Stenographisches Protokoll

87. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 12. Dezember 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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87. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 12. Dezember 2001

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 12. Dezember 2001: 9.04 – 23.32 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema: "Erfolgsmodell Österreich – Standortverbesserung und Konjunkturbelebung"

2. Punkt: Bericht der Bundesregierung betreffend Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin; Analyse-Teil

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert und ein Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundeskriminalamtes erlassen wird

4. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll

5. Punkt: Protokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

6. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mongolei über die Förderung und den Schutz von Investitionen

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Saudi-Arabien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

9. Punkt: Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen samt Schlussakte

10. Punkt: Bundesgesetz betreffend die Belastung öffentlichen Wassergutes mit Fischereirechten

11. Punkt: Bericht über den Antrag 536/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge


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setz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an Flughafenbetriebsgesellschaften und von unbeweglichem Bundesvermögen

12. Punkt: Bericht über den Antrag 543/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Mag. Gilbert Trattner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert wird (2. BFG-Novelle 2002)

13. Punkt: Bericht über den Antrag 537/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird

14. Punkt: Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten samt Erklärung der Republik Österreich

15. Punkt: Änderung zum Artikel 43 Absatz 2 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, angenommen von der Konferenz der Vertragsstaaten am 12. Dezember 1995

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997, das Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz, das Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz, das Tiertransportgesetz-Luft, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996, die Straßenverkehrsordnung 1960, das Tiertransportgesetz-Straße, das Führerscheingesetz, das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Kraftfahrgesetz 1967, die 3. KFG-Novelle, die 4. KFG-Novelle, das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG), das Containersicherheitsgesetz, das Eisenbahngesetz 1957, das Tiertransportgesetz-Eisenbahn, das Hochleistungsstreckengesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer "Brenner Eisenbahn GmbH", das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesbahngesetz 1992, das Eisenbahnbeförderungsgesetz, das Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs, das Schifffahrtsgesetz, das Bundesgesetz vom 26. Juni 1974, mit dem das Hafeneinrichtungen-Förderungsgesetz geändert wird, das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Binnenschiffsverkehr auf Wasserstraßen, das Bundesgesetz vom 21. Oktober 1988 zur Erfüllung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über den Binnenschiffsverkehr samt Anlage und Zusatzprotokoll, das Bundesgesetz zur Erfüllung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über den Binnenschiffsverkehr, das Bundesgesetz über die Seeschifffahrt, das Bundesgesetz zur Erfüllung des Internationalen Schiffsvermessungs-Übereinkommens, das Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz-SSEG, das Marchfeldkanalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Amateurfunkgesetz, das Funker-Zeugnisgesetz, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Postgesetz, das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion, das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Innovations- und Technologiefondsgesetz, das Bundesgesetz über das Österreichische Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Bundesgesetz zur Übertragung der Donau Transport Entwicklungsgesellschaft m.b.H. an den Bund geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz Verkehr, Innovation und Technologie – EUGVIT)

17. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen, BGBl. I Nr. 134/2001, geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992 geändert wird

19. Punkt: Urkunden des Weltpostvereins (Beijing 1999), nämlich a) Sechstes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins, b) Allgemeine Verfahrensordnung


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des Weltpostvereins, c) Weltpostvertrag samt Schlussprotokoll, d) Abkommen über die Postzahlungsdienste

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Inhalt

Nationalrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des ehemaligen langjährigen Präsidenten des Nationalrates Anton Benya 21

Mandatsverzicht des Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Puttinger 21

Angelobung des Abgeordneten Peter Haubner 21

Personalien

Verhinderungen 21

Ordnungsruf 98

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschussberichte 942 und 943 d. B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung 22

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2859/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 25

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 160

Redner:

Mag. Ulrike Sima 160

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 163

Heinz Gradwohl 165

Georg Schwarzenberger 166

Anna Elisabeth Achatz 167

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 168

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 169

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 25


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Wortmeldungen im Zusammenhang mit den Ausführungen des Bundesministers Mag. Herbert Haupt im Rahmen der Debatte über Tagesordnungspunkt 1:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 95

Dr. Andreas Khol 96

Dr. Ilse Mertel 97

Mitteilung des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend die oben erwähnten Ausführungen des Bundesministers Mag. Herbert Haupt sowie das von den Grünen gestellte Verlangen auf Durchführung einer Debatte über diese Ausführungen gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 97

Ersuchen des Abgeordneten Karl Öllinger, die Sitzung zu unterbrechen 120

Unterbrechung der Sitzung 121

Wortmeldung des Abgeordneten Karl Öllinger betreffend das "Schlusswort" des Bundesministers Mag. Herbert Haupt in der kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2859/AB 171

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 22

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 der Geschäftsordnung betreffend Prüfung der Gebarung des Bundeskanzleramtes und der anderen Zentralstellen (Bundesministerien) seit 4. Februar 2000 betreffend die Maßnahmen zur Schließung öffentlicher Einrichtungen (Gendarmerieposten, Bezirksgerichte, Postämter, Nahverkehrseinrichtungen, Finanzämter, Schulen, Bundessozialämter, ...) im ländlichen Raum (eingelangt am 4. Dezember 2001) durch den Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses 25

Ausschüsse

Zuweisungen 23

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordneten Ridi Steibl und Mag. Johanna Mikl-Leitner 23

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundeskanzler betreffend eine österreichische Initiative für einen Atomausstieg in Europa beim EU-Gipfel in Laeken (566/A) (E) 121

Begründung: Dr. Eva Glawischnig 127

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 133

Debatte:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 140

Dr. Josef Cap 141

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 143

Karlheinz Kopf 144

Mag. Karl Schweitzer 145

Dr. Gabriela Moser 147

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 149

Mag. Ulrike Sima 150

Mag. Helmut Kukacka 153

Anna Elisabeth Achatz 155

Mag. Ulrike Lunacek 156

Georg Oberhaidinger 158

Dr. Eva Glawischnig 160

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend die konsequente Fortführung der österreichischen Anti-Atompolitik – Annahme (E 113) 145, 160

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 566/A (E) 160


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Verhandlungen

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema: "Erfolgsmodell Österreich – Standortverbesserung und Konjunkturbelebung" 26

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 26

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 30

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 22

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 34

Dr. Andreas Khol 37

Mag. Werner Kogler 45, 118

Ing. Peter Westenthaler 48

Rudolf Edlinger 52

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 55

Karl Öllinger 58

Mag. Gilbert Trattner 60

Friedrich Verzetnitsch 62

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 65

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 65

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 66

Georg Schwarzenberger 68

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 70, 116

Ing. Peter Westenthaler (tatsächliche Berichtigung) 72

Helmut Haigermoser 72

Kurt Eder 76

Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 78

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 80

Mag. Walter Tancsits 81

Dieter Brosz (tatsächliche Berichtigung) 82

Dr. Evelin Lichtenberger 83

Reinhart Gaugg 84

Renate Csörgits 85

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 87

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 87

Dr. Gabriela Moser 88

Robert Egghart 90

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 91

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 97

Mag. Johann Maier 99

Dr. Reinhold Mitterlehner 101

Emmerich Schwemlein 102

Dr. Sylvia Papházy, MBA 112

Sophie Bauer 113

Norbert Staffaneller 115

Hermann Böhacker 117

Helmut Haigermoser (tatsächliche Berichtigung) 119


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend Standortsicherung und Konjunkturbelebung – Annahme (E 110) 40, 119

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Semperit-Mitarbeiter – Annahme (E 111) 50, 119

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend den Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik unter Mobilisierung der Rücklagen des AMS – Ablehnung 59, 119

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend die Neufassung der Basler Eigenkapitalvereinbarung sowie der entsprechenden Richtlinien der Europäischen Union für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen ("Basel II") – Annahme (E 112) 75, 119

Entschließungsantrag der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend Sicherung des Standortes und der Beschäftigung bei Semperit in Traiskirchen – Ablehnung 78, 120

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend die konjunkturell vorteilhafte Zweckbindung von Wohnbaufördermitteln für umfassende Gebäudesanierungen im Wege einer Art. 15a-Vereinbarung Bund-Länder – Ablehnung 89, 120

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Wachstumsprogramm für Österreich – Sicherung von Zukunft, Wohlstand und Beschäftigung – Ablehnung 104, 120

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sophie Bauer und Genossen betreffend die sofortige Auflösung der Arbeitsmarktrücklage – Ablehnung 114, 120

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sophie Bauer und Genossen betreffend unterstützende Maßnahmen für die Betriebskrankenkasse Semperit – Ablehnung 114, 120

2. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Bericht (III-87 d. B.) der Bundesregierung betreffend Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin; Analyse-Teil (939 d. B.) 171

Redner:

Dr. Caspar Einem 171

Dr. Michael Spindelegger 174

Dr. Peter Pilz 177

Wolfgang Jung 180

Bundesminister Herbert Scheibner 183

Anton Gaál 186

Walter Murauer 188

Dr. Evelin Lichtenberger 190

Dr. Reinhard Eugen Bösch 192

Stefan Prähauser 193

Mag. Cordula Frieser 194

Mag. Ulrike Lunacek 195

Dr. Gerhard Kurzmann 197

Marianne Hagenhofer 198

Johann Loos 199

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 200

Mag. Beate Hartinger 202

Rudolf Parnigoni 203

Ing. Herbert L. Graf 204


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Kenntnisnahme des Berichtes III-87 d. B. 205

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 939 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend eine neue österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin (E 114) 205

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (806 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert und ein Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundeskriminalamtes erlassen wird (908 d. B.) 205

Redner:

Rudolf Parnigoni 205

Paul Kiss 209

Mag. Werner Kogler 210

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 212

Hermann Reindl 214

Anton Leikam 216

Werner Miedl 217

Anton Gaál 219

Dr. Reinhard Eugen Bösch 220

Günter Kiermaier 221

Karl Freund 222

Ludmilla Parfuss 223

Robert Egghart 224

Otto Pendl 225

Matthias Ellmauer 227

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 22


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8

Günter Kößl 229

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend die personelle Situation im BMI durch die Gründung des Bundeskriminalamtes – Ablehnung 206, 231

Annahme 230


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Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (761 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll (915 d. B.) 23


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1

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (698 d. B.): Protokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (916 d. B.) 231

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (738 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (917 d. B.) 231

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (762 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mongolei über die Förderung und den Schutz von Investitionen (918 d. B.) 231

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (765 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Saudi-Arabien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (919 d. B.) 231

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (769 d. B.): Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen samt Schlussakte (920 d. B.) 232

Redner:

Kurt Eder 232

Hans Müller 232

Mag. Werner Kogler 233

Genehmigung der sechs Staatsverträge 234

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 920 d. B. 235

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (879 d. B.): Bundesgesetz betreffend die Belastung öffentlichen Wassergutes mit Fischereirechten (921 d. B.) 235

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 536/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an Flughafenbetriebsgesellschaften und von unbeweglichem Bundesvermögen (922 d. B.) 235

12. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 543/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Mag. Gilbert Trattner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert wird (2. BFG-Novelle 2002) (926 d. B.) 235

13. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 537/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (923 d. B.) 235

Redner:

Dr. Günther Kräuter 235

Hermann Böhacker 236

Ing. Kurt Gartlehner 236

Mag. Werner Kogler 237

Rainer Wimmer 237

Jakob Auer 238

Dr. Kurt Heindl 238

Hans Müller 239

Johann Kurzbauer 239

Mag. Reinhard Firlinger 240

Ing. Kurt Scheuch 240

Mag. Dr. Udo Grollitsch 241

Annahme der vier Gesetzentwürfe 242

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (766 d. B.): Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten samt Erklärung der Republik Österreich (942 d. B.) 243

15. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (801 d. B.): Änderung zum Artikel 43 Absatz 2 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, angenommen von der Konferenz der Vertragsstaaten am 12. Dezember 1995 (943 d. B.) 243

Redner:

Mag. Walter Posch 243

Mag. Ulrike Lunacek 244

Dr. Reinhard Eugen Bösch 245

Genehmigung der beiden Staatsverträge 245

Beschlussfassungen im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 942 und 943 d. B. 245

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (803 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997, das Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz, das Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz, das Tiertransportgesetz-Luft, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996, die Straßenverkehrsordnung 1960, das Tiertransportgesetz-Straße, das Führerscheingesetz, das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Kraftfahrgesetz 1967, die 3. KFG-Novelle, die 4. KFG-Novelle, das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG), das Containersicherheitsgesetz, das Eisenbahngesetz 1957, das Tiertransportgesetz-Eisenbahn, das Hochleistungsstreckengesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer "Brenner Eisenbahn GmbH", das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesbahngesetz 1992, das Eisenbahnbeförderungsgesetz, das Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs, das Schifffahrtsgesetz, das Bundesgesetz vom 26. Juni 1974, mit dem das Hafeneinrichtungen-Förderungsgesetz geändert wird, das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Binnenschiffsverkehr auf Wasserstraßen, das Bundesgesetz vom 21. Oktober 1988 zur Erfüllung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über den Binnenschiffsverkehr samt Anlage und Zusatzprotokoll, das Bundesgesetz zur Erfüllung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über den Binnenschiffsverkehr, das Bundesgesetz über die Seeschifffahrt, das Bundesgesetz zur Erfüllung des Internationalen Schiffsvermessungs-Übereinkommens, das Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz-SSEG, das Marchfeldkanalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Amateurfunkgesetz, das Funker-Zeugnisgesetz, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Postgesetz, das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion, das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Innovations- und Technologiefondsgesetz, das Bundesgesetz über das Österreichische Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Bundesgesetz zur Übertragung der Donau Transport Entwicklungsgesellschaft m.b.H. an den Bund geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz Verkehr, Innovation und Technologie – EUGVIT) (909 d. B.) 246

17. Punkt: Bericht und Antrag des Verkehrsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen, BGBl. I Nr. 134/2001, geändert wird (910 d. B.) 246

18. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (852 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992 geändert wird (911 d. B.) 246

19. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (774 d. B.): Urkunden des Weltpostvereins (Beijing 1999), nämlich a) Sechstes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins, b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins, c) Weltpostvertrag samt Schlussprotokoll, d) Abkommen über die Postzahlungsdienste (912 d. B.) 246

Redner:

Dr. Evelin Lichtenberger 247

Josef Edler 247

Mag. Helmut Kukacka 248

Mag. Reinhard Firlinger 248

Günter Kiermaier 249

Ernst Fink 249

Ing. Kurt Scheuch 250

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 909, 910 und 911 d. B. 250

Genehmigung des Staatsvertrages in 912 d. B. 251

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 912 d. B. 251

Eingebracht wurden

Petitionen 23

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3211 Loich" (Ordnungsnummer 37) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3125 Statzendorf" (Ordnungsnummer 38) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3384 Groß Sierning" (Ordnungsnummer 39) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3074 Michelbach" (Ordnungsnummer 40) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3072 Kasten" (Ordnungsnummer 41) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3131 Getzersdorf" (Ordnungsnummer 42) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )


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Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3104 Harland" (Ordnungsnummer 43) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3105 Radlberg" (Ordnungsnummer 44) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3212 Schwarzenbach" (Ordnungsnummer 45) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3144 Wald" (Ordnungsnummer 46) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3061 Ollersbach" (Ordnungsnummer 47) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3051 St. Christophen" (Ordnungsnummer 48) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3052 Innermanzing" (Ordnungsnummer 49) (überreicht von den Abgeordneten Anton Heinzl und Beate Schasching )

Petition betreffend "für die Realisierung des Tschirganttunnels" (Ordnungsnummer 50) (überreicht vom Abgeordneten Gerhard Reheis )

Regierungsvorlagen 23

831: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Bundesregierung der Bundesrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen

900: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über die Beendigung der Tätigkeit des Internationalen Registeramts in Klosterneuburg

904: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (VAG-Novelle 2001)

924: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (E-Geldgesetz) erlassen und mit dem das Bankwesengesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden

927: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

Berichte 23

III-125: Kunstbericht 2000; Bundesregierung

III-126: Förderungsbericht 2000; Bundesregierung


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87. Sitzung / Seite 12

III-127: 18. Bericht über die Tätigkeit der Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien AG in den Geschäftsjahren 1997 bis 2000; BM f. Finanzen

III-129: Bericht über die Fortschreibung des Österreichischen Stabilitätsprogrammes für die Jahre 2001 bis 2005; BM f. Finanzen

III-130: Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für Sektenfragen für das Jahr 2000; BM f. soziale Sicherheit und Generationen

Zu III-103 (3. Ergänzung): 3. Ergänzung des Berichtes III-103 der Beilagen: Forschungs- und Technologiebericht 2001, BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur im Einvernehmen mit BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

Anträge der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend eine österreichische Initiative für einen Atomausstieg in Europa beim EU-Gipfel in Laeken (566/A) (E)

Dr. Alois Pumberger, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (567/A)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. Nr. 463/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2001, geändert wird (568/A)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend die konjunkturell vorteilhafte Zweckbindung von Wohnbaufördermitteln für umfassende Gebäudesanierungen im Wege einer Art. 15a-Vereinbarung Bund-Länder (569/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Rücknahme der im Sinne der Verkehrssicherheit untragbaren Neuregelung für Gefahrguttransporte in Straßentunneln (570/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Schaffung eines modernen Nachtarbeitsgesetzes (571/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend die Sanierung alter Bleiwasserrohre in Wohnhäusern (572/A) (E)

Mag. Dr. Udo Grollitsch, Karlheinz Kopf und Genossen betreffend die Förderung des Mountainbike-Sports in Österreich (573/A) (E)

Kurt Eder und Genossen betreffend Sicherheitsgurte in Bussen (574/A) (E)

Mag. Johann Maier und Genossen betreffend 2. Bericht nach § 19 Abs. 5 Euro-Währungsangabengesetz (EWAG) (575/A) (E)

Dr. Harald Ofner, Matthias Ellmauer und Genossen betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte (576/A) (E)

Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wird (577/A)

Zurückgezogen wurden die Anträge der Abgeordneten

Karl Öllinger und Genossen betreffend PensionistInnenabsetzbetrag (76/A) (E) (Zu 76/A) (E)


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87. Sitzung / Seite 13

Manfred Lackner, Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend Ausbau der Palliativmedizin (491/A) (E) (Zu 491/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Albertina-Sammlungsdokumentation (3159/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Vorruhestandsmodell (3160/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vorruhestandsmodell (3161/J)


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87. Sitzung / Seite 14

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend billige Polemik auf der offiziellen Homepage des Bundesministeriums für Justiz (3162/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Europäischer Sozialfonds – ESF (3163/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3164/J)

Gerhard Reheis und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3165/J)

Gerhard Reheis und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3166/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3167/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3168/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3169/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3170/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3171/J)

Gerhard Reheis und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3172/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3173/J)

Gerhard Reheis und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3174/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (3175/J)

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend weitere höchst bedenkliche Vorgänge in Zusammenhang mit dem "Spitzelskandal" (3176/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf von Bundeswohnungen (3177/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Stellenwert zeitgenössischer Architektur in Österreich sowie Mindeststandards von Wettbewerbsverfahren bei öffentlichen Bauwerken (3178/J)

Mag. Werner Kogler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Panzerexport nach Botswana (3179/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend finanzielle und beschäftigungsbezogene Konsequenzen für das Bundesministerium für Inneres durch Reklamationen gegen die Ergebnisse der Volkszählung 2001 (3180/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend eine skandalöse Frühpensionierungsaktion für alle MitarbeiterInnen, die 25 Dienstjahre in der Wirtschaftskammer Österreich abgeleistet haben (3181/J)

Mag. Werner Kogler und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Panzer-Export an die Republik Botswana (3182/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zivildienerzuweisung Oktober 2001 (3183/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Westring Linz (4. Donaubrücke) (3184/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Integration geschlechtsspezifischer Problemlagen in die Österreichische Gesundheitskonferenz sowie Umsetzung von Gender Mainstreaming im Gesundheitsbereich (3185/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vorruhestandsmodell (3186/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Investitionspläne der OMV im Sudan und Prinzipien der österreichischen Entwicklungspolitik (3187/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Behindertenmilliarde (3188/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3189/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Neuregelung des Kilometergeldes (3190/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "Mittel für Universitätsbauten" (3191/J)

Mag. Christine Muttonen und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Rückkehr der kleinen Nutzer in das MQ (3192/J)


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87. Sitzung / Seite 15

Ridi Steibl und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die "Verordnung über Beschränkungen für Beförderungseinheiten mit gefährlichen Gütern beim Befahren von Autobahntunneln" (BGBl. II Nr. 395/2001) (3193/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aussagen des Stellv. ital. Ministerpräsidenten Fini zu Südtirol (3194/J)

Ing. Wilhelm Weinmeier und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Müllimport aus Italien (3195/J)

Rainer Wimmer und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Umstrukturierung der Heeresgebäudeverwaltung Salzkammergut (3196/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Mautfreiheit für Osttiroler" (3197/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Müllimportgenehmigungen für italienischen Müll aus Neapel (3198/J)

Anton Heinzl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die geplante Schließung von Bezirksgerichten in Niederösterreich (3199/J)

Anton Heinzl und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend betriebs- und volkswirtschaftliche Bewertung der getroffenen Maßnahmen bei der Österreichischen Post AG (3200/J)


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87. Sitzung / Seite 16

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3201/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3202/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3203/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3204/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3205/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3206/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3207/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3208/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3209/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3210/J)

Mag. Christine Lapp und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Internationales Jahr der Behinderten (3211/J)

*****

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Sonderbericht der Volksanwaltschaft über Vergabe von Heizkostenzuschüssen in der Heizperiode 2000/2001 (21/JPR)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (2831/AB zu 2814/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder und Genossen (2832/AB zu 2824/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2833/AB zu 2841/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2834/AB zu 2842/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter und Genossen (2835/AB zu 2847/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Ludmilla Parfuss und Genossen (2836/AB zu 2849/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (2837/AB zu 2852/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (2838/AB zu 2855/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (2839/AB zu 2860/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (2840/AB zu 2868/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (2841/AB zu 2873/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2842/AB zu 2878/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Dobnigg und Genossen (2843/AB zu 2904/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (2844/AB zu 2879/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Genossen (2845/AB zu 2887/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2846/AB zu 2820/J)


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87. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2847/AB zu 2869/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2848/AB zu 2886/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Gaál und Genossen (2849/AB zu 2889/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (2850/AB zu 2888/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (2851/AB zu 2882/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2852/AB zu 2829/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen (2853/AB zu 2884/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Reinhart Gaugg, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen (2854/AB zu 2825/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2855/AB zu 2826/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (2856/AB zu 2858/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (2857/AB zu 2874/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Gaál und Genossen (2858/AB zu 2865/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (2859/AB zu 2856/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (2860/AB zu 2881/J und Zu 2860/AB zu 2881/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2861/AB zu 2823/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (2862/AB zu 2851/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (2863/AB zu 2854/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (2864/AB zu 2871/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2865/AB zu 2819/J)


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87. Sitzung / Seite 18

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2866/AB zu 2837/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (2867/AB zu 2875/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2868/AB zu 2830/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (2869/AB zu 2891/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (2870/AB zu 2897/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Dobnigg und Genossen (2871/AB zu 2905/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (2872/AB zu 2906/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Georg Oberhaidinger und Genossen (2873/AB zu 2985/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2874/AB zu 2934/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2875/AB zu 3026/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Leikam und Genossen (2876/AB zu 2947/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (2877/AB zu 3013/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2878/AB zu 3029/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2879/AB zu 2909/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2880/AB zu 3024/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2881/AB zu 2907/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2882/AB zu 2917/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen (2883/AB zu 2896/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen (2884/AB zu 2894/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2885/AB zu 2910/J)


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87. Sitzung / Seite 19

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (2886/AB zu 2895/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (2887/AB zu 2898/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (2888/AB zu 2892/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (2889/AB zu 2924/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2890/AB zu 2903/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2891/AB zu 2914/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2892/AB zu 2919/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2893/AB zu 2912/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2894/AB zu 2939/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl und Genossen (2895/AB zu 2901/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (2896/AB zu 2902/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2897/AB zu 2942/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2898/AB zu 2899/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2899/AB zu 2921/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2900/AB zu 2900/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen (2901/AB zu 2922/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (2902/AB zu 2927/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (2903/AB zu 2974/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2904/AB zu 2908/J)


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Stenographisches Protokoll
87. Sitzung / Seite 20

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (2905/AB zu 3022/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (2906/AB zu 2955/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter und Genossen (2907/AB zu 3058/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (2908/AB zu 2926/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (2909/AB zu 2946/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2910/AB zu 2943/J)


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Stenographisches Protokoll
87. Sitzung / Seite 21

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

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Nationalrat, XXI.GP
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87. Sitzung / Seite 22

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 87. Sitzung des Nationalrates, die für heute, Mittwoch, den 12. Dezember 2001, einberufen wurde.

Ich gebe bekannt, dass die Amtlichen Protokolle der 83. Sitzung vom 21. November und 22. November 2001, der 84. Sitzung vom 22. November 2001 sowie der 85. und der 86. Sitzung vom 23. November 2001 in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben sind; sie gelten damit als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Nürnberger, Mag. Mainoni, Lexer und Dr. Van der Bellen.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, sich von den Sitzen zu erheben. (Alle Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Trauerkundgebung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass der langjährige Präsident des Nationalrates, Anton Benya, am 5. Dezember verstorben ist. Wir werden morgen um 9.30 Uhr eine Gedenkveranstaltung durchführen, zu der Sie alle eingeladen sind.

Heute, bei unserem ersten Zusammentreffen nach dem Tod von Präsident Benya, darf ich Sie um eine Gedenkminute bitten. (Alle Anwesenden verharren einige Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke vielmals.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass Herr Abgeordneter Dr. Günther Puttinger auf sein Mandat verzichtet hat und an seiner Stelle Herr Peter Haubner in den Nationalrat berufen wurde.

Da der Wahlschein des Genannten in der Parlamentsdirektion eingelangt und Herr Peter Haubner hier im Hohen Hause anwesend ist, werde ich sogleich seine Angelobung vornehmen.

Als Schriftführerin wird Frau Abgeordnete Haller gebeten, die Gelöbnisformel zu verlesen. Der neue Mandatar wird sodann seine Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich darf die Frau Schriftführerin um die Verlesung der Gelöbnisformel bitten.

Schriftführerin Edith Haller: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Ankündigung einer Erklärung des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundeskanzler und die Frau Vizekanzlerin haben mir in zwei Briefen ihre Absicht mitgeteilt, zum Thema "Erfolgsmodell Österreich – Standortverbesserung und Konjunkturbelebung" Erklärungen im Sinne der Geschäftsordnung des Nationalrates abzugeben.

Ich werde diese Erklärungen an die Spitze der Tagesordnung der heutigen Sitzung stellen und zuerst dem Herrn Bundeskanzler und dann der Frau Vizekanzlerin im Sinne des § 19 GOG das Wort erteilen.

Ferner gebe ich bekannt, dass mir das Verlangen – das ausreichend unterstützt ist – vorliegt, über diese Erklärungen eine Debatte durchzuführen. – Dagegen gibt es keinen Einwand.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Um die Punkte 14 und 15 der heutigen Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es erforderlich, von der 24-stündigen Aufliegefrist mit Zweidrittelmehrheit Abstand zu nehmen.

Bei den Punkten 14 und 15 handelt es sich um Berichte des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage 766 der Beilagen – das ist das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten samt Erklärung der Republik Österreich – sowie über die Regierungsvorlage 801 der Beilagen: Änderung zum Artikel 43 Absatz 2 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, angenommen von der Konferenz der Vertragsstaaten am 12. Dezember 1995.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, dass von der Aufliegefrist Abstand genommen wird, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, weil einstimmig, angenommen.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf noch bekannt geben, dass sich Frau Außenministerin Dr. Ferrero-Waldner heute in Brüssel befindet und mir mitgeteilt hat – ich habe das an alle Fraktionen weitergeleitet –, dass sie bei dieser Debatte von einem Staatssekretär vertreten werden wird.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 GOG auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3159/J bis 3187/J.

2. Anfragebeantwortungen: 2831/AB bis 2910/AB;

Berichtigung zur Anfragebeantwortung: Zu 2860/AB.


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3. Initiativanträge:

Zurückziehungen: 76/A (E) und 491/A (E).

4. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (VAG-Novelle 2001) (904 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (E-Geldgesetz) erlassen und mit dem das Bankwesengesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (924 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (927 der Beilagen).

5. Ergänzung oder Änderung von Regierungsvorlagen oder Berichten:

3. Ergänzung des Berichtes III-103 der Beilagen: Forschungs- und Technologiebericht 2001, vorgelegt von der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (Zu III-103 der Beilagen) (3. Ergänzung).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (15 U 571/01x) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 StGB,

Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten (32 Hv 1033/01s) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johanna Mikl-Leitner wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 StGB;

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 37 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3211 Loich", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 38 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3125 Statzendorf", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 39 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3384 Groß Sierning", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 40 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3074 Michelbach", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 41 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3072 Kasten", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 42 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3131 Getzersdorf", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 43 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3104 Harland", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,


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Petition Nr. 44 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3105 Radlberg", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 45 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3212 Schwarzenbach", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 46 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3144 Wald", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 47 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3061 Ollersbach", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 48 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3051 St. Christophen", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 49 betreffend "für die Erhaltung des Postamtes 3052 Innermanzing", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl und von der Abgeordneten Beate Schasching,

Petition Nr. 50 betreffend "für die Realisierung des Tschirganttunnels", überreicht vom Abgeordneten Gerhard Reheis.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über die Beendigung der Tätigkeit des Internationalen Registeramts in Klosterneuburg (900 der Beilagen);

Finanzausschuss:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Bundesregierung der Bundesrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen (831 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Budgetausschuss:

Förderungsbericht 2000 der Bundesregierung (III-126 der Beilagen),

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Fortschreibung des Österreichischen Stabilitätsprogrammes für die Jahre 2001 bis 2005 (III-129 der Beilagen);

Familienausschuss:

Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für Sektenfragen für das Jahr 2000, vorgelegt vom Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen (III-130 der Beilagen);

Finanzausschuss:

18. Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Tätigkeit der Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien AG in den Geschäftsjahren 1997 bis 2000 (III-127 der Beilagen);

Kulturausschuss:

Kunstbericht 2000 der Bundesregierung (III-125 der Beilagen);


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C) Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 GOG:

Verlangen der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung der Gebarung des Bundeskanzleramtes und der anderen Zentralstellen (Bundesministerien) seit 4. Februar 2000 betreffend die Maßnahmen zur Schließung öffentlicher Einrichtungen (Gendarmerieposten, Bezirksgerichte, Postämter, Nahverkehrseinrichtungen, Finanzämter, Schulen, Bundessozialämter, ...) im ländlichen Raum (eingelangt am 4. Dezember 2001).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig hat vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den – zum gleichen Zeitpunkt – eingebrachten Selbständigen Antrag 566/A (E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig betreffend eine österreichische Initiative für einen Atomausstieg in Europa beim EU-Gipfel in Laeken dringlich zu behandeln.

Im Sinne der Bestimmungen unserer Geschäftsordnung, die Sie alle kennen, wird dieser Dringliche Antrag um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2859/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich vor Eingang in die Tagesordnung mitteilen, dass mir ein auf § 92 der Geschäftsordnung gestütztes Verlangen vorliegt, eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 2859/AB zur Anfrage 2856/J der Abgeordneten Mag. Sima betreffend BSE-Maßnahmen in Österreich durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung soeben festgelegt wurde, dass ein Dringlicher Antrag in Verhandlung genommen wird, wird die Kurzdebatte nach Abschluss der Debatte zum Dringlichen Antrag durchgeführt werden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, in der heutigen Tagesordnung die Punkte 4 bis 9, 10 bis 13, 14 und 15 sowie 16 bis 19 zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall; wir werden daher so vorgehen.

Wir gehen jetzt in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es ist eine Tagesblockzeit von 10 "Wiener Stunden" vorgeschlagen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 195 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 145 Minuten, Grüne 115 Minuten.

In Hinblick auf die Absicht des Österreichischen Rundfunks, die Debatte bis 13 Uhr live zu übertragen, besteht zusätzlich Einvernehmen über folgende Redeordnung für diese Zeit: Zunächst erfolgt die Erklärung des Bundeskanzlers, für die 15 Minuten vorgesehen sind, anschließend folgt eine Erklärung der Frau Vizekanzlerin, ebenfalls mit 15 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit gleichfalls 15 Minuten; in weiterer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 10 Minuten, wiederum eine Wortmeldungsrunde mit je 10 Minuten pro Fraktion, danach voraussichtlich Wortmeldungen von Regierungsseite mit maximal vier Mal 5 Minuten und


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schließlich eine Rednerrunde von 5 Minuten, wobei vereinbart wurde, dass – falls eine etwas längere Redezeit zur Verfügung stünde – der den Vorsitz führende Präsident diese Redezeit anteilsmäßig verteilen wird.

Außerdem wurde Einvernehmen darüber erzielt, dass in dieser Phase der Debatte keine Fraktion mehr als eine tatsächliche Berichtigung vorträgt.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Ich frage, ob es gegen diesen Vorschlag Einwendungen gibt? – Das ist nicht der Fall. Das ist also einstimmig angenommen.

1. Punkt

Erklärungen des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema: "Erfolgsmodell Österreich – Standortverbesserung und Konjunkturbelebung"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung. Es sind dies die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers und der Frau Vizekanzlerin.

Ich bitte nun den Herrn Bundeskanzler um seine Erklärung. – Bitte.

9.14

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Erlauben Sie, dass ich auch von dieser Stelle aus unseren Respekt und unsere Dankbarkeit gegenüber Anton Benya zum Ausdruck bringe. Er ist eine der großen Persönlichkeiten, die Österreich mitaufgebaut haben, ein Beispiel gelebter Sozialpartnerschaft, ein Mann, den ich auch persönlich kennen gelernt habe, der hart verhandelt hat, auf dessen Wort man sich aber auch in schwierigen Zeiten verlassen konnte.

Namens der Bundesregierung möchte ich unseren Respekt und unsere Anerkennung gegenüber diesem großen Österreicher zum Ausdruck bringen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir behandeln heute das Thema Wirtschaft, die Wirtschaftslage, die Konjunkturlage an der Jahreswende 2001/2002. Es ist vielleicht auch ganz interessant, einen Blick darauf zurückzuwerfen, wie vor einem Jahr – an der Wende zum neuen Millennium – die Ausgangslage war. Damals war der Ausblick beinahe ungetrübt: Der Konjunkturhimmel war strahlend und ohne Wolken, die Börse schien weltweit unbegrenzte Expansionsmöglichkeiten zu haben, die New Technology, die New Economy boomte noch immer. Alles schien möglich zu sein.

Wenige Monate zuvor hatte sich die Europäische Union beim Gipfel von Lissabon die sehr ambitiösen und ehrgeizigen Ziele gesetzt, der am schnellsten wachsende Wirtschaftsraum der Welt zu sein und jene Eckpunkte zu setzen, an denen sich die anderen "global players" orientieren müssen.

Heute ist ein sehr viel realistischeres Bild angesagt: Vieles, was damals schon erreicht schien, ist in weite Ferne gerückt. – Die amerikanische Wirtschaft hat erhebliche Probleme, aber auch die europäische Wirtschaft und damit auch die österreichische Wirtschaft wächst nicht mehr, sie stagniert.

Dazwischen liegt der Absturz überzogener Erwartungen: Die Erwartungen bezüglich der New Technology und der Börsen für Neue Technologien sind deutlich zurückgegangen. Die amerikanische Wirtschaft hat die bekannten Probleme, der Ölpreis stieg deutlich und hinterließ in der ganzen Welt erhebliche konjunkturelle Bremsspuren, und auch der 11. September hatte natürlich eine deutliche atmosphärische, psychologische, aber auch reale Bedeutung für die Weltwirtschaft.

Österreich hat sich in diesem sehr schwierigen Ambiente gut gehalten, aber auch wir konnten uns natürlich nicht völlig abkoppeln: Eine kleine Volkswirtschaft, die die Hälfte ihres Volksein


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kommens im internationalen Wettbewerb erwirtschaften muss, kann sich von internationalen Abhängigkeiten und Verflechtungen nicht völlig befreien. Wir haben uns aber erstaunlich gut gehalten. Im Vergleich zur weit größeren Bundesrepublik Deutschland haben wir ein höheres Wachstum und wesentlich bessere Beschäftigungsdaten. – Meine Damen und Herren, darauf können wir gemeinsam stolz sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Intelligente Konjunkturpolitik – diese gibt es natürlich, und man muss sie auch machen – heißt heute: Strukturpolitik. – Das hat uns ein Wirtschaftsforscher vor einigen Tagen beim Konjunkturgipfel der Bundesregierung gesagt, und dem kann ich nur zustimmen. Es ist völlig verfehlt, zu glauben, als kleine Volkswirtschaft die Konjunktur mit Milliardenausgaben allein bewegen zu können. Was man aber in Europa und Österreich tun kann, ist, strukturpolitische Maßnahmen so zu setzen, dass man aus einer Krise gestärkt hervorgeht.

Viele Wirtschaftsforscher meinen, dass Europa diesbezüglich seine Hausaufgaben in diesem Jahr nicht gemacht hat. Wir haben eben nicht alle Beschlüsse von Lissabon umgesetzt, die wir uns vorgenommen haben. Die Beispiele dafür werden uns an diesem Wochenende beim EU-Gipfel in Laeken beschäftigen: Es gibt noch immer kein europäisches Patent, es gibt noch immer keine gemeinsame Strategie zur Liberalisierung der Energiemärkte, noch immer gibt es den "single sky", den gemeinsamen europäischen Luftraum, nicht, und es gibt viele irrationale Haltungen gegenüber neuen Forschungsergebnissen und Technologien.

Ich glaube, Europa muss diesen strukturpolitischen Impuls aufnehmen, damit wir in der Weltwirtschaft erfolgreich sein können.

Wir Österreicher haben in dieser Zeit unsere Hausaufgaben gut gemacht: Wir haben in diesem Jahr Strukturpolitik betrieben. Wir haben die Weichen so gestellt, dass wir diese schwierige Situation in einem besseren Zustand verlassen können. – Meine Damen und Herren, das ist ein gemeinsames Verdienst dieses Hohen Hauses. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was macht ein Unternehmen in einer schwierigen Lage? – Es sieht sich an, wo seine Stärken und wo seine Schwächen liegen. Das Rezept ist sehr einfach: Stärken stärken und Schwächen verbessern. – Wir haben in diesem Jahr bereits vieles in diesem Sinne unternommen und wollen Ihnen mit dem heute vorliegenden Konjunkturprogramm auch einige Maßnahmen begründen.

Eine der Stärken der österreichischen Wirtschaft ist unser erstklassiges Bildungssystem. Es ist ein Zufall – aber ein schöner Zufall –, der uns in der objektiven Debatte über das österreichische Bildungssystem auch zu Hilfe kommt, dass die OECD gerade jetzt ihre Statistik, ihr Ranking veröffentlicht hat, in dem Österreich mit 35 Ländern im Wettbewerb steht: Es sind immerhin 250 000 15-jährige Schüler in der ganzen Welt untersucht worden; 5 000 österreichische Schüler haben mitgewirkt. Wir hatten als einziges Land eine hundertprozentige Rücklaufquote, und dabei treten einige ganz interessante Erkenntnisse zutage: Österreich gibt – entgegen den Unkenrufen der Opposition – von allen Ländern am meisten Geld für seine Schüler aus. Das ist eine gut angelegte Pro-Kopf-Investition, eine Investition in unsere eigene Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was Sprachbegabung und Sprachenlernen betrifft, liegt Österreich klar an der Spitze aller deutschsprachigen Länder. Wir sind in Europa nach den Finnen die Nummer zwei, und auch weltweit gehören wir zur Spitzengruppe. Genau das Gleiche gilt übrigens für Mathematik und Naturwissenschaften. Ich glaube daher, dass an dieser Stelle ein Dankeschön an jene Lehrer angebracht ist, die unsere Schüler so erstklassig ausbilden, aber auch an die österreichischen Eltern, denen es nicht gleichgültig ist, wie ihre Kinder lernen. Wir nehmen Bildung und Ausbildung offenbar ernster als andere – und das ist ein großer Vorteil für uns. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein zweiter großer Vorteil ist die Stärke der Klein- und Mittelbetriebe, ihre Produktivität und ihr Erfindungsreichtum, der uns Steuereinnahmen, vor allem aber Wettbewerbsvorteile und Ar


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beitsplätze sichert. Das müssen wir verstärken, und da haben wir uns auch einige ganz konkrete Dinge vorgenommen.

Vor allem ist auch unsere geographische Lage durch die Einbettung in Mitteleuropa ein entscheidender Vorteil: In unseren Nachbarländern, den Erweiterungskandidaten, gab es in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 3 bis 4 Prozent; das ist mehr als in anderen westeuropäischen Ländern. Weil die Österreicher diesen möglichen Vorteil, diesen geographischen Vorteil, wirklich aufgegriffen haben, profitieren wir auch davon. Daher: Ja zur Erweiterung! Ja zur Wahrnehmung dieser Chancen, die wir auf Grund unserer geographischen Lage haben! Verehrte Damen und Herren! Wenn man es richtig macht, ist es ein gewaltiger Vorteil für ganz Europa, aber vor allem auch für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben aber auch Schwächen. Das an einem Tag wie heute auszusprechen, ist wichtig. Wir haben immer noch eine überbordende Demo..., Bürokratie. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das war ein freudscher Versprecher par excellence!) Wir haben zu viel Verwaltung, und es ist daher ganz entscheidend, dass wir in dieser Zeit – unter der Führung der Frau Vizekanzlerin – die Verwaltungsreform zu einem der wichtigsten Themen der österreichischen Innenpolitik gemacht haben. Es ist also ganz entscheidend, diese Schwächen auszumerzen und zu verbessern.

Auch im Bereich der Infrastruktur bestehen Schwächen – auch das sei offen ausgesprochen –, weil in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu wenig in Schiene und Straße investiert wurde. Wir wollen das drastisch ändern – ich werde Ihnen dann einige konkrete Zahlen dazu nennen.

Es gibt auch einige echte Barrieren im Unternehmenszugangsrecht. Wir haben noch immer eine Gewerbeordnung, die nicht modern genug ist, manche Strukturregulierungen auf dem Arbeitsmarkt sind Überregulierungen, was die Vermittlung betrifft, und auch bei der Verfahrensdauer bei Großprojekten muss gegengesteuert werden, genauso, wie im Pensionssystem oder in der Verwaltung der Sozialversicherung Reformbedarf da ist, den wir bereits aufgegriffen haben. Daran müssen wir sicherlich weiterarbeiten.

Diese klare Analyse hilft uns, Ihnen heute ein Programm zu präsentieren, das sinnvoll ist und das wirksam sein wird: ein modernes, intelligentes Konjunkturprogramm für Arbeitsplätze, für den Wirtschaftsstandort und für soziale Wohlfahrt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Ausblick für das Jahr 2002 kann – wenn dies umgesetzt wird – durchaus optimistisch sein. Es hilft uns die Weltwirtschaft: Die Amerikaner lassen etwa 60 Milliarden Dollar an Kaufkraftimpulsen in ihre Wirtschaft fließen, noch einmal so viel in den Wiederaufbau und in militärische Aktionen – das ist sicherlich nicht unser Thema, aber es wird auch eine positive Wirkung auf die Wirtschaft haben.

Der Ölpreisverfall von 27 US-Dollar auf 20 US-Dollar hilft natürlich weltweit, die Konjunktur zu stimulieren. Bezüglich der Zinsschritte: die amerikanische Fed ist jetzt unter 2 Prozent, die Europäische Zentralbank ist von fast 4 Prozent auf 3 ¼ Prozent heruntergegangen. All dies wird helfen – und hinzu kommen die österreichischen Maßnahmen der Sozialpartner mit einer sehr vernünftigen Lohnrunde, die Maßnahmen der Regierung mit einer Verbesserung der Kaufkraft für die Pensionisten von über 6 Milliarden Schilling und das Kindergeld mit 9 Milliarden Schilling.

Was die Konjunktur betrifft, können wir also durchaus optimistisch in das Jahr 2002 gehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Stärken stärken und Schwächen verbessern!, das ist unser Programm: Stärken stärken etwa im Bereich der Bildung und Forschung. Wir werden weitere 7 Milliarden Schilling an Anschlussfinanzierung in die Forschungsprogramme fließen lassen. Es ist ganz wesentlich, dass dieser Betrag zur Verfügung gestellt wird und dass damit Planungssicherheit für Forscher, Betriebe und Universitäten gegeben ist.


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Wir werden im Bereich der Bildung einige spektakuläre Verbesserungen vornehmen, die wir Ihnen heute vorschlagen werden, so etwa einen Forschungsfreibetrag, den es ja heute schon mit 25 Prozent beziehungsweise plus 10 Prozent nach einem engen Forschungsbegriff gibt. Wer den weiteren Forschungsbegriff wählt, bekommt 10 Prozent oder eine Direktprämie von 3 Prozent, die vor allem kleinen Betrieben hilft. Dies ist ein wesentlicher Impuls für die Forschungsausgaben der Zukunft!

Für die Bildung erhöhen wir den Freibetrag von 9 Prozent auf 20 Prozent. Ich glaube nicht, dass ein anderes Land auf der Welt derzeit einen solchen Impuls für das lebenslange Lernen setzt, wie dies die österreichische Bundesregierung mit diesem Programm vorhat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Stärken stärken hilft aber auch den Klein- und Mittelbetrieben, die vor allem im Bereich des Venture Capital dringende Bedürfnisse haben. In der Frage der Nebenrechte einer modernen Gewerbeordnung und in der besseren Vermittlung von Arbeitskräften müssen wir aufmachen. Es kann ja nicht unser Ehrgeiz sein, die Arbeitslosigkeit zu verwalten. Wir sind mit Ausnahme von zwei, drei Ländern, die entweder gleich gut oder etwas besser als wir sind, immer noch weit besser als alle anderen Länder Europas. Wir sind etwa am Stand der Arbeitslosenzahlen von 1999, aber wir wollen besser werden – und das geht nur durch das Wegräumen von Barrieren, durch eine bessere Vermittlung, durch Qualifikation und Weiterbildung für Arbeitslose.

Wir müssen die Schwächen beseitigen, und da sind einige Dinge offen anzusprechen, zum Beispiel auch im Bereich der Infrastruktur: Im Hochbau nehmen wir uns eine Verbesserung durch das Vorziehen von Bundesimmobiliengesellschaft-Projekten vor. Es werden 17 Projekte vorgezogen. Das Volumen im Jahr 2002 macht 2,7 Milliarden Schilling zusätzlich aus. Das hilft dem Hochbau. Dazu kommt eine Qualifikationsstiftung für arbeitslose Bauarbeiter, um sie vor allem durch zusätzliche Qualifikationen in andere Bereiche oder Branchen überzuführen und ihnen beim Umstieg zu helfen.

Die Bundesländer stellen 4 Milliarden Schilling zur Verfügung, um vor allem der Erreichung der Kyoto-Ziele durch Maßnahmen zur Energiesparung, durch energiepolitische Maßnahmen, Wärmedämmung und so weiter einen massiven Impuls zu geben.

Für den Denkmalschutz werden wir eine Art "National Heritage", eine nationale Stiftung schaffen, die im Rahmen des Denkmalschutzes besser bedient werden wird; da werden die Geldmittel deutlich angehoben. Dies ist ein ganz wichtiger Impuls sowohl für die Schönheit unseres Landes als auch für den Hochbau. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Besonders spektakulär wird die Verbesserung im Bereich der Infrastruktur ausfallen. Ich weiß schon, dass gerade die SPÖ in diesem Bereich massiv Wünsche geäußert und Kritik geübt hat. Ich darf Ihnen gleich vorweg einige interessante Zahlen nennen: Im Jahre 1995 – unter einem sozialistischen Verkehrsminister und einem sozialistischen Finanzminister – betrug die Summe der Investitionen in Schiene und Straße – budgetär und außerbudgetär! – 21 Milliarden Schilling. Sie stieg langsam auf 29 Milliarden Schilling im Jahre 1999 an. In Summe sind in diesen fünf Jahren etwa 120 Milliarden Schilling in den Bau investiert worden.

Diese Bundesregierung stellte – beginnend mit dem Jahr 2000 – im ersten Jahr bereits 29,5 Milliarden Schilling zur Verfügung, und nun heben wir dies auf 38 Milliarden Schilling an.

Wir werden daher in den folgenden fünf Jahren, für die wir hoffentlich die Zustimmung des Wählers haben werden, insgesamt 175 Milliarden Schilling, ein Plus von 43 Milliarden Schilling, verbauen. Das ist eine der wichtigsten Investitionen in unsere Zukunft, in unsere Infrastruktur!

Meine Damen und Herren! Folgen Sie uns auf diesem Weg! Wir haben mehr Betriebsansiedlungen denn je zuvor, in den letzten beiden Jahren mehr als in den Gründerjahren seit 1993, sowohl an Zahl der Betriebe als auch und vor allem an Umsätzen und Investitionen – 13 Milliarden!


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Gehen Sie auf diesem Weg mit! Es ist ein kluger Weg im Sinne Österreichs. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält nun die Frau Vizekanzlerin. Für ihre Erklärung sind ebenfalls 15 Minuten vorgesehen. – Bitte, Frau Vizekanzlerin.

9.31

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat, was die Situation der österreichischen Wirtschaft betrifft, in den letzten Tagen und Wochen eine fast beispiellose Wortakrobatik gegeben (Abg. Öllinger: Richtig!), von der "totalen Katastrophe" (Abg. Öllinger: "Stagnation auf hohem Niveau"!), vom "Absturz in die Krise" – ein Beispiel von Ihnen, Herr Öllinger – bis hin zur Darstellung, es sei alles in Ordnung, reichte die Bandbreite der Wortmeldungen.

Ich glaube, Realismus ist angesagt, Realismus im Hinblick auf die Situation und auch auf die Wahrnehmung der Fakten in Bezug darauf, wie Österreich im internationalen Vergleich dasteht. Wenn man sich diesen internationalen Vergleich, die Entwicklung Österreichs im Vergleich mit anderen Staaten der Welt in den letzten eineinhalb Jahren anschaut, dann kann man, so glaube ich, mit Fug und Recht behaupten, dass Österreich immer noch sehr gut dasteht, vor allem besser als in der Vergangenheit!

Wir haben immer noch eine Rekordbeschäftigung bei zwar zugegebenermaßen steigender Arbeitslosigkeit, aber gerade was die Langzeitarbeitslosigkeit, eines der größten Probleme der Vergangenheit, betrifft, gibt es einen deutlich rückläufigen Trend. Laut World Competitiveness Report ist Österreich in puncto Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft von Platz 15 auf Platz 14 vorgerückt und liegt, was die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft, sogar an erster Stelle. Das ist eine Auszeichnung insbesondere für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich in allen Bereichen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was den Freiheitsgrad der Wirtschaft betrifft, so ist Österreich im letzten Jahr von Platz 25 auf Platz 15 vorgerückt, ein, wie ich glaube, deutliches Zeichen dafür, dass wir Hemmnisse, bürokratische Hürden für die Wirtschaft beseitigen und damit auch die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit wiederum von Einkommen und Wohlstand ermöglichen.

In den letzten Tagen hatte ich manchmal, insbesondere bei Wortmeldungen der Opposition, das Gefühl, dass man richtig Heimweh nach den Schulden früherer Zeiten hat. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Da hat sie Recht! – Abg. Ing. Westenthaler: Punktgenau!) Die Rezepte, die dabei genannt wurden, sind vor allem das Schwärmen vom Wirtschaftswunder durch Schuldenmachen! Und wohin uns das gebracht hat, meine Damen und Herren insbesondere von der Sozialdemokratie, wissen wir: Es hatte Milliarden mehr an Schulden und Tausende Arbeitslose mehr in diesem Land zur Folge! Diesen Weg wollen wir daher ganz bewusst nicht gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden also mit den Rezepten der Vergangenheit nicht weiterkommen, denn mit Schulden kann man sich weder Arbeitsplätze noch Wirtschaftswachstum kaufen. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Das zeigt, Herr Kollege, die Erfahrung der letzten 30 Jahre. Und das zeigt auch die Erfahrung im internationalen Bereich, denn wenn wir uns Länder wie Japan oder Deutschland oder Frankreich anschauen, so sehen wir, dass diese deutlich schlechter dastehen als Österreich. Ein Grund dafür ist auch, dass man in diesen Ländern weiterhin auf Deficit-spending, das heißt, auf neues Schuldenmachen gesetzt hat anstatt auf Strukturreformen. In unserem Nachbarland Deutschland mit seiner rot-grünen Regierung liegt die Wachstumsrate deutlich unter der österreichischen – unter einer rot-grünen Regierung! (Abg. Ing. Westenthaler: Gott behüte!)

Das sind Fakten, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, die Sie zur Kenntnis nehmen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Deutschland hat besondere Schwierigkeiten bei der Rückführung des Budgetdefizits beziehungsweise bei der Einhaltung der Vorgaben des Stabilitätspaktes. Es hat zurzeit das größte Defizit aller EU-Länder im Vergleich zum BIP – ein "Erfolg" von Rot-Grün, meine Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Gott behüte!) Und dort geht es auch nach dem alten Muster, nämlich dem Ruf nach Uraltrezepten, nach Interventionen des Staates als willkommene Ausrede für mangelnde politische Durchsetzungsfähigkeit. – Aber das ist nicht unser Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Für uns ist die Budgetsanierung, ist das Nulldefizit kein Dogma, sondern die Antwort auf die Versäumnisse der Vergangenheit. Diese Versäumnisse der Vergangenheit haben uns in eine Situation gebracht, in der wir allein 100 Milliarden Schilling pro Jahr an Zinszahlungen berappen müssen. Sie werden zugeben – jeder, der das ökonomische Einmaleins beherrscht –, dass das kein Weg ist, mit dem man erfolgreich sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Regierung hat sich daher von Anfang an vorgenommen, strukturell zu reformieren. Wir haben im Bildungsbereich innerhalb von drei Jahren ein Investitionsplus von 7 Milliarden Schilling, das heißt, dass wir gegenüber dem Jahre 1997 – damit Sie einen Vergleich haben – um 16,5 Milliarden Schilling mehr in die Bildung investieren, weil Bildung die Zukunft dieses Landes und die Zukunft der nächsten Generationen bedeutet.

