, den Sie mit der ÖVP ausgemacht haben, sich von 18 auf 10 Prozent zurückzuziehen, und wie daraufhin der Aufsichtsratpräsident Sellitsch von der Wiener Städtischen diesen Anteil von 8 Prozent aufgreift, damit die Rechnung wieder stimmt, dann erkennt man die politische Dividende, dann muß man sagen: So ist es!

Ich zitiere weiter: Im Ränkespiel um die staats- und parteinahen Banken zeigen sich im gespenstischen Licht der Praschak-Papiere ein weiteres Mal die Abgründe der verpolitisierten Wirtschaft mit ihren geschützten Bereichen. Sie behindern die Leistungswilligen im Land und schaden dem ganzen Land. – Ende des Zitats. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Klima! (Abg. Marizzi: Der Klima ist nicht da!) Herr Klima, ich verstehe, daß Sie jetzt nach Salzburg zu den Festspielen fahren, denn wenn man das alles auf der Regierungsbank hört, wird einem ja ganz schlecht! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den der Herr Abgeordnete Dipl.-Ing. Prinzhorn verlesen hat, ist ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit. (Abg. Haigermoser, zu Abg. Marizzi: Peter, du hast heute Kantinenverbot bis null Uhr!)

16.08

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Haider! Vom Kollegen Haigermoser sind wir ja gewisse eigenartige Auftritte gewohnt, aber ich muß Sie, Herr Kollege Prinzhorn, fragen, bevor Sie den Raum verlassen: Haben Sie das wirklich notwendig, sich da so herzustellen? – Ich glaube wirklich, es sollte nicht Ihr Ehrgeiz sein, den Kollegen Stadler nachzumachen. Ich glaube nicht, daß das wirklich ein Rollenbild für jemanden ist, der sich wirtschaftlich profilieren will. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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82. Sitzung / Seite 124

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Haigermoser hat hier gemeint (Abg. Haigermoser: Der hat auch keine Ahnung!)  – ich zitiere Sie sogar, freuen Sie sich! –, wer für seine Erfolgserlebnisse nicht selber sorgt, der hat sie nicht verdient. Das war der eindrucksvolle Schluß Ihrer Rede, Herr Kollege Haigermoser. Heute haben Sie aber nicht gut für sich gesorgt, denn viele Erfolgserlebnisse haben Sie sich heute hier wirklich nicht eingewirtschaftet. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht nur noch eine Anmerkung zu diesem Anfangswirbel, den Sie hier inszeniert haben. Ich möchte noch einmal wiederholen: Der Herr Bundeskanzler Klima befindet sich beim "World Economic Forum" (Rufe bei den Freiheitlichen: Der Klima ist nicht da!), einer Institution, die Sie in Ihrer Anfrage selbst erwähnt haben, und er arbeitet dort für Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Abgeordnete Haider befindet sich in Amerika. Er arbeitet bestenfalls für sich selbst, wenn er überhaupt arbeitet, aber auf jeden Fall erfüllt er nicht seine Pflicht als Abgeordneter. (Beifall bei der SPÖ.) Und ich möchte sehr deutlich sagen: Da liegt ein wesentlicher Unterschied. (Abg. Mag. Stadler: Er bereitet sich auf seine Kanzlerschaft vor!)

Diese Vorbereitungen dauern schon ziemlich lange, und sie werden auch noch sehr lange dauern. Und es wird leider wieder einmal eine Fehlinvestition sein, so wie manches von Ihrer Seite – wenn es überhaupt eine Investition ist. (Abg. Mag. Stadler: Der wird schneller Bundeskanzler sein als Sie in der Nationalbank!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, in dieser letzten Periode (Oh!-Rufe bei den Freiheitlichen) auf Polemik zu verzichten – in dieser letzten Periode vor dem Sommer, meine ich natürlich – und zu versuchen, eine Sachdiskussion zu führen. Vielleicht sind Sie bereit, in eine Sachdiskussion einzusteigen, wenn nicht, muß ich es auch zur Kenntnis nehmen. Aber ich glaube, wir werden das verkraften. (Abg. Haigermoser: Er wollte in die Nationalbank! – Ruf bei den Freiheitlichen: Bisher haben Sie nichts Sachliches gesagt!)

Erster Punkt: die Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Sie spielt eine wesentliche Rolle in Ihrer Dringlichen Anfrage. Es ist richtig – und ich bin durchaus immer bereit, mit Fakten zu argumentieren –, daß die Wachstumsraten in Österreich in den letzten zwei Jahren zurückgegangen sind. (Ruf bei den Freiheitlichen: Mit dem EU-Beitritt!) Nur muß man das natürlich im Zusammenhang mit der massiven Budgetkonsolidierung, die wir betrieben haben, sehen. (Abg. Mag. Stadler: 40 Milliarden nach Brüssel!)

Ich möchte Ihnen hier aus dem OECD-Wirtschaftsbericht zitieren, also aus genau jener Unterlage, auf die Sie sich bezogen haben. Darin steht auf Seite 20: "Österreich hat auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahre mit der Umsetzung des größten Haushaltssanierungsprogramms seiner Geschichte reagiert. Erreicht wurde dies im Rahmen eines öffentlichen Konsenses, wie er für Österreich typisch ist." – In Klammern sei von mir angemerkt: Das ist genau das Wirken der Sozialpartnerschaft, die Ihnen immer ein Dorn im Auge ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Können Sie das Marizzi schriftlich geben?)

Es heißt weiter im OECD-Bericht: "Die Sparmaßnahmen werden das Wachstum kurzfristig dämpfen" – das ist genau der Punkt –, "doch aufbauend auf dem erfolgreichen Konzept einer stabilitätsorientierten Geld- und Wechselkurspolitik sowie einer stärkeren Integration in die europäische Wirtschaft als Folge des EU-Beitritts dürfte damit längerfristig eine feste Grundlage für das Wirtschaftswachstum gelegt werden." (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )  – Das sind die harten Fakten, und ich bitte Sie, diese anzuerkennen.

Daß genau dieser Umstand inzwischen schon eintritt, ersehen Sie aus dem Wirtschaftsteil des "Standard" von heute mit der Überschrift: "Industrie beurteilt Konjunktur nun deutlich optimistischer". (Der Redner hält die Zeitung in die Höhe.) Das ist eine Aussage von Herrn Dr. Fürst, dem Chefökonomen der Industriellenvereinigung. Das ist sicherlich niemand, der uns politisch sehr nahe steht. (Abg. Rossmann: Was ist mit dem Dienstleistungsbereich?)


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Übrigens steht gleich auf derselben Seite: "Arbeitslose: Musterschüler Österreich". – Das sind die Fakten, und auf diese Fakten, glaube ich, sollten Sie sich stürzen und nicht auf eine Polemik, die wirklich sehr billig ist, wie sich hier gezeigt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nächster Punkt – auch eine kleine Pikanterie –: In der Anfrage hat sich Kollege Haigermoser oder derjenige, der dem armen Kollegen Haigermoser das aufgeschrieben hat, auf einen "Economic Freedom Index" bezogen. Ich weiß nicht, Kollege Haigermoser, ob Sie sich die Mühe gemacht haben, sich einmal anzuschauen, was das überhaupt ist. (Abg. Haigermoser: Was glauben Sie, was ich mir für Mühe mache!) Von wem stammt denn das? – Also Sie wissen das natürlich nicht. (Abg. Haigermoser: Das ist ja kein Verhörsaal!)

Er stammt von Gary Becker; das ist ein äußerst konservativer Ökonom. Worum es dabei geht, steckt ja in dem Wort "Economic Freedom" drinnen: Das hat mit Freiheit überhaupt nichts zu tun, sondern das hat mit dem zu tun, was konservative bis reaktionäre Ökonomen unter ihrem Wirtschaftssystem verstehen. Ökonomische Freiheit in deren Sinn heißt: keine Sozialgesetzgebung, keine Zulassung von Gewerkschaften, kein Sozialsystem. Dann ist es natürlich nicht erstaunlich, wie Sie schreiben, daß sogar Länder wie Mauritius und die Fidschiinseln vor Österreich liegen. Ich kann Ihnen verraten: Sogar ein Land wie Südkorea liegt vor Österreich, und zwar deshalb, weil Südkorea keine Gewerkschaften zuläßt, weil Südkorea kein Sozialsystem hat. (Beifall bei einem Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Klassenkampf!) Genau das sind die Punkte.

Also ich würde sagen: Sie haben sich damit sehr deutlich entlarvt. Wenn dies das Wirtschaftssystem ist, das Ihnen vorschwebt, dann muß ich sagen, das ist ein Wirtschaftssystem ohne funktionierende soziale Sicherung, ein Wirtschaftssystem, in dem die Gewerkschaften keine Rechte haben, ein Wirtschaftssystem, in dem die Arbeitnehmer keine Rechte haben. Wenn dies das liberale System ist, zu dem Sie heute stehen, dann kann ich nur sagen: Gut, daß Sie nichts zu reden haben, und gut, daß es eine starke Koalitionsregierung in Österreich gibt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dritter Punkt: Sie haben hier Strukturfragen angeschnitten. Es ist natürlich richtig, daß es in Österreich eine ganze Reihe von Strukturproblemen gibt. Genau deshalb hat ja auch die Regierung diese Studien in Angriff genommen, sowohl in bezug auf den Exportbereich als auch in bezug auf den Technologiebereich. Es gibt das berühmte Wort: Nachahmen ist das beste Kompliment! Sie haben heute gewissermaßen generös Komplimente verstreut, denn Sie haben ausführlich aus diesen Studien zitiert. Na selbstverständlich, deswegen haben wir sie ja gemacht. Wer hat sie denn in Auftrag gegeben? – Nicht die FPÖ, Bundeskanzler Klima hat sie in Auftrag gegeben. (Abg. Mag. Stadler: Mit dem Ergebnis ist er nicht mehr so zufrieden!) Das heißt, es geht darum, daß wir Studien anstellen, um aus ihnen die entsprechenden Konsequenzen sowohl im Technologiebereich als auch im Exportbereich zu ziehen.

Ich möchte hier schon auf folgendes hinweisen: Sie kritisieren im Exportbereich etwa die Haftungsübernahmen auch in Bereichen ausländischer Wertschöpfung. Kollege Prinzhorn hat sich wohlweislich nicht auf diesen Punkt bezogen. Wahrscheinlich hat er den Antrag, zu dem er hier gesprochen hat, gar nicht gelesen. Denn gerade Kollege Prinzhorn müßte aus seiner eigenen beruflichen Erfahrung wissen, daß es sehr sinnvoll sein kann, Haftungen für Auslandsinvestitionen zu übernehmen, wenn damit zusätzliche österreichische Wertschöpfung geschaffen wird. (Abg. Haigermoser: Das ist nicht die Frage! Sie müssen Chancengleichheit herstellen!) Er hat ja diese Haftungen – ich darf es sagen – auch in sehr großzügigem Ausmaß in Anspruch genommen. Also ich muß sagen, ich wundere mich sehr, daß Sie Kollegen Prinzhorn zumuten, er solle etwas verurteilen, was er selber macht. Sehr fair war das von Ihnen nicht! Herr Kollege! Ich glaube, Sie sollten sich damit ein bißchen auseinandersetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das haben sich die Leute nicht verdient!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir eine sachliche Diskussion führen könnten. (Abg. Haigermoser: Ja, das wäre gut, wenn Sie damit


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beginnen würden!) Ich meine, es gibt im Bereich der Strukturpolitik sicher genug, über das man sachlich sprechen sollte. Die heutige Chance haben Sie leider wieder verpaßt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Nur Sie haben eine Ahnung! – Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.  – Abg. Dr. Nowotny, das Rednerpult verlassend: Fakten!)

16.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Er hat das Wort. (Abg. Haigermoser: Seppi, mach es bitte kurz! – Abg. Dr. Höchtl: Das ist schwer möglich!)

16.16

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man eine Dringliche Anfrage zur Wirtschaftspolitik stellt, dann sollte man versuchen, richtige Argumente vorzubringen, die die Situation beschreiben oder meinetwegen auch kritisieren, aber man sollte doch auch versuchen, wenigstens irgendeinen positiven Vorschlag zu machen. Denn schließlich und endlich haben wir – alle 183 Abgeordnete – die Aufgabe, weiterhin für die österreichische Bevölkerung positive Politik zu betreiben und nicht das, was wir in diesem Lande gemeinsam erreicht haben, mieszumachen. Das ist nicht die Art, wie man Politik betreiben sollte! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Kollege Haigermoser! Du magst auf dem Fußballplatz einmal ganz gut gewesen sein, du magst bei einem Kabarettauftritt möglicherweise auch gut gewesen sein, aber bei dem, was du hier an wirtschaftspolitischen Dingen verzapft hast, kann ich dich leider nicht als gut qualifizieren. Das muß einmal ausgesprochen werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Du hast Verallgemeinerungen vorgenommen, du hast falsche Behauptungen aufgestellt und diese falschen Behauptungen zur Methode gemacht. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Moment! Ich werde dir das anhand von drei Behauptungen beweisen, die beispielhaft für deine gesamte Rede waren, um aufzuzeigen, wie eben diese Rede zu beurteilen ist.

Erste falsche Behauptung: Ein Posten bei Austro Control wäre nicht ausgeschrieben worden. Das ist die Behauptung Nummer eins. – Tatsache ist, daß dieser Posten des Stellvertretenden Geschäftsführers ausgeschrieben worden ist. Das heißt, diese Behauptung war eine bewußt falsche Darstellung aus deiner Sicht. Das kann sich diese Firma und auch die Person, die mit dieser Funktion betraut wird, nicht gefallen lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweite falsche Behauptung: Du sagtest hier, der Sekretär von Landeshauptmann Pröll wäre nun in den Vorstand der Österreichischen Bundesbahnen gekommen. (Abg. Dr. Graf: War er es nicht?) Es ist nicht der Sekretär von Landeshauptmann Pröll, sondern es ist der anerkannte Leiter der Verkehrsabteilung der Niederösterreichischen Landesregierung gewesen. (Abg. Mag. Stadler: Er war nie Sekretär?) Das heißt, man kann nicht etwas behaupten, was nicht den Tatsachen entspricht, und glauben, indem man das Sittenbild von irgendwelchen Sekretären darstellt, andere miesmachen zu können. Das ist eine Art, die man nicht zulassen darf und der man widersprechen muß. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Du hast gesagt, er war nie Sekretär beim Pröll!)

Dritte Behauptung: Du hast gesagt, als du den Vorstand der Oesterreichischen Kontrollbank aufgezeigt hast, Dr. Attems sei ÖVP-Mitglied. Ich korrigiere: Dr. Attems ist Vorstandsmitglied der Kontrollbank, aber nicht Mitglied der Österreichischen Volkspartei. Das war die dritte falsche Behauptung.

Und wenn ich all deine Behauptungen durchginge, würde ich noch eine Serie zustande bringen. Das heißt, die Begründung dieser Dringlichen Anfrage war eine Ansammlung falscher Behauptungen und sonst nichts! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )

Aber da war noch etwas, Kollege Haigermoser: Wenn man ins Ausland fährt und dort (Ruf bei den Freiheitlichen: ... Schüssel trifft!) die Außenhandelsorganisation der Bundeswirtschaftskammer betritt und mit deren Bediensteten und mit jenen, die die Dienste dieser Außenhandels


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organisation in Anspruch nehmen, spricht, dann kann man wirklich sagen: Die Außenhandelsorganisation ist ein Aushängeschild und ein wesentlicher Motor der Exportförderung für Österreichs Wirtschaft! Sie mieszumachen, ist eine Schande! Das sollst du auch gesagt bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun einige Bemerkungen im Inhaltlich-Sachlichen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Die erste wahrscheinlich!) Nein, das andere waren Korrekturen von Behauptungen Herrn Haigermosers, die man hier im Parlament nicht unwidersprochen lassen darf. Falsche Behauptungen gehören korrigiert. Das gehört zur parlamentarischen Debatte! (Beifall bei der ÖVP.) Debattieren heißt, auf das Argument des anderen einzugehen. Und wenn etwas falsch ist, dann muß man es korrigieren. Das ist der Stil, den man in einer parlamentarischen Debatte pflegen muß. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Nein, aber du hast hier mit falschen Behauptungen versucht, ein Schauspiel zu demonstrieren. Das muß widerlegt werden.

Einige Punkte, wie man seriös versuchen soll, Herausforderungen, die bestehen, zu begegnen: Wir haben in den vergangenen Monaten, beispielsweise was die Lehrlinge anbelangt, Probleme gehabt, und diese sind noch nicht bewältigt. Wir haben uns in dieser Bundesregierung nach sehr intensiven Verhandlungen rechtzeitig, nämlich im Februar, zu einer Lehrlingsoffensive entschlossen. Die Österreichische Volkspartei hat wesentliche Vorschläge eingebracht und die entsprechenden Maßnahmen dann gemeinsam mit dem Koalitionspartner verabschiedet.

Ich glaube, eine seriöse Wirtschaftspolitik, die in einer dynamischen Gesellschaft selbstverständlich immer neue Formen von Maßnahmen zu setzen hat, ist dann gegeben, wenn man Probleme erkennt, wenn man Herausforderungen erkennt und dann rechtzeitig mit Maßnahmen antwortet. Die Lehrlingsoffensive beispielsweise hat für die österreichischen Unternehmen folgende Wirkung:

Jeder, der seit dem 1. Juli in einem österreichischen Betrieb einem Lehrling die Chance gibt, für die nächsten drei Jahre eine Ausbildung zu bekommen, wird dafür keine Beiträge zur Krankenversicherung mehr zahlen müssen. (Abg. Böhacker: Und wer zahlt das?) Ich habe mir ausgerechnet, welchen Anreiz das für einen Betrieb bedeutet. Das bedeutet für einen Betrieb, beispielsweise konkret für einen Industrielehrling, 16 546,38 S. Selbstverständlich sind das Gelder, die von der Gesellschaft aufgebracht werden ... (Abg. Böhacker: Sagen Sie die Wahrheit!) Ich sage die Wahrheit! Die Gelder werden von der Gesellschaft über Steuereinnahmen, über Beitragseinnahmen aufgebracht. Nur: Das sind Anreize für jene Betriebe, die jungen Menschen die Chance geben, nach der Schule beziehungsweise nach anderen Ausbildungen den ersten Schritt ins Arbeitsleben nicht mit Arbeitslosigkeit beginnen zu müssen. Wir bekennen uns zu einer Politik, die den jungen Menschen Chancen gibt, Chancen der Ausbildung, Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, und die Chance, ein sinnvolles, seriöses, wohlfundiertes, arbeitsreiches Leben zu gestalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist nur ein Element der Lehrlingsoffensive. Aber ich habe dazu keinen einzigen Vorschlag seitens der Freiheitlichen gehört. (Abg. Dr. Graf: Streichung der Kommunalabgabe!) Wir wissen, wir werden in den nächsten Wochen sehr, sehr viel kämpfen und eindringlich an die Unternehmer appellieren müssen, den jungen Menschen diese Chance zu geben. Aber wir haben nun gewisse Voraussetzungen geschaffen. Beispielsweise trachten auch einzelne Länder, mit der "Start-Job-Initiative" den jungen Menschen eine Chance zu geben.

Es ist viel in Bewegung gekommen, denn das oberste Ziel der Wirtschaftspolitik muß es sein, ein möglichst hohes Beschäftigungsniveau zu erreichen. Ein hohes Beschäftigungsniveau ist die Garantie dafür, daß wir unsere soziale Sicherheit aufrechterhalten können und daß die demokratische Entwicklung in diesem Staat, der sehr stark darauf beruht, daß der Mensch eine sinnvolle Beschäftigung hat, in dem Sinn weitergeht, wie wir es wollen, nämlich in der Zweiten Republik und nicht in einer immer wieder propagierten Dritten Republik. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Nowotny hat einige Wirtschaftsdaten als gesamtvolkswirtschaftliche Indikatoren angeführt. Es ist ja nicht so, daß es mit Österreichs Volkswirtschaft bergab geht, sondern wir sind Gott sei Dank in der Lage, nach Schwierigkeiten


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im vergangenen Jahr, die aber nicht österreichbedingt, sondern zweifellos international bedingt waren, im heurigen Jahr wieder mit rund 1,5 Prozent realem Wirtschaftswachstum und im nächsten Jahr vielleicht mit 2,4 Prozent rechnen zu können. (Abg. Mag. Stadler: Sie glauben der eigenen Propaganda!)

Das sind gute Ansätze, die, gepaart mit einer dynamischen Form der Wirtschaftspolitik, die Chance eröffnen, einen Weg zu gehen, der auch in den vergangenen Jahren dadurch gekennzeichnet war, daß man im Zuge von dynamischen Entwicklungen dynamische Akzente als Antwort auf Herausforderungen setzte. Und ich meine, die Bundesregierung aus Österreichischer Volkspartei und Sozialdemokratischer Partei hat etliche Akzente gesetzt. Wir werden nicht ruhen, auch weitere Akzente zu setzen, denn es ist uns ein Anliegen, eine Grundlage für Österreichs Wirtschaft zu schaffen, sodaß alle Menschen sagen können: Die bemühen sich, die arbeiten – im Gegensatz zu Oppositionsparteien wie zum Beispiel der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei der ÖVP.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. Er hat das Wort.

16.27

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Lieber Abgeordneter Höchtl! Wahrheiten mit Un- oder Halbwahrheiten zu attackieren, bringt nicht die Wahrheit ans Licht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Ein Beispiel!) Und konstruktive Alternativen hast du nicht aufgezeigt (Abg. Dr. Höchtl: Lehrlingsoffensive!) , auch nicht mit der Lehrlingsoffensive.

Wenn du Professor Nowotny im Zusammenhang mit der Argumentation betreffend das Wirtschaftswachstum angesprochen hast, dann muß ich sagen: Da liegt Professor Nowotny falsch (Abg. Dr. Höchtl: Wirtschaftsforschungsinstitut!) , und zwar deshalb, weil Österreich beim Wirtschaftswachstum an der letzten oder vorletzten Stelle von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union liegt und alle Staaten der Europäischen Union ebenfalls die Maastricht-Kriterien einzuhalten haben, also denselben Gesetzmäßigkeiten zur Budgetkonsolidierung unterworfen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Moment! Das war eine sehr einseitige Sicht! Der Indikator Arbeitslosigkeit, der Indikator Inflation muß mit berechnet werden!) Nein, das war keine einseitige Sicht.

Ich möchte ganz kurz zum Herrn Staatssekretär kommen, damit ich meine Unterlagen einbringen kann. – Herr Staatssekretär! Ich wollte eigentlich den Herrn Bundeskanzler ansprechen, weil ich glaube, daß dieser doch einige Wirtschaftskenntnis hat. Ich verstehe zu meinem Bedauern von Kunst nichts. Was den Sportbereich betrifft, kann ich Ihnen mitteilen, daß der Aufsteiger Austria Lustenau mit einem freiheitlichen Bürgermeister den Meister Austria Salzburg geschlagen hat. – Dies zu Ihrer Information. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich bitte Sie aber, alles Folgende doch dem Herrn Bundeskanzler zu berichten.

Das neuerliche Unterfangen, eine Exportoffensive anzukündigen, ist wohl ein verzweifelter Versuch, die verfehlte Wirtschaftspolitik zumindest der letzten zehn Jahre zuzudecken. Anzuerkennen ist lediglich der Mut des Kanzlers, Ansätze einer solchen Exportoffensive durch Experten erarbeiten zu lassen. Diese Studie zeigt aber dann in weiten Bereichen auf, welche Untätigkeit von seiten der österreichischen Regierung in der Vergangenheit herrschte, und bestätigt die immer wieder von uns Freiheitlichen vorgetragenen und aufgezeigten Versäumnisse. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich zitiere jetzt nicht aus dem Bericht, sondern ich frage: Wo ist die Maßnahme des Kanzlers, die zu geringe Eigenkapitalausstattung zu verändern, und wie sieht sie aus? Wo und wie ist der Vorschlag, den derzeit fehlenden Zugang zum Risikokapital zu erlangen? Wo und wie ist die Antwort auf den fehlenden Export in die Wachstumsmärkte Südostasiens und Lateinamerikas? Wo und wie ist die Antwort auf den Vorwurf bezüglich des fehlenden Technologie-Know-hows und wie ist den fehlenden Chancen für den Export in hochentwickelte Staaten wie die USA, Kanada oder Japan entgegenzuwirken?


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Herr Staatssekretär! Die Studie ist nicht breit genug angelegt, als daß sie auch auf diese grundlegenden Fragen Antworten gäbe. Die Nichtbeantwortung dieser Fragen ist aber im österreichischen Wirtschafts- und Budgetergebnis sichtbar und präsent. Erstens: Hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit ist Österreich innerhalb von fünf Jahren vom 8. auf den 27. Platz zurückgerutscht. Zweitens: Das daraus resultierende finanzielle Ergebnis ist das Handelsbilanzdefizit – allein mit den Mitgliedstaaten der EU –, das heuer 113,1 Milliarden Schilling ausmacht. Da wird auch das Problem unserer Wachstumsrate deutlich.

Ich werfe der Bundesregierung daher vor, daß sie diese Tatsachen nicht erkennt oder nicht erkennen will. Die Regierung hätte ansonsten den Mut haben müssen, sich Maßnahmen für eine Exportoffensive empfehlen zu lassen, die weit mehr als nur eine Erhöhung um 3 Prozent, die der BIP-Erhöhung entsprechen würde, bringt und zumindest die Höhe des Handelsbilanzdefizites erreicht. Sie hätte auch den Mut dazu haben müssen, die Aufgabe so zu stellen, daß zur Administration der Exportoffensive nicht nur neue Institutionen geschaffen, sondern durch Fokussierung die bestehenden halbiert werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer wichtiger Bereich ist nicht berücksichtigt, und zwar die Forscherquote. Wir haben 26 Forscher auf 10 000 Einwohner, der OECD-Schnitt beträgt 48; auch hiezu gibt es keine Aussage. Diese Tatsache bringt zwei Probleme. Erstens: Die Forschungsquote wird nicht steigen können, weil die Forschungseinrichtungen dazu fehlen. Zum zweiten: Die mit viel Steuergeld hervorragend ausgebildeten Spitzenleute finden in Österreich keine ihrer Ausbildung gerechte Stelle, müssen daher als Universitätsabsolventen zum Teil ins Ausland und machen in Deutschland oder gar in den USA Karriere.

Herr Staatssekretär! Auch die Strukturänderungen im Bankenbereich verzögern sich. – An all das müssen Sie und die Bundesregierung erinnert werden.

Die Abgeordneten Mag. Schreiner, Böhacker, Ing. Nußbaumer und Kollegen bringen daher einen Entschließungsantrag betreffend Novellierung des Sparkassengesetzes hinsichtlich Haftungsverzicht oder Haftungsentgelt ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schreiner, Böhacker, Ing. Nußbaumer und Kollegen betreffend Novellierung des Sparkassengesetzes hinsichtlich Haftungsverzicht oder Haftungsentgelt

Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat entsprechend der Entschließung des Nationalrates vom 14. Jänner 1997 umgehend in jenen Bereichen, in denen gemäß der zwischen den Koalitionsparteien abgeschlossenen Vereinbarung vom 12. Jänner 1997 legistische Maßnahmen erforderlich sind, Entwürfe für Bundesgesetze vorzulegen, sodaß eine Beschlußfassung noch im September 1997 nachgeholt werden kann.

*****

Herr Staatssekretär! Zum Abschluß: Wenn Sie auf diese Fragen, die jetzt aufgeworfen wurden, die Antwort schuldig bleiben, dann haben weder Sie noch die Mitglieder der Bundesregierung, noch der Herr Bundeskanzler begriffen, daß sich Österreichs Wirtschaft in einer dramatischen Wettbewerbssituation befindet. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schreiner, Böhacker, Ing. Nußbaumer und Kollegen ist geschäftsordnungsmäßig eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl.

16.34

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wo soll ich anfangen, wenn ich mich mit etwas auseinandersetzen will? Ich halte nichts davon, bei einer so


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ernsten Debatte über ein so ernstes Thema ins Lächerliche abzugleiten. (Abg. Mag. Stadler: Schickt uns in Zukunft den Bundeskanzler!) Nein, das ist kein Vorwurf, Kollege Stadler. Auch mir würde es schwerfallen. Ich rede gerne konkret über Dinge, zum Beispiel über Ausführungen ... (Abg. Haigermoser: Kurti, da steht die Frage!) Helmut, ich darf dir sagen, daß ich mir, wenn du eine Dringliche Anfrage zu Wirtschaftsfragen einbringst, einiges mehr erwartet habe! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Kollege Prinzhorn! Ich fange bei Ihnen an. (Zwischenrufe des Abg. Haigermoser. ) Nein, nein. Du hast dich ein bißchen lustig gemacht, aber vielleicht hast du es ernst gemeint. Mir liegt dieses Lustige nicht, aber das ist Charaktersache.

Herr Kollege Prinzhorn! Ich möchte vorweg sagen: Ich habe Ihre Anfrage nur kurz überfliegen können, es ist ein bißchen viel verlangt, wenn man in ein paar Minuten den gesamten Text lesen soll.

Zum Thema Kontrollbank: Wir haben vor einigen Wochen oder Monaten zu diesem Thema eine Diskussion gehabt, und ich hatte den Eindruck, daß Sie meiner Meinung sind, daß es bei der Frage, wie man ein Exportregime organisiert, drei Ansatzpunkte gibt: Entweder man macht es ganz privat mit Banken, oder über Versicherungen – siehe Hermes, Sie wissen das so gut wie ich –, oder der Staat macht es. Ich meine, die letztgenannte Variante scheidet aus. Darin, daß der Staat Exportförderung an sich, ein Exportförderungsregime zwar stützen, aber nicht selbst machen soll, sind wir uns, denke ich, einig.

Was die Frage betrifft, ob in einer solchen Organisation oder Institution Versicherungen oder Banken sein sollen, muß noch geklärt werden. In Österreich übernehmen die Banken diese Rolle. Man kann jetzt sagen, jetzt kommen Versicherungen, was aber auch wieder schlecht ist. Für irgendeines der Systeme muß man sich aber entscheiden. – Punkt eins.

Punkt zwei: Sie schreiben in einem Absatz: Laut Expertenmeinung sind die Umschuldungskredite uneinbringlich. Zur Meinung der Experten: Vielleicht haben sie recht, vielleicht haben sie unrecht. Eines aber ist Faktum, nämlich daß bereits mehr als 35 Milliarden rückgeflossen, also eingebracht worden sind. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Ein Drittel!) Ich meine, daß der Umstand, daß bereits 35 Milliarden aus Umschuldungskrediten rückgeflossen sind, doch zumindest die Annahme zuläßt, daß bei einer längerfristigen Umschuldungspolitik die Chance besteht, daß solche Mittel nicht vom Steuerzahler bezahlt werden müssen, sondern eben zurückfließen. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Wenn die Mittel sehr lange überfällig sind, werden Sie geringe Chancen haben!) Herr Kollege Prinzhorn! Ich habe nicht die gesamte Chronologie dieser Kredite im Kopf. Ich weiß nur, daß dieser Betrag rückgeflossen ist. Das ist der Beweis dafür, daß bei Umschuldungen die Annahme gerechtfertigt ist, daß die Mittel wieder zurückkommen.

Nun aber zum eigentlichen Thema. Sie, Herr Kollege Prinzhorn, sind der Auffassung, es ist alles so schlecht und furchtbar. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Wir wollen die Wahrheit, wir wollen nur die Wahrheit! Sie wollen die Wahrheit nicht!) Herr Kollege Prinzhorn! Lassen Sie mich reden! Ich bin ohnehin für die Wahrheit! Sie werden von mir sofort einige nicht unkritische Dinge hören. Wenn man auf dieser Ebene diskutieren will – etwas anderes ist es, wenn man nicht will –, dann sollte man zumindest eines ansehen: Wie hat sich die Weltwirtschaft in den letzten paar Jahren, vor allem im Jahr 1996 – das Sie angesprochen haben – entwickelt? – Regional sehr unterschiedlich. Weltweit gibt es in verschiedenen Bereichen Wirtschaftszuwächse: in Europa relativ schwach, zum Teil sogar sehr schwach, insbesondere in der EU.

Da wir durch unsere Exportsituation sehr stark EU-orientiert waren, war eine der Hauptursachen unseres relativ ungünstigen Ergebnisses des Jahres 1996 – das steht außer Diskussion, ich stehe auch nicht an, es auszusprechen, auch ich wünschte mir bessere Zahlen – der Einbruch in Deutschland und in Italien, die Wechselkursproblematik 1995/96. – Wir wissen das, aber langsam beruhigt sich die Situation wieder. Die Zahlen dazu habe ich erst gestern gesehen, Sie werden ja auch die Aussendung der APA gelesen haben: Pannenstreifen verlassen! Die österreichische Exportwirtschaft kommt wieder auf Normalspur. – Sie haben das sicher auch gelesen, deshalb brauchen wir uns darüber nicht zu unterhalten.


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Was will ich damit zum Ausdruck bringen? (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Woher haben Sie die Ziffern für die Exporte? Die Ziffern der Exporte sind im ersten Quartal extrem rückläufig gegenüber 1996!) Nein. Ich zitiere nur die APA-Aussendung von gestern: Die österreichische Industrie – Erhard Fürst. Das steht auch als Headline im "Standard", darüber brauchen wir nicht zu reden! (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Die Freudenbotschaft Ihres Koalitionspartners ist das!) Nein, Herr Kollege! Qualifizieren wir doch nicht jeden ab, der irgendeine Aussage macht, die Ihnen nicht paßt. Diese Zahlen sind Fakten, die wir zur Kenntnis nehmen sollten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Die Fakten sind: Rückgang: plus 5 auf minus 8 Milliarden!)

Herr Kollege! Noch etwas. Sie machen es sich relativ leicht, wenn Sie dann, wenn jemand, der Experte ist, etwas Positives sagt, einwerfen: Das ist ein Koalitionsexperte, deshalb zählt er nicht.

In der letzten, nein, in der vorletzten Wifo-Prognose, die durchaus kritisch der Leistungsbilanz und allem, was dort analysiert wird, gegenübersteht, steht im Zusammenhang mit der Entwicklung der interessante Satz: Österreichs internationale Wettbewerbsposition verbessert sich voraussichtlich nicht nur aufgrund des effektiven Wechselkurses, der Härte des Schillings, sondern auch aufgrund der Entwicklung der Arbeitskosten. Die rege Nachfrage nach Vorprodukten et cetera wird sich positiv entwickeln. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Die Abwertung der D-Mark!) Zum Teil auch, da stimme ich wieder mit Ihnen überein, das stimmt zum Teil. Man sollte aber sehen, daß es Entwicklungen gibt, die von unserer Exportwirtschaft genützt werden.

Sie haben recht: Im ersten Quartal 1997 war die Entwicklung nicht lustig. 10 Milliarden Schilling Rückgang bedarf keiner Diskussion. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das ist die Wahrheit!) Warum soll ich sagen, was nicht ist?

Die letzten Monate, die allerletzten Zahlen zeigen aber doch eine erfreuliche positivere Entwicklung, weil sich manche Exportmärkte, in denen wir stark engagiert sind, positiv entwickeln. Ich habe erst kürzlich im Wifo-Bericht gelesen, daß sich Österreichs Wirtschaft – es ist eine deutliche Steigerung der preisbestimmten Wettbewerbsfähigkeit infolge der Wechselkursentwicklung des Schillings zu verzeichnen – positiv entwickelt. Das zeigt, daß wir vom Trend her richtig liegen.

Ungünstig – da bin ich schon wieder bei einem Thema, das man sich anschauen muß – ist die Leistungsbilanzentwicklung. 1996 war sie etwas besser, im ersten Quartal 1997 aber zeigte sich ein Defizit von 8 Milliarden Schilling. 1996 handelte es sich – wie schon gesagt – um die gleiche Zahl, allerdings war sie noch positiv.

Wenn man nun überlegt, was denn die Ursachen dieser Leistungsbilanzentwicklung sind, dann werden Sie sagen: Alles ist schlecht. – Ich aber sehe auch Positives. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Ziffern sind Ziffern! Ziffern sind nicht schlecht und nicht gut!) Man muß aber zumindest hinterfragen dürfen, warum das so ist. – Da zeigen sich eindeutig drei Ursachen: Natürlich hat der EU-Beitritt Kosten verursacht, die Entwicklung der Reisebilanz ist alles andere als positiv, und letztlich hatte auch die Wechselkursentwicklung einen Einfluß.

Ich bin aber auch der Auffassung, daß man die Leistungsbilanz, vor allem bei anhaltendem Defizit, nicht kritiklos hinnehmen kann und Maßnahmen zu setzen sind. Die Exportoffensive, die Technologieoffensive und die Ausbildungsoffensive gehen genau in diese Richtung. – In einem können wir sicherlich übereinstimmen: Wir sind ein Hochlohnland. Unsere Antwort kann deshalb nicht niedrigere Löhne sein, sondern nur höhere Qualität im Dienstleistungsbereich sowie im Produktbereich. Dann wird sich das automatisch wieder bessern. (Abg. Dr. Haselsteiner: Aber wie?) Das sind Dinge, die Sie einfordern, die von uns zwar gemacht, aber gleichzeitig trotzdem von Ihnen kritisiert werden. Ich weiß nicht, was man noch machen könnte. (Abg. Dr. Graf: Dann lassen Sie einmal andere ran, wenn Sie sich nicht auskennen!) Sie sehen aber, daß eine Politik gemacht wird, die durchaus in diese Richtung geht.

Meine Damen und Herren! Man kann – wie ich schon öfter gesagt habe – die Dinge so und anders sehen. Eines aber muß man anerkennen: die Situation des Standortes Österreich. Darauf haben natürlich die Maßnahmen, die schon gesetzt worden sind, einen Einfluß: sei es die unternehmensfreundliche Steuerreform, die Investitionen in die Infrastruktur, die höhere


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Flexibilität bei der Arbeitszeit oder die Vereinfachungen und Entbürokratisierung im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung und dem Anlagenrecht. Manches kann noch eingefordert werden. Daß die angesprochenen Maßnahmen aber eine Attraktivitätsteigerung bedeuten, müssen Sie zugeben. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Die anderen Länder machen es noch besser! Wir rutschen herunter im Wettbewerb!)

Herr Kollege! In einem sind wir uns doch hoffentlich einig: Ein wichtiges Signal sind doch die Investitionen. Sie dürfen nicht immer nur auf die Expertenmeinungen hören! Wenn wir im Jahre 1996 über 40 Milliarden Schilling an Auslandsinvestitionen in Österreich verzeichnen konnten, so ist das doch ein Signal dafür, daß wir richtig liegen und keinen Grund dafür haben, ein negatives Bild zu zeichnen. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Wenn eine große Handelsfirma gekauft wird, dann müssen Sie das relativieren! Das ist keine Investition, sondern eine Firmenübernahme!)

Herr Kollege Prinzhorn! Je negativer Sie das Bild zeichnen, desto weniger werden auch österreichische Unternehmen bereit sein, zu investieren. Was wir brauchen, sind Unternehmensneugründungen, sind mehr Investitionen. Dann wird sich diese Politik lohnen und Österreich wird diesen guten Weg, den es jahrzehntelang gegangen ist, auch weiterhin gehen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.44

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt hat, einen Untersuchungsausschuß betreffend Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte wurde nicht verlangt. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung über diesen Antrag nach Erledigung der Tagesordnung statt. Der Antrag selbst wird verteilt werden.

*****

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

16.44

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haigermoser! – Wo ist er? Zuerst hat er die Abwesenheit des Bundeskanzlers mehrfach bedauert, jetzt ist er bei seiner eigenen Dringlichen Anfrage nicht da! – Ich merke das nur für das Protokoll an.

Dringliche Anfragen gehören sicherlich zum wichtigsten parlamentarischen Interpellationsrecht. Meine Damen und Herren vom rechten Flügel! Bei der FPÖ habe ich das Gefühl, daß bei Ihnen die Gefahr des Mißbrauchs dieses Interpellationsrechtes besteht, und werde das folgendermaßen begründen: Sie degenerieren die Dringlichen Anfragen zu einem Ritual. – Ich habe nichts gegen Rituale, sie sind manchmal sehr nützlich, ersparen das Denken und ersetzen dieses durch Gewöhnung. – Genau das paßt auf diese Dringliche Anfrage. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Die ÖVP muß bei der SPÖ etwas gutmachen! Die Großkoalitionäre der ÖVP kommen jetzt!)

Jedem, der heute zuhört, ist doch bekannt, daß wir genau diese Fragen schon in einer ausführlichen Wirtschaftsdebatte auf der Basis von Berichten des Wirtschafts- und Finanzministers behandelt haben. Alle diese Fragen haben wir schon erläutert. Kollege Haigermoser! Entweder waren Sie vorgestern nicht hier oder Sie haben nicht zugehört oder Sie haben nicht verstanden, worüber gesprochen worden ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Tatsächliche Berichtigung!) – Passen Sie auf! Kollege Stadler ist jetzt nicht hier, ihn betrifft das aber. Wenn Herr Dr. Haider in den USA erfährt, daß Sie hier eigentlich nur Rituale wiederholen und keine Inhalte transportieren


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(Ruf bei den Freiheitlichen: Da haben Sie die Inhalte nicht verstanden!) , dann kann das für den einen oder anderen aus Ihrer Riege gefährlich werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Sie kriegen kein Lob von der SPÖ! Da können Sie buhlen, soviel Sie wollen!)

Ich habe mir die Mühe gemacht, die 31 Fragen Ihrer Dringlichen Anfrage durchzulesen und zu kategorisieren. Dabei habe ich festgestellt: Sie verwenden immer das gleiche Strickmuster. Es handelt sich um ein Wiederkäuen von schon früher vorgebrachten Argumenten. (Abg. Rossmann: Das ist eine alte Rede! Die haben Sie vor zwei Monaten auch schon gehalten! – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Immer diese Tiervergleiche in Ihrer Partei!) Bei dieser Anfrage trifft das auf 12 von 31 Punkten zu. Das polemische Krankjammern und Angstmachen betrifft 8 der 31 Fragen, die Sie gestellt haben. Der Vorwurf des Machtmißbrauches – Kollege Höchtl hat Sie heute damit am falschen Fuß erwischt beziehungsweise auf frischer Tat ertappt, als Sie behaupteten, es habe einen Machtmißbrauch gegeben, ein Vorwurf, der jeglicher Grundlage entbehrt – kommt in den 31 Fragen dreimal vor. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. ) Herr Kollege Prinzhorn! Interessant und gerade im Zusammenhang mit Ihnen bemerkenswert ist die Ausländerfeindlichkeit im Gewand des wirtschaftspolitischen Chauvinismus. Das habe ich von Ihnen nicht erwartet, Herr Prinzhorn. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Lassen Sie mich einen Bereich Ihrer Routineanfrage ein bißchen näher beleuchten: Technologie, Forschung und Entwicklung. Es haben schon zuvor Redner dazu Stellung genommen. (Abg. Dr. Graf: Da haben Sie ja auch keine Ahnung!) – Natürlich! Es ist ja bekannt, daß Österreich im Vergleich zu anderen OECD-Ländern einen Forschungsrückstand aufweist. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Auch die Ursachen dafür sind bekannt, nämlich daß wir eine klein- und mittelbetriebliche Struktur und keine große Waffenproduktion haben und daß wir nicht der Sitz großer, international tätiger Konzerne sind. (Abg. Jung: Daß wir eine unfähige Regierung haben!)

Es stimmt schon, daß wir in diesem Bereich Strukturprobleme haben, wie etwa die Streuung und Zersplitterung der entsprechenden Forschungseinrichtungen. (Abg. Ing. Nußbaumer: Deutschland hat eine kleine mittelständische Struktur!) Das alles haben Sie der Diagnose, die anläßlich des Gipfels von Rust vorgelegt worden ist, entnommen. Sie käuen also nur etwas bestens Bekanntes wieder, pikanterweise etwas, was die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat. Wo liegt dabei der News-Wert? (Beifall bei der ÖVP.)

Sie tun aber so, als ob die Bundesregierung auf diese erkannten Probleme der österreichischen Technologie- und Forschungsposition nicht reagiert hätte. – Natürlich hat sie reagiert! In einem ersten Schritt hat sie am Tulbinger Kogel ein 3-Milliarden-Paket ausgelobt, würde ich sagen, eines hat sie soeben umgesetzt. In Rust hat sie ein Programm akzeptiert, das die Forschungs-, Entwicklungs- und Technologiemittel von derzeit 36 Milliarden auf 48 Milliarden Schilling anhebt – genau das, was auch Sie immer wieder verlangen, Sie kennen ja die Studien –, um dadurch die Forschungsquote bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2002 auf 2 Prozent pushen zu können.

Aber dann kommt gleich Ihre Kritik: Ein Teil dieser Forschungsmittel soll jetzt auch für die Exportoffensive verwendet werden! Sie nennen das in Ihrer Anfrage "Reduktion der Forschungsmittel um ein Drittel".

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Da haben Sie etwas nicht verstanden oder wollen es nicht verstehen. Natürlich kann die Forschungs- und Technologiepolitik nur dann erfolgreich sein und zu einem mehr und mehr selbsttragenden Prozeß werden, wenn sich neue Produkte, neue Verfahren auf dem Markt, insbesondere auf dem internationalen Markt, durchsetzen. Das heißt, Forschungserfolge und Exporterfolge sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das sollten Sie anerkennen, statt es zu kritisieren und zu sagen: Das paßt nicht zusammen. – Ich sage Ihnen: Forschungsoffensive und Exportoffensive passen bestens zusammen! (Beifall bei der ÖVP.)


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Natürlich – und das haben Sie auch herausgelesen (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn ), das steht ja in dem Papier drinnen und ist ja jetzt die Vereinbarung, wie es weitergehen wird – sind Leitung und Struktur unserer Forschungseinrichtungen zu reorganisieren. Sie selbst, Herr Kollege Prinzhorn – ich kann mich erinnern – haben einmal gesagt: Österreich sollte nach dem Schweizer Muster einen nationalen Forschungsfonds einrichten, der etwas politikferner ist und bei dem entsprechende strategische Entscheidungen getroffen werden sollen. – Das haben Sie selbst gesagt! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. )

Und jetzt machen wir genau das: Wir schaffen einen Rat für Forschung, Technologie, für die strategischen Entscheidungen und das Büro für Forschung und Technologie, um die operativen Entscheidungen durchzuführen, und zwar in einer Ergebnisverantwortlichkeit. Wir schaffen also eine Struktur, die politikferner ist, aber wirtschafts- und wissenschaftsnäher. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Proporznäher!)

Diese Umsetzung kritisieren Sie und nehmen Sie zum Anlaß einer neuen Polemik: Es würden nur wieder eine neue administrative Struktur, nur wieder Proporzposten geschaffen und entsprechend aufgeteilt. Widerlegen Sie sich doch nicht selbst in Ihren eigenen Forderungen, vernünftige, neue, moderne und den Herausforderungen der Zeit entsprechende Forschungseinrichtungen in Österreich umzusetzen! (Beifall bei der ÖVP.) Die Bundesregierung ist auf dem besten Weg dorthin. Wir haben das alles schon vorgestern diskutiert, aber Sie haben nicht zugehört. (Beifall bei der ÖVP.)

16.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser (den Vorsitz übernehmend) : Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

16.53

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Lukesch! Bei diesen Dingen taucht immer wieder etwas Neues auf. In Anlehnung an das bekannte Wiener Lied "Schön ist so ein Ringelspiel, das ist a Hetz und kost’ net viel" spielt der "Standard" vom 25. Juni auf die wiederholten Versuche, eine Technologieinitiative anzuleiern, an. In einem hat dieses Lied – auf Sie bezogen – recht: Sie lassen sich diese Technologieoffensive wirklich nicht viel kosten!

Ich sage Ihnen, die plakativ angekündigte Technologiemilliarde, diese wird ja letztlich auch parteipolitisch vermarktet, macht mit Anspielung auf unsere gestrige Debatte wirklich nur eine Steigerung von 0,4 Promille aus. Keine Alko-Debatte, das habe ich das letzte Mal schon gesagt, aber es ist wirklich eher traurig. Vor allem im Vergleich mit Bayern, Herr Kollege Lukesch, ist das ein winziger Betrag. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn es nach dem Finanzministerium gegangen wäre, hätte es ja nicht einmal diesen Betrag gegeben. Aber es haben sich ja viele Akteure schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Sie konnten nicht mehr zurück, sonst wären sie hinausgefallen. Die Leute konnten nicht mehr zurück und es mußte diese Technologiemilliarde geben, sonst wäre es eine Blamage gewesen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. )

Aber es ist sowieso insofern eine Blamage, als Sie erkannt haben, daß Technologie, Forschung und Entwicklung untrennbar mit dem wirtschaftlichen Erfolg und mit dem Export verbunden sind. Das haben Sie erkannt. Sie haben es jedoch gleich so interpretiert, daß von der vorhandenen Technologiemilliarde gleich einmal ein Drittel weggenommen wird, weil man das Geld für die Exportförderung braucht. So ist die Sache von der Wurzel und von der Basis her sicherlich nicht gedacht gewesen.

Wie schaut die Praxis wirklich aus? – Ich komme jetzt auf Seibersdorf zu sprechen. Da gibt es eine Institution, die hat man immer dann aus der Lade geholt und ins Schaufenster gestellt, wenn man eine Forschungseinrichtung herzeigen wollte. Plötzlich stehen aber über hundert Leute auf der Kündigungsliste, während es im Gegensatz dazu ein Plakat mit der Aufschrift gibt: "Seibersdorf – Wissenschaft, Aufstiegschancen", womit Personal gesucht wird. Da soll man sich auskennen! 100 Leute werden gekündigt, während auf der anderen Seite Wissenschafts


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management gesucht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das muß man uns einmal erklären, wieso man einerseits die Leute verdrängt, ja unter Umständen ins Ausland abdrängt, und andererseits Leute einstellt.

Ich sage Ihnen folgendes: Wir bekennen uns zur außeruniversitären Forschung. Seibersdorf muß der Republik als unabhängiger Gutachter zur Verfügung stehen. Aber in Zukunft sollte die Basisfinanzierung für Seibersdorf zumindest nicht mehr als 30 Prozent betragen. Man muß diesem Unternehmen Seibersdorf die Gelegenheit geben, Luft zu holen, sich umzustrukturieren. Aber mit Ende des Jahres müssen die Konzepte vorliegen, dann werden wir alles tun, um diese Herzeigeinstitution – und da sind Sie auch gefordert – bestehen zu lassen. (Abg. Dr. Graf: Der Lukesch wird das schon verhindern!)

Für die Technologiepolitik werden Arbeitsgruppen, Experten eingesetzt und wunderbare Organigramme gezeichnet. In diesen Organigrammen kommt das Wirtschaftsministerium allerdings kaum vor, die politische Verantwortung ist schwer zu erkennen. Die erste Sorge bei der Einrichtung des sogenannten Büros für Forschung und Technologie war nämlich die proporzmäßige Besetzung der Geschäftsführung. Diese Namen stehen bereits fest. Das Büro gibt es noch gar nicht (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist typisch!) , aber wer die Geschäftsführer sein werden und welchen Parteien sie angehören, das steht schon fest. Das ist genau das, was wir in der Technologiepolitik "brauchen". (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von Ihrer groß angekündigten Technologieoffensive bleiben letztlich nur solche Inserate übrig. (Der Redner hält ein Inserat in die Höhe.) Hoffentlich sind diese Inserate aus der Parteikassa und nicht aus der Technologiemilliarde finanziert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edler. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

16.57

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist für jede Fraktion hier im Hause legitim, eine Dringliche Anfrage einzubringen. Es ist sicherlich auch legitim, über das, was die FPÖ heute eingebracht hat, zu diskutieren. Aber, meine Damen und Herren von der FPÖ: Vor zwei Tagen waren Minister Edlinger und Wirtschaftsminister Farnleitner hier, und es gab eine ausführliche Berichterstattung mit Diskussion. Wir haben grundsätzlich eigentlich alles durchdiskutiert.

Seien Sie doch ehrlich und sagen Sie, warum Sie heute die Dringliche an den Bundeskanzler eingebracht haben. Sie haben große Probleme mit den Umfragewerten unseres Bundeskanzlers, da er sehr erfolgreich ist, und deshalb wollen Sie ihn anpatzen. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren von der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehen Sie, es ist halt ein wesentlicher Unterschied: Ihr Parteiführer Haider wird sehr unruhig. Er macht jetzt angeblich einen Kurs über Budgeterstellungen. (Abg. Aumayr: Das wäre gut für Sie!) Dazu bräuchte er nur zu unserem Finanzminister gehen, zu Minister Edlinger (Rufe bei den Freiheitlichen: O je!) , von ihm könnte er sich genügend Lehrstoff holen. Aber der Herr FPÖ-Parteiführer sitzt in der Sonne und führt Gespräche – oder vielleicht auch anderes – mit sehr jungen Menschen. (Abg. Ing. Tychtl: Selbstgespräche!) Gut, das ist sein Problem. Ich weiß das nur aus den Medien.

Meine Damen und Herren! Zur Wirtschaft: Wir alle leben von der Wirtschaft, ob wir jetzt Unternehmer, Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer sind. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Konsumenten!) Unser gemeinsames Interesse ist, daß die Wirtschaft floriert. Wir Sozialdemokraten werden sicherlich alles dazu beitragen, daß sich die Wirtschaft entsprechend entwickeln kann. (Abg. Dr. Graf: Die Abgeordnete Rossmann ist gestern den ganzen Vormittag beim Friseur gesessen!)


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Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß diese Bundesregierung, gerade in den letzten Monaten und Wochen, viele richtige Schritte unternommen hat. Es geht aufwärts, meine Damen und Herren! Kollege Nowotny ist darauf bereits eingegangen, Sie müssen das zur Kenntnis nehmen.

Sie zitieren immer aus Zeitungen. Kollege Prinzhorn, warum haben Sie das heute nicht getan? – Sie haben lediglich eine Graphik hier vorgezeigt, bei der nur absteigende Tendenzen zu sehen waren. Das war eine einseitig negative Darstellung.

Sie als Unternehmer wissen ganz genau, auch aufgrund Ihrer persönlichen Erlebnisse, daß es in der Wirtschaft einmal ein Hoch gibt, dann wieder ein Tief. Ich schätze Sie persönlich als Unternehmer – ich habe Ihre Berichte schon verfolgt, lange bevor Sie noch hier im Hohen Haus gesessen sind –, und ich weiß, Sie waren erfolgreich, Sie haben aber auch zur Kenntnis nehmen müssen, daß Sie sich persönlich verspekuliert haben. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Ich spekuliere nicht, daher verspekuliere ich mich auch nicht!) Sie halten immer Vorträge, geben aber nicht zu, daß Sie als privater Unternehmer fürchterlich abgestürzt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sind damals zum Staat gelaufen, Sie sind zu einer Proporzbank gelaufen, zur Bank Austria. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Weil es keine andere gibt, das ist das Problem in Österreich!) Sie haben am 1. Jänner 1994 eine sehr wichtige Funktion zurückgelegt, nämlich jene des Präsidenten der Industriellenvereinigung in Wien. Das ist ja geradezu rührend. Warum haben Sie, Herr Abgeordneter Prinzhorn, am 1. Jänner 1994 Ihre Funktion in der Industriellenvereinigung zurückgelegt? – Weil Sie angeschlagen waren. Nach Beschreibungen sind Sie ein Kämpfer, aber auch ein Kämpfer muß verlieren können, und Sie können anscheinend nicht verlieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zurück zu den wirtschaftlichen Entwicklungen. (Abg.
Dipl.-Ing. Schöggl: Ein Funktionär im geschützten Bereich redet vom Kämpfen!)
Nicht im geschützten Bereich, ich war ja auch in anderen Bereichen tätig. Der Kollege Graf wird es im gemeinsamen Wahlbezirk einmal aufzeigen, denn da gibt es eine Auflistung der Funktionen. Das ist das Spiel der Parteien, bei dem ich persönlich in meinem Heimatbezirk Donaustadt nicht mitmache, aber Sie haben das anscheinend schon vorbereitet. (Ruf bei den Freiheitlichen: Stehen Sie nicht auch auf der Lohnliste der ÖBB?)

Der Herr Stadler hat vor einigen Wochen gesagt: Na, der Herr Edler, das ist ein Multifunktionär! Der ist Abgeordneter und Vizepräsident der Arbeiterkammer. – Das habe ich schon lange zurückgelegt! (Ruf bei den Freiheitlichen: Eine haben Sie zurückgelegt!) Meine Damen und Herren! Es gibt auch in Ihren Reihen einige Kammerfunktionäre, die ihre Funktion nicht ehrenamtlich ausüben. Ich hingegen habe die Funktion Vizepräsident der AK Wien fünf Jahre lang ehrenamtlich ausgeübt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Von dem Fleiß vom Edler bin ich beeindruckt!)

Aber diese Funktion war sehr lehrreich für mich, Kollege Graf. Wir konnten Menschen helfen, die unseriös aus der Wirtschaft hinausgestoßen worden sind. Es sind nicht viele Unternehmer, aber es gibt leider einige, die leichtfertig in Ausgleich oder Konkurs gehen, obwohl gar keine Notwendigkeit dazu bestünde. Menschen wurden dadurch hinausgestoßen, und wir von der gesetzlichen Interessenvertretung, wir von der Arbeiterkammer haben damals selbstverständlich geholfen. Wir haben uns gemeinsam auch mit Betriebsentwicklungen, mit Marketing und mit Marktforschung auseinandergesetzt. (Abg. Dr. Graf: Den Unternehmer zeigen Sie mir, der gerne in Konkurs geht!) Sie dürfen nicht glauben, nur Sie alleine hätten das wirtschaftliche Credo, auch wir setzen uns sehr wohl intensiv mit der Wirtschaft auseinander.

Meine Damen und Herren! Die Investitionen wurden schon angesprochen, ich darf sie nochmals wiederholen. Das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz war sehr wichtig und ist es auch für die Zukunft. Sie haben das damals kritisiert. Diese rund 60 Milliarden Schilling für fünf Jahre, wovon 60 Prozent über Steuern und sonstige Abgaben wieder zurückfließen, waren eine richtige Entscheidung.


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Wir müssen danach trachten, daß wir bei der Bemautung für den Schwerst-LKW – und wir werden ja sehen, was die FPÖ-Abgeordneten machen, welches Verhalten sie zeigen werden – zu einer Kostenwahrheit kommen. Wir werden sie genau beobachten und dann auch bei unseren Wählerinnen und Wählern deren Verhalten kundtun.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend: Wir leben in der Wirtschaft, wir können doch eine positive Entwicklung feststellen. Gehen wir davon ab, unsere Wirtschaft immer wieder krankzujammern! Zeigen wir – und ich erlebe das persönlich, weil mein Sohn selbst Unternehmer ist –, daß viele Marktlücken vorhanden sind! Wir können ohne weiters für Sie, Herr Kollege Prinzhorn, ein Programm entwickeln, denn es sind Chancen vorhanden. Eine neue Gründerzeit ist ausgerufen worden, und ich rufe die jungen Menschen auf, das möglichst zahlreich auch wirklich in Anspruch zu nehmen. Dann werden wir sicherlich noch bessere Werte erreichen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Prinzhorn hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. – Bitte, Herr Abgeordneter. Beginnen Sie mit der Darstellung des Sachverhaltes, den Sie berichtigen wollen.

17.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Der Herr Abgeordnete Ertler hat ... (Rufe bei der SPÖ: Edler! – Abg. Schieder: Stimmt ja schon das nicht! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Der Herr Abgeordnete hat behauptet, ich wäre als angeschlagener Unternehmer um Hilfe zu einer österreichischen Bank gegangen.

Diese Behauptung ist unrichtig. Ich habe bei einer österreichischen Bank weder um Hilfe angesucht noch um Kreditnachlässe noch um Zinsnachlässe und habe solche auch nie erhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. Sie haben noch eine Redezeit von 7 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

17.06

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Dringliche Anfrage der Freiheitlichen lautet "Konkurrenzfähigkeit Österreichs – dramatische Verschlechterung". Ich gehe also davon aus, daß die Freiheitlichen in Sorge sind.

Am 8. Juli wurde ein Bericht vom Finanzminister und ein Bericht von Dr. Farnleitner vorgelegt; beide sind positive Berichte. Dann gibt es den Wirtschaftsbericht 1997 von der OECD, und da steht im ersten Satz zur wirtschaftlichen Lage und zu den Aussichten: "Die OECD sieht in Österreich seit dem Frühjahr 1996 eine Beschleunigung der wirtschaftlichen Dynamik, eine weiterhin moderate Preisentwicklung und bis 1998 keine Trendwende am Arbeitsmarkt."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von einer "moderaten Preisentwicklung" ist hier die Rede. Die Inflationsrate 1996 beträgt im Schnitt 1,9 Prozent, liegt also unter der Inflationsrate der EU. Wenn man nun bedenkt, daß die Inflationsrate natürlich eine Auswirkung auf den Kreditzinssatz hat, der derzeit rund 4,75 Prozent per anno beträgt, so ist das immerhin eine Zinssatzsenkung von 1 Prozent. Das sind rund 15 Milliarden Schilling, die der Wirtschaft erspart bleiben.

Ein weiteres Beispiel: Arbeitsmarkt. Die Arbeitsmarktsituation ist sicher angespannt, aber mit einer Arbeitslosenrate von 4,1 Prozent liegen wir ebenfalls deutlich unter dem EU-Durchschnitt. (Ruf: Wir liegen überall unter dem EU-Durchschnitt!)

Es wird außerdem positiv auf die Geld- und Wechselpolitik verwiesen. Gerade durch die Budgetkonsolidierung 1996 haben wir international gepunktet. Erinnern wir uns an das Jahr 1995!


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Es ist zu erkennen: Das Budget 1996 trägt deutlich die Handschrift der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser positive Trend trägt auch dazu bei, daß wir die Budgetkonsolidierung im heurigen Jahr weiterhin fortsetzen, daß wir zum Jahresende diese 3 Prozent Neuverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt einhalten und somit auch die Maastricht-Kriterien erfüllen werden, was bedeutet, daß wir als Hartwährungsland auch zu jenen Kernländern zählen, die bereits zu Beginn der Einführung der gemeinsamen Währung Euro dabeisein werden.

Zur Arbeitsplatzsituation: Die Arbeitsplatzsituation ist angespannt, und wir haben auch eine negative Außenhandelsbilanz. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen – das haben wir heute schon vernommen – seitens der Bundesregierung, um eine Exportoffensive einzuleiten. Im März 1997 wurde eine Projektorganisation in Auftrag gegeben. In dem Ergebnis sind einige Punkte zusammengefaßt, die besonders wichtig sind. Dazu gehören die Konzentration und Fokussierung von Ressourcen und Aktivitäten, Transparenz und Klarheit, Einfachheit und Schnelligkeit der Abläufe, um nur einige Maßnahmen zu nennen.

Nun eine Frage an die Freiheitlichen. Sie fordern auf der einen Seite Maßnahmen, um die Wirtschaft zu stärken, um natürlich auch Arbeitsplätze zu schaffen, aber andererseits beklagen Sie, daß wir zum Beispiel eine Lockerung der Deckungspolitik bei der Exportförderung vornehmen. Sie weisen weiters in Frage 13 darauf hin, daß rund 30 Milliarden Schilling uneinbringlich sind. Tatsache ist, daß hier eine Neuordnung des Kreditengagements vorgenommen wurde.

In Frage 30 wollen Sie wissen, ob seitens der Bundesregierung Einfluß auf die Gestaltung der Konditionen genommen wird. Sie wissen aber sehr genau, daß gerade in diesem Bereich auch die Kontrollbank geprüft wird, so wie jede andere Bank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grundsätze der Exportfinanzierung liegen vor allem in der Erzielung positiver Auswirkungen auf die Leistungsbilanz und in der Realisierung von Projekten im Ausland, was ein großes Interesse der österreichischen Industrie darstellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den eingeleiteten Maßnahmen der Bundesregierung sind wir auf dem richtigen Weg. Ich bin überzeugt davon, daß wir bei Umsetzung dieser Maßnahmen auch weiterhin zu den Topländern in Europa gehören werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.12


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82. Sitzung / Seite 139

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Frau Abgeordnete Rossmann hat sich zu Wort gemeldet. Sie will mit einer Minute Redezeit auskommen. – Bitte.

17.12

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute schon viel über angebliche sozialistische Wirtschaftspolitik gehört. Es ist mir ein Anliegen, dem Hohen Haus hier mitzuteilen, wie die sozialistische Wirtschaftspolitik tatsächlich ausschaut.

Es gibt in der Steiermark einen sozialistischen Landesrat, nämlich den Finanzlandesrat, der tatsächlich – und jetzt hören Sie zu, was der macht! – Betriebe im Ausland fördern will, damit sie zu niedrigen Lohnkosten dort produzieren können. Das ist sozialistische Wirtschaftspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Unerhört!)

Er will Betriebe in Slowenien fördern, um dort zu produzieren! Das ist ein Beweis für mich, daß der Herr Bundeskanzler, daß die linke Hand nicht weiß, was die linkslinke Hand in der Steiermark treibt. Da ist Handlungsbedarf gegeben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Er fördert den Prinzhorn in Ungarn! – Abg. Schieder: So einen Betrieb hat Prinzhorn selbst gehabt!)

17.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Ihre Restredezeit beträgt 4 Minuten. (Abg. Dr. Lukesch: Vergleichen Sie den Betrieb von Prinzhorn mit dem Ihrer Kollegin!)

17.13

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich darf eingangs an die Adresse der sozialdemokratischen Fraktion, die sich in diesen Tagen besonders ausgezeichnet hat, die ja im wahrsten Sinne des Wortes Butter auf dem Kopf hat, sagen: Herr Abgeordneter Haider ist in Amerika und lernt dort die letzten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Finanzwissenschaft (Heiterkeit bei der SPÖ), um das Dilemma, das Sie verursacht haben, auszubügeln, wenn er an die Regierung kommt. Das ist der Hintergrund! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und Kollegen Nowotny möchte ich ins Stammbuch schreiben: Hätte der Kollege Nowotny von Zeit zu Zeit einen Kurs in Harvard absolviert, dann müßten wir Freiheitliche Ihnen nicht dauernd so schlechte Zensuren erteilen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Ho, ho! – Abg. Schieder: Sie sollten beim Elmayer den Sommer verbringen!)

An die Adresse des Kollegen Höchtl, der leider nicht hier ist: Auch er ist gewaltig auf dem Holzweg. Wissen Sie, dem Bürger ist das völlig egal, ob ein Landeshauptmannsekretär oder ein Büroleiter oder ein weisungsabhängiger Abteilungsleiter ÖBB-Vorstand wird. Wir kennen alle Herrn Pröll, meine Damen und Herren. Pröll bleibt Pröll und Proporz bleibt Proporz! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Falsche Behauptung bleibt falsche Behauptung!)

Zu Ihnen, Herr Staatssekretär. (Abg. Koppler: Firlinger, sozialistische Wirtschaftspolitik: Stahlaktien!) Wissen Sie, ich würde mir wünschen, daß diese Anfragebeantwortung heute statt "Zeit im Bild" live in ORF 1 oder ORF 2 übertragen würde. Ich garantiere Ihnen: Für diese Anfragebeantwortung, für diese Nulleistung hätten Sie auch Nullreichweiten, Nulleinschaltquoten bekommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn dem Herrn Staatssekretär zu den angesprochenen Themen nichts anderes einfällt als das Verlesen einer öffentlichen Bankrotterklärung (Abg. Dr. Stippel: Was kostet ein Mandat bei der FPÖ?), dann wäre es wohl an der Zeit, daß diese Bundesregierung ehebaldigst das Feld räumt und es jenen überläßt, die vom Wirtschaften und vom Regieren wahrhaft mehr verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Dr. Kräuter will eine tatsächliche Berichtigung machen. – Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Darstellung des Sachverhalts, den Sie berichtigen wollen.

17.17

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Rossmann von der FPÖ hat sich ans Rednerpult gestellt und behauptet, daß Herr Landesrat Ressel in der Steiermark dafür stehe, daß Arbeitsplätze ins Ausland abwandern. (Abg. Steibl: Das stimmt auch!)

Ich berichtige tatsächlich: Es ist in der Steiermark und darüber hinaus allgemein bekannt, daß Landesrat Ressel in der Steiermark dafür Sorge trägt, daß Arbeitsplätze beibehalten und geschaffen werden (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) , unter anderem auch durch intelligente Beteiligungen in südlichen Nachbarländern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine politische Berichtigung und keine tatsächliche!)

17.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.


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Stenographisches Protokoll
82. Sitzung / Seite 140

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen betreffend Übertragung der der OeKB übertragenen Aufgaben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen weiters ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen betreffend Novellierung des Sparkassengesetzes hinsichtlich Haftungsverzicht oder Haftungsentgelt.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2311/AB

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen mit der Ordnungszahl 2311/AB.

Die Anfragebeantwortung ist im Saal verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich.

Bevor wir in die Debatte eingehen, erinnere ich Sie an die Redezeitenregelungen der Geschäftsordnung: Kein Redner soll länger als 5 Minuten reden. Der Erstredner hat für die Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Stellungnahmen der Mitglieder der Bundesregierung sowie der Staatssekretäre sollen 10 Minuten ebenfalls nicht überschreiten.

Als erstem Redner erteile ich dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Mag. Barmüller, das Wort. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

17.19

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Diese Besprechung einer Anfragebeantwortung geht auf eine Diskussion zurück, die wir im Rechnungshofausschuß geführt haben, und zwar konkret im Juni und Juli 1996 betreffend den Tätigkeitsbericht für das Verwaltungsjahr 1994.

Dabei ging es um die WohnungsanlagengesmbH in Linz, die an ihren Eigentümer – Eigentümer ist zu 100 Prozent die Republik Österreich – in der Zeit von 1988 bis 1994 rund 103 Millionen Schilling mehr ausgeschüttet hat, als sie nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ausschütten hätte dürfen.

Es geht also darum, daß in sage und schreibe sechs Jahren – und das ist nur ein Fall, der in der Anfrage besprochen wird – 103 Millionen Schilling dem gemeinnützigen Wohnbau entzogen worden und offenbar ins Bundesbudget geflossen sind, um dort jedenfalls nicht dem gemeinnützigen Wohnbau, sondern anderen Dingen zu dienen, zum Beispiel der Budgetsanierung.

Dieser definitiv illegale Zustand hat auch während der Beratungen über diesen Bericht hier im Plenum kurz vor der Sommerpause des Jahres 1996 noch angedauert. Das ist insbesondere deshalb problematisch, weil es bereits im Jahr 1993 einen Bescheid des Landes Oberösterreich gegeben hat, der die Rückforderung dieser Beträge zum Inhalt hatte. Dieser Bescheid ist dann zwar vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden, aber nur wegen formaler Fehler, nicht wegen der inhaltlichen Ausführungen. Das ist auch klar gesagt worden.

Im Verwaltungsgerichtshoferkenntnis sind die inhaltlichen Ausführungen des Bescheides bestätigt worden, und dennoch, meine Damen und Herren, hat es von seiten der Republik Österreich – konkret von seiten des damaligen Finanzministers Klima – keine Reaktion gegeben. Die Gelder sind nicht an die gemeinnützige Wohnbaugesellschaft zurückgeflossen, sie blieben also weiterhin dem gemeinnützigen Wohnbau entzogen. Während dieser Debatte hier im Hause haben die Liberalen auch einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem wir die Bundes


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regierung auffordern wollten – das war der Inhalt des Entschließungsantrages –, diesen zu Unrecht empfangenen Betrag rückzuführen.

Es war damals niemand anderer als Herr Abgeordneter Wallner, der ans Rednerpult getreten ist und eine Information des Bundesministeriums für Finanzen an uns weitergegeben hat. Er hat gesagt, daß die Koalitionsparteien diesem Entschließungsantrag auf Rückführung der illegal ausgezahlten Gelder nicht zustimmen würden, weil das nämlich schon rückabgewickelt werde. Er hat sich dabei auf eine Information des Bundesministeriums für Finanzen bezogen. Und das ist insofern interessant, als im Vergleich zur Anfragebeantwortung, um die es heute hier geht, ein Time lag von sage und schreibe drei Monaten auftritt.

Es war nämlich so, daß zu dem Zeitpunkt, als uns Herr Abgeordneter Wallner gesagt hat, der Antrag sei nicht mehr notwendig, das werde schon rückabgewickelt, in Wahrheit überhaupt kein diesbezüglicher Auftrag bestanden hat. Es gab damals keinen rechtsgültigen Bescheid, daß das rückabgewickelt werden soll. Der diesbezügliche Bescheid wurde nämlich erst am 30. September 1996 erlassen und ist erst am 21. November 1996 rechtskräftig geworden. – Das lesen wir zumindest jetzt und heute in der Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Finanzen.

Neben dem Umstand, daß ich es für problematisch – und zwar problematisch auch für die Regierungsfraktionen – halte, daß ein Abgeordneter, namentlich der Abgeordnete Wallner, wenn auch gutgläubig, falsche Informationen aufgrund einer Information durch das Bundesministerium für Finanzen hier ans Haus weitergibt, verstehe ich nicht, meine Damen und Herren, daß es noch immer nicht möglich war, diesen gesetzwidrigen Zustand zu beenden. Denn es kann doch nicht so sein, daß hier Gesetze beschlossen werden, die die Republik Österreich letztlich selbst nicht beachten will und offenbar über Jahre hinweg nicht beachtet. Es geht darum, daß schon im Jahr 1990 von seiten des Landes Oberösterreich das erste Mal diesbezüglich Beanstandungen gemacht worden sind, aber dieser rechtswidrige Zustand bis heute nicht abgestellt worden ist.

Mich würde daher interessieren, wie es denn dazu kommen kann – und vielleicht kann uns das trotz allem der Herr Bundesminister für Finanzen Edlinger heute sagen, wiewohl sein Vorgänger Klima wohl besser Auskunft geben könnte –, daß man hier im Hause, wenn man einen konkreten Fall aufgreift, falsch informiert wird darüber, was der tatsächliche Stand der rechtlichen Abläufe in der betreffenden Sache ist.

Noch einmal: Es geht um die Umsetzung einer Kritik des Rechnungshofes, um die Rückabwicklung von illegal ausgezahlten Geldern, die der gemeinnützigen Wohnbauwirtschaft entzogen worden sind, und ich meine, daß das kein Einzelfall ist, sondern bloß die Spitze eines Eisberges.

Insbesondere stimmt uns nachdenklich, Herr Bundesminister, daß in Ihrer Anfragebeantwortung davon gesprochen wird, daß die Gespräche mit dem Land Oberösterreich über die Rückführungsmodalitäten derzeit im Gange sind. Wenn ich richtig informiert bin, hat die Republik Österreich Geld von der gemeinnützigen Wohnbauwirtschaft illegal bekommen – cash ausgezahlt, überwiesen –, und ich verstehe nicht, warum es noch Verhandlungen gibt, wie das rückabzuwickeln ist. Ich glaube, die einfachste Lösung wäre wohl, jene 103 Millionen Schilling zuzüglich der Zinsen an die gemeinnützige Wohnbaugesellschaft rückzuüberweisen, sie damit wieder dem gemeinnützigen Wohnbau zuzuführen und nicht dafür zu verwenden, Budgets zu schönen. Das ist ein falscher Weg! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sind bei der Anfragebeantwortung vor allem deshalb stutzig geworden, Herr Bundesminister, weil Sie auf die Frage 3, in der wir wissen wollen, welche anderen Fälle Ihnen diesbezüglich bekannt sind, antworten: Nach meinen Informationen sind im Bundesministerium für Finanzen keine ähnlichen Fälle von zu Unrecht an die Republik Österreich ausgeschütteten Dividenden bekannt.

Wenn schon die erste Information, die es hier im Plenum von Ihrem Hause gegeben hat, falsch ist, dann bin ich sehr skeptisch, daß diese Information richtig ist, denn Sie wissen, Herr Bundesminister, daß wir eine zweite Anfrage an Sie eingebracht haben, die die GIWOG betrifft.


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Darin geht es zwar nicht unmittelbar um ausgeschüttete Dividenden, aber ebenfalls um Wohnbaugelder, die der gemeinnützigen Wohnbauwirtschaft zuzuführen gewesen wären, mit denen aber Budgetsanierung betrieben worden ist. Der Betrag, um den es dort geht, sind nicht 103 Millionen Schilling plus Zinsen, sondern es sind mehr als 800 Millionen Schilling plus Zinsen. Und das, meine Damen und Herren, zeigt, daß in hohem Ausmaß aus dem Bereich der Gemeinnützigen Gelder ins Budget des Bundes transferiert worden sind, um dieses zu schönen, und gleichzeitig dem Wohnbau Mittel entzogen worden sind. Ich halte daher aufgrund meiner Informationen Ihre einleitenden Worte für eine Ausflucht, weil bereits im Juli 1996 dem Hause eine falsche Information gegeben worden ist.

Ich möchte Sie, Herr Bundesminister, daher ergänzend zu Ihrer Anfragebeantwortung fragen, was Sie derzeit tun, um künftig solche Gesetzesverstöße zu verhindern, um die vorgefallenen Gesetzesverstöße schnellstmöglich abzustellen und damit dem gemeinnützigen Wohnbau jene knappe Milliarde an Geldern wieder zurückzugeben, die von unseren beiden Anfragen, die wir bisher eingebracht haben, angesprochen sind.

Es kann nicht angehen, meine Damen und Herren, daß es, wenn es um so gravierende Summen geht, die aus der gemeinnützigen Wohnbauwirtschaft abgezogen und zur Budgetsanierung verwendet werden, wiewohl die Rechtslage klar ist, es Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse und Kritiken vom Rechnungshof gibt, von seiten der politisch Verantwortlichen – namentlich der als Bundesfinanzminister agierenden Personen – überhaupt keine Reaktionen gibt. Es darf doch nicht so weit gehen, daß, wie es schon der Fall war, die damals zuständige Landesrätin und jetzige Bundesministerin für Frauenangelegenheiten der Wohnungsgesellschaft die Wohnbauförderung entzieht, weil sie sagt, das ist keine verläßliche Gesellschaftsführung. Das ist etwas, was sich die Republik Österreich sagen lassen muß, und sie reagiert nicht einmal darauf! Sie reagiert bis heute nicht darauf.

Es ist zwar der Bescheid bis zum Ende dieses Jahres umzusetzen. Aber, meine Damen und Herren – und das ist die letzte Frage –, ist es in diesem Fall so gewesen, daß, wie es üblich ist in dem Bereich, Gelder aus der Gesellschaft herausgenommen wurden und dann auf dem freien Markt Kredite zu einem teueren Zinssatz aufgenommen wurden, als die Gesellschaft ihr eigenes Geld verwenden könnte, weil sie diese Kosten auf die Mieterinnen und Mieter überwälzen kann? Wenn dies der Fall gewesen ist, Herr Bundesminister, warum wird dann nur, wie in Ihrer Antwort ausgeführt, zu jenem Zinssatz rückvergütet, der im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz vorgesehen ist, und nicht zu jenem Zinssatz, zu dem die fehlenden Gelder letztlich aufgenommen worden sind?

Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, uns diese zusätzlichen Erklärungen zu Ihrer sehr kurzen Anfragebeantwortung zu geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister Edlinger hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.29

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Barmüller bezieht sich auf die schriftlich eingebrachte Anfrage, die ich mit 24. Juni 1997 beantwortet habe. Ich habe im letzten Absatz der ersten Seite wörtlich ausgeführt, daß dieser Bescheid eine Frist für die Begleichung der WGG-konform verzinsten Forderung bis zum 20. November 1997 vorsieht.

Ein wesentlicher Punkt zur Behandlung dieser Fragestellung ist ohne jeden Zweifel das Faktum, daß die jährlichen Dividendenzahlungen bei gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften begrenzt sind.

Ich möchte trotz alldem ein paar Bemerkungen zur Vorgeschichte machen, damit der Schluß, den ich Ihnen gerne zusätzlich erläutern möchte, klar wird.


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Das Stammkapital der WAG in der Höhe von ursprünglich 75 Millionen Schilling ist im Jahre 1989 durch Teilauflösung von gesetzlichen Rücklagen auf 524 Millionen erhöht worden. Diese Rücklagen wurden bei der Gründung der WAG im Jahre 1957 gebildet. Der Bund hatte also Vermögen in die Gesellschaft eingebracht.

Strittig war in diesem Zusammenhang nicht die Bewertung selbst, sondern ob dieses Vermögen durch den Bund originär erworben wurde oder nach wie vor als ein von der seinerzeitigen Vorgängergesellschaft gemeinnützig erwirtschaftetes Vermögen anzusehen ist.

Auf der Basis des durch die Rücklagenauflösung erhöhten Stammkapitals sind für die Geschäftsjahre 1989 bis 1993, wie Sie wissen, Dividenden von jährlich ungefähr 25 Millionen Schilling beschlossen worden. Bei der Anwendung der seinerzeitigen Eigenkapitalbildung von 75 Millionen hätte sich eine jährliche Dividende von etwa nur 3 Millionen Schilling ergeben. Die Differenz aus der Ausschüttung im fraglichen Zeitraum beläuft sich daher mit Zinsen inzwischen auf 126 Millionen Schilling. Das erhöhte Stammkapital wurde nicht als dividendenfähig anerkannt.

Wie Sie richtig ausgeführt haben, hat die Oberösterreichische Landesregierung diese Stammkapitalerhöhung als nicht dividendenfähig beurteilt. Es gab dann die von Ihnen zitierte Aufhebung des Beschlusses, einen neuerlichen Beschluß und letztendlich dadurch auch den Auftrag, eine Lösung dieser Frage herbeizuführen.

Ich möchte Ihnen sagen, daß im Jahresabschluß per 31. Dezember 1996 die an den Bund ausgezahlte Mehrdividende als Forderung der WAG gegenüber dem Bund ausgewiesen werden wird. Die diesbezügliche Beschlußfassung der Generalversammlung der WAG über den Jahresabschluß 1996 ist durch den Eigentümer Bund heute erfolgt. Der Forderungsbetrag in der Höhe von 125 Millionen ist damit anerkannt und wird auch bereinigt.

Ich habe bereits diesbezügliche Gespräche mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann geführt. Da wir diese Angelegenheit auch durch Grundtäusche über die Bühne bringen wollen, wird sich das Parlament mit dieser Angelegenheit noch zu beschäftigen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Abgeordneter Eder. Ich erteile ihm das Wort und mache ihn darauf aufmerksam, daß von nun an die Redezeit für jeden Abgeordneten 5 Minuten beträgt.

17.33

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe eigentlich jetzt eine eher angenehme Aufgabe. Ich kann nämlich sowohl meinem Vorredner aus den Reihen der Abgeordneten als auch dem Herrn Bundesminister zustimmen: Grundsätzlich war und bin ich ein Anhänger, daß Gelder, die im wohnwirtschaftlichen Kreislauf sind, auch im wohnwirtschaftlichen Kreislauf eingesetzt werden sollen. Aber nicht als "Sparkasse", um gleich auf Ihre letzte Bemerkung zurückzukommen, sondern man soll die Gelder wohnwirtschaftlich eben so einsetzen, indem man Grundstücke kauft und Wohnungen errichtet, vor allem für junge Familien leistbare Wohnungen. – Das ist das eine.

Zum anderen handelt es sich hier im speziellen Fall durchaus um die Frage, wie dann bei Kapitalaufstockungen des Eigentümers auch entsprechende Renditen oder Dividenden entnommen werden können. Hier gibt es eine klare Regelung im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, die im wesentlichen besagt, daß die jährlich zulässige Dividendenzahlung vom erwirtschafteten Gewinn und von der Höhe des Stammkapitals – und das ist entscheidend – abhängig ist und einer gesetzlichen Dividendenbeschränkung unterliegt.

An und für sich ist das ja jetzt schon ausdiskutiert, was Sie kritisiert haben, denn der Herr Bundesminister hat das ja klar beantwortet, und ich gehe davon aus, daß diese Transaktion jetzt


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so stattfinden wird, daß diese 125 Millionen Schilling, wie sie exakt vom Herrn Bundesminister genannt wurden, der WAG zurückgegeben werden.

Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit einen anderen Bereich ansprechen, der damit unmittelbar in Zusammenhang steht, nämlich einen Antrag, der von Dr. Stummvoll und mir eingebracht wurde und der zum Inhalt hat, daß die Stammkapitalien von drei im Eigentum des Bundes befindlichen Eisenbahnergesellschaften – die Stammkapitalien betragen 55, 70 und 55 Millionen Schilling – vom Bund an diese Gesellschaften selbst und an eine Genossenschaft übertragen werden sollen und in sich selbst verschränkend dann mit diesen Kapitalien eine entsprechende Wohnwirtschaft betrieben werden soll. Die ÖVP will hier noch eine Prüfung, der Rechnungshof soll dazu eine Aussage treffen oder ein Gutachten erstellen – wie immer man das nennen will –, ob der Bund, wenn diese Stammkapitalien übertragen werden, damit nicht zu viele Gelder abgibt.

Ich glaube, wenn man sich jetzt diesen Rechnungshofbericht, der hier vorliegt und über die Gewinnausschüttung klare Aussagen trifft, ansieht – Sie haben zu Recht urgiert, daß diese Gelder wieder in den wohnwirtschaftlichen Kreislauf zurückfließen müssen; leider ist Kollege Stummvoll jetzt nicht da –, dann ist es eigentlich klar, daß, wenn der Bund diese Stammkapitalien überträgt, Ausschüttungen nur entsprechend dem WGG erfolgen können, und somit kann der wahre Vermögenswert dieser gemeinnützigen Gesellschaften mit dem eingelegten Stammkapital, das derzeit der Bund hält, nicht in Zusammenhang mit Dividendenausschüttungen gebracht werden.

Ich erachte es aus einer Reihe von Gründen, aus Gründen der Rationalisierung der Verwaltung, der Effizienz der Gesellschaften und so weiter, für sehr vernünftig, doch zu versuchen, jene Anteile, bei denen der Bund eigentlich kaum mehr etwas verloren hat oder etwas wahrnimmt, dorthin zu übertragen, wo wirklich die operativen Tätigkeiten abgewickelt werden.

Ich hoffe, daß wir aufgrund dieser Diskussion und dieser Unterlagen, die wir hier haben, noch dazu vom Verfassungsdienst, der ganz genau in die gleiche Richtung argumentiert, nämlich daß aus diesen Geschäftsanteilen nicht mehr erzielbar sein darf, als im WGG vorgesehen ist, lernen, und ich bin der Meinung, daß wir mit ruhigem Gewissen auch diese drei Eisenbahnergesellschaftsanteile, die derzeit noch der Bund hält, gemäß dem Antrag Eder/Stummvoll ausgliedern und an diese Gesellschaften übertragen können, sodaß die Mieter dieser Wohnungen eine möglichst effiziente und kostengünstige Verwaltung haben, was sich letztendlich auch im Mietzins niederschlägt. Ich bitte, dieser Frage gegenüber dann im Herbst, wenn wir das weiterdiskutieren werden, positiv eingestellt zu sein. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.37

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Anfrage der Liberalen ist aus meiner Sicht folgendes festzuhalten: Der Rechnungshof kritisierte in seinem Tätigkeitsbericht über das Verwaltungsjahr 1994 hinsichtlich der Überprüfung der WohnungsanlagengesmbH Linz zu Recht, daß die WAG an ihren Eigentümer, den Bund, rund 103 Millionen Schilling mehr an Dividenden ausgeschüttet hat, als nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zulässig gewesen wäre. Wir haben schon gehört, es hat sich jetzt die Rechtsmeinung durchgesetzt, daß nur das Stammkapital dividendenberechtigt ist.

Die Aufsichtsbehörde der WAG, also das Land Oberösterreich, hatte bereits mit Bescheid vom 10. Mai 1993 die Rückerstattung der zu Unrecht ausgeschütteten Dividende verlangt. Wir wissen, dieser Bescheid wurde beeinsprucht und vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben, und zwar wegen eines Formfehlers. Das Land Oberösterreich hat jedoch mit Bescheid vom 10. Oktober 1996 wiederum die Rückerstattung der angesprochenen 103 Millionen samt Zinsen, nunmehr etwa 126 Millionen Schilling, verlangt, andernfalls wäre ja dieses Geld seiner Widmung, also dem gemeinnützigen Wohnbau in Oberösterreich, entzogen worden. Dieser Bescheid des


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Landes Oberösterreich wurde nicht beeinsprucht und ist daher seit 21. November 1996 rechtskräftig.

Laut Auskunft der Geschäftsführung der WAG wird diese Angelegenheit bescheidgemäß abgewickelt. Zurzeit wird an der bilanziellen Darstellung gearbeitet, und die WAG ist sich sicher, daß dem Auftrag der Aufsichtsbehörde fristgerecht nachgekommen wird, wenn die Generalversammlung dies beschließen wird. – Die Generalversammlung hat heute diesen Beschluß gefaßt. (Beifall bei der ÖVP.)

17.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Firlinger vor. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. (Rufe bei der SPÖ: Wendlinger! Wendlinger! – Abg. Dr. Mertel: Wendehals!)

17.40

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Frau Kollegin! Von Wendehälsen würde ich in Ihrer Fraktion nicht sprechen. Das würde ich mir gut überlegen, dieses Wort auszusprechen, denn Sie haben soviel Butter auf dem Kopf, daß ich lieber schweigen würde, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nun zur Sache. Der Sachverhalt der Anfrage des Liberalen Forums, dargelegt von Kollegen Barmüller, ist mir schon längere Zeit bekannt, und wir haben uns in der Fraktion auch eingehend damit auseinandergesetzt. Ich kann den Ausführungen des Kollegen Barmüller und seiner Argumentation folgen, möchte aber folgende Ergänzungen anbringen:

Herr Bundesminister! Es freut mich, daß die Sache jetzt geregelt wird und daß es endlich zu einer Klarstellung kommt. Auf der anderen Seite muß ich mich schon eines fragen: Dieser Streit über die zu Unrecht bezogene Dividende des Bundes ging ja schon einige Zeit. Mir ist bekannt, daß es im Bereich des Finanzministeriums eine Reihe sehr qualifizierter Juristen gibt, die sich diese Sache sehr genau angeschaut haben. Es war für mich daher nicht ganz plausibel, daß man da ein so langwieriges Verfahren braucht, um dann zur Erkenntnis zu kommen, dieses Geld wurde unrechtmäßig bezogen, und es muß jetzt eine Rückgängigmachung dieser Transaktion durchgeführt werden.

Da das Finanzministerium sonst auch sehr versierte Juristen hat, die über die Rechtslage bestens Bescheid wissen, ohne daß man jedesmal den Verwaltungsgerichtshof zur Klarstellung anrufen muß, bleibt für mich der doch etwas unangenehme Beigeschmack, daß man nach der Devise "Man probiert es halt" versucht hat, das Budget zu speisen, das Budget mit einem angenehmen Lückenschluß, würde ich sagen, zu versorgen, und wenn sich dann herausstellt, daß es nicht geht, muß es halt zurückfließen. Dieser Eindruck ist bei mir schon entstanden, und den haben Sie auch mit Ihrer Stellungnahme nicht entkräften können.

Zu Punkt 3 Ihrer Anfragebeantwortung, Herr Bundesminister: Ich würde Sie wirklich bitten, uns zu sagen, ob Sie sich ganz sicher sind, daß nicht noch andere derartige Fälle im Bereich des Bundesministeriums vorhanden sind. Sie sagen hier doch etwas vage: "Nach meinen Informationen sind im Bundesministerium für Finanzen keine ähnlichen Fälle von zu Unrecht an die Republik Österreich ausgeschütteten Dividenden bekannt." – Jetzt weiß ich nicht, wieviel Sie recherchiert haben, Sie sind auch noch nicht lange im Amt, aber etwas vage klingt das doch, mit Verlaub, und es wäre schon eine Geste der vollständigen Wahrheitsfindung für dieses Hohe Haus, wenn Sie diese Recherche, die Sie angestellt haben, auch im nachhinein noch mit entsprechenden Fakten belegen könnten.

Zum Kollegen Eder möchte ich folgendes sagen. – Er ist nicht mehr da, aber das macht nichts. (Abg. Eder: O ja! Sie sehen überhaupt nichts mehr!) Doch. Er ist da, ich nehme alles zurück. – Die Konstruktion der Zusammenführung beziehungsweise der Aus- und Eingliederung der Eisenbahnwohnbaugesellschaften in die WAG (Abg. Eder: Nicht in die WAG! Das ist schon wieder ein Unsinn! Was Sie zusammenreden!)  – Ausgliederung aus dem Budget, okay – ist eine Sache, die wir uns genau anschauen werden. Wir sagen jetzt im Vorfeld nicht nein dazu. Wir werden die Sache genau prüfen. Ich freue mich auf diese Debatte, die dann im Herbst statt


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finden wird. Aber ich richte dezidiert die Bitte an Sie, auch zu prüfen, inwieweit man hier auch Bundesvermögen an Leute veräußern kann, die langjährige Mieter sind, die schon lange in diesen Wohnungen wohnen, die auch schon entsprechende Mieten geleistet haben, damit das nicht unter den Tisch fällt. Denn sonst führen wir wirklich das gesamte Wohnungsgemeinnützigkeitswesen ad absurdum, und das kann doch wohl nicht im Sinne des Erfinders sein. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Diese Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über den 3. und 4. Punkt der Tagesordnung betreffend die Berichte des Justizausschusses 812 und 786 der Beilagen wieder auf.

Frau Abgeordnete Mag. Stoisits war vor der Unterbrechung zuletzt am Wort. – Ich erteile Ihnen das Wort zur Fortsetzung Ihres Debattenbeitrages.

17.45

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Es ist wirklich ein grundsätzliches Dilemma, so meine ich, wenn im Zusammenhang mit besonderen Ermittlungsmethoden von "funktionierendem Sicherheitssystem" gesprochen wird. Es ist deshalb ein grundsätzliches Dilemma, weil es doch bei Gott niemand gibt – zumindest hier im Nationalrat nicht –, der meint, daß ein funktionierendes Sicherheitssystem in dieser Republik Österreich nicht notwendig wäre (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei Ihnen glaube ich das schon!) , nicht notwendig wäre angesichts so großer Kriminalfälle wie die Briefbombenattentate, angesichts des Briefbombenterrors insgesamt und – und das ist entscheidend – der zögerlichen Aufklärung, die es dabei gibt.

Wenn man vom funktionierenden Sicherheitssystem und vom legitimen Anrecht des einzelnen Bürgers und der einzelnen Bürgerin, ihr subjektives Sicherheitsbedürfnis auch befriedigt zu bekommen, spricht, dann muß in der Diskussion um großen Lauschangriff und Rasterfahndung die Frage erlaubt sein und sollte auch lautstark gestellt werden, ob zusätzliche technische und gleichzeitig grundrechtseinschränkende Mittel auch tatsächlich imstande sind, dieses legitime Sicherheitsbedürfnis des einzelnen und der einzelnen zu befriedigen.

Wir meinen, mit mehr Technik, die gleichzeitig Grundrechte wegwischt, ist das sicher nicht möglich. Diese Diskussion wird in einer Sprache geführt, die wirklich mehr als verharmlosend und euphemistisch ist. Denn man nennt ja die Dinge nicht beim Namen, man spricht dieses häßliche Wort "Lauschangriff" nur ungern aus – das tun die Kritiker, aber nicht jene, die dafür sind –, sondern man spricht von optischer und akustischer Überwachung, von automationsunterstütztem Datenabgleich, um damit zu suggerieren, es gehe um mehr Sicherheit.

Meine Damen und Herren! Was damit der Bevölkerung einzureden versucht wird, ist ein "Sicherheitsplacebo". Das ist so wie mit diesen kleinen Tabletten, die man einnimmt und wo man glaubt, jetzt wird das Kopfweh vergehen, und in Wahrheit ist es nichts anderes als Traubenzucker. Und oft lassen sich die Leute täuschen. Aber wenn ich einen Traubenzucker schlucke und dann keine Kopfschmerzen mehr habe, schränkt das niemandes Grundrechte ein, da gibt es keine Mißachtung der EMRK, da kann unter Umständen, wie die ehemalige Frau Gesundheitsministerin gesagt hat, das Kopfweh vergehen, und alle sind zufrieden. Bei großem Lauschangriff, bei kleinem Lauschangriff, bei Rasterfahndung, bei Telefonabhörung jedoch gibt es keine Zufriedenen, da gibt es nämlich viele betroffene Unschuldige. – Was heißt Unschuldige? Bürger und Bürgerinnen, die sich nie etwas zuschulden haben kommen lassen, können in dieses feinmaschige Netz geraten, aus dem sie nicht mehr herauskommen. (Abg. Großruck: Nur dann, wenn sie eines Verbrechens verdächtig sind!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier gibt es für mich mehrere Argumente, wie ich diese Diskussion, die ich jetzt wahrnehme und beobachte, die ich schon über einen längeren Zeitraum verfolgt habe und in die ich mich auch einschalte, aus meiner Warte kritisiere; diese Diskussion, die zu einem Großteil nicht stattgefunden hat – das muß auch ganz ehrlich gesagt werden –, und zwar nicht deshalb nicht stattgefunden hat, weil es von seiten der Regierung das Interesse an diesen besonderen Ermittlungsmethoden gibt, sondern weil wir auch einen Mangel in der Diskussionskultur in diesem Land haben, einen Mangel, der die Regierungsparteien, die Opposition und die gesamte Öffentlichkeit mit einschließt.

Ich habe beobachtet und hierzu auch meinen Beitrag geleistet, wie diese Diskussion gelaufen ist, und ich meine, es wird heute aller Voraussicht nach auch zur Beschlußfassung von Rasterfahndung und Lauschangriff kommen, weil es in Österreich sehr üblich ist, eine Schrebergartendiskussion zu führen. Das geschieht so ein bißchen nach dem Florianiprinzip. Alle kommen und sagen: Lauschangriff – grundsätzlich habe ich nichts dagegen, aber bitte nicht bei meiner Berufsgruppe. Wenn es geht, bitte nicht hier lauschen, sondern woanders.

Das ist für mich der Kern und der Mangel in dieser Diskussion. Es geht nicht um die Frage, wie lange diskutiert wurde, ob im Justizausschuß genügend intensiv diskutiert wurde. Die Damen und Herren – in diesem Fall waren es eigentlich ausschließlich Herren – des Justizministeriums haben hervorragende und extrem zügige und schnelle Arbeit geleistet. Wenn Anregungen von seiten der Koalition kamen, sowieso, aber auch wenn Anregungen von seiten der Opposition oder der Kritiker dieses Gesetzes gekommen sind, wurden diese eingearbeitet.

Das ist es nicht gewesen, was uns in diese fatale Situation gebracht hat. Und da müssen Sie nicht die Worte von Oppositionspolitikerinnen oder Oppositionspolitikern allein in die Waagschale werfen, sondern auch jene von so besonnenen Rechtsstaatlern wie dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, der sich ebenfalls mahnend in diese Diskussion eingeklinkt und davon gesprochen hat, daß dies ein bedeutender Akt für das Verfassungsgefüge in diesem Staat sei. (Abg. Großruck: Das stimmt ja nicht! Er hat eine ganz andere Aussage gemacht!) Und dem Herrn Präsidenten Adamovich kann man alles unterstellen, aber ganz bestimmt nicht Radikalität, nämlich in keiner Weise Radikalität in Positionen.

Er hat das getan, was seine Aufgabe ist, er hat seine mahnende Stimme erhoben. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, er ist ungehört geblieben. Er ist ungehört geblieben, und wir haben es heute durch die Argumente der Regierungsparteien wieder bestätigt bekommen, daß er jetzt als einer von denen bezeichnet wird, die Grundrechtspropaganda betreiben, wie ja schon vielfach zu hören war. Grundrechtspropaganda und Präsident Professor Adamovich – bitte, das muß man mir einmal erklären, was das sein soll.

Er ist auch ungehört geblieben in einem Punkt, der einer der wesentlichen Kritikpunkte der Grünen an diesen neuen Ermittlungsmethoden ist, nämlich in bezug auf Mißbrauchsgefahr. Das ist nicht etwas, wozu man irgend etwas Schwarzes an die Wand malen müßte, sondern, meine sehr geehrten Damen und Herren, da gibt es ja Erfahrungen mit Instrumenten, die möglich sind. Es gibt etwa die Erfahrung mit der Telefonabhörung in Österreich.

Wußten Sie, daß die Gefahr oder das Risiko – nennen wir es abgeschwächter –, als Unbescholtener am Telefon abgehört zu werden, in Österreich neunmal so groß ist wie in den USA? Und die Kriminalität in den USA ist wahrlich nicht geringer als in Österreich! Diese Telefonabhörmaßnahmen – und es ist ganz wesentlich, das auch festzustellen – werden in 99 Prozent der Antragsfälle von dem zuständigen Richter genehmigt, ohne daß tatsächlich rechtsstaatliche oder juristische Überlegungen Platz greifen.

Diese Erfahrungen der letzten Jahre, seit es die Möglichkeit des Telefonabhörens gibt, sind etwas, was hätte einfließen können in die Diskussion und was auch lautstark immer wieder betont wurde, was aber niemals auch nur die geringsten Auswirkungen, weder in der Regierungsvorlage noch in dem, was heute zum Beschluß vorliegt, zur Folge hatte. (Beifall bei den Grünen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Devise künftig weiterhin lauten soll: Mehr Überwachungsstaat und weniger bürgerlicher Rechtsstaat!, wenn die Aushöhlung fundamentaler Grundprinzipien unseres Rechtsstaates, die mit der Telefonabhörung begonnen hat, mit dem, was heute zum Beschluß vorliegt, seine Fortsetzung findet – ja dann schaut es um die Grundrechte in Österreich wirklich schlecht aus! (Beifall bei den Grünen.)

Heute habe ich in einem Kommentar von Samo Kobenter in der Zeitung "Der Standard" einen Satz gelesen, der in journalistischer Sprache für mich das auf den Punkt bringt, wie sich die Situation für Bürger und Bürgerinnen in Österreich heute tatsächlich darstellt. Er schreibt nämlich, daß diese Maßnahmen zu einer Verschlechterung der demokratischen Lebensqualität in diesem Land führen werden. Verschlechterung der demokratischen Lebensqualität! – Ich meine, daß diese Worte treffend beschreiben, was sich hier jetzt abspielt.

Aufgeklärtes Bürgertum. – Wo, so frage ich mich, gibt es das in diesem Land? Der strukturelle Mangel in der Diskussion und in diesem ganzen Procedere liegt darin, daß die Tatsache der Unverhältnismäßigkeit zwischen dem Bedarf an diesen Mitteln, nämlich an diesen besonderen Ermittlungsmethoden, und dem Effekt, den sie uns bringen, völlig aus der Diskussion ausgespart wurde. Dieser ganze Komplex wurde nicht angesprochen, und bis heute konnte uns weder das Innenministerium, geschweige denn das Justizministerium in Gestalt des Herrn Justizministers, der ja zweifelsfrei nicht zu jenen gehört hat, die mit besonderer Überzeugung für diese Mittel gekämpft haben, eine Antwort darauf geben. Diese Antworten sind uns alle schuldig geblieben. Ebenso wie die Antwort auf die Frage nach den Kosten.

Ich meine, wenn es tatsächlich darum geht, zu beachten, daß das Sicherheitsgefühl und das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung im Mittelpunkt stehen, dann sollten wir uns darüber Gedanken machen, ob es nicht ein erfolgreicherer, ein sicherlich viel erfolgreicherer Weg der Verbrechensbekämpfung und Verbrechensaufklärung wäre, mit der massiven Unterstützung der Bevölkerung zu rechnen – und damit darf man rechnen –, aber nicht auf die Methode der Vernaderung und der Bespitzelung zu setzen, wie dies Lauschangriff und Rasterfahnung –Lauschangriff in erster Linie – ganz logisch mit sich bringen.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die Auswirkungen, die Samo Kobenter als Verschlechterung der demokratischen Lebensqualität in diesem Land beschreibt. Und davor habe ich Angst. (Beifall bei den Grünen.)

Ich als Bürgerin bin besorgt um diese offene Atmosphäre, die es in jedem Rechtsstaat geben sollte, ich bin besorgt um offene Räume, in denen man ohne Angst vor staatlichem Mithören und vor staatlicher Beeinflussung die Voraussetzungen hat, um sozusagen lebendige Demokratie auch leben zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu einem Rechtsstaat gehört auch – es ist ganz wesentlich, das festzustellen, und das möchte ich mit Nachdruck betonen –, daß sich gesetzestreue Bürger den Staat auf Distanz halten können. Das ist etwas, was für mich gelebte Demokratie und offene Demokratie darstellt, und das läuft Gefahr, gänzlich aufgegeben zu werden und verlorenzugehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was Frau Dr. Fekter, aber auch Herr Dr. Fuhrmann als Koalitionsredner vorhin gesagt haben, die immer wieder mit dem Beispiel USA gekommen sind, und zwar auch im Hinblick auf das Hearing, das im Justizausschuß stattgefunden hat und bei dem ein hochrangiger Vertreter des FBI dabeigewesen ist, halte ich für ein für Österreich geradezu gefährliches Moment, denn sie sagen immer wieder, daß die hierarchischen Strukturen der organisierten Kriminalität – und so steht es auch in den Berichten drinnen – durch diese besonderen Ermittlungsmethoden zerschlagen werden sollten und beziehen sich dabei, wie gesagt, immer auf die USA.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, dort gibt es das schon seit Jahrzehnten! Ich habe aber in den letzten Jahren nicht gehört, daß in den USA die Kriminalitätsrate in irgendeinem Bereich wesentlich zurückgegangen wäre, ich habe vor allem nicht gehört, daß irgend jemand je behauptet hätte – und schon gar nicht der Vertreter des FBI –, daß es in den USA keine Mafia


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mehr gäbe. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Fünf Mafia-Familien! – Abg. Dr. Fekter: Es gibt nur noch fünf Mafia-Familien in den USA!) Es stimmt, daß es dort vor einigen Jahrzehnten – das liegt Jahrzehnte zurück – mit diesen Ermittlungsmethoden auch Erfolge gab, aber bitte, die organisierte Kriminalität hat sich längst auf diese Methoden eingestellt. Darum ist ja auch das Argument der Waffengleichheit ein so einfaches und in dieser Schlichtheit so unzutreffendes. (Abg. Mag. Kukacka: Warum wehren Sie sich denn so dagegen? Warum wehren Sie sich gegen diese Waffengleichheit?) Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Rechtsstaat, der es darauf anlegt, Waffengleichheit mit der organisierten Kriminalität erreichen zu wollen, der gibt sich selbst auf. (Abg. Mag.  Kukacka: Das ist ja das mindeste! – Abg. Kiss: Die Schutzfunktion des Rechtsstaates wird ja wohl auch wichtig sein!)