Wir haben 7 Milliarden Schilling mehr an Investitionen im Forschungs- und Entwicklungsbereich zur Verfügung gestellt. Davon sind bereits 70 Prozent vergeben, und daraus werden sich ebenfalls entsprechende strukturpolitische Effekte ergeben.

Wir haben 6,5 Milliarden Schilling mehr für die Infrastruktur bereitgestellt.

Wir haben durch das Kindergeld eine Kaufkraftsteigerung von 9 Milliarden Schilling für die österreichischen Familien zu verzeichnen, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Das ist der Weg, den wir gehen wollen – im Gegensatz zu Ihren Rezepten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Entscheidende aber ist, dass wir auch bei uns selbst sparen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir sparen 21 Milliarden Schilling in der öffentlichen Verwaltung ein, 21 Milliarden Schilling in einem Bereich (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Das habt ihr nie zusammengebracht!), den Sie aufgebläht und zum Anlass genommen haben, den österreichischen Steuerzahler mehr und mehr zu belasten. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben in den letzten 30 Jahren, in denen Sie die Verantwortung getragen haben, eine Verwaltung geschaffen, die in Europa ohne Beispiel ist (Abg. Kiermaier: Zwangspensionierungen!), und zwar von der Kostenintensität und auch vom Kosten- und Ausgabenwachstum her. Auch da haben wir ein deutliches "Stopp!" gesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich weiß schon, wie Sie das sehen, denn es gibt ja die großen finanz- und budgetpolitischen Vordenker der Sozialdemokratie, ehemalige Finanzminister dieser Republik wie Ferdinand Lacina, der gesagt hat, die Verwaltungsreform schade der Konjunktur, weil Einkommen wegfallen; je weniger Sparmaßnahmen, desto geringer sei der Schaden für Österreich. – Das sind Ihre Rezepte! Was sagen Sie dazu? Heißt das, wir müssen mehr ausgeben, die Steuern erhöhen und vom Steuerzahler das Geld kassieren, das Sie dann verprassen, meine Damen und Herren von der SPÖ? (Abg. Haigermoser: Das ist ja so was von daneben!)  – Das ist nicht unser Weg! Das kann ich Ihnen klar und deutlich sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher ist es für uns wichtig, dass wir in jene Bereiche investieren, mit denen wir gleichzeitig in die Zukunft investieren, wie schon erwähnt zum Beispiel in die Bildung. Ein wesentlicher Teil des Konjunkturpakets ist deswegen auch die Anhebung des Freibetragssatzes für den Bildungsfreibetrag von 9 auf 20 Prozent und wahlweise dazu die Schaffung einer Bildungsprämie mit einem Prämiensatz von 6 Prozent. Das ist deshalb wichtig, weil gerade die klein- und mittelständischen Unternehmen davon profitieren können. (Abg. Edler: Dann reden Sie einmal mit denen! Zusperren müssen die!)  – Herr Kollege! Die klein- und mittelständischen Unternehmen


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dieses Landes sind diejenigen, die unsere Arbeitsplätze schaffen und sichern, und deswegen müssen wir sie stärken! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Bundesregierung verdoppelt die Zahl der Fachhochschulanfänger. Auch das ist ein ganz wichtiges Signal in Qualifikation, in Qualifizierung von Arbeitskräften. Mit Hilfe einer Startfinanzierung durch die Länder gibt es im Studienjahr 2001/2002 bereits 14 900 Studenten an den Fachhochschulen. Das sind bereits jetzt 770 Studienplätze mehr als im Entwicklungsplan vorgesehen. Das Startfinanzierungsprogramm führt so zu einer Verdoppelung der neuen Anfängerstudienplätze auf 1 200. Das ist Investition in die Zukunft, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der meiner Meinung nach zentrale Punkt, der wichtigste Teil in diesem Konjunkturpaket ist aber die Arbeitsmarktoffensive. Diese Bundesregierung war es, die schon im Jahr 2000 (Abg. Schwemlein hält die Kopie eines Zeitungsartikels in die Höhe), nach 30-jähriger vergeblicher Diskussion, Herr Kollege von der SPÖ, die Grundlage für die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten (Widerspruch bei der SPÖ), die Schaffung eines einheitlichen Arbeitnehmerbegriffes erarbeitet hat und einen ersten wichtigen Schritt dazu bereits im Jahr 2000 umgesetzt hat. Sie wird jetzt einen zweiten wichtigen Schritt setzen, Herr Kollege. – Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist: Wir reden nicht nur davon, wir tun es auch! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist so, dass wir derzeit – und es wundert mich schon, dass Sie das in den vergangenen Jahren eigentlich nie bestürzt hat und dass das auch die Gewerkschaft offensichtlich nicht dazu motiviert hat, zu handeln – in bestimmten Branchen Kollektivverträge haben, die extrem kurze Kündigungsfristen vorsehen, wie zum Beispiel in der Baubranche – Kündigungsfrist für Arbeiter: eine Woche – oder gar im Bäcker-Gewerbe mit einem Tag Kündigungsfrist! Das sind doch Zustände auf dem Arbeitsmarkt, meine Damen und Herren, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirklich nicht zumutbar sind und geändert werden müssen. (Abg. Öllinger: Wie schaut das in Ihrem Ministerium aus, in den Ministerbüros?) Und wir werden das auch tun! (Abg. Ing. Westenthaler: Der Verzetnitsch muss das ändern!)

Wir werden darüber hinaus auch das Weiterbildungsgeld auf die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes, von 5 643 S auf 6 000 S, anheben; auch das ist eine wichtige Maßnahme im Zusammenhang mit dem Kindergeld.

Und wir werden zudem die Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Arbeitslosenversicherung überprüfen. Das heißt, wir wollen mehr Beratung und mehr Vermittlung und, um Ihren Unterstellungen gleich vorzugreifen, selbstverständlich keinerlei Änderungen bei Arbeitsunfällen oder Rehabilitation. Wir wollen bessere Beratung, bessere Vermittlung und daher auch Erleichterungen für die privaten Arbeitsvermittler, aber auch mehr Druck auf Arbeitsverweigerer, meine Damen und Herren! Selbstverständlich! Mehr Druck auf diejenigen, die nicht arbeiten wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das ist ja unglaublich!)

Natürlich werden wir uns auch bemühen, ein Problem anzugehen, das in den vergangenen Jahren ebenfalls beiseite geschoben wurde, nämlich die Bekämpfung der Schwarzarbeit. (Abg. Öllinger: In freiheitlichen Betrieben?!) Das, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, war, die Kontrolle der Schwarzarbeit immer weiter zurückzudrängen. Und das ist genau der falsche Weg. Es kommt vielmehr darauf an, Kontrollinstrumente zu schaffen, mit denen die Bekämpfung der Schwarzarbeit wirklich effektiv in die Hand genommen werden kann. Wir schauen nicht zu, wie Arbeitsplatzvernichtung betrieben wird (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Leikam und Mag. Trattner.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), also eine effiziente Bekämpfung der illegalen Ausländerbeschäftigung ist nötig, etwas, das Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, viele Jahre lang nicht zustande gebracht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Die Regie-rungsparteien, Sie verhindern die Behandlung des Schwarzarbeitergesetzes im Ausschuss!)


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Ein ganz besonders wichtiger Punkt in diesem Paket ist außerdem die Qualifikationsoffensive für Bauarbeiter. Bauarbeiter sind von der derzeitigen wirtschaftlichen Situation besonders betroffen, deswegen ist es für uns wichtig, in diesem Bereich eine Initiative zu setzen und nach dem Vorbild bisheriger Arbeitsstiftungen Möglichkeiten zur Qualifizierung zu schaffen, das heißt, dass es möglich sein wird, bis zu zwölf Monate in einer solchen Arbeitsstiftung zu verweilen. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass in jenen Fällen, in denen das professionell und gut gemacht wurde, 80 Prozent der Leute einen Arbeitsplatz vermittelt bekamen. Das ist unsere Zielsetzung für die Bauarbeiter in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Für die klein- und mittelständischen Unternehmen ist es von besonderer Bedeutung, dass wir Unternehmensgründungen entbürokratisieren und unterstützen, daher erfolgte eine Verlängerung des Neugründungs-Förderungsgesetzes und auch die Erweiterung der Anwendung dieses Gesetzes auf die Betriebsnachfolge. Das ist gerade im Bereich der Gewerbebetriebe ein großes Problem. Wir müssen Betriebsnachfolge ermöglichen, indem wir für Betriebsnachfolger Befreiungen von Stempelgebühren, von Bundesverwaltungsabgaben, von der Grunderwerbsteuer, von Gerichtsgebühren für die Eintragung in das Firmenbuch und in das Grundbuch sowie von der Gesellschaftsteuer schaffen. Auch das ist eine wichtige Initiative für den Wirtschaftsstandort Österreich, mit der wir Unternehmensgründungen ermöglichen und nicht behindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für den Wirtschaftsstandort Österreich ist es aber auch von besonderer Bedeutung, das Unternehmensrecht zu reformieren – zum Beispiel durch eine Reform der Nebenrechte –, das flexibles und bewegliches Agieren von Gewerbetreibenden möglich macht, und zwar auch ohne die Begründung von Mehrfachberechtigungen, die vielfach zu Schikanen in diesem Bereich geführt haben, und dieses Regelungsgeflecht dahin gehend zu durchforsten, was man in einer modernen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft wirklich noch braucht und was überflüssig ist.

E-Government, das heißt eine Anlaufstelle für Gewerbeanmeldungen, also nicht mehr der Behördenmarathon von einer Stelle zur anderen, sondern Gewerbeanmeldungen an einer Stelle, über das Internet, und durch den damit einhergehenden Entfall der Vorlage von Urkunden auch mit einer entsprechenden Beschleunigung. (Zwischenruf der Abg. Huber. )  – Ich kann nichts dafür, dass Sie Unternehmer in diesem Land jahrelang schikaniert haben, Frau Kollegin! Wir versuchen, den Unternehmen das Wirtschaften zu erleichtern, das Wirtschaften möglich zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher werden wir auch eine Neuorganisation bei den Teilgewerben durchführen. Die Einschränkung, dass in einem Teilgewerbe nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen (Abg. Kiermaier: Ja, und wer war denn damals der Wirtschaftsminister?), entfällt, ebenso das grundsätzliche Verbot, in diesem Bereich Lehrlinge zu beschäftigen (Abg. Kiermaier: So ein Stumpfsinn!), denn die Lehrlingsausbildung, die Ausbildung unserer Jugend muss gefördert und nicht behindert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch die Abschaffung der Eintragungsgebühr, was seit 1. April dieses Jahres in Kraft ist, ist ein wesentlicher Anreiz zur Unternehmensgründung und damit auch ein Schritt in die richtige Richtung.

Schließlich wollen wir – so wie wir in der Verwaltungsreform generell sichergestellt haben, dass Verfahren beschleunigt und verkürzt werden –, dass für Unternehmer die Situation dadurch erleichtert wird, dass es eine einzige Anlaufstelle gibt, und auch die Dauer von Betriebsanlagenverfahren soll entsprechend verkürzt werden, indem wir eine gesetzliche Frist von drei Monaten vorgeben, innerhalb derer solche Verfahren erledigt werden müssen.

In Hinsicht auf die Infrastruktur möchte ich noch hinzufügen, dass es nicht nur um die Investition geht, sondern auch darum, gerade für klein- und mittelständische Unternehmen etwas zu tun, indem man auch kleine Baulose ausschreibt, weil, wie gesagt, die klein- und mittelständischen Unternehmen (Abg. Edler: ... zusperren ...!) die Basis unserer Wirtschaft sind und dafür sorgen,


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dass wir sichere Arbeitsplätze und eine gute Zukunft in diesem Land haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Es sind ebenfalls 15 Minuten Redezeit vorgesehen. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Gusenbauer –: Jetzt liegt die Latte hoch! – Abg. Haigermoser: Wirtschaftsexperte mit dem sowjetischen Kussmündchen! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

9.47

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, was uns da die Frau Vizekanzlerin in Verdrehung von Fakten heute Morgen erzählt hat, etwa als sie erzählt hat, was die Erfahrung der letzten 30 Jahre sei. Die Erfahrung sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik war, dass noch jede Wirtschaftskrise in Österreich in puncto Beschäftigung besser gemeistert wurde als in jedem anderen Land Europas! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann wirtschaftspolitisch unterschiedliche Prioritäten haben, aber daran, dass Beschäftigungspolitik jeweils im Zentrum der österreichischen Wirtschaftspolitik gestanden ist, kann es keinen Zweifel geben. Diesen Zweifel gibt es erst, seit die schwarz-blaue Bundesregierung besteht. Was uns sowohl der Herr Bundeskanzler als auch die Frau Vizekanzlerin verschwiegen haben, ist, dass die Arbeitslosendaten in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Staaten erheblich schlechter geworden sind. Während wir früher noch die niedrigste Arbeitslosenrate in Europa hatten, sind wir inzwischen von einigen Staaten überholt worden, und zwar nicht nur wie früher von Luxemburg, sondern nun auch den Niederlanden, Irland und sogar Portugal, und befinden uns bestenfalls noch im europäischen Mittelfeld. Das ist die Bilanz Ihrer Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie sich nicht auf die Frage der Beschäftigungsentwicklung, sondern auf die Frage des Wirtschaftswachstums konzentrieren: Es ist bedauerlicherweise so, dass Österreich durch Ihre Politik im Jahre 2001 beim Wirtschaftswachstum an drittletzter Stelle innerhalb der Europäischen Union liegt. Das kann uns alle miteinander nicht freuen, meine Damen und Herren, denn das hat die Österreicherinnen und Österreicher Beschäftigung und Einkommen gekostet, und dafür tragen Sie von ÖVP und FPÖ die Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie weisen darauf hin, dass die Ursachen für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der internationalen Krise liegen. Nun ist es zwar völlig richtig, dass wir auf Grund dessen, dass in den USA, in Japan, auf den neuen Märkten und nun auch in Europa gleichzeitig wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgetreten sind, international in einer unerhört schwierigen Situation sind (Abg. Wochesländer: Deutschland ...!)  – da wird Ihnen die Lautstärke auch nicht helfen, Frau Kollegin –, allerdings muss, was Österreich betrifft, klar gesagt werden: Zum Glück ist die Exportquote der österreichischen Unternehmungen nach wie vor der stärkste Wachstumsfaktor! Das heißt, die internationale Krise hat Österreich zum Glück noch nicht getroffen. (Abg. Böhacker: Zum Glück gibt es in Österreich nicht Rot-Grün!)

Der Rückgang des Wirtschaftswachstums ist also auf Ihre Wirtschaftspolitik im Land zurückzuführen und nicht auf die internationale Konjunktur, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Es nimmt auch nicht wunder, dass es so ist! Wenn die Exporte nach wie vor um 4,5 Prozent steigen, es aber nur ein Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent gibt (Abg. Böhacker: Erschütternd, Ihre Unwissenheit!)  – erschütternd ist Ihre Wirtschaftspolitik, da haben Sie völlig Recht, Herr Kollege (Beifall bei der SPÖ – Abg. Böhacker: Sie haben ja keine Ahnung!)  –, dann stellt sich doch die Frage: Wie konnte das geschehen? Trotz guter Lohnerhöhungen im Jahre 2000,


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trotz guter Wachstumsraten gehen die Einkommen der Österreicherinnen und Österreicher zurück. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie nicht Nationalökonomie studiert?)

Meine Damen und Herren! Das Geheimnis ist einfach zu lüften: Frau Vizekanzlerin Riess-Passer redet davon: auf der einen Seite Steuern erhöhen und auf der anderen Seite Geld verprassen – eine bessere Beschreibung für ihre eigene Politik mit der höchsten Steuer- und Abgabenquote hätte sie nicht geben können! (Beifall bei der SPÖ.)

Da also das Ergebnis Ihrer Politik ist, dass wir eine Steuer- und Abgabenquote von 45,6 Prozent, die höchste in der gesamten Geschichte unseres Landes, haben, für diese höchste Steuer- und Abgabenquote aber am allerwenigsten geboten wird, darf man sich nicht wundern, wenn das Wirtschaftswachstum auf Basis von internen Faktoren in Österreich einbricht – und nicht auf Basis der internationalen Wirtschaftskrise!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung kann die Verantwortung dafür nicht auf die internationale Ebene abschieben, sondern muss diese Verantwortung bei sich selbst suchen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie überhaupt ihr Umgang mit dem wirtschaftlichen Einbruch einigermaßen sonderbar ist. Seit Monaten weisen wir die Regierung darauf hin, dass es wirtschaftliche Probleme gibt, dass das Wirtschaftswachstum zurückgeht und die Arbeitslosigkeit steigt. Seit Monaten ist die Antwort der Regierung darauf gewesen: Schönreden – es gibt keine Krise, es gibt keine Rezession, es gibt keinen Konjunktureinbruch! Aber so hat sich das eben nur in den Propagandabücheln der Bundesregierung abgespielt, und leider nicht in der Realität. (Beifall bei der SPÖ.)

Da aber diese Realität mit 35 000 Arbeitslosen mehr nicht mehr zu verleugnen ist, ist man jetzt zur nächsten Stufe übergangen, nämlich zur so genannten Gipfelinszenierung, wo alle möglichen Scheinaktivitäten inszeniert werden, mit denen vorgegaukelt werden soll, dass tatsächlich etwas gegen die Wirtschaftskrise unternommen wird. Aber wenn sich heute die Frau Vizekanzlerin hinstellt und sagt, man müsse endlich etwas gegen die Schwarzarbeit unternehmen, weil das eine große Gefahr sei, dann frage ich mich, Frau Vizekanzlerin, warum Ihre Fraktion seit eineinhalb Jahren die Einsetzung eines Unterausschusses zur Behandlung eines fix und fertigen Anti-Schwarzarbeitsgesetzes verhindert. Wo ist da diese Ihre Haltung? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eineinhalb Jahre lang alles verhindern und dann im Parlament so tun, als ob irgendwelche großartigen Aktivitäten stattfänden – meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, das ist nicht glaubwürdig! Und es wird auch nicht zu den notwendigen wirtschaftlichen Impulsen führen; wie es überhaupt relativ wenig bringt, wenn Dinge, die im Budget längst enthalten sind, 27 Mal neu verpackt und immer wieder als etwas Neues präsentiert werden. Diese Bluffs, meine sehr verehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, beeindrucken vielleicht Sie selbst, die Wirtschaft und die Investitionsflüsse werden jedoch diese Bluffs nicht beeindrucken! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Philosophie ist offenbar: Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, beginnt die Frau Vizekanzlerin eine Diskussion über die Zumutbarkeitsbestimmungen. Das heißt: Sie hat nicht vor, die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen in unserem Land zu bekämpfen – und das ist zutiefst unmenschlich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Auch in Zeiten der Globalisierung ist offensive Wirtschaftspolitik möglich. Das zeigen nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika mit einer gut koordinierten Politik zwischen der Federal Reserve Bank und der dortigen Regierung, das ist auch in Europa möglich! Das ist in Europa dann möglich, wenn die Europäische Zentralbank weiterhin Zinssenkungen durchführt. Das ist dann möglich, wenn die europäischen Staaten zu einer koordinierten Wirtschaftspolitik kommen, damit einzelne nationale Impulse nicht verpuffen. Und das ist dann möglich, wenn nationale Regierungen ihre Verantwortung für die Wirtschaft und für die Beschäftigung wahrnehmen. Nur: Schöne Erklärungen sind dabei viel zu wenig, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)


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Die Möglichkeiten, etwas zu tun, liegen auf der Hand. Die Möglichkeiten liegen im Kern darin, was wir Sozialdemokraten Ihnen bereits seit Wochen vorschlagen.

Erstens: Sie sollten für die kleinen und mittleren Unternehmungen nicht nur schöne Worte haben, sondern einen Stabilitätsfonds gründen, der den kleinen und mittleren Unternehmungen über die Wirtschaftskrise hinweghilft, gerade dann, wenn sie neu gegründet sind und gute Aussichten für die Zukunft haben, um die Konkurse zu verhindern, die die Wirtschaftsstruktur in unserem Land zerstören könnten. – Das wäre eine aktive Politik für die kleinen und mittleren Unternehmungen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens würde natürlich ein Investitionsfreibetrag vor allem bei den Gewinn bringenden Unternehmungen dazu führen, dass geplante Investitionen vorgezogen werden, damit sie jetzt erfolgen und es jetzt zu einem expansiven Impuls für die Wirtschaft kommt. – Leider ist nichts von diesem Investitionsfreibetrag in der Substanz in Ihren Erklärungen zu finden.

Drittens: Die Einkommen der Österreicherinnen und Österreicher schaffen Wachstum und Arbeitsplätze. Würden Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen einen Teil jenes Geldes, das Sie ihnen mit den Belastungspaketen abgeknöpft haben, zurückgeben, dann wäre das nicht nur sozial gerecht, sondern auch für die Wirtschaft gut. – Daher fordern wir eine soziale Steuerreform! (Beifall bei der SPÖ.)

Viertens geht es um die Infrastruktur. Und es hilft das ganze Zusammenzählen von mehrjährigen Investitionsplänen nichts, wenn die Frau Infrastrukturministerin ihre Einjahresbilanz leider nicht dafür verwenden kann, uns zu berichten, was sie gebaut und was sie begonnen hat, sondern die Bilanz eines Jahres nur beinhaltet, was sie verhindert hat, wo sie Einsprüche hatte und was sie verzögert hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit einer solchen Politik lässt sich keine Infrastrukturoffensive in Österreich machen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Großruck.  – Abg. Dr. Pumberger: ... vom Einem bekommen!)

Was Forschung und Entwicklung betrifft, so sind wir schon gespannt, wie Sie, Herr Bundeskanzler, angesichts dessen, dass Sie bei den öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Jahr 2002 erst den Stand von 1999 erreicht haben werden, die angekündigte 2,5-Prozent-Quote erreichen werden. – Meine Damen und Herren! Das ist keine offensive Forschungspolitik, da fließen die Mittel nicht so, wie sie fließen sollten, um die Zukunft unserer Wirtschaft zu sichern. Da gibt es nur Ankündigungen, aber wenig Erfüllung! (Beifall bei der SPÖ.)

Was die Bildung betrifft, finde ich es – offen gesagt – gut, dass sich die Regierung dazu entschließt, die Zahl der Fachhochschulplätze zu erhöhen. Das ist ein richtiger Schritt! (Abg. Großruck: Danke!) Und ich erachte es auch für richtig, dass die Unternehmungen bessere Möglichkeiten erhalten, was die Absetzung von Bildungsausgaben betrifft. Das ist in der Tat ebenfalls ein richtiger Schritt! (Abg. Großruck: Aber?) Herr Bundeskanzler, es wäre jedoch ebenfalls sinnvoll gewesen, diesen Schritt durch einen dritten zu ersetzen (Abg. Dr. Khol: Zu er setzen?!), nämlich den Arbeitnehmern die Möglichkeit zur eigenständigen Weiterbildung zu geben, indem man das von den Sozialdemokraten vorgeschlagene (Abg. Großruck: Und in 30 Jahren nicht realisierte Projekt!) und von der Wirtschaft unterstützte System des Bildungsbonus und der Bildungsprämie in Österreich einführt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen ganz genau, meine Damen und Herren: Wenn wir mit den vergleichbaren Staaten Europas mithalten wollen, dann sind pro Jahr 15 Milliarden Schilling mehr an Aus- und Weiterbildungsausgaben notwendig, damit wir gerade im Bereich der Weiterbildung Schritt halten können. (Abg. Wochesländer: Mit der rot-grünen Regierung in Deutschland!)

Diese 15 Milliarden Schilling nicht allein aus dem Budget zu mobilisieren, sondern in einer gemeinsamen Anstrengung zu erreichen – aus eigener Verantwortung, der Wirtschaft und dem Budget –, wäre eine intelligente Methode, ohne viele Schulden zu machen, das Weiterbildungsniveau in unserem Land zu erhöhen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Diesen Vorschlag sollten Sie, Herr Bundeskanzler, in das Bildungsprogramm zur Stärkung der Konjunktur noch


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aufnehmen, dann würde meine Zufriedenheit hinsichtlich des Bildungskapitels bedeutend höher ausfallen. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Großen und Ganzen ist allerdings festzustellen, dass das gesamte Anti-Krisenpaket der Bundesregierung weit über den Erwart... (ironische Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, und zwar deshalb (Abg. Wochesländer: Da hat der Freud wieder zugeschlagen! – weitere Zwischenrufe), weil die realen Impulse – gemessen in gestiegener Beschäftigung und gemessen in zusätzlichem Wirtschaftswachstum – außerordentlich bescheiden ausfallen werden.

Daher werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, die von Ihnen gesetzten Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Arbeitslosigkeit im Winter sinkt, sondern sie wird – ganz im Gegenteil! – leider ansteigen. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber nicht so hoch, wie Ihre war!) Die von Ihnen gesetzten Maßnahmen werden auch für die Bauwirtschaft nicht die erforderlichen Impulse bringen, und daher wird es leider zu einer der höchsten Arbeitslosenraten am Bau seit langem kommen, mit den negativen Auswirkungen auch für die Bauwirtschaft. (Abg. Ing. Westenthaler: Seit wann?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von Ihnen gesetzten Maßnahmen werden vielleicht zur Selbstberuhigung Ihrer Fraktionen beitragen, sie werden aber nicht dazu führen, dass die österreichische Wirtschaft jenen Impuls bekommt, den sie für die Zukunft dringend bräuchte. Sie haben auch in dieser Frage leider kläglich versagt! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

10.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Gleiche Redezeit von 15 Minuten. – Bitte.

10.02

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich, bevor ich an Herrn Gusenbauer eine Frage richte, kurz Folgendes feststellen: Ich habe in einem Kommentar in der "Presse" vor wenigen Tagen den ORF kritisiert und geschrieben, er bedürfe einer Reform an Haupt und Gliedern, und habe als Beispiel die "Zeit im Bild 2" vom 29. November gebracht, in der eine halbe Stunde lang alles schief ging, was schief gehen konnte. Ich wurde daraufhin massiv kritisiert, vor allem von den betroffenen Redakteuren.

Sie werden es nicht glauben, meine Damen und Herren: Während heute die Frau Vizekanzlerin 15 Minuten lang zu uns sprach, ist alles zusammengebrochen, und von ihrer wichtigen Rede war nur ein Satz im Ton vernehmbar. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist unerhört! Ein Skandal sondergleichen! Unglaublich!)  – Ein Schelm, der dabei etwas Schlechtes denkt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein Skandal sondergleichen!)

Herr Kollege Gusenbauer, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, und ich möchte Sie etwas fragen: Von welchem Land haben Sie eigentlich in Ihrer Rede gesprochen? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Das kann nicht Österreich gewesen sein. Das war ein virtuelles Land. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Gusenbauer, das Land, das Sie geschildert haben, ist nicht Österreich, sondern ein anderes Land. (Abg. Wochesländer:  ... Deutschland!) Ich lebe in einem Österreich, das geprägt ist von Wohlstand (Abg. Eder: Sie haben einen Wohlstand!), vom Fleiß seiner Bürger, vom Fleiß der Unternehmer, von hervorragenden Lehrern, von hervorragenden Arbeitern und von einer guten Regierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Gusenbauer! Wir lassen uns Österreich von Ihnen nicht krankjammern, und wir lassen uns Österreich von Ihnen nicht mies machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine unabhängige Journalistin hat Ihnen unlängst im "Standard" eine Note gegeben, meine Damen und Herren: "Ein Nichtgenügend für die SPÖ". (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und das im "Standard"!) Dabei hatte sie Ihre heutige Rede aber noch gar nicht gehört, Herr Gusenbauer! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich möchte hier nicht ganz einfach nur Behauptungen aufstellen, sondern Folgendes sagen (Abg. Öllinger: Zum Thema!): Wir haben in der letzten Zeit – das ist schon angesprochen worden – zwei internationale Qualifikationen ins Haus bekommen, also Zeugnisse; das eine vom Institut für Management-Entwicklung in Lausanne in der Schweiz. Dabei stellte sich heraus: Österreich liegt von allen industrialisierten Ländern, die untersucht wurden, auf Platz eins in der Lebensqualität. Österreich liegt von allen untersuchten Ländern auf Platz eins bei der Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitnehmern. Österreich ist auf Platz drei, was die Produktivität betrifft, und Österreich ist das zehntreichste Land dieser Erde. – Meine Damen und Herren! Darauf können wir stolz sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die bereits angeführte Studie der OECD – auch eine internationale Organisation –, die PISA-Studie, weist uns – das hat der Herr Bundeskanzler bereits gesagt – den ersten Platz bei den Bildungsausgaben und einen Spitzenplatz für unsere Schüler zu.

Ich möchte auch namens meiner Fraktion den Dank an alle Lehrer aussprechen, auch an die Lateinlehrer, lieber Werner (in Richtung des Abg. Amon), und an die Schulgemeinschaftsausschüsse, denn da ist Großartiges geleistet worden. Ich danke ihnen allen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herrn Gusenbauer möchte ich Folgendes sagen: In Deutschland ist eine große Diskussion ausgebrochen, Katzenjammer, denn wir Österreicher sind viel, viel besser. Es stellt sich die Frage: Warum? Sind die deutschen Kinder dümmer oder fauler? – Nein, aber dort hat sozialistische Bildungspolitik das bewährte differenzierte Schulwesen zugunsten einer Gesamtschule geändert, und das sind die Früchte! (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser. )

Wir sind Garanten dafür, dass wir unser differenziertes, angemessenes, maßgeschneidertes Schulsystem erhalten, denn wir wollen Spitzenschüler mit Spitzenchancen im Leben. Gesamtschule wird es mit uns nicht geben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch etwas, Herr Gusenbauer: Zur gleichen Zeit, zu der Sie gestern eine Rede gehalten und die österreichische Außenpolitik mit sehr wenig schmeichelhaften Epitheta ornantia, schmückenden Beiworten, versehen haben, wurde Erhard Busek von der Europäischen Union zwei Jahre nach den von Ihnen akklamierten und von Kanzler Klima geförderten Sanktionen gegen Österreich in eine Spitzenposition der EU berufen. Er ist der Koordinator auf dem Balkan, wo Österreich eine große Tradition und große Erfahrung hat. – Eine großartige Anerkennung unserer Außenpolitik, die Sie kritisieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Während Sie bei den Sanktionierern waren, während Sie mit Herrn Moscovici Champagner getrunken haben, während Sie den Schulterschluss mit unserer Außenpolitik verweigert haben, haben unsere Diplomaten und unsere Außenministerin gearbeitet, und heute stehen wir stärker und besser da als je zuvor! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Konjunkturbericht, den die Bundesregierung heute vorlegt, hat ein Ziel: die Sicherheit für Arbeit und Wirtschaft und die Verlängerung und Absicherung des österreichischen Erfolgsmodells. Ich glaube, dass die Maßnahmen, die wir gehört haben, die richtigen Maßnahmen sind, um unseren Standort zu sichern.

Der neue Rahmen, den diese Bundesregierung geschaffen hat, hat sich bewährt, und er bleibt. Wir werden keine neuen Schulden machen, Herr Gusenbauer! (Beifall des Abg. Dr. Ofner. ) Wir werden Strukturmaßnahmen setzen, die Sie nicht gesetzt haben. Sie haben so höhnisch in Richtung von Frau Forstinger von den Strukturmaßnahmen gesprochen. Erinnern Sie sich an den "Hausmasterplan"? – Das war nämlich der so genannte Masterplan des sozialistischen Verkehrsministers Einem – ein Blatt Papier! –, der nicht einmal im Ausschuss beraten werden konnte.

Unsere neue Verkehrsministerin arbeitet an einem hervorragenden Konzept. Sie hat unser volles Vertrauen. Wäre sie schon viel früher in dieser Funktion gewesen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), hätten wir baureife Projekte und Investitionen, die wir durchführen könnten, und


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müssten nicht auf "Hausmasterpläne" zurückgreifen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben ein Bündel von Maßnahmen: 12,5 Milliarden Schilling Investitionen für die Schiene, für die Straße; 9 Milliarden Schilling mehr für unsere Familien. Ich meine, das sind Dinge, auf die wir stolz sein können.

Wir und diese Bundesregierung setzen auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, und wir haben Vertrauen in unsere Unternehmer. Wir setzen auf die hoch qualifizierten Arbeitnehmer, und wir haben Vertrauen in die Lehrlingsausbildner, in die vielen Wirtschaftstreibenden, in die vielen Lehrer und auch in die vielen tüchtigen Facharbeiter und die tüchtigen Angestellten in unserem Land. Wir haben, wie gesagt, Vertrauen in unsere Lehrer und setzen auf Bildung. Wir vertrauen unserem öffentlichen Dienst, der ein immer besseres Umfeld für eine möglichst schnelle Abwicklung von Bau- und Wirtschaftsvorhaben schafft. Wir vertrauen auf die ökosoziale Marktwirtschaft, die unserem Land Platz eins im Hinblick auf die Lebensqualität gesichert hat.

Daher bringe ich heute einen Entschließungsantrag ein, der verteilt wurde und den ich nur in den Kernpunkten erläutern will. Es ist dies der Entschließungsantrag der Abgeordneten Khol, Westenthaler und Kollegen betreffend Standortsicherung und Konjunkturbelebung.

Auf der Grundlage des Programms, das uns der Bundeskanzler und die Frau Vizekanzlerin heute vorgestellt haben, ersuchen wir die Bundesregierung, ihre offensive Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung der Budgetkonsolidierung zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes und der Arbeitsplätze fortzusetzen.

Wir ersuchen die Bundesregierung weiters, die bereits eingeleiteten Offensiven in den Bereichen Bildung, Forschung, Infrastruktur und der Exportwirtschaft zu verstärken. Wir wollen Forschung und Technologieentwicklung fördern, den Bereich Bildung und Ausbildung, den Baubereich durch neue Investitionsmaßnahmen, ein Maßnahmenpaket für die Klein- und Mittelbetriebe schnüren. Wir wollen den Export weiter steigern, eine Arbeitsmarktoffensive durch eine Reihe von Maßnahmen durchführen, die Infrastruktur verbessern und auch eine umfassende Verwaltungsreform durchführen, wozu Ihnen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nur ein Lächeln eingefallen ist, nicht mehr – das war wohl die Verlegenheit, dass Sie nichts zusammengebracht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich habe heute aufmerksam zugehört, Herr Kollege Gusenbauer, um zu wissen, welches Ihr Rezept wäre, um unsere Wirtschaft, unseren Standort zu sichern. Aber wenn schon die Diagnose falsch ist, weil Sie von einem ganz anderen Land als Österreich gesprochen haben, kann auch die Therapie nichts wert sein. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Gusenbauer. ) Und die Therapie, die Sie vorgeschlagen haben, ist der alte Zickzackkurs: Auf der einen Seite werden Steuersenkungen verlangt, auf der anderen Seite aber Subventionserhöhungen versprochen. Auf der einen Seite haben Sie noch vor eineinhalb Jahren gesagt, dass unsere Politik, keine Schulden zu machen, an sich ein wichtiges Ziel sei, heute sprechen Sie auf der anderen Seite von neuen Schulden.

Auch international: zickzack. Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sind im Augenblick die einzige Fraktion, die die Erweiterung der EU blockieren möchte, die ihre Blockadepolitik gegenüber Tschechien nicht aufgegeben, sondern sogar noch verstärkt hat.

Herr Kollege Gusenbauer! Sie werden morgen Abend oder Nachmittag, entnehme ich der Presse, an der sozialistischen Gipfelkonferenz vor dem Gipfel von Laeken teilnehmen. Ich wünsche Ihnen alles Gute – Herr Swoboda wird dort auch gelesen, man weiß also, was Ihre internationale Fraktion von Ihrer Politik hält. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Bei uns fragen nämlich laufend die Sozialisten – international – an: Was ist denn los mit euren Sozialdemokraten (ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Gusenbauer ), was machen die eigentlich? – Wir erklären es ihnen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie waren bei den Sanktionen auf der falschen Seite – nicht auf der Seite Österreichs. Sie wären jetzt, was die Außenpolitik und die


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EU-Erweiterung betrifft, würde man Sie lassen, die Blockierer. Und da pflichte ich Herrn Swoboda, dem Chef der Sozialdemokraten im Europaparlament – ein bewährter Sozialdemokrat in Wien –, bei. Es war interessant, Herr Kollege Cap, wie Sie gestern Abend im "Report" wortreich bestätigt haben, was Herr Swoboda Ihnen vorwirft.

Sie waren auch bei der Sicherheitsdoktrin im Zickzackkurs unterwegs. Hätten wir länger weiterverhandeln können, hätten Sie nicht ein Machtwort gesprochen, würden wir heute noch mit Caspar Einem, Peter Pilz, Michael Spindelegger und Wolfgang Jung verhandeln und wahrscheinlich einem Konsens noch näher sein. – Sie sind immer auf der falschen Seite, Herr Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich muss Ihnen etwas sagen, Herr Gusenbauer: Sie haben unlängst einen Neuwahl-Antrag gestellt. Und im Zusammenhang mit diesem Neuwahl-Antrag hat ein Journalist in den "Salzburger Nachrichten" Folgendes geschrieben:

"Die SPÖ hatte in ihren ersten beiden Oppositionsjahren schon so manche Panne zu verzeichnen, der gestrige Neuwahlantrag war die bisher größte. Ohne Not wurde die schärfste Waffe der Opposition verjuxt.

Was braucht man für einen erfolgreichen Neuwahlantrag?", schreibt Alexander Purger in den "Salzburger Nachrichten". "Erstens eine Mehrheit im Nationalrat – hat die SPÖ nicht." – Khol fügt hinzu: Wird sie noch lange nicht haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

"Zweitens einen dramatischen Anlassfall – hat die SPÖ nicht." – Außer den Streit in den eigenen Reihen, aber deswegen werden wir doch nicht neu wählen, damit Sie Ihre Altlasten loswerden. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das sagt nicht Purger, sondern das sagt Khol.

Purger weiter: "Drittens ein ausgefeiltes Gegenkonzept zur Regierungsarbeit" (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das haben sie schon gar nicht!)  – "hat die SPÖ nicht. Viertens einen attraktiven Kanzlerkandidaten und ein ansprechendes Schattenkabinett – hat die SPÖ nicht.", sagt Alexander Purger. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

"Und fünftens die Aussicht, nach der Wahl eine andere Regierung bilden zu können – hat die SPÖ mit den Grünen nach allen seriösen Umfragen auch nicht." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Ich kann sagen: Den Ausführungen von Alexander Purger ist nichts hinzuzufügen. Das ist Glanz und Elend der SPÖ von heute.

Unsere Regierung und wir haben aber gezeigt: Wir setzen die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit. Und wir gehen diesen Weg unbeirrt gemeinsam weiter. – Glück auf dieser Regierung! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Kollegen, der in seinen Grundzügen erläutert wurde, steht mit in Verhandlung. Er wird verteilt werden und dann auch zur Abstimmung stehen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Kollegen betreffend Standortsicherung und Konjunkturbelebung, eingebracht am 12. Dezember 2001 im Zuge der Debatte zu den Erklärungen des Herrn Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel und der Frau Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer gem. § 19 Abs. 2 GOG-NR

Unter der Führung eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers und Finanzministers war Österreich Schlußlicht in der EU beim Budgetdefizit. Die Finanzschuld des Bundes belief sich


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auf rund 1.700 Milliarden öS. Unter Einbeziehung der außerbudgetären Verbindlichkeiten von ca. 500 Milliarden öS betrugen die Gesamtschulden des Bundes mehr als 2.200 Milliarden öS. Dazu kommt noch, daß Österreich zum damaligen Zeitpunkt die rote Laterne in Bezug auf die Budgetsanierung in Europa hatte.

Diese Tatsachen führten zu heftiger internationaler Kritik durch die EU, den IWF und die OECD.

Die Auswirkungen dieser mit sozialdemokratischer Handschrift erfolgten Budgetpolitik waren:

– Keine nachhaltige Sicherung der Pensionen

– Kein Spielraum für Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Technologie

– Im internationalen Vergleich unterdurchschnittliche Unternehmensgründungszahlen

– Nachhaltige Beeinträchtigung des Wirtschaftsstandortes

– Keine Absicherung des Sozialstaates Österreich

Aufgrund dieser Fakten hat es sich diese Bundesregierung unmittelbar nach Regierungsantritt zum Ziel gesetzt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die darauf abzielen, dem Staatshaushalt wieder jenen Spielraum zu verschaffen, der erforderlich ist, um den Sozialstaat aufrechterhalten, den Wirtschaftsstandort Österreich stärken, Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen, sowie die nötigen Investitionen und andere notwendige Ausgaben finanzieren zu können.

Aus diesem Grund wurde umgehend eine tiefgreifende Wende in der Budgetpolitik eingeleitet. Ausschließlich durch den Kurs der Budgetkonsolidierung war es möglich, bereits im Jahr 2001 ein Nulldefizit zu erreichen. Der eingeschlagene Kurs hat seine Richtigkeit und wird von namhaften internationalen Experten und Organisationen als besonders positiv hervorgehoben. Dies auch in Hinblick darauf, daß dadurch auf Dauer der Wirtschaftsstandort Österreich, die Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit der Arbeitsmarkt nicht nur gesichert sondern zusätzlich gestärkt werden können.

Durch das Ziel "keine neuen Schulden mehr", welches laut einer jüngst durchgeführten Umfrage des Fessel-Institutes von einer klaren Mehrheit der Österreicher befürwortet wird, ist bzw. war es trotz der schlechten Ausgangslage möglich, eine offensive Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu betreiben und in jenen Bereichen, die für die Zukunft Österreichs von wesentlicher Bedeutung sind, besondere Akzente zu setzen:

Umfassende Verwaltungsreform

Durch die Verwaltungsreform, die unter anderem eine Verstärkung der Bürgerorientierung und Beschleunigung von Verfahren durch eine verstärkte Einbindung der Bezirksverwaltungsbehörden und Konzentration der Berufungsinstanz bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten (One stop shop), die Konzentration staatlicher Leistungen auf Kernfunktionen, eine Optimierung der Aufgabenverteilung, den Abbau von Doppelgleisigkeiten sowie die Nutzung von Synergien vorsieht, werden Einsparungen in der Höhe von 21,2 Mrd öS erzielt.

Bildungsoffensive

Im Jahr 2002 sind für Zwecke der Bildung 110 Mrd. öS vorgesehen, dies bedeutet eine Steigerung um 7 Mrd. in drei Jahren. Im Vergleich zum Jahr 1997 bedeutet dies sogar eine Steigerung der Bildungsausgaben um 16,5 Mrd. öS.

Anhebung der Forschungsquote

Bis zum Jahr 2005 soll die Forschungsquote auf 2,5% des BIP angehoben werden. Zur Erreichung dieses Zieles werden bis 2003 im Rahmen eines F&E-Programmes sowie eines Offensivprogrammes zusätzlich 7 Mrd. öS bereitgestellt.


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Infrastrukturinvestitionen

Für wichtige Infrastrukturinvestitionen werden im Jahr 2002 34,2 Mrd. öS zur Verfügung stehen, was gegenüber 1999 eine Steigerung um mehr als 5,2 Mrd. öS bedeutet.

Einführung des Kinderbetreuungsgeldes für alle

Durch diese Zukunftsinvestition wird nicht nur die Wahlfreiheit der Eltern gestärkt, sondern vor allem auch die Kaufkraft der privaten Haushalte. Die den Familien zur Verfügung gestellten Mittel werden dadurch um 9 Mrd. öS angehoben.

Der eingeschlagene Kurs der Budgetkonsolidierung hat sich somit nicht nur als erfolgreich sondern auch wie die derzeitige Konjunkturlage verdeutlicht, als äußerst notwendig und vorausschauend erwiesen. Auch hier zeigen ein internationaler Vergleich mit dem wirtschaftlichen Umfeld Österreichs sowie das Ergebnis internationaler Studien wie richtig diese Bundesregierung mit ihrer Politik liegt:

Wettbewerbsfähigkeit

Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs hat sich laut World Competitiveness Report 2001 im internationalen Vergleich zum dritten Male in Folge verbessert: Österreich nimmt nunmehr den hervorragenden 14. Platz ein, nachdem es 1998 noch auf dem 22.Platz lag.

Verfügbarkeit hochqualifizierter Arbeitnehmer

Das Internationale Institut für Management-Entwicklung (IMD) hat Österreich diesbezüglich den ersten Platz zuerkannt.

Leistungsfähiges Bildungssystem

Die jüngste Pisa-Studie der OECD belegt unter anderem, daß Österreich bei den Bildungsausgaben innerhalb der OECD (Gesamtausgaben pro Schüler von der 1. Klasse bis zum 15. Lebensjahr) vor den USA und Dänemark an erster Stelle liegt, daß die österreichischen Schüler in allen Bereichen gute Leistungen erbringen und deutlich über dem Durchschnitt liegen. Je schwieriger eine Aufgabe desto besser schneiden die österreichischen Schülerinnen und Schüler ab.

Liberales wirtschaftliches Umfeld

Gemäß der Studie "The Economic Freedom of the World" hat sich das wirtschaftliche Umfeld in Österreich in den letzten Jahren liberaler entwickelt. Mit seinem 15. Platz hat es zahlreiche andere EU-Staaten hinter sich gelassen und sich ins europäische Spitzenfeld katapultiert.

Hohe Produktivität

Österreichs Industrie zählt zu den am schnellsten wachsenden und produktivsten Volkswirtschaften Europas.

Österreich ist lebenswert

Laut World Competitiveness Report 2001 belegt Österreich weltweit Rang 1 bei "Quality of Life" (Health and Environment). Österreich ist demnach das lebenswerteste Land der Welt.

Während sich die gegenwärtige Konjunkturabschwächung, die einerseits auf die nachlassende Weltkonjunktur und andererseits auf die Ereignisse des 11. September zurückzuführen ist, auf das Wirtschaftswachstum insbesondere der USA, Japans und Deutschlands, aber auch anderer vergleichbarer Staaten im erheblichen Ausmaß ausgewirkt hat, hat Österreich im Vergleich dazu nur eine verhältnismäßig geringe Abschwächung seiner Konjunktur zu verzeichnen. Laut Aussage des Gouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank, Dr. Liebscher, im Finanzausschuss am 5. Dezember 2001 wird sich das Wirtschaftswachstum im Jahr 2001 auf rund 1,5 %


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belaufen. Außerdem rechnet die Vizegouverneurin der OeNB, Dr. Tumpel-Gugerell, spätestens im 2. Quartal 2002 wieder mit einem deutlichen Anstieg des Wirtschaftswachstums. Österreich ist es mit dieser Politik sogar gelungen, wie ein Vergleich der Konjunkturdaten beweist, unseren Nachbarn Deutschland in Bezug auf die Konjunkturentwicklung abzuhängen. Denn deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute, wie unter anderem das Institut für Wirtschaftsforschung in München, gehen in Deutschland von einem Wachstum von lediglich 1 % für das Jahr 2001 aus. Dieser Umstand wird dadurch bewirkt, daß die rot-grüne Bundesregierung in Deutschland beispielsweise Maßnahmen gesetzt hat, die geeignet waren, den Wirtschaftsstandort Deutschland und den Arbeitsmarkt zusätzlich zu schwächen:

– Einführung der Ökosteuer, die von Fachleuten allgemein als Investitionshindernis gesehen wird.

– Verabschiedung eines Mietengesetzes, das die Regulierung in diesem Bereich weiter verschärft, was einen wesentlichen Grund für den Rückgang des Wohnungsbaus bewirkt hat, der in diesem Jahr mindestens 10% betragen wird.

– Große Schwierigkeiten bei der Rückführung des Budgetdefizits bzw. bei der Einhaltung der Vorgaben des Stabilitätspaktes. Deutschland hat zur Zeit das größte Defizit im Verhältnis zum BIP aller EU-Länder.

– Finanzielle Interventionen bei insolventen Unternehmungen (z.B. Baukonzern Holzmann), was Entlassungen eines wesentlichen Teils der Belegschaft nicht verhindern konnte.

– Desaster im Bereich der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, das im wesentlichen auf Experimente der rot-grünen Regierung zurückzuführen ist.

Die unterfertigten Abgeordneten erachten den von dieser Bundesregierung eingeschlagenen Weg der nachhaltigen Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreichs, insbesondere der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und damit der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie der Sicherung des Sozialstaates als richtig und stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, ihre offensive Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung der Budgetkonsolidierung zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich und insbesondere der Arbeitsplätze fortzusetzen.

Die Bundesregierung wird ersucht, die bereits gesetzten und eingeleiteten Offensiven in den Bereichen Bildung, Forschung, Infrastruktur und der Exportwirtschaft zu forcieren.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, ehebaldigst eine Regierungsvorlage vorzubereiten, die die Umsetzung nachstehender Maßnahmen sicherstellt:

Forschung und Technologieentwicklung:

Schaffung eines zusätzlichen Freibetrages für alle Forschungsausgaben laut OECD-Definition;

Sicherstellung einer Anschlussfinanzierung für die über den Rat für Forschung und Technologieentwicklung zu vergebenden Mitteln;

Schaffung von elektronischen Einreichungen und Abwicklungen im Sinne eines E-Governments.

Bereich Bildung und Ausbildung:

Erhöhung des Bildungsfreibetrages oder Schaffung einer Bildungsprämie;


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Mit Starthilfe der Länder Verdopplung der Zahl der Studienanfänger an Fachhochschul-Studiengängen und Fachhochschulen;

Förderung der Drittmitteleinwerbung bei Universitätsinstituten;

Stimulierungsprogramm für die Profilentwicklung an den Universitäten.

Baubereich:

Schaffung steuerlicher Maßnahmen, die eine Belebung der Baukonjunktur im Jahre 2002 bewirken;

Versuch des Vorziehens von baureifen Projekten;

Maßnahmen für Bauvorhaben im Bereich historischer Objekte;

Umschichtung von Mitteln innerhalb der Wohnbauförderungen zugunsten der Althaussanierungen.

Maßnahmenpakete im Bereich der KMU:

Initiierung und Fortsetzung einer Gründeroffensive;

Schaffung eines double equity funds;

Weiterer Ausbau der Förderungen durch ERP-Fonds und Bürges;

Deregulierung und Liberalisierung insbesondere im Unternehmensrecht.

Internationalisierung und Steigerung des Exportes:

Optimierung der Finanzierungs- und Garantiemöglichkeiten für österreichische Exporteure und Investoren, vor allem für Hoffnungsmärkte, um die Exportquote Österreichs weiter zu erhöhen.

Arbeitsmarktoffensive:

Neuregelung der privaten Arbeitsvermittlung durch Beseitigung bürokratischer Hemmnisse und Doppelgleisigkeiten;

Verstärkung der Bemühungen im Bereich der Wiedereinsteigerinnen.

Infrastruktur:

Ermöglichung weiterer Infrastrukturmaßnahmen durch Ausweitung der außerbudgetären Finanzierungsrahmen;

Verwaltungsreform:

Verstärkte Bürgerorientierung und weitere Beschleunigung von Verfahren;

Konzentration staatlicher Leistungen auf Kernfunktionen;

Optimierung der Aufgabenverteilung;

Abbau von Doppelgleisigkeiten;

Nutzung von Synergien;

Senkung der Verwaltungskosten;

Abschaffung antiquierter Gesetze und generelle Überprüfung des Gesetzesbestandes auf Zeitmäßigkeit."

*****


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.

10.18

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Geschätzte Damen und Herren! Mein Vorredner Khol hat die angebliche oder tatsächliche Fernsehpanne bedauert, die während der laufenden Übertragung stattgefunden hätte. (Abg. Dr. Fekter: Hat, nicht "hätte"!)

Ich meine, es ist schon einmal zu hinterfragen, was diese Fernsehübertragungen ständig bewirken. Ich diagnostiziere mittlerweile einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Fernsehübertragungen und der polemischen Debatte hier im Haus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Tut euch das weh?)

Anders – Herr Kollege Khol, damit sind wir tatsächlich bei Ihnen – ist es mir nicht erklärlich, dass Sie in einer Rede zum Thema Konjunkturpolitik von den 15 Minuten Redezeit vielleicht 2 Minuten für dieses Thema verwenden und den Rest damit verbringen, Ihre alten Kalauer aufzuwärmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich bin wirklich unangenehm überrascht, und offensichtlich schützen rot-weiß-rote Krawatten vor der Anfälligkeit für Bierzeltpolemik nun auch nicht mehr. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.  – Abg. Großruck: Die Mehrheit ist einer anderen Meinung!) Aber lassen wir die Kirche im Dorf, schauen wir, was ist (Abg. Dr. Khol: In der Sache haben Sie nichts zu sagen?), und diskutieren wir gemeinsam, Kollege Khol, das Thema, um das es geht.

Es geht um den Einbruch der Konjunktur, und zwar um den weltweiten Einbruch der Konjunktur, und um etwaige Maßnahmen auf europäischer Ebene – ich betone das ausdrücklich, denn das wurde überhaupt noch nicht oder kaum erwähnt – sowie um Maßnahmen in Österreich.

Was sind nun die relevanten Fragen? – Die Fragen für die österreichische Konjunkturpolitik sind doch Folgende: Was ist an dieser Rezession – und ich traue mich, dieses Wort in den Mund zu nehmen; auf diese Begriffsdeutereien werde ich vielleicht noch kurz zurückkommen –, was ist an dieser Wirtschaftskrise, wenn Sie so wollen, global bedingt? Was könnte auf europäischer Ebene korrigiert werden? Und: Was ist in der Tat hausgemacht?