Herr Kollege Kukacka! Es ist zweifelsfrei richtig, daß man unter Umständen manchmal mit Folter ein Geständnis erzwingen könnte – das will ich gar nicht in Abrede stellen –, aber sind Sie deshalb für die Folter? Sind Sie deshalb dafür, daß die Polizei foltern darf? (Abg. Mag. Kukacka: Das ist ein Humbug! Was hat denn Folter mit dem Lauschangriff zu tun? Wie kann man ein Gesetz über den Lauschangriff mit Folter vergleichen? Das ist ja absurd!)

Es ist ein gefährliches Argument für den Rechtsstaat, wenn man mit der Waffengleichheit mit der organisierten Kriminalität argumentiert, denn bis jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich nicht gehört, daß es in Österreich wirklich gesellschaftsgefährdende kriminelle Organisationen oder Banden gäbe. (Abg. Kiss: Kennen Sie die Kriminalstatistik für Österreich?) Im neuesten Sicherheitsbericht des Innenministeriums steht sogar ganz klar drinnen, daß dem nicht so ist. Es gibt zweifelsfrei Ansätze von organisierter Kriminalität, und Unterläufer sind hier in Österreich tätig, aber, Herr Bundesminister, Sie glauben doch nicht wirklich, daß Sie mit diesen Methoden tatsächlich Mafia-Bosse und OK-Bosse in Österreich fangen werden. (Abg. Mag. Kukacka: Warten Sie es doch ab!) Aber genau gegen diese hierarchischen Strukturen der organisierten Kriminalität wollen Sie diese Instrumente einsetzen. (Abg. Mag. Kukacka: Warten Sie es ab!) Das sagen Sie ja selber, und das steht auch in den Berichten. – Das ist ein Widerspruch in sich selbst von einem Ausschußbericht zum nächsten, denn im Sicherheitsbericht, der auch im Innenausschuß behandelt wurde, steht das Gegenteil.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind Argumente, auf die wir uns nicht einlassen können.

Und ein letztes Wort, meine sehr geehrten Damen und Herren (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) , zum Herrn Bundesminister für Inneres. Ich weiß nicht, ob er uns hier bewußt etwas nicht sagen wollte (Präsident Dr. Neisser gibt neuerlich das Glockenzeichen), aber wenn es bei der Rasterfahndung um erkennungsdienstliche Daten geht, dann geht es zweifelsfrei auch um Fotos, da geht es zweifelsfrei auch um Hautfarbe, und da geht es darum, daß Sie mit Ihren Bestimmungen, die Sie da mit hineingenommen haben, das aushöhlen, was Sie in den Paragraphen einen Absatz vorher hineingeschrieben haben, nämlich daß sensible Daten nicht automationsunterstützt verknüpft werden sollen. (Bundesminister Mag. Schlögl: Wir werden doch unsere eigenen Daten verwenden dürfen!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Ich kann Sie in diesen Fragen leider für den Bürger nicht ernst nehmen! (Beifall bei den Grünen.)

18.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich nunmehr Herr Bundesminister Dr. Michalek gemeldet. – Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort.

18.05

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Hohes Haus! Der österreichische Nationalrat fällt heute eine rechtspolitische Entscheidung von zweifelsohne außerordentlicher Bedeutung. Das hat nicht zuletzt die öffentliche Diskussion der vergangenen Wochen ins allgemeine Bewußtsein gerückt. Manchen Beobachter mag das verwundern, geht es doch keineswegs um staatliche Maßnahmen von großer Anwendungsbreite, auch nicht um eine


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systematische Neustrukturierung eines strafrechtlichen Rechtsbereichs, sondern gerade in den am meisten umstrittenen Fragen des sogenannten großen Lauschangriffs und der Rasterfahndung um schmale Randbereiche, um Ausnahmsfälle polizeilicher Ermittlungsarbeit im Dienste der Strafjustiz.

Bei näherem Hinsehen erweist sich freilich die hohe Bewertung der anstehenden Entscheidung als durchaus berechtigt, handelt es sich doch in der Tat um sehr grundsätzliche Fragen von höchster Symbolkraft. Auf der einen Seite geht es um eine der möglichen Antworten auf die sehr ernste Herausforderung des Staates und der Gesellschaft durch organisierte, häufig grenzüberschreitende Kriminalität und um die Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden mit modernster Technik, auf der anderen Seite geht es um die Ermöglichung tiefer Eingriffe staatlicher Macht in die Privatsphäre und um heimliches – auch mit sozusagen amtlicher Täuschung verbundenes – statt offenes Ermitteln.

Damit, meine Damen und Herren, ist der Zusammenprall der Grundsätze und Werte programmiert, die Interessenabwägung heikel und die Entscheidung sicher schwierig. Deshalb meine ich, daß in diesen Fragen auch unterschiedlichen Abwägungen, Gewichtungen und Standpunkten demokratischer Respekt entgegenzubringen ist. Niemand von uns kann hier doch ganz unrecht haben. Vor der Erfahrung meiner eigenen Meinungsbildung glaube ich, daß wohl auch viele von Ihnen eine "innere Mehrheitsentscheidung" treffen werden.

Ich möchte für mich in Anspruch nehmen, in der mehr als zweijährigen und durchaus nicht überhastet geführten Diskussion, die hinter uns liegt, von Anfang an auf die schwierige Gratwanderung zwischen dem Streben nach Verbesserung der polizeilichen Ermittlungseffizienz auf der einen und der weitestgehenden Wahrung der Grund- und Persönlichkeitsrechte des einzelnen auf der anderen Seite hingewiesen zu haben. Diese Abwägung kennzeichnet zwar das Strafprozeßrecht insgesamt, deshalb ist es auch als angewandtes Verfassungsrecht bezeichnet worden, bei der Überwachung von Bürgern mit technischen Mitteln ist diese Abwägung aber aufs schärfste zugespitzt, und in den Kanzleien und Therapieräumen der Berufe mit besonderer Verschwiegenheitspflicht erreicht diese Zuspitzung ihre äußerste Kulmination.

Ich glaube, das ist uns im Laufe der Diskussion allen sehr bewußt geworden, auch wenn – was inzwischen doch wohl bekannt ist – nicht der bei einem solchen Vertrauensberuf Ratsuchende Zielperson heimlicher Überwachung sein darf, auch nicht, wenn er tatverdächtig ist, sondern nur der im Verdacht schwerer Kriminalität stehende Berufsgeheimnisträger selbst und auch dieser nur unter besonders exzeptionellen Voraussetzungen und mit ausdrücklicher Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten.

Es geht in diesem Punkt daher glücklicherweise keineswegs um den Alltag der Strafrechtspflege, sondern, wenn überhaupt, um die extreme Ausnahme, also, wie ich meine, mehr um Theorie als um Praxis. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren, ebensowenig wie den Umstand, daß es auch in vergleichbaren europäischen Regelungen lauschfreie Zonen in der angesprochenen Art nicht gibt.

Das Bundesministerium für Justiz war, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, kein Vorreiter der neuen Ermittlungsmethoden. Wir haben uns aber der konstruktiven Diskussion nie entzogen und den Blick auch über die Grenzen und auf die Regelungen und Praktiken anderer Rechtsordnungen gerichtet. So haben wir uns der Realität unserer Zeit und zugleich unserer rechtsstaatlichen Verantwortung von Anfang an gestellt. Das Regelungskonzept des Justizministeriums für die optische und akustische Überwachung, für den automationsunterstützten Datenabgleich und für die kleine Kronzeugenregelung, das wir im Spätsommer 1995 entwickelt und der Regierungsvorlage im Jänner 1996 zugrunde gelegt haben, hat meiner Überzeugung nach die Bewährungsproben vielfältiger Diskussion bestanden. Es hat auch internationale Anerkennung gefunden. Die nachfolgenden Erörterungen haben aber auch gezeigt, daß noch weitere Verbesserungen und Feinabstimmungen sowie ein zusätzlicher Ausbau des Rechtsschutzes und der Mißbrauchsbegegnung möglich waren. Das ist nicht zuletzt das Verdienst kritischer und skeptischer Stimmen sowie das Ergebnis eingehender, oft schwieriger Diskussion auf parlamentarischer Ebene. Das verdient volle Anerkennung.


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Meine Damen und Herren! Das Ergebnis, das Ihnen in Form eines umfassenden Abänderungsantrages vorliegt, spiegelt das Ringen um ausgewogene und zugleich innovative Lösungen wider. Wie immer jeder einzelne sich im grundsätzlichen entscheidet, eines kann ich Ihnen versichern: Die gefundenen Lösungen, insbesondere die eng definierten Zulässigkeitsvoraussetzungen, die verfahrensrechtlichen Absicherungen, die eine gegenseitige Kontrolle von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sowie eine begleitende Prüfung durch den Rechtsschutzbeauftragten gewährleisten, und auch die mehrstufigen Vorkehrungen gegen jeden denkbaren Mißbrauch bilden ein rechtsstaatliches Netzwerk höchsten Grades. Dabei wurde da und dort in bemerkenswerter Weise Neuland beschritten, etwa, als markanteste Beispiele, bei der Schaffung des unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten als neue Verfahrenspartei oder bei der Erweiterung des Beweisverbotes auf zivilgerichtliche und Verwaltungsverfahren.

Wir haben auch, um jeder mißbräuchlichen Zweckentfremdung sensibler Überwachungsergebnisse entgegenzusteuern, neuartige Geheimnisschutzmaßnahmen sowohl im Bereiche der Sicherheits- als auch der Justizbehörden vorgesehen. Es trifft also nicht zu, daß wir die Verantwortung für unzulässige Veröffentlichungen in diesem Zusammenhang auf die Medien abgeschoben haben. Das strafbewährte Veröffentlichungsverbot und der medienrechtliche Ersatzanspruch stellen vielmehr bloß flankierende Maßnahmen dar. Wenn wir aber den Schutz der Privatsphäre und den Grundsatz des fairen Verfahrens im Zusammenhang mit so tiefgreifenden Grundrechtseingriffen ernst nehmen, können wir uns gerade in diesem Bereich keine unzulässigen Veröffentlichungen in den Medien leisten. Das sind wir allen Betroffenen, den Unbeteiligten wie den Tatverdächtigen, schuldig. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Mit einer Beschlußfassung am heutigen Tage findet die Diskussion, wenngleich nicht zum rechtspolitischen Komplex der neuen Ermittlungsmethoden insgesamt, aber doch zu deren legislativer Gestaltung ihren vorläufigen Abschluß. Damit treten wir in eine neue Phase ein. Ab heute steht nicht mehr die Zuspitzung im Grundsätzlichen im Vordergrund, sondern die praktische Umsetzung und deren kritische Beobachtung. Im Hinblick auf die nur befristete Inkraftsetzung der besonderen Ermittlungsmaßnahmen gewinnt die sachliche Auseinandersetzung damit eine neue Ebene: die der Bewertung der praktischen Anwendung. Das ist auch eine Chance, trotz auseinandergehender Grundeinstellungen wieder mehr gemeinsamen Boden zu gewinnen.

Das Bundesministerium für Justiz wird seinen Beitrag zu dieser Anstrengung leisten. Wir werden dabei, wie bisher, mit dem Bundesministerium für Inneres zusammenarbeiten. Diese Kooperation zwischen Innen- und Justizressort ist, wie ich bei dieser Gelegenheit gerne feststellen möchte, eine sachliche und fruchtbringende, auch wenn wir nicht in allen Fragen von vornherein völlig übereinstimmen und unterschiedliche Akzente setzen.

Der konstruktive Geist dieser Kooperation ist aber auch ein gutes Omen für die vor uns liegende gemeinsame Aufgabe einer durchgreifenden Neugestaltung des strafprozessualen Vorverfahrens. Es ist dies ein Vorhaben, das wir nun, nach Abschluß der vorgezogenen, zeit- und kraftraubenden Regelung der neuen Ermittlungsmethoden sowie nach der unter einem veranlaßten Versendung eines Begutachtungsentwurfes über den außergerichtlichen Tatausgleich und andere Formen der Diversion, mit Nachdruck vorantreiben werden.

Ich hoffe, daß es möglich sein wird, um die Jahreswende mit einem Entwurf an die Öffentlichkeit zu treten und die Arbeiten noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen, geht es dabei doch vor allem darum, ein seit Jahrzehnten bestehendes Defizit der geltenden Strafprozeßordnung auszugleichen und zeitgemäße Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafrechtspflege zu schaffen. Effiziente kriminalpolizeiliche Arbeit soll unter rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen ermöglicht werden, die eine Wahrung der Verteidigerrechte und einen angemessenen Rechtsschutz einschließen. Gerade der Einsatz neuer Ermittlungsmethoden macht die rechtsstaatliche Dringlichkeit dieses großen Vorhabens deutlich. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.17


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

18.17

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Stoisits, einige Bemerkungen zu Ihrem Diskussionsbeitrag: Wenn Sie die Mithilfe der Bevölkerung ansprechen, dann, so glaube ich, verwechseln Sie die "normale" Kriminalität, wie sie im täglichen Leben vorkommt, mit der organisierten Kriminalität, die wir mit diesen neuen Ermittlungsmethoden bekämpfen wollen. Ich meine, daß es nicht möglich ist, mit Nachbarschaftshilfe, mit Hausfrauen, mit Pensionisten die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Wir sind aber immer wieder auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen, wenn es um die tägliche Kriminalität geht. Das, was wir mit dieser Gesetzesvorlage erreichen wollen, ist aber mit Nachbarschaftshilfe nicht möglich!

Es wundert mich auch, daß Sie so massiv gegen diese Vorlage auftreten. Sie, Frau Kollegin Stoisits, waren doch selbst ein mögliches Opfer der Briefbombenserie, die es in Österreich gegeben hat!

Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen von der grünen Fraktion haben dem Innenminister und den ermittelnden Behörden immer wieder vorgeworfen, daß sie in dieser so schwierigen, heiklen Frage nicht weiterkommen. (Abg. Mag. Stoisits: So ist es!) Die Vorwürfe mögen zu Recht bestehen. Es wäre eine lange Diskussion und ein eigenes Kapitel, zu erklären, wie der Stand der Ermittlungen bei der Briefbombenserie in Österreich derzeit aussieht. Aber wenn man selbst ein mögliches Opfer ist und noch dazu Kritik an den Ermittlungsmethoden übt, dann sollte man doch eigentlich daran interessiert sein, andere der Zeit entsprechende Ermittlungsmethoden zu finden, um vielleicht Erfolg zu haben. Ich betone: vielleicht, denn eine Garantie wird es auch mit diesen Ermittlungsmethoden nicht geben können, aber es wäre immerhin ein Weg, um vielleicht doch den erhofften Erfolg zu erzielen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zunahme der schweren und organisierten Kriminalität und deren Besonderheiten – und um diese geht es ja vor allem – bereiten uns Sorge. Eine dieser Besonderheiten ist zum Beispiel die interne Abschottung der Tätergruppen. Das ist nun einmal ein Faktum, an dem wir uns nicht vorbeischwindeln und das wir nicht wegleugnen können.

Aus den Verbrechen der organisierten Kriminalität – Bundesminister Schlögl hat in seinem Beitrag schon darauf hingewiesen – werden jährlich weltweit Milliardengewinne erzielt, etwa aus dem illegalem Glücksspiel, dem Menschenhandel, der Korruption, dem Terrorismus, aus der Kinderpornographie – auch das wurde schon genannt –, aus dem Drogenhandel, aus Rüstungstechnologie- und Waffengeschäften.

Das alles geht einher mit einem absoluten Verschwiegenheitskodex, mit einer völligen Abschottung, mit arbeitsteiligen Organisationen, wodurch dem Rechtsstaat die Bekämpfung dieser Kriminalitätsform besonders schwer gemacht wird.

Ich bin dem Herrn Justizminister sehr dankbar dafür, daß er äußerst sachlich seinen Standpunkt dargestellt hat. Ihm wird man wohl schwer vorwerfen können, hier parteipolitische Ziele zu verfolgen und die besonderen Fahndungsmethoden unbedingt umsetzen zu wollen. Es war vielmehr die sachliche Notwendigkeit festzustellen, weil die Justiz eben gerade in diesem Bereich Probleme hat.

Meine Damen und Herren! Im Grunde genommen verhält sich die organisierte Kriminalität zum Staat wie ein Wettbewerber, indem sie eigene Regeln denen des Staates gegenübergestellt. Die Organisation versucht ununterbrochen, die Regeln des Staates zu durchkreuzen. Dies rechtfertigt es für den Staat – auch wenn manche eine andere Meinung haben mögen –, seinerseits ebenfalls entsprechende organisatorische Vorkehrungen im Interesse seiner Bürgerinnen und Bürger, aber auch im eigenen Interesse zu treffen. Durch die organisierte Kriminalität sind nämlich die Unabhängigkeit der Justiz, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Glaubwürdig


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keit der Politik, das Vertrauen in unsere Werteordnung und schließlich die Schutzfunktion unseres Rechtsstaates gegenüber seinen Bürgern massiv gefährdet.

Die gesamte Öffentlichkeit einschließlich der Politik verlangt mit Recht von der Sicherheitsexekutive ein wirksames Vorgehen gegen die international organisierte Kriminalität. Dieses Vorgehen soll von hoher Professionalität getragen sein und möglichst rasch zu Erfolgen führen.

Frau Kollegin Stoisits! Bereits seit Ende 1993 – und nicht von heute auf morgen, zu schnell und mit zu wenig Diskussionsmöglichkeiten, wie Sie das gesagt haben – gibt es die öffentliche Debatte um die Einführung neuer Methoden zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Und von allem Anfang an sind wir – und das darf ich für unsere Fraktion hier ausdrücklich feststellen – für eine seriöse und engagierte Diskussion über alle in diesem Zusammenhang stehenden Fragen eingetreten.

Ich gebe zu, daß es keine ungeteilte Begeisterung gegeben hat. Die Diskussion war von großer Verantwortung gegenüber der Bevölkerung unseres Landes geprägt. Niemand wollte und will mit diesem Gesetz eine Bespitzelung der Bürger erreichen. Was wir aber wollen, ist, der Exekutive jene Möglichkeiten rechtlicher, organisatorischer und technischer Mittel zu geben, die Waffengleichheit schaffen, und zwar Waffengleichheit zwischen den Verbrechern und jenen, die sie zu bekämpfen haben. Was wir wollen, ist nicht nur, Verbrechen zu bekämpfen, sondern sie durch neue, moderne, elektronische Ermittlungsmethoden auch zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Auf den Punkt gebracht heißt das: Wir wollen ganz einfach mehr Sicherheit für den Bürger! Daß wir es uns nicht leicht gemacht haben, geht, wie schon gesagt, aus der langen Vorbereitungsphase und den unzähligen Abänderungen der ursprünglichen Regierungsvorlage hervor. Und ich möchte an dieser Stelle dem Herrn Justizminister, dem Herrn Innenminister, Herrn Sektionschef Schimansky und Herrn Sektionschef Dr. Miklau und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns dabei zur Seite gestanden sind, uns hier wirklich bestens beraten und immer wieder auch die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt haben, herzlich danken! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wie wichtig und notwendig diese neuen Fahndungsmethoden sind, kann man aus Aussagen erkennen, die zum Beispiel beim Hearing getroffen worden sind. Sie wurden schon mehrfach zitiert; ich brauche sie daher nicht noch einmal zu erwähnen.

Meine Damen und Herren! Unsere Republik steht zwar nicht im Zentrum der Tätigkeit krimineller Organisationen, wir sind aber auch nicht von diesen Tätigkeiten ausgeschlossen. Wir könnten aber tatsächlich zum Zentrum dieser kriminellen Organisationen werden, und zwar dann, wenn der heutige Antrag auf Einführung elektronischer Überwachungsmethoden nicht die erforderliche Mehrheit findet. Dann wäre Österreich für diese kriminellen Organisationen sozusagen der weiße Fleck auf der Landkarte.

Es kann davon ausgegangen werden, daß diese Entwicklung niemand will, auch jene nicht, die heute aus ihrer Sicht aus Gewissensgründen der Gesetzesvorlage nicht die Zustimmung geben können. Ich meine aber: Mehr Kriminalität, mehr Verbrechen, weniger Aufklärung kann doch keine Gewissensfrage sein, sondern wir haben uns anzustrengen und darum zu bemühen, daß es weniger Kriminalität, mehr Sicherheit und eine hohe Aufklärungsrate in diesem Lande gibt. Mit der internationalen Kriminalität, mit der organisierten Kriminalität müssen wir zu Rande kommen, das ist unsere Pflicht, unsere Schuldigkeit gegenüber den Bürgern!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nun noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Fuhrmann und Dr. Fekter einzubringen. Er lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Willi Fuhrmann, Dr. Maria Fekter und Genossen zum Bericht des Justizausschusses (812 der Beilagen) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die


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Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (49 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (49 der Beilagen) in der Fassung des dem Bericht des Justizausschusses (812 der Beilagen) angeschlossenen Gesetzentwurfes, wird wie folgt geändert:

In Artikel VI, der nach Streichung des Artikels V (alt) in der Fassung des Ausschußberichtes die Bezeichnung "Artikel V" (neu) enthält

1. wird in der Z 1 dem § 6 Abs. 3 SPG folgender Satz angefügt:

"Dies gilt nicht für Sondereinheiten, die am 1. Juli 1997 bereits bestanden haben."

2. lautet die Z 6 betreffend § 94 SPG:

"6. Im § 94 wird folgender Abs. 7 angefügt:

,(7) Die §§ 6 Abs. 3, 22 Abs. 1 Z 5, 54a, 62 Abs. 1 und 92 Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/xxxx treten mit 1. Jänner 1998 in Kraft.’"

*****

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Leikam soeben verlesen hat, ist geschäftsordnungsmäßig unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

18.28

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehöre zu denen, die die elektronischen Fahndungsmaßnahmen befürworten, obwohl ich natürlich auch zugeben muß, daß sie ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte sind. Aber ich bin deshalb dafür, weil ich wirklich nicht einsehe, daß der Rechtsstaat skrupellosen Kriminellen hilflos gegenübersteht und ihnen überhaupt keinen Widerstand leistet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen uns ohnehin damit abfinden, daß die Fahnder den Kriminellen immer um einige Schritte nachhinken. Ich meine, wir sollten diesen Abstand nicht noch weiter vergrößern, sondern der Exekutive alles an die Hand geben, was sie braucht, um Verbrechen zu bekämpfen. Ich glaube, daß dies unbedingt notwendig ist, auch in Anbetracht dessen, was die Experten bei dem Hearing gesagt haben.

Es wurde zum Beispiel von einigen Kollegen die Wirksamkeit, die Notwendigkeit der elektronischen Fahndungsmaßnahmen angezweifelt. Aber ich erinnere Sie: Der Chefermittler des FBI hat gesagt, daß der Lauschangriff eines der wichtigsten Mittel ist, um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen und daß konventionelle Maßnahmen und Methoden in dem einen oder anderen Fall einfach nicht wirken, daß mit diesen konventionellen Maßnahmen keine Möglichkeit gegeben ist, um die organisierte Kriminalität aufzubrechen.


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Frau Stoisits! Sie haben zynisch angeführt, in den USA sei die Kriminalität trotz Lauschangriff nicht gesunken. Aber Sie haben offensichtlich überhört, daß es gelungen ist, mit Hilfe des Lauschangriffes fünf Familien der Mafia, die natürlich in ganz gravierende Verbrechen verwickelt waren, aufzugreifen. Ich betone: nur mit Hilfe des Lauschangriffes.

Wie groß die Gefahr ist, daß sich die organisierte Kriminalität auch bei uns ausbreitet, geht aus dem Sicherheitsbericht hervor. Erst vor kurzem haben wir diesen Bericht im Ausschuß diskutiert, und da haben Sie ja gesehen, daß der Anteil der organisierten Kriminalität an der Gesamtkriminalität ungefähr 30 bis 35 Prozent beträgt. Der Herr Minister hat in dem Bericht erwähnt, daß die Tendenz zu einer erheblichen Verstärkung des Anteils der organisierten Kriminalität bis zur Jahrtausendwende erkennbar ist. Ich zitiere aus dem Sicherheitsbericht, der ja sicherlich nichts dramatisiert: Die österreichische Exekutive ist mit einem neuen Feind konfrontiert, der, über riesige Geldmittel verfügend, keine Grenzen akzeptiert, auf große Mobilität und auf Unterstützung aus allen Teilen der Welt zählen kann. Die organisierte Kriminalität umfaßt Prostitution, Menschenhandel, Suchtgift.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand dagegen ist, der Exekutive alles nur Mögliche – auch an modernen Mitteln – zur Verfügung zu stellen, um dieser Entwicklung Einhalt gebieten zu können. Ein hoher Exekutivbeamter hat gesagt: Es wird der organisierten Kriminalität auch bei uns in einigen Jahren gelingen, durch Einschüchterung, Bestechung und Manipulationen entscheidenden Einfluß auf Politik, Verwaltung und Medien zu gewinnen. Beispiele dafür sind die Kontrolle von Banken, die Kontrolle von Unternehmen und die Kontrolle von öffentlichen Auftragsvergaben.

Diese Gefahren muß man sehen, wenn man realistisch über die Einführung elektronischer Methoden diskutieren will. Dabei muß man selbstverständlich auch aufzeigen, welche Eingriffe in die Grundrechte damit verbunden sind. Aber wenn Sie die Debatte seriös und ehrlich führen, Frau Abgeordnete Stoisits und Frau Abgeordnete Schmidt, dann müssen Sie auch die Gefahren sehen, die mit der organisierten Kriminalität verbunden sind. Man kann nicht immer nur darstellen, welche Eingriffe in die Grundrechte damit verbunden sind und auf welche Weise die Grundrechte beschränkt werden, und die Gefährlichkeit der organisierten Kriminalität außer acht lassen.

Ich habe Verständnis für die damit verbundenen Ängste und Befürchtungen, denn es ist keineswegs angenehm, sich vorzustellen, daß die eigene Wohnung belauscht und abgehört wird oder daß man Gegenstand der Rasterfahndung ist. Ich habe auch Verständnis dafür, daß einige, vielleicht sogar viele fürchten, die neuen Fahndungsmaßnahmen könnten mißbräuchlich verwendet werden. Aber das Gesetz, das heute beschlossen wird, soll ja jedem Mißbrauch vorbeugen. Es gibt darin alle möglichen Kautelen, um Mißbräuche wie zum Beispiel die Einbeziehung sensibler Daten in die Rasterfahndung zu verhindern.

Allerdings ist meiner Meinung nach etwas übersehen worden, auf das wir uns in unserem Abänderungsantrag beziehen, und das betrifft die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit, daß bei Gefahr in Verzug der Untersuchungsrichter allein Lauschangriff oder Rasterfahndung genehmigen kann. Das halte ich für sehr bedenklich, Herr Minister! Stellen Sie sich vor, unter welchen Druck seitens der Exekutive der Untersuchungsrichter geraten kann. Ich spreche aus der Praxis, wenn ich das als das Allergefährlichste bezeichne. Zum Beispiel könnte ein Exekutivbeamter einem Richter vom Flughafen aus mitteilen, daß er nur die Chance habe, die Verdächtigen zu ergreifen, wenn sofort eine Rasterfahndung oder ein Lauschangriff bewilligt werde; andernfalls seien sie fort und es bestehe keine Möglichkeit mehr, ihrer später noch habhaft zu werden. Dadurch entsteht tatsächlich enormer Druck! Ich glaube, daß man diesen Druck abfangen kann, wenn die Ratskammer generell als das Genehmigungsinstitut ins Gesetz aufgenommen wird. Deshalb bitte ich Sie, zumindest dieser einen Bestimmung unseres Abänderungsantrages zuzustimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend: Prinzipiell ist nicht nur die Frage zu stellen, ob der Staat die Grundrechte verletzt, sondern es ist selbstverständlich auch die Frage aufzuwerfen, in welcher Weise und inwieweit die Verbrecher durch ihr Handeln die


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Grundrechte bedrohen. Denken wir zum Beispiel an das Grundrecht der Freiheit. Wir können das Grundrecht der Freiheit nur dann ausüben, wenn wir auch die Sicherheit zur Ausübung dieses Grundrechtes haben. Was nützt uns das Grundrecht der Gewerbefreiheit, wenn wir es nicht ausüben können, weil mafiose Banden durch Schutzgelderpressungen die gewerbliche Tätigkeit unterbinden? Was nützt uns das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums, wenn das Eigentum von mafiosen Verbindungen und organisiertem Verbrechen bedroht ist? – Ich glaube, man darf das nicht außer acht lassen.

Deshalb möchte ich Mag. Ellinger, Richter am Straflandesgericht Eisenstadt, zitieren: Freiheit oder Sicherheit ist die Formel der Ratlosen. Es kann nur heißen: Freiheit und Sicherheit.

Um Sicherheit herzustellen, müssen wir alles, was wir an Kautelen beschlossen haben, tatsächlich ernst nehmen. Aber wir müssen auch die Exekutive so ausrüsten, daß sie diese gesellschaftsschädlichen Elemente entsprechend bekämpfen kann. Deshalb bin ich für die Einführung der elektronischen Fahndungsmethoden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der Abgeordneten Dr. Fekter und Leikam. )

18.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.36

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Vor wenigen Monaten, am 28. April 1997, fand eine Tagung des EU-Ministerrates für Justiz und Inneres in Luxemburg statt. Ich zitiere aus dem Bericht über diese Tagung, weil darin meiner Ansicht nach aufs beste beschrieben wird, was Gegenstand der heutigen Debatte ist: Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus ist ein nie endendes Unterfangen. Der Kampf muß kompromißlos, aber stets mit rechtmäßigen Mitteln und unter Wahrung der rechtsstaatlichen Grundsätze, der Demokratie und der Menschenrechte geführt werden, wobei nicht außer acht gelassen werden darf, daß gerade der Schutz dieser Werte die Raison d’être – den Hauptgrund – für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität darstellt.

Exakt diese Position hat die ÖVP in sämtlichen Verhandlungsrunden der letzten Jahre eingenommen. Genau dafür stehen wir, genau dafür kämpfen wir, genau das wollen wir erreichen, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wie die Justizsprecherin der ÖVP und Vorsitzende des Justizausschusses, wie Kollege Leikam stehe auch ich nicht an, den beiden verantwortlichen Bundesministern sowie den Spitzenbeamten des Justiz- und Innenministeriums meinen persönlichen Respekt zu bezeugen und ein Kompliment auszudrücken. Die koalitionsintern geführten Verhandlungen waren vorbildlich, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit diesem Ergebnis erreichen wir voll und ganz unser Ziel: Wir bieten den Bürgern Sicherheit und bekämpfen die organisierte Kriminalität bestmöglich! (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Leikam. )

Manches an den Ausführungen meiner Vorredner ist mir nicht nachvollziehbar. Kollege Ofner hat am 31. Jänner 1996 einen Initiativantrag der Abgeordneten Höbinger-Lehrer und Ofner eingebracht. (Abg. Dr. Ofner: Ist schon zitiert worden! Habe ich schon gehört!) Ich habe ihn in der Zwischenzeit wieder zur Hand genommen und gelesen, und ich muß sagen, ich sehe mich zu der Feststellung veranlaßt, Kollege Harald Ofner, daß du offensichtlich den Mantel deines sehr persönlichen Vergessens über all das gebreitet hast, was du noch vor eineinhalb Jahren vertreten hast. Denn dieser Initiativantrag zu den neuen Fahndungsmethoden ist um so vieles schärfer, um so vieles restriktiver und um so vieles rigider als der vorgelegte und zur Beschlußfassung anstehende Entwurf, daß ich nur darüber staunen kann, was aus Kollegen Ofner geworden ist. Aus ihm wurde der sprichwörtliche Saulus, nachdem er ursprünglich ein Paulus war; denkbar ist auch, daß er der vergeßliche Thomas geworden ist. Er hat sich in einer Form gewandelt, wie ich es von einem ehemaligen Justizminister dieser Republik nicht für möglich gehalten hätte! Das hat mich persönlich enttäuscht. (Beifall bei der ÖVP.)


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Respekt gebührt aber Frau Kollegin Partik-Pablé, denn sie hat in allen Gesprächen, in der gesamten Diskussion nie ein Hehl aus ihrer Haltung gemacht. Sie ist der Auffassung, daß wir unserer Exekutive und allen, die Verantwortung tragen, diese Instrumentarien in die Hand geben müssen. Sie ist sich als Richterin sicher, daß die Justiz in Zusammenarbeit mit der Exekutive die Regeln genau beachten wird, unter denen dieses Gesetz in die Exekutive und in die Justiz Eingang finden wird.

Kollegin Schmidt – es hat mich fast amüsiert, daß eine ausgebildete Juristin sich einer solchen Diktion bedient, und ich unterstelle einmal, daß sie es bewußt getan hat – spricht sehr flott von Autodieben, Hendldieben und ähnlichen, die es mit den neuen Instrumentarien zu bekämpfen gelte. – Ich fasse es nicht! Die bodenlose Frechheit dieser Argumentation besteht darin, den Menschen, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen, die Gefahren zu verniedlichen und die organisierte Kriminalität in einer Form darzustellen, wie es sie in der Realität nicht gibt. Das lehnen wir ab! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Leikam. )

Wenn Kollegin Schmidt aber aufzuzählen beginnt, wer angeblich aller gegen dieses Instrumentarium sei, dann ist es leicht, sie zu widerlegen. Unter anderem hat sie behauptet, die Richter seien dagegen. Ich rufe den Präsidenten der Richtervereinigung, Dr. Josef Klingler, zum Zeugen auf. Er antwortet in den "Salzburger Nachrichten" vom Freitag, dem 4. Juli 1997, auf die Frage: "Die Position der Richter zu Lauschangriff und Rasterfahndung ist – trotz zahlreicher Grundrechts-Bedenken – demnach unverändert? – Klingler: Wir sind unverändert dafür. So einfach ist es nicht, daß man sagt, die Bedrohung kommt nicht mehr vom organisierten Verbrechen, sondern von staatlichen Organen."

Kollegin Schmidt tritt also ans Rednerpult und behauptet etwas wider besseres Wissen – ich sage das einmal, sie weiß es nämlich wirklich besser –, nur um in der Argumentation auf sehr perfide Art und Weise all das, was heute zum Beschluß ansteht, madig zu machen. Das lehnen wir ab! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Leikam. )

Besonders herzig hat sich in dieser Angelegenheit Kollegin Stoisits verhalten. (Zwischenrufe.) Ich zitiere, was sie vor wenigen Minuten hier gesagt hat: Es gibt keine organisierte Kriminalität in Österreich. – Na bitte, habe ich mir gedacht – ich war darauf vorbereitet, denn so etwas hatte ich vermutet –, dann nehme ich eben die Analyse über die organisierte Kriminalität in Österreich im Jahr 1996, herausgegeben von der Europäischen Union, zur Hand.

Ich zitiere für Kollegin Stoisits – sie hat es vorgezogen, jetzt nicht anwesend zu sein und mir nicht zuzuhören – einige Passagen aus diesem Elaborat Österreich betreffend, um ihr zu zeigen, daß es die organisierte Kriminalität in Österreich gibt und daß es daher auch notwendig ist, sie zu bekämpfen: Die Aktivitäten krimineller Gruppierungen aus Albanien und dem ehemaligen Jugoslawien haben 1996 in Österreich zugenommen. Slowakische, bulgarische, tschechische und ungarische Gruppen konnten starke Strukturen in Österreich aufbauen. Kriminelle Gruppierungen aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sind in Österreich aktiv. Türkische kriminelle organisierte Gruppierungen sind hauptsächlich am Drogenhandel beteiligt. Camorra-Mitglieder sind in drei österreichischen Bundesländern aktiv. Rumänische Gruppierungen benutzen Wien als Stützpunkt.

Laut Kollegin Stoisits gibt es die organisierte Kriminalität in Österreich nicht! Was man nicht wahrhaben will, das nimmt man ganz einfach nicht zur Kenntnis. – Ich sage und die ÖVP sagt: Es gibt sie, sie unterwandert, unterhöhlt und unterminiert unsere Gesellschaft, und wir haben die politische und fachliche Verantwortung, unserer Justiz und unserer Exekutive jene Instrumentarien in die Hand zu geben, damit organisierte Kriminalität und Terrorismus in diesem Land bekämpft werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zuversichtlich, daß dieses Land mit der Beschlußfassung über dieses Gesetzeswerk der Exekutive und der Justiz Möglichkeiten zur Verfügung stellt, über die zu urteilen wir nach ein paar Jahren der Überprüfung in der Lage sein werden. Ich sehe guten Grund zu der Annahme, daß das Urteil


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folgendermaßen lauten wird: Es war gut, daß wir damals, 1997, diese Gesetze beschlossen haben! (Beifall bei der ÖVP.)

18.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte. (Ruf: Kier zum 60. Mal!)

18.44

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fasse mich ganz kurz. (Ruf: Das ist ja gar nicht möglich für Sie!) Kollege Kiss und Kollege Leikam haben bemerkenswerte Feststellungen getroffen. Kollege Leikam sagte, die organisierte Kriminalität – deren Existenz ich keineswegs bestreite, Herr Kollege Kiss, selbstverständlich gibt es das – ist der "Wettbewerber zum Staat".

Das ist eine vielsagende Äußerung, denn wir haben etwas vorgelegt bekommen, was unseren Staat tatsächlich zum Wettbewerber der organisierten Kriminalität macht. (Abg. Leikam: Aber!) Doch ist das ein falscher Ansatz. Der Staat muß die Antithese zur organisierten Kriminalität sein, nicht ihr Wettbewerber! (Abg. Leikam: Die ist er aber auch!) Wenn Kollege Leikam sagt, die organisierte Kriminalität sei ein Wettbewerber zum Staat, dann ist das ein sehr unglücklich gewähltes Bild, auch wenn ich ihm nicht unterstelle, daß er das gemeint hat, was zwischen den Zeilen damit zum Ausdruck gebracht wurde.

Allerdings sind wir in der Praxis nahe daran, den Fehler zu begehen, daß wir das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit einseitig zu Lasten der Freiheit auflösen. Die Ausgewogenheit zu finden ist schwierig und unbefriedigend, weil dabei selbstverständlich das Sicherheitsbedürfnis nicht zu 100 Prozent gedeckt werden kann. Das ist immer unbefriedigend. Aber noch unbefriedigender ist es in einem liberalen Rechtsstaat, wenn der Rechtsstaat selbst ins Rutschen gerät. Ich werde Ihnen sagen, warum genau das aufgrund des Entwurfes, den Sie uns vorgelegt haben, möglicherweise der Fall ist. (Abg. Leikam: Man muß den ganzen Satz sagen, Kollege!)

In den Gesetzentwurf haben Sie zwar ein Beweisverwertungsverbot aufgenommen, aber kein Informationsverwertungsverbot. Das heißt, Sie dürfen zwar die gewonnenen Erkenntnisse nicht direkt zur Beweisführung verwenden – wir wissen, daß Sie hierbei die Grenzen sehr stark aufgeweicht haben –, aber die Informationsverwertung ist ... (Abg. Dr. Fuhrmann: Wieso aufgeweicht?) Weil die Grenzen bei den Zufallsfunden relativ niedrig liegen; aber ich will jetzt keine Zeit verlieren, Herr Kollege Fuhrmann! – Ein Informationsverwertungsverbot besteht jedoch nicht, Sie können alle Erkenntnisse verwenden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Fuhrmann. ) Sie haben vor allem etwas nicht getan: Sie haben keinen Rechtsschutz gegen den Bruch der Amtsverschwiegenheit eingebaut! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Fekter: Wollen Sie Verbrecher schützen? – Abg. Dr. Fuhrmann: Aber das spießt sich doch! – Weitere Zwischenrufe.)

Sie haben sich geweigert, die Amtshaftung wirklich ernst zu nehmen. (Abg. Leikam: Ich bin von Ihnen enttäuscht! Das ist keine seriöse Diskussion, was Sie machen!) Ich sage Ihnen den Unterschied zwischen Österreich und den USA: Er besteht insbesondere darin, daß in den USA Amtsträger, die mit dem ihnen anvertrauten Wissen nicht sorgfältig umgehen, ganz andere Folgen zu gewärtigen haben als Amtsträger bei uns, die ja nicht einmal erwischt werden. Denn immer wieder bekommen wir zu hören: Ja, es gibt undichte Stellen, aber leider können wir sie nicht herausfinden. (Abg. Dr. Fuhrmann: Deswegen haben wir die Geheimnisschutzänderung vorgenommen!) Oder wollen Sie den Lauschangriff auch nach innen, auf Ihre Behörden hin anwenden? Das schaue ich mir an! (Abg. Dr. Fuhrmann: Das ist eine so krumme Argumentation, die Ihrer nicht würdig ist!)

Sie wissen genau, daß sich die Sache so verhält. Sie wissen, daß sich seriöse Leute, die in diesem Feld arbeiten, darüber Sorgen machen und überlegen, wie gewährleistet werden kann, daß nicht durch undichte Stellen im System die Amtsverschwiegenheit verletzt wird. Damit spreche ich nicht die frontale Verletzung an, sondern die Verletzung der Amtsverschwiegenheit durch undichte Stellen. Bekanntlich ist einiges allemal früher in der "Kronen Zeitung" als in den


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Akten zu lesen. (Abg. Dr. Fuhrmann: Haben Sie gelesen, was in der Geheimnisschutzordnung steht?) Sie wissen genau, wovon ich rede. (Abg. Dr. Fuhrmann: Ja, ich weiß es! Sie reden von etwas, das nicht drinnen steht!) Das sind die Probleme, die wir damit haben. Amtsverschwiegenheit ohne Durchgriff auf die Verletzung der Amtsverschwiegenheit ist ein hinkendes Ding. Ein Beweisverwertungsverbot ohne Informationsverwertungsverbot ist ein hinkendes Ding.

Solange Sie die Anonymität der Sparguthaben verteidigen und gleichzeitig behaupten, Sie hätten ernsthaft etwas gegen die organisierte Kriminalität, sind Sie zumindest nicht wirklich glaubwürdig. Das muß ich Ihnen ganz deutlich sagen! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Fuhrmann: Sie glauben, der Mafiaboß ...?)

Sie wissen genau, was ich meine! Es geht dabei auch um die psychologische Befindlichkeit der Bevölkerung. Sicherheit ohne Freiheit ist nicht das, was wir uns wünschen. (Abg. Dr. Fuhrmann: Also da haben Sie schon Besseres gebracht!)

Mein Schlußsatz: Wenn Kollege Kiss meiner Klubobfrau bewußt unterstellt und wörtlich sagt, daß sie wider besseres Wissen argumentiert habe, dann hat er bestenfalls eine Wortwahl gefunden, die ihm den Ordnungsruf erspart hat. Denn Sie wissen, was das heißt. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Nur hat Kollege Kiss das Glück, daß es ihm nicht möglich ist, wider besseres Wissen zu argumentieren. Denn wider besseres Wissen kann man nur argumentieren, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Fuhrmann: Entweder haben Sie die Vorlage nicht gelesen, oder Sie haben auch wider besseres Wissen argumentiert! – Weitere Zwischenrufe.)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

18.50

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Der Anlaß für diese Diskussion gebietet es, zu versuchen, hier eine Form zu finden, die der schwerwiegenden Materie einigermaßen gerecht wird.

Herr Kollege Kier! Wenn Sie zu dem Gesetz sagen: Entweder Sicherheit oder Freiheit!, so halte ich das für etwas polemisch, genauso wie ich die Aussage, daß man eine Vorrednerin als "herzig" bezeichnet, auch nicht für sehr geglückt erachte. – Ich kann nur sagen: Wir – aber ich kann nur für die sozialdemokratische Fraktion und für mich selbst sprechen – haben es uns nicht leicht gemacht. Wir haben uns im Rahmen dieser langen Diskussion die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Grundrechte einerseits und nach verbesserten Möglichkeiten für Justiz und Sicherheitspolizei andererseits gestellt und haben letztlich, so glaube ich, einen akzeptablen Kompromiß gefunden.

Für mich persönlich war es eigentlich der Letztentwurf, die letzten Neuerungen, nämlich die Verankerung eines Rechtsschutzbeauftragten und insbesondere die Positivliste, was mich bewogen hat, meine Zustimmung dazu zu geben. Es ist uns damit geglückt – ich respektiere selbstverständlich alle Einwendungen; ich werde darauf noch zu sprechen kommen –, ein System zu schaffen, das in sich gesehen eine geschlossene Einheit darstellt, das Prüfungsroutinen hat und mathematisch nachvollziehbar ist.

Das Problem, das nach wie vor besteht und das meines Erachtens auch die Ängste, die viele haben, hervorruft – deshalb habe ich auch Verständnis dafür, daß manche dagegen stimmen –, ist ganz einfach der Umstand, ob man damit rechnen kann, daß die demokratiepolitische Reife gegeben ist, mit diesen Instrumenten umzugehen. Es ist dies heute auch schon mehrfach in der Diskussion angesprochen worden: Wer sind jene, die diese neuen Instrumente anwenden? Kann man das Gesetz separat betrachten, oder ist es im Gesamtkontext zu sehen?

Wenn man auf die demokratiepolitische Reife zu sprechen kommt, muß man mit der Frage beginnen, was hier in diesem Haus stattgefunden hat, wie die Diskussion gelaufen ist. Und da hat es sehr wohl einige Vorfälle und einige Redebeiträge gegeben, die mich persönlich relativ


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betroffen gemacht haben. Beispielsweise hat in der letzten Ausschußsitzung ein Abgeordneter den Standpunkt vertreten: Es gibt überhaupt kein Problem mit den Grundrechten, denn es ist alles abgesichert; wir haben überhaupt nicht mehr abzuwägen bezüglich Verhältnismäßigkeit, denn es ist denkunmöglich, daß ein Eingriff in Grundrechte stattfindet.

Meiner Meinung nach trägt ein derartiger Standpunkt der Komplexität dieses Umstandes keinesfalls Rechnung und trägt auch nicht dazu bei, über dieses Thema eine ernsthafte Diskussion zu führen. Ich habe mich auch sehr gewundert, denn es gibt noch einen zweiten Gesetzesvorschlag, der nach wie vor in Diskussion steht und nicht zurückgezogen wurde, und zwar einen der Freiheitlichen – und das, obwohl der Abgeordnete Ofner gesagt hat, es könne ihn niemand daran hindern, klüger zu werden! Ich persönlich hätte mir deshalb erwartet, daß dieser Gesetzesvorschlag, der eine eigentümliche Vorgeschichte hat, zurückgezogen wird.

Schauen wir uns eine Erklärung des Abgeordneten Stadler aus dem Jahre 1996 an, in der er Österreich als "sicherheitspolitisches Entwicklungsland" bezeichnet hat – und das, weil wir diese Diskussion damals nicht schnell abgekürzt und einen Entwurf des Kollegen Ofner, der wesentlich rigider und strenger ist als jener, der derzeit vorliegt, beschlossen haben. Deshalb denke ich mir, daß das doch eine gewisse Leichtigkeit in der Auseinandersetzung ist. (Abg. Kiss: Absolut! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Er hat nicht darauf reagiert.

Es hat dafür – und das habe ich mit Interesse gelesen – die "Aula" einen Artikel gebracht: "Genug gespitzelt, raus jetzt". Ich weiß nicht, ob da ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dieser Artikel ist jedenfalls für mich ein Grund, anzunehmen, daß es vielleicht doch nicht so schlecht ist, daß wir dieses Gesetz beschließen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Krüger: " Aula"-Leser!) Herr Kollege! Ich bekomme die "Aula" zugeschickt und blättere sie natürlich durch, weil ich mit gewissem Interesse verfolge, was da drinnen steht, da Sie sich ja oft geflissentlich davon distanzieren! (Abg. Dr. Krüger: " Aula"-Bezieher! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich komme zum Schluß. Es war eine lange, niveauvolle Diskussion, und es gab ein Ringen darum, einen Kompromiß zu finden, was die Grundrechte auf der einen Seite und die verbesserten Möglichkeiten der Fahndung auf der anderen Seite anlangt. Wir haben – nicht zuletzt deshalb, weil es eine eigene Fahndungsgruppe, das heißt einen abgeschlossenen Bereich gibt, dem man diese Instrumente in die Hand gibt – absehbar gemacht, wer damit umgeht, was eine zusätzliche Sicherstellung bedeutet. Letztlich haben wir auch dadurch, daß es eine Befristung für die neuen Fahndungsmethoden gibt, einen Beobachtungszeitraum geschaffen, um feststellen zu können, ob damit tatsächlich so umgegangen wird, wie wir uns das vorstellen.

Wenn sich in diesen drei Jahren herausstellen sollte, daß die Befürchtungen, die einige von uns hegen – es sind nicht so wenige! –, tatsächlich wahr werden sollten, so besteht die Möglichkeit – das ist sicherlich eine Verpflichtung –, diese Fahndungsmethoden eben nicht mehr fortzusetzen. Ich hoffe aber, daß es nicht so weit kommen wird. Das Ganze bedarf, wie gesagt, einer demokratiepolitischen Reife. Ich hoffe, daß wir diese haben – nicht nur wir, sondern auch jene, die dieses Gesetz in ganz Österreich anwenden. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anschober. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.55

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! 8 Minuten sind wenig Zeit, um auf Argumente einzugehen. Die meisten konkreten Einwendungen gegen diesen drastischen Abbau von Grund- und Bürgerrechten sind ja von der grünen beziehungsweise der liberalen Oppositionspartei angeführt worden.

Ich möchte kurz auf den Punkt Sicherheit eingehen. Es ist unbestritten – und ich glaube, das zieht sich quer durch die Fraktionen –, daß es ein Bekenntnis dazu gibt, mafiose Strukturen, soweit sie in und um Österreich auftauchen beziehungsweise wo Österreich bereits davon


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betroffen ist, engagiert zu bekämpfen. Das kann nicht Gegenstand der Auseinandersetzung sein. Die Frage lautet jedoch: Welche aus den Bündeln an Maßnahmen, die hier realisierbar sind, wird tatsächlich verwirklicht?

Herr Minister Schlögl! Ich frage Sie, warum es in Österreich politisch eher möglich ist, eine dramatische Einschränkung der Bürgerrechte und der Grundrechte durchzusetzen, als eine ganz einfach zu realisierende Ausbildungsreform der Exekutive, warum es in Österreich eher möglich ist, die Bürgerrechte dramatisch einzuschränken und den "gläsernen Bürger" in diesem Land zu schaffen, als endlich die notwendige Reform im staatspolizeilichen Bereich auf seriöse Art und Weise umzusetzen, warum es in Österreich nicht machbar ist, eine seriöse Reform der Weiterbildung im Bereich der Exekutive zu realisieren, warum wir im Bereich Traiskirchen mittlerweile beinahe eine Ackersituation haben, weil in jedem Wahlkampf erneut ein Spatenstich erfolgt, aber sonst nichts geschieht. In der morgigen Ausgabe einer Zeitung habe ich Ihre Aussage gelesen, 1999 werde die Sicherheitsakademie in Traiskirchen in die Realität umgesetzt.

Es gäbe eine Fülle von Maßnahmen, um die Polizeiarbeit effizienter zu gestalten. Da setzen Sie sich offensichtlich manchmal nicht gegen den Koalitionspartner und manchmal nicht gegen die Gewerkschaft durch. Was bleibt übrig? – Sie nehmen den Bereich her, in dem es Willensübereinstimmung mit dem Koalitionspartner gibt und Sie offensichtlich die wenigsten Bedenken haben und riskieren einen dramatischen Abbau der Bürger- und Grundrechte.

Interessant ist, was Herr Klubobmann Khol noch vor eineinhalb Jahren, vor den Wahlen 1995 festgestellt hat: Damals sagte er, es werde Lauschangriff und Rasterfahndung, also die neuen Fahndungsmethoden, nur dann geben, wenn es zu einer Gesamtreform der Staatspolizei in Österreich kommt. (Abg. Dr. Khol: Einen Zwischenruf bitte! Gestatten Sie mir einen Zwischenruf!) Und wie schaut diese überraschende "Blitzlicht-Stapo-Reform" nach fünf Jahre dauernden Verhandlungen und Diskussionen aus? (Abg. Dr. Khol: Sie sind ja gar nicht interessiert daran, was ich Ihnen sage!) – Herr Klubobmann Khol, das ist lachhaft. Das ist beinahe so lachhaft wie der Tanz, den Sie gestern nacht hier in diesem Hause aufgeführt haben. Eine reine Mogelpartie! (Beifall bei den Grünen.)

Das einzige, was Sie im großkoalitionären Zweiklang in dieser sogenannten Stapo-Reform, in diesem Reförmchen realisiert haben – "Reförmchen" ist eigentlich bereits ein maßlose Übertreibung –, ist, eine Einheit zu schaffen, die sich im Bereich der Analyse verstärkt und professioneller engagiert. Das halte ich auch für notwendig und erforderlich; das liegt aber eigentlich seit Monaten auf dem Tisch und ist wirklich keine Überraschung.

Die notwendigen Detailstrukturreformen, die Gesamtreform etwa unter Einbeziehung der Heeres-Nachrichtendienste – nichts davon wurde erledigt! Von einem "Dach" über diesen Diensten, nämlich dem Schaffen einer Staatsschutzkommission, ist keine Rede mehr! Es ist keine Rede von jenen Maßnahmen, die im Bereich der Exekutive realisiert werden könnten, wenn Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner einig wären und wenn Sie der Koalitionspartner dort unterstützen würde, wo dies notwendig, sinnvoll, erfreulich und positiv wäre. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Nächster Punkt: Alle Beamten der EDOK – und dort gibt es hochqualifizierte und engagierte Fachbeamte, die sich tagtäglich mit Fahndungen im Bereich der organisierten Kriminalität auseinandersetzen – sagen mir, daß die allererste Maßnahme, die zu setzen wäre, das Aufheben der Anonymität der Bankkonten in Österreich wäre, um die Geldwäsche zu unterbinden. Was aber macht heute der Finanzminister, während Lauschangriff und Rasterfahndung beschlossen werden? – Er macht eine Aussendung an die kleinen österreichischen Sparbuchinhaber, um sie zu beruhigen, daß es keine Aufhebung der Anonymität und keine Verschärfung des Bankgeheimnisses geben werde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine unehrliche und unredliche Sicherheitspolitik, wenn aus reinem Populismus, aus Rücksichtnahme bestimmten Banken gegenüber erforderliche Maßnahmen nicht gesetzt werden, sodaß die Rechte, die Grundrechte der Bürger


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auf der Strecke bleiben, wogegen man sich in diesem Hause offensichtlich zu wenig wehren kann.

Heute Lauschangriff, gestern Rauschangriff in diesem Parlament. Der gestrige Rauschangriff steht in unmittelbarem politischem Zusammenhang mit dem heutigen Lauschangriff. Rauschangriff und Lauschangriff haben etwas miteinander zu tun. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es gibt sozusagen schon eine Tradition der letzten Wochen: In jedem Konfliktfall der letzten Wochen, bei jedem Skandal der ÖVP war es die sozialdemokratische Fraktion, die der ÖVP die Mauer gemacht hat. Stichwort Kurden-Skandal: Die ÖVP ist tief verstrickt, aber die SPÖ macht ihr die Mauer und verteidigt sie. Stichwort – wie soll man es nennen? – Schüssel-Affäre – ich versuche, es ganz diplomatisch auszudrücken –: Die ÖVP ist tief verstrickt und in großen Schwierigkeiten, aber die SPÖ macht ihr die Mauer.

Und dann passiert der Koalitionsbruch der gestrigen Nacht. Daß es ein Koalitionsbruch war, traut sich nur heute keiner mehr zu sagen, aber in der ersten Emotion wurde das klar zum Ausdruck gebracht. Denn im koalitionsfreien Raum ist es ja nur um die 0,5 Promille gegangen und nicht um die StVO-Gesamtnovelle! Daher war das ein klassischer Koalitionsbruch. Und was passiert hier? – Die ÖVP bremst die SPÖ geradezu klassisch aus, und trotzdem geht es heute so weiter, als wäre gar nichts geschehen, trotzdem lassen sich viele Mandatare und Mandatarinnen der SPÖ, so als wäre in den letzten Wochen nichts geschehen, als wären sie nicht skeptisch und hätten nicht größte Bedenken gegen diesen Abbau der Grundrechte, wiederum als Mehrheitsbeschaffer für die Österreichische Volkspartei mißbrauchen. – Das ist eigentlich ein Armutszeugnis, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ!

Der gestrige Rauschangriff hat nicht dazu geführt, daß die Sozialdemokratie aufgewacht ist, der gestrige Rauschangriff hat de facto gar nichts bewirkt außer einige Dutzend Verkehrstote mehr pro Jahr. Aber das müssen Sie verantworten, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. )

Was ich nicht verstehe, ist, daß genau jene Parteien, die gestern vor mehr Kontrolle gewarnt haben, die gestern davor gewarnt haben, einen Polizeistaat auf Österreichs Straßen zu errichten, die sich gestern im Zusammenhang mit Alkoholismus Sorgen um die Bürgerrechte gemacht haben, daß genau diese Fraktionen heute beim Abbau der Grundrechte völlig bedenkenlos drüberfahren. Auch das läßt einige Schlüsse zu. (Beifall bei den Grünen.)

19.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.

19.04

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich berichtige die Ausführungen meines Vorredners (Abg. Ing. Langthaler: Daß das kein Rauschangriff war!), daß die zwischen den beiden Regierungsparteien vereinbarte Stapo-Reform eine große Mogelpackung sei. 

Dem stelle ich den berichtigten Sachverhalt entgegen. Es haben diese und letzte Woche Gespräche zwischen Minister Schlögl und einer Delegation der Volkspartei stattgefunden, wobei eine große Stapo-Reform vereinbart wurde, die parallel mit einer rechtlichen Fundierung der militärischen Nachrichtendienste läuft. Die entsprechende Koordinationsfunktion wird gemeinsam noch in diesem Herbst im Ministerrat beschlossen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

19.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte, Herr Bundesminister.

19.05

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an das, was Herr Abgeordneter Jarolim gesagt hat, anknüpfen, der gemeint hat, sowohl die Skeptiker als auch die Befürworter hätten es sich bei der Diskussion


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über die Einführung der neuen Fahndungsmethoden nicht leichtgemacht. Ich glaube, daß das wirklich ein hartes, ein zähes Ringen war, bei dem beide Seiten versucht haben, aufeinander zuzugehen. Ich billige auch zu, daß es innerhalb der verschiedenen Parteien hier im Hause sehr unterschiedliche Meinungen gibt, die auch in dieser heutigen Debatte sehr offen ausgetragen werden, was ich für notwendig und wichtig erachte.

Ich glaube nicht – ich möchte das nochmals betonen –, daß es zu einer dramatischen Einschränkung der Bürger- und Grundrechte in Österreich kommt, und habe das schon in meinem ersten Debattenbeitrag darzulegen versucht. Ich sehe keinen Unterschied zwischen den neuen Fahndungsmethoden, wie wir sie heute wahrscheinlich für Österreich einführen werden, und jenen Fahndungsmethoden, die in vielen anderen Staaten Europas bereits seit vielen Jahren angewendet werden.

Frau Abgeordnete Stoisits! Es ist mir wichtig, nochmals zu betonen: Hier geht es nicht darum, die herkömmliche Kriminalität mit diesen neuen Fahndungsmethoden zu bekämpfen, sondern es geht darum, in einigen wenigen Fällen, für die andere Mittel nicht ausreichen, Straftatbestände aufzuklären und weitere Verbrechen zu verhindern, möglicherweise mit Hilfe der neuen Fahndungsmethoden zum Durchbruch zu kommen und eine erhöhte Aufklärung zu erreichen.

Deswegen kann man die Höhe der Kriminialitätsrate in den Vereinigten Staaten oder in anderen Ländern nicht zum Vergleich und als Argument gegen Lauschangriff und Rasterfahndung heranziehen. Das wird nur in einigen wenigen Fällen angewendet werden, weshalb es keine Auswirkungen auf die Kriminalitätsrate, sehr wohl aber auf die Aufklärung einiger schwer zu lösender Kriminalfälle haben wird.

Ich möchte – ich glaube, das hat auch der Herr Justizminister bereits gesagt – nochmals betonen, daß wir sowohl in den verschiedenen Sitzungen des Unterausschusses als auch in jenen des Justizausschusses und in den Diskussionen zwischen den Parteien versucht haben, alle Bedenken und Ängste, die in diesem Zusammenhang geäußert wurden, sehr ernst zu nehmen. Es ist auch heute schon sehr ausführlich dargelegt worden, in welchen Bereichen wir versucht haben, den Wünschen und Vorstellungen von Skeptikern nachzukommen, und ich glaube, daß das sehr gut gelungen ist.

Wir haben die Institution des Rechtsschutzbeauftragten geschaffen, der meiner Meinung nach als begleitende Kontrolle wirklich sehr effektiv arbeiten wird können. Weiters gibt es den Schutz der Berufsgeheimnisträger, es gibt keine Einbeziehung privater Daten in die Datenabgleichung. Desgleichen sind Geheimnisschutz und die Absicherung gegen mißbräuchliche Verwendung sehr, sehr wichtig für uns. Und schlußendlich kommt es, wie Abgeordneter Jarolim bereits angeführt hat, zur befristeten Einführung dieses Gesetzes, womit gewährleistet ist, daß das Gesetz und seine Auswirkungen genau beobachtet werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist bewußt, daß diese neuen Ermittlungsmethoden natürlich auch Ängste wecken, und zwar Ängste dahin gehend, daß diese Methoden mißbräuchlich verwendet werden können, daß Eingriffe in die Privatsphäre stattfinden können. Daher muß es unsere Aufgabe sein, bei der Durchführung dieser neuen Fahndungsmethoden strengste rechtsstaatliche Kriterien anzulegen, und ich bin überzeugt davon, daß uns das gelingen wird.

Wir haben dafür ein Bündel von Maßnahmen vorgesehen, wodurch Mißbräuche ausgeschlossen werden sollen. So wird im Bereich des Innenministeriums unmittelbar bei der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit eine Spezialeinheit zur Durchführung des großen Lauschangriffes eingerichtet werden. Die damit beauftragten Bediensteten werden einer besonderen Sicherheitsprüfung unterzogen, die der besonderen Geheimschutzwürdigkeit von durch Überwachungsmaßnahmen gewonnenen Informationen Rechnung zu tragen hat.

Ich werde diesbezüglich – wie im Gesetz vorgesehen – nach Anhörung des Datenschutzrates eine eigene Geheimschutzordnung erlassen, die sicherstellt, daß Beamte, die einen Geheimnisbruch begehen sollten, auch festgestellt werden können.


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Mir und, ich glaube, auch allen Befürwortern sowie allen Beamtinnen und Beamten des Innenministeriums ist bewußt, daß eine kommende weitere Bereitschaft zu besonderen Ermittlungsmethoden zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung nur dann bestehen wird, wenn sowohl die Sicherheits- als auch die Justizbehörden jede Möglichkeit eines Geheimnismißbrauchs weitestgehend ausschließen. Ich verspreche Ihnen, daß wir alles tun werden, um in dieser Richtung vorzugehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Schlußendlich möchte ich den Ausführungen des Abgeordneten Anschober noch folgendes entgegenhalten: Er hat drei Kritikpunkte angeführt. Kritikpunkt eins, daß es zu keiner Reform der Staatspolizei kommt, Kritikpunkt zwei, daß "Traiskirchen", das als Synonym für eine neue Sicherheitsakademie des Innenministeriums schon lange angekündigt wurde, noch immer nicht vollzogen ist, und Kritikpunkt drei, daß die Ausbildungsform für Exekutivbeamte überfällig ist.

Ich möchte zu diesen drei Punkten kurz Stellung nehmen.

Erstens: Ausbildungsreform für Exekutivbeamte. Ich bin überzeugt davon, daß die Ausbildung der österreichischen Exekutivbeamten bereits jetzt eine ausgezeichnete ist, und schon in der Zeit meiner beiden Amtsvorgänger hat es diesbezüglich viele Veränderungen und Reformen gegeben. Ich führe beispielsweise nur an, daß Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Frauenhäusern in der Grundausbildung österreichischer Exekutivbeamter tätig sind, und das allein zeigt schon, daß wir in der Ausbildung sehr offen sind. Ich glaube, das ist sehr positiv und hat auch wesentlich dazu beigetragen, daß es in dem einen oder anderen Bereich zu Bewußtseinsänderungen gekommen ist.

Zweitens: Ich bekenne mich dazu, daß die österreichische Exekutive, daß das Innenministerium eine Sicherheitsakademie braucht. Bei dieser Sicherheitsakademie geht es nicht nur darum, zu einer qualitativen Führungsausbildungsreform zu kommen, sondern es geht auch darum, daß diese Sicherheitsakademie in Richtung Fachhochschule geht und die Möglichkeit bietet, daß in diesem Ministerium auch ein wenig über den Tellerrand hinausgedacht wird, daß es zu einem Meinungsaustausch zwischen Vertretern des Ministeriums mit wichtigen anderen Leuten innerhalb unserer Gesellschaft, mit Organisationen, die im karitativen Bereich tätig sind, kommt. Ebenso ist es wichtig und notwendig, internationale Kontakte zu haben.

Ich halte es weiters für nötig, daß, wenn es so eine Sicherheitsakademie gibt, auch ein eigenes Haus dafür zur Verfügung steht. Ich bin daher froh, daß es in den Budgetverhandlungen gelungen ist, für 1999 die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, sodaß spätestens im Frühjahr 1999 mit dem Baubeginn zu rechnen ist.

Schlußendlich, meine sehr geehrten Damen und Herren – Herr Abgeordneter Khol hat es bereits gesagt –, ist mir die Reform der Staatspolizei ein wichtiges Anliegen, das auch umgesetzt werden wird. Ich werde im nächsten Stapo-Unterausschuß, der Anfang, Mitte September tagen wird, die Reformvorschläge unseres Ministeriums vorlegen. Ich glaube – und die meisten hier anwesenden Abgeordneten wissen das –, daß diese Reform der Staatspolizei wichtig und notwendig ist. Sie muß in Verbindung mit einer Reform der Heeres-Nachrichtendienste erfolgen. Da bedarf es meiner Meinung nach einer Novelle des Militärbefugnisgesetzes. Ich beabsichtige, im September im Ministerrat und dann im Parlament sowohl die Stapo-Reform als auch das Militärbefugnisgesetz gemeinsam mit Minister Fasslabend vorzulegen, damit ein "Dach" – wie es sehr treffend vom Abgeordneten Anschober gesagt wurde – zwischen Staatspolizei und Heeres-Nachrichtendienst geschaffen wird.

Ich meine, diese neuen Fahndungsmethoden, die heute hoffentlich noch beschlossen werden, die Reform der Staatspolizei und der Heeres-Nachrichtendienste können wesentlich dazu beitragen, daß die Sicherheit in unserem Lande eine noch bessere wird. Wir können stolz darauf sein, daß Österreich eines der sichersten Länder, wenn nicht das sicherste Land Europas ist (Beifall bei der SPÖ), und ich bin überzeugt davon, daß Sie uns die Mittel dazu in die Hand geben, damit wir unter strengen rechtsstaatlichen Bestimmungen diese Sicherheitsentwicklung in unserem Lande auch in Zukunft vorantreiben können. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.14


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Platter gemeldet. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.14

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Hohes Haus! Die Thematik, ob die österreichische Exekutive künftig bei besonders gravierenden Verbrechen neue Ermittlungsmethoden anwenden kann, wird in der Öffentlichkeit sehr stark – ja ich möchte sagen: sehr emotional – diskutiert. Es gibt hiezu unterschiedliche Standpunkte, die eben zu akzeptieren sind.

In diesem Zusammenhang wurde mir in letzter Zeit die Frage gestellt: Auf welcher Seite stehst du? Stehst du auf der Seite jener, die für den Schutz der Privatsphäre eintreten, oder stehst du auf der Seite jener, die der Exekutive neue Ermittlungsmethoden zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität oder des Terrorismus geben wollen?

Meine Damen und Herren! Die Antwort ist eigentlich eine ganz einfache, eine eindeutige: Ich stehe auf beiden Seiten. ÖVP und auch SPÖ berücksichtigen beide Interessen, und diese Vorlagen sind entsprechend ausgewogen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen – davon bin ich zutiefst überzeugt – der Exekutive jene Überwachungsmöglichkeiten geben, die eine bestmögliche Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Terrorismus gewährleisten, zumal ja bekannt ist, daß es gerade beim organisierten Verbrechen jährlich Steigerungen gibt, daß aber der Fahndungserfolg – wie wir das vom Briefbombenterror her wissen – leider Gottes sehr gering ist.

Andererseits sind in der Regierungsvorlage Bestimmungen vorgesehen, die den Schutz der Privatsphäre bestmöglich gewährleisten. Frau Abgeordnete Maria Fekter hat ja bereits jene Voraussetzungen erwähnt, die erforderlich sind, damit diese neuen Ermittlungsmethoden und auch die Rasterfahndung überhaupt zur Anwendung kommen können.

Auch wenn die ÖVP glaubwürdig beide Interessen vertritt, sowohl jenes der bestmöglichen Verbrechensbekämpfung als auch jenes des Schutzes der Privatsphäre, muß leider festgestellt werden, daß vielen Abgeordneten im Hohen Haus die Bekämpfung der organisierten Kriminalität überhaupt kein Anliegen ist. Von den Grünen und Liberalen habe ich ja gewußt, daß sie ein differenziertes Verhältnis zu Ordnung und Recht in unserem Staat haben. Daß aber ausgerechnet die Freiheitlichen im Ausschuß dieser wichtigen Gesetzesmaterie ebenfalls nicht die Zustimmung erteilt haben und vermutlich auch hier nicht zustimmen und sich damit in die Liste jener einreihen werden, denen die Sicherheit in unserem Land kein Anliegen ist, das, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, verwundert mich schon sehr. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kiss: Der ehemalige Justizminister Ofner ist da der Fähnleinführer!)

Das verwundert mich deshalb sehr, meine Damen und Herren, weil sich ja auch Ihre Personalvertreter bei der Exekutive, die AUF, vehementest für diese neuen Ermittlungsmethoden ausgesprochen haben. Aber die Freiheitlichen – diesen Eindruck habe ich – wissen offensichtlich noch nicht, wie sie heute hier abstimmen werden. Sie stimmen wahrscheinlich aus Solidarität zu ihrem Justizminister außer Dienst, Dr. Ofner, dagegen, der zweifellos Lobbyismus für Anwälte betreibt und der Sicherheit in unserem Land eine klare Absage erteilt.

Meine Damen und Herren! Bisher waren die österreichischen Sicherheits- und Justizbehörden machtlos, wenn sie beispielsweise eindeutige Hinweise von Interpol bekommen haben, daß es in Österreich zu diversen Zusammentreffen und zur Abwicklung von illegalen Handlungen, also zu schweren Verbrechen gekommen ist, zumal ein Endbeweis aufgrund der geringen Möglichkeiten der Exekutive nicht geliefert werden konnte. Das soll nun geändert werden.

Zum Schluß kommend: Die organisierte Kriminalität stellt eine große Bedrohung für jedes Land dar, da durch illegale Geschäfte wie Drogenhandel, Menschenschmuggel, Kfz-Schieberei, aber


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auch durch unternehmensähnliche Verbindungen letztlich Einfluß auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ausgeübt wird. Das muß in unserem Land verhindert werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte das Ganze nun aus meiner früheren kriminalistischen Tätigkeit ganz deutlich auf den Punkt bringen: Wer nicht für diese neuen Ermittlungsmethoden stimmt, muß wissen, daß ihm die Aufklärung von organisierten Schwerverbrechen, wie zum Beispiel Briefbombenterror, kein Anliegen ist. Ich gebe zu, daß diese Methoden kein Garantieschein für eine erfolgreiche Aufklärung sind, aber die Wahrscheinlichkeit einer positiven Aufklärung wird verbessert, weil der Exekutive durch diese neuen Ermittlungsmethoden gegenüber den Verbrechern eine annähernde Chancengleichheit gegeben wird. (Abg. Dr. Khol: Bravo!)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch folgenden Abänderungsantrag einbringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Willi Fuhrmann, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen zum Punkt 3 der Tagesordnung

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (49 der Beilagen), in der Fassung des dem Bericht des Justizausschusses (812 der Beilagen) angeschlossenen Gesetzentwurfes, wird wie folgt geändert:

1. Im Titel des Bundesgesetzes entfällt die Wendung "das Fernmeldegesetz".

2. Im Artikel I Z 3 hat § 149n Abs. 6 zu lauten:

"(6) Dem Rechtsschutzbeauftragten gebührt als Entschädigung für die Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Abschnitt für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, ein Zehntel der Entschädigung eines Ersatzmitgliedes des Verfassungsgerichtshofes für einen Sitzungstag. (§ 4 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes) Für die Vergütung seiner Reisekosten gelten die Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift für Bundesbedienstete sinngemäß – mit der Maßgabe, daß sein Wohnsitz als Dienstort gilt und daß ihm die Reisezulage in der Gebührenstufe 3 gebührt. Für die Bemessung der dem Rechtsschutzbeauftragten zustehenden Gebühren ist der Bundesminister für Justiz zuständig.

3. Artikel V entfällt; die Artikel VI bis VIII erhalten die Bezeichnung "V" bis "VII".

4. Artikel VII (neu) hat zu lauten:

"Artikel VII

(1) Der Artikel I mit Ausnahme des §149d Abs. 1 Z 3 und des VII. Abschnittes des XII. Hauptstückes der StPO und der darauf Bezug nehmenden Bestimmungen sowie der Artikel II bis IV dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Jänner 1998 in Kraft und mit 31. Dezember 2001 außer Kraft. Der VII. Abschnitt des XII. Hauptstückes der StPO und die darauf Bezug nehmenden Bestimmungen sowie der Artikel VI dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Oktober 1997, § 149d Abs. 1 Z 3 und die darauf Bezug nehmenden Bestimmungen mit 1. Juli 1998 in Kraft und mit 31. Dezember 2001 außer Kraft. Mit dem Außerkrafttreten treten die bisherigen Bestimmungen wieder in Kraft.

(2) Im Zusammenhang mit Artikel I, V und VI dieses Bundesgesetzes können bereits von dem der Kundmachung folgenden Tag an organisatorische und personelle Maßnahmen getroffen


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sowie Durchführungsverordnungen erlassen werden; letztere dürfen aber erst mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in Wirksamkeit gesetzt werden.

(3) Spätestens sechs Monate vor dem Außerkrafttreten nach Abs. 1 haben der Bundesminister für Inneres und der Bundesminister für Justiz dem Nationalrat einen Bericht über die Erfahrungen mit der Anwendung, Durchführung und Kontrolle der besonderen Ermittlungsmaßnahmen vorzulegen.

(4) Mit der Vollziehung der Artikel I bis IV dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz, mit der Vollziehung des Artikels VI der Bundesminister für Inneres betraut."

*****

Herr Präsident! Ich ersuche, diesen Abänderungsantrag in die Beratungen miteinzubeziehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ihrem Wunsch, Herr Abgeordneter, komme ich gerne nach, denn der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.24

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Kollege Platter! Eine kurze Kontrollfrage: Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie so argumentiert haben: Wer heute dieser Regierungsvorlage nicht zustimmt, ist gegen die Aufklärung der Briefbombenattentate? Haben Sie das wirklich so gesagt? (Zwischenruf des Abg. Platter. ) Das ist eine Killerphrase. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Seien Sie mir nicht böse, Herr Kollege Platter, aber es ist ein Primitivargument, zu sagen, wer gegen die Regierungsvorlage ist und nicht selbst, so wie wir, einen konstruktiven Abänderungsantrag einbringt, ist gegen die Aufklärung der Briefbombenattentate. (Abg. Kiss: Sind Sie nicht ein Lobbyist in eigener Sache?) Das ist eine derart verkürzte Darstellung, das ist eine Killerphrase, die eigentlich einer Argumentation unwürdig ist. Denn diese Darstellung bedeutet doch nichts anderes, als daß Sie eine differenzierte Diskussion in dieser Frage nicht zulassen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Murauer: Bringen Sie das bessere Argument!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Ich darf Ihnen folgendes sagen: Unsere Argumentation befindet sich vollinhaltlich auf der Linie Ihres Präsidenten Neisser. (Abg. Kiss: Krüger und Ofner sind für mich kein Maßstab! Ihr seid geradezu klassische Lobbyisten! Ihr redet in eigener Sache!) Dessen sollten Sie sich bewußt sein. Jedes Argument, das Herr Platter heute gegen unsere Fraktion ins Treffen geführt hat, ist auch ein Argument gegen den Kollegen Neisser. Lassen Sie sich das einmal gesagt sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Worum geht es dem Kollegen Neisser, der sich in sehr fundierter Art damit auseinandergesetzt hat? (Abg. Mag. Kukacka: Die Frau Partik-Pablé ist aber anderer Meinung!) Sprechen Sie sich dagegen aus, daß ich sage, daß sich Herr Kollege Neisser in fundierter Art mit dieser Materie auseinandergesetzt hat? Kollege Neisser hat zwei ganz wesentliche Punkte aufgegriffen, denen wir uns anschließen und die jetzt darin münden, daß wir einen Abänderungsantrag einbringen, der im Kern zwei Punkte betrifft. (Abg. Kiss: Der ist schon längst gemacht!)

Der erste Punkt ist: Wir sind grundsätzlich für den Lauschangriff, aber nur bei Schwerkriminalität. Der zweite Punkt ist: Wir sind für absolut lauschfreie Zonen. (Zwischenruf des Abg. Platter. ) Da geht es nicht um Lobbyismus, wie Herr Platter glaubhaft machen will, sondern da geht es um Vertrauensschutz, um Klientenschutz. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Um die Rechtsanwälte geht es Ihnen nur!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Schlögl hat heute in seiner ersten Wortmeldung gesagt, daß die Einführung der neuen Fahndungsmethoden der Bekämpfung der Schwerkriminalität – davon war immer wieder die Rede – dienen solle, daß dies der Zweck sei. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wer diese Argumentation verwendet, dem würde ich ja beipflichten, wenn es auch so drinstünde, aber die Regierungsvorlage knüpft ja nicht an dem Erfordernis der Schwerkriminalität zur Anwendung dieser Methoden an, sondern diese Methoden des Lauschangriffes und des Spähangriffes können auch schon bei Kleinkriminalität angewendet werden. Darum geht es doch, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Betreffend Spähangriff ein Beispiel: Wenn sich Herr Kollege Koppler – ich nenne ihn, weil er sich gerade in meinem Gesichtsfeld befindet – heute mit einem Informanten im Café Landtmann trifft und es zu einer Videoüberwachung kommt (Abg. Koppler: Such dir einen von der freiheitlichen Fraktion aus!), so kann die Aufzeichnung dieses Gespräches und dieses Bildes zur Aufklärung "einer strafbaren Handlung" dienen. Herr Kollege Koppler, ich nehme an, Sie als Politiker kennen nicht alle Personen, mit denen Sie in Kontakt treten, denn sonst wären Sie kein Politiker. Ich nehme an, wenn jemand mit Ihnen in Kontakt treten will, wenn jemand sich an Sie wendet, dann werden Sie sich mit ihm treffen. Sie wissen ja nicht im vorhinein, wer das ist. Aber genau darum geht es, Herr Kollege Koppler. Es geht nicht um die Aufklärung von Schwerkriminalität, sondern um die "Aufklärung einer strafbaren Handlung", somit um die Aufklärung jeder strafbaren Handlung. Das ist das der eine Punkt. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Der zweite Punkt ist, daß der Lauschangriff mit Zustimmung der überwachten Person bei allen Gesprächen, die diese Person führt, zulässig zur Aufklärung eines Verbrechens mit Strafdrohung über drei Jahre ist. Auch da ist keine Rede von Schwerkriminalität!

Meine Damen und Herren! Räumen wir doch auf mit der Legendenbildung, daß der Lauschangriff nur bei Schwerkriminalität eingeführt wird! Da wäre ich völlig bei Ihnen, da ginge ich völlig d’accord mit Ihnen. In diesem Fall würde ich für den großen Lauschangriff stimmen, weil ich meine, daß es eine Interessenabwägung geben muß: auf der einen Seite das Sicherheitsbedürfnis, das Bedürfnis nach Aufklärung strafbarer Handlungen, auf der anderen Seite das Bedürfnis der Bevölkerung nach Privatheit, nach Intimität, nach Vertrautheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir aber den Lauschangriff auch bei leichtester Kriminalität einführen, dann setzen wir – darüber sollten wir uns alle im klaren sein – den Begriff "Gespräch unter vier Augen" außer Kraft. Denn ein Gespräch unter vier Augen wird es dann nur mehr im Beichtstuhl geben und sonst nirgends! Und das sollten wir bedenken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Das geschieht doch nicht!)

Wir Freiheitlichen fordern daher die Einführung des Lauschangriffes nur bei Schwerkriminalität – das ist Gegenstand unseres Abänderungsantrages – und die Einführung lauschfreier Zonen als Patientenschutz, als Klientenschutz, als Vertrauensschutz, wie Präsident Neisser völlig richtig ausgeführt hat. Anders wäre es eine Umgehung der Verschwiegenheitspflicht dieser Vertrauensberufe.

Der dritte Punkt, der Rechtsschutzbeauftragte, das ist ein sogenanntes Feigenblatt. Herr Kollege Khol! Als Verfassungsrechtler können Sie mir da wohl nur recht geben. (Abg. Dr. Khol: Aufpassen!) Sie kennen das Prinzip der Gewaltenteilung; Sie haben sich wissenschaftlich damit befaßt. Bitte, was ist denn der Rechtsschutzbeauftragte im Gefüge der Gewaltenteilung? Ist das ein Organ der Verwaltung oder ein Organ der Gerichtsbarkeit? – Er ist nichts davon! Ich garantiere Ihnen: Wenn sich der Verfassungsgerichtshof das erste Mal mit dieser Problematik befassen wird, wird er zu dem Ergebnis kommen, daß der Rechtsschutzbeauftragte ein verfassungswidriges Organ ist. Sie werden das dann zu verantworten haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Großartig herausgearbeitet! – Abg. Dr. Khol: Krüger weiß natürlich, daß sich der Verfassungsgerichtshof nie damit befassen wird!)

19.30


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Ich gebe bekannt, daß der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Dr. Ofner, Dr. Partik-Pablé und Dr. Krüger schriftlich überreicht, entsprechend unterstützt ist und damit ordnungsgemäß eingebracht wurde; er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang dieses Antrages ist die schriftliche Verteilung veranlaßt worden. Dieser Antrag wird im Stenographischen Protokoll abgedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Michael Krüger, Dr. Martin Graf zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (49 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (812 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Der Titel des Bundesgesetzes lautet:

"Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, und Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird"

2. In Artikel I Z 3 lautet § 149d:

"VI. Optische und akustische Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel

§ 149d. (1) Die Überwachung nichtöffentlichen Verhaltens und nichtöffentlicher Äußerungen von Personen unter Verwendung technischer Mittel zur Bild- oder Tonübertragung und zur Bild- oder Tonaufnahme ohne Kenntnis der Betroffenen ist zulässig,

1. wenn und solange der dringende Verdacht besteht, daß eine von der Überwachung betroffene Person eine andere entführt oder sich ihrer sonst bemächtigt hat, und sich die Überwachung auf Vorgänge und Äußerungen zur Zeit und am Ort der Freiheitsentziehung beschränkt,

2. wenn die Aufklärung eines mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbrechens nach § 278a StGB oder die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB begangenen oder geplanten strafbaren Handlungen ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und

a) eine überwachte Person des mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder des Verbrechens nach § 278a StGB dringend verdächtig ist oder

b) Gründe für die Annahme vorliegen, daß eine dringend verdächtige Person (lit. a) mit einer überwachten Person in Kontakt treten werde, es sei denn, daß die überwachte Person gemäß § 152 Abs. 1 Z 4 oder 5 oder gemäß § 31 Abs. 1 des Mediengesetzes von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses gesetzlich befreit ist (§ 152 Abs. 3, § 31 Abs. 2 des Mediengesetzes).


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(2) Die Überwachung nichtöffentlichen Verhaltens von Personen unter Verwendung technischer Mittel zur Bildübertragung oder -aufnahme ohne Kenntnis der Betroffenen ist zum Zweck der Aufklärung eines mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbrechens nach § 278a StGB überdies zulässig,

1. wenn sie sich auf Vorgänge außerhalb einer Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehöriger Räumlichkeiten (§ 139) beschränkt und ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, Gegenstände oder Örtlichkeiten zu beobachten, um das Verhalten von Personen zu erfassen, die mit den Gegenständen in Kontakt treten oder die Örtlichkeit betreten, oder

2. wenn sie ausschließlich zu dem in Z 1 erwähnten Zweck in einer Wohnung oder sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeit erfolgt und der Inhaber der Räumlichkeit in die Überwachung ausdrücklich einwilligt.

(3) Eine Überwachung ist nur zulässig, soweit die Verhältnismäßigkeit zum Zweck der Maßnahme gewahrt wird. Dabei ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, daß der angestrebte Erfolg in einem vertretbaren Verhältnis zu den voraussichtlich bewirkten Eingriffen in die Rechte unbeteiligter Dritter steht, und zu prüfen, ob nicht auch mit weniger eingreifenden Maßnahmen begründete Aussicht auf den angestrebten Erfolg besteht. Eine Überwachung nach Abs. 1 Z 2 zur Verhinderung von im Rahmen einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB geplanten strafbaren Handlungen ist überdies nur zulässig, wenn bestimmte Tatsachen auf eine schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit schließen lassen.

(4) Ein Überwachung nach Abs. 1 Z 2 in Beichtstühlen und in Räumlichkeiten, die zur geistlichen Aussprache bestimmt sind, sowie in ausschließlich der Berufsausübung gewidmeten Räumlichkeiten von Ärzten oder Personen, die gemäß § 152 Abs. 1 Z 4 und 5 von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses gesetzlich befreit sind (§ 152 Abs. 3), ist unzulässig."

3. In Artikel I Ziffer 3 werden in § 149e Abs. 1 der zweite und dritte Satz durch folgenden Text ersetzt:

"In den Fällen des § 149d Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 hat die Ratskammer über die Überwachung zu entscheiden. Im Fall des § 149d Abs. 1 Z 2 kann die Ratskammer auch anordnen, daß in eine bestimmte Wohnung oder sonstige zum Hauswesen gehörige Räumlichkeit eingedrungen werden darf, soweit dies für die Durchführung der Überwachung unumgänglich ist."

5. In Artikel I Ziffer 3 entfallen in § 149e Abs. 2 der zweite und dritte Satz.

6. In Artikel I Ziffer 3 entfällt § 149e Abs. 3; die Absätze 4 und 5 erhalten die Bezeichnungen "(3)" und "(4)".

7. In Artikel I Ziffer 3 wird in § 149f Abs. 1 Ziffer 8 der Ausdruck "Z 3" durch "Z 2" ersetzt.

8. In Artikel I Ziffer 3 wird in § 149g Abs. 2 der Ausdruck "Z 2 und 3" durch "Z 2" ersetzt.

9. In Artikel I Ziffer 3 lautet in § 149g Abs. 2 Ziffer 6 der Klammerausdruck "(§ 149d Abs. 1 Z 2)".

10. In Artikel I Ziffer 3 werden in § 149h Abs. 2 die Ziffern 2 und 3 durch folgende Ziffer 2 ersetzt:

"2. in den Fällen des § 149d Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 nur zum Nachweis einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung, die mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, deren Obergrenze nicht weniger als fünf Jahre beträgt."

11. In Artikel I Ziffer 3 entfällt in § 149i der Absatz 3; der bisherige Absatz 4 erhält die Bezeichnung "(3)".

12. In Artikel I Ziffer 3 wird in § 149m Abs. 3, in § 149o Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 "Z 3" durch "Z 2" ersetzt.

13. In Artikel II entfällt Ziffer 2.


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14. In Artikel II Z 2 (neu) wird am Ende von § 42a folgender neuer Absatz 4 angefügt:

"(4) Die §§ 43 und 43a StGB können auch angewendet werden, wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei bzw. drei Jahren erkannt wird oder zu erkennen wäre."

15. In Artikel II entfallen die Ziffern 4 und 5 (alt).

16. Am Ende von Artikel II wird folgende neue Ziffer 5 angefügt:

"5. Nach § 302 wird folgender § 302a eingefügt:

"Mißbrauch der Haus- und Personsdurchsuchung, der Überwachung eines Fernmeldeverkehrs, der optischen und akustischen Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel oder des automationsunterstützten Datenabgleichs

§ 302a. Ein Beamter, der gesetzwidrig eine Haus- und Personsdurchsuchung, eine Überwachung eines Fernmeldeverkehrs, eine optische und akustische Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel oder einen automationsunterstützten Datenabgleich durchführt oder anordnet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen."

17. In Artikel IV wird in § 10a Abs. 1 der Ausdruck "Z 2 und 3" durch "Z 2" ersetzt.

18. In Artikel IV wird am Ende von § 10a folgender Absatz 5 angefügt:

"(5) Der Bundesminister für Justiz hat dem ständigen Unterausschuß des Nationalrates zur Kontrolle der besonderen Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität nach rechtskräftigem Abschluß des jeweiligen Strafverfahrens die vorerst getrennt aufbewahrten Aktenteile in anonymisierter Form zur Kontrolle zu übermitteln."

19. Artikel V entfällt.

20. In Artikel V (neu) Ziffer 4 wird in § 62 Abs. 1 der Ausdruck "Z 3" durch "Z 2" ersetzt.

21. In Artikel VI (neu) wird in § 1 und § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Ausdruck "Z 3" durch "Z 2" ersetzt.

22. Nach Artikel VI (neu) wird folgende Artikel VII eingefügt:

"Artikel VII

Das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 2/1997, wird wie folgt geändert:

Artikel 52a Absatz 1 lautet:

‘(1) Zur Überprüfung von Maßnahmen zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit, von nachrichtendienstlichen Maßnahmen zur Sicherung der militärischen Landesverteidigung sowie zur Kontrolle der besonderen Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität wählen die zuständigen Ausschüsse des Nationalrates je einen ständigen Unterausschuß. Jedem Unterausschuß muß mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuß des Nationalrates vertretenen Partei angehören.’"

23. In Artikel IX (neu) Abs. 1 wird der Ausdruck "Z 3" durch "Z 2" ersetzt.

24. In Artikel IX (neu) Abs. 1 wird der Ausdruck "und der Art. VII" durch "und die Art. VI bis VIII" ersetzt.

25. In Artikel IX (neu) Abs. 2 wird die Zahl "VII" durch "VI" ersetzt.


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26. In Artikel IX (neu) Abs. 4 wird die Zahl "VII" durch "VI" ersetzt.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zur Aufklärung füge ich noch hinzu, daß ein ähnlich lautender Antrag, der bereits verteilt wurde, zurückgezogen worden ist, sodaß die nun zur Verteilung gelangende Fassung die richtige ist.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.31

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hat in der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion eine sehr lange, ausgiebige und faire Diskussion über die neuen Fahndungsmethoden gegeben. Wir haben diese Diskussion mit großem Ernst und Engagement geführt, und ich möchte für uns alle – für die Befürworter, die Gegner und auch für diejenigen, die sich überzeugen haben lassen – in Anspruch nehmen, daß wir dieses Thema mit sehr großem Verantwortungsbewußtsein und sehr großem Ernst diskutiert haben.

Nach langer Diskussion und reiflicher Überlegung haben sich 14 Mitglieder unseres Klubs dazu entschlossen, nicht für diesen vorliegenden Gesetzentwurf zu stimmen. Bei uns überwiegen die Bedenken gegenüber diesen neuen Fahndungsmethoden. Die große Mehrheit von uns wird jedoch nicht dagegen stimmen, sondern bei der Abstimmung den Saal verlassen. Der Grund dafür ist, daß wir das Bemühen um Verbesserungen voll und ganz anerkennen.

In den Verhandlungen im Unterausschuß wurde versucht, den Bedenken, die wir im Klub geäußert haben, Rechnung zu tragen und Mechanismen einzubauen, die diesen Eingriff in die Grundrechte einschränken und kontrollieren sollen. Es bleiben aber trotzdem Eingriffe in Grundrechte, und es ist unsere Pflicht, abzuwägen, ob die Schaffung eines solchen Eingriffs gerechtfertigt ist oder nicht. In einem demokratischen Rechtsstaat wie Österreich müssen wir einen sehr hohen Maßstab anlegen und sehr genau prüfen, welche Methoden und Mittel zur effizienten Verbrechensbekämpfung notwendig und auch vertretbar sind.

Es wird immer wieder betont, daß der Lauschangriff nur in wenigen Fällen angewendet werden wird, und auch internationale Beispiele beweisen, daß dies keine Methode ist, die man sehr häufig anwenden kann. Ich frage mich, ob diese Fahndungsmethode, die heute eingeführt werden soll, auch tatsächlich zu jenem Ergebnis führt, das sich ihre Befürworter wünschen. Ich fürchte, daß gerade die organisierte Kriminalität – wir alle wollen die organisierte Kriminalität bekämpfen – dagegen gut gerüstet sein wird und sich in Wirklichkeit bestens gegen diese Methoden wehren wird können.

Es stellt sich für uns daher die Frage, ob bei diesem Eingriff in die Privatsphäre dadurch, daß alles, was im privatesten und intimsten Rahmen und in intimsten Situationen besprochen wird, abgehört werden darf, nicht doch eine Grenze überschritten wird. Daß zum Beispiel auch im Rahmen einer Therapie abgehört werden darf, scheint uns überzogen zu sein.

Auch im Zusammenhang mit der Rasterfahndung haben wir Bedenken. In beiden Fällen wird in die Grundrechte von – das muß uns bewußt sein – völlig unbeteiligten und unbescholtenen Menschen eingegriffen. Diese werden dadurch in ein Verfahren hineingezogen und können sich unter Umständen gar nicht dagegen wehren, weil sie es gar nicht erfahren. Irrtumsmöglichkeiten kann man nicht ausschließen – beim besten Willen nicht –, und ich fürchte, es läßt sich auch nicht ausschließen, daß es einen Mißbrauch von sogenannten interessanten Daten geben kann.

Ich habe die nun vorgetragenen Bedenken bereits früher, in den Jahren 1993 und 1994, als die Debatte über den Lauschangriff begann, geäußert. Wie gesagt, ich anerkenne die Bemühungen, diese Methoden in einer rechtsstaatlichen Form einzuführen, glaube aber, daß diese Regelungen an sich problematisch sind.


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Positiv erwähnen möchte ich, daß diese Regelung nur befristet eingeführt wird. Ich möchte festhalten, daß wir alle, die an einem funktionierenden Rechtsstaat interessiert sind – Befürworter wie Gegner dieser neuen Methoden –, sehr genau beobachten müssen, was in diesen fünf Jahren geschieht: ob sich diese Methoden bewähren, ob es Mißbrauch gibt und ob mit diesen sehr weit – für uns zu weit – gehenden Instrumentarien behutsam umgegangen wird. Davon wird es dann abhängen, ob es eine Verlängerung dieser Regelung geben wird oder nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 4 Minuten. – Herr Abgeordneter Graf ist allerdings nicht im Saal anwesend, seine Wortmeldung verfällt daher.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Murauer vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.37

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Hohes Haus! Es werden in diesen Tagen, gestern und heute, zwei Gesetze behandelt, in denen es um die Sicherheit unseres Landes und um den Kampf gegen das organisierte Verbrechen, gegen die internationale Schwerkriminalität geht.

Meine Damen und Herren! Gestern wurde das Polizeikooperationsgesetz, die Grundlage für das Schengen-Abkommen und Europol, beschlossen, heute geht es um jene Instrumentarien und Fahndungsmethoden, die es der Exekutive ermöglichen, den schwersten Verbrechen Einhalt zu gebieten.

Um diese schwere und organisierte Kriminalität einigermaßen effizient bekämpfen zu können, bedarf es jedoch auch der Beobachtung und Änderung der operativen Bereiche. Gerade die organisierte Kriminalität verlangt neben den gesetzlichen Grundlagen, die wir zur Verfügung stellen, Kooperation und Koordination aller Exekutivbereiche, und zwar nicht nur im Hinblick auf unsere Nachbarstaaten, sondern auch im Inland. Wie Sie wissen, sind damit die Stapo, die EDOK, die Bundespolizei, die Kriminalabteilungen und die Sicherheitsdirektionen befaßt. Wir müssen uns dessen bewußt sein, daß gerade diese Abteilungen untereinander und in ihren hierarchischen Gliederungen größte Schwierigkeiten mit der Zusammenarbeit und immer wieder Probleme mit dem Informationsfluß haben.

Herr Bundesminister Schlögl! In diesem Punkt – dessen müssen wir uns bewußt sein – gibt es einen dringenden Handlungsbedarf. Die Österreichische Volkspartei hat daher neben der Forderung nach neuen Fahndungsmethoden immer wieder auch die Forderung nach einer Reform der Stapo erhoben.

Ich möchte Ihnen einige Positionen aufzeigen, die es zu ändern gilt. Es ist im wesentlichen von der herkömmlichen Kriminalbekämpfung abzugehen. Unsere Exekutivstellen sind immer noch deliktorientiert wie zum Beispiel Einbruch, Suchtgift, Betrug. Nach Meinung internationaler Beobachter und aus eigenen Erfahrungen wissen wir, daß in Zukunft nach ethnischen Zugehörigkeiten ausgerichtet werden muß. Diesbezüglich muß es einen konkreten Hinweis geben.

Herr Bundesminister! Ein zweiter Punkt betrifft die EDOK. Diese ist oft im Besitz von umfassenden Informationen, sie hat internationale Kontakte, die ihr den nötigen Erfahrungsaustausch ermöglichen. Diese Informationen und Erfahrungen werden jedoch sehr oft – die Gründe dafür sind mir nicht bekannt – nicht an operative, nachgeordnete Stellen weitergeleitet. Diese bekommen die Informationen einfach nicht, und ich aber habe den Eindruck, daß es dabei um Eigensüchteleien oder vielleicht andere Dinge geht.

Ich darf daran erinnern, daß auch der Rechnungshof in seinem Bericht darauf hinweist, daß die EDOK den analytischen Bereich wahrnehmen sollte und dann die zuständigen operativen Exekutivorgane entsprechend zu beauftragen hat.


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Für das Schlepperunwesen, dessen Bekämpfung der Stapo obliegt, ist in Oberösterreich – um ein weiteres Beispiel anzuführen – eine Person zuständig. Die Kriminalabteilung der Gendarmerie darf das Schlepperunwesen gar nicht bekämpfen, weil eben ein entsprechender Auftrag gar nicht an sie ergeht. Einen derartigen Koordinationsmangel dürfte es, wenn wir von Koordination und Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität reden, eigentlich gar nicht geben!

Nochmals möchte ich darauf hinweisen, daß wir sehr wohl alle Möglichkeiten intensiv und abwägend bedacht haben, bevor wir diese neuen Fahndungsmethoden den Exekutivorganen zur Verfügung stellen. Es bedarf aber auch der bereits erwähnten organisatorischen Maßnahmen, damit die Exekutive diese Instrumente auch entsprechend handhaben kann.

Zum Abschluß, meine Damen und Herren: Um dieser organisierten Kriminalität entsprechend entgegentreten zu können, sind in Österreich Kooperation, Information und Koordinationsreform mehr als dringend notwendig! (Beifall bei der ÖVP.)

19.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Lafer vor. Es wird eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 4 Minuten angezeigt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.43

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Bevor ich mit meinem eigentlichen Debattenbeitrag beginne, möchte ich dem Kollegen Platter folgendes in sein Stammbuch schreiben: Du hast behauptet, wir würden Lobbyismus für unseren Dr. Ofner betreiben. Dem möchte ich entgegenhalten ... (Zwischenruf des Abg. Platter. ) Egal, wie du es bezeichnest: Bei uns Freiheitlichen herrscht noch immer das freie Mandat. Jeder kann daher nach seinem Gewissen so abstimmen, wie er es auch nach außen vertritt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Huber: Gezinkte Stimmkarten!)

Zum zweiten: Du hast vorhin die Personalvertretung, die AUF, angesprochen. Deren Meinung ist mir bekannt, und ich stehe auch dazu. Als Vertreter dieser Personalvertretung bekenne ich mich zu diesen neuen Mitteln, auch wenn ich meine Einwände dagegen habe, Einwände, die bereits von Dr. Harald Ofner und Dr. Michael Krüger vorgetragen wurden.

Ich kann mich zwar, da ich selbst Exekutivbeamter bin und natürlich voll hinter der Exekutive stehe, nicht ganz, aber doch grundsätzlich mit dieser neuen Vorschrift identifizieren. Zur Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität sind diese Mittel erforderlich. Wir brauchen sie, um strafbare Taten und Handlungen aufzuklären und den Geschädigten in unserer Republik zu ihrem Recht zu verhelfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister Schlögl – er ist jetzt, glaube ich, hinausgegangen – hat in seinem Beitrag etwas anklingen lassen, was mich sehr interessiert, nämlich die Ausbildungsreform der Exekutive, die Sicherheitsakademie, die ja schon lange auf sich warten läßt. In bezug auf die Ausbildungsreform haben wir Personalvertreter bereits in den Jahren 1993 und 1994 Vorschläge gemacht. – Bis heute wurden diese Vorschläge jedoch – ich sage das ganz bewußt – entweder überhaupt nicht ernst genommen, schubladiert oder weggeworfen.

Ich bin neugierig, ob der jetzige Innenminister auf diese unsere Vorschläge eingehen und die positivsten Elemente in seine Reform einbeziehen wird. Denn die Ausbildung der Exekutive ist wichtig, und Ausbildung, Fort- und Weiterbildung müssen betrieben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Zusammenhang mit diesem Gesetz – damit komme ich zu meinen Bedenken –, mit dem Lauschangriff und Rasterfahndung eingeführt werden sollen, fallen natürlich Kosten an, allerdings fehlt mir der Hinweis darauf, welches Personal hiefür zur Verfügung gestellt wird. Ich habe bereits in meiner gestrigen Rede ausgeführt, daß man nicht immer wieder auf das bestehende Ressort zurückgreifen kann, sondern daß man, wenn man schon ein neues Mittel


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hat und dieses einsetzen will, auch das entsprechende Personal zur Verfügung zu stellen hat, Personal, das bestens ausgebildet und eingeschult werden sollte, damit es dieser Vorschrift entsprechend einschreiten kann.

Dazu gehören natürlich auch die entsprechenden technischen Einsatzmittel, die dem heutigen Stand der Technik entsprechen, damit den Tätern in gleicher Form entgegengetreten werden kann. Meine Kollegin Dr. Partik-Pablé hat bereits erwähnt, daß die Exekutive meistens mindestens einen Schritt hinter den Tätern ist und nie die benötigten Mittel zur Verfügung bekommt.

Es würde mich interessieren, wie sich Minister Schlögl die Zusammensetzung dieser Sondereinsatztruppe, die bereits in den heute erschienenen Medien angeführt ist, vorstellt. Aus wie vielen und welchen Exekutivbeamten soll sie bestehen? Wir Freiheitlichen werden sehr genau verfolgen, ob wieder im eigenen Ressort bei den anderen Exekutivbeamten eingespart wird oder ob man endlich einmal bereit ist, für diese neue Aufgabe des Ressorts auch das entsprechende Budget zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir die Zahl der allein in dieser Woche beschlossenen Gesetze und die Rolle der Exekutive bei ihrem Vollzug bedenken, dann wird klar, daß die Arbeit der Exekutivbeamten immer schwieriger und immer umfangreicher wird. Die Belastungen werden immer höher, aber gleichzeitig beginnt man einzusparen. (Abg. Kiss: Das, worüber wir reden, macht eine Spezialeinheit! – Abg. Dr. Khol: Die Exekutive ist erstklassig!) Und diesen Weg gehen wir nicht mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Huber. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

19.48

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Lafer, Sie genießen natürlich die Gunst des Spätergekommenen. Es ist mir im Prinzip auch völlig egal, und ich beschäftige mich nicht damit – es ist mir zu unwichtig –, inwieweit freiheitliche Abgeordnete ihr Mandat frei ausüben können oder nicht. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Dann können Sie ja gleich aufhören! Halten Sie den Mund! – Weitere lebhafte Zwischenrufe.) Ich erinnere mich nur an einen beispiellosen demokratiepolitischen Skandal in diesem Haus mit gezinkten Stimmkarten. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt beim Lauschangriff tatsächlich sehr heikle Punkte, nämlich die Möglichkeiten ... (Abg. Scheibner: Wo ist denn der Parnigoni heute? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das tut offensichtlich furchtbar weh! Auch mir würde es weh tun. (Abg. Scheibner: Was für eine scheinheilige Art nach dem gestrigen Skandal!)