Ich unterscheide mich da vielleicht tatsächlich eine Spur vom Kollegen Gusenbauer, weil ich doch in stärkerem Maße meine, dass man sich als kleine offene Volkswirtschaft nicht so abkoppeln kann, wie hier der Eindruck vermittelt wurde. Umso unverständlicher ist somit in Wirklichkeit die Haltung der Bundesregierung, allen voran des Herrn Bundeskanzlers, aber auch des Herrn Finanzministers und des Herrn Wirtschaftsministers.

Wenn es denn so ist, dass wir eine internationale Wirtschaftskrise haben, Österreich davon unweigerlich erfasst wird beziehungsweise teilweise auf Grund der beschriebenen Verzögerungseffekte noch erfasst werden wird, dann ist es doch keine Schande, das einmal einzubekennen und darauf aufbauend entsprechende Maßnahmen zu treffen. (Beifall bei den Grünen.)

Warum erscheint mir das so wichtig? – Die Idee – wenn überhaupt eine positive Idee dahinterstehen mag, Herr Bundeskanzler und Herr Finanzminister – Ihres Ansatzes, die Dinge – unter Anführungszeichen, wie Sie das bezeichnen – "nicht schlecht reden zu wollen", ist ja offensichtlich eine psychologische, um die Wirtschaft von dieser Seite her nicht weiter zu beunruhigen. Ihre Philosophie wird in dieser Weise vorgetragen. Das geht aber völlig ins Leere, ja sogar in die falsche Richtung!

Warum? – Wenn alle Welt erkennt, dass wir auf eine Rezession zusteuern oder uns in einer solchen befinden, dann werden Ihre Gesundbeterei und Ihr ständiges Wiederholen des Mantra in diversen Sitzungen und auf diversen Gipfeln, Ihre Unglaubwürdigkeit ja nur weitergetragen. Wer soll Ihnen denn glauben, dass Sie vernünftige, nämlich sehr wohl mögliche Gegenmaßnahmen


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ergreifen, wenn Sie nicht einmal in der Lage oder jedenfalls nicht willens sind, die Situation einzubekennen? – Sie haben Ihre Glaubwürdigkeit fast schon verspielt. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit. Diesen Verzögerungseffekt des Wahrnehmenwollens oder -könnens der Situation ist ja in der Folge unmittelbar schädlich für etwaige konjunkturpolitische Maßnahmen. Das, was Sie jetzt vorschlagen und was wir teilweise sogar begrüßen können – darauf werde ich noch zurückkommen –, wirkt ja auf Grund Ihrer anhaltenden Verweigerungshaltung – heute haben Sie diesbezüglich das erste Mal ein bisschen "aufgemacht" – tendenziell zu spät.

Es ist ja das Wesen von kurzfristigen Konjunkturschwankungen, dass sie in absehbarer Zeit wieder vorbeigehen. Das heißt, die Maßnahmen, die Sie setzen und die Sie gegen das Konjunkturtal treffen wollen, müssen so rechtzeitig erfolgen, dass sie dann noch wirken, wenn wir in der Abschwungphase sind.

Das, was Sie uns einbrocken, ist: zunächst verweigern, nicht hinschauen, schönreden, die Dinge teilweise eingestehen, ein paar Maßnahmen setzen – im größeren Stil Pseudomaßnahmen –, aber die wenigen guten Maßnahmen, die Sie vorschlagen, laufen Gefahr, zu spät zu wirken. Auch das haben Sie mit Ihrer ständigen Verweigerungshaltung zu verantworten! (Beifall bei den Grünen.)

Wir können das auch guten Gewissens belegen – da bin ich mit meinem Vorredner Gusenbauer völlig einer Meinung –: Es war die Opposition, die schon länger darauf hingewiesen hat, wie sich die Weltwirtschaft entwickeln wird, und zwar in einer dramatischen Situation, als nämlich gleichzeitig die USA, Japan ohnehin und – das war schon vor dem Sommer erkennbar – der Euro-Raum in eine Krise steuerten. Sie haben sich jedoch bis zum heutigen Tag beziehungsweise bis zum ersten Ihrer so genannten Konjunkturgipfel bemüht, die Sache anhaltend schönzureden. Und das war das Problem, das ich beschrieben habe. Hätten Sie rechtzeitig reagiert, dann stünden wir in wenigen Monaten vielleicht schon anders da. (Abg. Murauer: Aber schlechter!)  – Warten Sie ab, Herr Kollege! Lehnen Sie sich da nicht so weit hinaus! Das ist gerade Ihnen noch nie gut bekommen. (Beifall bei den Grünen.)

Nun komme ich zu dem Beleg, den ich Ihnen versprochen habe. Auf diesem Cover des renommierten Wirtschaftsblattes "The Economist" (der Redner hält eine Ausgabe dieser Zeitschrift in die Höhe), das nun wirklich nicht in Verruf steht, irgendein global linkslinkes Zentralorgan zu sein, sondern doch viel eher ein durchaus wirtschaftsliberales Magazin genannt werden darf, schrieb man bereits im Sommer von Rezession. – Das dritte Mal präsentieren wir Ihnen dies hier, weil wir ja ständig von Ihnen damit konfrontiert werden, das ohnehin alles paletti gewesen sei. Das ist meines Erachtens sehr wohl ein Hinweis darauf, dass Sie, aus welchen Motiven auch immer, anhaltend Realitätsverweigerung betrieben haben. (Beifall bei den Grünen.)

Nicht genug damit, Herr Bundeskanzler, haben Sie sich in dieser Verweigerungsliturgie, die ständig zelebriert wurde, noch zum Vorbeter aufgeschwungen und ständig gesagt: Es gibt keine Krise! – Wehe, es sagt jemand "Rezession"! Das ist momentan ganz gefährlich. Es spielen sich schon biedermeierliche Abhör- und Verfolgungsmethoden innerhalb der Wirtschaftsszene ab und es wird gelauscht, ob irgendjemand das unmögliche R-Wort in den Mund nimmt, "Rezession" darf nicht gesagt werden. Sie flüchten sich in irgendwelche wirtschaftswissenschaftliche Definitionsstreitereien, die in der Praxis wirklich niemandem etwas bringen.

Das dient ja nur dazu – und damit bin ich beim nächsten Punkt –, Ihren Unwillen, etwas tun, zu dokumentieren. Ich bin mir nicht einmal so sicher, ob das, was da getan oder vielmehr nicht getan wird, Ausdruck bloßer Ratlosigkeit ist, ich habe viel eher den Verdacht, dass dahinter auch ein guter Schuss Ideologie steckt, weil diese Wenderegierung – das haben wir ja anfangs erlebt – mit ihrer manischen Staatsphobie geradezu dazu prädestiniert ist, keine Maßnahmen mehr setzen zu wollen. Wir hören es dauernd: Der Staat ist schlecht, die öffentliche Hand darf nichts ausgeben, es dürfen keine neuen Schulden mehr gemacht werden. – Auf diesen Marketingslogan werde ich noch zurückkommen.


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Es wundert mich ja gar nicht, dass Sie nicht viel tun. Sie wollen möglicherweise gar nicht viel tun, weil das in das neue Credo dieser Wenderegierung passt. Deshalb hatten und haben wir im Sommer und im Herbst des Jahres 2001 die nächste schlimme Folge dieses Wendekabinetts zu tragen. Nachdem wir im ersten Jahr eher mit autoritären Maßnahmen im demokratiepolitischen Bereich konfrontiert waren, wird das jetzt auch im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich endgültig und dramatisch schlagend. Jetzt, da man gegensteuern könnte und müsste – zumindest mit möglichen Maßnahmen in Österreich –, wird das verweigert. Das entspricht auch in Wirklichkeit Ihrer Ideologie und Ihrer Dogmatik. Das ist meine Diagnose; deshalb ist auch festzustellen, dass die so genannte Wende in diesem Bereich wenig Gutes gebracht hat. (Beifall bei den Grünen.)

"Stagnation auf hohem Niveau" ist das, was Sie beigetragen haben. "Krise" darf nicht gesagt werden, "Stagnation auf hohem Niveau" ist noch zulässig. Kommen wir nun zu den Fakten einer solchen Haltung!

Es geht, Herr Bundeskanzler, wenn wir zentrale Indikatoren von Wirtschaftskrisen heranziehen, nicht so sehr um das Niveau irgendwelcher Größen, sondern um die Veränderung. Genau das ist das Problem. Mit der Aussage "Stagnation auf hohem Niveau" dienen Sie niemandem. Damit wird nur kaschiert, dass das hohe Niveau einer Wirtschaftsproduktivität in der zentralen Frage der Zunahme der Arbeitslosigkeit wenig hilft. Entscheidend und ausschlaggebend ist doch, inwieweit sich die Arbeitsproduktivität stärker und schneller entwickelt als etwa das Wirtschaftswachstum und die Unausgelastetheit der Kapazitäten. Aus diesem Grund ist das ein weiterer unzulässiger Nebelwerfer hinsichtlich des Problems der Arbeitslosigkeit, wenn Sie hier mit diesem Slogan die Österreicher einlullen wollen.

In der Tat: Die Arbeitsmarktdaten weisen in den letzten Monaten in eine schlimme Richtung. Und das ist seit langem auch in Österreich neu; das können und sollten Sie nicht länger kaschieren!

Das heißt zusammengefasst: Ihre Realitätsverweigerung führt dazu, dass Sie mit den wenigen Maßnahmen, die Sie ankündigen, unglaubwürdig werden, dass diese Maßnahmen, sofern sie sinnvoll sind, zu spät kommen und dass Sie jede Glaubwürdigkeit für weitere Maßnahmen verspielen, wenn Sie nicht eine Diagnose finden, die hinreichend viele Menschen teilen können und würden. (Abg. Großruck: Die internationalen Zahlen beweisen etwas anders!)

Kommen wir zu einigen Maßnahmen dieses so genannten Pakets. Es sind zunächst einige negative Bemerkungen, aber Sie können auch damit rechnen, dass wir einige Maßnahmen durchaus positiv anerkennen werden. Kommen wir zuerst zu den negativen Punkten, die hier verkündet wurden.

Die Bildungspolitik ist wieder einmal als Beispiel dafür genommen worden, die besondere Aktivität der Regierung zu erwähnen. Ich habe allerdings das Gefühl, dass Sie sich gar nicht mehr in den Schulen und auf den Universitäten bewegen, denn sonst wüssten Sie, wie es dort zugeht. (Beifall bei den Grünen.)

Sie können die Zahlen drehen und wenden, wie Sie wollen, aber das reale Budget für Bildung stagniert seit 1999. Das haben wir schon oft genug besprochen. Und wieder sind Sie dabei, irgendwelche Verrenkungen aufzuführen, um sich statistisch in ein besseres Licht zu stellen. (Beifall bei den Grünen.)

Das soll aber nicht heißen, dass wir die Bemühungen im Bildungsbereich und in der Folge vor allem im Bereich der Forschung und Entwicklung, wenn sie ernst gemeint sind und tatsächlich umgesetzt werden, nicht anerkennen wollen. Es bleibt jetzt nicht die Zeit, darüber zu diskutieren, was eine wirklich gescheite Forschungs- und Entwicklungspolitik wäre: 7 Milliarden Schilling auszugeben und noch einmal 7 Milliarden draufzusetzen ist die eine Sache, was aber tatsächlich damit gemacht wird, ist eine andere Sache. Ich bin jedoch bereit anzuerkennen, dass diesbezüglich zumindest ein gewisser Wille vorhanden ist.


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Noch etwas, Herr Bundeskanzler: Wenn es um konjunkturpolitische Maßnahmen geht, dann sind diese Maßnahmen natürlich nicht das richtige Argument, denn konjunkturpolitische Maßnahmen müssten viel kurzfristiger angelegt sein und spielen sich woanders ab. Ich gestehe Ihnen aber zu, dass das eine standortpolitische Maßnahme ist, die langfristig äußerst wichtig ist.

Ich darf noch einen Punkt herausgreifen, der meines Erachtens sehr positiv zu bewerten ist. Das betrifft die Frage der Konzentrierung von Mitteln der Wohnbauförderung. Das finden auch wir Grüne positiv, wir würden nur anregen, die Mittel unbedingt im Bereich der thermischen Gebäudesanierung zu konzentrieren, weil da pro ausgegebenen Schilling die eklatant höchste Arbeitsplatzintensität zu erreichen ist.

Kommen wir zu weiteren wichtigen Maßnahmen, die wir anregen wollen! Wesentlich wird sein, dass die so genannten automatischen Stabilisatoren – ich weiß, das ist ein Unwort, es ist aber wichtig – greifen dürfen. Was heißt das? – Das heißt, dass die Steuereinnahmen, die bei einer Konjunkturabschwächung zurückgehen, und die Mindereinnahmen für das Budget nicht durch Gegensteuern aufgefangen werden sollen. Das würde nämlich genau dann passieren, wenn Sie an Ihrer Ersatzreligion Nulldefizit, das Sie geradezu zur Hysterie hochstilisiert haben, strikt festhalten wollen. (Abg. Großruck: Wir haben keine "Ersatzreligion"! Wir sind christlichen Glaubens!) Da liegt eine Gefahr. Lassen Sie die automatischen Stabilisatoren wirken und betreiben Sie aktive Arbeitsmarktpolitik! Auch das ist konjunkturbelebend. (Beifall bei den Grünen.)

Stellen Sie nicht Milliarden und Abermilliarden der Arbeitsmarktverwaltung in Ihr Budget, sondern lassen Sie das Geld jenen zu Gute kommen, die es jetzt wirklich brauchen. Das wird nützlich sein – genauso wie eine Lohn- und Einkommensteuersenkung nützlich für jene ist, die ohnehin durch Ihre Maßnahmen aus dem Vorjahr genug gestraft sind. Das würde ebenfalls konjunkturbelebend wirken und hätte außerdem den Effekt sozialer Gerechtigkeit im Sinne der Konjunktur. (Beifall bei den Grünen.)

Ich darf zusammenfassen: Sie verweigern nach wie vor im Wesentlichen, die Dramatik der Situation anzuerkennen. Das führt dazu, dass Sie zu zögerlich und zu spät reagieren und dass Sie außer einer bedenklichen "Restlverwertung" aus Maßnahmen Ihres Regierungsprogramms, die Sie hier verkünden, sehr wenig anzubieten haben.

Für positive Maßnahmen werden Sie unsere Unterstützung finden, für weitere Rauchbomben und Verkündungen von Schmähs werden Sie mit unserem Widerstand rechnen können. Wir werden versuchen, die Bevölkerung in diesem Sinne weiter aufzuklären. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Gleiche Redezeit. – Bitte.

10.34

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Minister! Hohes Haus! Auch ich möchte mir einleitend einen Satz dazu erlauben, was die Live-Übertragung dieser Sitzung durch den ORF anlangt. Es ist wieder einmal so, dass exakt und ausschließlich bei der Rede eines Regierungsmitgliedes – in diesem Fall bei jener der Frau Vizekanzlerin – die Zuseher weite Teile dieser Rede wegen einer Tonstörung nicht hören konnten. Es gab das Insert "Tonstörung", das heißt, der ORF hat uns mitgeteilt, dass er nachhaltig gestört ist, und ich bin davon überzeugt, dass diese nachhaltige Störung in den nächsten Wochen dann behoben sein wird, wenn es zu einer umfassenden Erneuerung dieses Unternehmens gekommen sein wird, die dringend notwendig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Das ist unglaublich!)

Es ist schon bezeichnend, dass die Leitung nach Brüssel zum Herrn Bundeskanzler nicht funktioniert, dass die Leitung aus dem Hohen Haus in Wien, wenn die Frau Vizekanzlerin spricht, auf den Küniglberg nicht funktioniert, dass aber ohne Probleme Leitungen aus Jalalabad und aus Kabul, aus Krisengebieten, funktionieren. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der


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ÖVP.) Davon soll sich jeder selbst ein Bild machen. Aber ich bin überzeugt davon, dass es eine neue Geschäftsführung zustande bringen wird, neue Funk- und Kabeleinrichtungen zu kaufen, sodass alles funktioniert, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Thema selbst. Das Konjunkturpaket ist wirklich ein ganz beachtliches Paket dieser Erneuerungsregierung. Es enthält die wesentlichen Merkmale für die Ankurbelung der Konjunktur in einer Phase, in der es einen leichten Schwächeanfall der Konjunktur gibt. Es beinhaltet Impulse für Unternehmungen, vor allem für kleine und mittlere Unternehmungen, eine Stärkung der Kaufkraft der Menschen in Österreich, eine Arbeitsmarktoffensive sowie Investitionen in Forschung, Entwicklung und Bildung. Und es bleibt bei diesen offensiven Maßnahmen trotzdem dabei: Wir gehen nicht ab vom Kurs des Nulldefizits! Nein! Wir machen keine weiteren Schulden, Herr Kollege Gusenbauer – im Gegensatz zu Ihrer Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Ziel muss selbstverständlich in den nächsten beiden Jahren eine nachhaltige Entlastung der Bevölkerung sein, aber nicht auf Pump, wie Sie es jahrlang getan haben, sondern auf Basis eines konsolidierten Budgets, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ!

Es ist schon interessant, wenn man die Wirtschaftsexperten und Wirtschaftsforscher heranzieht, wie etwa Kramer vom Wifo, der dieses Paket grundsätzlich positiv bewertet hat, oder Felderer vom IHS, der sogar gesagt hat, das sei ein modernes Konjunkturbelebungsprogramm. Heute haben wir den dritten Wirtschaftsexperten, Herrn Gusenbauer, gehört, der prognostiziert hat, alles sei schlecht. Sie können sich selbst ein Bild davon machen, wo der Fehler liegt, nämlich nicht in der Bewertung selbst, sondern der Fehler liegt offensichtlich in der Qualifikation des Bewerters. Die Wirtschaftsforscher haben noch allemal mehr Recht als die Schlechtmacher in der Opposition, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Damit komme ich zu einem Thema, das ja auch bezeichnend ist. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei steht eine Viertelstunde lang zum Thema Konjunktur, Arbeitsmarkt, Beschäftigung und Wirtschaft hier beim Rednerpult und hat keinen einzigen Satz zum derzeit brennendsten Problem in Österreich, nämlich zu Semperit, über die Lippen gebracht. Nicht einen Satz!

Ich habe überlegt: Wieso eigentlich? Warum ist das so? – Dann habe ich nachgesehen und denke, das ist eigentlich völlig klar: Diese Frage betreffend Semperit, Semperit-Werk ist ja in Wirklichkeit eine jahrzehntelange Misserfolgsstory der Sozialdemokraten, Herr Kollege Gusenbauer, weil sie für die jetzige Entwicklung immer stufenweise die Verantwortung getragen haben. Und auch jetzt kommen sie nicht davon weg, dass sie die Verantwortung für den Misserfolg und für die vielen Kündigungen, die es dort gibt, zu tragen haben. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich werde es Ihnen beweisen. Sie wissen, vor einigen Jahren hat ein gewisser Herr Hannes Androsch den Verkauf von Semperit, damals im Besitz der CA, an die Firma Conti durchgeführt (Oh-Rufe bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP), um das Unternehmen nachhaltig zu sichern. Wenige Jahre danach, 1991, gab es eine Bestandsgarantie des damaligen sozialdemokratischen Finanzministers, dass das Werk in Traiskirchen selbstverständlich bestehen bleiben werde. Man hat 1,2 Milliarden Schilling an Förderungen hineingepulvert, und trotzdem ist schon damals, 1991, die Forschungsabteilung von Wien nach Hannover transferiert worden. Das hat man damals schon in Kauf genommen. Das war der scheibchenweise Beginn dieser Misserfolgsstory der Sozialdemokraten!

Und es geht weiter: Im Jahr 1996 hat es die nächste Krise gegeben. Damals sagte Bundeskanzler Vranitzky zu den Arbeitnehmern von Semperit wortwörtlich:

"Seid nicht so negativ, seht das Verhandlungsergebnis positiv! Bis zum Beweis des Gegenteils wird uns das Prinzip Hoffnung tragen."


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Das war 1996, als man den nächsten Schritt in Richtung Abservierung von Semperit gesetzt und 1 000 Arbeitnehmer gekündigt hat.

So ist es weitergegangen (der Redner hält in der Folge Artikel verschiedener Tageszeitungen in die Höhe)  – ein Rauschen durch den Blätterwald –: "Vranitzky: Semperit mit möglichst vielen Beschäftigten erhalten".

Herr Präsident Verzetnitsch! Wo ist denn jetzt die Gewerkschaft bei Semperit? – 1996 hat es geheißen: "ÖGB-Chef: Sturmlauf gegen Liquidation von Semperit". Gewerkschaftspräsident Verzetnitsch werde sich für den Erhalt des Werks einsetzen.

Es geht noch weiter: "Semperit: Chance zum Überleben – Klima und Verzetnitsch hoffen auf ein Umdenken beim Conti-Konzern." – Sie können heute noch hoffen, nur das Umdenken wird nicht stattfinden.

Es gibt noch eine Schlagzeile, die ganz besonders interessant war: Vranitzky hat 1996 bei einem Besuch in Peking Folgendes ausrichten lassen: "Semperit nicht zu Tode verurteilt!" – Nicht zu Tode verurteilt!

Es stehe nun fest, sagte Vranitzky, dass Semperit nicht zu Tode verurteilt sei, sondern dauerhaft bestehen bleibe, weil die jetzige Lösung der Reduzierung der Arbeitsplätze dafür sorgen werde. – So weit Vranitzky.

Was herausgekommen ist, wissen wir heute, nämlich: dass dieses Werk zugesperrt wird und dass Sie dafür die Verantwortung tragen. Sie bringen heute auf Grund dieser Misserfolgsstory keinen Satz zum Semperit-Werk und zu den vielen Arbeitnehmern heraus, die jetzt vor Weihnachten Angst um ihre Existenz, um ihre Familien, um ihr Fortkommen haben müssen. Und das ist Ihr ganz persönlicher Misserfolg, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Oder: Da legt die SPÖ heute einen Entschließungsantrag vor, 16 Seiten mit Floskeln zur Konjunktur- und Wirtschaftsbelebung. Ein Absatz mit vier Zeilen befasst sich mit Semperit! Da wird gesagt, dass es nicht richtig war, das Semperit-Werk zu verkaufen, den Standort Österreich aufzugeben und an die Firma Conti zu verkaufen. – Sie haben vergessen, wer das getan hat, wer Semperit verkauft hat, und Sie kommen nicht darum herum, klar zu definieren, was jetzt zu tun ist.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, bringen wir heute einen gemeinsamen Entschließungsantrag der beiden Regierungsparteien betreffend Maßnahmen der Zukunftssicherung der Semperit-Mitarbeiter ein, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Semperit-Mitarbeiter

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Nationalrat begrüßt die von der Bundesregierung bereits eingeleiteten Maßnahmen im Sinne der Zukunftssicherung der von der Schließung der Semperit Reifen GmbH betroffenen Mitarbeiter und Familien.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird in diesem Zusammenhang ersucht, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um eine bestmögliche Absicherung der von der Auflösung ihres Dienstverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer der Firma Semperit Reifen GmbH Traiskirchen über das bestehende Instrumentarium des Arbeitsmarktservice zu gewährleisten.


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Darüber hinaus wird der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ersucht, alle geeigneten Vorkehrungen im Zusammenwirken mit dem Land Niederösterreich zu treffen, um den Standort für Betriebsansiedlungen im Raum Baden zu attraktivieren.

Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ersucht, die erforderlichen Maßnahmen dahin gehend zu treffen, dass die Versicherten der Betriebskrankenkasse Semperit" – und das ist eine entscheidende Maßnahme! – "gemäß § 23 Abs. 3 ASVG in die örtlich zuständige Gebietskrankenkasse übergeführt werden, um damit den erforderlichen Rechts-, Vermögens- und Mitgliederübergang sicherzustellen und hiedurch den uneingeschränkten Schutz der Versicherten zu gewährleisten."

*****

Wir setzen uns für die Familien und für die Arbeitnehmer von Semperit ein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir können Ihre Fehler nicht mehr gut machen, weil die Ereignisse fortgeschritten sind, aber wir werden uns nachhaltig für die Arbeitnehmer dort einsetzen.

Das war das eine Beispiel Ihres Versagens der Wirtschaftspolitik, aber es gibt noch zwei weitere Beispiele – und ich möchte sie wegen ihrer Aktualität bringen –, die beweisen und anhand derer nachvollziehbar ist, wie falsch Sie nach nur wenigen Wochen und Monaten mit Ihren Aussagen liegen. Eines dieser weiteren Beispiele ist: Wenn wir jetzt hören, dass die Arbeitslosigkeit wieder steigt – das ist bedauerlich; nur ist sie bei weitem nicht auf jenem Niveau, auf dem sie einmal unter der sozialistischen Regierung in den neunziger Jahren war; aber sie ist gestiegen, und das ist zu bedauern, und jeder Arbeitslose ist zu viel –, so bitte ich Sie doch, dass wir uns alle miteinander daran erinnern, was im Frühjahr dieses Jahres geschah, als es plötzlich geheißen hat – von vielen Experten auch vorhergesagt –, wir haben einen Arbeitskräftemangel. Was war im Frühjahr? – Da haben die Sozialdemokraten gefordert: Wir müssen sofort die Grenzen öffnen und müssen mehr Zuwanderung zulassen! Wir müssen Menschen aus dem Ausland holen, um sie auf unserem Arbeitsmarkt zu integrieren!

Auch hier der Beweis (eine Zeitungsseite in die Höhe haltend): "Die SPÖ fordert mehr Zuwanderer für den Arbeitsmarkt." Sie legte am 9. Mai 2001 ein Vier-Punkte-Programm vor und wollte sofort die Öffnung des Arbeitsmarktes für Zuwanderer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Wenn wir das damals gemacht hätten, dann hätten wir heute ein Vielfaches der Arbeitslosigkeit, die wir tatsächlich haben. Und das wäre unverantwortlich gewesen, das muss man auch einmal sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Drittes Beispiel von falschen Einschätzungen und Aussagen: Da muss ich den Kollegen Edlinger heranziehen, der vor ziemlich genau einem Jahr hier gestanden ist und die Wirtschaftspolitik der Regierung in der Frage des Börseganges der Telekom gegeißelt hat. Ich habe da die Zitate, Herr Kollege Edlinger. Wissen Sie, was Sie damals behauptet haben, als die Telekom nur wenige Wochen, ja wenige Tage überhaupt an der Börse war? – Da haben Sie uns gegeißelt und gewettert, was diese Regierung Fürchterliches gemacht hat, dass sozusagen das Staatsvermögen ausverkauft und auf der Börse verschleudert wurde. Wortwörtlich haben Sie gesagt: "Der Börsegang der Telekom Austria ist ein Rohrkrepierer".

Ich hoffe, Herr Kollege Edlinger, dass Sie nicht Vermögens- und Börsenberater werden, denn wenn Sie das damals den Kleinanlegern so geraten hätten, würden diese heute schön schauen! Wir wissen heute nämlich, dass die Telekom-Aktie die erfolgreichste Aktie des Jahres gewesen ist, und das ist auch gut so. Das begrüßen wir, und das ist auch ein Erfolg der österreichischen Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Man sieht, dass die Sozialdemokraten mit Wirtschaft und Finanzen nicht viel am Hut haben, dass sie uns das eingebrockt haben, was wir jetzt auslöffeln müssen. Daher ist dieses Konjunkturpaket so wichtig und so richtig. Viele, viele Maßnahmen im Bereich der Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen beinhalten die Unterstützung von Jungunternehmern, Investitionen im Baubereich, die Ausdehnung der Förderung auch für betriebsexterne Weiterbildung und, und, und. Es gibt in diesem Bereich einige weitere sehr gute Maßnahmen, aber es gibt vor allem auch für die österreichischen Arbeitnehmer sehr gute Maßnahmen in einer sicherlich schwierigen Phase, etwa die Arbeitsstiftung Bau, die Sie ja nicht ablehnen werden, nehme ich einmal an, auch von der Gewerkschaft. Es ist das eine sehr, sehr gute Einrichtung, in deren Rahmen Tausende Arbeitnehmer in dieser schwierigen Phase eine Überbrückung finden können und letztlich auch gestützt werden.

Oder: ein weiterer Schritt in die Richtung, den Arbeitnehmerbegriff endlich zu vereinheitlichen; der erste Schritt ist ja mit der Vereinheitlichung der Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall bereits erfolgt. Jetzt gehen wir den nächsten Schritt, und da hoffe ich wirklich auf die Mitarbeit und Unterstützung auch der Sozialpartner, die wir ersuchen wollen, auch mitzumachen, um etwa die Maßnahmen bei der Kündigung zu verbessern. Die Frau Vizekanzlerin hat es schon gesagt: Es geht nicht an, dass Arbeitnehmer im Baugewerbe eine Kündigungsfrist von nur einer Woche haben, und das auch nur bei zehnjähriger Betriebsangehörigkeit, oder es im Bäckergewerbe eine Kündigungsfrist von einem Tag gibt. Da muss es Verbesserungen geben, und da wollen wir auch einen weiteren Schritt zu einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff setzen, damit Angestellte und Arbeiter in Österreich nicht unterschiedlich, sondern fair behandelt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die AMS-Reform, private Arbeitsvermittler – all das sind Maßnahmen, die zu begrüßen und zu unterstützen sind. Wir werden auch heuer wieder die Mittel für eine offensive Arbeitsmarktpolitik erhöhen. Wir haben sie letztes Jahr trotz sinkender Arbeitslosigkeit und trotz steigender Beschäftigung mit über 10 Milliarden Schilling gleich belassen, und sie werden heuer auf über 11 Milliarden Schilling ansteigen. Und wir werden dafür sorgen, dass die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher verbessert und ausgebaut wird, etwa durch das Kinderbetreuungsgeld, das eine wesentliche Maßnahme ist und 6 Milliarden Schilling mehr Kaufkraft bedeutet. Aber auch die vielen Lohnabschlüsse, die es jetzt gegeben hat, bringen letztlich einen Kaufkraftgewinn von 30 Milliarden Schilling.

Meine Damen und Herren! Das Schiff dieser Regierung ist voll auf Kurs, auch wenn die See der Konjunktur sehr stürmisch ist. Ich würde Ihnen empfehlen: Statt den Schiffbruch in Form von Neuwahlen herbeizureden und zu ersehnen, anstatt an Bug und Heck immer mehr Löcher zu bohren, damit dieses Schiff untergeht, sollten Sie doch das Wohl des ganzen Landes berücksichtigen und mit uns das Ruder fest in die Hand nehmen. Darum bitte ich Sie.

Diese Regierung hat das Ruder auch in stürmischen Konjunkturzeiten fest im Griff und segelt das Staatsschiff Österreich in einen sicheren Hafen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol steht ebenfalls mit in Verhandlung und ist auch ausreichend unterstützt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger. Die jetzt nachfolgenden Redner haben eine Redezeit von jeweils 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.48

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Die Katze ist nun offenbar aus dem Sack, das so genannte Erfolgsmodell der Bundesregierung ist vorgelegt. Der Berg kreißte, und ein Mäuslein ward geboren.

Lange haben Sie gebraucht, bis Sie sich überhaupt dazu durchringen konnten, irgendetwas zu tun! Sie haben lange gebraucht, bis Sie sich überhaupt dazu durchringen konnten, zuzugeben,


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dass wir in einer wirtschaftlich schwierigen Situation sind. Sie haben lange gebraucht, bis Sie realisiert haben, dass Sie, ob Ihnen das gefällt oder nicht, für die Wirtschaft, für die Gesellschaft und für die soziale Situation in unserem Lande die Verantwortung tragen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien.

Ein Jahr ist es her – es war am 21. Dezember des Jahres 2000 –, dass die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS vor einem Rückgang des Wirtschaftswachstums und vor einer drohenden Rezession in den USA gewarnt haben, die auf Europa überschwappt. Ein Jahr ist das her, meine Damen und Herren, und ein Jahr lang haben Sie nichts getan!

Ein halbes Jahr ist es her – das ist nicht erst seit dem 11. September, sondern seit Mai der Fall! –, dass die Arbeitslosenzahlen in Österreich erstmals wieder gestiegen sind. – Nichts haben Sie dagegen getan, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst jetzt legen Sie ein angebliches Konjunkturprogramm vor – halbherzig, eigentlich inhaltsleer und in weiten Bereichen ohne Wirkung.

Es wurde ja von Fachleuten und Wirtschaftsjournalisten auch als das definiert, was es ist. Wie schreibt beispielsweise "FORMAT" unter dem Titel "Teufels Segen und Gottes Beitrag"? – Das groß angekündigte Konjunkturprogramm der Regierung erweist sich als Mogelpackung. Es ist nicht viel mehr als eine Zusammenfassung noch offener Punkte des Regierungspaktes. Geld wird zur Stimulierung der Wirtschaft kaum in die Hand genommen. – Zitatende.

In der Tat, meine sehr verehrten Damen und Herren: Armselig ist das, was die Bundesregierung vorgelegt hat (Beifall bei der SPÖ), halbherzig, ohne inneres Engagement – offensichtlich deshalb, weil es Ihnen trotz der gegenteiligen Beteuerungen und einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit nicht gelungen ist, die massiven Wirtschaftsprobleme in Österreich wegzudiskutieren.

Ich habe es in der letzten Sitzung des Nationalrates wirklich amüsant gefunden, als der Herr Bundeskanzler zwar nach wie vor keine Rezession gesehen hat, sondern – wörtlich – "düstere Aussichten". – Na, das ist ein sehr innovativer Bundeskanzler, der der österreichischen Bevölkerung "düstere Aussichten" prognostiziert! Und auch der Finanzminister assistierte und sagte, dass er eigentlich optimistisch sei und felsenfest davon überzeugt sei, dass sich Österreich in keiner Rezession befinde. (Abg. Großruck: So wie "Nullwachstum"! "Minuswachstum"! – Das kommt vom Kreisky! Das hat der Herr Kreisky geprägt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von Ihnen zitierten Wirtschaftsforscher haben sich am 21. November zu Wort gemeldet, Herr Kramer, der Wifo-Chef, sprach den lange vermiedenen Satz aus: Auch Österreich rutscht in eine Rezession. – Daraufhin waren die Drohungen gegenüber den Wirtschaftsforschungsinstituten Legion, weil sie nicht pariert haben, weil sie ganz einfach nicht das gesagt haben, was der Regierung passt, sondern weil sie das gesagt haben, was es tatsächlich ist, nämlich dass wir uns in einer schwierigen Situation befinden und dass die Bundesregierung Handlungsbedarf hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beurteilung Ihrer Politik, vor allem der Wirtschaftspolitik, durch die Menschen ist ja auch Legion: In einer jüngsten OGM-Umfrage sagen 72 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die Wirtschaftspolitik von Schwarz-Blau sei eine Katastrophe. – Die Beurteilung Ihrer Wirtschaftspolitik durch die Menschen ist kein Wunder: Während Sie versuchen, alles wegzureden, stellen die Menschen jeden Tag fest, dass es rundum schwieriger wird – die Wirtschaft kriselt, die Arbeitslosigkeit steigt dramatisch, das Arbeitsmarktservice muss sparen, weil die Regierung die Mittel kürzt, die Krankenkassen kürzen Leistungen, weil ihnen die Regierung die Mittel kürzt, das Angebot an den Schulen wird schlechter, weil ihnen die Regierung die Mittel kürzt, die Pensionisten werden ein zweites Mal zur Kasse gebeten. – Ihre Budgetkonsolidierung erfolgt auf dem Rücken der Pensionisten und der Arbeitslosen. Das ist ein schändlicher Akt, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das bleibt Ihnen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Der Herr Bundeskanzler und die Frau Vizekanzlerin stellen sich hier her und sagen: Was wollt ihr denn, es ist ja immer noch gut?! Und dann wird darauf verwiesen, wie es angeblich im übrigen Europa ausschaut. – Sie verschweigen aber, dass erst vor kurzem, im letzten Wirtschaftsbericht – nämlich im Bericht zur Budget- und Wirtschaftslage in Europa –, die Europäische Kommission zu Österreich wörtlich feststellte:

Die Budgetpolitik der österreichischen Regierung schränkt die private und öffentliche Nachfrage ein. Die Kaufkraft ist durch Steuermaßnahmen und die hohe Inflation erdrückt worden. Weil die Lohnabschlüsse 2001 moderat waren, kommt es heuer erstmals auf Grund der hohen Steuerquote zu realen Einkommensverlusten. Durch die Budgetpolitik stürzt die Konjunktur, vor allem die Bau-Investitionen, ab. Der Rückgang des Defizits – merken Sie sich den Satz, Herr Finanzminister! – ist den Steuererhöhungen und Steuereinnahmen zu verdanken. Die Rekordhöhe von 45,6 Prozent spricht Bände. – So weit die Europäische Union, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht die Opposition in Österreich!

Die Europäische Kommission, auf die Sie sich dauernd berufen, kritisiert die österreichische Budget-, Wirtschafts- und Steuerpolitik massiv und zu Recht, meine sehr verehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie bekennen sich auch gar nicht zu der Politik, die Sie machen. Immer wieder – und das seit fast zwei Jahren! – reden Sie sich auf Ihre Vorgänger aus, was von Seiten der ÖVP ja geradezu lachhaft ist! Nach mir wird Herr Stummvoll reden, der wieder das Gleiche sagen wird (Abg. Großruck: 100 Millionen weniger Zinsen im Jahr!): Er hat vergessen, so wie alle anderen in der ÖVP, dass sie 13 Jahre lang dieser Regierung angehört haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Vergleichen wir heute und früher! – Noch 1999 war das Wirtschaftswachstum in Österreich höher als im EU-Durchschnitt; jetzt ist es umgekehrt. 1999 war die Inflation in Österreich niedriger als im EU-Durchschnitt; jetzt ist es umgekehrt. Noch 1999 lag die Staatsverschuldung Österreichs unter dem EU-Schnitt; jetzt liegt sie darüber. Und auch die Arbeitslosigkeit steigt dramatisch. – Alle wesentlichen Aspekte der Wirtschaftspolitik in Österreich sind schlechter geworden, und all das ist zu Lasten der Menschen in diesem Lande gegangen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Sagen Sie nicht die Unwahrheit!)

Gerade die Arbeitslosigkeit ist etwas, was mich wirklich beschäftigt. Sie können mit irgendwelchen Zahlen "drüberturnen", aber es ist eine Tatsache, dass wir heute bereits eine Arbeitslosigkeit haben – Tendenz steigend! –, die über jener des Jahres 1999 liegt, und gleichzeitig kassieren Sie in den drei Jahren Ihrer Budgetpolitik 35 Milliarden Schilling an Arbeitslosenmitteln für das Budget ab! Das ist die Politik, die Sie machen! Ihnen sind die Menschen in diesem Land egal, und das kritisiere ich in schärfster Form, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

So, wie Sie die Menschen in Traiskirchen in Wirklichkeit im Stich lassen ... (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind schuld an der Misere!)  – Es ist schon richtig, dass der Verkauf 1986 eingeleitet wurde, aber darf ich daran erinnern, welche Haltung Sie damals etwa bezüglich Donawitz hatten? – Zusperren!, das war die Empfehlung Ihres damaligen Parteiobmannes Haider!

Niemand weiß, wie der Privatisierungswahn Ihrer Regierung weitergeht. Wir haben daraus gelernt. Heute müssen beispielsweise auch die Arbeiter und Angestellten der ATW davor zittern, dass ihnen in naher Zukunft ein ähnliches Schicksal wie den Beschäftigten von Semperit-Traiskirchen bevorsteht – und dafür tragen Sie die Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung schafft keine Arbeitsplätze, sondern Arbeitslose. Diese Regierung sorgt nicht für die Einkommen der Menschen, sondern sie nimmt Arbeit und Einkommen weg. Diese Regierung macht keine Wirtschaftspolitik, sondern sie betreibt den Ausverkauf Österreichs.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe namens meiner Freunde Gusenbauer und Verzetnitsch einen Entschließungsantrag betreffend Wachstumsprogramm für Österreich,


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Sicherung von Zukunft, Wohlstand und Beschäftigung im Interesse der Menschen in unserem Lande und der Unternehmungen ein.

Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wären klug beraten, sich unseren Entschließungsantrag nicht nur kritisch anzuschauen, sondern ihm auch zuzustimmen. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Der Antrag wurde nicht eingebracht, wurde nicht erläutert in seinen Kernsätzen, wurde nicht verteilt!)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben die Praxis, dass Anträge, wenn sie sehr umfangreich sind, schriftlich verteilt werden. Kollege Edlinger hat die Formel gesprochen: "Ich bringe einen Entschließungsantrag ein". Er hat ihn als Antrag für ein Wachstumsprogramm für Österreich, das der Sicherung von Zukunft, Wohlstand und Beschäftigung dient, ... (Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wollen wir jetzt einen Streit darüber führen, mit wie vielen Worten man auf einen schriftlich zu verteilenden Entschließungsantrag eingeht? (Abg. Ing. Westenthaler: Aber die Gleichberechtigung wollen wir haben!)

Ich bin ein Freund salomonischer Lösungen. Ich werde Kollegen Verzetnitsch bitten, auf diesen Entschließungsantrag näher einzugehen, und wir werden dann über diesen Antrag – so wie über alle anderen Entschließungsanträge – abstimmen. Diese Vorgangsweise schlage ich vor. (Abg. Mag. Schweitzer: Man kann dazu gar nichts sagen, weil er so leer ist!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Riepl: Denken Sie an die Menschen und nicht an die Wirtschaft! – Abg. Dr. Stummvoll  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das sagen Sie Ihren Kollegen, Herr Kollege Riepl!)

11.00

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Gestatten Sie mir zu Beginn, nur ein paar Sätze zu den Ausführungen meines Vorredners zu sagen.

Ich glaube, wir alle haben erlebt, dass Kollege Edlinger ein wortgewaltiger Parlamentarier – mit einer durchaus beachtlichen Rhetorik ist. Er hat allerdings ein großes Handicap: Der Inhalt seiner Reden ist unglaubwürdig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Er stellt sich hier her, hält schöne Reden und sagt, was in der Regierung alles schlecht war, hat aber vor einigen Jahren die eigene Chance nicht wahrgenommen, der Finanzminister der früheren Regierung.

Herr Kollege Edlinger, deshalb haben Sie das Handicap, dass alles, was Sie mit noch so geschliffener Rhetorik sagen, eigentlich unglaubwürdig ist. Es geht nicht um schöne Reden, sondern es geht um konkrete Taten, es geht um Maßnahmen für die Menschen in diesem Land! Lassen Sie mich das sehr deutlich sagen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eine zweite Bemerkung, Herr Kollege Edlinger: Bei Ihren Reden fällt mir jetzt schon einige Male auf, dass Sie Ihre Reden nach dem Grundsatz der selektiven Wahrnehmung aufbauen. Sie suchen sich jene Zeitschriftenausschnitte heraus, die Ihnen passen. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Ich könnte jetzt genauso vorgehen und jene heraussuchen, die mir passen. Aber ich glaube, eine parlamentarische Rede muss mehr sein, als Zeitungsausschnitte zu verlesen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn wir heute über den Wirtschaftsstandort Österreich und die Offensivmaßnahmen dieser Bundesregierung reden, dann möchte ich eines voranstellen – diesbezüglich sollten wir uns einig sein in diesem Haus, und diesbezüglich sind sich auch alle international erfahrenen Manager einig –: Das größte Kapital für den Wirtschaftsstandort Österreich sind die Menschen in


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diesem Land, das sind die fleißigen, tüchtigen Unternehmer, die motivierten Mitarbeiter, die fleißigen Landwirte und die Gewerbetreibenden. Sie sind das wichtigste Kapital des Wirtschaftsstandortes Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir können auf das Humankapital in diesem Land stolz sein! Das fängt schon bei der Jugend an. Wir können stolz darauf sein, dass in den letzten Jahren Österreich bei jeder Berufsolympiade zu den drei besten Ländern gehört hat. Wir sind stolz auf unsere Jugend! Wir standen bei jeder Berufsolympiade auf dem Stockerl. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben auch die geringste Jugendarbeitslosigkeit, meine Damen und Herren! Das ist in der Tat unser größtes Kapital. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich auch sehr deutlich sagen: Dass diese Bundesregierung so erfolgreich tätig ist, dafür gibt es einen sehr einfachen Grund: Sie hat jene falschen sozialistischen Konzepte, die zu echten Pleiten geführt haben, in die Schublade gelegt und betreibt eine moderne Wirtschaftspolitik.

Diese Bundesregierung hat vor allem drei Grundpfeiler der früheren Wirtschaftspolitik ad acta gelegt. Der eine Grundpfeiler war: Der Staat schafft Arbeitsplätze. Welch ein Irrtum, meine Damen und Herren! Wir haben das leidvoll erfahren. Der Staat als industrieller Arbeitgeber: Die verstaatliche Industrie war die größte Industriepleite der Geschichte unseres Landes! Dann gab es den Versuch: die Gewerkschaft als Unternehmer. Mit dem "Konsum" hatten wir die größte Handelspleite in der Geschichte der Republik.

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung sieht im Gegensatz zur sozialistischen Wirtschaftsphilosophie im Unternehmer keine Kreuzung zwischen Prügelknabe und Melkkuh, sondern diese Bundesregierung sieht im Unternehmer den Motor der Entwicklung, der es versteht, mit motivierten Mitarbeitern Österreich an die Spitze Europas zu führen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Unser Klubobmann hat in seiner heutigen Rede schon einige internationale Rankings vorgetragen, wo wir in Europa stehen: Platz eins, Platz eins, Platz drei. Herr Kollege Gusenbauer! Sie haben in Ihrer Rede gemeint ... Er hört gar nicht zu, es interessiert ihn nicht; das nehme ich zur Kenntnis, aber ich sage es den anderen Mitgliedern des Hohen Hauses. (Abg. Großruck: Er ist geistig nicht anwesend! – Abg. Mag. Schweitzer: Er ist nicht lernfähig!)

Kollege Gusenbauer hat in seiner Rede behauptet, dass Österreich hinsichtlich der Arbeitslosenrate in das Mittelfeld abgerutscht ist. – Wahr ist vielmehr, dass Österreich nach wie vor unter den drei bis vier besten Ländern der EU ist, meine Damen und Herren! Im Moment nehmen wir Platz vier ein, aber die Prognose der EU besagt, dass wir nächstes Jahr schon wieder auf Platz drei sein werden. (Abg. Dietachmayr: Fünfter!)

Herr Kollege Gusenbauer! Bitte kommen Sie heraus und korrigieren Sie das, was Sie hier falsch gesagt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Abschied von der Philosophie, der Staat sichere Arbeitsplätze. – Nur Unternehmer können Arbeitsplätze sichern. Das ist die Erkenntnis aus verfehlter sozialistischer Politik. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Zweiter Grundpfeiler: Schulden sichern Arbeitsplätze. Abschied von dieser Philosophie, die jahrelang gepredigt wurde. Heute wissen wir, Schulden sind der größte Feind der Arbeitsplätze, sind der Feind der Einkommenschancen, sind der Feind der sozialen Sicherheit.

Dritter Grundpfeiler Ihrer viele Jahre hindurch verfehlten Politik: Sozialprobleme löst man einfach mit mehr Geld. Das war jahrelang Ihre Philosophie. Wir haben heute am Beispiel Semperit gesehen, dass es nicht sozial ist, den Semperit-Arbeitern zu sagen, ihr werdet recht lang und recht viel Arbeitslosengeld bekommen, sondern dass es fair und sozial ist, ihnen zu sagen, wir


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werden alles tun, damit ihr mittels Umschulungen, mittels Qualifizierungen wieder schnell Chancen auf dem Arbeitsmarkt habt.

Unser Wirtschaftsminister ist gemeinsam mit dem Land Niederösterreich dabei, in Form einer modernen Arbeitsstiftung die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die Semperit-Arbeiter, denen niemand garantieren kann, dass sie wieder einen Job in einem Reifenwerk bekommen, die Qualifikation vermittelt bekommen, um in einem niederösterreichischen Autocluster dauerhafte Arbeitsplätze zu erhalten. Dauerhafte Arbeitsplätze sind für uns besser als dauerhaftes Arbeitslosengeld, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Noch ein Unterschied, der bei diesem Konjunkturprogramm auffällt: Konjunkturprogramme unter sozialistischen Bundeskanzlern, unter sozialistischen Finanzministern waren in der Regel Milliarden-Programme für Großvorhaben auf dem Bausektor. Da wurden Maschinen beschäftigt, aber keine Menschen.

Ich bin mit Professor Felderer einer Meinung, dass es hier um ein modernes, intelligentes Konjunkturprogramm geht, weil es nicht nur auf rasche Effekte aus ist, sondern auch Strukturpolitik und Standortpolitik bedeutet. Wirtschaftspolitik ist heute in hohem Ausmaß Standortpolitik.

Es ist das Verdienst dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren, dass auf gesunden und soliden Staatsfinanzen – Solidität und Seriosität sind zwei Stichworte für diese Bundesregierung – eine dreifache Strategie aufgebaut wird.

Erster Punkt dieser dreifachen Strategie lautet: Modernisierung des Staates, Verwaltungsreform – wir haben es gehört –, und zwar nicht nur weniger Bürokratie, weniger Papierkrieg, weniger Behördenwege, sondern durch die Modernisierung des Staates wird auch das Budget um über 20 Milliarden Schilling entlastet.

Zweiter Punkt: Investitionen in die Zukunft. Dieses Konjunkturprogramm geht nicht nur von kurzfristigen Effekten aus, sondern investiert ganz bewusst in unser größtes Kapital, in das Humankapital. Steuerliche Anreize und Prämien für Bildung, für Forschung, für Entwicklung, für Technologie, für Exportförderung – das ist ein sehr intelligentes Konjunkturprogramm im Gegensatz zu jenen Maßnahmen, meine Damen und Herren, bei denen Maschinen beschäftigt, aber keine Arbeitsplätze für Menschen gesichert werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der dritte Punkt, neben der Modernisierung des Staates und neben den Investitionen in die Zukunft, ist zweifellos folgender Punkt: Entlastung des Bürgers. Ich höre hier so oft das Argument Steuer- und Abgabenquote. Das ist richtig, die Steuer- und Abgabenquote ist international eine Kennzahl, die durchaus verwendet wird. Aber diese Bundesregierung hat mit ihren Maßnahmen in anderen Bereichen sehr wohl zur Entlastung der Bürger beigetragen, meine Damen und Herren! (Abg. Edlinger: Zur Entlassung!)

Die Liberalisierung der Bereiche Strom, Gas und Telekom hat eine Entlastung zwischen 10 und 12 Milliarden Schilling gebracht. Die Einführung des Kindergeldes wird die Familien um ungefähr 9 Milliarden entlasten. – Meine Damen und Herren! All das sind Entlastungsmaßnahmen, die in der Steuer- und Abgabenquote nicht zum Tragen kommen, die man aber deshalb nicht totschweigen soll. Das sind konkrete Maßnahmen zur Entlastung des Bürgers.

Zum Abschluss, meine Damen und Herren: Ich glaube, dass mit dieser Politik, auf Basis eines gesunden Budgets, auf Basis dieser Dreifachstrategie: Modernisierung des Staates, Entlastung des Bürgers, Investitionen in die Zukunft, dieses Land bei dieser Regierung in guten Händen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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11.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

11.09

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in einer Debatte über Konjunktur und Beschäftigung und über eine Erklärung des Bundeskanzlers und der Frau Vizekanzlerin. Man sollte also eigentlich zu diesem Thema diskutieren.

Das, was ich bis jetzt gehört habe, war Polemik von Seiten der Regierungsparteien. – Und gestatten Sie mir, Herr Klubobmann Khol und Herr Klubobmann Westenthaler, Folgendes zu sagen: Das, was Sie in Bezug auf den ORF gemacht haben, ist unglaublich. Das ist wirklich unglaublich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wären Ihre Verschwörungstheorien nicht so lächerlich, könnte man darüber hinweggehen. Aber wenn Herr Klubobmann Westenthaler und auch Sie ankündigen, in wenigen Wochen werde sich das geändert haben, dann werde es keine Pannen mehr geben (Zwischenruf des Abg. Kiss ), dann erinnert mich dieser Spruch an jenen des früheren Parteiobmannes Haider, wonach die Redaktionsstuben noch ausgeräuchert würden. – Das ist Ihre Sprache, die wir entschieden ablehnen. Lassen Sie sich das gesagt sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Weder der ORF noch eine Redaktionsstube ist Ihr Wohnzimmer, in dem Sie sich Platz verschaffen können, so wie Sie es wollen, auch wenn Sie dieses Ansinnen haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer weiß, ob Sie gehört werden! Vielleicht sind Sie nicht auf Sendung! Flimmerndes Bild!)

Meine Damen und Herren! Kommen wir zu dieser Debatte zurück! (Abg. Mag. Trattner: Flimmerndes Bild! – Abg. Ing. Westenthaler: Mattscheibe!) Zur Konjunktur: Ich bin seit sieben Jahren im Parlament, und ich habe in diesen sieben Jahren, also seit 1994, einige Debatten zur Konjunktur und Beschäftigung erlebt. Sie können mir glauben, mir ist es dabei nie besonders gut gegangen (Abg. Ing. Westenthaler: Das merkt man!), wenn ich das gehört und mir vorgestellt habe, wie das jemand wahrnimmt, der von oben, von der Besuchergalerie, oder von außen diese Debatte hört. Es war auch unter der alten Koalitionsregierung so, dass viele Ankündigungen gemacht wurden, dass gesagt wurde: Wir sind die Besten!, und das war es dann schon.

Einige Maßnahmen sind vorgestellt worden – ob sie gewirkt haben oder nicht, darüber haben sich die Geister geschieden. Und manchmal, Herr Kollege Schweitzer, haben wir und auch Sie gewusst, dass Maßnahmen, die von der Bundesregierung vorgeschlagen wurden, in der Form, wie sie vorgeschlagen wurden, danebengegangen sind.

Ich erinnere nur an die Lehrlingsoffensive. Aber das, was ich dieser alten Bundesregierung zugute halten möchte – abgesehen davon, was bei "Euroteam" passiert ist, das halte ich ihr nicht zugute; da waren wir Grüne maßgeblich daran beteiligt oder interessiert, dass das aufgeklärt wird –, ist: Sie hat immerhin den Anschein erweckt, als ob sie etwas tun würde (Abg. Mag. Schweitzer: "Anschein erwecken"!), und diesen Anschein will sich diese Bundesregierung gar nicht mehr geben. Das ist der zynische Abgesang auf jeden Versuch, mittels Politik Wirtschaft, Arbeitsplätze, Bildung und Qualifikation in diesem Land positiv zu beeinflussen. Das ist der Abgesang, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Bundeskanzler Schüssel sagt: Wir haben uns erstaunlich gut gehalten!, klopft sich auf die Schulter und meint, die PISA-Studie, also dieses internationale Ranking bezüglich Bildungssystem, habe doch gezeigt, dass wir zu den Besten gehören. Klubobmann Khol sagt, die PISA-Studie habe bewiesen, dass der österreichische Weg, nämlich nicht in Richtung Gesamtschule zu gehen, erfolgreich war.


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(Abg. Dr. Khol: Ja!) Wissen Sie, Herr Klubobmann Khol, dass die Realität anders ist? – 31 Länder sind getestet worden. (Abg. Dr. Khol: Ja!) Davon sind sieben Entwicklungsländer. Dass wir vor diesen Ländern liegen, das ist keine große Kunst. (Abg. Dr. Khol: Vor Deutschland!) Wir sind nicht Erster, nicht Zweiter, nicht Dritter, sondern Zehnter beziehungsweise Zwölfter. Im Mittelfeld befinden wir uns, im Mittelfeld! (Abg. Dr. Khol: Aber im ersten Drittel!)  – Nein, rechnen Sie die Entwicklungsländer weg. Sie werden doch wohl nicht Schwellenländer und Entwicklungsländer wie Brasilien oder Polen zu uns dazuzählen wollen! (Abg. Dr. Khol: Was haben Sie für Vorurteile gegen Polen?) Mit 24 Ländern von diesen 31 können wir uns in Bezug auf die Ausgaben, auf die Entwicklung unseres Bruttonationalproduktes vergleichen; da macht es Sinn, das miteinander zu vergleichen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Von diesen 31 Ländern liegen 24 in unserer "Preisklasse", und da sind wir Zwölfter. Das nennen Sie einen Erfolg? Welche Länder sind vorne? – Genau jene Länder, Herr Dr. Khol, die in Richtung Integration viel gemacht haben, mehr gemacht haben als Österreich und die Bundesrepublik Deutschland, und jene Länder, die gesamtschulartige Schulsysteme haben, sind vorne. Diese liegen vorne, Herr Dr. Khol! Sie müssen sich die Statistiken schon anschauen und dürfen nicht nur so tun, als ob Sie irgendetwas davon wüssten. (Beifall bei den Grünen.)

Weiters: die Arbeitslosenzahlen. Diesbezüglich wird gesagt, wir stünden nicht schlecht da. – Interessant und wichtig ist, festzuhalten, dass wir nicht Spitze sind. Wir waren hinsichtlich der niedrigen Arbeitslosenrate über Jahrzehnte hinweg europäische Spitze, Nummer eins, wenn Sie es schon nach den Termini eines Skirennens benennen wollen. Nummer eins waren wir! Jetzt sind wir Nummer vier. Und das Erstaunliche, Herr Wirtschaftsminister, ist, dass es drei Länder innerhalb der Europäischen Union gibt, nämlich Österreich, die Bundesrepublik Deutschland und Portugal, bei denen im Unterschied zu den anderen zwölf Ländern die Arbeitslosigkeit steigt. Österreich ist dabei! In Österreich steigt die Arbeitslosigkeit, und Sie sagen, vier Jahre lang Arbeitslosengeld für die Semperit-Arbeiter und eine Arbeitsstiftung würden schon reichen.

Meine Damen und Herren! Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass das Arbeitslosengeld vier Jahre lang ausbezahlt wird, aber es ist gleichzeitig ein Eingeständnis, dass das wenige Arbeitslosengeld, das die anderen erhalten, viel zu wenig ist, um gegenzusteuern. Warum machen Sie keine Arbeitsstiftungen, Umschulungsmaßnahmen für alle anderen Arbeitslosen? Wo sind denn da Ihre Konzepte? Wo haben Sie die Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans zur Beschäftigung in den letzten Jahren umgesetzt? (Abg. Dr. Fekter: AMS-Milliarden!) Österreich hat versprochen, mittels Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen 20 Prozent der Arbeitslosen zu aktivieren. Wir halten bei knapp 20 Prozent. Bei steigender Arbeitslosigkeit im Jahr 2002 und gleich bleibenden Mitteln ist es nicht einmal mehr möglich, diese 20 Prozent zu aktivieren. Das wissen Sie, Herr Wirtschaftsminister, und wenn Sie es nicht wissen, dann haben Sie es jetzt gehört. Das schaffen Sie nicht mit gleich bleibenden Mitteln, sondern das schaffen Sie nur mit ansteigenden Mitteln.

Deshalb, meine Damen und Herren, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend den Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik unter Mobilisierung der Rücklagen des AMS

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere jedoch die Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit sowie für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzesvorschlag zur Mobilisierung der Arbeitsmarktreserve des AMS vorzulegen.

Die zusätzlichen Mittel aus der Arbeitsmarktreserve dienen der Verstärkung der Bemühungen im Bereich aktive Arbeitsmarktpolitik und in diesem Rahmen ausschließlich der Aus- und Weiterbildung von arbeitslosen Menschen.

Die Mobilisierung dieser Mittel erfolgt zusätzlich zu den bereits vorgesehenen Budgetmitteln und führt zu keiner Reduktion des AMS-Budgets für 2002 oder den Folgejahren.

*****

Herr Bundeskanzler! Ich möchte Ihnen noch Folgendes sagen: Im Frühjahr 2000 haben Sie hier vor diesem Haus gesagt – ich zitiere aus Ihrer Rede –:


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"Vor einigen Tagen hat die Weltfirma Coca Cola Wien zum drittgrößten Headquarter ausgesucht. Clyde Tuggle, den ich sehr gut kenne, weil ich mit ihm einige Verhandlungen zu diesem Thema geführt habe, hat gesagt: Wien wird das Hauptquartier für über 30 Länder. – Das ist nicht schlecht, würde ich einmal sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)"

Die Realität ist: Coca Cola hat in Österreich zwischen 100 und 200 Personen gekündigt.

Sie haben damals gesagt: Die Firma Siemens wird ihre Investitionen steigern. – Die Realität ist: Das Infineon-Werk, eine Tochter von Siemens, baut Arbeitskräfte ab.

Sie haben damals gesagt: Philips investiert in das Bildröhrenwerk. – Die Realität ist: Philips kündigt in Österreich 1 200 Beschäftigte. Im Bildröhrenwerk in Lebring werden 70 Teilzeitkräfte gekündigt.

Sie haben damals gesagt: MAN verlagert die gesamte Leicht-LKW-Produktion nach Steyr. – Die Realität ist: mindestens 280 Entlassungen bei SNF, MAN in Steyr und außerdem eine Reduktion der Zahl der Leiharbeitskräfte.

Sie haben gesagt: Im Bereich der Automobilindustrie, bei Opel, bei MAGNA, überall wird investiert. – Die Realität ist, fast überall ist es zu Kürzungen gekommen.

Wenn Sie sich schon, Herr Bundeskanzler, mit Investitionen von Firmen brüsten, für die Sie nichts können, weil Sie keinen Beitrag dazu geleistet haben, wenn Sie sich schon Ihren Ausweis hier abholen wollen, dann müssen Sie auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass es dort zu massenhaften Kündigungen gekommen ist, und dann können Sie sich nicht zynisch abputzen, wenn es tatsächlich zu Verschlechterungen kommt: Wir können nichts dafür, wir waschen unsere Hände in Unschuld. Wir haben in Bezug auf Wirtschaft und Beschäftigung nichts zu sagen. – Das war Ihre Ansage, Herr Bundeskanzler, und das ist uns zu wenig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

11.20

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wir haben heute den 12. Dezember (Abg. Mag. Kogler: 11.18 Uhr, Herr Kollege!)  – das heißt, in zwölf Tagen kommt Rudi Rentier mit dem Weihnachtsmann –, und Rudi Ratlos (in Richtung des Abg. Edlinger) hat einen Entschließungsantrag verlesen, der jeglicher vernünftiger Grundlage entbehrt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Sehr gut! – Abg. Schwemlein: Das war schwach!)

Wir schauen uns Ihre Entschließungsanträge natürlich genau an, aber es steht nichts Neues darin. Sie machen immer wieder den gleichen Fehler: Sie haben im Jahre 1999 eine Lohnsteuerreform in der Größenordnung von 30 Milliarden Schilling beschlossen, ohne diese entsprechend finanzieren zu können, und auch jetzt wieder fordern Sie unter Punkt 1 eine Lohnsteuersenkung im Ausmaß von 30 Milliarden Schilling. Woher nehmen Sie die finanzielle Bedeckung?

Zweitens sind Sie für eine befristete Wiedereinführung des Investitionsfreibetrages. – Ich glaube, Sie haben das Konzept der Bundesregierung nicht durchgelesen, denn dort steht nämlich so etwas Ähnliches: in Form einer vorzeitigen Abschreibung für die Baumaßnahmen in der Größenordnung von 7 Prozent zuzüglich der linearen Verringerung des AfA-Satzes von 3 Prozent, und das sind 10 Prozent.

Sie prangern an, es gebe kein Infrastrukturpaket. – Vergleichen wir doch die Infrastrukturleistungen der sozialdemokratischen Verkehrsminister mit der gegenwärtigen Lage: Im Jahre 1995


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waren für die Straße 6,2 Milliarden Schilling und im Jahre 2002 sind 13,8 Milliarden Schilling vorgesehen; das sind mehr als 100 Prozent Steigerung! Für die Schiene waren es im Jahre 1995 – unter sozialdemokratischen Verkehrsministern – 6,4 Milliarden Schilling, im Jahre 2002 werden es 14,7 Milliarden Schilling sein; das ist eine Steigerung von 1995 bis zum Jahr 2002 in der Größenordnung von rund 100 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Die Bundesregierung nimmt diese Maßnahmen ernst. Das, was Sie früher gemacht haben, war eine liederliche Verkehrspolitik, die zu Lasten der künftigen Generationen gegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weiters schreiben Sie in Ihrem Antrag, man solle etwas zur Sanierung der älteren und historischen Bausubstanzen beitragen. – Sie haben das Maßnahmenpaket der Bundesregierung nicht gelesen. Haben Sie etwa einen alten Antrag verwendet? – Das ist zu befürchten. Aber Sie nehmen Ihre Anträge offensichtlich auch nicht sehr ernst, denn Sie hören nicht einmal zu, wenn man über Ihre Anträge diskutiert.

Dieser Ihr Antrag ist veraltet, weil die Bundesregierung im Bereich der Bauwirtschaft beziehungsweise im Bereich des Denkmalschutzes und zur Sanierung der älteren Bausubstanzen Maßnahmen setzt. Es gibt ein Investitionsprogramm in der Größenordnung von mehr als 1 Milliarde Schilling. – Alles im Konzept der Bundesregierung enthalten! Sie aber beantragen das alles wieder in Ihrem Entschließungsantrag. Lesen Sie die Konzepte, die die Bundesregierung vorlegt, überhaupt nicht? – Vielleicht sollten Sie sich auch einmal anhören, was unabhängige Experten dazu zu sagen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weiters prangern Sie den Verkauf von ÖIAG-Anteilen an das Ausland an und verlangen dessen Stopp. Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Das ist wirklich Ironie! Sie waren die Weltmeister im Schuldenmachen, Sie waren die Weltmeister in der Geldvernichtung, und das nicht nur in der verstaatlichten Industrie. Durch Ihre Politik ist der "Konsum" in Konkurs gegangen, durch Ihre Politik wurden die Anteile, die der "Konsum" an der BAWAG gehalten hat zur Sanierung beziehungsweise zur Finanzierung des Insolvenzverfahrens, nicht im Inland, sondern an das Ausland verkauft. – Das ist Ihre Politik! (Abg. Bures: Was ist mit "Freies Wohnen" passiert?)

Was ist mit der CA? Was ist mit der Bank Austria? – Die Bank Austria, das Flaggschiff der österreichischen Bankenszene, wurde nicht an inländische Interessenten verkauft, sie wurde an ausländische Anteilsnehmer im Sinne der Bayerischen Vereinsbank verkauft. – Das ist die Politik, die Sie betreiben! Aber die Politik, die diese Bundesregierung verfolgt, gerade im Zusammenhang mit der ÖIAG, ist vernünftig und muss auch gemacht werden, damit der Schuldendienst endlich reduziert werden kann, damit man sich budgetäre Maßnahmen überhaupt erst leisten kann.

Mit Ihrer Budgetpolitik haben Sie überhaupt keine Möglichkeit offen gelassen, irgendwelche Reserven zu schaffen, damit man im Falle eines weniger starken Wachstums entsprechend reagieren kann. Die Maßnahmen, die diese Bundesregierung ergreift, bewegen sich in einer Größenordnung von 20 Milliarden Schilling für das Jahr 2002: 11,8 Milliarden Schilling durch Förderungen für Forschung und Technologie, Förderungen der Baumaßnahmen, Förderungen für die Investition in historische Bauwerke, Förderungen für die Althaussanierung; Kinderbetreuungsgeld in der Größenordnung von 8 Milliarden Schilling, das den Familien indirekt zugute kommt und zu einer Kaufkrafterhöhung in der Größenordnung von 8 Milliarden Schilling beitragen wird.

Das Paket, das die Bundesregierung präsentiert hat, wird indirekt einen Investitionsschub in der Größenordnung von 80 Milliarden Schilling auslösen. (Abg. Mag. Kogler: Das ist doch völlig absurd! Diese Zahlen sind der blanke Horror!) Das sind doch keine Kleinigkeiten. Diese Bundesregierung hat ihre Arbeit ernst genommen und kann diese Maßnahmen nur deshalb umsetzen, weil eben die Budgetsanierung entsprechend vorangetrieben worden ist und wir heuer bereits das Nulldefizit erreicht haben.


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Sie haben mit Ihrer Budgetpolitik die Steuern in einer Größenordnung von 108,5 Milliarden Schilling erhöht, und im Endeffekt ist kein Nullsaldo herausgekommen, sondern Sie haben immer wieder mehr und neue Schulden gemacht, weil Sie eben die Budgetpolitik – leider Gottes zum Nachteil der Österreicher – nicht verstanden haben beziehungsweise heute leider noch immer nicht verstehen. Daher ist es gut, dass wir jetzt eine andere Bundesregierung mit einem anderen Finanzminister haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie prangern in Ihrem


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Entschließungsantrag auch an, es gebe in Österreich einen realen Einkommensverlust. – Schauen Sie sich die Zahlen nicht an? Ein Vergleich mit Ihrem so genannten Sparpaket beziehungsweise Konsolidierungspaket aus dem Jahre 1997 in der Größenordnung von über 108,5 Milliarden Schilling zeigt, dass das reale Einkommen um 2,4 Prozent gesunken ist. Im Jahre 2000 stieg das reale Einkommen um 0,8 Prozent. Ist das eine Reduktion? – Das ist praktisch eine Erhöhung des realen Einkommen, wie man sie sich nur wünschen kann. Es wäre besser, wenn es mehr gewesen wäre, aber Ihren Nachlass aufzuarbeiten war so schwierig, dass es eben zu einschneidenden Maßnahmen auch für die österreichische Bevölkerung gekommen ist. Es ist aber auch die Möglichkeit geschaffen worden, entsprechende Impulse zu setzen.

Deutschland ist gar nicht in der Lage, irgendwelche Impulse zu setzen. Das ist der "Erfolg" der rot-grünen Bundesregierung in Deutschland. Deutschland hat ein schlechteres Wirtschaftswachstum als Österreich, eine höhere Arbeitslosenrate, nämlich mit 4 Millionen Arbeitslosen. Die rot-grüne Bundesregierung in Deutschland hat Maßnahmen gesetzt, die investitionsschädlich sind, nämlich: Ökosteuer, Einschränkung des Mietrechts, was eine Reduktion der Investitionsvorhaben gerade im Wohnungsbau im Ausmaß von 10 Prozent zur Folge hatte. Und das wollen wir nicht! Auf Grund dieser Budgetpolitik liegt Deutschland heute europaweit auf dem letzten Platz, was das Defizit betrifft. Das ist der "Erfolg" der rot-grünen Budgetpolitik.

Daher hat es diese österreichische Bundesregierung unternommen, gewisse Möglichkeiten zu schaffen, um im Falle einer Rezession beziehungsweise im Falle eines geringeren Wachstums entsprechende Vorkehrungen treffen zu können. Daher ist es auch möglich gewesen, für die Pensionisten etwas zu tun. Sie mit Ihrer Budgetpolitik haben sich von einem Tag zum nächsten geschwindelt. Sie haben den 13. Umsatzsteuertermin eingeführt, damit das Budgetdefizit im nächsten Jahr nicht explodiert. Sie haben den Pensionisten in den Jahren 1996 und 1997 überhaupt keine Steigerung zukommen lassen, und im Jahr 2000 haben die Pensionen – das haben noch Sie verhandelt – eine Steigerung von 1,1 Prozent erfahren; und das bei einer Inflationsrate von 2,3 Prozent!

Diese Bundesregierung hat die Teuerungsrate für mehr als 50 Prozent, nämlich für die Durchschnittspensionen, in der Höhe der Inflationsrate von 2,9 Prozent abgedeckt. Diese Bundesregierung hat die Anpassung für jene sichergestellt, die das auch wirklich brauchen. Die Inflationsabgeltung für die Durchschnittspensionen wurde von dieser Bundesregierung umgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist eben der Unterschied zu Ihrer bisherigen Politik: Wir budgetieren vorsichtig, wir versprechen nicht mehr, als wir halten können, aber wir sorgen dafür, dass der Wirtschaftsstandort Österreich erhalten bleibt und dass es der Bevölkerung in Österreich gut geht. Ich denke, der Weg, den diese Bundesregierung eingeschlagen hat, gerade auch mit diesem Konzept, ist goldrichtig! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gusenbauer hat bereits in Schwerpunkten auf unseren Entschließungsantrag hingewiesen, auch der Vorredner meiner Fraktion hat das getan, also bringe ich jetzt der guten Ordnung halber diesen Entschließungsantrag, der schon zur Kenntnis genommen worden ist, neuerlich ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Edlinger, Verzetnitsch betreffend Wachstumsprogramm für Österreich – Sicherung von Zukunft, Wohlstand und Beschäftigung

*****

In seinen Schwerpunkten stellt dieser Antrag die Faktenlage, vor allem aber auch Lösungsvorschläge dar.

Herr Abgeordneter Trattner, erlauben Sie mir schon den Hinweis: Es war nicht die Sozialdemokratie, die die Behauptung aufgestellt hat, dass die Pensionisten eigentlich schon zu viel bekommen hätten – es war der Bundeskanzler, der das öffentlich dargestellt hat! Darauf hinzuweisen scheint mir schon wichtig zu sein, denn uns ging es immer wieder darum, gerade bei den Pensionisten die Kaufkraft zu erhalten und nicht durch Maßnahmen, die die Inflation im vergangenen und im heurigen Jahr nicht berücksichtigen, durch Maßnahmen, die im Steuer- und Abgabenbereich erfolgt sind, in Wirklichkeit zu reduzieren. Das ist unsere Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, Fakten schönzufärben oder uns Krankjammern zu unterstellen. Das sind keine Antworten für die Tausenden, die zurzeit um ihren Arbeitsplatz in der Region rund um Traiskirchen fürchten. Das sind keine Antworten für die Bauarbeiter. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist die Gewerkschaft?)  – Herr Abgeordneter Westenthaler! Sie brauchen nur zu schauen: Wir sind vor Ort, Sie aber sitzen hier und reden über Semperit! Wir stehen bei den Kolleginnen und Kollegen draußen. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber das Werk ist zu!) Das ist die Antwort, die wir Ihnen geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zuzuschauen wie eine industrielle Wertschöpfungskette in Wirklichkeit verloren geht, ist meiner Meinung nach die falsche Antwort. Sie haben auch beklagt, dass der eine oder andere unserer Vertreter zu Semperit nicht Stellung genommen hat. Nun: Ich habe auch vom Bundeskanzler oder von der Vizekanzlerin kein Wort zu Semperit gehört! Das ist ebenfalls ein Faktum. Sie haben das beklagt, ich stelle das genauso fest, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Absicherung der Krankenkasse hat bereits stattgefunden. Ich warne aber davor, dass mit dieser Maßnahme die Betriebskrankenkasse aufgelöst wird. Auch das ist ein ganz entscheidender Punkt.

Daher erinnere ich an Folgendes: Die vorige Regierung, Minister Farnleitner, der Bundeskanzler, hat wirklich jede Maßnahme ergriffen, Abgeordnete hier im Haus haben sich sogar damit gerühmt, mit Semperit-Reifen zu fahren. Das war aktives Zugehen auf ein Problem. Was erleben wir heute? – Es ist gut, es ist in Ordnung, dass man versucht, mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu helfen, aber wo ist denn die industriepolitische Konzeption für diese Region? Wo ist denn der Ansatz, dass diese Wertschöpfungskette nicht verloren geht, sondern dass zum Beispiel auch durch eine Umwandlung der ÖIAG von einer Privatisierungsagentur hin zu einer Beteiligungsholding für die dort Beschäftigten, für die Region, für den Industriestandort Österreich eine Lösung gefunden wird, meine sehr geehrten Damen und Herren?

Nicht die Sozialdemokratie, sondern Ihr Parteiobmann hat zu Donawitz gesagt, das sei ein Museum, das gehöre zugesperrt. – Heute sagt die steirische Landeshauptfrau, das sei die beste industriepolitische Entwicklung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war auch nicht die Sozialdemokratie, Herr Abgeordneter Westenthaler, die die Bestimmungen im Zusammenhang mit Saisonniers im heurigen Jahr extrem ausgeweitet und sogar die Grenzen der Berufstätigen erweitert hat, um ausländische Kräfte ins Land zu holen. Daher werfen Sie das nicht uns als verfehlte Politik vor, meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)


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87. Sitzung / Seite 64

Herr Abgeordneter Stummvoll, wo sind denn die Unternehmer zum Beispiel bei Semperit? Wo sind denn die Unternehmer in der Bauwirtschaft, die Arbeitsplätze schaffen? – Es bedarf einer koordinierten Politik zwischen den Regierenden, der Wirtschaft und den Arbeitnehmern, um zu einem Erfolg zu kommen. Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird auch von unserer Seite heute ein Entschließungsantrag betreffend Semperit eingebracht.

Reicht es bei der Bauwirtschaft zum Beispiel, über mehr Arbeitsplatzflexibilisierung zu reden? Reicht es bei der Bauwirtschaft, über Arbeitsstiftungen zu reden? – Es sind die fehlenden Bauaufträge, die durch das Zurückgehen der öffentlichen Aufträge, im Besonderen seit September dieses Jahres, dazu geführt haben, dass in der Bauwirtschaft nichts weitergeht und die Arbeitslosigkeit ansteigt. Wo sind denn Ihre Maßnahmen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist der Semperit-Antrag?)  – Ich habe gesagt, er wird später eingebracht werden. Zuhören, zuhören! (Abg. Ing. Westenthaler: Er wird schnell gebastelt! Er ist noch nicht fertig!)  – Er ist fertig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wo sind denn Ihre Maßnahmen gegen das Schwarzunternehmertum? – Hier sitzt der Koalitionspartner ÖVP, der, obwohl es einen einstimmigen Ministerratsbeschluss gegeben hat, die Umsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes verhindert hat. Hier sitzt die neue Koalition FPÖ/ÖVP, die trotz mehrfacher Ankündigungen, auch von Seiten der Frau Vizekanzlerin vor wenigen Wochen, in Wirklichkeit etwas verhindert, was den kleinen und mittelständischen Unternehmen als Gefahr droht, was den Arbeitsplätzen als Gefahr droht. Nehmen Sie sich doch ein Beispiel auch an der Landesfinanzdirektion Wien, die gemeinsam mit dem AMS schnell Aktivitäten gesetzt hat! Setzen Sie endlich das um, was die Schwarzarbeit tatsächlich bekämpft, was das Schwarzunternehmertum tatsächlich bekämpft! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist jetzt neuerlich, zum Beispiel auch beim letzten Konjunkturgipfel wieder, deutlich gemacht worden, dass man sich doch endlich eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit und eine Umwandlung der Kollektivvertragszugehörigkeit zu den Betriebsvereinbarungen wünscht. – Herr Bundesminister! Die Urabstimmung – und Sie wissen das! – hat eine klare Antwort gebracht: Die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher wünscht den Kollektivvertrag als Rechtsnorm, und nicht die Betriebsvereinbarung als schlechteres Beispiel. Nutzen wir doch die vorhandenen Arbeitszeitmöglichkeiten und reden wir nicht dauernd über Flexibilisierungen, die in Wirklichkeit nur einen Sinn haben: die tägliche Arbeitszeit auszudehnen, damit die Belastung zu erhöhen und nicht zu einer Verbesserung der Beschäftigungslage beizutragen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was Österreich braucht, ist auch in einer Studie der Europäischen Union, die im Herbst veröffentlicht worden ist, so deutlich geworden. Österreich liegt in keinem technologischen Wachstumsbereich über dem EU-Durchschnitt. Faktum ist, dass das auf das fehlende Forschungsengagement, aber auch auf die fehlenden Eigentümerstrukturen und Konzernstrukturen in Österreich zurückzuführen ist. Wir brauchen mehr Kernaktionärsfunktion in Österreich, wir brauchen mehr Forschungsaktivitäten in Österreich!

Wenn wir schon über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nachdenken, frage ich Sie: Wie fühlen sich wohl die Betroffenen bei Semperit, die Betroffenen in der Bauwirtschaft, wenn sie hören: Beim Bund kann man mit 55 Jahren mit dem vollen Pensionsanspruch in Pension gehen, aber ihr müsst länger arbeiten – obwohl sie keine Chancen haben –?! Wir erwarten von der Bundesregierung eine Gleichwertigkeit, eine Gleichwertigkeit für diese Beschäftigten und nicht das Hinaufsetzen auf eine andere Altersstufe. (Beifall bei der SPÖ.)

Als wir Sozialdemokraten im heurigen Sommer auf die fehlenden Fachhochschulplätze hingewiesen haben, hat man so getan, als wäre dieses Problem überhaupt nicht vorhanden. Ich bin froh darüber – auch diese Bundesregierung lernt –, dass jetzt in dem Konzept steht – leider erst für das nächste Jahr, leider ein Jahr zu spät –, dass die Zahl der Fachhochschulplätze verdoppelt wird. Warum haben Sie sich dagegen gewehrt, das heuer zu tun? – Das werden Ihnen jene "danken", die heute vor der Tür stehen.


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87. Sitzung / Seite 65

Was wir brauchen, sind Investitionen in die Infrastruktur. Was wir brauchen, sind Investitionen in die Revitalisierung, in die Wärmedämmung. Was wir brauchen, ist die Umwandlung der ÖIAG in eine Beteiligungsholding. Was wir brauchen, sind industrielle Wertschöpfungsketten im Lande und nicht der Ausverkauf der österreichischen Industrie, meine sehr geehrten Damen und Herren! Handeln wir für die Betroffenen und nicht für die Statistik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.39

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Der Vorredner hat gesagt, dass die Österreichische Volkspartei einen einstimmigen Ministerratsbeschluss zur Bekämpfung der Schwarzarbeit abgelehnt und im Parlament nicht durchgeführt habe.

Der richtige Sachverhalt ist jener, dass wir es abgelehnt haben, unter Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, ohne richterlichen Befehl Beamten in Zivil durch Hausdurchsuchungen und durch Verhaftungen das Recht zu geben, den kleinen Häuslbauer zu stören. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

11.40

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Präsident Verzetnitsch, Sie haben jetzt, wie Sie gesagt haben, der guten Ordnung halber einen Entschließungsantrag der SP-Fraktion eingebracht. Ein erstes Durchrechnen dieses Entschließungsantrages hat mir gezeigt, dass dadurch eine budgetäre Mehrbelastung von 55 bis 60 Milliarden Schilling entstehen würde. Das ist Konjunkturpolitik, wie Sie sie verstehen, und das ist eben nicht die Konjunkturpolitik, wie wir sie machen. Das sind Rezepte von gestern, das bedeutet neue Schulden und dient niemandem, Herr Präsident Verzetnitsch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Selbstverständlich sind Ereignisse wie zuletzt bei Semperit außerordentlich bedauerlich. Es ist schon darauf eingegangen worden. Ich bin gerne dazu bereit, dem Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen zu folgen und hier aktiv zu handeln. Wir stehen nicht nur, wie Sie, Herr Präsident Verzetnitsch, bei den Mitarbeitern von Semperit, sondern wir tun auch etwas für sie!

Eine Stiftung für bis zu 1 000 Semperit-Mitarbeiter als erster Schritt, die Möglichkeit, gesichert Arbeitslosengeld beziehen zu können, gesichert auf neue Qualifikationen umgeschult zu werden, das ist das eine. Das Zweite ist, den Standort Traiskirchen für die Zukunft zu attraktivieren, vor allem mittelständische Unternehmungen dorthin zu bringen. Ich werde in den nächsten Tagen vor Ort ein Programm präsentieren und werde das gemeinsam mit Vertretern des Landes Niederösterreich tun, weil die Sorgen der Semperit-Mitarbeiter sind unsere, und wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, handeln! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenngleich ich das Konzept eines österreichischen Kernaktionärs dort, wo es industriepolitisch machbar und sinnvoll ist, sehr begrüße und vertrete, halte ich Ihren weiter gehenden Vorschlag, Herr Präsident Verzetnitsch, nicht für sinnvoll, nämlich Semperit in die ÖIAG als Beteiligungsholding einzubringen, gewissermaßen aus der ÖIAG eine Pleitenholding zu machen. Das wäre ganz sicher der falsche Ansatz. Die ÖIAG ist eine Holding sehr, sehr attraktiver, sehr, sehr wettbewerbsfähiger Firmen geworden, eine Holding, in der die OMV, die VA Tech, Böhler Uddeholm, der exzellente Stahlerzeuger VOEST Alpine versammelt sind, und das soll so bleiben. Darauf sind wir stolz, das ist industriepolitisch richtig. Eine Umwandlung der ÖIAG in eine Pleitenholding wäre der falsche Weg, auch angesichts von Semperit.


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87. Sitzung / Seite 66

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident Verzetnitsch hat auch den Vorwurf erhoben, die Bundesregierung, namentlich ich als Arbeitsminister, würde Saisoniers sonder Zahl genehmigen. Ich genehmige genau die Zahl von Saisoniers für unseren Tourismus – dieser boomt, die Wintersaison läuft ganz ausgezeichnet –, die im Einvernehmen mit den Gewerkschaftsvertretern und den Arbeitnehmervertretern auf Landesebene ausgerechnet wird. Es ist bedauerlich, dass auf Bundesebene ein derartiger Konsens nicht herbeigeführt werden konnte. Auf Landesebene funktioniert das offensichtlich besser.

Wenn Herr Präsident Verzetnitsch moniert, dass diese Regierung zu wenig für Infrastruktur täte, dann muss ich ihm sagen: Das Gegenteil ist der Fall! Sie haben es vom Bundeskanzler schon gehört, ich darf die kumulierte Zahl noch einmal nennen: Diese Bundesregierung gibt in den Jahren 2000 bis 2004 nicht weniger als 175 Milliarden Schilling für Infrastruktur im Bereich von Straße, Schiene und Hochbau aus. In den fünf Jahren zuvor, nämlich von 1995 bis 1999, waren es gerade einmal 122 Milliarden Schilling. Das ist also eine Steigerung um mehr als 50 Milliarden Schilling. Das ist doch mehr als beachtlich, das sind plus 43 Prozent.

Eines lasse ich ganz sicherlich nicht zu, meine sehr verehrten Damen und Herren, nämlich ein Krankjammern des Investitions- und Industriestandortes Österreich, auch wenn Semperit natürlich ein erheblicher Wermutstropfen ist. Fast zeitgleich investiert BMW in Steyr 7 Milliarden Schilling. Fast zeitgleich vergibt BMW an Magna einen der größten Aufträge, die jemals nach Österreich gegangen sind, zur Fertigung des BMW X 3.

Weiters darf ich Ihnen sagen, dass die Betriebsansiedelungsagentur des Bundes, die ABA, vermelden kann, dass in den zwei Jahren, in denen diese Bundesregierung Verantwortung übernommen hat, nicht weniger als 8 500 neue Arbeitsplätze mit 225 Projekten nach Österreich gebracht wurden. Das sagt als Zahl noch nicht so viel aus, aber signifikant dabei ist, dass in diesen knapp zwei Jahren mehr Milliardeninvestitionen, mehr Arbeitsplätze von der ABA nach Österreich geholt werden konnten als in all den Jahren ihres Bestehens seit 1983 bis 1997. Und das ist doch recht bemerkenswert, Hohes Haus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bemerkenswert war auch das, was uns Herr Vorsitzender Gusenbauer an Falschinformationen in Sachen Arbeitsmarkt vorgelegt hat. Er ist jetzt nicht mehr im Saal, aber ich darf trotzdem darauf eingehen, was er in Bezug auf die Arbeitslosigkeit gesagt hat. Sosehr wir jeden Arbeitslosen bedauern – wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz (ironische Heiterkeit des Abg. Leikam –, aber man muss der Wahrheit schon die Ehre geben (Rufe bei der SPÖ: Redezeit! Redezeit!): Österreich ist in Europa nach wie vor eines der Spitzenländer in Sachen niedriger Arbeitslosigkeit. 4 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit; das ist etwa die Hälfte des europäischen Durchschnittes von 7,7 Prozent. Diesen Unterschied möchte ich Herrn Abgeordneten Gusenbauer doch sehr herzlich ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Finanzminister Mag. Grasser. – Bitte.

11.45

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzler! Werte Regierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Jahr 2000 war ein wirtschaftliches Rekordjahr für Österreich – egal, ob es das Wachstum, ob es die Beschäftigung anlangt, ob es die Exporte waren, ob es die Zahl der Unternehmensgründungen war. Diese Bundesregierung hat klugerweise dieses wirtschaftlich sehr, sehr positive Jahr 2000 genützt, um ihre Hausaufgaben zu machen. Wir haben den Haushalt konsolidiert und haben nicht erst 2002, sondern bereits 2001 das Nulldefizit erreicht. Nulldefizit heißt keine neuen Schulden mehr, meine Damen und Herren, und das kann nicht falsch sein. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt einer stabilitätsorientierten, einer soliden Finanzpolitik, die wir in kürzester Zeit zu Stande gebracht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir liegen damit besser als Deutschland, wir liegen besser als Frankreich, wir liegen besser als Italien, wir liegen besser als Portugal, und wir liegen nicht nur besser bei den Finanzen, sondern


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wir liegen auch besser bei der Beschäftigung und beim Wachstum in unserem Land. Dieser Erfolg und diese Finanzpolitik sind deshalb so wichtig, weil sie Grundvoraussetzung dafür sind, dass wir in Zukunft eine Entlastung zu Stande bekommen können. Dazu legen wir ein Bekenntnis ab, weil wir wissen: Das ist wichtig für unsere Bevölkerung, das ist wichtig für den Standort Österreich.

Meine Damen und Herren! Natürlich ist das Jahr 2001 ein Jahr, das eine wirtschaftliche Abschwächung gebracht hat, und natürlich müssen wir das ernst nehmen, wie es auch Martin Bartenstein ausgeführt hat. Natürlich kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz, und deshalb haben die Regierungsfraktionen klugerweise einen Entschließungsantrag Semperit betreffend eingebracht, weil wir für die Arbeitnehmer dort ganz konkret handeln wollen, weil es uns wichtig ist, dort eine Perspektive zu eröffnen, weil es uns wichtig ist, dort Existenzen abzusichern. Deswegen sind diese Initiative der Regierungsfraktionen und das Handeln des Wirtschaftsministers hier sehr zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte das gerne aufnehmen, was gesagt worden ist. Herr Abgeordneter Edlinger hat gesagt: Vergleichen wir: Was war früher und was ist jetzt?

Meine Damen und Herren! Wir haben im Jahre 2001 – in dem Jahr, in dem die Opposition eine Rezession herbeibeten, das Land schlecht reden, krankjammern will – folgende Fakten: Wir haben einen Rekordstand in der Zahl der Beschäftigten, wir hatten im November dieses Jahres 3 137 000 Beschäftigte. Das ist Rekord in Österreich, es hat im Jahresdurchschnitt noch nie mehr Beschäftigte in Österreich in der Geschichte der Zweiten Republik gegeben, als das heuer der Fall ist: 43 000 mehr als zu Ihrer Zeit im Jahr 1999! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben ein schwächer wachsendes, aber ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt. Wir haben um rund 200 Milliarden Schilling mehr an Wertschöpfung in diesem Jahr, als Sie das im Jahr 1999 zu Stande gebracht haben. Wir haben bei den Exporten um 195 Milliarden Schilling mehr als im Jahr 1999. Wir haben bei den Investitionen in Österreich um 34 Milliarden Schilling mehr als im Jahr 1999. Wir haben bei den Unternehmensgründungen in diesem Jahr mit 24 000 neu gegründeten Unternehmen einen neuen Rekord in Österreich. Und wir haben für die Pensionisten eine Erhöhung beschlossen, wie es sie in den letzten fünf Jahren niemals gegeben hat. Sie haben im Jahr 1997 0,0 Prozent für die Pensionisten übrig gehabt. (Abg. Edlinger: Wir haben zu viel gegeben, hat der Herr Bundeskanzler gesagt!) Wir erhöhen für 54 Prozent der Pensionisten um 2,9 Prozent. Das ist ein voller Inflationsausgleich – 6,1 Milliarden Schilling mehr für die Pensionisten!

Auf diese Leistungen der Unternehmen, der Wirtschaft, dieser Bundesregierung können wir berechtigt stolz sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das ist ein Weg, der von 15 Finanzministern, von 15 Notenbankchefs, von den österreichischen Wirtschaftsforschern Kramer und Felderer gutgeheißen wird. Sie alle sagen, das ist ein guter Weg, den ein kleines Land in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation geht. Weil wir eine kluge Politik machen, weil wir Strukturpolitik machen, weil wir mehr in Forschung und Entwicklung, mehr in Bildung, mehr in Infrastruktur investieren als jemals zuvor, deswegen schaffen wir bessere Daten gegen den Trend, der nach unten zeigt, weil die Konjunktur in Amerika, in Japan hinuntergeht. Österreich ist besser als die meisten der anderen Länder, weil wir kluge Akzente mit einem modernen Konjunkturprogramm setzen: 12,5 Milliarden Schilling mehr im nächsten Jahr für Forschung und Entwicklung, für Bildung, für die Menschen in diesem Land.

Das ist unsere Politik, meine Damen und Herren: stabile, kluge Finanzpolitik, den Standort verbessern, in Menschen investieren und damit neue Chancen für Österreich eröffnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.


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11.51

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wer heute diese Diskussion verfolgt (Abg. Dr. Stummvoll: Sieht den Unterschied!), muss den Eindruck gewinnen, die Opposition will Österreich überhaupt nur schlecht machen. Alles wird ins Negative verkehrt, selbst internationale Studien, die vor kurzem veröffentlicht worden sind, wie etwa die PISA-Studie über die Ausbildung unserer Jugend, werden vom Abgeordneten Öllinger ins Gegenteil verkehrt.

Diese PISA-Studie zeigt auf, dass Österreich den besten Ausbildungsstand von allen deutschsprachigen Ländern hat. Österreich liegt an der 11. Stelle, im Vergleich dazu Deutschland an der 21. Stelle. Also wenn das nicht ein Erfolg ist, dann weiß ich es nicht. Man sollte Erfolge auch anerkennen, die ja nicht erst im heurigen Jahr, sondern schon im Laufe der vergangenen Jahre entstanden sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Verzetnitsch! Sehr viele der "kleinen" Pensionisten haben in der Vergangenheit immer kritisiert, dass die Pensionserhöhungen prozentuell vorgenommen werden, wodurch Pensionisten mit hoher Monatspension eine große Erhöhung und Pensionisten mit kleiner Monatspension eine sehr geringe Erhöhung bekommen. Die jetzige Regelung sieht vor, dass die Pensionisten mit kleineren Pensionen die volle Abgeltung der Inflationsrate bekommen. (Abg. Riepl: Das stimmt ja nicht!)

Eines habe ich nicht verstanden: Bei der letzten Plenarsitzung haben wir hier vereinbart, dass die Anrechnung des fiktiven Ausgedinges zur Ausgleichszulage um 1 Prozent reduziert wird, das heißt, dass die Pensionisten, deren Pension unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz von 8 400 S liegt, eine um 1 Prozent höhere Pension bekommen. Das haben Sie, das haben aber auch die Abgeordneten der Grünen abgelehnt. Das sind Pensionisten, die nur 5 000 oder 6 000 S Pension haben und eine Ausgleichszulage erhalten. Hier haben Sie diese Erhöhung um 1 Prozent abgelehnt. Gott sei Dank aber haben ÖVP und FPÖ die Mehrheit in diesem Hause, sodass sich diese Pensionisten ab 1. Jänner 2002 an einer zusätzlichen Erhöhung von 1 Prozent erfreuen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren heute die Maßnahmen der Bundesregierung zur Konjunkturbelebung. Wir befinden uns ohne Zweifel in einer wirtschaftlichen Krise, dies ist aber weltweit der Fall. Ausgehend von Japan und Amerika hat sie auch Europa erfasst, weil wir mit diesen Ländern natürlich wirtschaftlich verflochten sind. Österreich hat mittlerweile einen großen Außenhandelsbereich und spürt deshalb auch die Konjunkturlage in den anderen Ländern.

Abgeordneter Gusenbauer, der in der Regel hier nur seine Rede hält, aber dann während der Debatte sehr wenig im Plenum anwesend ist – offensichtlich interessiert ihn diese Diskussion überhaupt sehr wenig –, hat hier einen Wunschtraum geäußert. Er hat von einer rot-grünen Regierung geträumt. Wenn man das Beispiel Deutschland auf Österreich überträgt, dann muss man sagen, die Österreicher sind gut beraten, wenn sie auch in Zukunft keine rot-grüne Regierung wählen.

Wir haben leider – ich sage es ganz offen – 200 000 Arbeitslose. Jeder einzelne Arbeitslose ist zu viel, und wir müssen Maßnahmen setzen, um diese Zahl zu verringern. Aber Deutschland, das einwohnermäßig zehnmal größer als Österreich ist, hat zwanzigmal so viele Arbeitslose wie Österreich, hat die 4-Millionen-Grenze bereits überschritten. Bei 80 Millionen Einwohnern 4 Millionen Arbeitslose, das ist wesentlich schlechter als in Österreich, das ist an und für sich der doppelte Schnitt von Österreich.

Der Finanzminister hat es gerade erwähnt: Wir hatten noch nie so viele Beschäftigte wie derzeit. Wir haben um 30 000 Beschäftigte mehr als in den Jahren 1998/99, obwohl wir damals zusätzlich noch ein Budgetdefizit von 60 Milliarden Schilling hatten. Wir haben im heurigen Jahr keine Neuverschuldung und trotzdem um 30 000 Arbeitsplätze mehr im Jahresdurchschnitt als noch vor zwei Jahren.


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Herr Abgeordneter Edlinger – er ist jetzt auch nicht im Plenum anwesend – sollte sich schon einmal Gedanken machen. Im Jahre 1999 war Österreich das Schlusslicht aller 15 EU-Staaten, was das Nettodefizit betraf. Zwei Jahre später, unter einer neuen Regierung, haben wir es bereits geschafft, keine neuen Schulden mehr zu machen und dass sich Österreich im Hinblick auf die Budgeterstellung endlich auch im europäischen Mittelfeld befindet. – Ich meine also, in diesem Bereich sind schon Leistungen geschehen.

Ich höre, dass gerade die Tourismuswirtschaft im Westen von Österreich sehr heftig klagt: Sie bräuchte mehr Arbeitskräfte, bekommt sie aber nicht. Das heißt, wir werden uns anschauen müssen, ob nicht die Zumutbarkeitsbestimmungen neu zu überdenken sind, denn es kann ja nicht sein, dass Hotelbetriebe Reservierungen nicht annehmen können, weil es ihnen an Personal fehlt und der Hotelier selbst hinter der Abwasch stehen muss.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir haben in Österreich gut ausgebildete, fleißige Bürger. Die PISA-Studie, die ich schon erwähnt habe, hat es bestätigt und auch aufgezeigt, dass Österreich bei den Ausgaben für die Bildung der Jugend an erster Stelle von allen untersuchten Ländern steht. Kollege Stummvoll hat es schon erwähnt: Bei den Berufswettkämpfen sind unsere jungen Bürger, unsere Lehrlinge überall voran. Das heißt, wir haben sehr gut ausgebildete junge Bürger, junge Arbeiter, junge Unternehmer, und man sollte deshalb dieses Land nicht krankjammern.

Wir haben im heurigen Jahr erstmals auch die Tausend-Milliarden-Grenze in Bezug auf den Wert unserer Exportwaren überschritten. Das heißt, mehr als ein Drittel unserer gesamten Wertschöpfung haben wir in anderen Ländern untergebracht. Wir haben also gezeigt, dass wir da wettbewerbsfähig sind. Erlauben Sie mir, einen unverdächtigen Zeugen zu nennen, nämlich Professor Helmut Kramer vom Wifo, der am 5. Dezember 2001 vor dem CA-Forum Folgendes gesagt hat:

"Österreich hat sich einigermaßen gut gehalten, aber es hätte besser liegen können, wären einige notorische Schwächen konsequent beseitigt worden. Die Bundesregierung hat einige davon sowohl, weil sie gar nicht anders konnte, als auch, weil Überzeugung sie dazu veranlasste, engagiert angepackt. Die Fortschritte der Budgetkonsolidierung sind trotz mancher berechtigter Einwände anzuerkennen. Die Konsolidierung ist in der Folge gegen das Risiko abzusichern, dass sie verfrüht den Anlass für neue unabweisbare und kostspielige Wünsche geben könnte."

Jetzt folgt der sehr bezeichnende Satz: "Die beiden vorhergehenden Konsolidierungsphasen in den neunziger Jahren – jene von 1992 und die von 1997 – waren jeweils gefolgt von relativ kräftigen Zunahmen, vor allem auf der Ausgabenseite. Das Bundesdefizit erhöhte sich, gemessen am Sozialprodukt, zwischen 1992 und 1995 auf mehr als das Doppelte (...) und nahm von 1997 auf 1998 um mehr als ein Drittel (...) zu, ohne dass es dafür zwingende konjunkturelle Gründe gegeben hätte." – So weit also ein sehr unverdächtiger Zeuge.

Ganz kurz noch, bevor meine Redezeit zu Ende ist, zur Landwirtschaft. Auch die österreichische Landwirtschaft trägt sehr wesentlich dazu bei, Arbeitsplätze zu sichern. (Der Redner stellt ein Taferl mit der Aufschrift: "Jeder 5. Arbeitsplatz hängt von unserer Landwirtschaft ab" auf das Rednerpult.) Jeder fünfte Arbeitsplatz in Österreich hängt von der Landwirtschaft ab. Es geht hier um Arbeitsplätze in der Landwirtschaft selbst, aber auch im vor- oder nachgelagerten Bereich, für den die Landwirtschaft die Rohstoffe produziert, die er dann verarbeitet.

Der Grüne Bericht des Jahres 2000 zeigt auch auf, dass die Landwirtschaft im Jahre 2000 – und im heurigen Jahr wird es nicht viel anders sein – 45,4 Milliarden Schilling investiert hat, davon 15 Milliarden Schilling in bauliche Investitionen und 13 Milliarden Schilling in Investitionen im Maschinenbereich. Es gibt also sehr viele Arbeitsplätze, die von der Landwirtschaft mitgestaltet werden. Und wenn man bedenkt, dass mit 1 Milliarde Schilling an Investitionen – ein Erfahrungswert aus der Vergangenheit – etwa 1 000 Arbeitsplätze gesichert werden können, dann erkennt man schon, dass das Konjunkturbudget beziehungsweise die Konjunkturmaßnahmen mit mehr als 12,5 Milliarden Schilling an zusätzlichen Mitteln sehr wohl dazu beitragen können, dass die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr wieder geringer wird, weil alle Maßnahmen


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gesetzt werden, um in diesem Bereich in Zukunft wieder besser gesicherte Arbeitsplätze zu schaffen.

Wir sind der Bundesregierung dafür dankbar und wünschen ihr im Interesse aller österreichischen Bürger weiterhin diesen Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.01

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich habe ja schon recht viele Anträge in diesem Haus miterlebt, auch selbst gestellt, nur jener, der jetzt vorliegt, ist demokratiepolitisch halt schon ein ganz besonderes Zuckerl, Herr Dr. Khol! Dass keine Regierungsfraktion die eigene Regierungsfrau- und Regierungsmannschaft schlecht darstellt, das ist klar. Aber angesichts dieses Maßes an Beweihräucherung frage ich Sie wirklich: Glauben Sie nicht auch, Sie hätten sich das lieber für den Dreikönigstag aufsparen sollen? So viel Weihrauch und Myrrhe – das ist, glaube ich, nicht angebracht. (Beifall bei den Grünen.)

Vor allem stelle nicht nur ich mir die Frage: Reden Sie mit Ihrer eigenen Bundesregierung denn gar nicht mehr? Verkehren Sie mit ihr nur mehr über derartige Anträge? Wenn es so ist, dass Sie die eigene Regierung auffordern müssen, dass Sie selber sagen, Sie erachten den Weg, den die Regierung eingeschlagen hat, als richtig, und Sie fordern die Regierung auf, diesen Weg fortzusetzen, dann denke ich mir, das könnten Sie doch durchaus auch in internen Besprechungen klären! Ich denke, die österreichische Bevölkerung ist mündig genug, selbst zu beurteilen, was in diesem Land gut ist – und da gibt es vieles, da gibt es einiges – und was vielleicht nicht so gut läuft, aber das brauchen Sie der österreichischen Bevölkerung nicht via Entschließungsantrag mitzuteilen. (Abg. Ing. Westenthaler: Keine Ahnung von Gewaltenteilung!)  – Ja, das hat auch etwas mit Parlamentarismus zu tun, Herr Kollege Westenthaler, aber dieser Antrag hat nicht viel damit zu tun. Leider nein! (Beifall bei den Grünen.)

Aber bleiben wir bei Ihrem Antrag, denn Sie heben ja in diesem Antrag hervor, dass noch mehr geschehen soll. Sie sagen: Ja, alles war richtig und gut! – Die Menschen wissen es teilweise besser, aber Sie sagen: Diese innovative Politik soll fortgesetzt werden. (Abg. Dr. Fekter: Ja!)  – "Ja!", sagt Frau Kollegin Fekter ganz überzeugt. – Gut, ich lade Sie ein, Frau Kollegin Fekter, schauen wird uns doch an – und lassen wir dabei Zahlen und Fakten sprechen –: Wo liegt denn Österreich im europäischen Vergleich, was die Innovationen betrifft? (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) Ich entnehme das einer ganz aktuellen Studie der Europäischen Kommission.

Die Europäische Kommission hat im Oktober den europäischen "Innovationsanzeiger 2001" präsentiert (die Rednerin hält einen Artikel mit der Überschrift: "Schweden ist das innovativste Land in der EU" und einer Graphik in die Höhe), dieser sieht folgendermaßen aus – aber wahrscheinlich kennen Sie ihn ohnehin –:

Das sind die europäischen Staaten – es sind noch Amerika und Japan als zwei wichtige Industriestaaten hinzugefügt –, und Österreich liegt hier  – zwar nicht ganz am Ende, das wäre ja auch wirklich schlimm, aber Österreich ist deutlich unterdurchschnittlich, was das innovative Potential betrifft. (Abg. Dr. Fekter: Darum tun wir ja etwas dagegen!)  – Und das wollen Sie fortsetzen? Meine Damen und Herren! Ich würde sagen, wir brauchen eine Trendwende in Richtung mehr Innovation! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Eine Milliarde für die Forschung!)

Ja, Frau Kollegin Fekter, ich stelle mir nur die Frage: Was tun wir dagegen? Es ist doch, wie ich glaube, mittlerweile bekannt: Ohne soziale Investitionen, ohne eine Politik in Richtung Ausgleich von Ungerechtigkeiten, das heißt, ohne Armutsbekämpfungspolitik, das heißt aber auch ohne Antidiskriminierungspolitik, das heißt, ohne ein Beheben der Ungerechtigkeiten, die es auf


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dem Arbeitsmarkt zu Lasten der Frauen gibt, zu Lasten von Menschen gibt, die irgendein Handicap haben, können Sie Innovationen nicht wirklich durchsetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, es war sogar dieser Bundeskanzler oder jedenfalls ein Bundeskanzler, der einmal plakatiert hat: Ohne Frauen ist kein Staat zu machen! – Wie wahr, wie wahr! Das Potential der Frauen, die oft sehr viele Innovationen hervorbringen, die oft auch als Gründerinnen auftreten, wird in diesem Land gering geschätzt.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben alle Statistiken erwähnt, in denen Österreich relativ gut abschneidet. Aber Sie haben mit keinem Wort erwähnt, dass Österreich, was die Gleichstellung von Frauen und Männern betrifft – und das ist ein wichtiger Faktor, auch wirtschaftlich! –, mittlerweile, und zwar unter dieser Bundesregierung, das absolute Schlusslicht in Europa geworden ist. Ich halte das für eine Schande! (Beifall bei den Grünen.)