Es gibt gemäß § 152 die Möglichkeit, bestimmte Personengruppen, nämlich Ärzte, Rechtsanwälte, Psychotherapeuten und so weiter zu belauschen. (Abg. Scheibner: Den Parnigoni müssen Sie verstecken!) Dabei handelt es sich eben um Personen, deren absolute Verschwiegenheit einen Teil des Vertrauens ihrer Klienten und damit auch einen wesentlichen Bestandteil ihrer Tätigkeit darstellt.

Gerade dieser Themenkreis ist in den Beratungen des Unterausschusses sehr emotionell behandelt worden. Ein Scheitern der Verhandlungen ist nicht nur einmal im Raum gestanden, denn wir haben es uns gerade in diesem Bereich wahrlich nicht leichtgemacht.

Das vorliegende Ergebnis, das nach sehr langen und zähen Verhandlungen zustande gekommen ist, ist meiner Meinung nach ein tragfähiger Kompromiß zwischen dem Verlangen nach effizienten Ermittlungsmethoden im Kampf gegen das organisierte Verbrechen einerseits und dem Wunsch nach Schutz der Privatsphäre der Bürger andererseits.


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Im Gegensatz zu einigen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, die das nicht so gewahrt sehen, meine ich, daß das hiermit gelungen ist. Denn nur dann, wenn sich herausstellt, daß der Rechtsanwalt, der Arzt selbst Mitglied dieser organisierten Kriminalität ist, und wenn vor allem auch der Grundrechtsanwalt dem Lauschen ausdrücklich zustimmt, besteht überhaupt die Möglichkeit, daß in den Räumlichkeiten gelauscht wird. (Abg. Dr. Krüger: Frau Kollegin! Der Arzt ist überhaupt nicht geschützt!) Es braucht sich daher – davon bin ich überzeugt – niemand zu fürchten, daß Big brother in Zukunft an die Ordinationstür oder Tür der Rechtsanwaltskanzlei sein Ohr legt. (Abg. Dr. Krüger: Frau Kollegin! Der Arzt ist überhaupt nicht geschützt!) Wenn aber in den oben angeführten Fällen es doch zum High-Tech-Angriff kommen sollte und dabei Dinge abgehört werden, die zwar kriminell sind, aber mit dem ursprünglichen Kriminalfall, der der Grund für den Lauschangriff war, nichts zu tun haben, so dürfen diese Daten nicht verwendet werden und sind zu vernichten.

Das gilt auch – das war mir besonders wichtig – für den Bankenbereich, weil eben Bankangestellte zwar nicht zur Gruppe der Berufsgeheimnisträger gemäß § 152 gehören, aber aufgrund des in Österreich sehr gut ausgebauten Bankgeheimnisses auch einer ganz besonderen und sehr sensiblen beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Auch hier gilt selbstverständlich, daß es nur dann zum Lauschen in einem Geldinstitut kommen kann, wenn ein Mitarbeiter dieses Geldinstitutes als Mitglied einer mafiosen Bande verdächtig erscheint. Selbstverständlich kann und darf auch hier ein zufällig Erlauschter, zum Beispiel wegen Steuerhinterziehung oder wegen einer anderen Unregelmäßigkeit, nicht verfolgt werden, die Daten dürfen nicht verwertet werden. Es ist daher – das scheint mir besonders wichtig zu sein – das Bankgeheimnis nicht ausgehöhlt und nicht aufgeweicht, sondern der Bankkunde kann auch weiterhin der vollständigen Diskretion sicher sein.

Lassen Sie mich daher abschließend noch Grundsätzliches zu diesen neuen Ermittlungsmethoden festhalten. Es ist mir voll bewußt, daß sowohl der Lauschangriff als auch die Rasterfahndung schwere Ermittlungsgeschütze darstellen, und es war auch tatsächlich nicht leicht, besonders auch für mich nicht leicht, die dadurch bedingten Eingriffe in die Grundrechte zur Kenntnis zu nehmen. Ich meine aber, daß das eine Frage der Verhältnismäßigkeit ist. Ich bin im Zuge der Beratungen in den Ausschüssen – es ist tatsächlich von Sitzung zu Sitzung eine Verbesserung, eine Verschärfung der ursprünglichen Gesetzesvorlage durchgesetzt worden –, im Zuge der Beratungen mit den Experten zur Überzeugung gelangt, daß die neuen Formen der Kriminalität – und die gibt es – eben auch neue Ermittlungsmethoden notwendig machen. Das nun zu beschließende Gesetz ist aber gleichzeitig derart rigide, daß ein ungerechtfertigter Einsatz dieser Methoden nur sehr schwer möglich ist und, so meine und hoffe ich, auch ausgeschlossen werden kann. (Abg. Dr. Graf: Sie schließen es persönlich nicht aus!) – Man kann einen Mißbrauch nie ausschließen, das muß ich Ihnen aber wahrscheinlich nicht erklären.

Für mich bleibt schlußendlich die Hoffnung, daß die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen nicht oder nur zu einem sehr geringen Umfang angewendet werden müssen, aber daß sie dort, wo sie eingesetzt werden, auch zum gewünschten Erfolg führen, denn das ist die Voraussetzung dafür, daß die Geltungsdauer dieses Gesetzes nach dem Beobachtungszeitraum auch tatsächlich verlängert wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Es ist dies seine zweite Wortmeldung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.54

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! In aller Kürze noch ein paar Worte. (Abg. Dr. Khol: So fangen lange Rede an!) Selbstverständlich ist es so, daß hier ein grundrechtlicher Eingriff vorgenommen wird, das steht ja außer Zweifel. Die freiheitliche Fraktion würde gerne in der Gesamtheit der Exekutive moderne Methoden und auch High-Tech-Mittel in die Hand geben, wenn es – das ist die Grundvoraussetzung – Schranken beim Einsatz gäbe. Über diese kann man zweifellos geteilter Meinung sein, man kann auch anderer Meinung darüber sein, wie stark die Schranke sein soll, wie hoch die Latte liegen soll. Aber diesbezüglich


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meinen wir, daß dieser Gesetzentwurf, diese Regierungsvorlage schlichtweg etwas über das Ziel geschossen hat.

Ich bin, wenn es um Grundrechte geht, kein Vertreter des Mottos "Der Zweck heiligt die Mittel" wie meine Vorrednerin Frau Huber, die sich letztendlich überzeugen ließ. Das kann es nicht sein. Und selbst wenn man dieses Motto vertritt, dann ist immer noch die Frage offen: Wo sind die Schranken für diese Mittel, die wir in Zukunft einzusetzen gedenken? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wurde schon vieles ausgeführt, nur ein einziger Aspekt ist überhaupt nicht angesprochen worden, und gerade um diesen geht es mir, insbesondere wenn man sich die gestrige Debatte und das Selbstverständnis der einzelnen Parlamentarier ansieht. Ich glaube, daß es dem Image der Parlamentarier nicht schlechttun würde, mehr für ihre Rechte einzutreten und sich diesbezüglich starkzumachen.

Wenn wir hier davon reden, daß wir eine Kontrolle bei derart schwerwiegenden Grundrechtseingriffen wollen, dann muß diese Kontrolle effizient sein, dann soll dies eine Kontrolle sein, die auch hier im Hause durchgeführt wird, und zwar effizient durchgeführt wird, nicht bloß, wie vorgeschlagen, als Alibiaktion.

Deswegen schlagen wir Freiheitlichen vor, daß wir – analog jenen Unterausschüssen, wie wir sie für Stapo, Heeres-Nachrichtenamt oder sonstige nachrichtendienstliche Organisationen haben – einen Unterausschuß einrichten. Dafür möchte ich werben und kämpfen, damit Sie vielleicht auch in diesem Punkt Ihre Meinung noch ändern.

Es ist nämlich nicht so, daß das nicht notwendig wäre, und man kann nicht davon ausgehen kann, daß lediglich ein Bericht, so wie er in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, ausreichen wird, um uns Parlamentarier zu informieren. Dies ist insbesondere unter dem Blickwinkel zu sehen, daß es sich hiebei – was wir sehr begrüßen – um ein befristetes Gesetz handelt und daß wir alle – oder auch unsere Nachfolger – zu entscheiden haben werden, ob man dieses Gesetz für die Zukunft auch weiterhin in Geltung haben möchte oder nicht.

Um diese Entscheidung vorzubereiten, wird es notwendig sein, daß man auch das eine oder andere Material in die Hand bekommt, um Entscheidungsgrundlagen zu haben. Mit der derzeitigen Regierungsvorlage sehe ich es überhaupt nicht verwirklicht, daß wir in diese Situation kommen.

Es ist bis dato nur vorgesehen, daß man in numerischer anonymisierter Form Unterlagen in Berichtsform bekommt, und ich habe im Ausschuß schon festgehalten, daß dieser Bericht immer sehr kurz sein wird, wenn er geliefert wird. Ich kann mir einen jährlichen Bericht auf einer A-4-Seite vorstellen, auf der stehen wird: Wir haben zehn Anträge für einen Lauschangriff gehabt, fünf Anträge für eine Rasterfahndung, davon wurden acht beziehungsweise drei bewilligt. Es wurden soundso viele tausend Leute abgehört, von soundso vielen tausend Leuten wurden Informationen gerastert, es hat 17 Verhaftungen gegeben. Und damit Schluß, aus, Maus. Und dann sollen wir entscheiden können, ob wir dieses Gesetz in Zukunft weiterhin haben wollen.

Das ist überhaupt keine Vorbereitung für eine Entscheidungsfindung. Ich glaube vielmehr, daß es schon notwendig ist, nicht nur einen anonymisierten numerischen Bericht in dieser Form zu bekommen, sondern auch einen Sachverhaltsbericht, der einem Ständigen Unterausschuß zugeleitet wird, im Rahmen dessen man darüber diskutieren kann, ob Einsatzmethoden notwendig waren oder nicht, im Rahmen dessen auch die nicht genehmigten Fälle ausgeschlachtet werden können und untersucht werden kann, warum sie nicht genehmigt wurden, damit man sich eine Meinung für die Zukunft bilden kann.

Für dieses Recht, das zu meinem Selbstverständnis als Parlamentarier gehört, kämpfe ich. Und auch wenn diese Regierungsvorlage – und so scheint es – so durchgehen wird, werden wir uns in einiger Zeit erlauben, einen Novellierungsantrag zu dieser Angelegenheit einzubringen, weil ich glaube, daß es auch nach rechtskräftigem Abschluß eines Strafverfahrens und nach


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rechtskräftiger Erledigung dieser Ermittlungsmethoden notwendig ist, in diesem Haus ordentlich darüber diskutieren zu können.

Ich fordere Sie daher heute schon auf, insbesondere die Fraktion zu meiner Linken, sich darüber Gedanken zu machen, wie Sie Ihr Mandat in der Zukunft in diesem Punkt wahrnehmen wollen bei der Auseinandersetzung, ob man dieses Gesetz verlängern soll oder nicht. Sie werden die Information brauchen, und Sie werden sich an meine diesbezüglichen Worte noch erinnern. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

20.00

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Lassen Sie mich noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Thema machen. Ich finde es wirklich ungerechtfertigt, wenn sich verantwortungsvolle und verantwortungsbewußte Politiker als Befürworter der neuen Ermittlungsmethoden mit dem Vorwurf auseinandersetzen müssen, sie wollten dem rechtschaffenen Bürger den letzten Hort ihrer Privatheit nehmen.

Ich habe wirklich kein Verständnis dafür, wenn manche Abgeordnete – insbesondere der Grünen und der Liberalen – die Befürworter der modernen Ermittlungsmethoden gleichsam als Aggressor gegen die Bürgerrechte denunzieren.

Meine Damen und Herren! Es geht nur darum, den Mißbrauch von Grund- und Freiheitsrechten durch Kriminelle zu unterbinden. Das ist die Absicht im Zusammenhang mit diesen neuen Methoden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen uns doch im klaren darüber sein: Jeder Rechtsstaat läuft in Gefahr, von seinen Feinden mißbraucht zu werden, wenn er nicht einen klaren Trennungsstrich zwischen dem rechtskonformen, rechtstreuen Bürger und dem Rechtsbrecher setzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Verfassungsmäßige Grundrechte wie Datenschutz, Unversehrtheit, Privatheit der Wohnung sollen doch rechtstreue Bürger schützen und nicht den Verbrecher. Das ist jedenfalls unsere Position! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Wer unsere Republik als schützenswertes Gemeinwesen und die von unserem Parlament beschlossenen Gesetze im wesentlichen als dem Volkswillen entsprechend ansieht, hat wenig Verständnis dafür, daß die Verbrechensbekämpfung ständig in einen Widerspruch mit angeblichen Übergriffen auf die Freiheitsrechte der Bürger gebracht wird.

Wer das tut, der will einen künstlichen Widerspruch schaffen, einen Widerspruch, den es doch in der Realität gar nicht gibt. Der heutige Gesetzentwurf ist für uns bereits ein Kompromiß, und er nimmt allen den Wind aus den Segeln, die uns unterstellen, in der Intimsphäre unbescholtener Bürger herumschnüffeln zu wollen. Dies ist eine absurde Behauptung. Und wir lassen auch nicht zu, daß den Bürgern eingeredet wird, mit den neuen Ermittlungsmethoden seien sie von einem übermächtigem Staat bedroht. – Das ist doch keineswegs der Fall. (Beifall bei der ÖVP.)

Niemand in Österreich glaubt, daß der Staat und die staatlichen Ordnungsmächte übermächtig sind und daß sie den einzelnen Bürger im Griff haben. Die große Mehrheit weiß doch längst, daß eher das Gegenteil der Fall ist. Privatsphäre der Bürger, Sicherheit der Bürger sind doch nicht von einem übermächtigen Staat oder gar von den Ordnungskräften dieses Staates bedroht, sondern viel mehr von kleinen, gefährlichen, aber extrem abgeschirmten Terrorgruppen oder von anderen international organisierten Verbrecherbanden.

Im übrigen nehmen auch wir von der Österreichischen Volkspartei das liberale Credo in Anspruch: So wenig Staat wie möglich. Aber wir sind auch nach sorgfältiger Beratung bereit, den Staat dort zu stärken, wo dies notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir lassen uns deshalb auch von der anderen Seite der liberalen Medaille leiten, die lautet: Soviel Staat wie nötig.

Meine Damen und Herren! Im übrigen sage ich auch, daß das Wort "Lauschangriff" unangebracht ist. Es geht da darum, etwas rechtsstaatlich Notwendiges zu denunzieren. Es geht nicht darum, daß die Polizei die Rechte unbescholtener Bürger angreift, genau das Gegenteil bezwecken wir: Den Ermittlungsbehörden sollen Mittel in die Hand gegeben werden, um kriminelle Angriffe auf Leib, Leben und Freiheit abzuwehren.

Es geht also nicht darum, anständige, normale und vernünftige Bürger abzuhören, sondern es geht um das Abhören von Verbrechern, es geht um das Verhindern von Straftaten, es geht um das Ergreifen von Verbrechern. Das ist doch der Punkt, um den es geht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber natürlich – auch das sage ich – nehmen wir rechtsstaatliche Bedenken ernst. Niemand von uns will einen Polizeistaat, einen Schnüffelstaat. Aber, meine Damen und Herren: Wir sind doch in Österreich meilenweit von einem solchen Staat entfernt. Wer das nicht sehen will, dem sind, so meine ich, die richtigen Maßstäbe abhanden gekommen, oder er hat gar ein gestörtes Verhältnis zu Staat und Polizei.

Wir müssen doch in dieser Frage in eine objektive Güterabwägung eintreten. Und ich kann deshalb auch nicht verstehen, daß hier immer die Grundrechte in die Waagschale geworfen werden. Ist denn etwa die körperliche Unversehrtheit der Bürger, der Schutz vor Verbrechen kein Wert, den es zu schützen gilt? Selbstverständlich müssen wir dem Bürger klarmachen, daß er gewisse Einschränkungen der Freiheitsrechte hinnehmen muß, wenn er einen besseren Verbrechensschutz verlangt. Aber er braucht – und das bestätigt auch das heutige Gesetz – keine Sorge vor einem Mißbrauch zu haben, weil wir deren Anwendung von einer unabhängigen Richterschaft kontrollieren lassen und alle möglichen rechtsstaatlichen Sicherungen eingebaut haben. Und deshalb können wir uns heute auch mit gutem Gewissen zu diesem Gesetz bekennen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. Er hat das Wort. (Abg. Böhacker: Jetzt hat er es schwer! – Abg. Schwemlein  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich habe es überhaupt nicht schwer!)

20.07

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Sie erlauben mir, diese sehr hohe Präsenz jetzt dazu zu nutzen, vorweg etwas klarzustellen, was vor ein paar Stunden fälschlicherweise hier in den Raum gestellt wurde.

Kollege Firlinger hat nämlich hier im Plenarsaal in einer äußerst überzogenen Art und Weise seinen Parteiführer Haider in den Himmel gehoben und die Wirtschaftskompetenz unseres Klubkollegen Professor Ewald Nowotny lächerlich zu machen versucht. (Abg. Mag. Stadler: Falsche Debatte!)

Herr Kollege Firlinger! Einen Satz dazu, und dieser Satz lautet folgendermaßen (Abg. Ing. Reichhold: Zur Sache!): Wenn Ihr Parteiführer Haider zurzeit in kurzen Hosen versucht, seine Studienjahre einer Renaissance zuzuführen (heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), sage ich Ihnen folgendes: Ewald Nowotny war dort, wo Haider studiert, mehrfach als Dozent tätig. Damit das klargestellt ist! (Beifall bei der SPÖ. – Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Kollege Firlinger! Um am Boden zu bleiben: Hier der Lehrling und dort der Meister. Damit das klargestellt ist! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zurück zum Thema, bevor hier künstliche Aufregung entsteht. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. ) Ich glaube, daß sich dieses Parlament heute – Herr Kollege Bauer, regen Sie sich nicht so auf – selbst und all jenen, die diese Debatte


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verfolgt haben, einen sehr guten Dienst erwiesen hat. Wir haben über mehrere Stunden sehr viele, sehr ruhige, sachlich orientierte Redebeiträge gehört. Und ich glaube, das ist das Wesentliche, daß man in einer sehr sensiblen Thematik nicht die Nerven wegschmeißt, sondern kühl diskutiert, und das ist geschehen.

Einige Redner, wie zum Beispiel Frau Kollegin Schmidt, haben gesagt, daß viele Experten mit dem vorliegenden Ergebnis nicht zufrieden seien. – Frau Kollegin Schmidt, das mag so sein. Es wird immer Themenbereiche geben, wo es Pro- und Kontra-Stimmen gibt. Das Entscheidende aber daran ist, sich nicht auf die Experten zu beziehen, sondern das Entscheidende ist, welchen politischen Beschluß wir tragen wollen. Das bedeutet, daß wir uns sehr wohl derer bedienen, die uns beraten, aber der politische Wille hat hier in diesem Haus kundgetan zu werden. Daher glaube ich, daß jetzt sehr wohl der richtige Zeitpunkt ist, dieses Paket zu beschließen, denn zuzuwarten, mitzuverfolgen, wie die organisierte Kriminalität, diese Schwerverbrechen noch stärker Platz greifen, ist, glaube ich, nicht der richtige Weg. (Abg. Dr. Schmidt: Da besteht nur kein Zusammenhang!) Wir müssen Signale setzen und der Exekutive entsprechende Methoden zur Verfügung stellen, damit sie gegen das Anwachsen der Kriminalität vorgehen kann. Das ist der entscheidende und wesentliche Punkt. (Abg. Mag. Barmüller: Sie sollten Ihre Rede zum Sicherheitsbericht nachlesen! Zum Sicherheitsbericht reden Sie ganz anders!)

Kollege Barmüller! Ich möchte an dieser Stelle noch etwas hervorheben, was mir ganz wesentlich und wichtig ist. Es ist mir ganz wichtig, daß wir nach dieser Debatte und der folgenden Beschlußfassung nicht davon ausgehen – alle hier herinnen –, daß jene, die dafür sind, die sogenannten Unsensiblen und Schlechten sind und jene, die dagegen sind, die Sensiblen, die Verfassungsbewahrer, die Grundrechtsbewahrer. Es gibt einfach verschiedene Menschen mit einem unterschiedlichen Zugang zur Rechtsmaterie, und das sollten wir achten und so an die Materie herangehen.

Meine Damen und Herren! Es ist auch vom Kollegen Kukacka ganz deutlich festgestellt worden – ich unterstreiche das, Herr Kollege! –: Wir haben nicht vor, polizeistaatliche Methoden einzuführen, wir haben nicht vor, die Grundrechte der Menschen zu beschneiden, da ans Fleisch zu gehen. Wir haben vor, die bestmöglichen Grundlagen für die Sicherheit aller Menschen, die in Österreich leben, zu schaffen! Und mit diesem Gesetzespaket machen wir das. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Von seiten des Berichterstatters liegt kein Wunsch nach einem Schlußwort vor.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, und ich darf bitten, die Plätze einzunehmen.

Zunächst stimmen wir ab über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, den Gegenstand in 812 der Beilagen an den Justizausschuß rückzuverweisen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Rückverweisungsantrag an den Justizausschuß zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Somit gelangen wir zu den Abstimmungen über die einzelnen Ausschußanträge, die, wie immer, getrennt vorgenommen werden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 812 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter und Genossen ebenfalls Abänderungsanträge eingebracht.


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Frau Abgeordnete Mag. Stoisits hat ein Verlangen auf getrennte Abstimmung betreffend Art. II gestellt.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile des Gesetzentwurfes, und zwar der Systematik des Gesetzes folgend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.

Herr Abgeordneter Dr. Ofner hat Abänderungsanträge betreffend Art. I Z. 3 eingebracht.

Ich darf jene Damen und Herren, die dem zustimmen wollen, um ein Zeichen bitten. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. I Z. 3 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für Art. I Z. 3 in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter und Genossen eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Streichung der Z. 2 in Art. II eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesen Antrag unterstützen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Art. II Z. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung eines neuen Abs. 4 in Art. II Z. 3 § 41a eingebracht.

Jene Abgeordneten, die sich dafür aussprechen, ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend die Streichung der Z. 4 und 5 in Art. II eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Daher lasse ich sogleich über Art. II Z. 4 und 5 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und ersuche bei Bejahung um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung eines § 302a in Art. II eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Art. II.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Teilen des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes zustimmen, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Art. IV § 10a Abs. 1 eingebracht.


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Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Art. IV § 10a Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich ersuche bei Zustimmung um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen haben einen weiteren Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung eines neuen Abs. 5 in Art. IV § 10a bezieht.

Im Falle der Zustimmung darf ich um ein Zeichen ersuchen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen haben je einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung des Art. V bezieht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Damit erhalten die Art. VI bis VIII nunmehr die Bezeichnung V bis VII.

Die Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. V – nach neuer Zitierung – Z. 1 und Z. 6 bezieht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Art. V – neue Zitierung – Z. 4 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die zustimmen, dies durch ein Zeichen zu bekunden. – Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen haben einen Abänderungsantrag hinsichtlich Art. VI – neue Zitierung – eingebracht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Art. VI (neu) in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Art. VII zum Inhalt hat.

Da sich dieser Zusatzantrag auf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes bezieht, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung das entsprechende Quorum fest. Es ist gegeben.

Ich darf bitten, daß jene Abgeordneten, die dem Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen beitreten, dies bekunden. – Dies ist die Minderheit und daher abgelehnt.


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Die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen haben auch einen Abänderungsantrag hinsichtlich Art. 7 (neu) eingebracht.

Ich ersuche, im Falle der Zustimmung ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Es liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter vor, der sich auf Artikel VII (neu) bezieht.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung zu diesem Abänderungsantrag Fuhrmann, Fekter um ein Zeichen ersuchen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen haben auch einen Abänderungsantrag hinsichtlich der Änderung des Titels des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesen Antrag unterstützen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Fuhrmann, Dr. Fekter haben einen Abänderungsantrag ebenfalls betreffend den Titel des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, ein Zeichen zu geben. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür die Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf nunmehr auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit beschlossen.

Als nächstes stimmen wir über den Antrag des Verfassungsausschusses ab, seinen Bericht 786 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür die Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.

5. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (734 der Beilagen): Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997 (813 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch auf Berichterstattung durch die Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer liegt nicht vor.

Daher gehen wir gleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. Die Redezeit ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.


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20.23

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute ein ganzes Paket, das man Änderung der Konkurs-, der Ausgleichs- und der Anfechtungsordnung übertiteln kann, und eine Neuimplantierung eines wahrscheinlich für die Wirtschaft und für Unternehmer sehr wichtigen neuen Gesetzes, des Unternehmensreorganisationsgesetzes.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich folgendes feststellen: Wenn man in das Bundesgesetzblatt schaut, dann sieht man, daß die Konkursordnung aus dem Jahre 1914 stammt, konkret: Reichsgesetzblatt Nr. 337/1914, das heißt aus einer Zeit vor der Republik. Herr Bundesminister für Justiz! Eigentlich hätten wir Freiheitlichen uns erwartet, daß die Konkurs-, die Ausgleichs-, die Anfechtungsordnung samt dem Unternehmensreorganisationsgesetz einer Neukodifizierung und einer Gesamtreform zugeführt werden. Das wäre eigentlich angemessen gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, daß man mit vielen Wirtschaftsgesetzen, die noch immer auf Bestimmungen beziehungsweise Gesetzen des vorigen Jahrhunderts fußen, knapp an der Schwelle zum nächsten Jahrhundert nicht mehr das Auslangen findet.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte eingangs ein paar ohne weiteres auch positive Bemerkungen zu einem Teil, der mich sehr interessiert, nämlich dem Unternehmensreorganisationsgesetz, machen.

Dieses Unternehmensreorganisationsgesetz ist bildlich gesprochen ein Gesetz, das einem Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, einen Facharzt aufzusuchen, eine Einweisung in ein Krankenhaus zu machen und mit einem Reorganisationsplan, mit einem Reorganisationsprüfer zu versuchen, sein Unternehmen wieder fit zu bekommen. Die Konkursordnung, der Zwangsausgleich und dann anschließend die Liquidation, ist nichts anderes als die Ordnung für ein Begräbnis eines Unternehmens. Das heißt, es sind in dieser Regierungsvorlage zwei an sich ganz verschiedene Rechtsmaterien dem Sinne nach geregelt, auf der einen Seite Adaptierungen der Konkurs-, der Ausgleichs- und der Anfechtungsordnung, auf die ich noch näher zu sprechen kommen werde, auf der anderen Seite eine tatsächliche Neuerung, bei der sich der Gesetzgeber fragen muß: Wird das die Wirtschaft, wird das der Unternehmer auch annehmen?

Da haben wir, Herr Bundesminister für Justiz, einige Bedenken, wenn die Regierungsvorlage ohne Abänderung – eine solche möchte ich nun einbringen, und diese wird auch verteilt, und ich werde kurz darauf Bezug nehmen – beschlossen wird.

Da geht es einerseits um ein zentrales Problem: Ein Unternehmer begibt sich in die Reorganisation, erstellt einen Reorganisationsplan und fragt dann: Welche Auswirkungen hat das für meinen Betrieb? – Ich bekomme einen Schuldennachlaß von zum Beispiel einer Million Schilling, den ich dringend brauche, um mich sanieren zu können. Ich mache eine Reorganisation meiner Verwaltung, ich mache ein neues Management, ich suche nach neuen Produkten. – All das steht da drinnen.

Wenn er den Reorganisationsplan umsetzt, kommt auf einmal hintennach der Bundesminister für Finanzen – in Anwendung des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetzes – und nimmt ihm von der einen Million, die er von irgendeiner Bank gestrichen bekommen hat, wieder zwischen 300 000 S und 400 000 S weg. – Das kann doch bitte nicht im Sinne des Erfinders dieses Gesetzes sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist deswegen ein Unding, weil sich jeder Unternehmer sagen wird: Das tue ich mir nicht an, daß ich mit allen Banken verhandle, daß ich mit Lieferanten verhandle und mir dann der Bundesminister für Finanzen über das Finanzamt eine Steuervorschreibung schickt, laut der ich ihm einen Teil dieses Sanierungsgewinnes in Form von Steuern wieder zurückgeben muß.

Ein zweiter Punkt ist, daß in der Übertitelung dieses Unternehmensreorganisationsgesetzes steht, das solle ein Gesetz wie Chapter 11 in den USA sein. Wenn man sich Chapter 11 ansieht, stellt man fest: Dort ist während der Laufzeit dieser Unternehmensreorganisation ein Insolvenz-


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und Vollstreckungsschutz verankert. – Auch wir haben in diesen Abänderungsantrag eine Passage eingearbeitet, von der wir glauben, daß sie dringend notwendig ist. Wir haben in diesen Abänderungsantrag einen Absatz eingearbeitet, der in der Ausgleichsordnung eine neue Bestimmung vorsieht: "Die Räumungsexekution ist auf Antrag des Bestandgebers während des Ausgleichsverfahrens nach Prüfung durch das Exekutionsgericht zu vollziehen, wenn der Bestandzins nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens nicht rechtzeitig und zur Gänze bezahlt wird."

Dabei geht es darum, daß wir im Ausgleichsverfahren auch einen Schutz des Bestandgebers haben wollen, daß nicht einer ewig keine Miete bezahlt, ein Bestandsobjekt anmietet, im Ausgleichsverfahren diese Miete nicht bezahlt und damit den Bestandgeber schädigt.

Mit diesen drei Zielen, die wir in diesem Abänderungsantrag formuliert haben, wird, glaube ich, das Gesetz bei Annahme ein taugliches Instrument, um die Unternehmensreorganisation nicht totes Recht werden zu lassen. Das ist ein vernünftiges Angebot für die Wirtschaft, das gebe ich ohne weiteres zu, da bedanke ich mich auch beim Herrn Bundesminister für Justiz, der uns in Vorbesprechungen mit vielen Beamten dargelegt hat, welche Philosophie hinter dieser Unternehmensreorganisation steht.

Herr Bundesminister für Justiz! Wir Parlamentarier werden immer kritisiert, Bundesgesetzblätter zu produzieren, Bundesgesetzblatt für Bundesgesetzblatt, die nicht angewendet werden, weil sie – das wäre bei der Unternehmensreorganisation der Fall – nicht der Praxis entsprechen, weil der Unternehmer sie nicht annimmt. Solche Bundesgesetzblätter wollen wir nicht produzieren!

Ich glaube, wenn wir die jetzige Regierungsvorlage ohne diesen Abänderungsantrag beschließen, besteht die große Gefahr, daß der gute Wille zu einer Unternehmensreorganisation nicht vom Staat kommt, nicht angenommen wird und daß viele Unternehmer, die darauf hoffen, sozusagen in ein Spital eingeliefert zu werden, um sich fit zu machen, diesen Zeitpunkt übersehen.

Herr Bundesminister für Justiz! Das ist das schlechteste: den Zeitpunkt zu übersehen. Wenn man nur eine kleine Plombe in einem Zahn braucht, aber bis zur Wurzelbehandlung und noch länger zuwartet, bis man den Zahn schlußendlich ziehen muß, dann sagt man im Unternehmerjargon dazu Konkurs, Beendigung des Unternehmer-Daseins – mit Leid für alle Angestellten und Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren, mit Leid und Verzicht auf Forderungen von vielen Lieferanten, die danach Anschlußkonkurse zu befürchten haben.

Herr Bundesminister für Finanzen! Hohes Haus! So haben wir Freiheitlichen uns eine Unternehmensreorganisation nicht vorgestellt. Daher würden wir Sie ersuchen, diesem Abänderungsantrag Mag. Schreiner, Dr. Krüger und Dr. Ofner zuzustimmen. Er ist die Möglichkeit, eine Unternehmensreorganisation so zu organisieren, daß sie Sinn macht: Sinn für die Betroffenen, Sinn für die Unternehmen und Sinn für die Volkswirtschaft in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe dem Hohen Haus bekannt, daß der soeben in seinen wesentlichen Punkten erläuterte Antrag des Herrn Abgeordneten Schreiner auch schriftlich überreicht wurde, genügend unterstützt ist, in Verhandlung steht und im Hinblick auf seinen Umfang anstelle einer Verlesung schriftlich verteilt wird.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schreiner, Dr. Krüger, Dr. Ofner und Kollegen zum Punkt 5 der Tagesordnung

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. Im Titel des Gesetzes wird nach dem Wort "Gerichtsorganisationsgesetz" das Wort "und" durch einen Beistrich ersetzt und nach dem Wort "Bankwesengesetz" folgende Textpassage eingefügt: ..."das Einkommensteuergesetz 1988 und das Körperschaftssteuergesetz 1988".

2. In Artikel II wird in Ziffer 7 am Ende von § 12 a folgender Text angefügt:

"Die Räumungsexekution ist auf Antrag des Bestandgebers während des Ausgleichsverfahrens nach Prüfung durch das Exekutionsgericht zu vollziehen, wenn der Bestandszins nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens nicht rechtzeitig und zur Gänze bezahlt wird."

3. Nach Artikel X werden folgende neue Artikel XI und XII eingefügt:

"Artikel XI

Das Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988, zuletzt geändert durch BGBl. 1 Nr. 39/1997, wird wie folgt geändert:

1. In § 2 Abs. 2 wird nach dem Ausdruck "(§§ 34 und 35)" die Wortfolge "und Sanierungsgewinne (§ 36)" eingefügt.

2. "§ 36 lautet:

"§ 36. Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) jene Einkommensteile auszuscheiden, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung etwa durch Ausgleichs- oder Reorganisationsverfahren entstanden sind."

Artikel XII

Das Körperschaftssteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 797/1996, wird wie folgt geändert:

1. In § 7 Abs. 2 wird nach dem Ausdruck "(§ 8 Abs. 4)," die Wortfolge "der Sanierungsgewinne (§ 23 Z. 1)" eingefügt.

2. "§ 23 lautet:

"§ 23. Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 7 Abs. 2) oder des Gesamtbetrages der Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger im Sinne des § 21 Abs. 1 sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 8 Abs. 4 und 8 § 21 Abs. 1 Z. 1) auszuscheiden:

1. Jene Einkommensteile, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung etwa durch Ausgleichs- oder Reorganisationsverfahren entstanden sind.

2. Bei Körperschaften im Sinne des § 5 Z. 6 ein Betrag in Höhe des Einkommens, höchstens jedoch 100 000 S."

4. Die bisherigen Artikel XI und XII erhalten die Bezeichnungen "Artikel XIII" und Artikel XIV".

5. In Artikel XIII (neu) wird im 3. Abschnitt vor dem bisherigen § 18 folgender neuer § 18 eingefügt:


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"Insolvenz- und Vollstreckungsschutz

§ 18. Die Entscheidung über einen Antrag auf Ausgleichs- oder Konkurseröffnung bleibt vom Antrag auf Einleitung des Reorganisationsverfahrens bis zur Aufhebung oder Einstellung des Reorganisationsverfahrens, längstens aber für ein Jahr ab dem Antrag auf Einleitung des Reorganisationsverfahrens ausgesetzt. Von der Eröffnung des Reorganisationsverfahrens bis zur Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens entfallen die gesetzlichen Verpflichtungen des Unternehmers, die Eröffnung eines Konkurses oder Ausgleichs zu beantragen. Vom Antrag auf Einleitung des Reorganisationsverfahres an kann während des Reorganisationsverfahrens, längstens aber für ein Jahr ab dem Antrag auf Einleitung des Reorganisationsverfahrens an den dem Unternehmen gehörigen Sachen ein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht nicht erworben werden."

6. In Artikel XIII (neu) erhalten die bisherigen §§ 18 bis 31 die Bezeichnungen "§ 19" bis "§ 32."

7. In Artikel XIV (neu) wird in Abs. 1 die Zahl "X" durch "XII" ersetzt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Fekter. – Bitte.

20.32

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Mit Insolvenzgesetzen kann man mit Sicherheit Insolvenzen nicht verhindern. Man kann aber versuchen, das Mißverhältnis, das wir derzeit zwischen Konkursen, Ausgleichen und vor allem der Vielzahl der abgewiesenen Konkurse mangels Masse haben, volkswirtschaftlich besser ins Lot zu bringen.

Es ist nämlich Vergeudung von Volksvermögen, also Vermögensvernichtung, wenn nur 3 Prozent der Insolvenzverfahren Ausgleichsverfahren sind, das heißt, Unternehmen fortgeführt werden, und wenn weit mehr als die Hälfte der Insolvenzkonkurse mangels Masse abgewiesen werden, es also zu keinem Verfahren kommt, kein Richter überprüft, ob nicht doch noch irgendwo Geld beiseite geschafft worden ist oder für die Befriedigung der Gläubiger verfügbar wäre.

Daher hat man ein Gesetz angepeilt, das mehrschichtig aufgebaut ist. Es wird die Konkursordnung in wesentlichen Punkten geändert, die Ausgleichsordnung geändert und das bisher tote Recht, das Vorverfahren, in ein neues Verfahren gekleidet, nämlich mit dem Unternehmensreorganisationsgesetz. Bei diesem Unternehmensreorganisationsgesetz geht man – im Unterschied zum Vorverfahren – davon aus, daß das Unternehmen noch nicht insolvent ist, sondern noch solvent, aber einen Reorganisationsbedarf hat, der mittels Gutachten festgestellt wird. Dieses Gutachten kann kommen vom Steuerberater, vom Buchprüfer, der den Bestätigungsvermerk für die Bilanz zu geben hat, aber auch durch die Revision der Genossenschaften, und das möchte ich hier klargestellt haben.

Es wird dann bei Gericht das Reorganisationsverfahren mittels eines Reorganisationsplanes beantragt. Das Gericht prüft durch den Reorganisationsprüfer. Ich möchte auch feststellen, daß es der Wille des Gesetzgebers ist, daß dieser Reorganisationsprüfer gutachterliche Tätigkeit hat und nicht die Geschäftsführung des Unternehmens übernehmen soll. Bei Genehmigung des Reorganisationsplanes soll dann das Verfahren per richterlichem Beschluß aufgehoben werden.

Herr Kollege Schreiner! Ich bedauere genauso zutiefst wie Sie, daß es nicht gelungen ist, dieses Reorganisationsverfahren mit den dazugehörigen Reorganisationsmaßnahmen steuerlich entsprechend abzusichern. Ich gehe aber davon aus, daß dieser Gerichtsbeschluß über den Reorganisationsplan ähnlich zu bewerten ist wie Gerichtsbeschlüsse im Ausgleichs- und im Konkursverfahren. Sollte sich herausstellen, daß das nicht der Fall ist, weil eben die Gerichte oder die Finanzverfahren zu anderen Auffassungen gelangen, dann haben wir natürlich – im Sinne des Kollegen Schreiner – Handlungsbedarf, damit nicht ein Reorganisationsplan dadurch


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zunichte gemacht wird, daß plötzlich das marode Unternehmen überbordende Steuernachforderungen treffen.

Ich halte dieses neue Verfahren für eine Chance für die Unternehmen, wiewohl ich zugeben muß, daß es nicht in der österreichischen Unternehmerseele liegt, bei Schwierigkeiten im Betrieb sofort zu Gericht zu rennen. Das heißt, wenn dieses Verfahren Erfolg haben soll, wird der Druck von außen kommen müssen. Ich erwarte, daß rechtzeitig von den Banken auf die Unternehmen eingewirkt wird, dieses Verfahren einzuleiten, bevor die Insolvenz eintritt. Banken haben nämlich die Möglichkeit – wie auch alle anderen Gläubiger –, daß ihre Sanierungsmaßnahmen dann einer gewissen Anfechtungsfestigkeit unterliegen.

Im Zusammenhang mit diesem Gesetz haben wir auch zwei Entschließungen normiert. Der erste Entschließungsantrag betrifft die bisher sehr unbefriedigende Situation, daß Maßnahmen plötzlich von Dritten als eigenkapitalersetzend angesehen werden, nicht in die Masse fallen und dadurch keiner Quote zugänglich sind. Banken haben aus diesen Gründen heraus in Insolvenznähe bisher den Geldhahn eher zugedreht, als zu riskieren, daß sie eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen erbringen.

Daher haben wir eine Entschließung an den Herrn Bundesminister gerichtet, daß die gesetzlichen Regelungen über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen so rechtzeitig vorzulegen sind, daß sie noch vor Ende dieser Legislaturperiode beschlossen werden können. Ich hoffe, daß das im nächsten Jahr sein wird, nämlich nicht das Ende der Legislaturperiode, sondern die Vorlage dieser klaren Definition.

Ein besonderes Anliegen im Zusammenhang mit der Insolvenz ist mir die bisher sehr unbefriedigende Regelung betreffend die Entlohnung der Masseverwalter. Es war doch so, daß – für die Gläubiger oft nicht transparent genug – die Entlohnung der Masseverwalter unabhängig vom Verhältnis zur Quote, die dann herauskam, erfolgt ist. Ich bin auch der Meinung – das ist durch die Novelle im Konkursrecht jetzt auch geschehen –, daß man Konkurse nicht auf ewige Zeiten verschleppen soll, sondern daß das Konkursverfahren ein Liquidationsverfahren ist, in dem vorweg festgestellt wird, daß eine Fortführung nicht mehr sinnvoll ist. Das heißt, eine 20prozentige Zwangsausgleichsquote kann nicht erreicht werden, und dann soll liquidiert werden.

Ich bin dafür, daß Masseverwalter gemäß ihrem Aufwand natürlich entsprechend entlohnt werden. Ich glaube aber auch, daß es den Bemühungen für den Gläubigerschutz sehr dienlich ist, wenn Masseverwalter eine erfolgsabhängige Entlohnung haben. Sie wird nicht zu 100 Prozent an der Quote zu bemessen sein, aber sie soll sich zu einem Großteil an der erzielbaren Quote orientieren. Ich sehe nicht ein, warum Massen immer nur so viel Ertrag erwirtschaften, daß das Honorar des Masseverwalters gedeckt ist und in der Quote für die sonstigen Gläubiger nichts übrigbleibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Um nicht den falschen Eindruck zu erwecken, alle über einen Kamm zu scheren: Es gibt sehr seriöse Rechtsanwälte, die bemüht sind, zu erreichen, daß der Betrieb fortgeführt werden kann (Abg. Dr. Krüger: Namen!) und daß auch für die Quote der sonstigen Gläubiger neben dem Honorar der Anwälte etwas übrigbleibt. Die Kritik in diesem Punkt, Herr Kollege Krüger, war aber im Vorfeld dieser Beratungen nicht zu überhören, und daher haben wir das in einen Entschließungsantrag aufgenommen.

Es ist natürlich auch für den Reorganisationsprüfer selbstverständlich, daß seine Honorarforderungen im Zusammenhang mit den maroden Unternehmen zu sehen sind, und auch dafür soll der Justizminister Vorschläge unterbreiten.

Im Ausschuß ist darüber diskutiert worden, daß in die Gesetzesvorlage für die Berechnung der fiktiven Verschuldungsdauer von 15 Jahren, die nur eine Haftungsregelung darstellt, aber keine Voraussetzung für die Einleitung des Reorganisationsverfahrens ist, gewisse handelsrechtliche Merkmale nicht aufgenommen wurden. Es wurde nicht vorgesehen, dafür etwa Wertpapiere oder Anteile oder Rückstellungen et cetera zu berücksichtigen. Das heißt, da ist ein sachliches Argument unberücksichtigt geblieben. Daher möchte ich jetzt einen Abänderungsantrag


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einbringen, denn ich bin der Meinung, daß nach intensiver Durchsicht dieser Wunsch schon in das Gesetz aufgenommen gehört.

Weiters betrifft mein Abänderungsantrag auch die mittlerweile erfolgte Änderung des Bankwesengesetzes. Dieses gilt es auch zu berücksichtigen.

Ich bringe nun folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Fuhrmann und Kollegen zum Bericht des Justizausschusses (813 der Beilagen) betreffend Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, die Kaiserliche Verordnung über die Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Handelsgesetzbuch, das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Reorganisation von Unternehmen (Unternehmensreorganisationsgesetz – URG) geschaffen wird (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997; 734 der Beilagen), in der Fassung des Berichtes des Justizausschusses (813 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In Artikel III Z 6 lautet § 14 Abs. 4 wie folgt:

"(4) Die Einsicht ist für die ein Ausgleichsverfahren betreffenden Eintragungen erst dann nicht mehr zu gewähren, wenn die Frist auch für den Anschlußkonkurs abgelaufen ist."

2. In Art. VIII Z. 4 wird in § 22 Abs. 4 der Klammerausdruck "(§ 1 Abs. 2 URG)" durch den Klammerausdruck "(§ 1 Abs. 1 URG)" ersetzt.

3. In Art. X wird im Einleitungssatz die Wortfolge "zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 757/1996" durch die Wortfolge "zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 63/1997" ersetzt.

4. Art. XI wird wie folgt geändert:

a) In § 24 Abs. 1 werden nach den Worten "vermindert um" die Worte "die im Unternehmen verfügbaren Aktiva nach § 224 Abs. 2 B III Z. 2 und B IV HGB und" eingefügt.

b) In § 30 wird das Datum "1. September 1997" durch das Datum "1. Oktober 1997" ersetzt.

5. In Art. XII wird das Datum "1. September 1997" jeweils durch das Datum "1. Oktober 1997" und das Datum "31. August 1997" jeweils durch das Datum "30. September 1997" ersetzt.

*****

Ich ersuche um Zustimmung für das Gesetz und auch um jene für den Abänderungsantrag. Wie Sie meinem Abänderungsantrag entnehmen konnten, soll dieses Gesetz per 1. Oktober 1997 gelten. (Beifall bei der ÖVP.)


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20.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte sehr.

20.46

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie leider auch die jüngsten Zahlen der Insolvenzstatistik zeigen, hält der seit einigen Jahren feststellbare Trend des Ansteigens der Zahl der Insolvenzverfahren in Österreich weiterhin an, und nach wie vor ist auch die Zahl der mangels Vermögens abgewiesenen Konkursanträge bedenklich hoch. Die Ursachen dieser dynamischen Entwicklung der letzten Jahre liegen nicht selten in den sich beschleunigenden Strukturveränderungen unserer Wirtschaft, in der Neuaufteilung von Märkten und Standorten, letztlich in der Globalisierung der Weltwirtschaft. Insolvenzen gehören eben auch zum systemimmanenten Ausleseverfahren der Marktwirtschaft.

Aber zu Recht weisen Wirtschaftsfachleute immer wieder darauf hin, daß einem beträchtlichen Anteil – manche meinen sogar, einem Hauptanteil – an der dynamischen Zunahme der Zahl der Insolvenzen betriebswirtschaftliche Probleme der betroffenen Unternehmen zugrunde lägen, viele der insolvent werdenden Unternehmen heute nicht mehr den betriebswirtschaftlichen Anforderungen entsprächen, es etwa – um nur einen Punkt herauszugreifen – an einem funktionierenden Rechenwerk als Voraussetzung permanenter Selbstkontrolle fehle.

Angesichts dieses Befundes ist die Rechtspolitik gefordert, durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen der Entwicklung entgegenzuwirken. Im Bereich des Justizressorts geht es dabei um Maßnahmen einerseits auf dem Gebiete des Insolvenzrechtes und andererseits auf dem des Gesellschaftsrechtes. Ziel dieser Maßnahmen muß es im wesentlichen sein, eine Unternehmenskrise möglichst frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig die Reorganisation eines lebensfähigen Unternehmens in die Wege leiten zu können, weiters in jenen Fällen, in denen es zu einer Insolvenz kommt, alle Möglichkeiten einer Sanierung und Fortführung des Unternehmens auszuschöpfen und letztlich, wenn sich eine Sanierung nicht mehr als wirtschaftlich vertretbar erweist, das Unternehmen bestmöglich zu verwerten.

Diese Zielsetzungen bestimmten bereits eine Reihe von legislativen Maßnahmen in jüngster Vergangenheit und liegen auch dem heute dem Nationalrat zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetzentwurf zugrunde. Meilensteine auf diesem Weg waren das Rechnungslegungsgesetz 1990, das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1994 und das EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz aus dem Vorjahr.

Mit dem vorliegenden IRÄG 1997 wird ein weiterer wichtiger Schritt zur Verbesserung der Insolvenzprophylaxe, vor allem zur Ausschöpfung der Möglichkeiten einer rechtzeitigen und wirksamen Reorganisation insolvenzgefährderter Unternehmen, zur Erleichterung der Fortführung und Sanierung insolventer Unternehmen sowie zur Zurückdrängung von Konkursabweisungen mangels Masse gesetzt.

Einen Schwerpunkt dieses Gesetzeswerks bildet das von mancher Seite, wie ich meine, zu Unrecht skeptisch eingeschätzte Unternehmensreorganisationsgesetz. Es ist dies das Ergebnis ausführlicher Beratungen mit Experten sowie intensiver Erfahrungen, die Praktiker des Wirtschaftslebens mit insolventen Unternehmungen und mit dem Insolvenzrecht gewonnen haben, und es entspricht der Einsicht, daß die Sanierung eines Unternehmens um so erfolgversprechender ist, je früher Maßnahmen eingeleitet werden. In diesem Sinn ist das Reorganisationsverfahren ein Anbot an den noch solventen Unternehmer, das ihn bei der Bewältigung einer Krise unterstützen soll.

Die im Gesetz definierten Kennzahlen, die auch sehr kontroversiell diskutiert worden sind, sind zunächst einmal nur als Warnlichter zu verstehen, die den Unternehmer dazu veranlassen sollen, seine wirtschaftliche Situation mit Hilfe von Beratern überprüfen zu lassen. Ergibt sich aufgrund eines fundierten Zahlenmaterials und einer darauf aufbauenden Analyse Reorganisationsbedarf und ist im Rahmen des Sanierungskonzeptes eine finanzielle Überbrückung oder Stärkung in Form eines zusätzlichen Kredites erforderlich, so soll dies durch das Unternehmensreorganisationsgesetz künftig dadurch erleichtert werden, daß die kreditgewährende Bank, sollte es doch zu einem Scheitern der Reorganisation und zu einem nachfolgenden Konkurs kommen, nicht der Gefahr einer Anfechtung ausgesetzt ist.


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Es ist dies eine wichtige Rechtsfolge, die einerseits zu mehr Rechtssicherheit beitragen soll, aber andererseits doch auch als ein ganz wichtiger Anreiz dafür gedacht ist, daß dieses Gesetz von der Praxis auch wirklich angenommen wird.

Meine Damen und Herren! Der Früherkennung von Krisensituationen eines Unternehmens und damit der Insolvenzprophylaxe dienen auch eine Reihe von Maßnahmen auf dem Gebiete des Gesellschaftsrechts, insbesondere die Verpflichtung zur Führung eines den Anforderungen dieses Unternehmens entsprechenden Rechnungswesens und internen Kontrollsystems, weiters die Erweiterung der Berichtspflicht des Vorstandes sowie eine Reihe von Änderungen hinsichtlich des Aufsichtsrates mit dem Ziel seiner besseren Information und damit wirksameren Kontrolltätigkeit.

Der Erleichterung der Fortführung eines insolvent gewordenen Unternehmens dienen die Erhöhung der Attraktivität des Ausgleichsverfahrens und die Umgestaltung des Konkursverfahrens in Richtung eines einheitlichen Verfahrens. In der Eingangsphase des Konkurses, der sogenannten Prüfphase, soll die Weichenstellung zwischen Zwangsausgleich und Verwertung vorgenommen werden.

Wichtig sind auch verschiedene Maßnahmen zur Zurückdrängung der Konkursabweisung mangels Masse und die künftige Möglichkeit der Konkurseröffnung auch bei nur einem Gläubiger. Dadurch kann zum Beispiel auch ein Schuldner, der nur einen Gläubiger hat, eine Restschuldbefreiung erreichen – eine Regelung, die vor allem mithaftenden Ehefrauen, die nur für eine Schuld gebürgt haben und dann zur Kasse gebeten werden, Hilfe bietet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegende IRÄG 1997 ist gewiß ein Meilenstein in der Entwicklung des österreichischen Unternehmensinsolvenzrechtes. Es ist aber auch ein Teil der umfassenden Bemühungen des Bundesministeriums für Justiz zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die österreichische Wirtschaft und damit zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich in dem großen Wirtschaftsraum Europa.

Weitere laufende Gesetzesvorhaben auf diesem Gebiet betreffen das Übernahmsrecht, zu dem vor kurzem ein Entwurf zur Begutachtung versandt worden ist, das Genossenschaftsrecht – als erster Schritt soll demnächst der Entwurf eines Genossenschafts-Revisionsrechtsänderungsgesetzes dem Nationalrat zugeleitet werden – und das Recht des Eigenkapitalersatzes, zu dem ja heute auch ein Entschließungsantrag gefaßt werden soll.

Das Rechtsgebiet des Eigenkapitalersatzes steht in einem engen Zusammenhang mit dem Insolvenzrecht, stellen sich doch in nahezu jeder Unternehmenskrise auch Fragen des Eigenkapitalersatzes. Im Unternehmensreorganisationsgesetz wurde darauf bereits Rücksicht genommen. Im übrigen wird dieser Problemkreis bereits in einer Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Justiz umfassend diskutiert, sodaß ich zuversichtlich bin, daß es trotz der Schwierigkeiten der Materie noch in dieser Legislaturperiode zu einem Gesetzesbeschluß kommen kann. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er hat das Wort.