Da Sie ja auch immer wieder gerne Quellen zitieren, berichte ich über eine ganz aktuelle Mitteilung der Europäischen Kommission, in der Kritik an Österreich geübt wird.

Die Kritik am Budgetdefizit haben Sie immer gehört. Die Botschaft: Hohe Defizite sollen nicht sein!, haben Sie offenbar verinnerlicht, das ist bei Ihnen angekommen. Aber mit genau der gleichen Intensität wurden Sie wiederholt wegen der Diskriminierung der Frauen kritisiert – erst vor kurzem wieder.

Ich habe hier eine Mitteilung der Kommission vom 30. November. Darin heißt es: Die Bundesregierung möge sich stärker um den beträchtlichen Unterschied in der Arbeitsmarktbeteiligung zwischen Frauen und Männern und im Lohngefälle zwischen Frauen und Männern kümmern. – Dass die österreichischen Frauen im europäischen Vergleich gegenüber ihren männlichen Kollegen am allerwenigsten verdienen, ist nicht nur eine Schande, sondern es hemmt auch das innovative Potential dieses Landes. (Beifall bei den Grünen.)

Genau unter diesem Gesichtspunkt wäre etwa die Einrichtung des Kinderbetreuungsgeldes, das keine Aspekte in Richtung Aufhebung dieser Ungerechtigkeit beinhaltet, kritisch zu beurteilen. Da hätten Sie anknüpfen müssen! Aber ich habe kein Wort darüber gehört, wie Sie sich mit dieser europäischen Kritik auseinander setzen.

Ein weiteres Thema ist mir gerade am heutigen Tag wichtig, und da knüpfe ich bei den Ausführungen meines Vorredners, des Landwirtschaftssprechers Schwarzenberger an. Er hat erwähnt, dass nach wie vor, direkt und indirekt, die Landwirtschaft in Österreich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. – Ja, das stimmt, Herr Kollege Schwarzenberger. Sie ist nicht nur als Produzentin von Lebensmitteln wichtig, sondern die österreichische Landwirtschaft ist auch für das Freizeit- und Tourismusland Österreich wichtig.

Die österreichische Landwirtschaft ist auch wichtig, um das österreichische Image als das eines lebenswerten, gesunden und liebenswerten Landes zu wahren. Und Sie haben in diesem Ihrem "Beweihräucherungsantrag", in dem Sie all die guten Statistiken aufgelistet haben, ja erwähnt: Laut World Competitiveness Report 2001, so sagen Sie, belegt Österreich – Kollege Khol nickt – weltweit den ersten Rang bei "Quality of Life".

Ich finde auch, dass dieses Land lebens- und liebenswert ist. Und insofern hätte ich mir doch erwartet, dass Sie irgendein Wort zur aktuellen BSE-Thematik und zu der Frage sagen würden, wie Sie jetzt damit umgehen werden und wie Sie vor allem den für das österreichische Image so wichtigen Wert der Gesundheit und Sicherheit im Lebensmittel- und Agrarbereich sicherstellen wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Das können wir in einer Anfragebesprechung diskutieren!)

Der zuständige Bundesminister ist offenbar wieder in irgendwelchen Krisenbesprechungen. Dieser Fall gerät auch immer mehr zum Kriminalfall, und ich denke mir, es wäre angebracht gewesen, etwas dazu zu sagen. Die Tierschützerinnen und Tierschützer, die UmweltschützerInnen warnen seit Jahren vor diesen möglichen Verwechslungsgefahren. Jetzt ist all das eingetreten, wovor wir gewarnt haben – und von Ihnen gibt es kein Wort dazu?! Das ist wirklich eine Nachlässigkeit, die ihresgleichen sucht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das stimmt ja nicht!)


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Meine Damen und Herren! Sie sind in diesem Punkt drauf und dran, den Zug der Zeit zu verpassen. Ich habe mir gerade eben, heute, am 12. Dezember um 11.19 Uhr aus dem Internet etwas herausgeholt, was der österreichische Bauernbund noch immer auf seiner Homepage stehen hat. ÖVP und FPÖ werden nämlich morgen eine Freigabe von Arzneimitteln beschließen, sodass in Zukunft auch Laien – Landwirte selber! – Arzneimittel an Tiere abgeben, sie ihnen spritzen dürfen. (Abg. Öllinger: Unglaublich! – Abg. Schwarzenberger: Zur Kontrolle der Tierärzte!) Ich halte das für Wahnsinn, gerade unter Hinweis auf die Lebensqualität und die Gesundheit! Das ist wirklich ein Anschlag! Nehmen Sie das von der Tagesordnung, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien!

Und was sagt die Landwirtschaftskammer dazu? Sie schimpft nur – so, wie sie heute hier auf die Opposition schimpft – auf die Tierärztinnen und Tierärzte, erklärt, deren Kritik sei überzogen, denn wir hätten in Österreich noch keinen einzigen BSE-Fall. – Na danke schön, Herr Kollege Schwarzenberger! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Das ist eine Woche alt, das war vor dem ersten BSE-Fall! Diese Aussendung war vor einer Woche!)

12.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.12

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Petrovic hat die Behauptung aufgestellt, dass Sozialminister Haupt kein Wort zu den Abgeordneten dieses Hauses zum Thema BSE gesagt hätte. – Diese Aussage ist unwahr! (Lebhafte Rufe bei den Grünen: Hier! Hier! Hier!)

Wahr ist vielmehr, dass der Abgeordnete Haupt in ständigem Kontakt zu allen Gesundheitssprechern aller vier Parlamentsparteien steht, dass es gestern auch eine entsprechende Information gegeben hat und dass Herr Bundesminister Haupt alle Fraktionen lückenlos und jederzeit von diesem Fall und von allen Maßnahmen, die eingeleitet worden sind, auch zur Zufriedenheit der Bevölkerung und der Abgeordneten informiert hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Ist der Haupt nicht mehr Minister? – Abg. Mag. Stoisits: Der "Abgeordnete Haupt" ist Minister! – Abg. Mag. Schweitzer: Die Grünen waren im Klub ... eben zu dem Zweck!)

12.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

12.13

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Bezeichnend für die Qualität des Handelns und für die Unterschiede in der Qualität des Handelns zwischen Opposition und Regierungsparteien sind einmal mehr die tragischen Vorkommnisse, wenn ich so sagen darf, rund um Semperit.

Während die Regierungsparteien sich bereits Gedanken darüber gemacht haben, einen tauglichen Antrag auf den Tisch gelegt haben, hat Herr Präsident Verzetnitsch angekündigt: Wir werden schnell einen Antrag zusammenstoppeln und dann irgendwann im Lauf der Debatte einbringen. – Ich erlaube mir ein Urteil über diese Qualität des Handelns: Einmal "Sehr gut", das andere Mal "Nicht genügend", Herr Präsident Verzetnitsch! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Natürlich erlebt man ein Wechselbad der Gefühle, wenn man die letzten Ereignisse beobachtet. Auf der einen Seite macht Semperit die Pforten dicht – bedauerlich, aber mit Begleitmaßnahmen der Regierung, Gott sei Dank! –, und auf der anderen Seite investiert BMW 7 Milliarden Schilling in den Wirtschaftsstandort Steyr. Das sind quasi die Kneippkuren der täglichen Politik: das eine bedauerlich, das andere hoffnungsvoll. (Abg. Öllinger: Chrysler!)


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87. Sitzung / Seite 73

In beiden Fällen geht es um große Betriebe, im Fall Steyr dankenswerterweise. Es geht aber auch um die Diskussion: Was kann oder darf der Staat tun, um das Wirtschaften zu ermöglichen? Das ist der ewige Streit zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft.

Heute haben wir einiges von der Sozialdemokratie gehört, was den Rückfall in die Planwirtschaft anbelangt (Abg. Dr. Petrovic schlägt die Hände über dem Kopf zusammen), und zu diesem Thema, was die Vergangenheit und die Zukunft anlangt, darf ich keinen Geringeren als den Karl-Renner-Preisträger Norbert Leser zitieren, einen verdienten Sozialdemokraten, der da sagt:

Die historischen Verdienste und Lorbeeren, auf denen sich die SPÖ ausruhen zu können glaubt, sind überstrapaziert und konsumiert worden. Sie reichen nicht mehr aus, um ein Mandat zur Lösung der Probleme der Gegenwart und der Zukunft zu erhalten. – Das ist es eigentlich, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Präsident Verzetnitsch, nur einen Halbsatz zur "Konsum"-Pleite: Wenn Sie heute hier einfordern, rasch in Traiskirchen tätig zu werden, dann muss ich Ihnen sagen: Genauso hätten Sie bei der "Konsum"-Pleite Ihre ÖGB-Millionen flüssig machen und den "Konsum" retten können, statt ihn den Bach hinuntergehen zu lassen, meine Damen und Herren! – Das ist das eine. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Präsident Verzetnitsch, Sie haben mit diesen Versäumnissen auch dazu beigetragen, dass wir heute eine überdimensionale Konzentration im Lebensmittel-Einzelhandel haben, das heißt, die Vergangenheit hat Sie auch hiebei, einmal mehr, eingeholt.

Meine Damen und Herren! Sie haben heute versucht, den Klassenkampf neu zu beleben, und ein Zwischenruf des Kollegen Riepl um 10.59 Uhr war ja wieder eine Art Offenbarungseid in dieser Richtung, als er meinte: "Denken Sie an die Menschen und nicht an die Wirtschaft!" – Dieser Satz ist ja Klassenkampf pur, meine Damen und Herren! Wir denken an die Wirtschaft und an die Menschen und stellen hier keinen Gegensatz her. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Einer der wichtigsten Parameter einer positiven Wirtschaftspolitik ist wohl eine offensive Entschuldungspolitik, eine Politik der Entschuldung und nicht des Schuldenmachens, wie dies "Rudi Ratlos", genannt Herr SPÖ-Edlinger, in der Vergangenheit vorexerziert hat, meine Damen und Herren.

Faktum ist, dass der Sozialismus, die Sozialisten noch nie mit Geld umgehen konnten, nicht einmal in Norwegen, wo das "schwarze Gold" aus der Erde und aus dem Meer sprudelt. Selbst dort haben die Sozialisten mit dem vielen Geld nichts anfangen können. Und wo keines vorhanden ist, da werfen Sie sogar das nicht Vorhandene hinaus – leider Gottes! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie von den Linken suchen das Heil in Reglementierungen nach dem Motto: "Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare!" – Das ist Ihr Motto.

Wir hingegen sind für den Abbau der Bürokratien, und in dieser Hinsicht konnte Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer heute feststellen: 21 Milliarden Schilling werden bei den Bürokratien eingespart. Das ist der beste Beitrag für einen positiven Wirtschaftsstandort Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir setzen also diesen Abbau der Schulden dem sozialistischen Dogma gegenüber: Den alten roten Schulden sollen neue draufgedoppelt werden – nach dem Motto: "Verkauft’s mei’ G’wand, ich fahr’ in Himmel!" – Herr Cap! Meine Damen und Herren von der SPÖ! Auch wenn es das Nestroy-Jahr ist, das sollten wir uns nicht zu Gemüte führen!

Die Unternehmer schikanieren Sie allenthalben. Sie sind Unternehmer-Schikanierer par excellence, zum Beispiel bei der Euro-Umstellung, nämlich dergestalt, dass Sie im August dieses Jahres einen Unternehmer vor den Kadi gezerrt haben, der bei einem Probeeinkauf von


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3 000 S um 33 Groschen aufgerundet hat. Da haben Sie, meine Damen und Herren, eine Papierflut ohne Maßen vom Zaun gebrochen. Das kostet Zehntausende Schilling an Steuergeldern! Aber auf der anderen Seite waren Sie drauf und dran, in der Arbeiterkammer, dort, wo Sie flugs vor dem Oktober dieses Jahres noch die Mietpreise für Ihre Räumlichkeiten um mehr als 10 Prozent erhöht haben, das noch kurz vor der Auszeichnungspflicht mit Euro zu tun, meine Damen und Herren.

Wo Sie selbst beteiligt sind, sind Sie Preistreiber, und auf der anderen Seite werden wegen 33 Groschen Mitarbeiter und Unternehmer vor den Kadi gezerrt. Ihre Wirtschaftspolitik ist wirklich nicht mehr auszuhalten und mehr als klassenkämpferisch, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kalt und herzlos ist das, meine Damen und Herren von der Opposition, während wir uns Gedanken um den Mittelstand machen, und zwar dergestalt, dass wir angesichts der großen Gefahr "Basel II", wo seitens der EU negative Kreditrahmenbedingungen geschaffen werden sollen, uns Gedanken machen, uns in den entsprechenden Gremien und bei der Europäischen Union stark machen, um für den Mittelstand tätig zu werden.

Daher erlaube ich mir folgenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Haigermoser, Auer und Kollegen einzubringen und – Herr Präsident, mit Verlaub – in seinen Eckdaten entsprechend darzulegen.

Herr Kollege Verzetnitsch, wenn wir uns mit einem Thema befassen, dann beschränkt sich das nicht auf das Verlesen von Überschriften, sondern wir beschäftigen uns mit Inhalten, meine Damen und Herren! Das unterscheidet uns einmal mehr von Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit diesem Entschließungsantrag soll Folgendes erreicht beziehungsweise die Bundesregierung aufgefordert werden:

"Die österreichische Bundesregierung wird daher aufgefordert, in den relevanten Komitees, Arbeitsgruppen und sonstigen Foren der Europäischen Union, die mit dem Thema ,Basel II‘ befasst sind, Positionen zu vertreten, die im Interesse der österreichischen Wirtschaftsstruktur, insbesondere der klein- und mittelständischen Unternehmen (,KMU‘), gelegen sind und die auch die österreichische Bankenstruktur berücksichtigen. Besonders bei KMU muss deren Kreditversorgung auch in Zukunft gesichert sein und es darf durch die neuen Anforderungen nicht zu einer generellen Verteuerung der Kreditkonditionen und damit zu wirtschaftspolitisch unvertretbaren Wettbewerbsverzerrungen kommen."

Meine Damen und Herren! Dies ist ein wichtiger Leitsatz dieses Antrages, und ich bitte auch Sie von der Opposition, über Ihren Schatten zu springen und diese Unterstützung für den Wirtschaftsstandort Österreich mitzutragen. Es darf zu keiner Benachteiligung kleinerer Institute im Bankwesen kommen. Daher ist auch aus diesem Grunde jener Antrag, der heute von uns hier eingebracht wird, ein wichtiger Antrag.

Vielleicht zu guter Letzt, nachdem ich mir heute auch wieder den Rapid-Präsidenten Verzetnitsch anhören musste, ... (Heiterkeit.)  – Entschuldigung! Es wäre vielleicht besser, Verzetnitsch wäre Rapid-Präsident und nicht Edlinger, denn Edlinger hat ja bereits die Staatsfinanzen in die Miesen geführt, und ich hoffe, dass das bei Rapid nicht so "gelingt" – unter Anführungszeichen –, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Herr Edlinger! Meine Damen und Herren! Herr Verzetnitsch! Es ist gut so für die Wirtschaft und für diesen Standort Österreich, dass der Finanzminister Grasser und nicht Edlinger heißt. Es ist gut so, dass der Kanzler Schüssel und nicht Gusenbauer heißt. (Abg. Dr. Khol: Ja!) Es ist gut so, dass die Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und nicht Madeleine Petrovic heißt, meine Damen und Herren.


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Eine Mitte-Rechts-Regierung ist für Österreich gut. Eine Linksregierung ist schlecht, wie man in Deutschland leider Gottes erfahren muss. Glück auf diesem Land mit dieser Reformkoalition und nicht mit dem Experiment Rot-Grün! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Stummvoll, Haigermoser, Auer auch schriftlich überreicht wurde, genügend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen.

Im Übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Haigermoser, Auer und Kollegen betreffend die Neufassung der Basler Eigenkapitalvereinbarung sowie der entsprechenden Richtlinien der Europäischen Union für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen ("Basel II"), eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 1 betreffend Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel und der Frau Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer gem. § 19 Abs. 2 GOG-NR

Der Nationalrat begrüßt die Bemühungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht und der Europäischen Union, die Eigenkapitalausstattung für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen enger an den tatsächlichen Risiken auszurichten sowie Anreize zu schaffen, um die Risikomessungs- und -managementkapazitäten der Banken weiter zu entwickeln. Sicherheit und Solidität des Finanzwesens sind ebenso unabdingbare Bestandteile bei der Stabilisierung der internationalen Finanzarchitektur und besseren Krisenprävention wie die Sicherstellung adäquater Wettbewerbsbedingungen. So haben nicht zuletzt Finanzkrisen auf internationaler Ebene wiederholt die Notwendigkeit klarer bankaufsichtlicher Regelungen, die dies sicherstellen, verdeutlicht.

Der Nationalrat anerkennt die bisherigen Fortschritte, die bei den internationalen Verhandlungen beim Basler Ausschuss für Bankenaufsicht und bei der Europäischen Kommission zur Neuregelung der Eigenkapitalvorschriften erreicht worden sind, wie beispielsweise

die Einführung eines auf bankinterne Ratings gestützten Ansatzes zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für das Kreditrisiko,

die Festlegung des ermäßigten Gewichtungssatzes in Höhe von 50 % für den gewerblichen Hypothekarkredit,

die Berücksichtigung verminderter Kreditrisiken im Privatkreditgeschäft bei den auf bankinterne Ratings gestützten Ansätzen und damit die Schaffung einer wesentlichen Voraussetzung für angemessene Anrechnungssätze für Kredite auch an Klein- und Mittelbetriebe,

die Verschiebung des Inkrafttretens vom 1. Jänner 2004 um 1 Jahr auf den 1. Jänner 2005.

Die bereits erzielten Fortschritte gilt es nun abzusichern, ungeachtet dessen besteht weiter wichtiger Änderungsbedarf. Außerdem erscheint es angebracht, die Rahmenbedingungen zu prüfen. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird daher aufgefordert, in den relevanten Komitees, Arbeitsgruppen und sonstigen Foren der Europäischen Union, die mit dem Thema ,Basel II‘ be


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fasst sind, Positionen zu vertreten, die im Interesse der österreichischen Wirtschaftsstruktur, insbesondere der klein- und mittelständischen Unternehmen (,KMU‘), gelegen sind und die auch die österreichische Bankenstruktur berücksichtigen. Besonders bei KMU muss deren Kreditversorgung auch in Zukunft gesichert sein und es darf durch die neuen Anforderungen nicht zu einer generellen Verteuerung der Kreditkonditionen und damit zu wirtschaftspolitisch unvertretbaren Wettbewerbsverzerrungen kommen. Im Sinne dieser Zielsetzung sollten bei den derzeitigen Vorbereitungsarbeiten der Europäischen Kommission für die neuen Eigenmittelvorschriften für Banken und Wertpapierfirmen folgende Positionen eingebracht werden:

Finanzierungen der klein- und mittelständischen Unternehmen sollen die selbe Risikobeurteilung bekommen wie Kredite an Private (,retail‘); die Regeln hiefür müssen in administrativer Sicht auch von jenen – kleineren – Banken erfüllbar sein, die traditionell solche Kredite gewähren.

Sämtliche banküblichen Besicherungsinstrumente, insbesondere jene, die im Privatkundengeschäft und in der Finanzierung der KMU eingesetzt werden, sind in adäquater Weise zu berücksichtigen.

Bei den auf bankinterne Ratings gestützten Ansätzen ist die Festlegung eines Risikozuschlages für mittel- und langfristige Kredite möglichst zu vermeiden, sodass keine Benachteiligung des langfristigen Kredits eintritt. Bewährte Finanzierungsinstrumente in Europa wären sonst nachhaltig in Frage gestellt, zusätzlich können prozyklische Effekte eintreten.

Die weiteren Arbeiten in Brüssel und Basel sollen vom Grundsatz getragen sein, dass es im Durchschnitt zu keiner Erhöhung der Kapitalanforderungen kommt.

Es muss sichergestellt werden, dass Kredite an Unternehmen mit höheren Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht unverhältnismäßig mit Eigenkapital zu unterlegen sind; insoweit sollte der exponentielle Anstieg in der Risikogewichtung für diese Kredite gerade vor dem Hintergrund der Ergebnisse der "Quantitative Impact Study 2" weiter abgeflacht werden.

Um den Übergang auf Interne Rating – Verfahren zu erleichtern, muss deren partielle Anwendung auf einzelne Bereiche des Kreditgeschäftes möglich sein.

Erwartete Verluste, für die bereits Risikovorsorgen gebildet wurden, sind nicht zusätzlich mit Eigenkapital zu unterlegen. Andernfalls käme es zu überhöhten Eigenmittelanforderungen, da nur unerwartete Verluste mit Eigenkapital abzudecken sind.

Die Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für das operationelle Risiko sollte so ausgestaltet sein, dass risikoüberzeichnende Kapitalanforderungen ausgeschlossen werden.

Die vorgesehenen Offenlegungserfordernisse dürfen nur in jenem Ausmaß erfolgen als diese zweckmäßig sind.

Es darf zu keiner Benachteiligung kleinerer Institute dadurch kommen, dass die angebotenen Verfahren der Eigenkapitalberechnung mit einem nicht vertretbaren Administrativaufwand verbunden sind und diese Institute durch die faktische Nichtanwendbarkeit – bspw. der Verfahren des internen Ratings – Wettbewerbsnachteile erleiden. Anzustreben ist daher auf Europäischer Ebene die Inanspruchnahme aller Spielräume, die eine administrative Vereinfachung mit sich bringen."

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

12.23

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich darf nur feststellen, Kollege


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Haigermoser, das war heute nicht dein Tag, denn so kleine Fehler wie am Schluss der Rede wären dir früher nicht passiert. Aber das kann passieren. Und daher meine ich, es würde dir gut tun, würdest du auch manchmal in deiner Kritik etwas milder sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie können – das haben heute die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung versucht – möglichst viel schönreden. Man kann natürlich diesen Versuch des Schönredens machen, aber über einige Fakten kommt man ganz einfach nicht hinweg – und eine davon ist ganz einfach die Tendenz der steigenden Arbeitslosigkeit zum Unterschied von einer sinkenden Tendenz in der Europäischen Union. Da sollten wir miteinander versuchen, einen guten gemeinsamen Weg zu gehen.

Eine dramatische Entwicklung ist vor allem auf dem Bauarbeitersektor festzustellen. Da haben wir die höchsten auf diesem Sektor je festgestellten Zahlen erreicht – es gibt bereits mehr als hunderttausend Arbeitslose. Diese Bundesregierung ist deshalb jetzt damit konfrontiert, weil sie ganz einfach nicht in der Lage war, rechtzeitig gegenzusteuern.

Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten haben bereits im Sommer dieses Jahres zum Beispiel ein Verkehrsinfrastrukturprogramm in einem Ausmaß von rund 300 Milliarden Schilling samt einer Prioritätenreihung und einer Finanzierung vorgeschlagen. Wir haben dieses Programm damals der Bundesregierung, auch der Frau Bundesministerin, geschickt, dann aber nichts mehr davon gehört. Hätte die Bundesregierung diese Aufforderung ernst genommen, hätten Sie damals die Maßnahmen gesetzt, dann wären Sie heute nicht in einer so prekären Situation. Hätte die Regierung damals nicht nur mit Arroganz und Hochmut reagiert und hätten Sie das Programm der Sozialdemokraten realisiert, dann gäbe es in Österreich eine wesentlich bessere Beschäftigungssituation, als wir sie derzeit haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe auch zuletzt vor wenigen Tagen im Verkehrsausschuss in einer aktuellen Aussprache Frau Bundesminister Forstinger gefragt, welche konkreten Projekte sie denn nunmehr gedenkt, rasch auf die Beine zu stellen, rasch so zu beauftragen, dass die Arbeitslosigkeit vor allem auf dem Bausektor zurückgeht. Die Antwort darauf war für mich enttäuschend. Sie hat nämlich gemeint, die Bauindustrie sei selber schuld, da sie diese Strukturen aufgebaut habe, daher solle sie auch schauen, wie sie da selber herauskommt.

Meine Damen und Herren! Das ist eine traurige Antwort – und eine traurige Wahrheit! –, aber so ist es nun einmal. In Wirklichkeit lebt diese Regierung vor allem in der Infrastruktur immer noch von den Programmen und den Investitionen der alten Regierung, die jetzt in Realisierung sind. Was es Neues geben wird, wissen wir absolut nicht.

Herr Bundeskanzler! Ich kann Ihnen diesen Vorwurf nicht ersparen: Sie sind mit Ihrem Konjunkturgipfel Monate – und das ist auch von der grünen Fraktion betont worden – zu spät dran. Herr Bundeskanzler! Sie wissen, wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas: Diese Bundesregierung betreibt nicht nur keine Konjunkturpolitik, sondern auch eine unverantwortliche Ausverkaufspolitik der österreichischen Unternehmungen an das Ausland. Gerade angesichts der liberalisierten Märkte in Europa wird öffentliches Eigentum für die Durchsetzung von Wirtschaftsinvestitionen an Schlüsselunternehmungen immer wichtiger. Ich kann nur an diese Regierung appellieren: Verkaufen Sie jetzt nicht auch noch den Rest des Tafelsilbers der Republik!

Ich habe einen kleinen Hoffnungsschimmer, denn in der letzten Ausgabe des "WirtschaftsBlattes" gibt es bereits eine öffentliche Diskussion über die Meinung des Herrn Präsidenten Prinzhorn, der jetzt den Vorsitz führt, und des Herrn Bundesministers Bartenstein, der doch einen unterschiedlichen Standpunkt einnimmt und meint, dass man Schlüsselunternehmungen in unserem Land auch im Besitz der Republik halten sollte, denn dieses Land braucht auch Unternehmenszentralen, dieses Land braucht wettbewerbsstarke Unternehmen mit eigenen Forschungseinrichtungen. Dieses Land kann nicht nur nach den Mustern der Papierindustrie regiert werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn Herr Westenthaler vorhin gemeint hat, wir hätten einen Entschließungsantrag betreffend Semperit nicht rechtzeitig fertig oder verschlafen, dann kann ich nur sagen: Sie sitzen in der Regierung, Sie sind hier Regierungsfraktion, und Sie haben einen Alibi-Antrag eingebracht. Das, was in Ihrem Antrag steht, müsste die Regierung, auch ohne dass darunter "Westenthaler" steht, machen, denn wenn sie das nicht täte, wäre diese Regierung eine arme Regierung. Ich glaube, die in der Regierung brauchen Sie mit Ihren Anträgen nicht!

Wir bringen folgenden Entschließungsantrag die Firma Semperit und die Belegschaft der Firma Semperit betreffend ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Verzetnitsch, Eder und GenossInnen betreffend Sicherung des Standortes und der Beschäftigung bei Semperit in Traiskirchen, eingebracht im Zusammenhang mit der Erklärung gem. § 19 Abs. 2 GOG des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin zum Thema "Erfolgsmodell Österreich – Standortverbesserung und Konjunkturbelebung"

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler wird aufgefordert, den Wirtschaftsstandort Traiskirchen, die Beschäftigung und den Wohlstand in dieser für Österreich wichtigen Region zu sichern (Abg. Großruck: Das war in der Vergangenheit sehr erfolgreich!) und das insbesondere durch die folgenden Maßnahmen sicherzustellen:

1. Sofortige Aufnahme direkter Verhandlungen mit der Konzernspitze von Conti, um den Produktionsstandort für die Zukunft zu sichern, und in dieser Situation einen Verkauf und damit eine österreichische Lösung zu erreichen. (Abg. Großruck: Zu spät! Ihr seid wieder einmal zu spät!)

2. Unterstützung und Finanzhilfe für Semperit zur Umstrukturierung, um das bestehende know how weiter zu entwickeln, zu modernisieren, die Produktqualität durch Forschung und Entwicklung weiter zu verbessern und die Produktion zu diversifizieren und damit weniger krisenanfällig zu machen.

3. Einberufung eines Krisengipfels, um die dafür notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

4. Stopp des Ausverkaufs der ÖIAG-Betriebe und Umwandlung der ÖIAG in eine Beteiligungsholding, da das Beispiel Semperit neuerlich bewiesen hat, dass nur heimische Konzernzentralen Forschung und Entwicklung, hochwertige Arbeitsplätze, qualitativ hochstehende Berufsausbildung und Aufträge für die Vielzahl österreichischer Klein- und Mittelbetriebe garantieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Redezeit!)

*****

Meine Damen und Herren! Stimmen Sie diesem Antrag zum Wohle der Belegschaft von Semperit zu! (Beifall bei der SPÖ.)

12.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Verzetnitsch, Eder und GenossInnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Dr. Forstinger. – Bitte.

12.29

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Geschätzte Kollegen der Bundesregierung! Hohes Haus! Wie wichtig die Investitionen in die Infrastruktur sind, wurde heute


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schon mehrmals bestätigt – eine Meinung, die sich quer durch dieses Hohes Haus sehr einheitlich widerspiegelt. Gerade als Infrastrukturministerin bin ich darüber sehr froh, denn da haben wir eine Grundlage, auf der wir gemeinsam aufbauen können.

Nicht nur jetzt, sondern auch in den letzten Jahren wurde gerade in den Infrastrukturbereich besonders investiert und vieles aufgeholt, was in jahrzehntelanger Verkehrspolitik versäumt wurde. Ich darf das so deutlich sagen. Nicht nur die mehr als hundertprozentige Steigerung im Infrastrukturbereich, im Bereich der Bahn, sondern auch ein Sonderfinanzierungsprogramm für den Bereich der Straße wurde erlassen – das hat uns ermöglicht, dass wir in einigen Bereichen schon sehr stark aufholen konnten.

Wie Sie wissen, sind Infrastrukturpolitik und Infrastrukturplanung sehr langfristig zu sehen, und daher war es höchst an der Zeit, einmal und erstmals hier in Österreich ein abgestimmtes Infrastrukturprogramm zu erarbeiten. Ich sage allen herzlichen Dank, die mitgearbeitet haben, das Ziel zu erfüllen, dass bis Ende des Jahres nicht nur die Prioritätenreihung, sondern das Programm im Wesentlichen steht, und wir werden die Einzelheiten im Jänner nächsten Jahres darstellen.

Ich kann daher alle Vorwürfe, die gekommen sind, sehr gelassen aufnehmen, denn ich frage Sie: Warum haben wir zehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gerade im Osten und im Süden einen so großen Aufholbedarf? 300 Millionen Schilling Investitionsbedarf – das wurde zitiert aus einem Programm der SPÖ, das vorgelegt wurde. Unabhängig davon, dass sich ein deutlicher Wechsel in Ihrer Verkehrspolitik abzeichnet, der sehr klar mit unseren Strategien akkordiert ist, zeigt sich doch, dass vieles aufzuholen ist.

Wir nehmen es in die Hand: nicht nur ein deutlicher Impuls in der Investition, auch verstärkte, verbesserte Verfahrensabläufe, Bemühungen in der Verfahrensverkürzung, aber auch in der Einbindung der Betroffenen. Wir haben unterschiedliche Kompetenzen in den Bereichen der Gemeinden, der Länder und des Bundes. Der Bund legt die Strategien vor. Wichtig ist aber auch, dass jene, die betroffen sind – darunter, gerade im Bereich der Flächenwidmungsplanung, viele Bürgermeister, aber auch viele auf Ebene der Länder, die in die Erstellung dieses Planes eingebunden sind –, dazu beitragen werden, dass wir jahrzehntelange Geschichten über Einzelprojekte abschließen und endlich realisieren können, womit wir Stabilität und gute Voraussetzungen für eine stabile Konjunktur schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Neben der Investition in die Infrastruktur ist aber auch die Benutzung derselben wesentlich, und ich frage mich: Warum haben wir im Schieneninfrastrukturbereich, in den Hunderte Milliarden Schilling investiert wurden, Kapazitäten übrig, die nicht genutzt werden? – Die Antwort ist ganz einfach: Weil es bisher keinen Wettbewerb gegeben hat, da es bisher nur einen gegeben hat, der es nutzen konnte. Und auch da müssen wir Verbesserungen schaffen, denn das Steuergeld, das in den Infrastrukturbereich investiert wurde, muss auch im Dienste aller entsprechend genutzt werden können. Da muss es einen verstärkten Wettbewerb geben, und wir müssen es auch schaffen, noch mehr Güter auf die Schiene zu bekommen.

Ganz wesentlich aber für die Konjunktur, für den Bereich der Entwicklung, der zukünftigen Entwicklung in diesem Land sind Forschung und Innovation. Noch nie wurde so viel Geld – noch einmal – zur nachhaltigen Investition, zur nachhaltigen Unterstützung der Entwicklung in diesem Bereich zur Verfügung gestellt. Das Wesentliche ist, dass wir all unsere Programme auf die Stärken Österreichs abstimmen.

Gerade im Bereich der außeruniversitären Forschung haben wir diese Programme vorliegen. Ich verweise auf die K-plus-Zentren, eine Erfolgsstory in der Verbindung zwischen Wirtschaft und Unternehmen, woran sich gerade Klein- und Mittelbetriebe sehr stark beteiligen können, die diese auch rasch umsetzen. Es müssen noch stärkere Impulse gesetzt werden, damit mit dieser Voraussetzung weiterer Investitionen der Forschung und Innovation entsprechend Rechnung getragen werden kann.


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Ganz wesentlich ist neben den Forschungsgeldern aber auch das Service. Viele kleine und mittlere Betriebe haben keine eigenen Forschungsabteilungen, haben auch wenig Möglichkeiten, sich in einer neuen Materie in der Forschung und Innovation zu bewegen. Daher wird es in unserem Ministerium eine Anlaufstelle geben, ein so genanntes One-Stop-Shop, wo man nicht nur Informationen über Förderprogramme erhalten kann, sondern auch Erfahrungsaustausch betreiben kann, um das Know-how entsprechend nutzen zu können, um weitere Impulse für diejenigen zu geben, die es auch ermöglichen, dass wir die Quote erreichen, denn die Klein- und Mittelbetriebe sind sehr wesentlich, damit wir zu einem Forschungs- und Innovationsstandort in Österreich werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte. (Abg. Edler: Jetzt müsst ihr alle reden, damit ihr ins Fernsehen kommt!)

12.35

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe Herrn Abgeordnetem Eder sehr genau bei seiner Rede zugehört. Er hat gesagt, die Regierung möchte möglichst viel schönreden. – Meine Damen und Herren! Wir nennen Ihnen Zahlen, Daten, Fakten. Was Sie machen, ist ein Schlechtreden, ein Miesmachen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Was Sie machen, ist ein Demotivieren – und das kann wohl nicht Aufgabe einer zukunftsorientierten Politik sein. (Abg. Gaál: Das ist die Wahrheit! – Abg. Edler: 20 Prozent!)

Was mich auch sehr verwundert, ist, dass die Oppositionsredner ihren eigenen ehemaligen Experten nicht mehr Glauben schenken. Wenn ein Herr Professor Kramer und ein Herr Professor Felderer sagen, Bildung, Forschung und Entwicklung sind der Standortvorteil für Österreich und Investitionen in diese Bereiche die wichtige Maßnahme zur nachhaltigen Förderung der Konjunktur, wenn ein Herr Professor Dr. Frisch, Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses, sagt, dass es völlig falsch wäre, wieder neue Schulden zu machen, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren: Wieso glauben Sie diesen Experten nicht? – Wir nehmen diese Expertenmeinungen sehr, sehr ernst und setzen sie auch um. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wie wichtig langfristige Politik ist, zeigt sich an der Bildungspolitik. Seit 1995 wurde in Österreich konsequent an den Schulen gearbeitet – an neuen Lehrplänen, an der Technologieoffensive, an der Qualitätssteigerung, an einer neuen Schulpartnerschaft –, und jetzt haben wir das Ergebnis: Es ist richtig, dass wir diese Weiterentwicklungen an den Schulen gemacht haben. Und ich frage mich: Warum, Herr Öllinger, gönnen Sie den Lehrerinnen und Lehrern diesen Erfolg nicht?

Die OECD – das sind die 31 wichtigsten Industriestaaten der Welt – sagt: Wir liegen in dieser Hinsicht im vorderen Drittel, wir liegen weit, weit vor Deutschland! Und ich danke allen Lehrerinnen und Lehrern, die mit ihrer Arbeit zu diesem Erfolg beigetragen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Interessant ist auch, was Experten und Expertinnen darüber sagen, warum das österreichische Schulsystem diesen Erfolg hat. Sie sagen, in Österreich wird Schule ernst genommen, in Österreich wird Bildung ernst genommen, in Österreich wird auch noch Leistung verlangt. – Das ist das Geheimnis der Erfolges! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, ich kann Ihnen eines versprechen: Wir werden auch in Zukunft der Gefahr oder der Herausforderung widerstehen, Gesamtschulen einzuführen, denn es zeigt sich ganz klar und deutlich: Ein differenziertes, begabungsorientiertes Bildungssystem mit allen Hilfen für sozial Schwächere, für Leistungsschwächere ist der Bildungsweg in die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Außer dieser langfristigen Weichenstellung für die Bildungspolitik, die jetzt ihre Früchte trägt, gibt es zahlreiche Maßnahmen, die ganz wichtig sind, die von der österreichischen Bundesregierung gesetzt werden. Ich war am Montag in Brüssel beim Minister


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rat für die Forschungsminister, es ist das 6. EU-Rahmenprogramm für Forschung mit 17,5 Milliarden € beschlossen worden. Wir haben erreicht, dass mindestens 15 Prozent der Mittel für thematische Prioritäten für KMUs gegeben werden, dass die Klein- und Mittelbetriebe in besonderem Maße gefördert werden – in der EU genauso, wie wir es in Österreich machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben auch im Bereich der Forschung neue Akzente gesetzt: 7 Milliarden Schilling sind in die Forschung geflossen, über 9,1 Milliarden Schilling sind für Forschung und Bildung im Konjunkturbelebungsprogramm vorgesehen. – Das sind positive Signale, das sind positive Maßnahmen!

Meine Damen und Herren! Wir werden auch in Zukunft (Abg. Edler: Ihre Greißler sperren immer mehr zu! Das ist eine Tatsache!) das Uralt-Konzept der Opposition, mit Steuergeldern direkt Arbeitsplätze zu fördern und damit Scheinerfolge zu erzielen, nicht übernehmen. Wir werden auch in Zukunft mit Steuergeldern neues Wissen, neue Technologien und bestens gebildete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen finanzieren.

Das ist die Zukunft! Das ist die Garantie für eine gute Wirtschaftsentwicklung, für die Sicherung der Arbeitsplätze, für die gute Zukunft unseres Landes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Tancsits. (Abg. Edler: Der Schönling!) Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

12.41

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Folgt man der Debatte und den Erklärungen der Opposition, dann müsste man der Meinung sein, eine von den USA ausgehende internationale Konjunkturkrise, der Börsenzusammenbruch nach dem 11. September, all das wären Dinge, die auf Österreich keine Auswirkungen hätten; hingegen wäre es die Regierungspolitik, die diese Konjunkturkrise – auch ganz im Gegensatz zum Rest der Welt – verursacht hätte. – Das brauche ich an und für sich nicht zu beurteilen, denn es kann jeder an fünf Fingern abzählen, dass sich eine Volkswirtschaft mit etwa 8 Millionen Einwohnern, die – Gott sei Dank – exportorientiert ist, nicht von der internationalen Entwicklung abkoppeln kann.

Interessanter wird es dann bei den gebotenen Rezepten, die eigentlich schon die Krisen der achtziger und neunziger Jahre ausgelöst haben: öffentliche Verschuldung, Verschuldung auf Kosten der nachkommenden Generation und derjenigen, die später in den Beruf eintreten. – Auch das wird es wohl nicht sein.

Dann werden in einem Regierungskatalog Maßnahmen vorgelegt – und da gibt es wieder mehrere Möglichkeiten, darauf einzugehen, nämlich: nicht reagieren, ablehnen und dort, wo es möglich ist, aktiv dagegen steuern.

Ich möchte das anhand von Beispielen aufzeigen, und ich frage vor allem Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ: Wo waren Sie am Abend des 21. November, was haben Sie an diesem Tag gemacht? Das war ein Plenumstag, an dem wir hier Wohnrechtsgesetze vorgelegt und zur Abstimmung gebracht haben, die – und das ist keine Erfindung der Regierung, sondern durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt – einen nachhaltigen Bauimpuls von bis zu 6 Milliarden Schilling im Jahr bringen werden.

Ich kann es Ihnen sagen: Sie haben es abgelehnt, aus irgendwelchen Gründen, die wahrscheinlich nur wenige von Ihnen nachvollziehen können. (Abg. Edler: Auf Kosten der Mitarbeiter!) Sie, Herr Kollege Edler, haben diesen wichtigen Investitionsimpuls abgelehnt (Abg. Edler: Aus guten Gründen: Auf Kosten der Mitarbeiter!), aber heute stehen Sie hier und beklagen die Arbeitslosigkeit am Bau. – Meine Damen und Herren! Das ist eine Politik, die hinterfragenswert ist!


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Diese Regierung hat es geschafft, trotz Konjunkturkrise und trotz Problemen auf dem Arbeitsmarkt die Frauenbeschäftigung zu steigern, trotz notwendiger Anpassung des Pensionsalters die älteren Arbeitnehmer zu schützen. Sie aber unterlaufen das, wo es geht! Die gerade hereinkommende Frau Abgeordnete Silhavy etwa, die Sozialsprecherin der SPÖ, hat es geschafft, eine 58-jährige Mitarbeiterin (Abg. Edler: Letztklassig! Letztklassig!), knapp an den Schutzbestimmungen des Gesetzes vorbei, aus dem Arbeitsleben zu drängen. (Ah-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Wer war das?) Das ist soziale Kälte, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Gusenbauer, der nicht mehr im Saal ist, weil ihn diese Debatte nicht interessiert, hat gesagt – ich muss darauf eingehen; beim Kollegen Gusenbauer ist ja der Ton nicht ausgefallen, obwohl ich gar nicht so sicher bin, dass ihm das wirklich nützt –: Was die Beschäftigung betrifft, hat die Sozialdemokratie noch jede Wirtschaftskrise der Vergangenheit besser gemeistert.

Ich weiß nicht, von welcher Sozialdemokratie er spricht! Wenn ich – ganz unspektakulär – die Beschäftigtenzahlen der letzten zehn Jahre und die Arbeitslosenzahlen der letzten zehn Jahre vergleiche und nicht irgendwelche Zuwachsrechnungen heranziehe, dann kann ich nachvollziehbar feststellen, dass wir im Konjunkturkrisenjahr 2001 im Jahresschnitt um hunderttausend Beschäftigte mehr und um zehntausend Arbeitslose weniger haben als in den neunziger Jahren.

Das war nicht gefragt, meine Damen und Herren: Schulden machen, weniger Beschäftigte, mehr Arbeitslose erzeugen, wie es uns Ihre Rezepte aus dem Museum der sozialistischen Sozial- und Wirtschaftspolitik heute noch immer vormachen wollen.

Ich denke, dass das von dieser Bundesregierung vorgelegte Konjunkturprogramm die richtige Antwort ist, dass die darin enthaltenen Maßnahmen intelligente Maßnahmen sind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. – Ich bitte Sie, der Geschäftsordnung entsprechend zu berichtigen.

12.46

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Bundesministerin Gehrer hat in ihrer Rede zuvor behauptet, PISA bestätige die Richtigkeit eines früh differenzierenden Schulsystems wie dem österreichischen.

Das ist schon deshalb unrichtig, weil in PISA keine Wertung über Schulsysteme vorgenommen wird. Richtig ist, dass man, wenn man sich die Ergebnisse anschaut, feststellen wird, dass das in Europa führende Land, nämlich Finnland, ein Gesamtschulsystem hat und dort speziell eine frühe Selektierung nicht stattfindet.

Richtig ist vielmehr, dass alle Experten meinen, man müsste aus PISA sehr differenzierte Schlüsse ziehen, weil nämlich genau das, was Sie hier machen – ein Schulsystem daraus abzuleiten und zu sagen, es war wunderbar mit den Ergebnissen –, nicht stimmt. (Abg. Böhacker: Das ist ja ein Redebeitrag!)

Richtig ist vielmehr auch, dass die Experten dazu auffordern (Abg. Haigermoser: Herr Meister, ...! – Abg. Mag. Schweitzer: Hallo!), Schlüsse daraus zu ziehen und sich an den besseren Ländern zu orientieren. – Das ist Tatsache zu PISA. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war eine "tatsächliche Bestätigung"!)


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12.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

12.47

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich den Reden der Vertreterinnen und Vertreter – Vertreterinnen waren es bisher nur sehr wenige – der Regierungsparteien mein Ohr leihe, dann komme ich mir heute Abend vor wie unter einem Weihnachtsbaum im Rezessionshaushalt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die Größe der Schachteln (Abg. Kiss: ... gehen schon schlafen, Frau Kollegin!), der Weihnachtspackerln ist definiert. Das glänzende Papier und die schönen Schleifen rundherum sind ausführlich dargestellt worden. Wenn es dann aber ans Auspacken geht, dann findet man maximal etwas Zuckerwatte darin. – Wie sich Zuckerwatte auswirkt, das wissen wir alle: Fährt in die Zähne, schmeckt nicht wirklich gut, füllt viel Platz aus und ist nicht viel wert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Mit Ihrer Pension kann man sich sehr viel Zuckerwatte leisten! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie sich zum Beispiel den Antrag Khol, Westenthaler, den zu lesen ich jetzt Gelegenheit hatte, anschauen, der nun versucht, die Inhalte dieser Pakete, dieser Konjunkturpakete zu definieren, dann finden Sie vor allem hier, im Baubereich, eine sehr vorsichtige Formulierung, und ich möchte schon ganz gerne hinterfragen: Warum müssen Sie denn da auf solche Weise einsteigen? Hier heißt es: Der "Versuch des Vorziehens von baureifen Projekten" im Baubereich soll gemacht werden.

Also für den Versuch alleine hätte es dieses Antrages wirklich nicht bedurft, denn baureife Projekte gibt es! Diese baureifen Projekte, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen jetzt auch schildern, denn wenn Sie in die Pakete nichts hineintun, dann wird eben die Opposition definieren müssen, was die Notwendigkeiten zur Konjunkturbelebung in Österreich sind. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Fischer. )

Bleiben wir im Bereich der Infrastruktur – ich möchte mir jetzt in erster Linie diese vornehmen. Baureife Projekte im Bereich der Infrastruktur – und ich spreche jetzt in erster Linie einmal vom öffentlichen Verkehr, also von der Schiene – existieren, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass ihre Durchführung für die Verkehrsbewältigung sogar exzellent positive Auswirkungen hätte. Das wären all diese Kleinmaßnahmen, die zum Beispiel die Verbesserungen von Stützmauern, von Brückensanierungen und Ähnlichem mehr im Bereich der Bahn betreffen, die mit relativ wenig Mitteleinsatz sehr viel an positiven Auswirkungen hätten, und zwar sowohl im Bereich der Beschäftigung als auch im Bereich der Fahrleistungen, die dann besser erbracht werden könnten. (Abg. Ing. Fallent: Wo? Sagen Sie, wo! – Abg. Dr. Grollitsch: Wo soll das erfolgen? – Weitere Rufe bei den Freiheitlichen: Wo? Wo?)

Sie können sich zum Beispiel, wenn Sie konkrete Projekte abfragen, das Bahnprojekt im Gasteinertal anschauen, das wiederum sehr, sehr weit zurückgereiht wurde (Ruf bei den Freiheitlichen: Welches Projekt meinen Sie da?), wenn ich die ersten Informationen über den Generalverkehrsplan ernst nehme. (Zwischenrufe der Abgeordneten Ing. Fallent und Dr. Grollitsch. ) Sie hätten, würden Sie diese Ausbauten im Bereich öffentlicher Verkehre, in der Schieneninfrastruktur durchführen, sehr positive Konjunkturauswirkungen, und Sie hätten vor allem – und das ist in dieser Zeit, in der die Arbeitsplatzsituation immer enger wird, zu berücksichtigen – wesentlich positivere Auswirkungen, was die Arbeitsplätze betrifft, als das zum Beispiel beim Bau von Autobahnen der Fall ist. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie könnten damit zudem Ihre Ankündigung wahr machen, dass in erster Linie Klein- und Mittelbetriebe vom Konjunkturpaket profitieren, denn genau wie zum Beispiel bei der thermischen Sanierung im Gebäudebereich sind es auch hier die Klein- und Mittelbetriebe, die davon profitieren würden, und nicht die Riesen am Markt, die mit vielen Maschinen und wenig menschlicher Arbeitskraft arbeiten – womit ich bereits beim zweiten zentralen Punkt bin.

Eines dieser Pakete müsste – denn das hat sich schon im Kleinen bewährt – jedenfalls die Klimaschutzmilliarden – hier massiv Investitionsförderungen im Bereich der Wärmedämmung, im Bereich der Gebäudesanierungen – enthalten. Wir wissen alle – und Sie wissen es auch alle


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aus Ihren Bundesländern und aus Ihren Bereichen –, dass gerade im Bereich der öffentlichen Bauten die thermische Sanierung längst noch nicht dort ist, wo sie sein sollte. Wir könnten hier erstens eine Beschäftigungswirkung von bis zu 2 000 Arbeitsplätzen pro eingesetzter Milliarde Schilling erzielen, zweitens die Geldtaschen der Nutzerinnen und Nutzer der Wohnungen in der Folge entlasten, weil Einsparungen bei den Heizkosten erzielt werden, und es würde drittens die Konjunktur angeregt und Klimaschutz auch wirklich stattfinden.

Deswegen, meine Damen und Herren, fordere ich Sie auf: Packen Sie die Klimaschutzmilliarden in dieses Konjunkturpaket hinein! Dann können Sie dort, wo sich etwas bewährt hat – nämlich die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, um damit Investitionen auszulösen –, einen positiven Impuls für die Umwelt, für die Beschäftigung und für die Konjunktur setzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Fischer. )

12.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.53

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Verehrte Abgeordnete! Während wir hier ein Konjunkturpaket mit vielen positiven Wirtschafts- und Arbeitsplatzinitiativen diskutieren, begibt sich die SPÖ in die Rolle des weinerlichen und mit Selbstmitleid erfüllten Oppositionspartners, der nicht erkennt, dass hier eine Maßnahme gesetzt wird, mit der trotz wirtschaftlich schwieriger Zeit für Österreich als Wirtschaftsstandort viel Positives geleistet wird.

Aber nicht nur, dass dieses Konjunkturpaket positive Inhalte hat, es ist für mich auch eine Trendumkehr: eine Trendumkehr weg von der SPÖ-Schuldenpolitik, von der "Loch-auf-Loch-zu"-Politik hin zu einer zukunftsorientierten Wirtschafts- und Arbeitnehmerpolitik, die in diesem Land einfach notwendig ist. Wir befinden uns hier in Österreich aber auch in einem Umbau, nämlich in einem staatspolitischen Umbau vom Funktionärsstaat hin zu einem blühenden Wirtschaftsland Österreich. Ich halte es für notwendig, dass dies der SPÖ einmal in aller Deutlichkeit gesagt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Zu Ihnen, Herr Kollege Edlinger, komme ich noch, und zwar mit Begeisterung, denn das war ein Klassiker, den Sie heute geboten haben! (Abg. Edlinger: Das glaube ich!)

Während nämlich die Regierungsparteien darum bemüht sind, Beschäftigung und Wohlstand in Österreich zu sichern, ist die SPÖ drauf und dran, einen kräftigen Schritt nach hinten zu gehen. Sie hat sich darauf verstanden und weiß nicht einmal mehr, dass ihr Dogma nun "Schlafen in der Pendeluhr" geworden ist – "Schlafen in der Pendeluhr!" 

Ich sage Ihnen auch, warum: Klubobmann Westenthaler hat als einer der ersten Redner in der heutigen Debatte hier einen Antrag zur finanziellen Absicherung der Mitarbeiter von Semperit eingebracht. Erst der dritte oder vierte SPÖ-Redner kommt überhaupt darauf, dass Semperit noch existiert, und bekundet hier die Absicht, dass die SPÖ irgendwann auch einmal einen Antrag einbringen wird. – Das nenne ich "Schlafen in der Pendeluhr"!

So etwas wäre früher einmal bei der SPÖ undenkbar gewesen. Damals hat sie aktiv Arbeitsmarktpolitik betrieben, und heute: Schlafen, schlafen, schlafen – bis hin zu Präsident Verzetnitsch, der früher von seinem bedauerlicherweise verstorbenen Vorgänger viel hätte lernen können, wenn er dazu bereit gewesen wäre. Dann wäre das mit Semperit in dieser Form nicht passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Fink. )

Jetzt insbesondere zum ehemaligen Finanzminister Edlinger: Er war heute der Rädelsführer des kollektiven Offenbarungseides der SPÖ. Ein paar Wortspiele des Herrn Edlinger: "Das Arbeitsmarktservice muss sparen." – Na bravo! Ich weiß schon, dass in den Reihen der SPÖ das


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Wort "sparen" ein Unwort ist, aber es ist letztlich zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich unabdingbar.

Die SPÖ stellt sich als Partei mit Lösungskompetenz dar. – Das glaubt ja in Wirklichkeit niemand mehr!

Sie haben auch behauptet, die Menschen seien uns egal. – Ich kann Ihnen nur eines sagen: Egal waren Ihnen die Menschen in den letzten Jahren! Es sind schon Beispiele dafür angeführt worden, wie etwa, dass Bäcker innerhalb von nur einem Tag gekündigt werden können. Das hat weder den ÖGB-Präsidenten interessiert noch den alten Finanzminister Edlinger. Oder: Die Pensionisten hatten im Jahre 1997 0,0 Prozent Pensionserhöhung.

0,0 Prozent Pensionserhöhung unter sozialistischer Verantwortung – das sollten Sie nicht so schnell vergessen! Die SPÖ hat nie Lösungskompetenz an den Tag gelegt!

Eine aktive Arbeitsmarktpolitik – nicht die Verwaltung der Arbeitslosen über das Arbeitsmarktservice, sondern eine aktive Arbeitsmarktpolitik – ist der beste Garant für eine funktionierende Wirtschaft in unserem Lande. Wenn ich daran denke, dass es in der vergangenen Ära keinen halbstaatlichen oder staatlichen Bereich gegeben hat, in dem nicht eine parteipolitische Besetzung stattgefunden hat – ich nenne als Beispiele nur Herrn Streicher, Herrn Draxler und andere  (Abg. Edlinger: Der Hauptverband!)

Herr Edlinger! Mischen Sie sich nicht ein! Ich habe Ihnen zugehört, daher hören auch Sie mir zu! Ich sage Ihnen eines (Abg. Edlinger: Die Geschichte mit dem Herrn Draxler ...!): Ich nenne nur zwei Beispiele (Abg. Edlinger: Da können Sie sagen, was Sie wollen!): die angeblichen Wunderwuzzis Draxler und Streicher. Für sich selbst waren sie perfekte Wunderwuzzis, weil sie Millionen an Abfertigung kassiert haben, aber für jene Unternehmen, für die sie verantwortlich waren, und für deren Mitarbeiter haben sie nicht einmal den kleinen Finger gerührt! Ihnen war nur wichtig, sich gegenseitig die Verträge zuzuschanzen und dann letztlich irgendwann einmal mit Abfertigungssummen in Millionenhöhe – 71 Millionen Schilling im Fall von Streicher! – in den Ruhestand zu gehen. Das war Ihre Form der Politik, die wir auf das Schärfste ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das werden auch Sie, Herr Präsident Fischer, mir glauben, dass einem Herrn Sörensen bei der AUA oder einem Herrn vorm Walde bei der ÖBB die Parteipolitik keine entscheidende Rolle spielt, sondern das Entscheidende für sie ist, dass sie diese ihnen überantworteten Unternehmen und die betroffenen Mitarbeiter in eine gute Zukunft führen, weil eine gute wirtschaftliche Basis auch die Voraussetzung für eine gute Beschäftigungssituation und für eine sinnvolle Familienpolitik ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das glaubst du jetzt wirklich selbst?)

12.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Csörgits zu Wort gemeldet. (Abg. Haigermoser  – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Csörgits –: Wie viel verdienen Sie?)

12.59

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ja, Herr Abgeordneter Gaugg, ich kann Ihnen zustimmen (Abg. Gaugg: Lernen Sie rechnen! Lernen Sie einmal rechnen!): Sie betreiben eine Umbaupolitik! Sie bauen um von den Schwachen zu den Reichen, von den ArbeitnehmerInnen zu den Selbständigen. – Das ist Ihre Umbaupolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen und Vorschläge reichen zur Bekämpfung der drohenden Rezession zweifellos nicht aus. Die Dämpfung des Wirtschaftswachstums und die starke Erhöhung der Zahl der Arbeitslosen ist auch auf die Belastungspakete dieser Bundesregierung zurückzuführen, die zweifellos sehr unsozial waren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Sie wissen es noch immer nicht! – Abg. Böhacker: Wie viel verdienen Sie? – Abg. Gaugg: Hat Ihnen der ÖGB einen Rechenkurs bezahlt?)


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Ich möchte auf die Situation auf dem Arbeitsmarkt eingehen, weil ich der Auffassung bin, dass hier ganz entscheidend festgestellt werden muss, dass die Zahl der Arbeitslosen sehr, sehr stark gestiegen ist. Hinter jedem Arbeitslosen steht eine Vielzahl von Schicksalen, und mir reicht es da nicht, wenn man sagt, es gibt Länder, in denen die Situation viel schlechter ist als bei uns. Ich möchte, dass jeder Arbeitsloser ein Arbeitsloser zu viel ist, denn das ist ein Schicksal, gegen das wir mit vielen, vielen Maßnahmen ankämpfen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie wollten noch zusätzlich ausländische Arbeitskräfte hereinbringen nach Österreich!)

Im November 2001 ist die Zahl der Arbeitslosen um 32 000 gestiegen. Damit waren Ende November dieses Jahres 225 000 Menschen arbeitslos. Beim Zuwachs bei den Beschäftigten, der von Ihnen so hoch eingeschätzt worden ist, sagen Sie ganz einfach nicht dazu, dass es hiebei vorwiegend um atypische Dienstverhältnisse geht, um Dienstverhältnisse, die nicht abgesichert sind, wie zum Beispiel Leiharbeit. Das ist einzig und allein im Zusammenhang mit dem Beschäftigtenzuwachs zu bemerken.

Doch was macht die Bundesregierung? – Dem AMS werden keine weiteren Mittel zur Verfügung gestellt. Die Mittel werden eingefroren. Die Lehrlingsoffensive, die gesetzt worden ist, ist zweifellos höchstens ein kleiner Tropfen auf einen heißen Stein. Stattdessen diskutiert man über die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen bei den Arbeitslosen. Wir brauchen keine schärferen Zumutbarkeitsbestimmungen, wir brauchen mehr Qualifikation für unsere Arbeitslosen, damit sie wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie loben auch so sehr und schreiben es sich auf Ihre Fahnen, dass es zu einer Anpassung der Arbeiter- und Angestelltenrechte kommt. Sie verschweigen aber, unter welchen Voraussetzungen das zustande gekommen ist.

Im Zusammenhang mit den sehr starken steuerlichen Belastungen, die zweifellos auch dazu führen, dass die Masseneinkommen nicht in ausreichendem Maße gestiegen sind und dass die Leute einfach auch deswegen sparen müssen, möchte ich nur einige Beispiele nennen. So kam es zu einer De-facto-Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages, es kam zu einer höheren Besteuerung bei der Urlaubsentschädigung, es kam zu einer höheren Besteuerung bei der Kündigungsentschädigung, es kam zu einer höheren Besteuerung im Zusammenhang mit Nachzahlungen aus Anlass arbeitsrechtlicher Prozesse und Verfahren, und es kam zur Besteuerung der Unfallrenten. Das ist Ihre Politik, das ist Ihre Umverteilungspolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie schaut das jetzt in der Praxis aus? – Bei einer Unfallrentnerin mit monatlich 20 000 S brutto und 3 000 S Unfallrente räumt diese Bundesregierung 1 098 S ab. So schaut diese Politik aus! (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich auch noch sagen: Das von Ihnen so hoch gelobte Kinderbetreuungsgeld ist ebenfalls eine Mogelpackung. Die jungen Familien werden noch draufkommen, was für eine Familienpolitik Sie machen, nämlich eine total verkehrte, die wieder einzig und allein auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes geht und einzig und allein dazu führt, dass Frauen kaum mehr Möglichkeiten haben, nach der Familienpause wieder zurück in den Arbeitsprozess zu finden.

Ja, das ist die neue Regierungspolitik! Bei den Kleinen, bei den Einkommensschwachen wird gespart, da wird abgecasht, und die Großen, die Vermögenden dieses Landes, die erhalten noch Steuergeschenke. Ja, Sie stärken die Starken, aber bei den Schwachen vergessen Sie immer, dass deren Lage verbessert werden muss! (Beifall bei der SPÖ.)


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13.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.04

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich mache eine tatsächliche Berichtigung, weil man gerade falsche Meldungen von der Regierungsbank nicht so stehen lassen kann.

Der Herr Bundeskanzler hat von 7 Milliarden Schilling an Forschungsförderung gesprochen, die ausgegeben wurden, und von 7 Milliarden, die weiter ausgegeben werden. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Zusätzlich!) Zusätzlich, genau! Die Frau Vizekanzlerin hat sogar konkret gewusst, dass 70 Prozent dieser 7 Milliarden schon vergeben sind. Das hat sie hier gesagt. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) Sie hat "vergeben" gesagt, Herr Bundeskanzler; ich habe das genau mitgeschrieben.

Ich stelle dazu richtig: Zum jetzigen Zeitpunkt – ich beziehe mich da auf eine Information aus dem Rat für Forschung- und Technologieentwicklung – sind 1,9 Milliarden Schilling angefordert, 1,7 Milliarden Schilling vom Finanzministerium freigegeben und tatsächlich weitergeleitet worden.

Das ist die richtige Zahl: nicht 7, nicht 4,9, sondern 1,7 Milliarden. – So leichtfertig gehen Sie mit diesen Zahlen um! (Beifall bei der SPÖ.)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

13.06

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es hat mich schon ein bisschen irritiert, als der ehemalige Finanzminister, Kollege Edlinger, der jetzt nicht mehr da ist, in seinem Schlusssatz gemeint hat, diese Bundesregierung schaffe keine Arbeitsplätze, sondern Arbeitslose. – Das war ein ziemlich unqualifizierter Sager – "dumm" darf ich hier nicht sagen, das würde mir einen Ordnungsruf einbringen – für einen ehemaligen Minister.

Nicht nur dass wir ein unterschiedliches Verständnis haben, dass nicht die Regierung Arbeitsplätze schafft, sondern die Betriebe – die Regierung schafft nur Rahmenbedingungen; und wir werden dieses unterschiedliche Verständnis heute auch nicht bereinigen können, weil zwischen Ihnen von der linken Seite und uns der Klassenkampf steht –, so geht es mir vielmehr auch um Folgendes: Ich hätte dem Kollegen Edlinger zugetraut, dass er weiß, dass wir einen Beschäftigungsrekord haben, dass wir eine Zunahme der Beschäftigung zu verzeichnen haben, dass noch nie so viele Menschen in Beschäftigung standen wie derzeit. Zugegebenermaßen haben wir natürlich auch Sorgen mit der Arbeitslosigkeit. Das ist gar keine Frage, darum diskutieren wir heute hier.

Kollege Eder hat einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem er den Stopp des Ausverkaufs der österreichischen Wirtschaft, der ÖIAG-Betriebe an das Ausland fordert, und das halte ich schon für ein bisschen kühn, wenn das von der Sozialdemokratie kommt. Wer hat denn Semperit an Conti verkauft? Wer hat denn die Bank Austria an die Deutschen verscherbelt? Das waren wirklich keine wirtschaftspolitischen Ruhmesblätter, sondern das war sozialdemokratische Wirtschaftspolitik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir machen das anders! Wir haben die gute Konjunkturlage im Jahr 2000 genutzt. Es war sehr klug, dass wir das Budget saniert haben, und es ist richtig, dass wir die Reformen zügig umsetzen, denn verkrustete Strukturen wirken wie eine Bremse. Wir sorgen dafür, dass der Konjunkturmotor läuft – zugegeben derzeit etwas langsamer: und deshalb hat die Bundesregierung ein umfassendes Konjunkturbelebungsprogramm vorgelegt. Wir haben nicht bloß eine Geldspritze gegeben, wie das immer von der linken Seite gefordert wird, sondern ein Bündel von Maßnahmen gesetzt, denn der Konjunkturmotor hat mehrere Antriebswellen: Export, Technologie, Tourismus, Bauwirtschaft und Konsum sind nur einige.


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Nicht alle diese Bereiche sind derzeit gleichermaßen betroffen. Wie bereits erwähnt, ist die Arbeitslosigkeit am Bau unser größtes Sorgenkind. Der Bausektor hat in der österreichischen Wirtschaft einen überproportional hohen Anteil, und in der Vergangenheit funktionierte hier eine Geldspritze immer relativ gut als Antriebswelle für die Konjunktur, besonders im Wohnbau und im Tiefbau, bei den Infrastrukturmaßnahmen. Daher sind diese Dinge heute auch schon mehrmals erwähnt worden. Wir wissen das, und deshalb werden wir im Baubereich Initiativen setzen.

Das allein ist aber zu wenig. Wir müssen auch strukturell etwas tun, denn unsere Volkswirtschaft ändert sich schrittweise in Richtung Dienstleistung, Technologie und Export. Da hat Kollegin Petrovic die Innovationen angeführt. Es ist richtig, dass wir in Österreich zu wenig innovationsfreudig sind, und daher hat diese Bundesregierung ein massives Technologie- und Forschungsprogramm initiiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich zum Schluss noch darauf hinweisen, dass ich zuversichtlich bin für das nächste Jahr, und zwar auch deshalb, weil eine der Konjunkturantriebswellen der Konsum der Österreicherinnen und Österreicher ist. Mit dem Kindergeld werden wir die österreichischen Familien im nächsten Jahr mit 9 Milliarden Schilling beim Konsum unterstützen. Sie werden dieses Geld zusätzlich zur Verfügung haben. Das wird ein starker Impuls sein und verhindern, dass der private Konsum zurückgeht. Jungfamilien geben ihr Geld bekanntlich aus. Sie haben es nämlich nicht so dick, sie können sich nicht so viel zurücklegen. Daher ist es gut angelegt, wenn wir das Geld diesen Familien geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mit diesen zusätzlichen 9 Milliarden Schilling wird die Wirtschaft nächstes Jahr einen belebenden Impuls erhalten, und gemeinsam mit dem restlichen Bündel an Maßnahmen im Konjunkturbelebungsprogramm werden wird – da bin ich sicher – unseren Wohlstand und unsere gute internationale Position behalten. (Beifall bei der ÖVP.)

13.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

13.11

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Ich bin ja dankbar, dass Wirtschaftsminister Bartenstein, der ehemalige Umweltminister, und der jetzige Umweltminister auf der Regierungsbank sitzen, denn in ihren Händen könnten – könnten! – Milliarden liegen, die wirklich in ein sowohl beschäftigungspolitisch als auch wirtschaftspolitisch, steuerpolitisch, budgetpolitisch und umweltpolitisch effizientes Ziel gelenkt werden können.

Meine Kollegin Lichtenberger hat schon die Notwendigkeit angesprochen, durch umfassende Wärmedämmungsmaßnahmen nicht nur Heizkosten zu reduzieren, sondern auch entsprechende Impulse in der Bauwirtschaft zu erwirken. Die Beschäftigungswirksamkeit dieser Milliarden sind durch keine anderen Förderungs- oder Investitionsmilliarden auch nur annähernd zu erzielen. Wenn man eine Milliarde in Förderungen investiert, handelt es sich um ein Investitionsvolumen von 4,53 Milliarden, das dadurch ausgelöst wird, und das ist dann beschäftigungsrelevant in einer Größenordnung von etwa 4 000 Bauarbeiterinnen und Bauarbeitern, wobei man noch tausend Beschäftigte in der Wärmedämmstoffindustrie hinzurechnen muss. Da habe ich sozusagen ein vergleichsweise sehr, sehr günstiges Mittel – ich will es nicht gerade als Wundermittel bezeichnen – in der Hand, wie ich vorhandene Milliarden im Sinne des Kyoto-Zieles, im Sinne der Wirtschaftskonjunktur, der Belebung der Bauwirtschaft und auch im Sinne des Umweltschutzes und der Heizkostenersparnis einsetzen kann.

Deswegen habe ich heute einen Antrag vorbereitet, den ich auch einbringen möchte, damit es nicht bei den unverbindlichen Versprechungen der Regierung bleibt, eine Umschichtung bei der Wohnbauförderung vorzunehmen, sondern eine ganz deklarierte Zahl genannt wird und ein ganz deklarierter Auftrag erteilt wird.


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend die konjunkturell vorteilhafte Zweckbindung von Wohnbaufördermitteln für umfassende Gebäudesanierungen im Wege einer Art. 15a-Vereinbarung Bund-Länder

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf schnellstem Weg eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG mit den Bundesländern im Hinblick auf eine Zweckbindung von Wohnbauförderungsmitteln in der Höhe von 5,6 Milliarden Schilling jährlich (Empfehlung des Klimaschutzbeirates 1998) – Herr Minister Bartenstein, das war unter Ihrer Ägide – für umfassende Gebäudesanierung im Sinne des Klimaschutz-Ziels und nachhaltiger Konjunkturimpulse zu treffen.

*****

Ich nenne absichtlich diese 5,6 Milliarden Schilling, weil sie wissenschaftlich nachgewiesen sind, weil sie bereits einmal Forderung der Bundesregierung, zumindest in Gestalt des Klimaschutzbeirates, waren und weil sie da sind. Bitte, das ist ja der große Vorteil! Wir haben die Wohnbauförderungsmittel im Umfang von 24,5 Milliarden pro Jahr. Herr Minister Molterer, Sie selbst waren bei einer Veranstaltung, wo Sie darum gebeten haben, dass die Bauwirtschaft auf die Barrikaden steigt und eine laute Stimme – ich glaube, ich zitiere wörtlich – erheben soll, damit Sie in der Lage sind, den Landesfinanzreferenten oder den Landeswohnbaureferenten oder den Landeshauptleuten das Versprechen und den Vertrag abzuringen, dass Milliarden in die Richtung gehen, wo sie am effizientesten eingesetzt sind. Sie brauchen den Rückhalt in dieser Richtung, und den geben wir Ihnen. (Beifall bei den Grünen.) Den können Sie sich mit einer Zustimmung zu diesem Antrag sogar noch verstärkt verschaffen. (Bundesminister Mag. Molterer: Das kann nicht stimmen!) Ich kann es Ihnen gerne vorrechnen.

Vor allem möchte ich auch noch auf eine andere Veranstaltung hinweisen und auf den sozialen Aspekt dieser Vereinbarung, wenn endlich eine Zweckbindung bei den Wohnbauförderungsmitteln in Richtung Sanierung erfolgt und nicht die Lockerung der Zweckbindung weiter verstärkt wird, nämlich in Richtung Straßenbau. Sie wissen genau, die Länder haben ja teilweise vor, Wohnbauförderungsgelder jetzt auch in Infrastrukturmaßnahmen umzuwidmen. Infrastruktur-maßnahmen heißt Straßenbau, und da ist der Beschäftigungseffekt 600 pro investierter Milliarde.

Herr Staatssekretär! Ich brauche Ihnen ja nicht vorzurechnen, dass da Welten dazwischen-klaffen, ob 600 für eine Milliarde oder 1 800 beziehungsweise, wenn ich die Investitionsvolumina dazurechne, sogar 4 000. Ich meine, da sind Welten dazwischen, und da müssen Sie massiv den Hebel ansetzen und sich nicht mit einmal 4 Milliarden abspeisen lassen. Das muss paktiert werden – für den Finanzausgleich in Zukunft gilt: Bei den Wohnbauförderungsmittel sind 5,6 Milliarden jährlich in diesen Bereich zu investieren.

Dass es notwendig ist, zeigt auch eine sehr fundierte Studie vom SRZ, die die Wohnungsinfrastruktur untersucht. Darin wird festgestellt, dass bei den Gebäuden, die zwischen 1945 und 1980 errichtet worden sind, die Hälfte der Heizkosten eingespart werden könnte, die Hälfte des Energieeinsatzes eingespart werden könnte, wenn man eine entsprechend umfassende und auch ökologisch orientierte Wärmedämmung durchführte. Das haben wir auf dem Tisch, das haben Sie in der Schublade.

Bitte schauen Sie, dass die Länder endlich verpflichtend in diese Richtung investieren, denn Sie geben ihnen das Geld – ohne Auflage. Sie können es nachlesen, denn Ihre Finanzbeamten beklagen ja schon, dass man das ohne Auflage weggegeben hat. Das ist Ihr größtes Spielkapital, und das müssen Sie sich jetzt zurückholen, auch zu Gunsten – sage ich jetzt abschließend – der Pensionistinnen und Pensionisten. Sie kommen zur Veranstaltung der Volksanwaltschaft. Dort wird nachgewiesen, dass Heizkostensteigerungen in Höhe von 6,5 Prozent erfolgten, während die Pensionen vielleicht in einem Ausmaß von 1,1 Prozent gestiegen sind, der Verbrau


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cherpreisindex um 2,5 Prozent. (Bundesminister Dr. Bartenstein: 2,9 Prozent!) Oder sind es 2,9 Prozent. Wenn es mehr ist, macht es ja nichts. Der Unterschied ist klar, und ich glaube, da zahlt es sich wirklich aus, zu investieren. Für alle! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Egghart. – Bitte.

13.18

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Herren Minister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Eine weltweite Rezession manifestiert sich, der sich auch Österreich nicht ohne weiteres entziehen kann. Politisches Handeln und Maßnahmen sind das Gebot der Stunde, wenn die österreichische Bundesregierung ihre Verantwortung für unser Land, die Österreicherinnen und Österreicher wahrnimmt." – So lautet der erste Satz des Entschließungsantrages der SPÖ, und genau das macht diese Bundesregierung.

Als ich heute den Ausführungen des Parteivorsitzenden der SPÖ, Gusenbauer, gelauscht habe, habe ich mich gefragt, ob er sich nicht in Wirklichkeit fast freut, dass es gewisse schlechte Wirtschaftsdaten gibt, nur um dieser Bundesregierung, die sehr, sehr gut arbeitet, etwas zu Fleiß zu tun. (Abg. Dietachmayr: Wer kann so denken?) Es wäre wirklich angebracht, in erster Linie einmal an ein gemeinsames Österreich zu denken und nicht irgendwelche politischen Spielchen zu machen, die auf dem Rücken der Österreicher ausgetragen werden.

Gerade die Sozialdemokratie hat überhaupt kein Recht, in irgendeiner Form von Wirtschaftsverschleuderung und ähnlichen Dingen zu sprechen. Ich darf nur daran erinnern, dass in den letzten zehn Jahren sozialdemokratischer Führung in der verstaatlichten Industrie mehr als 90 000 Arbeitsplätze abgebaut und 100 Milliarden Schilling in den Sand gesetzt wurden. Wenn wir nicht in der Grundstoffindustrie geblieben wären, wenn wir damals schon den Weg in neue innovative Produkte gegangen wären, hätten wir wesentlich mehr Arbeitsplätze und eine wesentlich höhere Wertschöpfung gehabt.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es dieser Bundesregierung gelungen ist, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass wir derzeit die höchste Beschäftigungslage dieser Republik haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Denken Sie nur allein an die Steyr Antriebstechnik, die Sie seinerzeit verschleudert haben. Gerade bei der Steyr Antriebstechnik war die Notwendigkeit gegeben – und wir Freiheitlichen haben damals darauf gedrängt –, nachzuverhandeln und weitere 700 Millionen Schilling im Interesse der Republik einzufahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn davon gesprochen wird, dass wir die Bauwirtschaft fördern, dann darf ich Sie nur daran erinnern, wie es dort aussieht, wo in dieser Republik die Sozialisten das Sagen haben. In der Gemeinde Wien zum Beispiel gibt es den teuersten U-Bahn-Bau, durchsetzt von vielen Skandalen. Wir haben damals im Wiener Landtag Untersuchungsausschüsse gehabt, die unter anderem auch von den Grünen unterstützt wurden. Da ist eine Wohnbaupolitik auf der grünen Wiese gefahren worden, da hat man genügend Ressourcen verbraten, man hat auf der anderen Seite aber keine Infrastruktur geschaffen, man hat Geisterstädte geschaffen. Auf die ganz entscheidende Revitalisierung unserer Städte wurde total vergessen. Gerade hier wäre eine große Wertschöpfung möglich gewesen, gerade hier hätte das gesamte Bau- und Baunebengewerbe beschäftigt werden können.

Den Freiheitlichen ist es zusammen mit der ÖVP auch gelungen, das Budget nach dem Fiasko von 30 Jahren Sozialismus in kürzester Zeit auf ein Nulldefizit zu sanieren. Das Kindergeld und die Verwaltungsreform werden weiter entscheidend zu einer Budgetverbesserung beitragen.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass wir einen Antrag eingebracht haben, mit dem wir all die Dinge, die für uns wesentlich sind, sichern werden. Es wird zu einer nachhaltigen Sicherung der Pensionen kommen, wir haben Spielräume für Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Technologie. Im internationalen Vergleich haben wir eine überdurchschnittlich große Zahl von


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Unternehmungsgründungen. Und vor allem: Durch die Entscheidungen der Bundesregierung wird eine Förderung unseres Wirtschaftsstandortes erreicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit ist es dieser Bundesregierung gelungen, die Absicherung des Sozialstaates Österreich sicherzustellen (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der von Frau Abgeordneter Dr. Moser eingebrachte Entschließungsantrag ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit auch zur Verhandlung steht beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung kommt.

Als Nächster spricht nun Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

13.22

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Es ist in der heutigen Debatte auch mehrfach zu dem BSE-Verdachtsfall Stellung genommen worden, und ich möchte Ihnen daher aus meiner Posi-tion als zuständiger Bundesminister für Gesundheit und Generationen eine genaue Erklärung zu dem gesamten Vorgang abgeben.

Begonnen hat der erste BSE-Fall Österreichs am 5. Dezember 2001 durch die Schlachtung von 50 Rindern in einem Schlachtbetrieb im Bezirk Zwettl in Niederösterreich. Am Donnerstag, dem 6. Dezember, wurde ich um 14.56 Uhr von meiner Bundesanstalt in Mödling informiert, dass ein Prionics-Test bei einem der 14 zu testenden Rinder positiv ausgefallen ist.

Es wurde daraufhin sofort veranlasst, dass ein zweiter Prionics-Test durchgeführt wird und gleichzeitig auch zwei Referenztests. So sind eine klassische Westernblot-Untersuchung und zum Zweiten auch eine Untersuchung mit Immunhistochemie angesetzt worden.

Die zweite Prionics-Untersuchung war am Donnerstag, dem 6. Dezember 2001, um 22 Uhr abgeschlossen und hat ebenfalls ein positives Ergebnis gezeigt.

Ich darf Sie des Weiteren darauf aufmerksam machen, dass dann am nächsten Tag um 14.58 Uhr der erste Referenztest ebenfalls positiv war. Dieser positive Referenztest war die Immunhistochemie-Untersuchung. Die Gesetzeslage in Österreich ist eindeutig: Das Vorliegen eines positiven Schnelltestes nach Prionics und die Vornahme eines entsprechenden Referenztestes – entweder Immunhistochemie oder klassischer Westernblot – bedeutet ein positives BSE-Ergebnis.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, dass ich folgerichtig gehandelt habe, was Sie beurteilen können, wenn Sie sich das Szenario ansehen. Ich darf es nochmals wiederholen.

Donnerstag, 6 Dezember, 14.56 Uhr: die Meldung eines BSE-Verdachtes mit dem ersten Prionics-Test; am Abend um 22 Uhr: der zweite Prionics-Test positiv. Am nächsten Tag wurden die Untersuchungen in Mödling in entsprechender Form fortgeführt mit dem Ergebnis: Immun-Test positiv und am Abend um 17 Uhr dann auch der klassische Westernblot positiv.

Wir haben die Öffentlichkeit sofort nach Vorliegen der positiven Prionics-Tests und nach Vorliegen der Immunhistochemie davon informiert, dass wir in Österreich den ersten Seuchenfall haben.

Zum Zeitpunkt der Information und zum Zeitpunkt der Vorlage der Tests waren folgende Daten für meine Bundesanstalt in Mödling verfügbar und erfasst: der Name und die Adresse des Herkunftsbetriebes, die Ohrmarkennummer des verdächtigen Tieres, der Name des Schlachtbetriebes und das Schlachtdatum.

Die Recherchen bei der AMA-Rinderdatenbank haben ergeben, dass das Tier, das auf dem eingesandten Röhrchen mit der Ohrmarkennummer vermerkt war und im Protokoll ebenfalls ver


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merkt war, am 18. Oktober 1999 als geboren gemeldet wurde, also zum Zeitpunkt der Schlachtung 25 Monate alt war.

Ich habe daher gemeint, dass dieses niedrige Alter einige Fragen aufwirft: Erstens: Warum wird ein Rind in Österreich, wenn der durchschnittliche Untersuchungsbereich bei über 30 Monaten liegt, mit 25 Monaten untersucht? Zum Zweiten: Warum läuft die Schlachtung so eines Rindes in einem normalen routinemäßigen Schlachtprogramm und nicht als gesonderte Notschlachtung ab.

Ich habe mich daher, da in der Bundesanstalt in Mödling mit den vorhandenen Unterlagen keine näheren Aufklärungen dieser Tatbestände möglich waren, dazu entschlossen, neben dem Einschalten der mir hier zuzuordnenden mittelbaren Bundesverwaltung des Bundeslandes Niederösterreich – das im Übrigen auch ordnungsgemäß und zeitgerecht, wie die Protokolle ergeben, auf dem Laufenden gehalten und verständigt war – zunächst durch den stellvertretenden Veterinärdirektor Dr. Roßmanith und dann durch den zuständigen Veterinärdirektor Dr. Karner, der aus einem Kuraufenthalt zurückgeholt worden war – daher hat der stellvertretende Veterinärdirektor Dr. Roßmanith zunächst mit den Erhebungen begonnen, um das auch klarzulegen – Fragen klären zu lassen. Wir haben einige Fragen offen gefunden und sind daher entsprechend unseren Vorkehrungen auch vor Ort gefahren, um diese Fragen abzuklären.

Beim Besuch des Schlachtbetriebes im Bereiche der Bezirkshauptmannschaft Gmünd wurden mehrere nicht gesetzeskonforme Zustände festgestellt. Es ist daher von den Herren, die vor Ort anwesend waren – sowohl von den niederösterreichischen als auch von meinen Behördenvertretern –, der Zweifel geäußert worden, ob die im Röhrchen befindliche Probe, der Kopf des Tieres und der Tierkörper in entsprechender Form kongruent, übereinstimmend sind. Wir haben deshalb begonnen, die Gehirnprobe, den Tierkörper und den Rinderkopf, der entsprechend gekennzeichnet war, Untersuchungen zu unterziehen.

Bei diesen Untersuchungen haben wir dann festgestellt, dass von den 14 Köpfen, die im Schlachthof vorgefunden wurden, zwei entgegen den gesetzlichen Richtlinien abgehäutet waren und die Ohrmarken nicht auffindbar waren. Wir haben daher in diesem Falle das Gleiche gemacht, was auch die Schweiz nach ihren amtlichen Veterinärmitteilungen vom 30. Oktober dieses Jahres in einem ähnlichen Fall gemacht hat: Wir haben den gesamten Bereich gentechnisch untersuchen lassen und die vom Amtstierarzt Dr. Schwaiger vor Ort festgestellten Tierhäute einer gentechnischen Überprüfung unterzogen.

Diese gentechnischen Untersuchungen haben nahezu 50 Stunden Zeit in Anspruch genommen, um die entsprechenden endgültigen Ergebnisse zu Tage zu bringen. Ich darf mich hier in diesem Falle auch bei meinem Beamten herzlichst dafür bedanken, dass er rund um die Uhr, um dieses Verfahren schnell durchzuführen, auch die entsprechenden gentechnologischen Untersuchungen durchgeführt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, es ist nicht selbstverständlich, dass man sich dazu bereit erklärt, diese Untersuchungen zwei Tage lang ordnungsgemäß und kontrolliert abzuführen.

Wir waren daher in der Lage, die Zuordnung dieses Tieres in der heutigen Form festzustellen. Es ist aufgrund der gentechnischen Untersuchungen nunmehr klar, dass es sich bei dem Tier nicht um die 25 Monate alte Kuh aus dem Erstbetrieb des Bezirkes Melk, sondern um ein 70 Monate altes Rind aus dem nunmehr gesperrten Herkunftsbetrieb im Bereich des Nachbarbezirkes in Niederösterreich handelt.

Ich halte es für besonders wichtig, sich den gesamten Zeitablauf zu vergegenwärtigen. Daher darf ich diese Darstellung hier grosso modo nochmals wiederholen: Schlachtung tagsüber am 5. Dezember; erster Verdacht aufgrund der Prionentests am Nachmittag und am Abend des 6. Dezember; am 7. Dezember die Referenztests und die Information der Öffentlichkeit; schließlich Auftreten der Zweifel an der Identität und Zuordnung der Identität am Samstag, dem 8. Dezember, um 18.10 Uhr. – Es ist dies besonders bedeutsam, weil bereits aufgrund der ersten Veranlassung die Sperre des Betriebes durch die niederösterreichischen Veterinärbehörden so


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wie das Zurückhalten der Rinder über 14 Monate – wie es das Gesetz vorsieht – ab Sperre und ab Meldung des positiven BSE-Falles in der ursprünglichen Form erfolgt ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass bei der Überprüfung der 14 Tiere zutage getreten ist, dass ein 33 Monate alter Stier nicht mehr im Schlachtbetrieb war. Es wurde von den örtlichen Behörden und von meinem Veterinär sofort verlangt, dieses Tier zurückzuführen. Dieses wurde auch, wie sich anhand der Gewichtskontrollen zeigt, die bei Verlassen des Schlachtbetriebes in dem Zerlegungsbetrieb erfolgt sind, zur Gänze zurückgebracht und dem ursprünglichen Schlachtbetrieb für die gentechnischen Untersuchungen zurückerstattet.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass am 5. Dezember neben der Kuh mit dem positiven Testergebnis auch noch fünf Jungrinder aus dem nunmehr gesperrten Betrieb geschlachtet wurden. Diese fünf Jungrinder wurden in der Nacht vom 5. zum 6. Dezember, also noch vor Auftreten der ersten Bedenken und vor Vorliegen der Ergebnisse der ersten Proben, aus dem Schlachtbetrieb abgeholt und in Verkehr gebracht. Diese Tiere sind vollkommen legal abgeholt worden, weil es weder auf Grund der Europäischen Verordnung 99 noch auf Grund des österreichischen Tierseuchengesetzes für Tiere unter 30 Monaten – beziehungsweise unter 24 Monaten, wenn die Untersuchung auf BSE gewünscht wird – eine Rückhalteverpflichtung gibt. Dies muss hier klar gesagt werden. Trotzdem wurden am 10. Dezember, als mir diese Tatsache vom Bundesministerium für Landwirtschaft mitgeteilt wurde, diese Tiere zurückgeholt, wobei die Verständigung der Regionalbehörden bereits einen Tag früher, nämlich am 9. Dezember um 22 Uhr, erfolgte, wie aus dem vorliegenden Fax hervorgeht. Daher wurden auch diese fünf Jungtiere, obwohl dafür keine gesetzliche Handhabe bestanden hatte, mit Ausnahme von 200 Kilogramm zurückgeführt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist mir wichtig, festzuhalten, dass im Schlachtbetrieb von Anfang an – und das auch schon bei Eintreffen aller Amtsorgane vor Ort, also sowohl des Amtstierarztes aus Zwettl als auch meines Beamten – festgestellt worden ist, dass das Risikomaterial lückenlos bei allen Tieren in allen Kategorien ordnungsgemäß ausgeschlachtet war.

Ich habe hier auch eine Ablichtung des ursprünglichen Protokolls, wie es in der Veterinärmedizinischen Anstalt in Mödling eingetroffen ist. (Der Redner hält eine Abbildung in die Höhe, auf der zehn Quadrate zu sehen sind, von denen eines durchgestrichen ist.) Hier sehen Sie, dass in diesem Protokoll zehn Proben vermerkt sind, wobei hier unten die neunte Probe deutlich und klar durchgestrichen ist. Es ist dies die in jenem Protokoll, das bei uns eingelangt ist, durchgestrichene Probe, die sich nunmehr als die positive Probe erwiesen hat.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Bundesminister, ich habe folgende Bitte: Da wir über die Konjunkturerklärung reden, gehe ich davon aus, dass zu diesem Thema selbstverständlich auch der Fleischexport und die Gesundheit der österreichischen Viehbestände eine besonders wichtige Angelegenheit sind und durchaus unter diesem Tagesordnungspunkt erörtert werden können. Dennoch ersuche ich darum, den Schwerpunkt der Ausführungen nicht auf die rein medizinische Seite der Untersuchungen zu legen, sondern auf die Gesundheit des Tierbestandes in Österreich.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Herr Präsident, ich danke, darf aber in Kenntnis der Geschäftsordnung des Hohen Hauses hier auch anführen, dass im Rahmen der Diskussion mehrfach das Thema BSE sowie dessen wirtschaftliche und gesundheitliche Auswirkungen angesprochen worden sind, sodass ich mich hier nachvollziehbar in Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung dieses Hauses befinde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da ich mehr als zwei Drittel dieser Debatte im Hohen Haus verfolgt habe und Sie, Herr Präsident, erst sehr kurzzeitig das Präsidium übernommen haben, bitte ich Sie, dies in entsprechender Form mit zu berücksichtigen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Ich meine, es ist im Interesse der Öffentlichkeit, das Procedere klar nachvollzogen zu bekommen, ehe wir uns über die entsprechenden Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft


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unterhalten. Daher halte ich es für wichtig und notwendig, dies voranzustellen, um jetzt den Tatbestand endlich so, wie er sich darstellt, klarzulegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte es kurz machen. Auf Grund dieser Ungereimtheiten – zunächst ein Tier als BSE-Tier anzusehen, das zu jung war; das Vorliegen einer Liste, in der das nunmehr positiv getestete Tier deutlich ausgestrichen war; das Fehlen der Ohrmarke am Kopf dieses Tieres – sehe ich mich veranlasst, eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft zu richten, um allfällige strafrelevante Dinge von Anfang an umfassend und ordnungsgemäß aufgeklärt zu bekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, es ist für die österreichische Wirtschaft und die österreichische Landwirtschaft von besonderer Bedeutung, dass dieser Fall von Anfang an und bis zum Schluss – bis alle involvierten Behörden ihre endgültigen Ergebnisse erzielt haben werden – umfassend dargestellt wird. Jeder Zweifel an einer nicht ordnungsgemäßen und nicht jeweils auf dem Stand der Dinge liegenden Information ist für mich ein Keim dazu, dass in Österreich wieder die gleichen Zustände eintreten, wie wir sie vor einem Jahr hatten: ein Preisverfall, der Rückzug aus den Produkten, die Schädigung der Landwirtschaft, die Schädigung der Zwischenprodukte der österreichischen Wirtschaft und damit insgesamt ein erheblicher Nachteil für unsere Volkswirtschaft.

Ich glaube daher, wir sollten aus dem Fall im Jänner des vorigen Jahres gelernt haben. In offensiver Weise ist der österreichischen Öffentlichkeit jeweils der Stand der zugänglichen Informationen des Amtes zur Verfügung zu stellen. Es ist hier weder etwas zu beschönigen noch ein falscher Eindruck zu erwecken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich glaube, es ist daher besonders von Bedeutung – und das wiederhole ich nochmals –, dass sämtliche über 14 Monate alten und in Frage kommenden Tiere, da sie Seuchenträger sein könnten, von Anfang an sowie in einem Fall auch, wie ich schon ausgeführt habe, ein Stier im Alter von über 33 Monaten ab dem Zeitpunkt, als bekannt wurde, dass er sich nicht mehr, wie im Gesetz vorgeschrieben, im Schlachthof befand, zur Gänze zurückgeholt worden sind und sich unter amtlicher Kontrolle befunden haben.

Zum Zweiten hat es sich meiner Ansicht nach bewährt, dass auf Grund unseres Planes und auch der Erkenntnisse, die die Schweiz in einem ähnlichen Fall gewonnen hat, bei mir im Haus die Anordnung bestanden hat, die positiven BSE-Meldungen lückenlos, von der Schlachtkette bis zur Untersuchungsanstalt, sowohl in den Regional- als auch in den Bundesbehörden parallel zu begleiten und nachvollziehbar zu gestalten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es war auch sinnvoll und wichtig, gleich nach den ersten Zweifeln daran, ob ein 25 Monate altes Rind ausschließlich österreichischer Provenienz der Seuchenträger sein könnte, entsprechende Verwechslungen ins Kalkül zu ziehen.

Ich glaube, dass die Nachvollziehbarkeit, das zügige Einhalten des Seuchenplanes, die erfolgreichen Rückholmethoden und die Überprüfungsmethoden durch die Gentechnik den Konsumenten mit dem heutigen Tag beruhigen können. Die Risikogruppe wurde zur Gänze zurückgehalten, das Risikomaterial wurde bei allen Gruppen zur Gänze ordnungsgemäß ausgeschlachtet und abgeliefert, und es wurde auch eine lückenlose, auf gentechnischen Erkenntnissen basierende Deduktion dort, wo die Verwechslung passiert ist, bis hin zum bäuerlichen Betrieb möglich und zügig durchgeführt.

Ich möchte hier nichts beschönigen und füge hinzu, dass solche Seuchenpläne in Zukunft noch mehr an Sicherheit brauchen werden. Daher habe mich ich entschlossen, eine Nachschulung sämtlicher Fleischuntersuchungsorgane in Österreich zu verlangen. Dazu wurde bereits am Samstag eine Aussendung vorgenommen, die am Montag bei den Veterinärdirektoren eingetroffen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin der Ansicht, dass im jetzigen Seuchenzustand, da wir den ersten positiven BSE-Fall haben, auch alle Kolleginnen und Kollegen vor Ort darauf hinzuweisen sind, dass die Seuchenpläne und die entsprechenden Sperren lückenlos und generell einzuhalten sind, wie es das Gesetz vorsieht. Ich glaube weiters, dass die mir beigeordneten und vor Ort die operative Tätigkeit er


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füllenden Fleischuntersuchungs-Tierärzte, die sie kontrollierenden Amtstierärzte und die ihnen vorstehenden Veterinärdirektoren gut beraten sind, diese Schulungen zügig und umfassend durchzuführen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache Sie außerdem auf einen Zustand aufmerksam, der in der Öffentlichkeit vielleicht noch nicht hinlänglich gewürdigt worden ist. An dem Tag, als die Verwechslung geschah, gab es in diesem Schlachtbetrieb auch eine Überprüfung vor Ort durch einen Veterinär, der im Auftrag der EU dort prüfte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da immer wieder die EU im Zusammenhang damit angeführt wird, dass EU-Grundlagen von uns zu wenig berücksichtigt werden, stelle ich fest: Man sieht, dass auch bei Berücksichtigung aller Verordnungen der Europäischen Union und einer vorhandenen Überkontrolle menschlicher Irrtum trotzdem nicht auszuschließen ist. Wir haben daher das System so sicher zu machen, dass dann, wenn menschlicher Irrtum auftritt, durch gentechnologische Nachuntersuchungen eine zweifelsfreie und auch vor Gericht haltbare Identifizierung sowie Zuordnung aller Proben möglich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf darauf hinweisen, dass die Überprüfungen – wenn ich richtig informiert bin – unter Anwesenheit der Staatsanwaltschaft noch einmal den gesamten gentechnologischen Weg beschritten haben und dass unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft nochmals sämtliche Proben gentechnologischen Überprüfungen unterzogen worden sind. Auch diese Überprüfungen haben zu dem gleichen Ergebnis geführt.

Daher fühle ich mich berechtigt, zu sagen, dass wir den ersten BSE-Fall bei einem österreichischen Rind mit 70 Monaten aus einem Betrieb mit österreichischer Fütterbasis und zugekauften Futtermitteln österreichischer Provenienz beziehungsweise aus in Österreich ordnungsgemäß und legal verkaufenden Quellen haben. Der betroffene Betrieb konnte ja auch eine ordnungsgemäße Buchführung vorweisen, die weit über den Geburtstermin des Rindes zurückreicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, dass man für die Öffentlichkeit und zur Beruhigung des Marktes sowie der Wirtschaftssituation Folgendes feststellen kann: Die Rückholaktionen waren auch dort erfolgreich, wo sie gesetzlich nicht notwendig waren. Die Rückholaktionen waren dort, wo sie gesetzliche Übertretungen verursacht haben, zu 100 Prozent erfolgreich. Die Ausschlachtungsmethoden vor Ort haben die gesetzlichen Grundlagen im Hinblick auf Risikomaterial zu 100 Prozent eingehalten. Die gentechnischen Untersuchungsmöglichkeiten haben so, wie wir sie in unserem Haus für den Fall von Verwechslungen vorgesehen haben, ein volles und zutreffendes Ergebnis gebracht.

Ich glaube, das Wichtigste in der heutigen Diskussion ist, dem Konsumenten versichern zu können, dass er sicher ist und dass österreichische Produkte von österreichischen Bauern auch in Zukunft hohe Sicherheit haben werden. Ich bitte alle Damen und Herren, dies in ihren Berichterstattungen zu berücksichtigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.45

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der grüne Klub hat am Montag in einem Schreiben an Bundesminister Haupt und an den Nationalratspräsidenten angeregt, dass genau diese Frage der Vorkommnisse – möglicherweise auch des Kriminalfalls – rund um den ersten BSE-Fall in Österreich zum Gegenstand einer parlamentarischen Debatte gemacht werden soll. Das ist uns abschlägig beantwortet worden.

Es ist unbestritten, dass gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung Mitglieder der Bundesregierung jederzeit berechtigt sind, in den Sitzungen des Nationalrates auch zu Gegenständen, die nicht in Verhandlung stehen, mündliche Erklärungen abzugeben. Meiner Einschätzung nach


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war dies jetzt ohne Zweifel eine derartige Erklärung, und zwar insbesondere zu den medizinischen und aufklärungsbedürftigen Umständen dieses Falles.

Es heißt in § 19 Abs. 2 GOG: "In einem solchen Fall" – nämlich wenn das Mitglied der Bundesregierung von dieser jederzeit bestehenden Möglichkeit Gebrauch macht – "hat das Mitglied der Bundesregierung seine diesbezügliche Absicht dem Präsidenten nach Möglichkeit vor Beginn der Sitzung bekanntzugeben."

Ich gehe davon aus, dass diese Möglichkeit, dem Präsidenten von der Abgabe dieser Erklärung Mitteilung zu machen, offenbar auf Grund des Laufes der Ereignisse nicht bestand. Ich nehme an, dass es an diesem Vormittag auch Krisenbesprechungen oder Sondersitzungen gab. Ich sehe mich insofern bestätigt, als nun doch eine derartige Erklärung abgegeben worden ist, halte es aber für unerlässlich und demokratiepolitisch geboten, dass dieses Haus auch die Möglichkeit hat, über diese Erklärung zu reden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wird nämlich auch auf diese Details eingehend und nicht nur generell zu debattieren sein, was die möglichen konjunkturellen Aspekte von BSE betrifft. Jetzt sind auf der Rednerliste insbesondere die Abgeordneten der diversen Wirtschafts- und Finanzausschüsse gemeldet, nicht jedoch die speziell mit der Agrar- und BSE-Thematik Befassten. Überdies war es meiner Ansicht nach eindeutig eine gesonderte und in sich geschlossene Erklärung des Bundesministers.

Ich stelle daher den Antrag, diese Erklärung des Herrn Bundesministers zum Gegenstand einer eigenen Debatte im Anschluss an die jetzige Konjunkturdebatte zu machen und darüber eine Entscheidung des Nationalrates herbeizuführen.

Herr Präsident, falls Sie diesbezüglich noch Beratungen mit den Mitgliedern der Präsidiale wünschen, so rege ich an, die Sitzung ganz kurz zu unterbrechen, um uns die Möglichkeit zur Planung darüber zu geben, wann wir die Debatte über diese Erklärung des Herrn Bundesministers durchführen werden. (Beifall bei den Grünen.)

13.49


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.49

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Meine Damen und Herren! Ich bin in dieser Hinsicht genau gegenteiliger Meinung. Der Herr Bundesminister hat sich nach § 19 Abs. 1 GOG zu Wort gemeldet. Das war eine Wortmeldung in einer laufenden Debatte. In der laufenden Debatte kann er zu dieser Sache sprechen, nachdem vorher – Herr Bundesminister, ich habe Ihre Stellungnahme, als der Herr Vorsitzende mit Ihnen gesprochen hat, am Fernsehapparat gehört, und ich habe auch die ganze Debatte von 9 Uhr bis 13.15 Uhr verfolgt – mehrfach BSE angesprochen worden ist. Es ist sogar verlangt worden, dass man diesbezüglich Dinge sagt. (Abg. Achatz: Von den Grünen! – Abg. Mag. Schweitzer: Die Grünen haben das gewollt! Frau Petrovic!)

Frau Kollegin Petrovic! Ich finde, das ist ein venire contra proprium factum, was Sie hier machen. (Abg. Dr. Petrovic: Nein!) Das heißt, Sie verlangen etwas – und wenn es gemacht wird, dann rügen Sie es.

Meiner Ansicht nach war dies eine Wortmeldung nach § 19 Abs. 1 GOG. Da kann der Minister reden, solange er will. Das darf man diesem Herrn Minister nicht allzu oft sagen (Heiterkeit), aber trotzdem kann er reden, solange er will. Er wurde nicht zur Sache gerufen, weil er zur Sache gesprochen hat. § 19 Abs. 1 sieht keine Abstimmungen vor.

Iura novit curia  – Sie werden entscheiden, Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Mertel zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.50

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich werde nicht lateinisch antworten, auch wenn Sie mir den Strom entziehen. Selbstverständlich hat Herr Khol darin Recht, dass der Herr Minister, auch ohne dass der Gegenstand aufgerufen worden ist, im Rahmen von § 19 Abs. 2 antworten kann. Aber Ihre Äußerung, Herr Präsident, hat uns gezeigt, dass der Herr Minister von seiner Absicht, im Rahmen der Debatte über ein Konjunktur- und Wachstumsprogramm – also über einen ganz anderen Tagesordnungspunkt – zu BSE zu reden, nicht mit Ihnen gesprochen hat. Herr Khol, das haben Sie am Bildschirm übersehen: Der Herr Präsident hat zum Herrn Minister gesagt, er möge zur Sache zurückkehren. (Abg. Dr. Petrovic: Jawohl! – Abg. Haigermoser: Hat er nicht gesagt!)

Die sozialdemokratische Fraktion sieht ebenfalls einen Zusammenhang mit der Problematik von BSE und hat daher Gelegenheit gegeben, sich zu diesem Thema zu äußern und darüber eine Debatte abzuführen: Wir haben eine Anfragebesprechung beantragt.

Ich sehe ebenso wie Frau Petrovic die Wichtigkeit dieses Themas. Aber zumindest gleich wichtig ist uns, dass wir jetzt den Tagesordnungspunkt "Wachstumsprogramm für Österreich, Sicherung von Beschäftigung, Wohlstand und Zukunft für Österreich" abführen und dann allenfalls – da kann ich mich dem Antrag der Frau Petrovic anschließen – die Debatte zu BSE führen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Sie haben die Stellungnahmen aus den einzelnen Fraktionen gehört. Ich teile Ihnen dazu sowohl meinen Eindruck als auch meine Entscheidung mit:

Im Verlauf der Ausführungen von Herrn Bundesminister Haupt habe ich mir erlaubt, nach einer gewissen Zeit darauf hinzuweisen, dass wir eine Erklärung zum Thema Konjunktur zu debattieren haben. Ich habe hinzugefügt, dass ich der Meinung bin, dass das Thema BSE und die Gesundheit des Rinderbestandes dabei selbstverständlich eine wichtige Funktion haben, und habe den Herrn Minister gleichzeitig ersucht, das Schwergewicht seiner Ausführungen auf diesen Punkt zu legen. Das hat der Herr Bundesminister eindeutig getan. Daher erübrigt sich für mich jede andere Vorgangsweise; sie wäre geschäftsordnungsmäßig auch nicht gegeben.

Als Nächster wird nun Herr Bundesminister Mag. Molterer sprechen. (Bundesminister Mag. Molterer erhebt sich von seinem Platz auf der Regierungsbank. – Abg. Dr. Mertel: Herr Präsident! Es ist ein Antrag gestellt worden! Zwei sogar!)

Ich bekomme soeben ein Verlangen der grünen Fraktion (Abg. Ing. Westenthaler: Der Minister hat das Wort!), worin die unterfertigten Abgeordneten verlangen, gemäß § 81 Abs. 1 die Abhaltung einer Debatte zur Erklärung von Bundesminister Haupt im Sinne des § 19 Abs. 2 durchzuführen. (Abg. Leikam: Sie haben ihm das Wort erteilt! Was ist los?)

Dazu möchte ich feststellen, dass sowohl der Herr Bundesminister als auch ich festgestellt haben, dass keine Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 GOG vorliegt, sondern eine Stellungnahme des Bundesministers im Rahmen der Konjunkturdebatte beziehungsweise der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und der Frau Vizekanzlerin zu diesem Thema abgegeben wurde, sodass dieses Verlangen keine geschäftsordnungsmäßige Grundlage hat.

Ich werde daher, wie es die Geschäftsordnung vorsieht, die Debatte fortsetzen und bitte jetzt Herrn Bundesminister Molterer um seine Ausführungen.

13.54

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Ich möchte im Rahmen dieser Konjunkturdebatte das Wort ergreifen, weil sich die BSE-Frage selbstverständlich als eine Frage des Konsumentenschutzes darstellt, aber genauso selbstverständlich als


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eine Frage tief greifender wirtschaftlicher Bedeutung für die Beschäftigten in diesem Sektor, für diese Betriebe in diesem Sektor und für die bäuerlichen Betriebe in Österreich.

Meine Damen und Herren! Damit Sie auch die entsprechende Größenordnung kennen, möchte ich Ihnen mitteilen, worum es sich hier zahlenmäßig handelt. Wir haben in Österreich ungefähr 100 000 rinderhaltende bäuerliche Betriebe. Diese erzeugen allein aus der Rinderhaltung einen Brutto-Produktionswert von rund 8 Milliarden Schilling. (Unruhe im Sitzungssaal.) Die österreichische Rinderwirtschaft ist in hohem Maße exportorientiert. Ungefähr 30 Prozent der Gesamtproduktion Österreichs werden exportiert, und von diesen Exporten sind rund 50 Prozent ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Entschuldigung, Herr Minister. – Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, allfällige Beratungen außerhalb des Sitzungssaales durchzuführen, damit der Herr Bundesminister seine Ausführungen ordnungsgemäß vorbringen kann. (Es stehen neben den Sitzreihen jeweils mehrere Abgeordnete von SPÖ und Grünen in Gruppen zusammen und führen Gespräche. – Abg. Dr. Petrovic: Da ist nichts mehr ordnungsgemäß!)