20.56

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kernstück der Insolvenzrechtsnovelle ist das Unternehmensreorganisationsgesetz. Ich kann dem Herrn Bundesminister in keinem Fall beipflichten, wenn er diesbezüglich von einem "Meilenstein" spricht, der durch die Schaffung dieses Gesetzes gesetzt wird. Aus meiner Erfahrung in der Praxis prophezeie ich eine Totgeburt, eine ähnliche Totgeburt, wie sie seinerzeit bei der Einführung des Vorverfahrens zu verzeichnen war. Das Vorverfahren, im Rahmen der Ausgleichsordnung geregelt, war eine Totgeburt. Es hat nur einige wenige Versuche gegeben, das Vorverfahren umzusetzen, und nach ein, zwei Jahren ist es überhaupt völlig eingeschlafen.


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Nichts anderes prophezeie ich diesem Unternehmensreorganisationsgesetz. Warum? – Weil es dem Unternehmen nichts bringt! Der Unternehmer begibt sich unter staatliche Kontrolle, das Verfahren wird eingeleitet, es wird ein Prüfer bestellt, es werden Sachverständige bestellt, es werden die Kreditschutzverbände, der AKV, mit Sicherheit verständigt werden; von einer Geheimhaltung kann also überhaupt keine Rede sein. Ich prophezeie, daß die Unternehmen, wenn es tatsächlich Versuche geben sollte, dieses Gesetz umzusetzen, nicht durch die Situation, daß ihr Eigenkapital auf 8 Prozent gesunken ist, sondern erst durch die Antragstellung in Gefahr kommen, insolvent zu werden.

Denn eines ist klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es ist eine Illusion, wenn man davon ausgeht, daß dieses Verfahren unter der Decke, unter der Tuchent, ohne Beobachtung der Gläubigerschutzverbände abgewickelt werden kann. Die Gläubigerschutzverbände haben ja statutengemäß die Verpflichtung, ihre Kunden, ihre Klienten vor dem Ausfall von Forderungen zu bewahren, sie werden daher selbstverständlich dem auch nachkommen – und ich garantiere Ihnen, daß in den sogenannten vertraulichen Listen der Gläubigerschutzverbände selbstverständlich allfällige Einleitungen von Reorganisationsverfahren aufscheinen werden.

Meine Damen und Herren! Aus den Erfahrungen in der Praxis wissen wir natürlich, wozu das führt. – Das bedeutet: keine Warenlieferungen mehr gegen offene Rechnungen, nur mehr Zug um Zug, das heißt, die Ware wird ohne Barzahlung nicht ausgeliefert. Das bewirkt naturgemäß einen Liquiditätsengpaß. Außerdem werden Kreditlinien nicht mehr verlängert, oder aber – und auch das ist ganz klar angesichts der Bedingungen der Banken – die Einleitung eines Reorganisationsverfahren bildet einen sogenannten wichtigen Grund dafür, daß Kredite fälliggestellt werden können. Das ist das eine.

Das zweite ist: Es bringt dem Unternehmen nichts. Der Unternehmer kann damit nichts erreichen: Er hat keinen Konkursschutz, er hat keinen Exekutionsschutz, und er bekommt nicht einmal eine Forderung oder einen Teil der Forderung nachgelassen. Also wozu soll das Ganze dienen?! Noch dazu ist die Verpflichtung zur Einleitung des Reorganisationsverfahrens auf prüfpflichtige Großunternehmen beschränkt. Das heißt mit anderen Worten, daß es da um Unternehmen geht, die ohnedies über einen Betreuerstab von Wirtschaftsprüfern, Buchhaltern, Steuerberatern und Anwälten verfügen. Wozu bitte sollen diese in ein solches Verfahren gehen? Die einzigen Nutznießer könnten Banken sein, denn Sinn dieses Gesetzes ist es, wie gesagt wurde, Kredite anfechtungsfest zu machen. Nur: Das geht wieder zu Lasten der sonstigen Gläubiger.

Denn wenn eine Bank eine neue Kreditlinie gewährt und etwa eine noch nicht belastete Liegenschaft des Unternehmens als Sicherheit heranzieht und das anfechtungsfest sein soll, dann wird dieses Vermögensgut bei einer nachfolgenden Insolvenz zu Lasten aller Gläubiger und zugunsten der Banken sichergestellt. Das sollte nicht der Sinn dieses Gesetzes sein!

Zweitens: Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen werden nichteigenkapitalersetzend, also in einem allfälligen Insolvenzverfahren nicht rückforderbar gemacht. – Das schützt wieder nur den einzelnen Unternehmer und nicht die Gläubiger. Wir tun ununterbrochen, teilweise sicherlich berechtigt, etwas für Schuldner. Wir müssen irgendwann einmal aber auch an die Gläubiger denken. Und ob das der richtige Weg ist, das möchte ich wirklich bezweifeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher haben wir unsere Mindestanforderung für eine Zustimmung an einen, wie ich glaube, sehr sachlichen und fundierten Abänderungsantrag geknüpft. Dieser Abänderungsantrag setzt voraus, daß die Zielsetzungen des Chapter 11 des US Code of Bankruptcy auch wirklich umgesetzt werden. Denn man hat in den USA gesehen, daß das einen echten Schutz bietet. Da steht ein Unternehmen eine Zeitlang unter dem Schutz des Chapter 11 und bekommt so eine Atempause. Die Gläubiger können ihre Forderungen in einem bestimmten Zeitraum nicht einbringlich machen. Der Sinn dieser Regelung ist die Verbesserung der Struktur des Unternehmens. Neue Geschäftsfelder könnten erschlossen werden, andere Verbesserungen Platz greifen. – Das würde Sinn machen.


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Zur Exekutionssperre: Wie soll man das Unternehmen reorganisieren, wenn Lieferungen nur mehr Zug um Zug stattfinden und es keine Exekutionssperre gibt?

Kurzum: Dieses Gesetz sollte nur dann in Kraft treten, wenn diese Mindesterfordernisse erfüllt werden, denn nur dann kann es sich bewähren. Ich sage noch einmal: Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund für ein Unternehmen, ohne diese Verbesserungen die Reorganisation im Sinn dieses Gesetzes zu beantragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. Ich erteile ihm das Wort.

21.02

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn ich Kollegen Dr. Krüger zuhöre, wünsche ich mir manchmal, daß ich, wenn ich über eine Materie spreche, die pro futuro zu beurteilen ist, genauso wie er schon vorher den Mut habe, hier zu sagen: All das ist schlecht, das kann nicht funktionieren, das wird nicht so sein.

Herr Kollege Dr. Krüger! Im übrigen empfehle ich Ihnen: Reden Sie einmal mit Ihrem Klubkollegen Abgeordnetem Schreiner, der zwar auch festgestellt hat, daß er einige Bedenken hat, die man bei einer gesetzlichen Materie immer haben kann, und das auch argumentiert hat, der uns aber nicht um 21.00 Uhr am Abend mit einer Vorlesung in moralinsaurem Ton darüber behelligt, was sein wird oder was nicht sein wird! (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.  – Abg. Dr. Krüger: Wenn Sie sich diese Weitsicht nicht zutrauen, dann ist das Ihre Sache, Herr Kollege!)

Kollege Dr. Krüger! Aus einigem, was Sie hier deponiert haben, habe ich den Eindruck gewonnen, daß ein bißchen Unterricht von Ihrem Kollegen Schreiner für Sie gar nicht schlecht wäre! Denn er, der ja auch mit uns die Parteienverhandlungen geführt hat, hat die Materie offensichtlich viel besser verstanden als Sie. Und wenn Sie uns jetzt weismachen wollen, daß dieses Gesetz so wie das seinerzeitige Vorverfahren eine Totgeburt sein wird und sein muß – wobei ich Ihnen in diesem einen Punkt ausnahmsweise recht gebe, das Vorverfahren war wirklich eine Totgeburt, darum haben wir uns auch etwas anderes einfallen lassen! –, und wenn Sie jetzt aus Ihrer Vollkommenheit des Wissens heraus apodiktisch behaupten wollen, daß es für einen Unternehmer oder für sonst irgend jemanden überhaupt keinen Anlaß gibt, das Reorganisationsverfahren zu akzeptieren, dann lade ich Sie sehr herzlich ein: Lesen Sie einmal, was in diesem Gesetz betreffend die Anfechtungsbestimmungen steht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. ) Lesen Sie das einmal, und lassen Sie sich von Schreiner, der das im Unterschied zu Ihnen offensichtlich verstanden hat, darüber belehren, daß das für Unternehmen wichtig ist, die noch nicht insolvent sind, die aber einer Reorganisation bedürfen! Nicht nur Sie, Herr Krüger, kommen aus einem rechtsberatenden Beruf in der Wirtschaft! Es gibt hier auch noch andere, die sich mit diesen Dingen befassen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Man ist dann ein freundlicher Kollege, wenn man jemanden, der sich offensichtlich mit einer Sache nicht ordnungsgemäß befaßt hat, andere aber belehren will, aufklärt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Daher werden Sie einmal zur Kenntnis zu nehmen haben, daß Unternehmen, die in einer wirtschaftlich schwierigen Situation sind, auf diese Weise unter Umständen die Möglichkeit bekommen, ihren Bedarf an frischem Geld zu decken. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Kollege Ofner! Was hast du mit Jarolim aufgeführt?! Du brauchst dich jetzt nicht als Pflichtverteidiger des Krüger gerieren! Der soll sich selbst verteidigen! Aber ich nehme zur Kenntnis: Er braucht dich! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Krüger und Dr. Ofner. )

Also: Es kann ein Unternehmen durchaus frisches Geld brauchen. Die Problematik bis jetzt war und ist, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, daß durch die Anfechtungsbestimmungen und durch die Auslegungen von Anfechtungstatbeständen durch den Obersten Gerichtshof dieser Zuschuß von frischem Geld für Unternehmen, die es brauchen würden, äußerst schwierig, äußerst prekär und äußerst heikel ist.


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Wenn wir nun aber eine gesetzliche Materie einführen, gemäß welcher unter bestimmten Bedingungen die vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen schon vorhandenen Gläubigern und zwischen solchen, die bereit sind, an einer Reorganisation mitzuwirken – sei es durch Nachlässe, sei es durch entsprechende Ratenvereinbarungen, sei es durch Zurverfügungstellung von frischem Geld –, in einer Art und Weise gesetzlich abgesichert werden, daß die, die sich daran beteiligen, dann nicht durch einen allfälligen späteren Konkursmasseverwalter gefährdet sind – wenn es nämlich trotz aller Bemühungen schiefgegangen sein sollte und in Anfechtungsprozessen die Sicherheiten wieder hergegeben werden müssen –, dann bin ich überzeugt davon, daß sehr viele im österreichischen Wirtschaftsleben die Signale dieses Gesetzes, das wir heute beschließen werden, im Unterschied zu Abgeordnetem Krüger, richtig verstehen werden! (Abg. Dr. Krüger: Sie sind ja ahnungslos!) Es wird daher die von Ihnen, Herr Kollege Krüger, apodiktisch und durch einen Mangel an Verständnis und Wissen behauptete Totgeburt mitnichten eine solche sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Sie sollten einmal ein Berufsseminar besuchen!)

21.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

21.09

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es wäre ganz gut, wenn Kollege Fuhrmann noch ein bißchen dabliebe und jetzt nicht vor lauter Erregtheit auf den Gang flüchtete! (Abg. Dr. Fuhrmann: Ich bin ja ohnedies da!)

Herr Kollege Fuhrmann! Ich weiß nicht, was Sie haben! Kollege Krüger hat hier seine Bedenken artikuliert, und er sieht es halt ein wenig anders als Kollege Schreiner. Er ist halt skeptischer. Das wird doch um Gottes Willen noch erlaubt sein, ohne daß Sie hier am Rednerpult aufgehen wie ein Häferl und Kollegen Krüger unflätig behandeln! Dagegen verwahre auch ich mich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fuhrmann: Sie waren unflätig!) Sie waren unflätig, wie Sie Kollegen Krüger gemaßregelt haben wie einen Schuljungen! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Abg. Nürnberger: Austeilen können Sie immer, aber nichts einstecken! – Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt diese Erregung beenden und von meiner Warte aus noch einige Punkte nennen, warum ich glaube, daß die hehren Zielsetzungen, die mit dem Unternehmensreorganisationsgesetz vielleicht verfolgt worden sind, nicht aufgegangen sind und die Erwartungen nicht erfüllt haben. – Man kann so oder so urteilen. Man kann auch sagen: Das ist eventuell ein Ansatz, ein Schritt in die richtige Richtung. Ich neige jetzt einmal zu dieser positiven Darstellung. Herr Kollege Fuhrmann! Herr Bundesminister! Ich glaube aber, daß man in einer nicht zu knappen Zeitspanne dann wieder ein Reparaturgesetz brauchen wird. Warum sage ich das? – Es wird manchmal der Eindruck vermittelt, als hätten wir die Bestimmungen des Chapter 11 des US Code of Bankruptcy schon zu 99 Prozent integriert. Ich warne davor: Dieser Sachverhalt ist nicht gegeben! Wir haben nun eine Lösung, bei deren Erarbeitung man zwar mit einem gewissen Mut an die Materie herangegangen ist, dann aber Angst vor der eigenen Courage hatte und auf halbem Weg umgekehrt ist. Das ist in Österreich nichts Neues: Der richtige Mut zum Durchbruch hat auch da gefehlt, und es ist eben kein Chapter 11 daraus geworden, auch wenn viele namhafte Organisationen und Interessenvereinigungen das gefordert haben, was Sie auch jederzeit anhand diverser Zeitungsberichte und Aussendungen nachvollziehen können.

Wie Kollege Krüger schon ausführlich dargelegt hat, fehlt, damit die Bedingungen des Chapter 11 erfüllt werden, der volle Kreditorenschutz. Es fehlt die Bestimmung, daß ein Insolvenzverfahren auch für eine bestimmte Zeitspanne ausgesetzt werden kann, damit nicht jemand eine Reorganisationsmaßnahme, die eingeleitet wurde, im nachhinein noch stören kann. Herr Bundesminister! Wir alle sind da gebrannte Kinder, ich hoffe, Sie pflichten mir da bei!

Die Banken haben im Regelfall a priori besondere Rechte, sei es durch vertraglich vereinbarte Aussonderungs- und Absonderungsrechte oder durch gesetzlich definierte Rechte, sodaß diese im Prinzip von vornherein besser gestellt sind als andere Gläubiger. Es hat nicht selten in der


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Geschichte der österreichischen Insolvenzstatistik Fälle gegeben, bei denen im nachhinein oder in letzter Minute eine Sanierung gescheitert ist, weil die Banken, die grundsätzlich befriedigt werden konnten, im letzten Moment gesagt haben: Nein, das machen wir nicht!, und das Unternehmen ist in Konkurs oder in Ausgleich gegangen.

In diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Man sollte die Verhältnisse in Amerika mit Mut studieren. Man sollte sich das genau anschauen. Denn die Erfolgsquote in den USA liegt aufgrund der Chapter-11-Verfahren bei 15 Prozent. Das mag gering erscheinen, Sie dürfen dabei aber nicht vergessen: Natürlich greift auch ein Chapter-11-Reorganisationsverfahren im Regelfall nur bei Großunternehmen, aber viele kleinere und mittlere Unternehmen probieren es auch. Es sind natürlich in jedem Land, in dem es solche Möglichkeiten gibt, von vornherein auch aussichtslose Fälle dabei. Wenn Sie das aber relativieren, dann werden Sie sehen, daß man bei den grundsätzlich sanierungsfähigen Unternehmen in einer bestimmten Größenordnung eine durchaus bemerkenswerte und hohe Quote an sanierbaren Fällen erreichen kann.

Ich möchte mir erlauben, in meiner abschließenden Bemerkung zu sagen, daß dieses Verfahren Vorbildwirkung hat. Wir müssen es nur umsetzen. Dazu sollten Sie den Mut haben!

Eine Bitte noch an Kollegin Fekter: Wir haben einen Abänderungsantrag, der fundiert, und wohlüberlegt ist. Stimmen Sie mit uns und wagen Sie diesen Schritt! Sie werden sehen, er wird sich lohnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Peter. (Abg. Mag. Peter: Bitte ohne Hans, bitte nur Helmut! – Abg. Dr. Schmidt: Darunter leidet er! – Abg. Hans Helmut Moser: Hans Helmut bin ich!) In Ordnung! Das Wort "Hans" ist gestrichen.

21.14

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! im Gegensatz zur freiheitlichen Fundamentalopposition sehen wir die Vorlage positiv. Ich habe nur ganz wenig Zeit, das zu begründen.

Ich bin froh darüber, daß es einen neuen Umgang mit dem Phänomen "Insolvenz" gibt. Ich meine auch, daß die Zurückdrängung der Konkurse mangels Masse eine positive Entwicklung darstellt.

Kritisch stehen wir dem Unternehmensreorganisationsgesetz gegenüber. Wir halten das Verfahren für zu statisch, und wir halten auch die Werte, die für dessen Inkrafttreten ausschlaggebend sein sollen, für zu statisch. Wir haben daher einen Antrag vorbereitet, den ich nicht heute als unselbständigen Antrag, sondern morgen als Selbständigen Antrag einbringen werde. Er behandelt im wesentlichen die Frage, ob die Sanierungsgewinne, die aus dem Unternehmensreorganisationsverfahren entstehen, der Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer nicht unterliegen sollen. Wir haben darüber diskutiert. Dieser Antrag liegt also beim Finanzausschuß und soll im Herbst gleich behandelt werden.

Meine Damen und Herren! Der Antrag des Herrn Kollegen Schreiner, der sehr viel weiter geht als der Antrag, den wir morgen einbringen werden, wird unsere Zustimmung finden. Ich befürchte nur, daß er im Hohen Haus untergehen wird.

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich weise noch darauf hin, daß die liberale Opposition ein Eurobilanzgesetz als Initiativantrag hier im Parlament eingebracht hat, von dem ich glaube, daß es eigentlich die Voraussetzung für die Unternehmensreorganisation darstellt. Denn gesunde Unternehmen haben oft aufgrund deformierter Steuerbilanzen Eigenkapitalquoten, die weit unter den von Ihnen geforderten 8 Prozent liegen. Wir glauben, daß über eine Öffnung des Handelsgesetzbuches und eine Aufwertung von Grund und Boden und beweglichem und unbeweglichem Anlagevermögen mit einem ganz besonderen Steuersatz – Sie finden das in unserem Antrag – die Möglichkeit besteht, im Zuge der Umstellung auf den Euro eine neue Bilanzwahrheit in Österreich zu erreichen und somit dem einen oder anderen Betrieb ein Reorganisationsverfahren a priori zu ersparen. Vor allem – was uns besonders wichtig ist – kann


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man auf diese Weise für österreichische Unternehmen auch den europäischen Kapitalmarkt nach Einführung des Euro öffnen. Ich bitte Sie, diesen Antrag zu prüfen und danke Ihnen schön. In der dritten Lesung werden wir insgesamt zustimmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

21.17

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe noch weniger Zeit, Ihnen den Standpunkt der Grünen zu begründen.

Wir werden diesem Gesetz ebenfalls unsere Zustimmung geben, nicht aber dem Antrag von Herrn Kollegen Schreiner. Ich möchte aber zum Ausdruck bringen, daß sich jetzt niemand der trügerischen Hoffnung hingeben sollte, daß durch dieses Gesetz Insolvenzen aufgrund wirtschaftlich schlechter Situation verhindert werden könnten. Das steht auf einem ganz anderen Blatt geschrieben! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

21.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster gelangt Herr Abgeordneter Trinkl zu Wort. – Bitte.

21.18

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder, der sich zur freien Marktwirtschaft bekennt, wird zugeben, daß auch schwache Unternehmen auf den Markt kommen, die dem Markt nicht gewachsen sind und daher wieder vom Markt verschwinden. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß damit Vermögen vernichtet wird, Arbeitsplätze verlorengehen und auch Gläubiger geschädigt werden. Ich meine trotzdem: Je früher Maßnahmen ergriffen werden, desto größer ist auch die Chance, Unternehmen zu erhalten und zu sanieren. Und gerade das ist der Ansatz dieser Novelle.

Ich möchte die Worte des Herrn Bundesminister jetzt nicht wiederholen, sondern nur kurz erwähnen: Es handelt sich hiebei einerseits um die Zurückdrängung der Abweisungen von Konkursen mangels Masse durch entsprechende Maßnahmen, weil heute tatsächlich Vermögen oft unnötig vernichtet wird und Gläubiger geschädigt werden.

Zweitens soll das Ausgleichsverfahren verbessert werden, indem in Zukunft ein Ausgleichsantrag auch schon möglich sein wird, bevor die Insolvenz eingetreten ist.

Drittens soll das Konkursverfahren nicht ein Begräbnis à la Schreiner werden, sondern das Konkursverfahren soll auch insofern die Chance einer Sanierung in sich bergen, als der Masseverwalter gezwungen wird, binnen 90 Tagen zu prüfen, ob das Unternehmen sanierungswürdig ist. Wenn es sanierungswürdig ist, dann hat er die Sanierung in Form eines Zwangsausgleichsantrages zuzulassen. Wenn das nicht möglich ist, hat er als Ganzes zu verkaufen, und erst wenn das nicht möglich ist, dann sollte er in Teilen liquidieren.

Insgesamt handelt es sich auch hiebei – wie ich meine – um eine Umdrehung in Richtung Erhaltung von Betrieben und Arbeitsplätzen soweit als möglich. Ich weiß, daß auch durch das beste Insolvenzrechtsänderungsgesetz Insolvenzen in Zukunft nicht zur Gänze vermieden werden können. Wir können aber mit einem guten Gesetz dazu beitragen, die Interessen der Gläubiger besser zu wahren, aber vielleicht auch das eine oder andere Unternehmen frühzeitig zu sanieren und damit Existenzen und Arbeitsplätze zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

21.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Johann Maier. – Bitte.

21.20

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Insolvenzrechtsänderungsgesetz ist angesichts der gegenwärtigen Problemlage ein notwendiger Schritt und muß daher ausdrücklich begrüßt werden, entgegen den Unkenrufen unserer fundamentalistischen Fraktion, die sich hier rechts befindet. (Abg. Dr. Krüger: Die Fundis sitzen aber anderswo!)


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Die Hauptprobleme, wie wir sie kennen, liegen darin, daß Unternehmer und Manager die Krisensymptome oft nicht rechtzeitig erkennen oder nicht rechtzeitig darauf reagieren. Wir wissen aber auch, daß Insolvenzeröffnungen häufig sogar sehr bewußt verschleppt werden, und uns ist bekannt, welche Probleme bei Folgekonkursen insbesondere mit Ansprüchen von Lieferanten oder Konsumenten auftreten können.

Wir wissen aber auch, daß Sanierungsversuche mitunter infolge rechtlicher Rahmenbedingungen erschwert werden, und ich erlaube mir, ganz kurz auf die verfahrensrechtlichen Probleme hinzuweisen.

Eine Reform in dieser Größenordnung war einfach notwendig, denn die Folgen der bisherigen rechtlichen Situation waren hinlänglich bekannt: Arbeitnehmer, Geschäftspartner – Konsumenten ebenso wie Lieferanten –, der Insolvenzausgleichsfonds und die Sozialversicherungsträger kamen zu finanziellem Schaden. – Lassen Sie mich ganz kurz die aktuellen Zahlen nennen: Vom Kreditschutzverband liegt die Statistik zum ersten Halbjahr 1997 vor. Die Zahl der Gesamtinsolvenzen betrug 2 434, davon mußten 1 304 mangels Masse abgewiesen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Anliegen dieses Gesetzesvorhaben ist es, die vielen Abweisungen einzuschränken. Es geht schlicht und einfach um den Begriff des kostendeckenden Vermögens. Bislang mußte das Vermögen sofort und ohne Aufwand nachgewiesen werden. Nach dieser Gesetzesvorlage kommt es nun im Konkursverfahren zu einem Prüfungsverfahren. – Sie kennen das Problem: Der junge Unternehmer mit Sportwagen wird insolvent, das Verfahren wird mangels Masse abgewiesen. Es gibt aber gleichzeitig – das ist bekannt – irgendwo versteckte Konten. Ergebnis: geschädigte Arbeitnehmer, oder der Schaden bleibt beim Insolvenzausgleichsfonds. Daher ist aus unserer Sicht eine diesbezügliche Regelung absolut notwendig.

Ich möchte noch ganz kurz auf die Neuregelung hinsichtlich der mißbräuchlichen Gläubigeranträge verweisen, für den Fall, daß Gläubiger bevorzugt ihre eigenen Ansprüche betreiben. Ich erinnere daran, daß mit diesem Gesetzesvorhaben nun auch ein Zwangsausgleich für Genossenschaften möglich werden wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es geht bei diesem Gesetzesvorhaben um die österreichische Volkswirtschaft. Es geht um die Zukunft von Unternehmen, und es geht um die Sicherheit von österreichischen Arbeitsplätzen. In diesem Sinne darf ich Sie einladen, diesem Gesetzesvorhaben Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

21.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlußwort.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 813 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Fuhrmann und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Die Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen haben einen Abänderungs- beziehungsweise Zusatzantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen des Abgeordneten Mag. Helmut Peter auf getrennte Abstimmung hinsichtlich des Art. XI vor.


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Ich werde zunächst über die von den erwähnten Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und sodann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen haben hiezu einen Abänderungsantrag hinsichtlich Art. II Z. 7 eingebracht.

Ich darf bitten, daß jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Antrag zustimmen, ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen der Bejahung. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen haben auch einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Art. XI und XII, eines neuen § 18 im bisherigen Art. XI sowie die damit verbundenen Änderungen von Artikel- und Paragraphenbezeichnungen vorsieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesen Antrag unterstützen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Fuhrmann haben Abänderungsanträge hinsichtlich Art. III Z. 6, Art. VIII Z. 4 sowie Art. X eingebracht.

Auch hier darf ich jene Damen und Herren, die diesen Teilen des Gesetzes in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Fuhrmann zustimmen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen ersuchen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den getrennt abzustimmenden Art. XI, weil getrennte Abstimmung verlangt wurde, und zwar in der Fassung des Abänderungsantrags der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Fuhrmann und Genossen, und ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die diesem Art. XI zustimmen, ein Zeichen geben. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Ich lasse als nächstes über Art. XII in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Fuhrmann abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Dies ist ebenfalls mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Schreiner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den Titel des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und abgelehnt.

Ich lasse sogleich über den Titel des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang, denn der Titel ist schon abgestimmt, in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen demnach zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über die dem Ausschußbericht 813 der Beilagen beigedruckte Entschließung betreffend Regelung über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (E  75.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 813 der Beilagen ebenfalls beigedruckte Entschließung betreffend Regelung der Entlohnung für Masseverwalter, Ausgleichsverwalter, Reorganisationsprüfer und bevorrechtete Gläubigerschutzverbände.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist einstimmig beschlossen. (E 76.)

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt.

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (737 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Bundessozialämtergesetz geändert werden (802 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 57/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Novellierung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (298 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 499/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) geändert wird (808 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 6 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Frau Berichterstatterin verzichtet auf eine Berichterstattung, weshalb wir sogleich mit den Diskussionsbeiträgen beginnen können.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Meisinger. – Bitte.

21.30

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Zum Antrag Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz: Mit dieser Änderung soll den Gemeinden im Bereich der Sondernotstandshilfe rückwirkend per Inkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes 1996 eine inhaltliche Berufungsmöglichkeit gegen Kostenvorschreibungen des Arbeitmarktservice eingeräumt und damit ein faires Verfahren sichergestellt werden. Auch sollen Gemeinden beim Landeshauptmann bezüglich mangelnder Voraussetzungen für die Gewährung von Sondernotstandshilfe Berufung erheben können.

Von den Regierungsparteien ist weiters ein Entschließungsantrag einbracht worden, der abgestuft ein Einkommen aus vorübergehender Beschäftigung für Arbeitslose, Notstandshilfe-, Karenzgeld- und Urlaubsgeldbezieher ermöglichen soll. Unsere Haltung zu diesem Antrag ist


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etwas distanziert, deshalb haben wir einen eigenen Entschließungsantrag eingebracht, wodurch eine praxisnahe Anrechnung von Nebeneinkommen, geleistet aus der Arbeitslosenversicherung des Karenzgeldes, ermöglicht werden soll.

Viele Menschen sind deshalb so lange arbeitslos, weil sie das bestehende System für die Annahme einer unter ihrer Qualifikation liegenden, kurzfristigen Beschäftigung bestraft, indem sie oftmals um das Arbeitslosengeld umfallen, die Vermittlungsbemühungen des Arbeitsmarktsservice eingestellt werden, dadurch ein späteres Arbeitslosengeld geringer ausfällt und den Betroffenen zukünftig schlechter qualifizierte Tätigkeiten zumutbar werden. Weiters sind saisonal bedingte Arbeitslose durch eine derartige Zwischenbeschäftigung vom Trinkgeldanteil oder auch von Mehrarbeitsleistungen abgeschnitten. Diese Negativentwicklung ist schon seit Jahren bekannt, die Regierung aber stört das nicht, sie dümpelt weiter in diesen Ungereimtheiten und ist nicht dazu zu bewegen, rasch Abhilfe zu schaffen.

Anstatt das knapp gewordene Geld endlich zielgerechter und effizienter einzusetzen, begnügt sich das Arbeitsmarktservice immer noch mit der Verwaltung von Arbeitslosen – anscheinend deshalb, um ihre eigenen Arbeitsplätze zu sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Trotz Ausgliederung aus dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ein zielstrebiges Vermitteln von Arbeitslosen noch immer nicht erfolgt, obwohl das Arbeitsmarktservice mehr als 100 Millionen Schilling zusätzlich für das Personal aufwenden muß. Diese Teilprivatisierung beziehungsweise Ausgliederung hat also kaum etwas gebracht, außer daß dort mehr verdient wird und anscheinend auch mehr Beschäftigte untergekommen sind.

Zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz: Vom Wirtschaftsminister wird die Entwicklung der österreichischen Insolvenzen der internationalen Konjunkturschwäche zugeschrieben, auch spricht er von strukturellen Mängeln der heimischen Wirtschaft sowie von Eigenkapitalschwäche.

Frau Bundesministerin! Meines Erachtens herrscht in der sozialistisch dominierten Regierung ein struktureller Mangel, ganz besonders in Ihren Reihen, nämlich die Unbeweglichkeit der Bundesregierung, aber auch jene der Abgeordneten der Regierungsparteien. Von Wirtschaftstreibenden, von unselbständig Erwerbstätigen Flexibilität zu verlangen, selbst aber in Versteinerung zu verharren, ist sicher kein Zeichen für die Flexibilität einer Regierung.

Als Beispiel dafür die Finanzschulden des Insolvenzfonds: Sie sind von 1,1 Milliarden Schilling im Jahr 1992 auf 3,5 Milliarden im Jahr 1993, auf 5,2 Milliarden im Jahr 1994, auf 6,3 Milliarden im Jahr 1995 und auf etwa 5 Milliarden Schilling im Jahr 1996 angestiegen. 1997 dürfte die Entwicklung etwas günstiger sein, obwohl die Beiträge um ein Vielfaches angehoben wurden.

Wenn man die überzogenen Leistungen der vergangenen Jahren betrachtet, in welchen pro Kopf zwischen 102 000 S und annähernd 500 000 S ausgegeben wurden, dann zeigt sich, daß man mit dieser Korrektur viel zu lange gewartet hat. Der Bund hat in der Zwischenzeit auch die Zinsenlast übernommen: zwischen 142 Millionen Schilling und 403 Millionen Schilling jährlich.

Ein weiteres "Gustostückerl" zum Insolvenzfonds: Man erinnere sich nur an die Bereicherung aus der "Konsum"-Pleite! Es ist bekannt, daß Generaldirektor Gerharter 52 Millionen Schilling an Abfertigungen gefordert hat und dafür auch der Insolvenzausgleichsfond gewaltig zur Kasse gebeten wurde. Wenn man weiters weiß, daß 160 Manager 920 Millionen Schilling eingefordert haben, wird deutlich, daß dieser Insolvenz-Entgeltfonds von der "vornehmen" Gesellschaft, die den österreichischen Staat immer wieder zur Kasse bittet, schändlichst ausgenützt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Insolvenzausgleichsfonds soll bis zum Jahr 2000 ausgeglichen bilanzieren, heißt es. Noch vor zwei Jahren wurde dafür das Jahr 1998 genannt, weshalb raschest Abhilfe geschaffen werden muß. Wir sind aber dagegen, daß die Arbeitnehmer in diesen Insolvenzausgleichsfonds einzahlen müssen. Auch diesbezügliche Bestrebungen waren schon im Gespräch.


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Zum dritten Punkt, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Es hat eine Verkürzung im Titel – Bundessozialamt – erfahren, diese Verkürzung wird jedoch nicht nur, was den Namen angeht, sondern auch an den Leistungen deutlich. Ein ganz markantes Beispiel sind die Impfgeschädigten in Oberösterreich, wo sich erst ein Verein gründen mußte, um dieser so schwer betroffenen Personengruppe einigermaßen zu ihrem Recht zu verhelfen.

Es ist traurig, daß die Bundesregierung immer bei den Schwächsten unserer Gesellschaft zu sparen beginnt, dort, wo der allmächtige Staat anscheinend am ehesten erfolgreich ist. Ich bringe deshalb einen weiteren Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Haller zum Antrag 499/A der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes (808 der Beilagen), betreffend praxisgerechte Anrechnung von Nebeneinkommen auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und auf das Karenzgeld

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzentwürfe zuzuleiten, die

im Arbeitslosenversicherungsgesetz

1. eine Förderung von Zwischen- und Zusatzverdiensten (auch aus nicht der Qualifikation des Arbeitslosen entsprechenden Tätigkeiten) sowie der Annahme einer Beschäftigung außerhalb der Saison trotz Einstellungszusage durch die nur teilweise Anrechnung auf das Arbeitslosengeld statt seines vollständigen Entfalles beziehungsweise der jetzigen Nichtanrechnung von geringfügigen Einkünften und

2. eine Verpflichtung des Arbeitsmarktservice zur weiteren Vermittlung auf Arbeitsplätze, die der höheren Qualifikation entsprechen, auch wenn eine schlechter qualifizierte Beschäftigung angenommen wurde sowie die Beibehaltung der ursprünglichen Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld und die ursprüngliche Zumutbarkeitsgrenze

sowie im Karenzgeldgesetz eine Durchrechnung der Einkommensgrenzen über den gesamten Zeitraum des Karenzgeldbezuges

vorsehen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, der soeben verlesen wurde, ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

21.40

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Unter den vorliegenden Tagesordnungspunkten befindet sich auch eine Novelle zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz. Erlauben Sie mir dazu drei Bemerkungen.

Erste Bemerkung: Es wird mit dieser Novelle sichergestellt – für die Gewerkschaften der entscheidende Punkt der Verhandlungen –, daß in den Fonds nicht auch die Beschäftigten einzahlen müssen; Beitragszahlungen bleiben also weiterhin den Arbeitgebern vorbehalten. Das ist


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gut so, denn uns wird vom Kreditschutzverband von 1870 alljährlich vorgerechnet, daß für die Pleiten in hohem Maße die Arbeitgeber verantwortlich sind.

Zweite Bemerkung: Die Treffsicherheit der Leistungen des Fonds wird erhöht. Wenn ein Unternehmen vom Konkursgericht als fortführungsreif anerkannt wird, dann wird durch diese Novelle die tatsächliche Fortführung erleichtert, denn die Arbeitnehmer stehen nun nicht mehr länger unter dem Druck einer Dreimonatsfrist, sondern in diesem Fall sind ihre Ansprüche bis zum Ende des Insolvenzverfahrens gesichert. Ich erlaube mir festzustellen, daß das in dieser schwierigen Zeit auch ein kleiner Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze ist.

Dritte Bemerkung: Der Mißbrauch wird abgestellt. Das ist deshalb wichtig, weil es in den letzten Jahren oftmals zur mißbräuchlichen Verwendung der Gelder des Fonds gekommen ist. Dem wird nun ein Riegel vorgeschoben. Ansprüche, die bei Konkurseröffnung älter als sechs Monate sind und nicht gerichtlich geltend gemacht wurden, wird der Fonds nicht mehr übernehmen.

Dazu eine Anmerkung: Nach der Neuregelung bleiben Ansprüche von der Deckung durch das IESG erfaßt, wenn die Arbeitnehmer selbst oder auch ihre Interessenvertretung binnen sechs Monaten nach Fälligkeit vor Gericht gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In vielen Kollektivverträgen ist vorgesehen, daß vor Befassung der Gerichte ein sozialpartnerschaftliches Schlichtungsverfahren durchgeführt werden muß, wodurch aber die IESG-Deckung nicht beeinträchtigt werden darf.

Ich erlaube mir daher, folgenden Abänderungsantrag einzubringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen zum Bericht des Sozialausschusses (802 der Beilagen) über die Regierungsvorlage 737 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Im Artikel 1 Z. 6 wird im § 3a Abs. 1 der zweite Satz durch folgende Bestimmungen ersetzt:

"Der gerichtlichen Geltendmachung steht die Einleitung eines in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorgesehen Schlichtungsverfahrens und eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission gleich. Die vorstehenden Sätze finden keine Anwendung, soweit eine Differenz zwischen unterkollektivvertraglicher und kollektivvertraglicher Entlohnung beantragt wird."

2. Im Artikel 1 Z. 18 treten im § 17a Abs. 10 und 12 jeweils anstelle des Ausdruckes "1. September 1997" der Ausdruck "1. Oktober 1997", im § 17a Abs. 10 anstelle des Ausdruckes "31. August 1997" der Ausdruck "30. September 1997" und im § 17a Abs. 11 jeweils anstelle des Ausdruckes "1. März 1998" der Ausdruck "1. April 1998".

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, daß dieser Abänderungsantrag im Hause die notwendige Mehrheit finden wird. Damit sollen auch wohlerworbene Ansprüche, insbesondere wenn Arbeitnehmer, die in Flex-Arbeitszeit tätig sind und Arbeitsgutstunden angehäuft haben, gesichert bleiben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der von Herrn Abgeordneten Nürnberger verlesene Antrag ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


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Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

21.45

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! In aller gebotenen Kürze zu diesen drei Tagesordnungspunkten: Ich kann mich zunächst den Ausführungen des Kollegen Nürnberger anschließen und sehe deutlich, daß dieser Insolvenz-Entgeltsicherungs-Antrag grundsätzlich in die richtige Richtung geht, das Paket jedoch scheint uns unvollständig geschnürt zu sein.

Wir waren der Meinung, es sollte ein ganzheitlicher Ansatz sein, der sich in der geschilderten Form mit den Leistungsbildern beschäftigt, man aber in die Finanzierung auch die Kreditinstitute et cetera einbinden sollte. Ich bringe in Erinnerung, daß auch in der Vergangenheit gelegentlich beobachtet werden konnte, daß in verschiedenen Insolvenzverfahren die eigentlichen Nutznießer des Fonds nicht sosehr die Mitarbeiter als vielmehr die Gläubiger beziehungsweise die Auffanggesellschaften waren. Daher waren wir der Meinung, daß man in die Finanzierung auch die Kreditinstitute und so weiter einbinden sollte.

Dieser Ansatz, der unter Punkt 7 auch auf der Tagesordnung stand, hat keine Wertschätzung erfahren und wurde nicht in Erwägung gezogen, was uns dazu bringen wird, grundsätzlich, einfach auch einem oppositionellen Reflex heraus, dagegenzustimmen. Die Richtung stimmt zwar, der Antrag ist uns aber zu unvollständig, weil – das ist wichtig – damit noch keine Lösung der derzeitigen Schuldensituation des Fonds gefunden wurde. Eine Lösung, zumindest ein "Lösungspfeil", wäre aber wichtig. Wir haben eine Dämpfung im Leistungsbild, aber keine Lösung der Schuldensituation.

Eine letzte Bemerkung – und es ist mir wichtig, diese hier in diesem Haus und in diesem Plenum anbringen zu können – betrifft die Entschließung, die unter 99/A zur Abstimmung gelangen wird. Ich habe es schon im Ausschuß gesagt: Diese Entschließung, über die wir im Ausschuß – ich zitiere den Kollegen Feurstein wörtlich – erfahren haben, daß sie deshalb zustande gekommen ist, weil die Bundesregierung die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien dazu beauftragt hat, hat den Schönheitsfehler, daß sie in Sinn, Zweck und Intention mit einem Antrag der liberalen Fraktion, der in der vorhergehenden Sitzung des Ausschusses auf der Tagesordnung gestanden ist und keine Mehrheit gefunden hat, vollkommen deckungsgleich ist.

Dieser Antrag wurde zuerst in der Ausschußsitzung eingebracht und hat dort zu einer nennenswerten Irritation geführt. Ich bin der Meinung, daß diese Irritation aufrecht ist, weil da Mißbrauch mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit getrieben wurde. – Ich will das an dieser Stelle sagen, damit es in den Stenographischen Protokollen vermerkt ist und nicht in den Ausschußlokalen verhallt. – Das ist eine der Formen, wie Parlamentarismus betrieben wurde! Ich sage ganz deutlich: Sie haben gestern etwas von dem geerntet, was Sie in diesem Ausschuß gesät hatten. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Seidinger. – Bitte.

21.48

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich erlaube mir, zum Antrag der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen, mit dem ein Bundesgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, geändert wird, der gerade von Herrn Dr. Kier moniert wurde, einige Bemerkungen zu machen.

Die Irritation aus dem Ausschuß ist in gemilderter Form in das Plenum getragen worden. Herr Kollege Dr. Kier, ich verstehe, daß man das im Protokoll vermerkt haben will, glaube aber, daß es jedem freisteht, Anträge einzubringen, auch wenn sie, wie Sie meinen, deckungsgleich sind und dann in dieser Art und Weise beschlossen werden.

Worum geht es? – Es geht um die Sondernotstandshilfe, um den Anspruch der Mütter für die Zeit nach dem Karenzgeld – § 39 Arbeitslosenversicherungsgesetz –, der unter anderem nur


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dann gegeben ist, wenn seitens der Gemeinde für das Kind respektive die Kinder nachweislich keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit im Sinne der Sondernotstandshilfeverordnung besteht.

Warum ist es zu dieser Änderung gekommen? – In der Vergangenheit gab es mit der Kinderbetreuung Probleme, und man hat sich deshalb mit dem Gemeinde- respektive dem Städtebund zusammengesetzt. Das hat zu Lösungen geführt, die von uns zu begrüßen sind.

Es geht um ein verstärktes Anbieten von Betreuungsmöglichkeiten und um eine verbesserte Qualität der von den Gemeinden auszustellenden Bestätigungen, nämlich insofern, als diese detaillierte Angaben über Art, Ort und Kosten der angebotenen Betreuungseinrichtungen enthalten müssen, was bisher nicht der Fall war. Für Frauen bedeutet das die Möglichkeit, konkrete Einwendungen gegen die Eignung der Unterbringungsmöglichkeit einzubringen. Das ist eine wesentliche Verbesserung.

Ein zweiter Prüfschritt ist die Auseinandersetzung der Gemeinde mit diesen Einwendungen, wobei besonders auf Kinder, die wegen einer Behinderung eine erhöhte Familienbeihilfe bekommen, Rücksicht genommen wird. In Fällen, in denen der Anspruch auf Sondernotstandshilfe versagt wird, dient als wesentlicher Schritt zur Objektivierung die Vorgangsweise, daß das AMS künftig im Berufungsverfahren anhand der Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde die vorgebrachten Einwendungen von Frauen gegen die von der Gemeinde vorgeschlagenen Unterbringungsmöglichkeiten neuerlich einer Beurteilung zu unterziehen hat. Damit wird einer wesentlichen Forderung von Vertreterinnen der Fraueninteressen entsprochen, und wir haben es mit einer wesentlichen Verbesserung der Qualität des Rechtsmittels zu tun, weil für die Vollziehung des Jugendwohlfahrtsgesetzes eine neutrale Stelle zuständig ist.

Die Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes die Gemeinden betreffend lautet in § 6 Abs. 6, 6. Satz: Gegen diesen Bescheid kann die Gemeinde Berufung an den Landeshauptmann erheben, worin sie auch die mangelnde Voraussetzung für die Gewährung der Sondernotstandshilfe wegen Vorliegen einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind geltend machen kann.

Das bedeutet, daß auch die Gemeinden in jenen Fällen, in denen sie ein Drittel zu den Kosten der Sondernotstandshilfe beitragen müssen, ein inhaltliches Berufungsrecht erhalten. Wenn Gemeinden nachweislich eine Unterbringungsmöglichkeit bereitgestellt haben, können sie gegen die Kostenvorschreibung berufen.

Ich meine, daß diese beiden Stoßrichtungen, sowohl die Verbesserung der Situation der Frauen als auch die Verbesserung der Rechtsstellung der Gemeinden, zu begrüßen sind, und ich bitte Sie, diesem Änderungsgesetz die Zustimmung nicht zu verweigern. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

21.52

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Herr Präsident! In Anbetracht der vorgerückten Stunde werde ich meine Einwände ganz kurz fassen.

Als erstes möchte ich den Vorwurf des Kollegen Kier betreffend die Ausschußarbeit bekräftigen und noch erweitern. Auch ich bin der Meinung – wir haben das schon vor mehreren Jahren in einer Entschließung gefordert –, daß das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz in die richtige Richtung geht. Es zeigt sich aber, daß das Gesetz, das angesichts der Situation des Fonds in kurzer Zeit durchgebracht werden muß, schlecht konzipiert ist.

Herr Abgeordneter Nürnberger! Erlauben Sie mir eine kleine Anmerkung zu Ihrem Abänderungsantrag: Was Sie in diesem Abänderungsantrag zu formulieren versuchten, kam nur deswegen zustande, weil wir schon in der Ausschußssitzung kritisiert haben, daß mit der Tatsache, daß Zeitguthaben nicht berücksichtigt werden, fahrlässig umgegangen wurde. Ich glaube auch


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behaupten zu können, daß die Änderung, die Sie vorschlagen, eine fahrlässige Änderung ist. Sie betrifft die Gruppen, denen durch Kollektivverträge eine sozialpartnerschaftliche Vorberatung und Einigung ermöglicht wird, jene Bereiche aber – Herr Kollege Feurstein, Sie kennen sie –, in denen es keine Kollektivverträge gibt, in denen sehr oft Zeitguthaben angesammelt werden, Sozialarbeitsbereiche, sind dabei völlig ausgeklammert.

Wenn man sich in so kurzer Zeit auf derartiges einigt, wenn sich noch während der Ausschußberatung herausstellt, daß man etwas nicht bedacht hat, und dies durch eine Einigung mit den politischen Parteien, den Koalitionspartnern oder den Sozialpartnern noch irgendwie zu reparieren versucht wird, wenn also derartiges in so kurzer Zeit und so schlecht gemacht wird, ist es meiner Meinung nach legitim, deshalb diesem Gesetz die Zustimmung zu verweigern.

Sie können, mit Verlaub, nicht behaupten, daß dieses Gesetz gut konzipiert sei. Tut mir leid! Auch das muß offensichtlich immer wieder betont werden.

Der zweite Punkt, den ich nur ganz kurz streifen will, ist die Sondernotstandshilfeverordnung. Ich finde es zwar sehr nett, aber eigentlich wenig ruhmreich, daß damit den Gemeinden ermöglicht wurde, ein eigenes Rechtsmittel zu ergreifen, und daß in diesem Paket – das wir heute nicht beschließen, sondern das irgendwann nachfolgen wird – außerdem eine Novellierung der Sondernotstandstandhilfeverordnung enthalten ist, die den Frauen die Möglichkeit gibt, gegen diesen Bescheid Berufung einzulegen.

Dabei wird aber leider nicht erwähnt, daß eine Frau unter Umständen, bis die Gemeinde ihre Rechtsmittel ausgeschöpft hat, Gefahr läuft, die Sondernotstandshilfe nicht zu erhalten. Das kann bedeuten, daß der Zeitraum der Sondernotstandshilfe schon vorbei ist, noch bevor sie endgültig zuerkannt wurde. – Das ist eine unerträgliche Situation! Wir denken, daß die Rechtsmittel für Gemeinden und für Frauen gleich sein müssen. Das sind sie nach wie vor nicht, und deshalb sind wir auch in diesem Punkt gegen die von Ihnen vorgeschlagene Novellierung. (Beifall bei den Grünen.)

21.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte.

21.56

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige Bemerkungen zu den beiden Gesetzesbereichen, die jetzt zur Debatte stehen.

Zuerst zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und zum Bundessozialämtergesetz. Im Bundessozialämtergesetz wird sozusagen gebeten, einige technische Anpassungen vorzunehmen. Die inhaltlichen Bestimmungen des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes sind im wesentlichen Anpassungen an jenes Gesetz, das Sie vor wenigen Minuten in diesem Hohen Haus beschlossen haben, wodurch eine Harmonisierung dieser beiden wichtigen Gesetze erreicht wurde.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf verweisen, daß das IESG ein sehr, sehr wichtiges, arbeitnehmerorientiertes Gesetz ist, weil es die Chance bietet, im Konkursfall, im Fall der Insolvenz, Arbeitnehmeransprüche, die sehr oft zu einer Existenzfrage für die Arbeitnehmer und ihre Familien werden, abzusichern. Ich möchte mich an dieser Stelle dafür bedanken, daß das Hohe Haus dieses wichtige Gesetz schon vor Jahren beschlossen hat.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich denke, daß mit dieser Änderung im Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz wesentliche Bestimmungen geschaffen wurden und man keine zielorientierten und treffsicheren Ansprüche, die bisher im Gesetz beinhaltet waren, herausgenommen hat. Es wird damit der Kreis der Personen, die Mittel aus dem Insolvenzausfallsgeld bekommen werden, auf jene Personen beschränkt, die auch Beiträge zur Finanzierung des IESG-Fonds leisten: Es erfolgt somit auch die Herausnahme von sogenannten arbeitnehmerähnlichen Personen. Ich glaube, daß das unserem Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Transparenz entspricht.


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Es wurde von Herrn Abgeordneten Meisinger auf die Finanzsituation des Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds Bezug genommen. Ich darf Ihnen die letzten Entwicklungen zur Kenntnis bringen: Der Rechnungsabschluß des IESG weist zum Jahresende 1996 einen Betrag von 5,9 Milliarden Schilling aus, was einen Rückgang im Vergleich zu den vergangenen Jahren bedeutet. Für Juni ist ein Betrag von 5,2 Milliarden Schilling ausgewiesen. Daraus wird die Rückführung der offenen Beträge deutlich.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Meiner Meinung nach haben wir, wenn diese Gesetzesvorlage beschlossen wird, wieder einen wichtigen Schritt zur Absicherung der Arbeitnehmerrechte, zur Harmonisierung des neuen Insolvenzrechts und damit auch zu ein bißchen mehr Gerechtigkeit getan.

Erlauben Sie mir noch einige wenige Bemerkungen zum zweiten Komplex, der hier diskutiert wird, dem Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz.

Es wurde in diesem Hohen Haus und auch gestern in der Fragestunde die Frage der Sondernotstandshilfe wiederholt angesprochen. Ich möchte nicht noch einmal auf alle Details eingehen, aber ich glaube, daß wir mit dieser kleinen Gesetzesänderung, aber auch mit jener Verordnung, die ich bereits unterschrieben habe, die in Kürze kundgemacht wird und die praktisch zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes, das heute beschlossen werden wird, Geltung erlangen wird, eine wesentlich bessere Rechtsstellung für die in erster Linie betroffenen Frauen schaffen können. Ich habe mit dem Gemeindebund und auch mit dem Arbeitsmarktservice sehr intensive Gespräche darüber geführt, daß eine entsprechende Umsetzung im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers und im Sinne der Frauen erfolgt. Es wurde mir sowohl vom Arbeitsmarktservice als auch vom Gemeindebund zugesagt, daß eine gleichlautende Information an alle arbeitslosen Notstandshilfebezieher ergehen wird und daß man deren betreuungspflichtige Situation entsprechend berücksichtigen wird.

Ich glaube, sehr geschätzte Damen und Herren, daß wir mit dem heutigen Beschluß, mit dieser Verordnung, mit der akkordierten Vorgangsweise des Gemeindebundes, aller Gemeinden und des Arbeitsmarktservice den Wünschen und Anliegen dieses Hohen Hauses Rechnung tragen, aber in erster Linie natürlich insbesondere den Frauen mit Betreuungspflichten entgegenkommen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.02

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz ist schon fast alles gesagt worden. Ich möchte nur noch einen Gesichtspunkt ergänzen.