Herr Abgeordneter Dr. Fischer, ich bitte, die Beratungen außerhalb des Saales durchzuführen. (Abg. Dr. Petrovic: Wenn "ordnungsgemäß", dann bitte ordnungsgemäß! – Die Abgeordneten bleiben neben den Sitzreihen stehen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Petrovic: Kann man kurz die Beratungen unterbrechen ...?)

Herr Abgeordneter Fischer, ich bitte, die Beratungen außerhalb des Saales durchzuführen. (Abg. Leikam: Wir reden, wann wir wollen, Herr Präsident! Merken Sie sich das! Unerhört! – Empörte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nein, ich möchte niemanden des Saales verweisen, sondern ich bitte Sie, Folgendes zu beachten: Der Präsident ist, wie Sie wissen, nicht nur für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Saal, sondern auch für eine ordnungsgemäße Abwicklung der Verhandlung zuständig. Wenn es hier zu größeren Besprechungen kommt, die den ordnungsgemäßen Sitzungsverlauf stören, dann greift der Präsident üblicherweise ein, wie ich es auch von Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Fischer, immer wieder gewohnt bin, wenn Sie den Vorsitz führen. (Abg. Leikam: Keine Ahnung von der Vorsitzführung!) Genau das tue ich hier, unabhängig von der Fraktion oder der Stellung einer Persönlichkeit. Das ist die Aufgabe des Präsidenten, und das hat durchgeführt zu werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: So einen schwachen Präsidenten hat es noch nie gegeben! Unerhört!)

Frau Abgeordnete Dr. Petrovic und Kollegen! Bitte, das gilt auch für Sie, und ebenso für Herrn Abgeordneten Dr. Einem. (Die Abgeordneten bleiben neben den Sitzreihen stehen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, ich fordere Sie auf, den Lärmpegel herabzusetzen, und bitte darum, die Plätze einzunehmen! (Die Abgeordneten bleiben neben den Sitzreihen stehen.)

Frau Abgeordnete Dr. Petrovic, da Sie offensichtlich nicht bereit sind, einer Anweisung des Präsidenten Folge zu leisten, erteile ich Ihnen hiermit den Ordnungsruf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bitte jetzt den Herrn Bundesminister, seine Ausführungen fortzusetzen. (Abg. Mag. Trattner  – in Richtung Grüne –: Ihr glaubt wohl, das ist witzig!)

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich würde gerne die Aufmerksamkeit der Abgeordneten dieses Hohen Hauses auf die wirtschaftliche Bedeutung der tierischen Produktion in Österreich hinlenken, und ich hoffe, diese Aufmerksamkeit von Seiten der Abgeordneten auch zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ich gesagt habe, haben wir eine Exportquote in der Rinderwirtschaft, die etwa 30 Prozent der Gesamtproduktion beträgt. Sie hat damit für die gesamte österreichische Landwirtschaft, aber auch weit darüber hinaus für die österreichische


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Wirtschaft große Bedeutung. Daher ist es selbstverständlich, auch die Konjunkturdiskussion dazu zu benutzen, zu BSE Stellung zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Im Anschluss an Kollegen Haupt möchte ich Ihnen die Fakten nochmals verdeutlichen. Nach insgesamt 217 000 negativen BSE-Schnelltests gibt es nun einen Fall von BSE in Österreich. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Das ist nicht zu leugnen. Es ist dies eine Tatsache, und so unerfreulich sie auch ist, haben wir doch die Verpflichtung, die Öffentlichkeit darüber voll zu informieren.

Es handelt sich – wie Kollege Haupt ausgeführt hat – um ein Rind, das 70 Monate alt ist, aus österreichischer Zucht und einem österreichischen Betrieb stammt und gemäß AMA-Rinderdatenbank österreichische Vorfahren hat, die aus demselben Betrieb im Waldviertel stammen. Sämtliche Futtermittel, die im Betrieb vorgefunden und zur Kontrolle beschlagnahmt wurden, sind untersucht worden. Bei keinem der Futtermittel ist es zu einer Beanstandung gekommen. Wir haben diesen Betrieb selbst besucht und davon einen guten Eindruck bekommen. Es ist ein bäuerlicher Betrieb, der gut geführt wird.

Die Bundesministerien für soziale Sicherheit und Generationen sowie für Land- und Forstwirtschaft arbeiten eng zusammen, der Krisenplan ist sofort in Kraft getreten, die Kontrollsysteme inklusive der Rinderdatenbank der Agrarmarkt Austria funktionieren im Interesse der Konsumenten und der Wirtschaft. (Unruhe im Sitzungssaal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Die flächendeckenden Kontrollen bei Rindern über 30 Monate bleiben ebenso selbstverständlich aufrecht wie die Entfernung des Sonderrisikomaterials bei allen geschlachteten Tieren, wie dies unsere Bestimmungen vorschreiben. Für die Konsumenten ist daher die Sicherheit gewährleistet, wir tun das maximal Mögliche dafür.

Durch die Einschaltung der Staatsanwaltschaft ist die volle Transparenz und die lückenlose Aufklärung gewährleistet. Wir tun alles dafür, um den Inlandsmarkt und damit die wirtschaftliche Situation für die Landwirtschaft und für die Fleischverarbeitungswirtschaft stabil zu halten. Wir appellieren auch an alle Beteiligten, sicherzustellen, dass die Exporte weiter funktionieren, die ein Rückgrat der österreichischen Rinderwirtschaft sind. Wir stellen sicher, dass es für den bäuerlichen Betrieb Hilfe, eine Entschädigungszahlung gibt, damit er seine wirtschaftliche Tätigkeit fortsetzen kann. Am Weg der Qualitätsorientierung der bäuerlichen Landwirtschaft wird ganz klar und unmissverständlich festgehalten.

Ich möchte mich ganz bewusst bei allen Beteiligten, auch der Öffentlichkeit und den Medien, dafür bedanken, dass über dieses unerfreuliche Ereignis, den ersten BSE-Fall in Österreich, in sehr verantwortlicher Weise berichtet worden ist.

Meine Damen und Herren! Wir können Ihnen garantieren, dass wir alles dafür tun, die Sicherheit der Konsumenten zu gewährleisten und das wirtschaftliche Rückgrat der österreichischen Rinderwirtschaft zu sichern. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maier. – Bitte.

14.02

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Verehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade vor kurzem wurden von der Statistik Austria die Zahlen über die österreichische Landwirtschaft, insbesondere die Viehproduktion und deren Bedeutung für die Außenwirtschaft veröffentlicht. Man kann dort im Detail nachlesen, welche Bedeutung dieser Bereich für die österreichische Wirtschaft insgesamt hat, man kann sowohl bei Rind wie bei Schwein die Überproduktion feststellen, man kann aber auch jene Bereiche feststellen, in denen es Defizite gibt. Daher – und ich möchte das auch zum Anlass dafür nehmen – ist natürlich über diesen BSE-Fall zu diskutieren, über die möglichen Schäden für die österreichische Volkswirtschaft, für die österreichischen Bauern, aber auch für die österreichischen Konsumenten.


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Herr Bundesminister Haupt! Ich möchte mich namens meiner Fraktion bei Ihren Beamten und bei Ihnen für Ihr couragiertes Verhalten, für den Versuch der lückenlosen Aufklärung dieses Kriminalfalls in Niederösterreich recht herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn man über diesen BSE-Fall und die möglichen Auswirkungen diskutiert, dann geht es nicht darum, zu diskutieren, ob das Futtermittel, das jetzt auf dem Bauernhof verfüttert wird, in Ordnung ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht vielmehr darum, herauszufinden, welche Futtermittel vor drei oder sechs Jahren – die Kuh war 70 Monate alt – auf diesem Bauernhof verfüttert worden sind. (Abg. Großruck: Weißt du noch, was du vor drei Jahren gegessen hast?)

Ich halte es schon für bedenklich, wenn in den Medien dargelegt wird, dass bei den Futtermitteln alles in Ordnung gewesen sei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damals wurden in Österreich von den Lagerhaus-Genossenschaften nicht immer nur inländische Futtermittel verkauft, sondern auch Futtermittel, die im Ausland produziert worden sind. Der österreichische Experte Budka hat in aller Klarheit festgestellt, dass eine Ansteckung nur über Futtermittel möglich ist. Und darüber sollten wir diskutieren. Im konkreten Fall wäre zu klären, ob bei der Aufzucht der Kälber damals ein Milchaustauscher verwendet worden ist, wo ein solcher erworben wurde und welche Futtermittel dieser Handelsbetrieb damals geführt hat.

Konkret zu klären ist natürlich auch die Frage – und ich stimme Bundesminister Haupt hierin absolut zu –, wie es zur Vertauschung der Proben kommen konnte. War es tatsächlich so, dass an diesem Tag im Schlachthof zu wenige Tierärzte tätig waren, oder war es schlichtweg nur menschliches Versagen? Oder steckte vielleicht sogar etwas anderes dahinter? (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Es geht aber auch um die Frage: Wie konnten die beiden Ohrmarken verschwinden?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schauen Sie sich den Bericht der EU-Kontrollore über die BSE-Maßnahmen in Österreich an. Es gibt den Bericht von 1998 bis 2000, und es gibt den neuen Bericht aus dem Jahr 2001, und gerade darin wird von den Kontrolloren festgestellt, dass es bei der Entsorgung von spezifiziertem Risikomaterial Defizite gibt, dass auch andere gemeinschaftsrechtliche Vorschriften nicht eingehalten werden.

Meine Herren Bundesminister, Herr Bundesminister Molterer, Herr Bundesminister Haupt! Wir erwarten uns sehr wohl, dass im Zuge der Aufklärung dieses Skandals diese Defizite auch in der Öffentlichkeit klar dargelegt werden. (Abg. Hornek: Das ist Skandalisierung!)

Wir erwarten uns aber auch – und ich sage das sehr deutlich –, dass klargelegt wird, in welchem Umfang und in welchem Ausmaß gemeinschaftsrechtliche Vorschriften und nationale Vorschriften, lieber Kollege – also geltendes Recht! –, in diesem Schlachtbetrieb nicht eingehalten worden sind. (Abg. Hornek: Skandalisierung!) Ich frage Sie das wirklich! Wir möchten das in einer offenen Debatte mit Herrn Bundesminister Haupt und mit Herrn Bundesminister Molterer diskutieren, denn es geht darum – und ich stimme hierin mit beiden überein –, den Konsumenten zu signalisieren, dass Fleisch, das von österreichischen Bauern gekauft wird, sicher ist, weil es bei uns effektive Kontrollen gibt. (Abg. Großruck: Das weiß auch der Herr Maier!) Wenn allerdings die Kontrollen in den Schlachthöfen nicht funktionieren, meine sehr verehrten Abgeordneten und Landwirtschaftsvertreter von der ÖVP, dann bekommen wir ein Problem. Wir als Opposition werden dies – und ich sage das sehr deutlich – jedes Mal konkret aufzeigen und in der Öffentlichkeit diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was sind nun vorläufig unsere Schlussfolgerungen? Es handelt sich um ein Thema, das wir bereits an das Parlament herangetragen haben. Wir denken, dass im agrarischen Betriebsmittelrecht generell Proben- und Revisionspläne eingeführt werden müssen; im Lebensmittelgesetz gibt es das, im Futtermittelgesetz gibt es das nicht.


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Wir meinen, dass die flächendeckenden Tests – und ich habe die entsprechenden Signale der Bundesregierung positiv zur Kenntnis genommen – weitergeführt werden müssen. Das Tiermehlverbot muss auch auf europäischer Ebene gesichert werden. Wir erwarten uns außerdem, dass ausreichend Personal und Ausstattung mit Sachmitteln in den Bundesämtern sichergestellt wird. Generell erwarten wir uns aber auch – und das gilt nicht nur für das Veterinärrecht, das gilt nicht nur für das Lebensmittelrecht, sondern das gilt auch für das agrarische Betriebsmittelrecht –, dass die im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung bestehenden Defizite beseitigt werden.

Herr Bundesminister Haupt! Wir sind hier auf Ihrer Seite. Wir meinen, dass die großen Probleme bei der Kontrolle im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung liegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss kommen: Die sozialdemokratische Fraktion erwartet sich eine lückenlose Aufklärung dieses Falls, eine öffentliche Diskussion dazu, und sie erwartet sich auch, dass die bestehenden Defizite, wie sie von Bundesminister Haupt aufgezeigt worden sind, wirklich beseitigt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

14.10

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte an sich zum Thema Wirtschaft sprechen, aber die Ausführungen der Vorredner legen es nahe, aus Sicht der Wirtschaft auch etwas zum Thema BSE zu sagen. Frau Petrovic und auch Herr Maier: Ich würde Ihnen empfehlen, auf die Wortwahl zu achten. Wir von der Wirtschaft wollen lückenlose Aufklärung, wir wollen aber keine Skandalisierung, und das Wort "Kriminalisierung" bezeichnet genau das, was wir in dieser Angelegenheit nicht wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ganz im Gegenteil: Die Wirtschaft vertraut Herrn Bundesminister Haupt sehr wohl! Wir haben sehr verantwortungsbewusst reagiert, und wir meinen, dass wir gerade wegen dieses Falls, trotz dieses Falls nicht geschwächt, sondern sowohl im Exportbereich als auch im Handels- und Erzeugungsbereich gestärkt aus dieser Situation hervorgehen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! BSE ist aus dem Ausland gekommen, darauf wurde heute bereits hingewiesen. Auch die wirtschaftliche Situation ist auf Grund unserer Verflechtung mit anderen Ländern wesentlich vom Ausland geprägt. In diesem Zusammenhang haben wir bereits mehrmals festgestellt, dass zwei, drei Zinssenkungen nicht dazu geführt haben, was gewünscht wurde, nämlich eine Belebung der Wirtschaft anzuregen. Warum? Weil Experten die Problematik der jetzigen Situation darin begründet sehen, dass das Vertrauen der Konsumenten und der Unternehmer maßgeblich gestört ist.

Sie wissen es selbst ganz genau: Es ist so, dass Wirtschaften von Stimmungen, vom Vertrauen abhängig ist, dass der Kapitalmarkt vor allem die Erwartungen reflektiert, und daher muss man – dies nur, weil es hier angesprochen worden ist – mit Worten wie "Rezession" sehr sorgsam umgehen. Alles, was Sie von der Opposition in Richtung Übertreibung, in Richtung Demotivierung sagen, trägt dazu bei, dass sich unsere Konjunktur von der Erwartungshaltung, von der Stimmung her verschlechtert.

Demgegenüber hat die Regierung, so meine ich, die Situation sehr realistisch eingeschätzt und auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Wir können die Auswirkungen nicht verhindern, wir können aber auch nicht mit eigener Kraft eine eigene, auf Österreich bezogene Konjunkturentwicklung im Sinne eines Konjunkturaufschwungs schaffen. Was wir aber tun können, ist, dass wir negative Auswirkungen abschwächen und positive Trends verstärken.


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In diesem Zusammenhang sind mir einige Dinge sehr positiv aufgefallen, die wir von Seiten der Wirtschaft auch schon lange gefordert haben, beispielsweise im Forschungs- und Entwicklungsbereich: dass es hier nicht mehr nur Freibeträge gibt. Freibeträge haben einen Nachteil: Freibeträge helfen dem nicht, der keinen Gewinn macht, und Freibeträge helfen daher vor allem den Jungunternehmern nicht. Im Bereich Forschung und Entwicklung gibt es jetzt eine Prämie. Dasselbe gilt für den Bildungsbereich: ebenfalls eine Prämie.

Frau Kollegin Petrovic, Sie haben heute gesagt, wir lägen im Innovations-Ranking im EU-Bereich so weit hinten. Diese Maßnahme – Freibetrag und entsprechende Prämie – ist genau der richtige Ansatz, um Österreich in diesem Bereich entsprechend nach vorne zu bringen. Wir sehen das sehr positiv. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein zweiter Punkt – und auch den sehe ich symbolisch für eine bestimmte Einstellung –: Wir haben uns so oft damit gerühmt – auch wir als Wirtschaftsvertreter, ich möchte uns da gar nicht ausnehmen –, dass von vier Betriebsgründungen drei Gründungen erfolgreich sind. Wenn Sie nach Amerika schauen, werden Sie das genaue Gegenteil finden. Wenn Sie dort mit einer ersten Gründung, einem ersten Projekt zu einer Bank oder zu einer Venture-Finanzierungsgesellschaft gehen, werden Sie erleben, dass Sie das Projekt wahrscheinlich gar nicht durchbringen.

Wir haben daher jetzt in diesem Regierungsprogramm das "redliche Scheitern" eines Unternehmers drinnen, dass also ein Konkurs beziehungsweise ein wegen mangelndem Vermögen abgewiesener Konkurs kein Grund ist, nicht mehr als Unternehmer tätig zu sein. Das bedeutet eine Stimmungsänderung, das wird viele Leute anregen, etwas risikobewusster, innovationsfreudiger im Wirtschaftsleben aufzutreten.

Und weil das hier mehrmals, auch von Regierungsseite, angesprochen wurde: Ich habe allerdings schon ein Problem mit den Kündigungsfristen. Der arme Bäcker wurde heute schon mehrmals strapaziert, bei dem es nur einen Tag Frist gibt, oder auch andere. Wissen Sie, welchen Grund das am Arbeitsmarkt hat, meine Damen und Herren? – Das ist vom betrieblichen Geschehen her so notwendig. Im Bäckereibereich gibt es eben sehr schwere Bedingungen – Nachtarbeit und in der Früh zeitig aufstehen. Da passiert es schon, dass jemand sagt: Ich mag nicht mehr. Und der Unternehmer muss dann disponieren. Das hat ja einen sehr gewichtigen wirtschaftlichen Hintergrund. Dasselbe gilt aber auch für den Baubereich: Wenn jemand Künettenarbeiter hat und keinen Auftrag mehr, wollen Sie denen eine fünfmonatige Kündigungsfrist einräumen?

Meine Damen und Herren! Man muss sich diese Maßnahmen daher sehr sorgfältig daraufhin anschauen, was sie wirklich an Kosten bewirken. Wir haben ausgerechnet, dass das trotz Anpassungsmaßnahmen 10 Milliarden Schilling sein könnten. Das sollte ein Konjunkturbelebungs programm sein! Ich bitte daher, darauf auch in der Umsetzung zu achten.

Abschließend noch zur Zumutbarkeit: Meine Damen und Herren! Wenn Sie einem Pendler aus dem Mühlviertel zumuten, dass er jeden Tag nach Linz einpendelt, dann muss es doch auch zumutbar sein, dass ein Arbeitsloser von Linz über St. Martin hinaus ins Mühlviertel pendelt, was nach der jetzigen gesetzlichen Situation nicht möglich ist. Und daher bekämpfen wir nicht die Arbeitslosen, sondern wollen einfach eine bessere Vermittelbarkeit herstellen.

In diesem Sinne – das waren nur einige Beispiele – ist das Regierungsprogramm sehr wohl bestens geeignet, österreichspezifische Aktivitäten zu setzen, um für einen Konjunkturaufschwung die richtigen Weichen zu stellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

14.16

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Ich stimme Kollegen Mitterlehner zu, wenn er


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sagt, man solle die Wirtschaft nicht krankjammern. Ich bin aber gleichzeitig nicht Ihrer Auffassung, wenn Sie meinen, dass man sie durch Gesundbeten besser stellen kann. Tatsache ist, dass die Erklärung, die die Bundesregierung heute abgegeben hat, doch eher als ein PR-Gag zu bezeichnen ist: Konkrete Maßnahmen und Schritte zum Wohle der ArbeitnehmerInnen, der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Österreich fehlen, und gerade das ist der Fehler, meine Damen und Herren, den wir Ihnen vorwerfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich werde Ihnen am Beispiel der Freizeit- und Tourismuswirtschaft einiges aufzeigen – ich könnte Ihnen vieles bringen, aber die Zeit erlaubt es mir nicht. Schauen wir uns die Beschäftigungspolitik an: Ende November gibt es ein Plus von 3,8 Prozent, 3,8 Prozent Arbeitslose mehr als voriges Jahr. Das sind real 49 000 ArbeitnehmerInnen.

Und ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, was Ihr nächster großer Fehler ist: Statt für Beschäftigung zu sorgen, fordern Sie Jahr für Jahr mehr Saisonniers. Dabei aber verwickeln Sie sich in Widersprüche: Einmal sagt Herr Bundesminister Bartenstein: Ja, mehr Saisonniers. Die Frau Staatssekretärin sagt: Nein, überhaupt keine Saisonniers. Dann revidiert sie diese Meinung, Herr Bundesminister Bartenstein korrigiert sie ein wenig. Ich behaupte daher mit vollem Recht: Wer bei diesem Verwirrspiel unterm Strich auf der Strecke bleibt, sind die ArbeitnehmerInnen und die UnternehmerInnen. Wenn Sie mir das nicht glauben, beweise ich es Ihnen mit einer Headline, die heute in einer Zeitung bei uns in der Region zu lesen ist: "Fachkräftemangel: In der Pinzgauer Gastronomie ist Feuer am Dach."

Meine Damen und Herren! Zu einem zweiten wesentlichen Punkt, den ich ansprechen möchte: Basel II. Ich sage Ihnen gleich vorweg: Sie haben, was uns schon ein wenig überrascht hat, einen Entschließungsantrag eingebracht. Es hat aber vorher geheißen, es werde, da Basel II ein derart wichtiges Abkommen ist, ein gemeinsames Vorgehen von Regierung und Opposition geben, denn auch wir sind uns der Tragweite bewusst. Wir haben also damit gerechnet, dass Sie nicht nur mit uns Gespräche aufnehmen, sondern dass wir einen gemeinsamen Entschließungsantrag einbringen werden. Was Sie uns mit Ihrem Alleingang bewiesen haben, ist, dass Sie nicht einmal im Entferntesten daran interessiert sind, die Opposition mit in Ihre Überlegungen einzubinden. (Abg. Mag. Kogler: Jawohl!)

Meine Damen und Herren, das ist nicht der korrekte Weg! Wir werden diesem Entschließungsantrag Böhacker, Stummvoll, Haigermoser, Auer trotzdem unsere Zustimmung geben, aber wir sagen Ihnen auch – und ich verlange das von dieser Stelle aus klar und deutlich –, dass die Bundesregierung binnen Jahresfrist dem Parlament einen Fortschrittsbericht vorlegen muss, damit wir feststellen und nachvollziehen können, was Sie tatsächlich im Bereich Basel II für Österreich, für die KMUs in Österreich, unternehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kiss: Antrag einbringen und abstimmen lassen!)

Des Weiteren, meine Damen und Herren, darf ich noch einmal auf den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gusenbauer, Edlinger, Verzetnitsch und Genossen betreffend Wachstumsprogramm für Österreich – Sicherung von Zukunft, Wohlstand und Beschäftigung eingehen und Ihnen diesen Entschließungsantrag, der bereits verteilt ist, in den wichtigsten Punkten erläutern.

Der Nationalrat wolle Folgendes beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich, zur Sicherung unserer Zukunft, der Beschäftigung und des Wohlstandes der Menschen in unserem Land ein Wachstumsprogramm zu erarbeiten, sofort umzusetzen und das insbesondere durch die folgenden Maßnahmen sicherzustellen:

1. Faire Verteilung stärkt Wachstum: Senkung der Lohn- und Einkommensteuer um 30 Milliarden Schilling.

2. Befristete Wiedereinführung des Investitionsfreibetrages.

3. Ein umfassendes Infrastrukturpaket.

4. Verbesserung der Investitionsstruktur zugunsten von Innovation.


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5. Offensive für Forschung, Entwicklung und Bildung.

6. Sicherheit und Flexibilität vereinen: Verstärkung aktiver Arbeitsmarktprogramme.

7. Stopp des Ausverkaufs der ÖIAG-Betriebe.

8. EU-Osterweiterung als Wachstumschance für Österreich nutzen.

9. Stabilitätsfonds für die klein- und mittelständischen Unternehmungen.

Meine Damen und Herren! Zurückkehrend zur Debatte über die Wirtschaft in Österreich noch einmal einen kurzen Satz zu Basel II: Sie wissen, was das heißt für die Fülle der klein- und mittelständischen Unternehmungen in Österreich, gerade im Bereich der Freizeit- und Tourismuswirtschaft. Wenn nicht Ihrerseits die entsprechenden flankierenden vorbereitenden Maßnahmen getroffen werden, wird eine Fülle dieser Unternehmen in die Insolvenz getrieben werden, wir haben das große Nachfolger-Problem, und es wird leider, wie es auch von der Frau Staatssekretärin bereits gesagt wurde, ein sehr großer Teil des Angebotes wegbrechen.

Dies will wohl niemand in diesem Haus, daher fordern wir Sie auf: Leiten Sie die erforderlichen Maßnahmen ein! (Beifall bei der SPÖ.)

14.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Gusenbauer, Edlinger, Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichen Zusammenhang und ist schriftlich überreicht worden. Er steht damit mit zur Verhandlung. Ich lasse ihn selbstverständlich entsprechend der Geschäftsordnung verteilen beziehungsweise ist das bereits erfolgt.

Gemäß der Geschäftsordnung wird er auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Edlinger, Verzetnitsch und GenossInnen betreffend Wachstumsprogramm für Österreich – Sicherung von Zukunft, Wohlstand und Beschäftigung, eingebracht im Zusammenhang mit der Erklärung gem. § 19 Abs. 2 GOG des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin zum Thema "Erfolgsmodell Österreich – Standortverbesserung und Konjunkturbelebung"

Eine weltweite Rezession manifestiert sich, der sich auch Österreich nicht ohne weiteres entziehen kann. Politisches Handeln und Maßnahmen sind das Gebot der Stunde, wenn die österreichische Bundesregierung ihre Verantwortung für unser Land, die Österreicherinnen und Österreicher wahrnimmt.

Und die Lage ist ernst. 2001 wird aller Voraussicht nach das österreichische Brutto-Inlandsprodukt (BIP) um nur 1% wachsen. Das Wifo wird seine Prognose für 2002 (zuletzt 1,9%) zurücknehmen müssen und erwartet für das erste Halbjahr 2002 eine Rezession.

Erstmals seit 25 Jahren stürzen weltweit alle relevanten Volkswirtschaften gleichzeitig ab. Die Indikatoren und Prognosen weisen in den USA, Europa, Japan, den asiatischen Tigerstaaten, und in den emerging markets wie Argentinien oder der Türkei gleichförmig nach unten. In Österreich wechseln sich Meldungen über Massenkündigungen ab mit Daten über immer weiter sinkende Konsumneigung, sinkende Investitionen, Krise in der Baubranche, steigende Arbeitslosigkeit etc.

Dazu kommen in Österreich noch eine Menge hausgemachter Faktoren, die die konjunkturelle Talfahrt noch beschleunigen. Die Wirtschaftsforscher haben bereits Anfang des Jahres bestä


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tigt, was die Sozialdemokratie immer angeprangert hat: Der restriktive, unnötig scharfe Sparkurs der FPÖVP-Koalition dämpft das ohnehin rückläufige Wachstum in Österreich um bis zu einem halben Prozent des BIP zusätzlich. Damit wurden die Österreicherinnen und Österreicher um rund 15 Milliarden Schilling ärmer gemacht.

Die EU-Kommission stellt in ihrer jüngsten Herbstprognose Anfang Dezember fest, dass Österreich mit seinem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent heuer an drittletzter Stelle in der EU liegt und 2002 und 2003 sogar an die vorletzte Stelle in der EU zurück fällt.

Bei der Arbeitslosigkeit rutscht demnach Österreich von einer Vorreiterposition in der EU in den 90er Jahren ins europäische Mittelfeld zurück. Heuer haben bereits vier Länder in der EU eine niedrigere Arbeitslosenrate als Österreich, nämlich Irland, Luxemburg, Niederlande und Portugal.

Und im kommenden Jahr wird Österreich nach der EU-Prognose beim Einkommenszuwachs sogar EU-Schlußlicht sein. Mit anderen Worten: In allen anderen EU-Ländern werden 2002 die realen Einkommen der Beschäftigten stärker wachsen als in Österreich. Und das ist keine Folge der Weltwirtschaftskrise, sondern von der FPÖVP-Koalition hausgemacht.

Insgesamt dürften diese Ergebnisse auch für die FPÖVP-Koalition keine Überraschung sein. Denn diese Bundesregierung hat die sozial Schwächeren belastet wie keine Regierung zuvor. Die Steuerlast und die Steuerungerechtigkeit sind so hoch wie nie zuvor. Und die Steuer- und Abgabenquote erreichte entgegen allen Wahlversprechen mit 45,6% einen historischen Höchststand.

Auch das hat die EU-Kommission in ihrer jüngsten Herbstprognose für die Jahre 2001 bis 2003 bestätigt. Sie hat festgestellt, daß die österreichische Regierung die Budgetkonsolidierung nur durch das Hinaufschrauben der Steuerlast auf neue Rekordhöhen erreicht hat und daß dies nachteilig für die heimische Wirtschafts-, Budget- und Beschäftigungslage ist und eben dazu führt, dass das Wirtschaftswachstum Österreichs hinter dem EU-Durchschnitt nachhinkt und die Arbeitslosigkeit in Österreich stärker steigt als in der EU.

Das bestätitgt die Kritik der Sozialdemokratie an einer Budgetpolitik, die die Belastungen einseitig auf die Arbeitnehmer, Pensionisten und sozial Schwachen verteilt hat. Es bestätigt auch die Kritik an einer Wirtschaftspolitik, die untätig ist angesichts der aktuellen Rezession und der steigenden Arbeitslosigkeit.

Die Steuerschraube wurde von der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung angezogen wie nie zuvor in der Geschichte. Belastet wurden einseitig die BezieherInnen kleiner und mittlerer Einkommen. Die Fakten:

Die Lohnsteuer explodiert um 18 % in nur 2 Jahren. Gegenüber dem Jahr 2000, in dem die Steuerreform der früheren Bundesregierung wirksam wurde, wird die Lohnsteuer, die Steuer der ArbeitnehmerInnen, von 199 auf 235 Mrd.S im kommenden Jahr explodieren. Das ist eine Steigerung von 18 % in nur 2 Jahren oder je ArbeitnehmerIn fast 12.000 Schilling mehr Lohnsteuer pro Jahr. Auch die Einkommensteuer, die Steuer der Selbständigen, ist um über 15 % angestiegen.

Die Regierung hat Steuererhöhungen in Höhe von 111 Mrd. S beschlossen. Insgesamt hat die Regierung bereits Steuererhöhungen in einer Gesamthöhe von 111,5 Mrd. S beschlossen. Jede/r der etwa 5,5 Millionen SteuerzahlerInnen zahlt heuer im Durchschnitt um 14.560,- Schilling mehr Steuern an den Finanzminister als noch 1999, im kommenden Jahr sogar um 20.270,- Schilling mehr als 1999.

Die realen Einkommen der ArbeitnehmerInnen sinken deutlich. Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO hat im Vorjahr auf die übermäßigen Belastungen der unteren Einkommen durch die Belastungspolitik der Regierung hingewiesen. Jetzt prognostiziert das WIFO für heuer einen realen Einkommensverlust von 0,8 Prozent. Auch für die kommenden Jahre hat das WIFO er


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rechnet, daß die Realeinkommen weit hinter der Produktivitätsentwicklung zurückbleiben werden.

Die sozial Schwächeren wurden vielfach belastet. Arbeitslose, UnfallrentnerInnen oder Einkommenslose (wie StudentInnen und mitversicherte Hausfrauen) wurden belastet. Und trotz einer Inflation von 2,6 bzw. 2,9 Prozent wurden die Pensionen in den letzten beiden Jahren nur um 0,8 Prozent bzw. 1,1 Prozent angehoben. Das bedeutet, dass den PensionistInnen in den letzten beiden Jahren rund 10 Milliarden Schilling alleine im Hinblick auf die Teuerungsrate vorenthalten wurde. Dabei leiden besonders die PensionistInnen unter den Preissteigerungen, etwa bei Gesundheitskosten (Ambulanzgebühr), Wohnen (Energiepreise wie Gas und Heizöl) und Nahrungsmitteln (Fleischpreise).

Die Wohlhabenden wurden entlastet und weitere Entlastungen sind in Diskussion: Die Abschaffung der Aktiengewinnsteuer war das herausragendste Beispiel, wie die Regierung zeitgleich mit Belastungen für Einkommensschwächere Entlastungen für Wohlhabende beschloß. Daß die geänderte Stiftungsbesteuerung keinen Ertrag bringt, hat das Finanzministerium bereits zugegeben. Dennoch denkt der Finanzminister über weitere Entlastungen der GutverdienerInnen nach, etwa über eine Senkung des Spitzensteuersatzes (für Einkommen ab 700.000 Schilling).

ÖVP und FPÖ haben den größten Umverteilungsprozeß von unten nach oben der letzten Jahrzehnte in Gang gesetzt. In Österreich werden aufgrund der Politik von ÖVP und FPÖ die Reichen reicher und die Armen ärmer. Diese Politik ist ungerecht gegenüber den ArbeitnehmerInnen, den PensionistInnen und den kleinen Selbständigen, die durch ihre Arbeit den entscheidenden Anteil zu Wirtschaftswachstum und Wohlstand in unserem Land beitragen bzw. beigetragen haben.

Die Tendenz am Arbeitsmarkt, Wachstum, Inflation, die Abgabenquote, die Zukunftsaussichten ganz allgemein sind heute wesentlich schlechter als FPÖVP das bei ihrem Regierungsantritt vorgefunden haben. Denn "Österreich neu regieren" hat dazu geführt, dass Geld und nicht die Menschen zuerst kommen, Österreich ausverkauft wird, in die Zukunft und die Ausbildung unserer Kinder nicht mehr ausreichend investiert wird, die Sozialsysteme demontiert werden, Konflikt statt Konsens die politische Kultur prägt und Österreich kalt geworden ist.

Und dabei hinterließ die SPÖ als Regierungspartei gute Startvoraussetzungen für die neue Regierung, die von dieser fahrlässig wieder verspielt wurden. Einige Beispiele dafür:

1999 wurde einem drohenden Wirtschaftsabschwung (2,8% reales Wachstum nach 3,3% 1998) mit einer Steuerreform 2000 für die unteren und mittleren Einkommensbezieher gegengesteuert, sodaß im Jahr 2000 wieder ein Wachstum von 3% erreicht werden konnte. 2001 wird das Wachstum unter anderem auch wegen der hausgemachten hohen Steuerlast nur mehr 1,3% betragen. – Das ist weniger als der EU-Durchschnitt.

1999 betrug die Inflationsrate 0,6%, 2001 haben unter anderem erhöhte Energieabgabe, Verdopplung der Vignettenpreise, Ambulanzgebühren usw. für eine Inflationsrate von 2,6% (Wifo-Prognose) gesorgt.

In den letzten Monaten sozialdemokratischer Regierungstätigkeit war die Tendenz der Arbeitslosigkeit durch die Maßnahmen der sozialdemokratisch geführten Regierung trotz schwierigem Umfeld (geringeres Wachstum als 1998) stark rückläufig. Die Anzahl der vorgemerkten Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sank im November 1999 um 9%, im Dezember 1999 um 10,5% und im Jänner 2000 um 7,3%.

Die FPÖVP-Koalition hat durch ihre Untätigkeit zu verantworten, dass die Arbeitslosigkeit derzeit rasch steigt. Die Anzahl der vorgemerkten Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg im Juli 2001 um 8,4%, im August 2001 um 9,8% und im September 2001 um 14,2% und im November 2001 um über 16% auf einen Höchststand von rund 225.000. – Tendenz weiter steigend.


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Österreich hat damit seine vorbildliche Position bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verloren und fällt ins Mittelfeld innerhalb der EU zurück. Länder wie Portugal und Irland haben mittlerweile eine niedrigere Arbeitslosenrate als Österreich. Anstatt Investitionen und Arbeitsmarktförderungsmittel zu kürzen, wären gerade in diesen Bereichen jetzt Impulse und Mehrausgaben erforderlich, um Wachstum, Beschäftigung und Steuereinnahmen anzukurbeln.

Dazu kommt noch eine völlig verfehlte Privatisierungspolitik, die einerseits zum Ausverkauf zu Schlußverkaufspreisen ans Ausland geriet, andererseits durch dilettantisch durchgeführte Börsegänge zehntausende Kleinanleger um einen beträchtlichen Teil ihres Geldes brachte. Dabei braucht nach Ansicht der Sozialdemokraten eine kleine Volkswirtschaft wie Österreich starke heimische Kernaktionäre.

Das Beispiel Semperit hat klar gezeigt wie hilflos das Management, die Beschäftigten, aber auch die Politik den Entscheidungen gegenüber stehen, die weit weg vom österreichischen Standort in anonymen Konzernzentralen getroffen werden, wenn das Eigentum einmal vollständig im Ausland gehalten wird.

Auch der neue Eigentümer der Austria Tabak hat bereits Unternehmensstandorte geschlossen. Und niemand kann garantieren, dass in Zukunft nicht auch einmal ein österreichischer Standort getroffen werden kann, wenn erst einmal Entwicklung und know how abgezogen sind.

Die FPÖVP-Koalition will aber daraus nicht lernen und macht Schlüsselbetriebe der österreichischen Industrie zu verlängerten Werkbänken ausländischer Konzerne. So wird zum Beispiel als nächstes bei der Telekom Austria munter weiter drauf Vollprivatisiert. — Aller Voraussicht nach werden auch dort 100% des Unternehmens an einen ausländischen Konzern verscherbelt.

Das alles heißt aber: weniger Investitionen in Forschung und Entwicklung, weniger hochqualifiziertes Personal und heimische Arbeitnehmer und weniger Aufträge an die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe. – Auch das ist "Österreich neu regieren". Und auch dagegen wird die Österreichische Sozialdemokratie weiterhin mit aller Kraft auftreten.

Angesichts der dramatisch einbrechenden Konjunktur und der damit verbundenen stark steigenden Arbeitslosigkeit in Österreich ist es unverantwortlich, wenn die Regierung ohne Rücksicht auf die Menschen am Fetisch Nulldefizit festhält bzw. es bereits krampfhaft im Jahr 2001 erreichen will.

Denn der PR-Gag Nulldefizit wird von den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern mit der höchsten Abgabenquote in der Geschichte Österreichs bezahlt. Dazu kommen Einmaleffekte, die in den Folgejahren wegfallen sowie Belastungen durch Steuervorauszahlungen, die sich negativ auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen auswirken.

Die FPÖVP-Koalition stellt ihre budgetpolitischen Ziele über Wachstum und Beschäftigung. Sie verhält sich wie ein Buchhalter, dem die Null in der Bilanz wichtiger ist als Investitionen in die Zukunft des Unternehmens.

Wichtiger als eine Null im Budget ist es nach Ansicht der Sozialdemokraten, dass die Menschen in Österreich Arbeit und Einkommen haben und dass Wirtschaft und Wohlstand wachsen.

Wenn die Regierung trotz schlechter Wirtschaftsdaten in jedem Fall am Nulldefizit festhalten will, dann ist das eine gefährliche Drohung, weil auch weitere unsoziale Belastungsmaßnahmen nicht mehr auszuschließen sind. Wenn aber die Einkommen der Menschen neuerlich belastet werden, wird sich auch die Talfahrt der Wirtschaft fortsetzen, wenn nicht noch beschleunigen.

Denn bereits jetzt schon ist ein Teil des verringerten Wirtschaftswachstums hausgemacht, da durch unsoziale Belastungen die Inflation angeheizt und durch massive Steuererhöhungen die Kaufkraft geschwächt wurde.


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Das Festhalten am Fetisch Nulldefizit in Zeiten der einbrechenden Konjunktur zeugt von politischer Kälte, bei der die Schicksale der Menschen zweitrangig sind. Die blau-schwarze Regierung sollte sich an den konservativ regierten USA ein Beispiel nehmen, wo man nicht blind an irgendwelchen Dogmen festhält, sondern wo die Geld- und Budgetpolitik eingesetzt wird, um der Wirtschaft wieder Schubkraft und den Menschen Beschäftigung und Wohlstand zu geben.

Und das von der Regierung im Ministerrat vom 4.September 2001 eilig beschlossene Strukturprogramm zur Verbesserung des Standorts ist nach einhelliger Auffassung von Wirtschaftsexperten und Medien ein "konjunkturelles Placebopaket" (so z. B. Format 37/01). Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind reine Kosmetik und beinhalten kaum zusätzliche Investitionen, die nicht ohnehin schon längst budgetiert sind. – Nicht mehr als ein "Sofortprogramm heiße Luft" (NEWS 36/1, Seite 28).

Auch das von der Regierung nunmehr hektisch nachgebesserte und am 5. Dezember 2001 vorgelegte sogenannte 2. Konjunkturprogramm kommt zu spät, ist halbherzig und wird daher wirkungslos sein.

Während die EU-Kommission nachgewiesen hat, daß aktive Konjunkturpolitik Wachstum fördert und Budgetprobleme verringert, prolongiert die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung Österreichs Wirtschaftskrise durch ihre Untätigkeit. Erneut versucht sich die FPÖVP-Koalition mit Mogelpackungen über die Probleme drüberzuschwindeln statt sie zu lösen oder tatsächlich Zukunftskonzepte zu liefern.

Es wird lediglich suggeriert, dass es sich bei den Investitionsvorhaben um zusätzliche Maßnahmen handelt. Exportoffensive, Reformen im Wohnbaurecht, Sanierungsmaßnahmen im Bundeshochbau, Verbesserungen beim Arbeitsmarktservice, Jugendausbildung – "das alles ist eher ein PR-Paket – da werden Maßnahmen in die Auslage gestellt, die bereits beschlossen sind. Zusätzliche Impulse sind kaum drinnen." (meint ein anerkannter Wirtschaftsforscher)

Placebos werden uns in der drohenden Rezession nicht helfen. Die Regierung handelt grob fahrlässig und setzt keinerlei Maßnahmen, die im Ernstfall wirklich greifen werden. Das starre Festhalten an richtigen Konzepten für die Hochkonjunktur, wie dem Nulldefizit, taugt nicht für die Bewältigung der schwierigen ökonomischen Situation, in der wir uns jetzt befinden. Das müßte auch die FPÖVP-Koalition langsam einsehen. Gefragt sind mehr Flexibilität und effizientes Krisenmanagement.

Dazu kommen noch die Fehler der Regierung im vergangenen Jahr, auf die die Sozialdemokratie immer wieder hingewiesen hat. "Leider verschweigt die Regierung, daß sie gleichzeitig Maßnahmen gesetzt hat, die entgegengesetzt wirken", meint der Konjunkturexperte des Wifo, Walterskirchen (im NEWS 36/1). "Die Erhöhungen der Steuern und Gebühren schmälern heuer die Nettoeinkommen um rund 30 Milliarden Schilling. Daß das nicht voll auf die Konjunktur durchschlägt liegt nur daran, daß die Österreicher diesen Ausfall zum Teil durch einen Rückgriff auf ihr Erspartes ausgleichen."

Vor allem die jüngste Herbstprognose der EU-Kommission über die Wirtschaftsentwicklung EU-Länder läßt klar erkennen: Konjunkturpolitik fördert Wirtschaftswachstum, und Wirtschaftswachstum erleichtert Budgetpolitik.

Ganz allgemein führt das zu der Schlußfolgerung:

Konservative Regierungen in Europa stellen Budgetziele über Wachstum und Beschäftigung, drücken die Realeinkommen der Menschen, und unternehmen kaum etwas, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Folge: das Wachstum ist schwächer, die Arbeitslosigkeit höher, die Budgetprobleme sind größere.

Sozialdemokratische Regierungen in Europa dagegen stimulieren (mit einer Ausnahme: Deutschland) durch Konjunkturprogramme Wachstum und Beschäftigung, sorgen für Realeinkommenszuwächse der Menschen und haben dadurch weniger Budgetprobleme.


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Die Österreichische Sozialdemokratie fordert ein Wachstumsprogramm, um der drohenden Rezession gegenzusteuern, Beschäftigung, Wohlstand und Zukunftschancen für die ÖsterreicherInnen und Österreicher, vor allem aber für unsere Kinder zu sichern.

Ein Wachstumsprogramm braucht eine mittelfristige Perspektive, seine Umsetzung kann aber auch schon kurzfristig expansive Effekte beinhalten.

Das Wachstumsprogramm soll

durch Steuersenkung für die unteren und mittleren Einkommensbezieher Inlandsnachfrage sichern,

durch ein Infrastrukturpaket den heimischen Betrieben Aufträge und damit den Beschäftigten Arbeit und Einkommen geben,

durch eine Verbesserung der Investitionsstruktur Richtung mehr Innovation den Strukturwandel begünstigen,

durch eine Bildungsoffensive unsere Zukunftschancen wahren,

durch einen Stopp des Ausverkaufs unserer Industrie-Flaggschiffe ans Ausland österreichische Headquarters, österreichische Handlungsspielräume, und den heimischen Klein- und Mittelbetrieben damit ihre Aufträge erhalten,

durch die Verstärkung aktiver Arbeitsmarktprogramme Sicherheit und Flexibilität vereinen, und den Menschen Chancen auf Beschäftigung wahren,

durch die Wiedereinführung des Investitionsfreibetrages Zukunftsinvestitionen und damit Beschäftigung in den Betrieben anregen,

durch Intensivierung der Vorbereitungsarbeiten für die EU-Osterweiterung deren Wachstumschancen für Österreich nützen, und

durch die Einrichtung eines Stabilitätsfonds den Klein- und Familienbetrieben bei ihren notwendigen Investitionen unterstützen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich, zur Sicherung unserer Zukunft, der Beschäftigung und des Wohlstandes der Menschen in unserem Land ein Wachstumsprogramm zu erarbeiten, sofort umzusetzen und das insbesondere durch die folgenden Maßnahmen sicherzustellen:

1. Faire Verteilung stärkt Wachstum: Senkung der Lohn- und Einkommensteuer um 30 Milliarden Schilling

Maßnahmen zur Umverteilung zugunsten des unteren und mittleren Einkommensdrittels durch Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur, insbesondere aber durch fiskalische Maßnahmen dient nicht nur der sozialen Gerechtigkeit, sondern kann aufgrund der unterschiedlichen Konsumneigung der verschiedenen Einkommensschichten auch expansive Nachfrage- und Wachstumseffekte haben.

Es soll daher – so rasch wie möglich – eine Steuerentlastung der ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen und kleinen Selbständigen in Höhe von 30 Milliarden Schilling (2,18 Mrd. €) Platz grei


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fen. Das stärkt die Einkommen, belebt die Kaufkraft und Konjunktur, erhöht die Investitionsbereitschaft, Beschäftigung, den Wohlstand und vor allem auch die Steuergerechtigkeit.

In den unteren bis mittleren Einkommensgruppen sollen die Absetzbeträge bzw. die Negativsteuer massiv erhöht werden.

2. Befristete Wiedereinführung des Investitionsfreibetrages

Um Konjunkturimpulse und Investitionen in der Wirtschaft auszulösen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen zu verbessern, soll der Investitionsfreibetrag von 9% befristet wieder eingeführt (Kosten ca. 6 Mrd. S = 436 Mio. €) werden. Dies wäre sinnvoller als eine – von der Regierung geplante – gießkannenartige Senkung der Lohnnebenkosten, die lediglich das Budget mit rund 10 Mrd. S belasten und die Finanzierung der Sozialversicherung gefährden würde.

3. Infrastrukturpaket

Um die Herausforderung der Globalisierung und der Osterweiterung anzunehmen, muss vor allem die Verkehrsinfrastruktur im Bereich der Westbahn, aber auch der West-Autobahn beschleunigt ausgebaut werden. Die entsprechenden bereits geplanten Maßnahmen und Investitionen in SCHIG und Asfinag sollen vorgezogen, statt wie von der Regierung vorgesehen zur Budgetsanierung verschoben werden. Die Investitionen können durch eine verursachergerechte Höhe der LKW-Maut bedient werden, die schon längst überfällig ist und bis heute immer wieder von der ÖVP verschleppt worden ist.

Die Sanierung der Bahnhöfe soll wie geplant sofort mit den Reserven der ÖBB in Angriff genommen werden. Die Sanierung von historischer bzw. älterer Bausubstanz im Bundesbereich soll darüber hinaus ebenfalls vorgezogen und damit sofort beschäftigungswirksam werden.

4. Verbesserung der Investitionsstruktur zugunsten von Innovation

Österreich weist vor allem in den neunziger Jahren einen geringen Anteil von Investitionen für Maschinen oder Elektronik auf. Das kann langfristig erhebliche Probleme in Effizienz der Investitionen und Wirtschaftswachstum mit sich bringen.

Eine Verlagerung der Investitionen hin zu Innovation, Forschung und Entwicklung, Informations- und Kommunikationstechnologien – Bereichen, die den Strukturwandel begünstigen und hohe langfristige Wachstumseffekte haben – ist geboten und soll rasch umgesetzt werden.

5. Offensive für Forschung, Entwicklung und Bildung

Laufende Bemühungen um eine Anhebung des allgemeinen Qualifikationsniveaus verbessert die Chancen der Einzelnen, hat positive Verteilungseffekte und ist die Voraussetzung für effiziente Forschungs- und Innovationspolitik. Mittelfristig ist eine Qualifikationsoffensive auch das beste Instrument gegen drohenden Fachkräftemangel.

Eine Ausbildungsoffensive soll unter anderem durch folgende Maßnahmen unsere Zukunftschancen und die unserer Kinder wahren und die Herausforderungen der Globalisierung annehmen:

Stufenweise Anhebung der F&E-Quote um 1% BIP im Jahr 2003 (rund 1/3 davon im privaten Sektor ausgelöst) – (2002 rund 10 Milliarden S, 2003 rund 20 Milliarden S)

Rasche Umsetzung der "Computer-Milliarde".

Sonder-Maßnahmenpaket zur Ausbildung von Experten in Informations- und Kommunikationsberufen: 5.000 zusätzliche Ausbildungsplätze in Informatiklehrgängen und Kollegs, weitere 5.000 Schulplätze in den berufsbildenden Schulen für die Erstausbildung. (2 Milliarden S.p.a.)


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Zusätzliche Ausbildungsangebote als Alternative zum dualen Bereich für jene Jugendlichen, die keinen Lehrplatz finden.

Ausreichendes Angebot von Schulplätzen in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen sowie in den Fachhochschulen.

Bereitstellung einer Milliarde Schilling für die Weiterbildung sowie zur Unterstützung des berufsbegleitenden Lernens.

Umfassendes Informationssystem über alle Weiterbildungsangebote.

Ausbau der Schulen für Berufstätige zu "Kollegs für Berufstätige" als multifunktionale Bildungszentren.

Gebührenfreies Nachholen von Bildungsabschlüssen, wie z.B. Hauptschulabschluß, Fachschulabschluß, Berufsreifeprüfung.

Ausbau einer flexiblen "Bildungskarenzzeit" für alle ArbeitnehmerInnen und insbesondere für Frauen, die nach der Kinderbetreuung wieder in den Beruf einsteigen wollen.

6. Sicherheit und Flexibilität vereinen: Verstärkung aktiver Arbeitsmarktprogramme

Flexibilitätsanforderungen an die Arbeitnehmer/innen werden weiter steigen. Die Herausforderung für den öffentlichen Sektor besteht in der Verbesserung der Rahmenbedingungen, die eine Voraussetzung für eine positive Bewältigung darstellt. Mehr Flexibilität kann unter emanzipatorischen Bedingungen nur bei mehr Sicherheit erreicht werden:

Der Wohlfahrtsstaat muss die "alten" Risken weiterhin abdecken und sich gegenüber "neuen" Risken aufgeschlossen zeigen. Eine solide öffentliche Infrastruktur bietet die Voraussetzungen für individuelle Flexibilität – funktionierendes Ausbildungssystem, Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, Verbesserung der Teilzeitbeschäftigung, Aufbau eines Weiterbildungssystems u.a.

Die Verstärkung aktiver Arbeitsmarktprogramme soll den Menschen in Österreich helfen, ihre Chancen auf Beschäftigung zu wahren durch folgende Maßnahmen:

Existenz sichern: Verbesserung der Existenzsicherung bei Arbeitslosigkeit für alle Arbeitssuchenden durch Erhöhung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung und Verbesserung der Einkommensanrechnung bei der Notstandshilfe; (rd € 145 Mio, ATS 2 Mrd, alle LeistungsbezieherInnen)

Beschäftigungsfähigkeit sichern: Verbesserung der beruflichen Qualifikation der ArbeitnehmerInnen in Österreich ab dem 40.Lebensjahr (rd € 171 Mio, ATS 2,3 Mrd; geförderte Personen: 115.000/Jahr mit ATS 20.000)

Qualifikationen verbessern: Verankerung eines Rechtsanspruches auf berufliche Qualifikation für arbeitslose ArbeitnehmerInnen (rd € 218 Mio, ATS 3 Mrd; geförderte Personen: 150.000/Jahr mit ATS 20.000)

Zukunft sichern: Sicherung des Zuganges zur Berufsausbildung für alle Jugendlichen (rd € 28 Mio, ATS 400 Mio für rd 4000 Jugendliche)

Integration ermöglichen: Schaffung der Voraussetzungen für Zugang und nachhaltige Integration auf dem Arbeitsmarkt für ZuwandererInnen durch allgemeine und berufliche Qualifikation (rd € 28 Mio, ATS 400 Mio, geförderte Personen: 20.000/Jahr mit ATS 20.000,--)

7. Stopp des Ausverkaufs der ÖIAG-Betriebe

Da es kaum heimische Unternehmen mit der nötigen Finanzkraft für den Kauf von ÖIAG-Unternehmen gibt, soll die Regierung den bisher ohnehin schwer verunglückten Privatisierungs- und


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Ausverkaufskurs beenden und die Interessen Österreichs wieder in den Vordergrund stellen. Denn nur heimische Konzernzentralen garantieren

Forschung und Entwicklung (siehe Semperit Traiskirchen)

hochwertige Arbeitsplätze

qualitativ hochstehende Berufsausbildung

Aufträge für die Vielzahl österreichischer Klein- und Mittelbetriebe.