Uns geht es bei dieser Novellierung natürlich auch darum, daß neben der Sicherung von gerechtfertigten Ansprüchen von Arbeitnehmern auch eine längerfristige Sanierung dieses Fonds möglich ist, der zur Sicherung der Entgeltansprüche eingerichtet worden ist. Wir wissen, daß dieser Fonds derzeit einen sehr hohen Schuldenstand hat. Dieser soll abgebaut werden, und in den letzten Monaten ist dies auch teilweise gelungen. Weitere Schuldentilgungen sind in der nächsten Zeit sicherlich notwendig.

Ich möchte einer Feststellung des Herrn Abgeordneten Öllinger entgegentreten: Die Arbeitszeitflexibilisierung setzt grundsätzlich Kollektivverträge voraus. Wenn es Kollektivverträge für die Flexibilisierung gibt, so gelten diese natürlich auch bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Sinne des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes. Es ist also meiner Ansicht nach nicht richtig, daß aufgrund des Arbeitszeitgesetzes Situationen eintreten können, in welchen das passiert, was Sie in Ihrer Rede erwähnt haben. Noch einmal: Ich bin eher der Meinung, daß die Rechte der Arbeitnehmer gewahrt sind. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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Ich möchte auch ganz kurz über eine andere Sache berichten, die wir leider im Rahmen dieser Sitzung nicht bereinigen konnten, was ich zutiefst bedauere: Wir haben vor wenigen Monaten, im Mai 1997, das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz hier im Hohen Haus beschlossen. Wir haben im Rahmen dieses Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes auch eine EU-Richtlinie umgesetzt, und zwar haben wir in § 19 des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes die neue Bestimmung verankert, daß dann, wenn ein Lehrling unter 19 Jahren an einem Samstag beschäftigt wird, ihm zwei Tage Freizeit gewährt werden müssen. Das heißt also, daß die Wochenfreizeit in diesem Fall erst Dienstag früh endet. Das ist natürlich für bestimmte Berufszweige eine sehr große Härte, denken wir in diesem Zusammenhang vor allem etwa an Bäckereien, an Konditoreien oder an das Fleischergewerbe. Und diese Härte wird – so fürchte ich und muß ich befürchten – im heurigen Sommer auch insofern Konsequenzen haben, als nämlich Bäckereibetriebe, Konditoreibetriebe oder Betriebe des Fleischergewerbes keine Lehrplätze anbieten, die wir für die Schulabgänger aber dringend benötigen würden.

Wir haben heute den ganzen Tag lang versucht, mit den Vertretern des ÖGB Verhandlungen zu führen und hiefür eine Lösung zu finden. Leider muß ich sagen, daß der Vorschlag, der uns im Rahmen der heutigen Sitzung präsentiert wurde, das Problem unserer Meinung nach nicht löst. Das bedeutet konkret, daß für den heurigen Sommer zu befürchten ist, daß vielleicht mancher junge Mann und manches junge Mädchen eine Lehrstelle, die ihm oder ihr schon zugesagt worden ist, nicht bekommen wird. Ich bedauere dies zutiefst, das möchte ich hier wirklich ganz klar zum Ausdruck bringen!

Frau Ministerin! Ich möchte Sie – damit man das auch in der Öffentlichkeit entsprechend vertreten kann – wirklich bitten, daß Sie in einer Erklärung heute zum Ausdruck bringen, daß Sie sich persönlich so wie wir – und ich bitte auch unseren Koalitionspartner, mitzuwirken! – darum bemühen werden, bis zur ersten Sitzung im September eine Lösung zu finden, die den Wünschen, Anliegen und Vorstellungen der Lehrlinge und auch den Vertretern des Berufstands der Bäcker, Konditoren und Fleischer entspricht; ich schließe hiebei auch das Handelsgewerbe mit ein, denn in Handelsbetrieben kann die gleiche Situation auftreten wie in den zuvor genannten Gewerben. Ich sage hier ganz deutlich: Es geht uns in diesem Fall weniger um die Unternehmen und um die Lehrherren, sondern vor allem um die Lehrlinge. Denn wir haben die Verantwortung, für die Lehrlinge eine Lösung zu finden, damit sie Lehrplätze bekommen und nicht im Herbst ohne Arbeitsplatz dastehen.

Frau Ministerin! Vielleicht ist es Ihnen möglich, heute noch eine solche Erklärung abzugeben, um eine gewisse Klarheit für die Zukunft und besonders für den kommenden Herbst zu schaffen. Ich glaube, daß die Bereitschaft, eine vernünftige Lösung zu finden, auf beiden Seiten gegeben ist, und das sollte in der Öffentlichkeit auch deutlich bekundet werden! (Beifall bei der ÖVP.)

22.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Bundesministerin Hostasch hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

22.08

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Feurstein! Ich möchte grundsätzlich festhalten, daß dieses Gesetz, so wie alle Vorhaben, einer entsprechenden Vorberatung und Begutachtung sowie einer umfassenden Diskussion unterzogen wurde. Dementsprechend wurden alle Einwendungen, die von der einen oder der anderen Seite gekommen sind, in den Verhandlungen diskutiert und nach Möglichkeit auch berücksichtigt. Auch im Sozialausschuß wurde seitens der Damen und Herren Abgeordneten eine gemeinsame Beschlußfassung vorgenommen, daher ist es mir kurzfristig nicht möglich, eine offizielle Absicherung für eine weitere Vorgangsweise zu geben.

Trotzdem möchte ich mich klar und deutlich dazu bekennen, daß ich natürlich jedes Interesse daran habe, daß jeder Jugendliche eine Chance auf einen Lehrplatz beziehungsweise auf Weiterbildung erhält beziehungsweise jedem Mädchen und jedem Burschen entsprechende Berufsperspektiven eröffnet werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es entspricht meinem bisherigen Arbeitsverständnis, daß ich hier jede Initiative der Sozialpartner unmittelbar aufnehme, um gemeinsam mit ihnen zu dem Ergebnis zu kommen, das für jene, die dann letztlich die gesetzlichen Regelungen umzusetzen haben, das erwünschte Ergebnis ist. Wenn die Sozialpartner an mich herantreten, werde ich selbstverständlich zu jeder Zeit Gespräche aufnehmen, um im Herbst zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung wurde nicht begehrt.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, die ich über jeden Antrag getrennt vornehme.

Zuerst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 802 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. I Z. 6 und Z. 18 eingebracht.

Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte diejenigen, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Teil ist mit Mehrheit angenommen worden.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen betreffend praxisgerechte Anrechnung von Nebeneinkommen auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und auf das Karenzgeld.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 298 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen worden.

Jetzt stimmen wir aber über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 808 der Beilagen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Gesetzentwurf ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen zur dritten Lesung.


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Diejenigen, die in dritter Lesung dafür sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 808 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte diejenigen, die für diese Entschließung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen worden. (E 77.)

Damit sind diese Punkte der Tagesordnung erledigt.

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 308/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Sicherstellung der Dotierung des "Nationalfonds zur besonderen Hilfe für Behinderte" (803 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 320/A der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Feiertagsruhegesetz sowie das Arbeitsruhegesetz geändert werden (804 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 223/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend umfassende Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten (805 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 297/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Familienbeihilfe für ausländische Mitbürger (806 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 393/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Untersuchung zur "Bit-Steuer" (807 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 495/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Schaffung eines Rechtsmittels hinsichtlich der Eignung einer Kinderbetreuung nach der Sondernotstandshilfe-Verordnung beim AMS (809 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (735 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit (810 der Beilagen)


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16. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (769 der Beilagen): Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit (811 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 9 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen sofort in die Debatte ein.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Dolinschek das Wort. – Bitte. Die Restredezeit Ihrer Fraktion beträgt noch 17 Minuten.

22.14

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da wir jetzt in einem Block sechs Anträge und zwei Regierungsvorlagen behandeln, wird es mir nicht möglich sein, zu jedem einzelnen Punkt Stellung zu beziehen. Ich werde mich daher auf das Wesentliche beschränken und fange mit dem Nationalfonds an.

Der Antrag 308/A des Kollegen Kier hat zum Ziel, eine bessere finanzielle Absicherung des Nationalfonds zur besonderen Hilfe für Behinderte herbeizuführen. Ich bin froh, daß wir im Sozialausschuß einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller fünf Fraktionen zustande gebracht haben, gemäß welchem für eine ausreichende finanzielle Absicherung für die Jahre 1998 und 1999 gesorgt wird, damit der Nationalfonds eine ausreichende Summe zur Verfügung hat, um jene Aufgaben der subsidiären Hilfestellung für Behinderte, die ihm übertragen wurden, auch wahrnehmen zu können.

Der Antrag 320/A des Kollegen Haselsteiner betreffend das Feiertagsruhegesetz sowie das Arbeitsruhegesetz strebt die Abschaffung der Feiertage am 15. August und 8. Dezember an, und zwar mit der Begründung der Senkung der Arbeitskosten durch die Verringerung der Anzahl der Feiertage. Weiters steht in dem Antrag, daß sich durch den Wegfall von zwei Feiertagen eine Erhöhung der Produktivität und eine effizientere Nutzung der Produktionsanlagen aufgrund der stärkeren Auslastung ergeben. – Dazu stelle ich die Frage: Wer wird eigentlich daran gehindert, an Feiertagen zu produzieren, solange mit Feiertagszuschlägen gearbeitet wird und diese auch ausbezahlt werden? – Daran wird niemand gehindert! Deswegen brauchen wir keine Feiertage abzuschaffen.

In der Begründung heißt es, daß ein Feiertag die österreichische Wirtschaft 0,43 Prozent der Jahreslohnsumme kostet. – Im Prinzip ist ein Feiertag aber eine bezahlte Freizeit, also gewissermaßen ein Bestandteil des Lohnes, der auch – eben in Form von Freizeit – bezahlt werden muß, sonst liegt eine Lohnreduktion vor.

Wenn im Zusammenhang mit dem 8. Dezember argumentiert wird, daß an diesem Feiertag im Bereich des Handels mehrere Milliarden Schilling ins benachbarte Ausland fließen, dann muß ich sagen: Mir kommen gleich die Tränen, sehr geehrte Damen und Herren! Wieso fährt denn jemand ins Ausland, um einzukaufen? – Man kauft dort ein, weil es billiger ist. Man fährt dorthin, weil es einem dort gefällt, man fährt ins Ausland, um Urlaub zu machen. Man schaut sich gerne andere Länder an! Wir sind auch froh, wenn Touristen zu uns kommen und hier etwas konsumieren und einkaufen! Es kann nicht nur einer gewissen Klientel vorbehalten sein, die Möglichkeit zu haben, dort einzukaufen, wo es billig ist, während jemand, der unselbständig erwerbstätig ist, diese Möglichkeit nicht hat.

Für die in diesem Antrag vorgesehene Reduzierung der Feiertage und damit eine Lohnreduktion bin ich nicht zu haben. Es sind nicht die Arbeitnehmer dafür verantwortlich, daß es höhere Lohnnebenkosten gibt. Dieser Antrag bedeutet für Arbeitnehmer ein Lohnsenkung und eine


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Schlechterstellung, er bedeutet eine Arbeitzeitverlängerung ohne Lohnausgleich und einen Kaufkraftverlust für die Inlandsnachfrage. – Auch wir treten natürlich für eine Verringerung der Lohnnebenkosten ein, aber nicht zu Lasten der Arbeitnehmerrechte, sondern durch eine Verringerung der Belastung durch die Verwaltung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das, was Kollege Haselsteiner in seinem Antrag fordert, ist ein enormer Einschnitt in Arbeitnehmerrechte. Und wenn es heute den 15. August und den 8. Dezember betrifft, dann könnten es morgen Christi Himmelfahrt und Fronleichnam sein, die immer auf einen Donnerstag fallen. Das würde aber auch unser Gastgewerbe schädigen! Denn wenn ein verlängertes Wochenende möglich ist, dann bedeutet das für den Tourismus und das Gastgewerbe mehr Geschäft. Wenn die Zahl dieser Feiertage also reduziert wird, dann fällt dieses Geschäft auch weg und im Gastgewerbe ist noch weniger zu verdienen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn das so weitergeht, dann werden schließlich auch noch die Sonntage und sämtliche Feiertage aufgelassen werden, und wenn all das zu Lasten der Arbeitnehmer geht, dann verdienen diese nichts mehr und können auch nichts mehr kaufen. Das wollen wir doch alle nicht, denn dann sind wir nur noch auf das angewiesen, was wir exportieren! Das kann doch nicht der Sinn und Zweck des Ganzen sein!

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme schon zum Schluß. Ich möchte nur noch ganz kurz zu den Berufskrankheiten Stellung nehmen. Der Antrag, der uns hier vorliegt, ist angesichts der zögernden Haltung hinsichtlich der Erweiterung der Berufskrankheitenliste in Österreich positiv zu sehen. Diese Liste ist in Österreich im Vergleich zum Ausland eher eng gehalten. Eine Anpassung der Berufskrankheitenliste entsprechend der Empfehlung der Europäischen Kommission ist aus meiner Sicht nur zu empfehlen und durchaus in unserem Sinne. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.19

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß die Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung den Antrag gestellt haben, einen Untersuchungsausschuß betreffend die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung sowie die vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Kurden-Morden einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte wurde nicht verlangt.

Die Abstimmung findet gemäß § 33 Abs. 2 GOG nach Erledigung dieser Tagesordnung statt.

*****

Nunmehr ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer zu Wort gemeldet. – Bitte.

22.19

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Anträgen bezüglich Aufnahme von weiteren Krankheiten in die Berufskrankenheitenliste möchte ich feststellen, daß dies als sehr positiv zu bewerten ist. Um aber den Anforderungen der EU zu entsprechen, wird noch einiges getan werden müssen. Denn es gibt noch viele Bereiche, in denen die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit wichtig wäre. Beispielsweise können bei einer angelernten Schneiderin nach 25 Jahren Berufstätigkeit aufgrund ihrer gebückten Haltung an der Nähmaschine Wirbelsäulenschäden auftreten, die von heute auf morgen zum Ausbruch kommen können. Diese Personen haben keinen Schutz, obwohl Fachärzte sagen, daß sie ihren Beruf nie mehr ausüben können werden.

Zur Berufskrankheitenliste wäre noch zu sagen, daß diese die gängigen modernen Berufe nicht erfaßt, da eine Krankheit erst nach jahrelangen wissenschaftlichen Untersuchungen als Berufs


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krankheit anerkannt wird. Trotzdem bin ich froh darüber, daß wir jetzt weitere Krankheiten in die Berufskrankheitenliste aufnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Arbeitnehmervertreterin bin ich entsetzt über den Antrag der Abgeordneten Haselsteiner und Genossen, in welchem die Abschaffung von zwei Feiertagen verlangt wird, um dadurch eine höhere Produktivität zu erreichen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Antragsteller die Veränderungen der Produktivität der letzten – sagen wir einmal – fünf Jahre kennen, sonst müßten sie wissen, daß die ständigen Veränderungen der oft hochtechnisierten Maschinen dem Arbeitnehmer keine Verschnaufpausen mehr ermöglichen. Es sollten eigentlich die Maschinen den Menschen angepaßt werden – und nicht umgekehrt der Mensch der Maschine. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Antragsteller können nicht wirklich wissen, was das für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bedeutet, die bei schwerer Arbeit unter ständigem Produktionsdruck mit voller Konzentration an den Maschinen ihre Leistungen erbringen müssen und nach acht Stunden dringend ihre Erholungsphasen benötigen. Denn je länger diese Tätigkeiten ausgeführt werden, desto mehr Zeit braucht der Mensch, um sich zu erholen. Deshalb bieten diese Feiertage auch eine Chance, ein bißchen mehr Kraft zu tanken. Es ist nämlich keinem Arbeitgeber gedient, wenn die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an einem Arbeitsplatz, an dem es lange Anlernzeiten gibt, wie das bei hochtechnisierten Maschinen eben der Fall ist, und der eine hohe Konzentrationsfähigkeit erfordert, aufgrund zu kurzer Erholungsphasen schneller krank oder krankheitsanfälliger werden. Ich lobe jene Arbeitgeber – solche gibt es auch –, die nicht nur an Maschinen und Produktivität, sondern auch an das Wohl der Arbeitnehmer denken, denn gerade mit zufriedenen und motivierten Arbeitnehmern erreichen sie auch die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb, meine sehr geschätzten Damen und Herren, lehnen wir Sozialdemokraten diesen Antrag ab. (Beifall bei der SPÖ.)

22.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die Redezeit für Ihren Klub beträgt noch insgesamt 14 Minuten. Auf Ihren Wunsch stelle ich 5 Minuten ein.

22.24

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der zweite Block von Verhandlungsgegenständen zu sozialen Fragen enthält auch eine Materie, die meine Fraktion beantragt hat und die glücklicherweise – das kontrastiert jetzt zu meiner vorigen Wortmeldung – im Ausschuß eine gegenläufige Entwicklung genommen hat. Aus unserem Antrag 308/A (E), der hier unter Tagesordnungspunkt 9 in Verhandlung steht, wurde im Ausschuß ein Fünf-Parteien-Antrag, und wir haben eine Fünf-Parteien-Entschließung beschlossen. Ich meine, daß das ein Beispiel dafür war, daß so etwas auch im konstruktiven Sinn möglich ist. Frau Abgeordnete Bauer! Sie schütteln den Kopf? (Abg.  Sophie Bauer: Das ist betreffend die Abschaffung der Feiertage nicht der Fall!) Ich rede jetzt von Punkt 9! Sie werden sich den Tagesordnungspunkt etwas genauer anschauen müssen. Bedauerlicherweise hat die Präsidiale sehr unterschiedliche Themen unter einem zusammengefaßt. Dafür kann ich nichts.

Ich habe jetzt von Punkt 9 gesprochen. Zu diesem gibt es eine einstimmig beschlossene Entschließung, basierend auf einem Antrag meiner Fraktion. Dieser beschäftigt sich nicht mit den Feiertagen, sondern mit dem Nationalfonds zur besonderen Hilfe für Behinderte. Ich habe vorhin gesagt, daß ich in derselben Ausschußsitzung über etwas anderes etwas irritiert war, ich betone aber nun gerne, daß ich in diesem Fall nicht irritiert war!

Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin zum Antrag meines Kollegen Haselsteiner möchte ich sagen: Sie betrachten die Sachen wirklich extrem verkürzt! (Zwischenruf des Abg. Dolinschek. ) Ich möchte Ihnen das nur sagen. Über die Frage, ob wir bei fünf Wochen Urlaub und Beibehaltung aller Feiertage nicht insgesamt unter zu großem Druck sind, muß man meiner Meinung nach anders diskutieren. (Abg. Sophie Bauer: Das ist eine Tatsache, Herr Kollege!) Es


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hat doch keinen Sinn, im Hinblick auf diesen Antrag so zu jammern, als ob es um Tod oder Leben ginge, noch dazu, da es hiebei um Feiertage mit einem fixen Datum geht, die bestenfalls vier Jahre lang in der Arbeitswoche liegen und zwei oder drei Jahre lang ohnedies auf ein Wochenende fallen. Sie wissen auch ganz genau, was für ein Feiertag der 8. Dezember ist. Sie wissen ganz genau, wie scheinheilig im Hinblick darauf von allen Seiten Druck gemacht wird! (Zwischenruf des Abg. Dolinschek. )

Darüber kann man doch diskutieren! Aber wenn man quasi in einer Art von bedingtem Reflex sagt: Das sind zwei Marienfeiertage und die sind mir, denn ich bin Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, heilig, dann ist das der falsche Zugang! Machen Sie ein Bargaining daraus! Reden Sie über die gesamte Jahresarbeitszeit, und schauen Sie, wie Sie das unterbringen! Aber agieren Sie nicht einfach so, wie Sie das soeben getan haben! Das ist mir zu billig! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich verstehe, daß Ihnen das nicht recht ist. Das kann ich akzeptieren! Ich bin zum Beispiel auch der Meinung, daß es eventuell eine gute Idee wäre, wenn wir den Karfreitag zu einem allgemeinen gesetzlichen Feiertag erklärten, damit unsere evangelischen Mitbrüder nicht dadurch quasi diskriminiert werden, daß dieser nur für sie ein Feiertag ist. Aber das wird man jetzt nicht spielen. Jedenfalls ist es mir aber zu billig, wenn jetzt so argumentiert wird, wie Sie das tun; ich sage Ihnen das ganz deutlich. Ich mag das nicht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Immer nur scheinheilig so zu tun als ob, aber vorhin den Nationalfonds für die Behinderten auszuräumen, das ist nicht gut! (Abg. Silhavy: Das ist jetzt aber auch billig!) Es ist nicht gut, wenn man nur dann handelt, wenn man dazu getrieben wird. Zuerst wollte man mir einreden, daß ich den Antrag zum Nationalfonds überhaupt zurückziehen soll. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie waren nicht im Ausschuß, oder? – Also!

Zuerst sagten Sie: Ziehen Sie doch den Antrag zurück! – Darauf sagte ich: Nein, ich ziehe ihn nicht zurück. Stimmen Sie ihn nieder, wenn Sie ihn nicht wollen. – Darauf sagte Kollegin Reitsamer: Das wäre Ihnen recht, wenn wir gegen die Behinderten stimmen würden! – Dann, nach einer Debatte war es dann auf einmal ein Fünf-Parteien-Antrag! Ich will Ihnen nur die Atmosphäre beschreiben. Über das andere ist gar nicht diskutiert worden. – Sehen Sie, das ist mir wichtig, der Umgang miteinander ist mir wichtig. Denn so geht es nicht!

Daher halte ich jetzt noch etwas fest, bevor ich zum Schlußsatz komme. Es sind heute auch zwei Sozialabkommen auf der Tagesordnung, und zwar mit Mazedonien und mit Slowenien. Diese zwei Sozialabkommen sind nur deswegen notwendig geworden, weil Sie vorher Sozialabkommen, die wesentlich besser waren, gekündigt haben. Ihre Fraktion hat keinerlei Bedenken gehabt, Sozialabkommen zu kündigen, um nachher neue abzuschließen, durch die die betroffenen ausländischen Mitarbeiter wesentlich schlechter gestellt sind. Das hat Sie nicht gestört! Da waren Sie ganz begeistert. Diesen Sozialabkommen werden wir daher nicht zustimmen. Denn dies ist ein klassischer Fall, mit dem Sie Ungleichheit für gleiche Menschen schaffen. (Beifall des Abg. Öllinger. ) Das stört Sie nicht, aber der 8. Dezember ist Ihnen wichtig! Das ist, mit Verlaub gesagt, nicht das, was ich mir unter redlichem Verhalten vorstelle. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

22.29

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir beschäftigen uns bei diesen Tagesordnungspunkten mit den Sozialgesetzen, und wie Sie bei den Ausführungen meiner Vorredner schon gehört haben, fließt da auch einiges an Emotionen ein.

Zum Antrag des Herrn Abgeordneten Haselsteiner bezüglich Veränderung der Feiertagsruhe unter Bezugnahme auf das Arbeitsruhegesetz: Es ist keine Frage, daß wir über Veränderungen, welcher Art auch immer, diskutieren müssen. Für diesen Antrag werden Sie jedoch unsere Zustimmung nicht bekommen. Dieser stellt für mich einfach nur eine strikte Vorgabe dar. Das ist


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ideenlos! Wir müssen in vielen Dingen korrekt miteinander reden. Aber Sie werden doch nicht annehmen, daß wir Ihnen dann, wenn Sie nichts anderes vorschlagen, als nur, daß der 8. Dezember und der 15. August gestrichen werden sollen, unseren Beifall geben.

Zum zweiten: Herr Abgeordneter Öllinger hat einen Antrag eingebracht. Mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit möchte ich nur kurz auf die wesentlichen Dinge der Erweiterung der Liste von Berufskrankheiten eingehen. Wenn Sie den Antrag lesen, dann muß Ihnen etwas auffallen. Es steht dort ganz klar: Die derzeit in Österreich gültige Liste der Berufskrankheiten enthält 46 Positionen. Dann steht, daß Sie auf die Empfehlung der Kommission, in der es 93 Positionen gibt, kommen wollen. Das macht einen großen Unterschied: Die 46 gültigen stellen eine Rechtsgrundlage dar, die anderen aber sind bloße Empfehlungen!

Das war der Grund, warum wir Ihren Antrag nicht angenommen haben. Herr Öllinger! Es tut mir leid, aber es ist so.

Ich darf Ihnen weiters sagen, daß wir nicht leichtfertig an die Sache herangehen. (Abg. Öllinger: O ja!)  – Nein, nein! Wir befassen uns damit sehr gründlich und haben deshalb auch einen Entschließungsantrag eingebracht, der dem Antrag beiliegt und in dem Sie lesen können, daß wir die Frau Bundesminister dazu auffordern, das ASVG diesbezüglich weiterzuentwickeln, nicht aber ideenlos die Anzahl der Positionen von 46 auf 93 zu erhöhen, sondern vielmehr, die Liste anlaßbezogen zu erweitern. (Abg. Öllinger: Warum? Das ist Ideenklau!)

Herr Kollege! Sie wissen, daß wir schon heute im ASVG eine Generalklausel haben, wonach wir, nach entsprechender medizinischer, fachärztlicher und wissenschaftlicher Begutachtung, jedem, der an einer besonderen Krankheit leidet oder eine Erwerbsminderung unter 50 Prozent hat, Berufsunfähigkeit oder Berufskrankheit zuerkennen können. Das ist Ihnen hinlänglich bekannt, weshalb auch dieser Antrag, wie Sie ihn eingebracht haben, nicht unsere Zustimmung findet. – Das wird Sie nicht wundern, nehme ich an.

Zum letzten Antrag betreffend die Bescheinigung der Gemeinden im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung bei Sondernotstandshilfe. Es ist von uns dazu ebenfalls eine Entschließung vorgelegt worden. Wir glauben, daß wir voriges Jahr eine richtige Entscheidung im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes getroffen haben, müssen aber jetzt insofern eine Nacharbeit leisten, als wir mit dem AMS mittels einer Verordnung, die noch vorgelegt werden wird, innerhalb von zwei Monaten eine neue Linie finden und damit den Gemeinden die Administration erleichtern werden.

Herr Abgeordneter Kier! Sie haben sich darüber gewundert, daß Ihr Nationalfonds-Antrag bei uns im Ausschuß diskutiert wurde. – Warum denn nicht? Sie haben darauf hingewiesen, daß der Fonds im Jahr 1994 mit 19,1 Millionen dotiert war, im Jahr 1995 mit nur 9,6 Millionen, und daß es für 1996 und 1997 nur sogenannte Anmerkungsdarstellungen gibt. Warum das? – Weil es aus den Vorjahren noch genügend Mittel gibt. Gerade dieser Frage stehen wir aber sehr offen gegenüber, sonst hätten wir nicht gestern die verfassungsmäßige Anerkennung der Behinderung und deren Gleichstellung hier beschlossen. Auch diesbezüglich – darüber freue ich mich sehr – haben wir einen gemeinsamen Entschließungsantrag verfaßt und damit die Bundesregierung ersucht, bei der Vorbereitung der Budgets 1998 und 1999 eine ausreichende Dotierung für den Nationalfonds vorzusehen.

Bezüglich der Sozialabkommen mit zwei Staaten möchte ich bemerken, daß diese neuen Abkommen der internationalen Normierung entsprechen und – so denke ich – zur richtigen Zeit und in der entsprechenden Qualität vorliegen. Diesen beiden Abkommen werden wir die Zustimmung geben, bei allen anderen Anträgen wird eine differenzierte Haltung unseres Klubs zum Tragen kommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)


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22.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 5 Minuten, die Gesamtredezeit der Fraktion noch 9 Minuten.

22.34

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Abgeordneter Donabauer müßte es als Obmann einer Sozialversicherungsanstalt eigentlich schon etwas besser wissen.

Herr Abgeordneter Donabauer! Vielleicht sind Ihre Kenntnisse über die einschlägigen Bestimmungen aufgrund der vielen Zeit, die Sie im Parlament verbringen, nicht so ausgeprägt, daß Sie unserem Antrag folgen konnten. Es wäre aber sehr einfach zu erkennen gewesen, daß es sich bei der europäischen Liste der Berufskrankheiten natürlich um eine Empfehlung mit europäischem Rechtscharakter handelt. Es gibt ja einen eindeutig hierarchischen Aufbau der Rechtsordnung. Es ist keine Verordnung oder Richtlinie, sondern eine Empfehlung. Die Europäische Kommission erwartet von ihren Mitgliedsländern aber schon, daß diese ihre Empfehlungen auch einigermaßen ernst nehmen. (Abg. Donabauer: Die Qualität des Antrags, Herr Kollege!) Herr Abgeordneter Donabauer! Sie haben demonstriert, daß Sie das nicht ernst nehmen, sondern daß das für Sie irgend etwas ist, das auf europäischer Ebene zwar diskutiert wurde, mit dem man sich aber nicht näher auseinanderzusetzen braucht.

Unser Antrag hat eigentlich die Intention gehabt, über diese Empfehlung hinauszugehen. Sie haben auf die sogenannte Generalklausel verwiesen. Das ist aber keine echte Generalklausel – was wir in unserem Antrag auch hinlänglich beschrieben haben –, obwohl sie Anspruch darauf erhebt. Herr Abgeordneter Donabauer! Wir wollten sie zu einer echten Öffnungsklausel umbauen, denn nur so würden Sie als Obmann einer Sozialversicherungsanstalt überhaupt in die Lage versetzt werden, zu erkennen, was berufsbedingte Krankheiten, Berufskrankheiten im engeren Sinn, sind. Die Kosten dafür hätte dann nicht mehr der Sozialversicherungsträger – in Ihrem Fall etwa die Sozialversicherungsanstalt der Bauern – zu tragen, sondern müßten von der Unfallversicherungsanstalt getragen werden.

Wenn Sie sich für Ihre Sozialversicherungsanstalt mit dieser Systematik einverstanden erklären würden, dann müßten Sie bei diesem Antrag doch jubilieren, denn selbstverständlich würde dadurch Ihre Anstalt kostenmäßig entlastet. Sie aber stellen sich als Obmann Ihrer Sozialversicherungsanstalt hin und sagen: Das macht uns alles nichts aus, wir zahlen gerne, Hauptsache, der Antrag wird nicht angenommen! – Nur so ist Ihre Wortmeldung zu verstehen, und das ist doch etwas zu billig.

Herr Abgeordneter Donabauer! Ich sage Ihnen eines: Das Problem bei diesem Antrag – es war ein "gut abgehangener" Antrag – war, daß er immer wieder vertagt wurde. Jetzt endlich mußten sich die Regierungsparteien dazu entschließen, irgendetwas damit zu machen. Meine Damen und Herren! Und was haben Sie schließlich daraus gemacht? – Einen knieweichen Antrag, daß diese Liste der Berufskrankheiten irgendwie erweitert werden soll.

Frau Abgeordnete Bauer! Ich bin ganz bei Ihnen, wenn Sie meinen, daß die von Ihnen geschilderten Krankheiten in einer Liste von Berufskrankheiten anerkannt werden sollen. Aber wenn wir dieses Problem in einem halben Jahr, wenn diese Anpassungen von der Sozialministerin vorgenommen sein werden, diskutieren werden, dann werden, so vermute ich, diese Krankheiten nicht darin enthalten sein. Wissen Sie, warum? – Weil das der Unfallversicherungsanstalt Kosten verursachen würde und weil die UVA viel lieber als Sparkasse des Finanzministers benutzt wird, aus der man jedes Jahr – weil sie immer Vorräte ansammelt, die sie nicht verbraucht – Mittel ins Budget transferieren kann, und weil sie nicht das tut, wozu sie auch da ist, nämlich um Prävention zu betreiben.

Soviel zu diesem Thema und zum Umgang der Regierungsparteien mit einer höchst sensiblen und verantwortungsvollen Frage. Ich konnte nicht erkennen, daß damit verantwortungsvoll umgegangen worden wäre, weil nicht eine einzige Debatte über die Krankheiten, die Sie, Kollegin Bauer, angesprochen haben, stattgefunden hat. Auch das hätte ich gerne im Ausschuß intensiv besprochen. Ich schließe mich nicht der Aussage des Abgeordneten Donabauer an: Was die auf europäischer Ebene diskutieren, das brauchen wir alles nicht! – Ich finde, daß gerade Sie von der sozialdemokratischen Fraktion in dieser Frage weitgehend versagt haben.


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Daß der Herr Abgeordnete Donabauer als Obmann einer Sozialversicherungsanstalt damit ein Problem hat, ist ein anderes Kapitel.

Wir werden deshalb auch dem Ausschußbericht, obwohl er sich auf unseren Antrag bezieht, nicht zustimmen können.

Im übrigen kann ich das, was Abgeordneter Kier in bezug auf die Sozialabkommen gesagt hat, nur unterstreichen. – Meine Damen und Herren, egal, ob sozialdemokratisch oder christlich sozial: Sie haben sich schäbig verhalten, absolut schäbig, indem Sie jenen Kolleginnen und Kollegen, die wie jeder andere Mensch in diesem Land arbeiten und Steuern und Abgaben zahlen, die Leistungen aus diesen Abgaben und Steuern verweigern, nämlich die Familienbeihilfen. Das ist schäbig und äußerst gemein von Ihnen, weil sich diejenigen, die davon betroffen sind, am wenigsten wehren können, und sie haben auch von den Interessensorganisationen der Arbeitnehmer keine Unterstützung erfahren. Sie sollten sich das hinter die Ohren schreiben, denn dafür werden Sie noch irgendwann bezahlen müssen, und zwar insofern, als sich diese Menschen, die seit Jahren in unserem Land arbeiten, irgendwann einmal mit diesem Land nicht mehr anfreunden können werden.

Das ist auch das Problem, das wir mit Ihrer Haltung haben: Sie wollen eine billige, schäbige Ausländerpolitik auf Kosten der Ausländer machen, die nur jenen im Hohen Haus nützt, die genau das von Ihnen erwarten. Das ist es, was zu diesem Kapitel zu sagen war, und ich denke, das reicht. (Beifall bei den Grünen.)

22.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Donabauer hat eine tatsächliche Berichtigung beantragt. – Bitte Herr Abgeordneter. Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

22.40

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es ehrt mich zwar, daß sich Herr Kollege Öllinger in seiner Rede überwiegend mit mir beschäftigt hat, ich muß ihn aber tatsächlich zweimal berichtigen.

Herr Kollege! Zum ersten müssen Sie wissen, daß die Leistungen bei einer Berufskrankheit nach dem BSVG und nicht von der AUVA bezahlt werden, weil das BSVG die Kombileistung in der rechtlichen Normierung beinhaltet.

Zum zweiten muß ich Sie tatsächlich berichtigen, weil ich mich hier nicht leichtfertig geäußert habe, sondern sagte: Wir haben die Frau Bundesminister im Entschließungsantrag aufgefordert, bei der nächsten ASVG-Novelle die Berufskrankheitenliste entsprechend der Empfehlung der Europäischen Kommission, bedarfsorientiert auf unser Land, zu erweitern. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Knieweich!)

22.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Bundesministerin Hostasch hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

22.41

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf nahtlos an die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Donabauer anschließen und unterstreichen, daß ich mich selbstverständlich bemühen werde, diesem Entschließungsantrag Rechnung zu tragen und dessen politische Absichten konkret umzusetzen.

Darüber hinaus darf ich Sie darüber informieren, daß es in Gesprächen zwischen dem Arbeitsinspektorat und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt insofern zu einem Einvernehmen gekommen ist, als durch chemische Verbindungen verursachte Krankheiten mitaufgenommen werden sollen. Hinsichtlich dieser chemischen Verbindungen gibt es einen ausführlichen Katalog. Es ist also, auch im Sinne Ihrer Intentionen, ein deutlicher Fortschritt festzustellen.


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Erlauben Sie mir noch, Ihnen zum Antrag 308/A (E), der sich mit dem Nationalfonds zur besonderen Hilfe für Behinderte befaßt, einige Zahlen zur Kenntnis zu bringen.

Im Jahre 1996 mußten die finanziellen Mittel zur Förderung dieses Fonds aus den Rücklagen aufgebracht werden; die Leistungen konnten erfüllt werden. Für das Jahr 1997 konnte durch Herrn Minister Hums im Rahmen des Budgetüberschreitungsgesetzes erreicht werden, daß 10 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt wurden, womit ebenfalls allen Anforderungen Rechnung getragen werden konnte. Für die Jahre 1998 und 1999 werde ich mich bemühen, gleichermaßen eine entsprechende Dotierung zu erreichen. Ich strebe an, im Budget 15 Millionen Schilling dafür ansetzen zu können, und ich hoffe, daß die diesbezüglichen Verhandlungen mit dem Finanzminister erfolgreich sein werden. (Beifall bei der SPÖ.)

22.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstatter wünschen kein Schlußwort.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, wobei ich über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lasse.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Auschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 803 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme des Berichtes sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. Dieser Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 803 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer für diese Entschließung ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Diese Entschließung ist einstimmig angenommen worden. (E 78.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 804 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen ihrer Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen worden.

Jetzt stimmen wir über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales ab, seinen Bericht 805 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Bericht wird mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 805 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer für diese Entschließung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich. Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen worden. (E 79.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 806 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Bericht ist einstimmig angenommen worden.

Ich weise den Antrag 297/A (E) dem Familienausschuß zu.


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Nun lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 807 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen worden.

Ich weise den Antrag 393/A (E) dem Finanzausschuß zu.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 809 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer für diese Entschließung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Entschließung ist einstimmig angenommen worden. (E 80.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages, Abkommen mit der Republik Slowenien über soziale Sicherheit, 735 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Die Genehmigung wurde mehrheitlich erteilt.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages, Österreichisch-Mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit, 769 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Die Genehmigung wurde mehrheitlich erteilt.

17. Punkt

Erste Lesung des Antrages 430/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 201/1996 (Art. 34 Strukturanpassungsgesetz), BGBl. Nr. 411/1996 (Art. I Sozialrechtsänderungsgesetz 1996) und BGBl. Nr. 600/1996 (Art. I des Bundesgesetzes, mit dem das ASVG u. a. geändert werden) sowie die Bundesabgabenordnung in der Fassung des BGBl. Nr. 411/1996 geändert werden

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile zunächst dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Dr. Kier, das Wort. 9 Minuten Redezeit stehen noch zur Verfügung. – Bitte.


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22.48

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In aller Kürze: Die erste Lesung leidet unter der heutigen Tagesordnung, ich möchte mich aber darauf konzentrieren.

Der Antrag stellt darauf ab, die seit langem ausstehende Gesamtreform der Pflichtigkeit aller Erwerbseinkommen zur Sozialversicherung durchzusetzen, indem wir im ASVG die freien Dienstverträge an die Sozialversicherungspflicht anhängen. – Sie erinnern sich an die unglückselige Werkvertragsregelung. Wir sind der Meinung, daß eine Gesamtreform notwendig ist, und bitten daher, diesem Anliegen wohlwollend gegenüber zu stehen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

22.48

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Abgeordneten des Liberalen Forums beziehen sich in der Begründung zu ihrem Antrag 430/A auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom März dieses Jahres. (Zwischenruf beim Liberalen Forum.) – Natürlich! Dieses Erkenntnis hat ergeben, daß freie Dienstverhältnisse im wesentlichen sozialversicherungspflichtig sind. Aufgehoben wurden die Bestimmungen des ASVG nur hinsichtlich der dienstnehmerähnlichen Beschäftigungen, des wirtschaftlichen Verbunds und der Kumulierungsregelungen, während die Anfechtungen hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht für freie Dienstverhältnisse ebenso wie eine Reihe weiterer Anfechtungspunkte abgewiesen wurden. Das alles ist schriftlich nachzulesen, Herr Kollege Barmüller.

In Ihrem Antrag verweisen Sie auch darauf, daß es, um der Sozialversicherungspflicht zu entgehen, nunmehr neue Schlupflöcher gäbe. – Dazu möchte ich aber schon anmerken, daß die Initiative, diese Beschäftigungsformen überhaupt sozialrechtlich abzusichern, von uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ausgegangen ist. Die Konsequenz des Liberalen Forums, nämlich die Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht bei freien Dienstverhältnissen, ist für mich eigentlich nicht nachvollziehbar.

Ich darf Sie daran erinnern, daß wir einen Entschließungsantrag beschlossen haben, in dem wir die Bundesregierung ersucht haben, im Rahmen einer Arbeitsgruppe unter Beiziehung der Sozialpartner und von Experten die Weiterentwicklung des österreichischen Sozialversicherungsrechts mit dem Ziel einer breiten und fairen Einbeziehung aller Erwerbseinkommen zu erarbeiten.

Die Problematik der Umgehung sozialversicherungsrechtlich abgesicherter Dienstverhältnisse ist uns allen bekannt, und ich verweise in diesem Zusammenhang auf den sprunghaften Anstieg der geringfügigen Beschäftigungen. An dieser Stelle möchte ich mich bei unserer Bundesministerin Eleonora Hostasch dafür bedanken, daß sie sich mit Vehemenz und Engagement für die Lösung der Frage der sozialen Absicherung auch geringfügig Beschäftigter einsetzt. Ich bin davon überzeugt, daß wir in dieser Frage bald zu einer positiven Lösung gelangen werden. Ein Antrag, der zum Ziel hat, eine erst seit kurzem erfaßte Gruppe wieder aus der Versicherungspflicht auszuschließen, ist daher eher kontraproduktiv.

Die Erfassung aller Erwerbseinkommen im System der sozialen Sicherheit wird unter Umständen Neuregelungen für einzelne Bereiche erforderlich machen. Sinnvollerweise wird man in diesem Zusammenhang die Gesamtproblematik diskutieren müssen. Weitere Ausgrenzungen aus der Versicherungspflicht erscheinen aber auch als Übergangsregelung nicht akzeptabel, weshalb wir diesem Antrag nicht beitreten. (Beifall bei der SPÖ.)

22.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

22.51

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Liberale Forum hat schon einmal einen ähnlichen Antrag eingebracht, welcher damals aus bekannten Gründen unsere Zustimmung nicht gefunden hat. Es wurde dann mittels eines Verfassungsgerichtshofverfahrens versucht, das Ganze in Frage zu stellen – Das war eine Blamage für das Liberale Forum, eine echte Blamage! (Abg. Hans Helmut Moser: Meinen Sie das wirklich?)  – Ja, ich darf es Ihnen vorlesen. – Oder nein, wegen der vorgerückten Zeit erspare ich es Ihnen. Ich gebe Ihnen aber gerne dieses Erkenntnis, damit Sie sehen können, wie der Verfassungsgerichtshof über diese damalige Eingabe, die von Ihnen mitunterschrieben worden ist, geurteilt hat.

Meine Damen und Herren! Für uns ist dieses Problem, die Frage der Versicherungspflicht, die Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Pflichtversicherung, ein sehr ernstes. Sie wissen, daß wir aus diesem Grund im vergangenen Herbst einen Entschließungsantrag eingebracht haben. Ich bin überzeugt davon, daß dieses Thema grundsätzlich gelöst werden muß, und ich


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bin auch davon überzeugt, daß das in absehbarer Zeit geschieht. Die Frage der freien Dienstverträge aber, die Frage, inwieweit freie Dienstverträge sozialversicherungspflichtig sind, ist aus meiner Sicht durch das Verfassungsgerichtshoferkenntnis bestätigt worden. Deshalb sehen wir keinen Anlaß, diesem Antrag Folge zu leisten. Wir werden ihn ganz sicher im Ausschuß behandeln, können ihm aber in gar keinem Fall beitreten. Ich bitte, das jetzt schon zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Böhacker hat sich zu Wort gemeldet. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 4 Minuten. – Bitte.

22.53

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Feurstein! Ein Gesetz, das gerade noch verfassungskonform ist, ist noch lange kein gutes Gesetz. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der vorliegende Antrag ist die logische Konsequenz aus dieser Verfassungsklage, mit dem Ziel, das Werkvertragschaos endlich zu beenden. Wir Freiheitlichen fordern, daß dieser Antrag unverzüglich im Ausschuß behandelt und dem Plenum zur Beschlußfassung vorgelegt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 430/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

18. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (709 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden (777 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 167/A (E) der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Schaffung eines modernen und umfassenden Gesetzes über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (778 der Beilagen)

20. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 390/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Ausbildungsoffensive in Gesundheitsberufen für Österreicher/innen (779 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 18 bis 20 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir beginnen daher sofort mit der Debatte.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 12 Minuten. – Bitte.


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82. Sitzung / Seite 221

22.55

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich will Ihnen gleich anfangs mitteilen, daß wir dem Gesetz die Zustimmung geben werden, wenngleich wir dazu auch einige Einwände haben. Ich habe diese schon im Ausschuß artikuliert und auch entsprechende Abänderungsanträge eingebracht.

Mit einem Abänderungsantrag möchte ich auch gleich beginnen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Mag. Haupt und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird, sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden, 709 der Beilagen, in der Fassung des Ausschußberichtes, 777 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 709 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes, 777 der Beilagen, wird wie folgt geändert:

1. Im 1. Hauptstück lautet der § 3 Abs. 2:

"(2) Auf die Ausübung dieser Berufe findet die Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, in der jeweils letztgültigen Fassung keine Anwendung."

2. Im 2. Abschnitt des 1. Hauptstücks entfällt in § 6 Abs. 2 die Ziffer 2. Die bisherige Ziffer 3 wird zu Ziffer 2.

3. Im 2. Abschnitt des 1. Hauptstücks entfällt § 7 Abs. 2 sowie die Bezeichnung "(1)" nach § 7.

4. Im 2. Abschnitt des 1. Hauptstücks entfällt § 8 Abs. 2 sowie die Bezeichnung "(1)" nach § 8.

5. Im 3. Abschnitt des 2. Hauptstücks entfallen im § 32 die Absätze (4) und (5). Die Absätze (6) bis (8) erhalten die Bezeichnung (4) bis (6).

6. Im 4. Hauptstück lautet die zweite Zeile in § 105 Abs. 1 Z 3: "§§ 6, 7 oder 8".

*****

Wir begründen dies folgendermaßen:

Es handelt sich bei den Punkten 2, 3 und 4 der Regierungsvorlage in erster Linie um einen Auflockerungsversuch betreffend die Verschwiegenheit bei Verdacht auf Schädigung durch eine fremde Person oder dergleichen, sowie auch um eine Auflockerung der Anzeigepflicht und Meldepflicht. Wir sind nicht der Meinung, daß man in derart schwierigen und komplizierten Fällen die Verschwiegenheitspflichten lockern sollte.

Zu Punkt 5 sind wir der Meinung, daß beim Nostrifikationsantrag die Nichtvorlage des Reisepasses oder anderer wichtiger Urkunden einen Mißbrauch ermöglichen würde, was im Interesse der Patientensicherheit abzulehnen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu Punkt 6, den Strafbestimmungen: Sie sollten nicht nur bei Verletzung der Verschwiegenheit, sondern auch bei Verletzung der Anzeige- beziehungsweise Meldepflicht angewendet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme nun auf einen ganz wesentlichen Punkt dieser Regierungsvorlage zu sprechen. Das ist mir bei Durchsicht der Unterlagen aufgefallen, und ich habe schon im Ausschuß darauf hingewiesen, allerdings hat man mich dort absichtlich – davon gehe ich aus – unrichtig informiert: Ich habe im Ausschuß die Frage gestellt, ob es denn


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so gut sei, daß die Internatspflicht wegfalle, weil die Einsparungen in einer Gesamthöhe von mehr als 87 Millionen Schilling, die sich daraus für die Bundesländer ergeben, doch wohl nicht daraus resultieren können, daß die KrankenpflegeschülerInnen freiwillig auf einen Internatsplatz verzichten.

Damals im Ausschuß hat mir Herr Kollege Guggenberger zustimmend zugenickt und sich offensichtlich gedacht: Es ist ja vollkommen richtig, daß die Entlohnung der KrankenpflegeschülerInnen darin besteht, daß sie den Internatsplatz, ein Taschengeld und die Verpflegung erhalten. Jetzt fällt diese Internatspflicht weg: nicht nur die Pflicht der Schüler, sondern auch die Verpflichtung der Länder, Internatsplätze zur Verfügung zu stellen.

Ich habe mir die Kostenberechnungen der Bundesländer durchgesehen und kam auf des Rätsels Lösung. Wenn man nur die Kostenberechnung des Bundeslandes Oberösterreich heranzieht, dann sieht man folgendes: Es wurde dort einem Internatsschüler, einem Krankenpflegeschüler oder einer Krankenpflegeschülerin, der beziehungsweise die keinen Internatsplatz beansprucht hatte, bisher ein Pauschalbetrag von 540 S pro Monat ausbezahlt. Dieser Betrag von 540 S fällt jetzt weg. Wenn der Internatsschüler nun einen Internatsplatz haben will, dann zahlt er monatlich sage und schreibe 1 500 S an Internats- und Verpflegungsgeld.

Das ist eine unzumutbare zusätzliche Belastung für die Schülerinnen und Schüler. Man muß davon ausgehen, daß ein Großteil der Krankenpflegeschülerinnen und -schüler aus dem ländlichen Bereich in die Städte kommt. Diese Schulen befinden sich ja ausschließlich in den Städten. Doch die Schülerinnen und Schüler haben meist nicht die nötigen finanziellen Mittel, sich dort eine Wohnung zu nehmen oder 1 500 S pro Monat für einen Internatsplatz zu bezahlen. Das Taschengeld reicht dafür nicht aus. Das Taschengeld im ersten und zweiten Lehrjahr ist so gering angesetzt, daß diese 1 500 S unzumutbar sind.

In Summe ist das eine Einsparung von 87,317951 Millionen Schilling. Die sozialistischen Gesundheitspolitiker und Sozialpolitiker erwähnen das aber mit keinem Wort. Es ist Ihnen völlig egal, daß in Ausbildung stehenden Lehrlingen – einen solchen Status hätten sie haben sollen, aber sie bleiben jetzt Schülerinnen und Schüler – ein Drittel des Gehaltes in Form des Internates und der Verpflegung gestrichen wird!

Frau Bundesministerin! Wenn Sie sagen, die Länder können das ja in Eigenverantwortung zur Verfügung stellen, dann sage ich Ihnen: Wenn die Bundesländer diesem Gesetz zugestimmt haben, dann nur deswegen, weil die Mehrkosten, die durch die Sonderausbildung anfallen, und zwar bundesweit in der Höhe von ganz genau 19,260 Millionen Schilling durch die Einsparungen aufgrund des Wegfalls der Internatspflicht für die SchülerInnen in der Höhe von 87 Millionen Schilling mehr als wettgemacht wurden! Ganz locker streifen die Bundesländer jetzt 69 Millionen Schilling auf dem Rücken der Krankenpflegeschülerinnen und -schüler ein. Ich finde, das ist eine Ungeheuerlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Bundesministerin! Ich sage Ihnen: Die Bundesländer werden von diesem Wegfall der Internatspflicht sehr wohl Gebrauch machen. Sie haben es ganz genau berechnet. In Oberösterreich hat man eine Aufstellung gemacht und freut sich, daß man 15 Millionen Schilling spart. Im Burgenland will man die einzige Krankenpflegeschule auflassen, man spart 4 Millionen Schilling. Und so geht es weiter für alle Bundesländer! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Daher stelle ich folgenden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Mag. Haupt, Dr. Povysil und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird, sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden, 709 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes, 777 der Beilagen


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Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 709 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 777 der Beilagen wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 zweites Hauptstück werden die §§ 49 und 50 wie folgt geändert:

1. In § 49 Abs. 2 Z. 3 werden nach dem Wort "Räumlichkeiten" die Worte "und Unterbringungsmöglichkeiten" eingefügt.

2. In § 49 Abs. 4 werden nach dem Wort "Dienstkleidung" die Worte "und Verpflegung" eingefügt.

3. In § 50 Abs. 2 Z. 1 werden nach dem Wort "Sozialräume" die Worte "und Unterbringungsmöglichkeiten" eingefügt.

Erläuterungen: Mit diesem Abänderungsantrag wird die bisherige soziale Rechtslage für KrankenpflegeschülerInnen wiederhergestellt, die durch diese Regierungsvorlage massiv verschlechtert würde.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das kann doch nicht der Sinn eines neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes sein: Es wird zwar die Ausbildung in vorbildlicher Art und Weise geregelt und auch die Weiterbildung festgeschrieben. – Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar! Das unterstreichen und befürworten wir. Herr Kollege Peter! Wir befürworten das ohne Skrupel, mit gutem Gewissen! – Aber die Sonderausbildung in Spezialfächern, die vorgeschrieben wird und für die ich mich auch ausspreche, kostet Geld, österreichweit allerdings nur 19 Millionen Schilling. Die Frau Bundesministerin schreibt ganz stolz auf dem Deckblatt dieser Kostenberechnung, daß sie die Zustimmung der Gebietskörperschaften bekommen hat. Warum hat sie diese Zustimmung der Gebietskörperschaften aber bekommen? – Sie hat sie bekommen, weil die Bundesländer glatte 69 Millionen Schilling auf dem Rücken der Krankenschwesternschülerinnen und Krankenpflegeschüler abgesahnt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das ist eine Ungeheuerlichkeit für eine Sozialdemokratische Partei und für eine Sozialministerin, die auch Arbeiterkammerchefin war und die im Sozialismus groß geworden ist und in ihrem Leben kaum etwas gemacht hat, was außerhalb der Partei steht! (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Sie tituliert sich als Sozialdemokratin ersten Ranges und Paradefall der Sozialdemokraten. Aber dann macht Sie so etwas und wollte mich im Ausschuß darüber gar nicht informieren, als ich die Thematik angeschnitten habe! Man will nicht, daß ich im Ausschuß überhaupt etwas sage. Diesmal war es aber ganz gut, daß ich mich ganz kurz zu Wort gemeldet habe, denn da habe ich den Nagel auf den Kopf getroffen, Frau Bundesministerin! Sagen Sie nachher bitte nicht, daß die Bundesländer ja nicht verpflichtet sind, die Heimplätze nicht mehr zu bezahlen. Denn sie werden sie nicht mehr bezahlen. Die Schwestern werden sie selber zahlen, 1 500 S im Monat – und das bei einem Taschengeld von wenigen tausend Schilling für harte Arbeit an kranken und pflegebedürftigen Menschen. Wer diese Arbeit leistet, sollte auch ordentlich entlohnt werden, damit wir nicht wieder Fälle haben, in denen frustriertes Pflegepersonal seiner Pflegeverpflichtung nicht mehr nachkommt.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Fälle in Lainz, die uns noch ganz gut in Erinnerung sind. Damit es nicht wieder so weit kommt, daß wir frustriertes Pflegepersonal haben, mein Appell: Zahlen wir die Leute ordentlich, stellen wir ihnen auch weiterhin Internatsplätze und die Verpflegung zur Verfügung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Gesetz ist auch die Ausbildung der Rettungssanitäter nicht geregelt. Dazu möchte ich abschließend noch sagen: Frau Bundesministerin! Ich habe Ihnen dieses große, dicke Buch auch im Ausschuß schon gezeigt. Herr


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Kollege Schuster hat im Ausschuß gut aufgepaßt und hat heute schon am Vormittag in der Fragestunde darauf hingewiesen: Warum beauftragen Sie wieder das ÖBIG mit einer millionenschweren Studie, damit man weiß, welche Ausbildung die Rettungssanitäter brauchen? – Wir haben hier eine Studie der Österreichischen Akademie für Gesundheitswesen. Sie ist sehr dick und schwer und hat viel Geld gekostet. In dieser steht alles darüber, welche Ausbildung Rettungssanitäter brauchen. Sie brauchen nur diese Studie heranzuziehen und können schon ein Gesetz machen, das die Ausbildung der Rettungssanitäter regelt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Haben Sie selbst diese Studie gelesen, Herr Doktor?) Aber Sie wollen wieder eine millionenteure Studie bei einem Ihnen nahestehenden sozialistisch orientierten Institut, dem ÖBIG, in Auftrag geben. Denn Geld spielt in diesem Fall ja keine Rolle! Ich habe dafür kein Verständnis, daß Sie das zum Vorwand nehmen, daß Sie eine geregelte Ausbildung für Rettungssanitäter auch in Zukunft wieder verschleppen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.08

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Über die doch etwas unqualifizierten Äußerungen, die jetzt gefallen sind, möchte ich Frau Kollegin Onodi dann sprechen lassen, die darüber ein bißchen besser – aus eigener Erfahrung! – informiert ist.

Grundsätzlich möchte ich sagen, daß dieses Gesetz ein hervorragendes Gesetz ist. Es war meiner Meinung nach aus drei Gründen notwendig.

Erstens gibt es dafür einen historischen Grund. – Erinnern wir uns zurück: Noch vor 60 Jahren waren in erster Linie Ordensschwestern im Krankenversorgungsbereich tätig, und für diese war Dienen und Demut ohne Bezahlung und ohne Stundenbegrenzung eigentlich das Idealbild. Diese Mentalität wurde und wird auch teilweise heute noch von den Patienten und der Gesellschaft erwartet. Dienen in Demut, Hinaufschauen zum "Gott im weißen Mantel", etwas hinunter vielleicht zum Patienten. – Im Hinblick darauf war es notwendig, einmal eine klare Stellung zu beziehen.

Der zweite Grund waren die Fortschritte der Hochtechnologie in der Medizin, auch im Pflegebereich.

Drittens: Für hochqualifizierte Pflege braucht man eine entsprechende Ausbildung und auch eine Pflegeforschung. Auch das darf man nicht vergessen!

Aus diesen Gründen wird verständlich, daß sich die in den Pflegeberufen Tätigen ein Selbstverständnis erkämpfen und ihr Selbstbild hart erarbeiten mußten, wodurch sie sich ein Selbstbewußtsein schaffen konnten. Welchem psychischen und körperlichen Druck das Pflegepersonal Tag für Tag ausgesetzt sind, zeigen die durchschnittliche Verweildauer im Berufsleben von drei bis fünf Jahren, aber auch der tragische Freitod einer sehr engagierten Schwester vor kurzem.

Den in Pflegeberufen Tätigen wurde viel Verantwortung übertragen. Sie nehmen diese Verantwortung auch wahr. Und ich möchte darauf hinweisen: Wenn man die Verantwortung auch will, dann kann man sich nicht davonstehlen. Die Liste der Pflichten reicht von der Verabreichung von Arzneimitteln bis zum Legen von Magensonden. Die Anordnungsverantwortung hat der Arzt, die Durchführungsverantwortung das Pflegepersonal.

Ich möchte nicht mehr auf Einzelheiten eingehen, da die Zeit doch schon sehr vorgerückt ist. (Abg. Dr. Graf: Das ist sehr gut!)  – Durch die Neuregelung der Berufsprüfung können auch Krankenpflegeschüler und -schülerinnen die Matura erlangen.


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Abschließend möchte ich noch Dank sagen. Es ist auch ein Vertreter der Gewerkschaft hier. Ich möchte mich bei den in den Pflegeberufen Tätigen recht herzlich für ihre jahrelange Arbeit bedanken, ebenso bei den Vereinigungen der einzelnen Pflegeberufe und auch bei den Beamten des Gesundheitsministeriums, insbesondere bei Frau Dr. Hausreiter. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

23.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden zuvor vom Abgeordneten Dr. Pumberger eingebrachten Abänderungsanträge wurden ordnungsgemäß eingebracht, sind entsprechend unterstützt und stehen somit mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Motter vor. Restredezeit Ihres Klubs: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.11

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen sagen: Wir geben dieser vorliegenden Gesetzesvorlage unsere Zustimmung, weil wesentliche Verbesserungen für die verpflichtende Aus- und Weiterbildung im Gesundheits- und Krankenpflegefachdienst daraus hervorgehen. Ebenso wird einer langen Forderung Rechnung getragen, daß der eigenverantwortliche Tätigkeitsbereich auch rechtlich abgesichert wird.

Unbefriedigend ist für uns allerdings, daß diese Vorlage nur den Krankenhausbereich betrifft, also die Krankenpflegeberufe im extramuralen Bereich nicht berücksichtigt sind. Ich finde es bedauerlich, daß der Antrag der drei Oppositionsparteien im Ausschuß keine Mehrheit gefunden hat, obwohl wir sehr nahe daran waren. Ich möchte auch hier Frau Kollegin Reitsamer noch einmal meinen Dank aussprechen, daß Sie diesem zugestimmt hat. – Ich glaube, heute können die Damen und Herren der SPÖ meinem Antrag, den ich gleich einbringen werde, ohne weiteres zustimmen, denn die Frau Bundesministerin hat uns bereits heute morgen bei der Beantwortung der Anfrage betreffend den Sanitätsbereich angekündigt, daß dies noch in dieser Gesetzgebungsperiode eingebracht und geregelt werden wird.

Ich bringe diesen Antrag deshalb nochmals ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Motter und PartnerInnen betreffend zeitgemäße Regelungen für alle Gesundheits- und Krankenpflegeberufe

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, mit den zuständigen Institutionen, Verbänden und Gebietskörperschaften in Verhandlungen über zeitgemäße gesetzliche Regelungen für die im bisherigen Krankenpflegegesetz geregelten Berufe, die nicht vom GuKG erfaßt sind, sowie für jene Gesundheitsberufe, die derzeit noch nicht geregelt sind, jedenfalls unter Einschluß der Sanitätshilfsdienste (Rettungssanitäter), Ordinationsgehilf/inn/en und zahnärztlichen Assistent/inn/en aufzunehmen und dem Nationalrat diesbezügliche Gesetzentwürfe, insbesondere über Ausbildungsordnung und Berufsausübung, vorzulegen."

*****

Weiters gibt die Gesetzesvorlage keinen Aufschluß darüber, wie in Zukunft eine verbesserte Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege im tertiären Bereich aussehen soll. Um in Zukunft diesem Mangel Rechnung zu tragen, sind wir der Meinung, daß gerade im Bereich der Gesundheitsberufe die neu zu gründenden Fachhochschulen Abhilfe schaffen könnten. Die Erfahrungen, die an bereits vorhandenen Fachhochschulen in anderen Bereichen gemacht wurden, legen nahe, daß gerade Fachhochschulen für Gesundheitsberufe der angemessene Ort für eine einheitliche Institution zur praxisgerechten Ausbildung wären. (Abg. Ing. Reichhold:


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Stellen Sie das Rednerpult ein wenig höher! Man hört Sie schlecht!) Es geht nicht! – So! Ich hoffe, Sie hören mich jetzt! Ich habe leider wenig Zeit! (Abg. Ing. Reichhold: Jetzt ist es besser!)

Ich glaube, in Fachhochschulen könnten eine praxisgerechte Ausbildung von Lehr- und Führungskräften, aber auch Lehrveranstaltungen zur Weiterbildung und Spezialisierung des gehobenen Krankenpflegedienstes angeboten werden. Gerade auch den Forderungen nach einer Erhöhung des Praxisbezuges, aber auch einem flexiblen Reagieren auf Veränderungen in den Gesundheitsberufen könnte man durch Fachhochschullehrgänge Rechnung tragen.

Ich bringen daher einen zweiten Entschließungsantrag ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Motter, Dr. Gredler und PartnerInnen betreffend Verankerung der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege im tertiären Sektor

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den zuständigen Institutionen und Verbänden in Verhandlungen über eine Verankerung der Ausbildung für die gehobenen Dienste im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe an Fachhochschulen einzutreten.

Weiters wird die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr, aufgefordert, entsprechende Gesetzentwürfe, die die Errichtung von Fachhochschulstudiengängen für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe vorsehen, dem Nationalrat bis 31. März 1998 vorzulegen."

*****

Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

23.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Onodi vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.16

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Pumberger! Zur Internatspflicht. – Erstens: Bis jetzt war es im Krankenpflegegesetz verpflichtend vorgeschrieben, daß eine Krankenpflegeschülerin oder ein Schüler, der die Krankenpflegeschule besucht, diese auch intern besuchen muß. Das heißt, wenn er sie extern besuchen wollte, hat er eine Ausnahmegenehmigung der Schulleitung gebraucht. Es war auch ein Wunsch der Vertretungen der Krankenpflegepersonen, daß diese Internatspflicht, die sozusagen geschichtlich gewachsen ist und auch eine sehr starke Hierarchie beinhaltete, aufgehoben wird und der Zusammenhang zwischen Internat und Schule eine Trennung erfährt. (Abg. Dr. Graf: Deswegen muß es aber nicht mehr kosten!)

Zweitens: In den Bundesländern Niederösterreich und Steiermark gibt es bereits einige Krankenpflegeschulen, die kein Internat angeschlossen haben, in Niederösterreich führt von 13 Krankenpflegeschulen nur mehr eine ein Internat. Das heißt, daß Krankenpflegeschulen teilweise keine Internate mehr führen beziehungsweise bereits 1 000 S oder 900 S für das Internat einfordern.

Ein weiterer Punkt: Externe Schüler, die das Internat nicht in Anspruch genommen haben, haben keine Rückvergütung erhalten. Es lag also eine Ungleichheit vor, die ebenfalls jetzt beseitigt wird.

Wenn man nun die verschiedenen Zweige der Berufsausbildung im Gesundheitsbereich zum Vergleich heranzieht, etwa die Ausbildung der Physikotherapeuten, der medizinisch-technischen


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Assistenten oder auch der DiätassistentInnen, dann findet man bei allen drei Berufsgruppen keine Internatspflicht mehr, sondern es handelt sich ebenfalls um Schulen oder Akademien, die die Schüler besuchen. Vergleicht man nun die Krankenpflegeschulen auch mit den mittleren und höheren Schulen, zum Beispiel mit den HTL oder HBLA, so findet man diese Regelung ebenfalls nicht mehr.

Aber nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zurück zu diesem Gesetz. Es hat wirklich jahrelanger Vorbereitungen und vieler Diskussionen bedurft, bis dieses Gesundheits- und Krankenpflegegesetz jetzt zur Beschlußfassung vorgelegt werden konnte. Die gesamte Entstehung dieses Gesetzes war von manchen Schwierigkeiten begleitet. Zum Schluß fiel noch der Schatten eines tragischen Irrtums auf diese Gesetzwerdung. Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich kann auch dieses Gesetz nicht alle Risiken abdecken, die der Gesundheits- und Krankenpflegeberuf mit sich bringt. Aber dieses Gesetz bietet eine Grundlage und ein Werkzeug, mit welchen weiterhin qualitativ hochwertige Arbeit am Krankenbett geleistet werden kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Insbesondere war die Neuformulierung der Berufsbilder und die Beschreibung der Tätigkeitsbereiche von Personen, die in Pflegeberufen arbeiten, dringend notwendig und erforderlich. Außerdem wird zum ersten Mal auch in den Gesundheits- und Krankenpflegeberufen eine Dokumentationspflicht eingeführt. Das heißt, alle Pflegehandlungen, die gesetzt und vorgenommen werden, müssen auch dementsprechend dokumentiert werden, daß diese nachvollzogen und auch entsprechend kontrolliert werden können.

Diese Dokumentation trägt vor allem zur Professionalisierung unseres Berufes bei, die in Europa und in anderen Ländern ja schon begonnen hat, nun aber auch in Österreich Platz greift. Die Einführung der Dokumentationspflicht macht selbstverständlich auch die Dokumentation der Pflege notwendig, und diese Dokumentation im Rahmen des Pflegeprozesses ist für uns besonders wichtig.

Eine besonders wichtige Maßnahme zur Qualitätssicherung in unseren Gesundheits- und Krankenpflegeberufen ist vor allem die Festlegung verschiedener Arten von Sonderausbildung. Bis jetzt war eine verpflichtende Sonderausbildung nicht vorgesehen, auch nicht eine verpflichtende Fort- und Weiterbildung. In diesem Gesetz wird jedoch festgeschrieben, daß die Dienstgeber verpflichtet sind, zu kontrollieren und nachzuweisen, daß eine entsprechende Sonderausbildung absolviert wurde. Wenn man in einem Spezialfach arbeitet oder eine Lehr- oder Führungsaufgabe hat, muß diese Sonderausbildung innerhalb von fünf Jahren absolviert werden. Die Leiterin des Pflegedienstes muß sich zum Beispiel einer solchen Ausbildung unterziehen und schließt dann mit "akademisch geprüfte Leiterin des Pflegedienstes" ab. Dazu gehören auch Sonderausbildungs-Lehrgänge etwa für Intensivschwestern, OP-Schwestern oder auch Dialyseschwestern.

Bei den Spezialaufgaben im Gesundheits- und Krankenpflegeberuf ist es aber auch besonders wichtig, daß es nicht zu einer Zersplitterung kommt. Es muß bei der Einteilung in Spezialaufgaben, Lehr- und Führungsaufgaben bleiben. Damit wird auch die Wertigkeit dieser einzelnen Aufgaben unterstrichen. Es soll also nicht für jedes Fachgebiet eine separate Sonderausbildung absolviert werden, sondern es soll für die einzelnen Fachgebiete, wie zum Beispiel für die Arbeit der Endoskopieschwester oder auch für die Schwestern, die in der Geriatrie arbeiten, im Rahmen der Weiterbildung die Möglichkeit bestehen, eine entsprechende Fortbildung zu absolvieren.

Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, daß die pflegerische Arbeit selbst in Zukunft vermehrt und verstärkt in Zusammenarbeit mit dem gesamten medizinischen Team stattfindet. In diesem Zusammenhang ist es besonders von Vorteil und für das Selbstbewußtsein der Krankenpflegepersonen notwendig, wenn der Stellenwert aller Krankenpflegepersonen innerhalb des Teams gleich ist. Dies wird durch dieses Gesetz erreicht, und dadurch wird es auch möglich sein, eine größere Berufszufriedenheit zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Zum ersten Mal finden wir in diesem Gesetz eine genaue Tätigkeitsbeschreibung der Personen, die in den Pflegeberufen arbeiten. Zum ersten Mal wird genau zwischen eigenverantwortlichem Tätigkeitsbereich, mitverantwortlichem Tätigkeitsbereich und interdisziplinärem Tätigkeitsbereich unterschieden. Dieser interdisziplinäre Tätigkeitsbereich kommt besonders dann zum Tragen, wenn es um die extramurale Pflege, um die Pflege im Team und um fachübergreifende Meinungen geht. Das Ziel ist, daß der Patient im Mittelpunkt steht, die Mitglieder des Teams um ihn sind und so eine entsprechende Pflege ermöglicht wird. (Abg. Dr. Khol: Wir alle werden bald Pflege brauchen, wenn Sie noch lange weiterreden!) Das mag sein!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Khol! Der Name des Gesetzes soll nicht nur Symbolkraft haben, das Wort "Gesundheit" soll zum ersten Mal tatsächlich Leitmotiv des Handelns sein und zu Handlungen verpflichten, die die eigene Gesundheit und die der anderen Menschen fördert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz ist ein neues Fundament; die in den Pflegeberufen Tätigen werden darauf ein Haus bauen, in dem sich jeder wohl fühlt und aus welchem jeder gestärkt hervorgeht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete Klara Motter hat zuvor zwei Entschließungsanträge vorgelesen. Davon ist der zweitverlesene Entschließungsantrag nicht ordnungsgemäß eingebracht und steht daher nicht in Verhandlung, nur der zuerst vorgelesene Entschließungsantrag, der ein Ersuchen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales enthalten hat, ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. Sie wird vom Platz aus sprechen. Restredezeit ihres Klubs: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.25

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen. Wir können diesem Gesetz erstens schon deshalb nicht zustimmen, weil es bei der Aufhebung der Internatspflicht eigentlich nicht um eine Aufhebung der Internatspflicht geht, sondern um eine Aufhebung der Internatsplätze. Das habe ich hier dokumentiert: Im Burgenland hat man bereits ausgerechnet, daß man sich dadurch 4 Millionen Schilling im Jahr erspart, in Kärnten sind es 12 Millionen Schilling und in Oberösterreich 15 Millionen Schilling. Das heißt: Die Internatsplätze werden auf Null gestellt.

Der zweite Punkt, der meiner Ansicht nach sehr wesentlich ist, ist der Bereich der Dokumentation. Frau Ministerin! Wenn das so umgesetzt wird, wie es in diesem Gesetz steht, dann halte ich das für unheimlich gefährlich. Es ist darin nämlich nicht spezifiziert, was dokumentiert werden darf und was nicht dokumentiert werden darf. Welche Auswüchse das haben kann, Frau Ministerin, kann ich Ihnen zeigen: In Oberösterreich gibt es inzwischen einen Entwurf für die Betreuung und Pflege von behinderten Menschen: Da werden behinderte Menschen zum Beispiel gefragt, ob sie männlich, weiblich oder Zwitter sind, oder sie werden gefragt, ob sie sterilisiert sind. (Abg. Mag. Stadler: Wer ist dort Soziallandesrat? Wahrscheinlich ein Roter!) Weiters werden behinderte Menschen, wenn sie Pflege brauchen, gefragt, welchen IQ sie haben. Außerdem werden sie gefragt, wie sie sich im Sozialverhalten zeigen, ob sie beißen, kratzen, zwicken oder ob sie sexuelle Übergriffe auf das Pflegepersonal oder andere Personen machen.

Meine Damen und Herren! Solche Dokumentationen können sich auch hier wiederfinden, wenn nicht sichergestellt ist, welche Daten dokumentiert werden dürfen und welche Daten nicht dokumentiert werden dürfen. Allein die Tatsache, daß diese Daten speziell im ambulanten Bereich zehn Jahre lang aufgehoben werden, zeigt ganz deutlich, daß wir pflegebedürftigen Menschen gemäß der Regelung in diesem Gesetz schlimmer dran sind als Menschen, die per Rasterfahndung, welche Sie heute beschlossen haben, verfolgt oder beobachtet werden. (Abg. Mag. Stadler: Da haben Sie recht!) Wir haben null Privatleben, über uns kann alles dokumentiert werden – und wir haben keine Chance, irgendwelche rechtlichen Schritte zu unternehmen, beziehungsweise haben wir nicht einmal die Chance, zu wissen, was über uns


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82. Sitzung / Seite 229

aufgeschrieben wird oder nicht. Wir werden aus diesem Grund zum Schutze der Patienten und zum Schutze der pflegebedürftigen Menschen diesem Gesetz niemals zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.  – Abg. Mag. Stadler: Frau Bundesministerin! Wer ist Soziallandesrat in Oberösterreich? Heißt er Ackerl?)

23.28


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82. Sitzung / Seite 230

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.28

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte auf das Ereignis im Kaiser-Franz-Joseph-Spital ganz kurz eingehen, weil es mir zeigt, wie hoch die Verantwortung ist und daß uns niemand die Verantwortung im Spitalswesen abnehmen kann. Das hohe Risiko in diesem Bereich hat natürlich in manchen Fällen gravierende Folgen. Fehler passieren überall. Wenn einem Elektriker etwas passiert, dann ist wahrscheinlich das Gerät kaputt, in der Medizin kann der Patient jedoch sein Leben einbüßen. Meistens trifft es Ärzte, aber es trifft auch Schwestern. Das führt natürlich zu einem Gefühl der Belastung, manchmal sogar zu einem Gefühl der Überbelastung. Wir können deswegen die Spitäler nicht zusperren. Da es ein risikoloses Spital nicht geben wird, muß die Antwort darauf sein: Möglichst wenig Fehler schaffen hohes Vertrauen. – Daraus ergeben sich ganz zwingend gewisse Folgerungen:

Erstens: Es muß mehr Teamwork im Spital geben. Es dürfen im Spital nicht zwei Hierarchien nebeneinander arbeiten, sondern wir müssen miteinander arbeiten. Das sage ich Ihnen als Arzt.

Zweitens: Wir brauchen eine sehr, sehr klare Definition und Abgrenzung der Verantwortung. Im Spital arbeiten mehrere Berufsgruppen, arbeiten oft mehrere Ärzte und Schwestern nebeneinander und hintereinander. Daher kann es nicht sein, daß sich einer am anderen abputzt und der Kleinste dann den Schaden voll tragen muß. Deshalb ist meiner Ansicht nach an diesem Gesetz sehr wichtig, daß jemand, der etwas tun soll, auch eine klare Anweisung bekommen soll. Denn das Stille-Post-Spiel führt im Extremfall dazu, daß dann einer übrigbleibt, und das soll bei Gott nicht zum Beispiel die Schwester sein!

Ich bin aber der Meinung, daß jemand, der etwas gelernt hat, das auch ausüben dürfen muß. Ich halte nichts davon, jemandem beizubringen, wie man spritzt, und dann darf er das nicht machen. – In diesem Sinne ist das Gesetz ein Fortschritt.

Zweitens: Sehr wesentlich erscheint es mir auch für den Spitalsbereich, daß die Fortbildung auf allen Ebenen Priorität hat. Alle fünf Jahre verdoppelt sich in der Medizin das Wissen. Fortbildung aber bedeutet auch Qualität, und Qualität bedeutet letztendlich weniger Fehler.

Drittens: Mit diesem Gesetz soll vorgeschrieben werden, daß Lehr- und Führungspositionen Spezialausbildungen brauchen: Sonderausbildungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Intensivpflege, Dialyse und OP. – Ich halte das für sehr wichtig, weil es die Identität des Berufes fördert.

Ich möchte aber auch noch generell eine Kritik anbringen. Gesunde Menschen betrachten das Gesundheitswesen sehr stark unter finanziellen Aspekten. Sie meinen, es koste zuviel. Kranke sehen das völlig anders. Sie wollen gesund werden – vor allem auch durch viel Zuwendung. Oftmals ist unser Gesundheitssystem von der Gefahr bedroht, daß alles sehr schnell gehen muß und die Leistung im Vordergrund zu stehen hat. Die Patienten aber wollen Zuwendung, und ich denke deshalb, daß wir dem Personal, den Ärzten und den Schwestern, auch die Zeit dazu geben müssen, diese Zuwendung möglich werden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Conclusio, zum Beispiel des Kaiser-Franz-Joseph-Spitals, kann nicht sein, risikoreiche Eingriffe zu unterlassen. Spital wird nie risikolos sein. Wir wollen aber zufriedene Mitarbeiter bei hoher Qualität, denn das schafft zufriedene, gut betreute Patienten. – Dieses Gesetz ist ein Weg in die richtige Richtung, um uns dieses Vertrauen tagtäglich neu zu erwerben. (Beifall bei der ÖVP.)

23.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.32

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich will, da vorhin anscheinend ein Fehler passiert ist, noch einmal den Entschließungsantrag vorlesen und einbringen:

Entschließungsantra


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g

der Abgeordneten Motter, Dr. Gredler und PartnerInnen betreffend Verankerung der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege im tertiären Sektor

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den zuständigen Institutionen, Verbänden und Gebietskörperschaften in Verhandlungen über eine Verankerung der Ausbildung für die gehobenen Dienste im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe an Fachhochschulen einzutreten sowie bis 31. März 1998 für die nötigen Voraussetzungen zur Errichtung von Fachhochschulstudiengängen für diese Berufsgruppe Sorge zu tragen.

*****

Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst mein Bedauern darüber ausdrücken – Herr Kollege Rasinger, ich verstehe nicht, warum Sie so massiv dagegen eingetreten sind –, daß Ordinationsgehilfinnen und zahnärztliche Assistentinnen mit an "Bord" genommen werden. Dies würde bedeuten, daß man ihnen ein eigenständiges Berufsbild geben würde, sie eine anständige Ausbildung erhalten könnten und nicht nur als Anlernlinge zur Verfügung stehen müßten. Der Hintergrund dieser Verhinderung ist, daß Ordinationsgehilfinnen und zahnärztlichen Assistentinnen mit einer Ausbildung in eine höhere Besoldungsgruppe kommen würden, und ich weiß, daß es, zumindest in meinem Fachbereich, von seiten vieler Zahnärzte Bedenken gibt. Sie wollen für ihre Mitarbeiterinnen nicht soviel zahlen. – Ich betone: Mitarbeiterinnen , weil ich noch nie einen männlichen zahnärztlichen Assistenten gesehen habe, zumindest nicht in Österreich, würde mich aber darüber freuen, wenn das in Zukunft der Fall sein könnte.

Das ist der wahre Grund, und ich finde es schade, daß man einem so verantwortungsvollen Beruf, dem einer Ordinationsgehilfin und einer zahnärztlichen Assistentin, nicht die nötige Unterstützung gewährt. Sie wissen ganz genau, wie es in den Ordinationen zugeht und welche Tätigkeiten dort zu leisten sind. Ich denke, daß es hoch an der Zeit wäre, auch diesen Bereich mithineinzunehmen, ordentlich auszubilden und dadurch auch eine ordentliche Bezahlung zu gewährleisten.

Als zweites: Über Kollegin Povysil – sie war vorhin nicht da und ist auch jetzt nicht da – bin ich ein klein wenig entsetzt. Ich habe von dieser Kollegin viel gehalten, diesmal aber bin ich von ihr enttäuscht. Der Beginn ihres Antrages hat einen negativen Beigeschmack: Beim Eingang jeder Krankenanstalt würde auf Werbetafeln verkündet, daß im Dienste der Gesundheit Menschen aus aller Welt tätig sind. – Ich weiß nicht, was daran verwerflich sein soll, sondern finde es schön, daß es so viele Menschen gibt, die nicht Österreicher sind und welche Österreicher und Österreicherinnen zu heilen versuchen. Ich danken ihnen dafür. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Weiters sind im "Turm zu Babel", also dem AKH, Pannen zum Schaden der Patienten offenbar mit einkalkuliert. Ich weiß nicht, wie oft sich dort ein Zwischenfall ereignet, diese aber sind meistens durch Überlastung verursacht. Ich selbst habe die "Ehre" gehabt, 14 Nachtdienste in einem Monat zu absolvieren. Von diesem August weiß ich nichts mehr, ich weiß wirklich nicht, ob ich korrekt gehandelt habe. (Abg. Schwemlein: Aber die Patienten haben Sie nicht vergessen! Die denken an diesen August!) Es war zumindest so, daß kein grober Mißbrauch, kein ärztliches Fehlverhalten zutage getreten ist. Ich kann Ihnen aber versichern, daß ich das über mehrere Monate hinweg nicht durchgehalten hätte, ohne daß mir dabei ein Schnitzer passiert wäre. Das hat aber nichts mit Ausländern oder Ausländerinnen zu tun, sondern einfach damit, daß man Menschen mit manchen Situationen überfordert, völlig egal, ob es Krankenschwestern, Ärztinnen, Ärzte oder andere Personen, die dort arbeiten, sind. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ein Drittes, das unterstellt wird, ist, daß Krankenschwestern quasi als Feuerwehrtruppen nach Österreich gebracht werden würden, ohne zu überprüfen, ob gleichwertige oder gleichrangige Ausbildungen absolviert worden sind. Ich weiß nur von den Philippinen, daß sich die dortigen Behörden darüber beschwert haben, daß die Österreicher die besten des Lehrganges abgezogen haben. – Nicht umgekehrt!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (fortsetzend): Ja, Herr Präsident. – Das heißt, man hat sich dort beklagt, daß die besten Kräfte nach Österreich kommen würden. – Ich finde das sehr bedauerlich, aber nicht kritisierenswert. Eine Überprüfung dazu findet statt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

23.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.38

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Lassen Sie mich noch kurz zum Entwurf des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes Stellung nehmen. Wie meine Vorredner bereits mehrfach betonten, ist dieses Gesetz ein wichtiger Schritt, um jungen Menschen in diesem Lande eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu ermöglichen. Dieses Gesetz inkludiert jene Veränderungen, welche sich in den letzten Jahren aufgrund der gestiegenen Anforderungen an das Pflegepersonal ergeben hatten. – Ich denke, ich muß mich dazu nicht weiter auslassen, weil, wie gesagt, meine Vorredner bereits sehr ausführlich zu dieser Gesetzesvorlage Stellung genommen haben und ich nur noch das mehrfach wiederholen würde, was ohnedies bereits gesagt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang sollten aber doch noch ein paar Kleinigkeiten zu Herrn Dr. Pumberger gesagt werden: Er bedauert, daß die Internatspflicht aufgehoben wird und zeichnet ein Szenario, wonach in Zukunft in Österreich sozusagen die Welt untergehen würde und sich niemand mehr eine ordentliche Ausbildung in einer Krankenpflegeschule leisten könnte.

Herr Dr. Pumberger! Ich denke, daß die Internatspflicht deshalb aufgehoben wurde, weil sie nicht mehr zeitgemäß war, und vor allem, weil es der Wunsch nicht nur der Rechtsträger, sondern auch vieler Schüler war, die Internatspflicht aufzuheben. Diesem Wunsch ist die Bundesministerin mit diesem Gesetz nachgekommen, weshalb es in Zukunft keine Internatspflicht mehr geben wird. Außerdem war in Teilen der Steiermark und Niederösterreich die Internatspflicht bereits abgeschafft. Ich weiß also wirklich nicht, warum Sie diesem Teil des Gesetzes nachtrauern.

Herr Dr. Pumberger! Ich denke übrigens, daß nirgends explizit geschrieben steht, daß in Zukunft die Länder von den Krankenpflegeschülerinnen etwas verlangen müssen. Ich habe keine Passage entdecken können, in der das stehen würde, und ich bin mir absolut sicher ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Wo steht das drinnen? – Gar nichts steht diesbezüglich drinnen, Herr Doktor! Dort steht die Ersparnis, Sie können aber nicht aus der Ersparnis ableiten, daß damit automatisch auch etwas


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verlangt würde. Das ist ein bißchen billig, Herr Dr. Pumberger! Ich denke, Sie machen es sich ein wenig zu einfach. Ich bin überzeugt davon, daß von den Ländern dank Ihrer grandiosen Einfälle – dort haben Sie dann eine Spielwiese – auch in diesem Bereich nichts verlangt werden kann.

Ein weiterer Kritikpunkt, den Sie geäußert haben, ist § 32, die Nostrifikation. Ihre Ängste sind sicher auch diesbezüglich unbegründet, und ich denke, daß Sie, wenn Sie die Erläuterungen gelesen hätten, diesen Zusatzantrag nicht hätten stellen müssen. In diesem Sinne möchte ich der Frau Bundesministerin – wie auch Christa Krammer, weil sie für die Erstellung dieses Gesetzes mit verantwortlich war – danken, und ich meine, was auch hier gesagt wurde, daß es ein gutes Gesetz ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schuster. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.41

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Egal, ob die Gesundheitsminister Krammer oder Hostasch heißen: Gesundheitsthemen werden in der Regel nur zu mitternächtlicher Stunde verhandelt. Das ist alle Jahre dasselbe. – Der Inhalt aber soll dadurch nicht leiden.

Meine Damen und Herren! Eines ist klar: Das Gesundheitswesen hat in den letzten Jahrzehnten eine beachtliche Entwicklung erlebt. In Oberösterreich fand vor kurzem das 8. Linzer Gesundheitssymposium statt, und es gab dort über 80 in- und ausländische Redner, die sich sehr intensiv mit den neuen Qualitätsfragen des Gesundheitsbereiches beschäftigt haben.

Meine Vorrednerin, Frau Dr. Gredler, hat schon auf den Antrag der Freiheitlichen Partei Bezug genommen, und ich möchte dies ebenfalls ganz kurz tun. Ich schätze die Oberösterreicherin Frau Dr. Povysil, Mitglied des Gesundheitsausschusses, als eine Ärztin, die im Gesundheitsausschuß gute Beiträge leistet und aus meiner Sicht eine Expertin ist. Mit großer Verwunderung aber nehme ich den Wortlaut dieses Entschließungsantrages zur Kenntnis. Frau Dr. Gredler hat bereits darauf hingewiesen. Nicht nur, daß vieles nicht stimmt, auch der Stil und die Wortwahl, die darin getroffen wurde, sind beschämend. Meine Damen und Herren! Mit einer derartigen Ausdrucksweise kann ich mich nicht anfreunden, ich lehne sie striktest ab. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

Wenn in diesem Antrag festgehalten wird, daß in Österreich Ausbildungsplätze bereits im Keim erstickt beziehungsweise unmöglich gemacht werden, möchte ich mir doch erlauben, hier nur zwei Zahlen zu nennen. Allein in den letzten 25 Jahren wurde das Personal des Krankenpflege-Fachdienstes von 14 682 auf 39 000 Personen erhöht, was bedeutet, daß für die Pflegenden eine wesentliche Verbesserung eingetreten ist. Kamen noch vor 25 Jahren auf eine Krankenschwester oder einen Krankenpfleger im Durchschnitt 5,4 Betten, so sind dies heute 1,7 Betten. – Ich meine, daß das im Sinne der kranken Personen gut ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Wer zahlt das alles?)

Ich möchte diese Gelegenheit dazu nützen, von dieser Stelle aus all jenen Frauen und Männern, die in diesem Beruf, im Gesundheits- und Krankenpflegeberuf, soviel Gutes, ja sehr Gutes tun, aufrichtig zu danken. Ein Sprichwort lautet: Die Welt lebt von den Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht. – Diese Frauen und Männer zählen auf jeden Fall dazu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.45

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Vorerst danke ich den BeamtInnen, denen ein Gesetz gelungen ist, das klar und verständlich ist. – Herzlichsten Dank! (Beifall bei der SPÖ.)


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Dieses Gesetz wurde lange erwartet, in vielen Gremien erarbeitet und ist deshalb ausgezeichnet. – Zu den Ausführungen meines Vorredners möchte ich noch bemerken, daß wir Gesundheitsdebatten sehr oft zu besseren Tageszeiten führen und ich keine Absicht darin erblicke, daß die Debatte um diese Tageszeit stattfindet. – Eine Volksvertreterin muß versuchen, jede Auswirkung eines Gesetzes zu beachten, und ich möchte Ihnen deshalb erklären, was mir, die ich vom Gesundheitswesen unmittelbar betroffen bin, Sorgen bereitet.

Zu Beginn meiner Berufslaufbahn hatten zirka 50 bis 70 Prozent meiner Tätigkeit mit direkter Zuwendung zu den Patienten zu tun. Im Laufe der Jahre wurde dieser Prozentsatz immer geringer, obwohl heute die zu betreuenden Patienten wesentlich schwerer erkrankt sind und sich in wesentlich schlechteren Krankheitsstadien befinden als früher, denn früher konnten sie diese Stadien gar nicht erleben. Dieser Schlüssel findet auch auf das Personal Anwendung: Die Schwestern, die Pfleger und die Ärzte betreuen heute wesentlich schwerer erkrankte Patienten als früher, weshalb der Personalschlüssel nicht so gut ist, wie es von den Kollegen dargestellt wurde.

Bedingt durch Gesetze und Verordnungen hat mit den größeren Möglichkeiten der Medizin auch die Schreib- und Verwaltungsarbeit massiv zugenommen: Die natürlich äußerst wichtige Dokumentationspflicht wurde immer aufwendiger, und die Kommunikation mit den PatientInnen wie auch jene der Berufsgruppen untereinander leidet dadurch massiv. Bedingt durch Einsparungsmaßnahmen ist Personal nicht im nötigen und optimalen Ausmaß vorhanden. Bei einem großen internationalen Kongreß in der Vorwoche wurden Studien referiert, die besagen, daß bei Patienten in Infektionsbereichen, welche von Personaleinsparungen betroffen sind, die kostenintensiven nosokomialen Infektionen massiv zunehmen, was, abgesehen vom persönlichen Leid, wiederum zu einer massiven Verteuerung führt.

Dieses Gesetz regelt sowohl die Ausbildung als auch die Kompetenz in ausgezeichneter Weise. Gut ausbilden und fortbilden kann man jedoch nur dann, wenn genügend Pflegekräfte und MitarbeiterInnen vorhanden sind und nicht alle an einem Burn-Out-Syndrom leiden. Gerade die tragischen Ereignisse der letzten Tage zeigen, wie gefährlich der Druck ist, der auf dem Personal und allen im Gesundheitssystem Arbeitenden lastet. Konzentrationsübungen wie für Piloten sind gut, wir können allerdings nicht auf einen Autopiloten umschalten, sondern haben immer für die Kranken und für Verwaltungsarbeiten dazusein. Wir werden ständig gefordert. (Beifall bei der SPÖ.)

Während der Arbeitszeit ist die Kommunikation sowie auch die Erörterung von Problemen fast unmöglich, wird häufig aber auch als unnötige Zeitverschwendung und mangelnder Arbeitseinsatz gedeutet. Durch dieses Gesetz sollen derartige gravierende Fehler unmöglich gemacht werden, da zum Beispiel jede Pflegekraft von verantwortlichen, eigenberechtigten ÄrztInnen pro Patient und Medikament schriftlich dazu ermächtigt werden muß, Infusionen oder andere Tätigkeiten durchführen zu dürfen.

Auch bei klarer Regelung der Kompetenzen wie durch dieses Gesetz, darf es nicht zu einzelnen Säulen der Berufsgruppen kommen: Ein gemeinsames Netz muß unser Ziel sein, ein Netz, das PatientInnen wie Arbeitende verbindet, eines, das Miteinander und Geborgenheit bedeutet.

Leider schätzen viele die am Gesundheitssystem Teilnehmenden, ob aktiv oder passiv, nur als Kostenfaktor auf zwei Beinen ein. Im Gesundheitswesen muß man zwar Unkosten vermeiden, aber das Hauptziel Qualität und Humanität muß immer bestehen bleiben können. Dieses Gesetz ist ein probates Mittel, das Qualitätsziel zu erreichen. – Arbeiten wir doch daran, auch die Humanität zu gewährleisten! (Beifall bei der SPÖ.)

23.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Ihre Redezeit beträgt kraft freiwilliger Beschränkung 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.49

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Neben der Beschäftigung ist heute wie auch in Zukunft die Gesundheit das zentrale Thema. Die


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Bedeutung des Bereiches der Gesundheitsberufe, eines Bereiches der Frauenberufe, wird in Zukunft noch größer werden. Es ist schon des öfteren gesagt worden, daß die Gesundheits- und Krankenberufe zu den schwierigsten und auch verantwortungsvollsten Berufen zählen.

Kolleginnen und Kollegen haben sich bereits bei den Beamten und den beiden Ministerinnen, die dieses Gesetz mitgetragen und vorbereitet haben, bedankt. An dieser Stelle möchte ich aber noch einmal einen Dank an die Krankenschwestern und -pfleger aussprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auch ich glaube, daß eine Maßnahme, wie sie Herr Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder vorschlägt, ein Konzentrationskurs, nicht ausreichend ist. Vielmehr ist die Betreuung, das Miteinanderarbeiten und ein Qualitätsmanagement notwendig.

Zum Schluß habe ich noch eine Bitte an die Frau Ministerin: Im Frauen-Volksbegehren wird verlangt, daß auch geschlechtsdifferenzierte Studien erstellt werden sollen, um aus einem Gesundheitsbericht erkennen zu können, wie es um das diesbezügliche Verhältnis zwischen Frauen und Männern bestellt ist. Dabei wäre aber nicht nur wichtig zu wissen, daß Frauen länger als Männer leben – das wissen wir bereits –, sondern wie sich Krankheiten unterschiedlich entwickeln und auch, wie man damit umgeht. Ich bitte Sie vielmals, einen Schritt in Richtung der Wünsche von uns Frauen zu gehen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. – Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 18 Minuten.

23.52

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bereits alles gesagt, was zu diesem Gesetz zu sagen ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Ich beschränke mich deshalb darauf, folgenden Antrag zur Verlesung zu bringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen zum Bericht des Gesundheitsausschusses (777 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird, sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert wird (709 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel I wird wie folgt geändert:

1. § 7 Abs. 1 lautet:

"§ 7. (1) Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, die gemäß § 35 Abs. 1 Z 1 und 6 und § 36 freiberuflich tätig sind, sind verpflichtet, der Staatsanwaltschaft oder der Sicherheitsbehörde unverzüglich Anzeige zu erstatten, wenn sich in Ausübung ihres Berufes der Verdacht ergibt, daß

1. durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder die schwere Körperverletzung eines Menschen (§ 84 Abs. 1 Strafgesetzbuch – StGB, BGBl. Nr. 60/1974) herbeigeführt wurde oder


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2. ein Unmündiger, Minderjähriger oder Wehrloser durch das Quälen oder Vernachlässigen (§ 92 StGB) am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt wurde (§ 83 Abs. 1 StGB) oder

3. ein Unmündiger oder Minderjähriger durch Beischlaf oder auf andere Weise zur Unzucht mißbraucht wurde (§§ 206, 207 und 212 StGB)."

2. § 35 Abs. 2 lautet:

"(2) Eine Berufsausübung

1. gemäß Abs. 1 Z 1 und 6 und

2. in Einrichtungen gemäß Abs. 1 Z 5, die nicht unter ärztlicher oder pflegerischer Leitung oder Aufsicht stehen,

darf nur erfolgen, sofern der Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zur freiberuflichen Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege gemäß § 36 berechtigt ist."

3. § 36 Abs. 1 Z 2 lautet:

"2. der Nachweis einer rechtmäßigen zweijährigen vollbeschäftigten Berufsausübung im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege oder entsprechend länger bei Teilzeitbeschäftigung innerhalb der letzten zehn Jahre in einem Dienstverhältnis gemäß § 35 Z 2 bis 5 dieses Bundesgesetzes oder gemäß § 52 Abs. 3 Krankenpflegegesetz."

4. § 76 Abs. 1 lautet:

"§ 76. (1) Die Ausbildung in der Kinder- und Jugendlichenpflege beinhaltet neben den in § 42 insbesondere die in § 66 Abs. 2 angeführten Sachgebiete."

*****

Bei diesem Abänderungsantrag handelt es sich ausschließlich um die Richtigstellung redaktioneller Fehler.

Ich darf Sie ersuchen, diesem Gesetz, das mit Frau Dr. Hausreiter xxx coll und Frau Dr. Lore Pracher im Ministerium sowie mit Frau Dr. Christa Krammer und Frau Lore Hostasch keine Väter, aber mehrere ambitionierte Mütter hat, die Zustimmung zu geben. – So ein Gesetz kann nur ein gutes Gesetz sein. (Beifall bei der SPÖ.)

23.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Buder. Die Restredezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.54

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wieder einmal behandeln wir zu mitternächtlicher Stunde Themen aus dem Gesundheitsbereich. Daß dies zu so später Stunde geschieht, liegt aber sicher nicht an der Wertigkeit des Gesundheitsausschusses und der Gesundheitsministerin. Ich nehme eher an, daß man weiß, daß die Damen und Herren des Gesundheitsausschusses wie auch die Frau Gesundheitsministerin über gute Kondition und Ausdauer verfügen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, daß mit dem heutigen Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe ein wesentlicher Schritt in Richtung Qualitätsanhebung geleistet wurde und es außerdem ein positiver Schritt in Richtung Legalisierung der Durchführungskompetenzen verschiedener Tätig


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keiten im medizinischen Bereich ist. Durch dieses Gesetz werden Krankenschwestern beziehungsweise das Krankenpflegepersonal dazu ermächtigt, Tätigkeiten, die sie häufig auch bisher schon ausführten, nun berechtigterweise auszuüben.

Wie schon gesagt, haben sich die Anforderungen an das Pflegepersonal geändert. Krankenpfleger und Krankenschwestern sind mittlerweile ein eigenständiger Beruf, was auch eine Erweiterung der Kompetenzen und der Tätigkeiten zur Folge hat.

Für besonders wesentlich halte ich es, daß mit diesem Gesetz die Verpflichtung zur Fortbildung geregelt wird. Innerhalb von fünf Jahren muß das Personal eine Fortbildung im Ausmaß von mindestens 40 Stunden absolvieren, wodurch gewährleistet wird, daß das Personal stets mit dem neuesten Wissensstand vertraut gemacht wird und alte Kenntnisse wieder aufgefrischt werden. Natürlich gibt es bezüglich der Fortbildungsverpflichtung Übergangsbestimmungen.

Es ist gut und richtig, daß in allen Bundesländern das Krankenpflegepersonal gleich gut ausgebildet wird, worüber in Absprache mit den Ländern auch Einigung erzielt werden konnte.

Dieses Gesetz ist zu begrüßen, denn eine gute Qualifikation der in der Gesundheits- und Krankenpflege Tätigen wünschen wir uns alle. Ich bin überzeugt davon, daß diesem guten Gesetz bezüglich der Gesundheitsberufe weitere Schritte folgen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 13 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.57

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Jahrzehntelange Vorbereitungen finden heute ihren Abschluß: Das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe wird realisiert. Die steigende Bedeutung der Pflege rechtfertigte nicht nur, sondern erforderte geradezu ein neues, eigenständiges und zeitgemäßes Gesetz, das insbesondere die Berufsausbildung und -ausübung regelt. Diese grundlegende Reform etabliert die Gesundheits- und Krankenpflege gleichrangig neben den anderen Gesundheitsberufen.

Als wesentliches Ergebnis betrachte ich, so wie schon meine Vorrednerin, die Entlastung des Pflegepersonals von Gesetzeskonflikten. Schon lange waren viele Tätigkeiten für Krankenschwestern und -pflegepersonal, die unerlaubt waren, aber angeordnet wurden, an der Tagesordnung – ein unzumutbarer Zustand, der heute durch diesen Beschluß gesetzlich legitimiert werden soll.

Die Inhalte des Gesetzes wurden schon wiederholt und sehr detailliert erläutert, sodaß dazu eine weitere Erklärung nicht mehr notwendig ist.

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß uns alle diese speziellen, inhaltlich und formal europarechtlichen Neuerungen dieses Gesetzes einen beträchtlichen und wichtigen Schritt in der generellen Verbesserung unseres Gesundheitswesens weiterbringen. Diese Tatsache veranlaßt uns, den Beteiligten zu danken und der Gesetzesvorlage gerne unsere Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesminister.

23.59

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Es geschieht einem Minister beziehungsweise einer Ministerin sehr selten, daß, wenn man das Ministeramt antritt, ein fast fertiges Gesetz auf dem Schreibtisch liegt. Ich möchte mich deshalb zuerst bei meiner Vorgängerin, der


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jetzigen Abgeordneten Frau Dr. Krammer, ganz herzlich dafür bedanken, daß sie das möglich gemacht hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte mich aber auch Ihrem Dank an alle anschließen, die am Zustandekommen dieses Gesetzes beteiligt waren. Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium, der Gewerkschaftsvertretung, der Personalvertretung, nicht zuletzt auch den Vertretern der Länder. Es war eine sehr große Menge von Beteiligten, die – ich sage das auf Wienerisch – unter einen Hut gebracht werden mußten. Umso mehr glaube ich, daß dies ein ganz wichtiges Gesetz für die Patienten, für die in Gesundheitsberufen Tätigen und für die Qualität unseres Gesundheitswesens ist. Vielleicht ist es ein gutes Omen, wenn Sie genau um Mitternacht dieses Gesetz heute beschließen. – Herzlichen Dank auch dafür, wenn Sie dieses tun! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstatterin findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. – Zu diesem Zweck bitte ich die Damen und Herren Abgeordneten, ihren Platz einzunehmen. Die Mitarbeiter bitte ich, die Gänge zwischen den Sitzreihen zu verlassen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 777 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen Abänderungsanträge eingebracht. Weiters haben die Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen haben Abänderungsanträge betreffend Artikel I § 3 Abs. 2, § 6, § 7 Abs. 2 und die Absatzbezeichnungen im § 7 Abs. 1 sowie die §§ 8, 32, 49, 50 und 105 Abs. 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag beitreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Guggenberger, Dr. Leiner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die § 7 Abs. 1, § 35 Abs. 2, § 36 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Motter und Genossen betreffend zeitgemäße Regelungen für alle Gesundheits- und Krankenpflegeberufe.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Motter und Genossen betreffend Verankerung der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege im tertiären Sektor.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 778 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich gelangen wir noch zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 779 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag des Abgeordneten Mag. Stadler auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Behinderung der Ermittlung zum Bombenterror.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR zur näheren Untersuchung der Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und dem Versagen der Organe der Justiz

Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

"Zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der mehr als zweijährigen Behinderung der Ermittlungen zum Bombenterror durch Nachrichtenschwindler des Innenministeriums und dem Versagen der Organe der Justiz wird ein Unter


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suchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ: 5 ÖVP: 4 FPÖ: 1 Grüne: 1 Liberale besteht."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

*****

Wir gelangen weiters zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung, insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz, sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah-Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. Juli 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten.

Auch dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Hans Helmut Moser, Partnerinnen und Partner auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. Juli 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, ist zu prüfen."

Der Untersuchungsausschuß besteht aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ , 5 ÖVP , 4 FPÖ , 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich daher um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
82. Sitzung / Seite 240

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 522/A bis 535/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2738/J bis 2796/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Freitag, den 11. Juli 1997, 9 Uhr ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 0.05 Uhr

 

 

 


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
82. Sitzung / Seite 241

Verzeichnis der Mitglieder des besonderen Ausschusses zur Vorbehandlung des Gentechnik-Volksbegehrens laut von den Klubs eingereichten Listen

Mitglieder:

SPÖ: Anna Huber; Heinz Gradwohl; Mag. Johann Maier; Rudolf Parnigoni; Dr. Elisabeth Pittermann; Annemarie Reitsamer; Heidrun Silhavy; Mag. Walter Guggenberger

ÖVP: Karl Donabauer; Karlheinz Kopf; Dr. Günther Leiner; Dr. Dieter Lukesch; Maria Rauch-Kallat; Dr. Walter Schwimmer

Freiheitliche: Dr. Alois Pumberger; Ing. Mathias Reichhold; Dr. Stefan Salzl; Mag. Herbert Haupt; Mag. Karl Schweitzer

Liberales Forum: Mag. Thomas Barmüller

Grüne: Ing. Monika Langthaler

Ersatzmitglieder:

SPÖ: Ludmilla Parfuss; Marianne Hagenhofer; Manfred Lackner; Dr. Imtraut Karlsson;
Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller; Dipl.-Ing. Werner Kummerer; Rainer Wimmer; Doris Bures

ÖVP: Werner Amon; Rosemarie Bauer; Franz Morak; Josef Schrefel; Ridi Steibl; Ingrid Tichy-Schreder

Freiheitliche: Dr. Brigitte Povysil; Anna-Elisabeth Aumayr; Mag. Dr. Udo Grollitsch; Franz Koller; Hermann Mentil

Liberales Forum: Klara Motter

Grüne: Dr. Madeleine Petrovic