8. EU-Osterweiterung als Wachstumschance für Österreich nutzen

Die Osterweiterung der EU stellt bei ihrem Gelingen eine enorme wirtschaftliche Chance für die ganze EU dar, sie bietet ein hohes Nachfrage- und Wachstumspotential. Je rascher die osteuropäischen Volkswirtschaften wachsen, desto besser für Westeuropa. Es bedarf einer aktiven Wirtschaftspolitik, dieses Potential zu realisieren.

Dazu gehören unter anderem die Förderung von Außenhandel und privaten Direktinvestitionen, ein europäischer Finanzausgleich und der Aufbau der Infrastruktur. Die Anstrengungen der österreichischen Bundesregierung sind in diesem Zusammenhang erheblich zu intensivieren.

9. Stabilitätsfonds für KMU’s

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es für Klein- und vor allem Familienbetriebe unter anderem auch wegen der geringen Risikobereitschaft österreichischer Banken schwierig, die Finanzierung von notwendigen Investitionen zustande zu bringen. Oft treten auch Liquiditätsengpässe auf, die ein Unternehmen in Schwierigkeiten bringen können. Als Hilfestellung für diese Unternehmen soll ein Stabilitätsfonds bei einer geeigneten Einrichtung wie der FGG geschaffen werden. Der Fonds soll im Wege von Haftungen Bankkredite zu Bestkonditionen bereitstellen.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

14.22

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Konjunkturpaket setzt bedeutende wirtschaftspolitische Maßnahmen des Regierungsprogramms um. Ziel der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung ist eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich und dadurch die Schaffung besserer Lebens- und Arbeitschancen für jeden.

Unser Finanzminister Mag. Karl-Heinz Grasser hat es in seiner Budgetrede für das Jahr 2002 bereits gesagt: Die neue Qualität der Finanzen ist am deutlichsten an der offensiven Politik für Bildung, Forschung und Entwicklung sowie Infrastruktur ablesbar.

12,5 Milliarden Schilling mehr im Jahr 2002 für Forschung, Entwicklung und Bildung bedeuten einen Multiplikator für die Leistungsfähigkeit Österreichs, einen Multiplikator für die österreichische Wirtschaft. Investitionen im Bereich Bildung, Forschung und Entwicklung sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes.

Das Konjunkturpaket ist ein Teil der Bildungsoffensive unserer Bundesregierung. Das Konjunkturpaket bringt unter anderem eine Verbreiterung der Förderungsmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung, eine Anhebung des Bildungsfreibetrages, eine Verdoppelung der Zahl der Plätze für Fachhochschul-Anfänger, eine Förderung der Drittmitteleinwerbung für Universitätsinstitute und die Finanzierung befristeter Stellen für Professoren und Forschungsassistenten zum Ausbau von internationalen Stärken einzelner Fakultäten und Universitäten, um nur einiges zu nennen.


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Die Bedeutung der Bildungseinrichtungen misst sich am Stellenwert, den die Absolventen in der Wirtschaft haben. Wir brauchen in Österreich topausgebildete Mitarbeiter, und wir brauchen topausgebildete Unternehmer, denn es sind die klein- und mittelständischen Unternehmen, die das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft sind.

Bundesministerin Elisabeth Gehrer hat auf den Standortvorteil Österreichs im Bereich Bildung, Forschung und Entwicklung hingewiesen. Österreich soll in Zukunft als Bildungsland im internationalen Wettbewerb mitspielen. Internationale Experten sollen aus Österreich kommen oder in Österreich ausgebildet werden.

Österreichische Universitäten, nämlich autonome öffentliche Universitäten beziehungsweise Privatunis, sollen in internationalen Universitätsrankings in Zukunft Spitzenplätze einnehmen. Dazu ist es auch notwendig, dass der Staat Rahmenbedingungen schafft, die es der Wirtschaft noch attraktiver machen, in die Wissenschaft zu investieren. Zuwendungen jeglicher Art an Universitäten sollten in Zukunft generell und zur Gänze steuerlich absetzbar sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wichtig langfristige Politik ist, zeigt sich an der Bildungspolitik. Das Konjunkturpaket zeigt die Bereitschaft und die Fähigkeit der Regierung, auf globale Entwicklungen unverzüglich zu reagieren und durch konkrete Schritte die Weichen für die positive Zukunft unseres Landes zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bauer. – Bitte.

14.26

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Stellungnahme selbst zugegeben, dass die österreichische Wirtschaft nicht mehr wächst. Was sind aber die Gründe dafür, dass die Wirtschaft nicht mehr wächst? – Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierung, das sind Ihre Belastungsmaßnahmen und Ihre Politik!

Der Herr Bundesminister hat auch von den Stärken – Stärken – für die österreichische Wirtschaft gesprochen und hat das Bildungssystem angeführt. Wie wollen Sie das umsetzen, wenn Sie die Mittel, die für das Bildungssystem gebraucht werden, einfrieren?

Weiters haben Sie die Studiengebühren eingeführt. Wie sollen Familien mit geringen Einkommen in Zukunft ihren Kindern die Ausbildung ermöglichen? (Abg. Großruck: Die bekommen ein Stipendium! – Abg. Dr. Spindelegger: Stipendium!) – Der Herr Bundesminister wird wahrscheinlich eine Zwei-Klassen-Politik wollen.

Es wurde von meinen Kollegen auch schon festgestellt, dass wir derzeit mit über 45 Prozent die höchste Abgaben- und Steuerquote in Österreich haben.

Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Rede auch von Maßnahmen gesprochen, damit eine bessere Vermittlung der Arbeitsplätze möglich ist. – Ihre Politik der besseren Vermittlung der Arbeitskräfte soll sogar so weit gehen, dass Arbeitslose in andere Bundesländer gehen müssen, wenn dort Arbeitskräfte gebraucht werden, und das ohne Wenn und Aber, ohne Rücksicht auf die Familie. Das ist Ihr Verständnis von Beruf und Familie.

Meine Damen und Herren von der Regierung! Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie es Menschen geht, die ihre Arbeit verlieren oder die um ihren Arbeitsplatz bangen müssen? Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierung, ich weiß, was das heißt, denn ich habe, als ich arbeitslos war, auch zwei Kinder in Ausbildung gehabt.

Um diesen Menschen zu helfen, müssen Mittel zur Verfügung gestellt werden, es dürfen aber nicht, wie Sie es machen, die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik eingefroren werden.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sophie Bauer und GenossInnen betreffend die sofortige Auflösung der Arbeitsmarktrücklage

"Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird aufgefordert sofort alle Maßnahmen zu setzen um die Auflösung der Arbeitsmarktrücklage gem. § 51 Arbeitsmarktservicegesetz, vorzunehmen. Diese Mittel sind für aktive Arbeitsmarktpolitik einzusetzen."

*****

Meine Damen und Herren! Für mich steht Beschäftigungspolitik im Zentrum von Wirtschaftspolitik. (Zwischenruf der Abg. Steibl. )

Die Frau Vizekanzlerin hat in ihrer Stellungnahme dreißig Jahre sozialdemokratische Politik kritisiert. Sie sagte, Realismus sei angesagt. Das kann ich nur ironisch verstehen, denn Sie wissen genau, dass die Arbeitslosigkeit angestiegen ist.

Die Vizekanzlerin sagte auch, dass mehr Druck auf Arbeitsverweigerer ausgeübt werden soll, ohne sich damit zu beschäftigen, wie es den Arbeitnehmern wirklich am Arbeitsplatz geht und unter welchen Bedingungen sie ihren Lohn verdienen müssen – und das, obwohl insbesondere Sie von der freiheitlichen Fraktion immer sagen, Vertreter der Arbeiter zu sein.

Die Frau Vizekanzlerin sagte auch, dass Sie eine Partei der Vordenker seien. Ich sage Ihnen: Sie sind weder Vordenker noch Nachdenker. Populismus ist für Sie das Wichtigste! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Das trifft auf die SPÖ zu! Populismus pur!)

Aber vielleicht nützen Sie einige Stunden in der Weihnachtszeit, um darüber nachzudenken und dann von dieser Bestrafungspolitik Abstand zu nehmen (Abg. Steibl: Das ist eine Angstmacherei! Das ist nicht in Ordnung!), indem Sie die notwendigen Mittel für die Menschen zur Verfügung stellen, die sie brauchen.

Meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, Sie haben heute einen Antrag zur Auflösung der Betriebskrankenkasse von Semperit eingebracht. In dieser Betriebskrankenkasse sind rund 5 500 Menschen versichert, und selbst im schlechtesten Fall ist diese Betriebskrankenkasse lebensfähig. Sie wollen nun aber diesen Menschen auch das bewährte soziale Netz wegnehmen. Verstehen Sie das unter "Einsatz für Menschen"? – Wir lehnen diese Politik ab, weil für uns der Mensch im Mittelpunkt steht.

Daher bringe ich folgenden weiteren Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sophie Bauer und GenossInnen betreffend unterstützende Maßnahmen für die Betriebskrankenkasse Semperit

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert alle Maßnahmen zu setzen um den Weiterbestand der Betriebskrankenkassen Semperit im Interesse der Versicherten zu sichern."

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

14.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die beiden von der Frau Abgeordneten Sophie Bauer vorgetragenen Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt, stehen in sachlichem Zu


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sammenhang mit der Verhandlungsmaterie und damit mit in Verhandlung beziehungsweise in weiterer Folge zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

14.32

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Natürlich ist die weltweite Konjunkturabschwächung auch an Österreich nicht spurlos vorbeigezogen. Das haben wir alle bemerkt, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Dies hat auch bei uns gegenüber dem Vorjahr zu einem vorübergehenden Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt, der sich sowohl in den einzelnen Bundesländern als auch in den einzelnen Sparten unterschiedlich darstellt. Der geringste Anstieg der Arbeitslosigkeit war in Tirol und Kärnten festzustellen, der höchste in Wien und Niederösterreich, was natürlich verschiedene Ursachen hat, nämlich auch die Beschäftigung von Ausländern.

Vermehrt von Arbeitslosigkeit betroffen sind unter anderem die Bauberufe. Es gibt aber, sehr geehrte Damen und Herren, auch zusätzliche Dienstverhältnisse in anderen Branchen; auch das soll gesagt werden und darf nicht verschwiegen werden. Deshalb wird im Modell zur Standortverbesserung und Konjunkturbelebung der Bundesregierung insbesondere auf die Baubereiche Rücksicht genommen. Es ist eine Reihe von wirtschaftsbelebenden Maßnahmen vorgesehen, welche bereits im kommenden Jahr zur Besserstellung des Bausektors beitragen werden.

Ich möchte doch auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Gusenbauer und der Frau Kollegin Bauer eingehen.

Herr Dr. Gusenbauer sagte heute, die SPÖ hätte die wirtschaftlichen Probleme immer besser gelöst als die jetzige Bundesregierung. Ich darf hier nur an zwei Beispielen – für mehr reicht die Redezeit nicht; aber mir wird im Laufe der Zeit noch viel mehr einfallen (Abg. Dr. Gusenbauer: Das glauben wir nicht!), und ich werde Gelegenheit haben, noch mehr Beispiele aufzuzeigen – das Versagen der sozialdemokratischen Sozialminister als Wirtschaftspolitiker in der Vergangenheit aufzeigen.

Beispiel Nummer eins, Herr Gusenbauer: In den späten achtziger Jahren ist die Arbeitslosigkeit am Bau kurzfristig ähnlich gestiegen wie jetzt. Was hat die damalige Regierung, was haben die sozialdemokratischen Minister angewiesen? – Sie haben die damaligen Arbeitsämter angewie-sen, Fernkurse für Bauarbeiter durchzuführen, Fernkurse, die ausschließlich vom bfi verkauft wurden. Und zur Korrektur sind dem bfi und somit der Gewerkschaft noch kostenlos PraktikantInnen, arbeitslose MaturantInnen zur Verfügung gestellt worden. Eine Gruppe hat an dem Ganzen verdient: nicht die arbeitslosen Bauarbeiter, auch nicht die Wirtschaft, sondern der ÖGB und das bfi. So hat man in den Statistiken Tausende arbeitslose Bauarbeiter versteckt, bis das Problem vorbei war, und so hat man Arbeitsmarktpolitik betrieben. Wenn das die Arbeitsmarktpolitik ist, die Sie heute als erstrebenswert erwähnt haben, dann sage ich: "Gute Nacht!" (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Schauen Sie bitte die letzten Vorkommnisse hinsichtlich Förderungen an: Kein Jugendlicher darf auf der Straße stehen, jeder muss einen Ausbildungsplatz haben! – Ich habe hier viele Beispiele, die besagen, wie man mit Jugendlichen umgegangen ist. In einem Praktikum wurde jemand zum Beispiel dreimal an einen Supermarkt vermittelt, um dort Stellagen einzuräumen – das war die "Schulung"! Diese Art von Schulung soll jetzt mit Bauarbeitern nicht stattfinden, sondern es sollen qualitative Schulungen stattfinden.

Es wird jetzt ständig gejammert und gesagt, dass das AMS weniger Geld für Schulungen zur Verfügung habe, aber das stimmt einfach nicht. Ich vertrete die Auffassung, es soll evaluiert werden, es sollen jene Maßnahmen gefördert werden, die sowohl dem Betroffenen als auch der Wirtschaft dienen, und es soll mit Alibimaßnahmen endlich Schluss gemacht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Das Beispiel Nummer zwei, das vor besonderer sozialer Kälte strotzt, war die Entwicklung bei den arbeitslosen Behinderten. Sie wissen ganz genau – wir haben das wiederholt gesagt –, dass in den letzten zehn Jahren vor 1999 die Zahl der arbeitslosen Behinderten von 18 500 auf 40 500 gestiegen ist. Und Sie haben nichts dagegen getan! Ihnen ist überhaupt nichts eingefallen, um diesen betroffenen Personen zu helfen. – Im Gegenteil: Sie haben im letzten Wahljahr noch die Förderungen für Behinderte gestrichen, damit dem Programm des Herrn Bundeskanzlers Klima entgegengekommen werden konnte, zum Beispiel Maßnahmen wie beim Projekt "Euroteam" zu fördern. Mit solchen Maßnahmen soll aber endgültig Schluss sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte hier nur als Beispiel anführen, was die Behindertenmilliarde des Herrn Bundesministers Haupt gebracht hat: Die neuesten Statistiken zeigen, dass dadurch um 10 000 arbeitslose Behinderte weniger vorgemerkt sind als in den Jahren 1998 und 1999 – um 10 000 weniger!  – und dass jetzt zum Jahresende bei 500 Projekten 13 400 behinderte Personen in Arbeit gebracht werden konnten, in Projekte gebracht werden konnten, sodass bei den behinderten Arbeitslosen, obwohl ein Konjunkturrückgang zu verzeichnen ist, kaum ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr gegeben ist. Das ist freiheitliche Politik, Frau Abgeordnete Bauer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist freiheitliche Politik, Frau Abgeordnete Bauer, freiheitliche Politik des Vordenkens und des Nachdenkens, die Sie nie betrieben haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

14.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

14.38

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Erklärung der Bundesminister in Sachen BSE wirft etliche Fragen auf. Noch dazu gab es – der Herr Bundesminister weiß das – zwei Fälle im Zusammenhang mit Rinderschlachtungen, die durch die Medien gegangen sind, und bemerkenswerterweise war in beiden Fällen eine der-artige Verwechslung von Tieren gegeben.

Der eine Fall – Sie wissen es, Herr Bundesminister Haupt – war im Mai des heurigen Jahres, als sich herausgestellt hat, dass Rinder bei der Zerteilung noch bei Bewusstsein waren, gelebt haben und vor Schmerz gebrüllt haben. Sie haben diesen Film gesehen, und Sie haben damals auch etwas dagegen unternommen.

Aber etwas war auch auf diesem Film zu sehen, und zwar dass damals schon mit den Ohren und mit den Ohrmarken nicht korrekt umgegangen wurde, dass all das auf einen Haufen geworfen wurde und zunächst von einem falschen Tier ausgegangen wurde. – Zwei Fälle, zwei Verwechslungen!

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Wie steht es wirklich um die Lebensmittelsicherheit in Österreich? – Sie können nicht so tun, als ob die Sicherheit der Konsumentinnen und Konsumenten absolut gewährleistet wäre, wenn in zwei Fällen Verwechslungen vorgekommen sind. Ich finde es auch absolut unzumutbar, dass Sie sich darauf ausreden, das sei ausländisches Personal gewesen, das nicht alles richtig verstanden habe. Tragen Sie dafür Sorge, dass die Sicherheit der Konsumentinnen und Konsumenten in diesem Lande gewährleistet ist! (Beifall bei den Grünen.)

Zur Rede des Abgeordneten Mitterlehner. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie in der BSE-Causa nicht informiert sind, aber die Verwechslung der Debatten ist das Werk der Mitglieder Ihrer Bundesregierung und nicht das Werk der Opposition. Dazu in aller Kürze: Wenn Sie sagen, die Opposition möge nicht kriminalisieren, dann bitte ich Sie, dass Sie sich an den eigenen Bundesminister wenden. Die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft – und das völlig zu Recht! – ist natürlich vom Minister und von dessen Ministerium ausgegangen.


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Meine Damen und Herren! Die böse Absicht, die Sie bei der heutigen Debatte hatten, besteht darin, dass, während wir versucht haben, korrekt zu sein, Sie nichts dergleichen taten. Wir haben sehr bewusst und möglicherweise – kann man sagen – fälschlicherweise keine Dringliche Anfrage zu diesem Thema gestellt, um den Ministern auch die Gelegenheit zu geben, den Fall zuerst intern aufzuklären und danach eine Erklärung abzugeben. Dass Sie jedoch, zwar formal mit dem Buchstaben der Geschäftsordnung, aber nicht mit deren Geist in Übereinstimmung, eine Mogelpackung machen, dass Sie hier etwas anderes in eine Debatte hineinschwindeln, die Sie selbst gewünscht haben, das ist im höchsten Maße unfair!

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Das wird die Bevölkerung auch so nicht akzeptieren, denn mit dieser Ihrer Vorgangsweise haben Sie heute hier deutlich gemacht, dass Sie offenbar etwas zu verbergen haben, dass Sie offenbar diese gesonderte Debatte nicht wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Frau Oberlehrerin! ...!)  – Reden Sie nicht drein, sondern melden Sie sich zu Wort! – Offenbar haben Sie in Sachen BSE, in Sachen Gesundheitsschutz etwas zu verbergen, wenn Sie diese Mogelpackungen brauchen.

Herr Dr. Khol! Das Motto, das Sie ausgegeben und damit unsere Fairness missbraucht haben, war "nur keine Wellen", gebt irgendeine Erklärung ab und schwindelt das irgendwo hinein! Dieses Motto, Herr Dr. Khol, wird nicht aufgehen, denn Sie selbst haben mit dieser Vorgangsweise ganz deutlich gemacht, dass da viel mehr dahinter ist. Und ich schwöre Ihnen: Das wird alles ans Tageslicht kommen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

14.43

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte mich nicht mit BSE beschäftigen, sondern mit der Wirtschaft. Ich habe mich vor allem mit den Ausführungen der Oppositionsredner beschäftigt. Trotz des unterschiedlichen Zuganges zu dieser Thematik habe ich quasi ein Konsensthema gefunden, was mich auch eine gewisse Lernfähigkeit bei der SPÖ erkennen lässt, zumindest verbal, und zwar die Bedeutung der klein- und mittelständischen Wirtschaft in Österreich.

Die klein- und mittelständische Wirtschaft in Österreich mit seinen (Abg. Dr. Gusenbauer: Mit ihren! ), mit ihren Hunderttausenden fleißigen, tüchtigen, engagierten und gut ausgebildeten Mitarbeitern ist Trägerin des wirtschaftlichen Wohlstands, Garant für Vollbeschäftigung, Trägerin des weltweit anerkannten und bewunderten dualen Ausbildungssystems und Garant für soziale Sicherheit in Österreich.

Gerade dieser bedeutende Sektor der österreichischen Volkswirtschaft ist nun massiv bedroht, Stichwort "Basel II". Basel II, das sagen viele Experten, sei ohne nachhaltige Korrektur eine volkswirtschaftliche Zeitbombe, ein klassischer Arbeitsplatzkiller und ein Rezessionsturbo, verbunden mit der Vernichtung von Hunderten, wenn nicht Tausenden klein- und mittelständischen Unternehmen, verbunden mit dem Verlust von Arbeitsplätzen. Geht Basel II, wie bisher vorgesehen, wirklich über die Bühne, bekommt man tatsächlich nur noch dann einen günstigen Kredit, wenn man eigentlich keinen Kredit mehr braucht.

Auch wenn es in der öffentlichen Diskussion noch nicht so dargestellt wird, ist die Situation durchaus dramatisch. Obwohl Basel II erst im Jahr 2005 in Kraft treten wird, sind die Vorboten dieses Basel II-Abkommens schon schmerzhaft zu verspüren, denn längst haben die Banken ihr internes Rating-System aufgerüstet und ausgebaut, längst ist der unheilvolle Geist von Basel II bereits zu erkennen.

Ich verkenne nicht, dass die Bemühungen des Basler Ausschusses, die Eigenkapitalausstattung für Kreditinstitute näher an die tatsächlichen Risken heranzuführen, durchaus notwendig sind, aber wir müssen eines sagen: Wir dürfen hier nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

Meine Damen und Herren! Nicht nur auf der politischen Ebene ist Handlungsbedarf gegeben, auch die Banken sind in die Pflicht zu nehmen. Es kann nicht so sein, dass heute bereits Groß


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banken bestimmten Branchen, so genannten Risikobranchen, vor allem der Tourismus- und Freizeitwirtschaft, keine Kredite mehr gewähren, bestehende Kreditverträge aufkündigen, nur weil sie sich ausschließlich am Shareholder Value orientieren und nicht an ihrer volkswirtschaftlichen gemeinschaftlichen Verantwortung. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kritik an den Großbanken ist daher angebracht. Ich sage eines: Es ist von den Banken auch kurzsichtig, wenn sie heute so handeln. Was bringt es der Bankenlandschaft, wenn sie einfach Kreditlinien sperrt, Betriebe vernichtet und Arbeitnehmer in die Arbeitslose treibt? – Dann werden sie plötzlich auch keine Privatkunden mehr haben.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn Ihre verbalen Bekenntnisse zur klein- und mittelständischen Wirtschaft wirklich ernst gemeint sind, dann stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

14.48

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Geschätzte KollegInnen! Ich weiß nicht, warum Sie sich so hineinsteigern, Herr Kollege. Das ist alles klar und bekannt, da muss etwas getan werden, und deshalb gibt es auch unsere Zustimmung. (Abg. Böhacker: Bravo!) Das ist aber nicht so sehr das Problem. Das Problem ist, dass Sie sich jetzt als die tapferen Ritter herstellen und gegen irgendetwas anrennen zu einem Zeitpunkt, zu dem doch schon seit Monaten Gefahr im Verzug ist. Im Finanzausschuss haben Sie diese Initiativen bis jetzt immer vermissen lassen. Aber bewegen wir uns nicht länger auf dieser Ebene, das ist gegessen!

Erinnern wir uns an den Tagesordnungspunkt selbst, um den es hier geht, und daran, was die Bundesregierung unter dem Stichwort "Erfolgsmodell Österreich – Standortverbesserung und Konjunkturbelebung" zum Besten gegeben hat!

Gerade habe ich das Kommuniqué der Regierung anlässlich des Konjunkturgipfels in die Hand bekommen. Darin wird im letzten Absatz vermerkt: Kaufkraftimpuls von rund 80 Milliarden Schilling durch die Bundesregierung.

Da steht weiters – ich bitte darum, Ihnen das zur Kenntnis bringen zu dürfen –: Maßnahmen der Regierung wie zum Beispiel Ölpreissenkung. – Wie weit gehen Ihre Omnipotenzvorstellungen denn schon? – Das ist ja ganz typisch für diese Herangehensweise! (Abg. Haigermoser: Ökosteuer in der Bundesrepublik! 35 S für 1 Liter Benzin!)

Last but not least dienen Sie uns wieder das Kindergeld an. In Wirklichkeit ist dieses Konjunkturpaket ein "Restlverwertungspaket", bei dem Sie immer wieder alte Geschichten aufwärmen. Anstatt wirklich konjunkturbelebende Maßnahmen zu setzen, zelebrieren Sie Ihre dogmatische Familienphilosophie. Wieso hier das Kaufkraftargument gelten soll, nicht aber dort, wo Sie mit Studiengebühren, mit Ambulanzgebühren und mit der Unfallrentenbesteuerung genau jene Kaufkraft wieder schwächen, das ist nicht einsichtig. Sie sind in diesem Punkt unglaubwürdig! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ist das jetzt die Korrektur Ihrer Vormittagsrede? Er war so schwach, dass er nachdoppelt!)

Letzter Punkt in diesem Zusammenhang, der mir schon wichtig ist – Frau Kollegin Petrovic hat bereits darauf hingewiesen; das kann man gar nicht oft genug tun –: Ich muss mit Bedauern feststellen, Herr Präsident Fasslabend, was hier für eigenartige Sitten in der parlamentarischen Debatte einreißen. Die Erklärung von Bundesminister Haupt, auch wenn davor das Wort "BSE" gefallen sein mag, war eindeutig darauf ausgerichtet, eine eigenständige Erklärung zu sein. Er hat überhaupt nicht daran gedacht, zum eigentlichen Tagesordnungspunkt zu sprechen. Und das ist der Punkt: Es war nicht daran gedacht, auf Aufforderung oder auf Vorschlag der Opposition eine eigene Erklärung abzugeben, sodass man darüber hätte debattieren können. – Nein!


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Das wurde hier mit der Konsequenz hereingeschmuggelt, dass die Redebeiträge der Abgeordneten und insbesondere jene der Opposition auf Grund des sonstigen Programms zeitlich beschränkt bleiben müssen beziehungsweise gar nicht stattfinden können.

Was ist das für eine Herangehensweise? – Wir werden das sicher in der nächsten Präsidiale thematisieren. Das bewegt sich am Rande beziehungsweise jenseits der Geschäftsordnung. Wir werden uns das nicht länger bieten lassen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Haigermoser zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.51

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Kogler hat behauptet, die Bundesregierung sei in Sachen niedriger Ölpreis unglaubwürdig. – Das ist falsch! (Abg. Mag. Kogler: "Omnipotenz" habe ich gesagt!)

Wahr ist vielmehr, dass sich die Bundesregierung für einen niedrigen Ölpreis und Produktpreis einsetzt, indem die Koalitionsparteien eine Ökosteuer ablehnen. In der Bundesrepublik Deutschland haben Sie mit Ihrem grünen Projekt eine Erhöhung dieser Preise erreicht. Sie haben 35 S für den Liter Benzin verlangt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Schieder: Herr Präsident!) Daher sind wir gegen diese Vorgangsweise. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich mache darauf aufmerksam, dass sich die Frage von Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit nicht auf eine Sachfrage bezieht, sondern dass das eine Wertungsfrage und daher nicht Gegenstand einer tatsächlichen Berichtigung ist.

Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Standortsicherung und Konjunkturbelebung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 110.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Semperit-Mitarbeiter.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 111.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik unter Mobilisierung der Rücklagen des AMS.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neufassung der Basler Eigenkapitalvereinbarung sowie der entsprechenden Richtlinien der Europäischen Union für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen ("Basel II").


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest. (E 112.) (Abg. Dr. Khol  – in Richtung SPÖ und Grüne –: Es geht ja!)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung des Standortes und der Beschäftigung bei Semperit in Traiskirchen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Zu spät! – Abg. Dr. Gusenbauer  – in Richtung Freiheitliche –: Die so genannte Kleine-Leute-Partei!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend die konjunkturell vorteilhafte Zweckbindung von Wohnbauförderungsmitteln für umfassende Gebäudesanierungen im Wege einer Artikel-15a-Vereinbarung Bund-Länder.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieder hintennach!)

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wachstumsprogramm für Österreich – Sicherung von Zukunft, Wohlstand und Beschäftigung. (Abg. Dr. Khol: Alles schon beschlossen!)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Sophie Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die sofortige Auflösung der Arbeitsmarktrücklage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Sophie Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend unterstützende Maßnahmen für die Betriebskrankenkasse Semperit. (Abg. Ing. Westenthaler: Alles beschlossen! Wieder zu spät!)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

*****

Wir würden damit zum 2. Punkt der Tagesordnung gelangen. Da es allerdings knapp vor 15 Uhr ist und das zuständige Regierungsmitglied beziehungsweise fast alle Mitglieder des Hohen Hauses anwesend sind, frage ich Folgendes: Gibt es einen Einwand dagegen, gleich mit dem Dringlichen Antrag zu beginnen, um die Debatte über den Tagesordnungspunkt 2 nicht nach einer ganz kurzen Stellungnahme des Bundesministers bereits wieder unterbrechen zu müssen? – Wenn es keinen Einwand dagegen gibt, dann gehe ich so vor.

Herr Abgeordneter Öllinger hat einen Einwand. – Bitte.

14.56

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Die Geschäftsordnung legt eindeutig fest, dass der Aufruf der Dringlichen um 15 Uhr zu beginnen hat.


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Ich denke, wir sollten nicht von dieser Praxis abgehen, und ich ersuche Sie darum, bis 15 Uhr zu unterbrechen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Die Geschäftsordnung legt auf der einen Seite fest, dass die Dringliche bis spätestens 15 Uhr aufgerufen werden soll. Sie haben aber Recht, auf der anderen Seite ist es Usus, um 15 Uhr zu beginnen. Wir können in beide Richtungen vorgehen, das heißt, wenn es der ausdrückliche Wunsch Ihrer Fraktion ist, dann unterbreche ich gerne für drei Minuten bis 15 Uhr. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

(Die Sitzung wird um 14.57 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung um 15.01 Uhr wieder auf . Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundeskanzler betreffend eine österreichische Initiative für einen Atomausstieg in Europa beim EU-Gipfel in Laeken (566/A) (E)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 566/A (E). Dieser ist verteilt worden, liegt Ihnen schriftlich vor und muss daher nicht verlesen werden.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Misserfolg 1: Die gefährlichsten AKW Europas sollten längst geschlossen sein

"Die drei gefährlichsten Kernkraftwerke in Europa werden geschlossen", schreibt der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in jenen Großinseraten vom 7. und 8.12.2001, in denen die Atom-Politik der Bundesregierung als erfolgreich dargestellt wird. Die drei AKW, die so genannten "Hochrisikoreaktoren" Bohunice (Block 1+2), Kozloduj (Block 1-4), Ignalina (Block 1+2) sollten laut ursprünglich mit der EU vereinbarten Stillegungsplänen längst geschlossen sein (s. Tabelle). Entgegen zahlreichen Ankündigungen, sich für eine rasche Schließung dieser Reaktoren einzusetzen, hat die Bundesregierung sogar eine dramatische Verschiebung der ursprünglichen Stillegungszeitpläne durch die EU unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen. Das slowakische AKW Bohunice, das als eines der gefährlichsten der Welt gilt, kann jetzt mit EU-Billigung bis 2006 bzw. sogar 2008 am Netz bleiben. Die Bundesregierung hat es nicht nur verabsäumt, Protest einzulegen, sondern hat mittlerweile dem Abschluss des Energiekapitels mit der Slowakei zugestimmt.

Konzept Sicherheitsstandards in Osteuropa gescheitert:

Bereits 1992 wurde auf einem G7-Gipfel in München ein multilaterales Aktionsprogramm zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit in Osteuropa vereinbart. In Folge wurden AKW russischer Bauart (RBMK=Tschernobyl-Typ/z.B.: Ignalina; WWER 440/230: z.B. Bohunice V1, Kozloduj 1-4) als nicht nachrüstbare Hochrisikoreaktoren eingestuft, die so rasch als möglich stillgelegt werden sollten. 1997 wurden von der EU im Rahmen der Agenda 2000 für diese Reaktoren Stillegungsdaten festgelegt und für Sicherheitsnachrüstungen bis zum Ausstiegsdatum Finanzhilfen zugesagt. Als letzter der von der EU als hochriskant eingestuften insgesamt acht Blöcke in den drei AKW sollte Ignalina Block 2 im Jahr 2002 vom Netz gehen. Bis heute ist kein einziger Block abgeschaltet worden. Im Gegenteil vier neue Risiko-Reaktoren gingen seit 1993 ans Netz (Kozloduj Block 6 – 1993; Cernavoda 1/Rumänien – 1996; Mochovce 1+2/Slowakei – 1998/99).

Obwohl also klare Stillegungsdaten vereinbart worden sind und sogar Gelder für kurzfristige Sicherheitsnachrüstungen bereitgestellt wurden, haben die betroffenen Staaten Stillegungszu


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sagen gebrochen. So führte ein ursprünglich als Ausstiegsprogramm gedachtes Konzept zu Laufzeitverlängerungen. Vor dem Helsinki-Gipfel 1999 wurden dann von der EU-Kommission neue Schließungsdaten akzeptiert.

AKW

Block

Ursprüngl. vereinbarte Schließungsdaten

Neu vereinbarte Schließungsdaten

Kozloduj (Bulgarien)

1 + 2

3 + 4

Frühjahr 1997

Ende 1998

2003

noch nicht vereinbart

Ignalina (Lithauen)

1

2

1998

2002

2005

2009

Bohunice (Slowakei)

1 + 2

2000

2006/2008

Schließungsdaten Hochrisikoreaktoren: ursprünglich und aktuell.

Missachtung parlamentarischer Anti-Atom-Aufträge durch die Bundesregierung:

Beispiel 1: Hochrisikoreaktor Bohunice V1: Laufzeitverlängerung akzeptiert

Per einstimmigem Nationalratsbeschluss vom 18.11.1999 (3/UEA/XXI.GP) wurde die Bundesregierung unter anderem beauftragt "im Hinblick auf den Europäischen Rat am 10. Und 11. Dezember 1999 in Helsinki raschest koordinierte Schritte mit dem Ziel einer Einleitung der Schließung im Jahr 2000 für das Atomkraftwerk Bohunice zu unternehmen", sowie "sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass vom Europäischen Rat in Helsinki ein klares Signal zur Vorverlegung der konkret vorliegenden Schließungsdaten ergeht. Österreich verlangt Verhandlungsbereitschaft der Slowakischen Republik über die Möglichkeit früherer Schließungsdaten für Bohunice noch vor Aufnahme konkreter Beitrittsverhandlungen mit der Slowakischen Republik."

Auftrag nicht umgesetzt:

Im September 1999 legte die Slowakei für das AKW Bohunice einen neuen Schließungsplan vor, wonach die beiden Blöcke erst in den Jahren 2006 bzw. 2008 vom Netz genommen werden sollen. Der ursprünglich von der slowakischen Regierung gegenüber der EU zugesagte Stillegungstermin im Jahr 2000 wurde damit um 6 bzw. 8 Jahre nach hinten verschoben. Entgegen der Entschließung des Nationalrates hat die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung für Bohunice akzeptiert und der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Slowakei beim EU-Rat in Helsinki im Dezember 1999 vorbehaltlos zugestimmt.

Beispiel 2: Aktionsplan der Bundesregierung aus Juli 1999 bis heute nicht umgesetzt

Im Juli 1999 verabschiedete die damalige rot-schwarze Bundesregierung per einstimmigem Ministerratsbeschluss den Aktionsplan "Österreichische Anti-Atom-Politik im europäischen Zusammenhang". Der Aktionsplan wurde vom damaligen Umweltminister Bartenstein (ÖVP) als Meilenstein gefeiert wurde. Auch die blau-schwarze Bundesregierung hat sich im Regierungsprogramm zur Umsetzung des Aktionsplanes verpflichtet. Der Nationalrat hat den Aktionsplan zweimal einstimmig bekräftigt (18.11.1999 und 6.6.2001).

Der Aktionsplan enthält unter anderem betreffend die Hochrisikoreaktoren "die Vorlage umfassender und überzeugender Schließungspläne als ein unverzichtbarer Bestandteil des Beitrittsprozesses", betreffend Temelín "den Stand der Technik als eine Vorraussetzung für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union", eine Initiative für die Reform des EURATOM-Vertrages mit dem Ziel einen Beschluss beim Rat in Helsinki (Dezember 1999) anzustreben, Klärung von Wettbewerbsfragen zum AKW Temelín "im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zum Kapitel Wettbewerb" konsequent zu relevieren", sowie das Eintreten "für effektive gesamteuropäische


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Anti-Dumping-Regelungen" und das Versprechen an die Konsumenten, für den Bezug von Ökostrom finanziell nicht mehr belastet zu werden als beim Bezug von herkömmlichem Strom.

Auftrag nicht umgesetzt:

Der Aktionsplan ist bis heute nicht umgesetzt worden.

"Überzeugende Schließungspläne für Hochrisikoreaktoren wurden nicht vorgelegt. Die Bundesregierung hat trotzdem grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Slowakei gegeben und mittlerweile auch das Energiekapitel angeschlossen.

Die Position, dass der Stand der Technik eine Voraussetzung für eine Mitgliedschaft zur Europäischen Union ist, wurde aufgegeben.

Es wurde keine nennenswerte Euratom-Initiative gesetzt.

Es wurde beim AKW Temelín die Wettbewerbsfrage nicht verfolgt.

Es wurde verabsäumt, für effektive gesamteuropäische Anti-Dumping-Regelungen eintreten

Die Wahlfreiheit des Konsumenten beim Strombezug ist nicht in vollem Umfang gegeben, Konsumenten, die keinen Atomstrom wollen (also Ökostrom beziehen) müssen in vollem Umfang für die finanzielle Mehrbelastung selbst aufkommen

Beispiel 3: Sicherheitsstandards für AKW Temelín unvollständig und ohne Rechtssicherheit:

Am 21.11.2001 wurde im Nationalrat mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ eine Entschließung (104/E/XXI.GP) verabschiedet, die Bundeskanzler Schüssel als Verhandlungsmandat mit dem tschechischen Premier Zeman in Brüssel dienen sollte.

Die österreichische Bundesregierung wird darin unter anderem ersucht, dem vorläufigen Abschluss des Energiekapitels im Rahmen der Beitrittsverhandlungen mit der tschechischen Republik nicht zustimmen, solange folgende Voraussetzungen nicht erfüllt sind:

Die tschechische Republik verpflichtet sich, die von Österreich in die Diskussion eingebrachten zentralen 7 Sicherheitsprobleme zu lösen und die Lösungen umzusetzen.

Diese mit Tschechien bezüglich Temelín zu vereinbarende Vorgangsweise wird auch im Rahmen des Beitrittsprozesses auf wirksame Weise verankert.

Auftrag nicht umgesetzt:

Weder wurde durch die Brüsseler Temelín-Vereinbarung erreicht, dass sich Tschechien zur Lösung aller sieben von Österreich thematisierten Sicherheitsprobleme verpflichtet, noch wurde die Vereinbarung im Energiekapitel so verankert, dass die Behebung der sieben Sicherheitsmängel vor dem EuGH einklagbar sind.

Misserfolg 2: Freigabe von 500 Millionen ATS österreichische Steuergelder für EU-Atomindustrie (EURATOM-Forschungsprogramm)

Mit der Zustimmung zum EURATOM-Programm hat Wissenschaftsministerin Gehrer den Betrag von 500 Millionen ATS österreichischer Steuergelder zur Förderung der EU-Atomindustrie freigegeben. 17 Milliarden ATS werden in den Jahren 2002-2006 in die EU-Atomforschung fließen. Hauptziel des Programms ist der Bau von kommerziellen Kernfusionsreaktoren und die Erforschung von neuen Reaktorkonzepten im Bereich Kernspaltung. Der Programmteil Sicherheitsforschung ist vernachlässigbar gering dotiert.

Misserfolg 3: Bundesregierung gibt grünes Licht für Inbetriebnahme des AKW Temelín

Temelín-Vereinbarung keine Garantie für Lösung Sicherheitsfragen


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"Für Österreich gut verhandelt. Bundeskanzler Schüssel: Wir haben höchstmögliche Sicherheit für die Menschen erreicht", ließ die ÖVP am 7. Und 8. Dezember in großen Inseraten in österreichischen Tageszeitungen verlautbaren. In den Inseraten wird behauptet, dass die österreichischen Sicherheitsforderungen vollinhaltlich von Tschechien umgesetzt werden und dass die in Brüssel zwischen Bundeskanzler Schüssel und dem tschechischem Premier Zeman verhandelte Vereinbarung rechtsverbindlich sei und nach einem Beitritt Tschechiens zur EU beim Europäischen Gerichtshof einklagbar sein werde. Diese öffentlichen Behauptungen, bezahlt mit österreichischer Steuermitteln aus der Parteikassa der ÖVP, entsprechen nicht der Faktenlage und sind daher die Unwahrheit. Die ÖVP und allen voran Bundeskanzler Schüssel versuchen, die Öffentlichkeit durch Falsch-Aussagen vorsätzlich in die Irre zu führen.

Sicherheitsforderungen werden nur mangelhaft von Tschechien umgesetzt

Für die meisten der sieben offenen Sicherheitsfragen wurde seitens Tschechien im Brüssel-Abkommen keine ausreichende Lösung zugesagt. Messlatte für die Erfüllung der insgesamt sieben offenen Sicherheitsforderungen ist der von einem internationalen Expertenteam im Auftrag der Bundesregierung erstellte Bericht (NPP Temelín, Austrian Technical Position Paper, Juli 2001). Würden die Aussagen des Bundeskanzlers der Wahrheit entsprechen, so müsste das Brüsseler Abkommen einer rechtssicheren Verpflichtung Tschechiens entsprechen, allen im Expertenbericht aufgelisteten Empfehlungen nachzukommen und die Sicherheitsmängel vollständig zu beheben. Das entspricht nicht den Tatsachen, denn

die für die Sicherheit extrem wichtige Frage des Containments (also jener Beton-Schutzhülle, die bei schweren Unfällen ein Entweichen von Radioaktivität verhindern soll) ist im Brüssel-Abkommen nicht angesprochen.

beim Sicherheitspunkt "Integrität des Reaktordruckbehälters und Thermoschock-Analyse" hat Tschechien nur das zugesagt, was im Rahmen der von der tschechischen Atomaufsichtsbehörde vorgesehenen Maßnahmen ohnehin geplant war, nämlich die Sprödbruchsicherheitsanalyse für den Reaktordruckbehälter erst innerhalb der nächsten 5 Jahre (!) durchzuführen. Der Expertenbericht i.A. der Bundesregierung fordert das Durchführen der Analysen vor einer Inbetriebnahme. Auch Block 2 kann in Betrieb genommen werden, ohne dass die Sprödbruchanalysen vor der Aufnahme des Testbetriebes durchgeführt werden.

Bei den zwei Sicherheitsfragen "Auslegungsmängel der 28,8 Meter Bühne" und "Funktionale Qualifizierung von sicherheitsrelevanten Ventilen" wurde lediglich zugesagt, dass fehlende Analysen bis September bzw. Juni 2002 nachgemacht werden. Das Ergebnis soll dann der tschechischen Atomaufsichtsbehörde vorgelegt werden. Die Entscheidung, ob und in welchem Ausmaß nachgerüstet wird, bleibt der tschechischen Aufsichtsbehörde überlassen und dadurch völlig offen.

Ein eindeutiger Beleg dafür, dass Tschechien sich nicht verpflichtet sieht, die österreichischen Forderungen umzusetzen, sind die Aussagen des Tschechischen Premiers Zeman, der die zusätzlichen Kosten für die Erhöhung der Sicherheit von Temelín mit ATS 40 Millionen beziffert. Expertenschätzungen gehen von den hundertfachen Kosten (ca. 4 Mrd. ATS) aus, um Temelín auf EU-Sicherheitsniveau zu bringen. Für den tschechischen Industrieminister Gregr sind die Sicherheitsnachrüstungen überhaupt "vernachlässigbar".

Vereinbarung ist rechtlich kaum abgesichert und nicht vor dem EuGH einklagbar

Im Verhandlungskapitel Energie wurde eine Passage aufgenommen, die auf das Brüsseler Temelín-Abkommen Bezug nimmt. Die Formulierung im Energiekapitel ist die Nagelprobe für die beabsichtigte eu-rechtliche Verankerung der österreichisch-tschechischen Vereinbarung. Eine genaue Analyse des Textes zeigt, dass die EU im Energiekapitel nur zwei der sieben von Österreich vorgebrachten Sicherheitsprobleme berücksichtigen will. Denn die EU betrachtet die Brüssel-Vereinbarung lediglich als eine "Information Tschechiens, die im Rahmen des Ratsberichts über nukleare Sicherheit im Kontext der Erweiterung bereitgestellt wurde und wird diese Information berücksichtigen, wenn sie ihre Sicherheitsüberprüfung (peer review)


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durchführt, soweit sie für die Umsetzung der Empfehlungen des genannten Berichts (Anm.: gemeint ist der EU-Bericht) relevant sind", heißt es jetzt wörtlich im Energiekapitel.

Der angesprochene EU-Bericht wurde bereits am 27. Mai 2001 veröffentlicht und schreibt Tschechien für Temelín nur zwei konkrete Nachrüstungsempfehlungen vor (28,8 Meter Bühne und Ventile). Im Energiekapitel ist also klar festgeschrieben, dass die EU nur jene Informationen berücksichtigt, die bereits als Empfehlungen im genannten EU-Bericht festgeschrieben sind. Nur für diese zwei Punkte besteht daher Rechtssicherheit. Alle anderen Sicherheitsfragen (darunter so wichtige wie Containment (Schutzhülle), Reaktordruckgefäß oder Erdbebensicherheit) werden somit von der EU nicht berücksichtigt, werden daher nicht in ein allfälliges Protokoll zum Beitrittsvertrag aufgenommen und sind daher auch nicht vor dem EuGH einklagbar.

Brüssel-Abkommen ist ein vorgetäuschtes Verhandlungsergebnis des Kanzlers

Das Zustandekommen des Brüsseler Verhandlungsergebnisses ist ein Täuschungsmanöver des Bundeskanzlers. Denn die Formulierung zu jenen zwei Sicherheitsfragen, die von der EU auch im Rahmen des Energiekapitels berücksichtigt werden, stammen wortident aus einem tschechischen Papier aus September 2001, in dem Prag die weitere Vorgangsweise betreffend der zwei Sicherheitsfragen gegenüber der EU-Kommission zugesagt hat. Der angebliche Verhandlungsdurchbruch war in Wirklichkeit keiner, der Bundeskanzler hat Scheinverhandlungen geführt.

Abschluss des Energiekapitels bedeutet Ende der Temelín-Verhandlungen

Die EU-Außenminister haben beim Rat für allgemeine Angelegenheiten die gemeinsame Position der EU zum Verhandlungskapitel Energie mit Tschechien ohne weitere Diskussion beschlossen. Der von Außenministerin Ferrero-Waldner geäußerte Vorbehalt, im Laufe der Beitrittsverhandlungen wieder auf das Energiekapitel zurückzukommen, steht in krassem Widerspruch zur EU-Praxis. Ein einmal vorläufig abgeschlossenes Verhandlungskapitel kann nicht jederzeit einfach wieder aufgemacht werden. Laut EU-Kommissar Verheugen bedarf es sogar eines einstimmigen Beschlusses der 15 Mitgliedsstaaten, das Kapitel wieder zu öffnen. Tschechien wird heute, Mittwoch, auf der Beitrittskonferenz der Position der EU-15 zum Energiekapitel zustimmen. Dies bedeutet das endgültige Ende der Temelín-Verhandlungen auf EU-Ebene im Rahmen des Beitrittsprozesses. Das Energiekapitel wird wegen Temelín nicht mehr aufgemacht werden.

Temelín-Zeitplan schiebt Sicherheitsprobleme auf die lange Bank

Die von Bundesminister Molterer gemeinsam mit dem tschechischen Aussenminister Kavan erarbeitete "road map", also der Zeitplan für die Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen ist unzureichend. Wichtige Sicherheitsfragen werden auf die lange Bank geschoben. Besonders gravierend erscheint die Tatsache, dass in der Road-Map keine Unterscheidung zwischen dem im Testbetrieb befindlichen Block 1 des AKW und Block 2 gemacht wird, obwohl bei Block 2 die Brennelemente noch nicht eingeführt wurden.

Beispiel 1: Integrität des Reaktordruckbehälters und Thermoschock-Analyse

"Für Block 1 wurde keine vorbetriebliche Sprödbruchsicherheitsanalyse des Reaktordruckbehälters bei Thermoschockbelastung unter Druck durchgeführt. Die Sprödbruchsicherheit des Druckgefäßes ist von höchster Wichtigkeit, da die Sicherheitssysteme weder in Temelín noch anderswo dafür ausgelegt sind, plötzliches Versagen eines Reaktordruckbehälters zu beherrschen. Ein Störfall dieser Art könnte zu Freisetzungen von radioaktivem Material in die Umwelt führen, die sich unmittelbar auf Österreich auswirken könnten. Die vorbetriebliche Sprödbruchsicherheitsanalyse dient dem Nachweis, daß während der gesamten Betriebsdauer trotz unvermeidlicher Materialversprödung ein hinreichend großer Sicherheitsabstand gegenüber katastrophalem Versagen des Reaktordruckbehälters unter Druck- und Thermoschockbelastung erhalten bleibt. Die Tatsache, dass die Genehmigungsbehörde einem Zeitplan zugestimmt hat, welcher eine Sprödbruchsicherheitsanalyse erst innerhalb der nächsten fünf Jahre vorsieht und damit ein wesent


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liches Kriterium der Lizenzierung umgeht, wirft ernste Fragen zur Haltung der Beteiligten hinsichtlich Sicherheitskultur auf." (NPP Temelín, Austrian Technical Position Paper, Juli 2001)

Obwohl die österreichischen Atom-Experten eine Durchführung dieser Analysen vor der Inbetriebnahme dringend empfehlen (was zumindest für Block 2 noch möglich wäre), soll diese wichtigen Frage erst in der ersten Jahreshälfte 2004 (!) in einem Meeting behandelt werden. Dieser Zeitplan entspricht dem von der tschechischen Atomaufsichtsbehörde ursprünglich vorgesehenen Plan. Es ist augenscheinlich, dass sich die Bundesregierung in dieser Frage keinen Millimeter weit durchgesetzt hat.

Beispiel 2: Integrität der Primärkreislaufkomponenten, zerstörungsfreie Werkstoffprüfung:

"Das Konzept der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung entspricht nicht dem Stand der Technik. Die zerstörungsfreien Werkstoffprüfverfahren für die Primärkreislaufkomponenten wurden noch nicht validiert (kalibriert), obwohl die zu diesem Zweck erforderlichen Testblöcke bereits zur Verfügung stünden. Aufgrund unzureichender Prüfung unerkannt gebliebene Materialfehler könnten die Materialfestigkeit und damit Unversehrtheit sicherheitsrelevanter Komponenten gefährden. Spezielle Ultraschallprüfungsverfahren (in diesem Fall Tandem- oder französische Fokussierungstechnologie), die eine zuverlässige Feststellung von normal zur Oberfläche liegenden, rißähnlichen Defekten am Reaktordruckbehälter gewährleisten, wurden nicht angewandt. Obwohl der Block 1 bereits in Betrieb genommen wurde, verfügt das Kraftwerk nicht über einen zusammenfassenden Bericht der Ergebnisse der durchgeführten Ultraschalltests des Primärkreislaufes. Ein zusammenfassender Bericht über sämtliche vorbetriebliche Prüfungsergebnisse – wie er von den Richtlinien der Genehmigungsbehörde gefordert wird – existiert auch nicht. Die Rundschweißnähte der Frischdampfleitung auf der +28,8 m-Bühne wurden lediglich mittels Gammadurchstrahlung überprüft." (NPP Temelín, Austrian Technical Position Paper, Juli 2001)

Auch zu diesem wichtigen Punkt soll erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2004 ein Meeting stattfinden, obwohl die österreichischen Experten gefordert hatten, dass diese Überprüfungen jedenfalls vor der Beladung des Reaktors mit Brennelementen vorgenommen werden sollen.

EU-Sicherheitsstandards nächster Misserfolg des Bundeskanzlers?

Die Ankündigung des Bundeskanzlers, sich beim bevorstehenden EU-Rat in Laeken für EU-weite Sicherheitsstandards für AKW einzusetzen, könnte zum nächsten Misserfolg der österreichischen Anti-Atom-Politik werden. Denn Sicherheitsstandards können gefährlich sein, wenn sie nicht eindeutig, transparent und einklagbar als Ausstiegsinstrument verankert werden.

Gefahr 1: Ein Wiederholen der Fehler, die EU in Osteuropa gemacht hat

Falsch angelegt, könnte die Schüssel-Initiative kontraproduktiv sein und den europaweiten Ausstieg um Jahre verzögern. Dann nämlich, wenn mit dem Thema Sicherheitsstandards so umgegangen wird, wie das die EU in den letzten zehn Jahren in Osteuropa praktiziert hat.

Gefahr 2: Niedrige Standards bringen keine Sicherheit, aber Laufzeitverlängerungen

Es besteht die Gefahr, dass Sicherheitsstandards so niedrig angesetzt werden, dass sie de-facto keine Verbesserung bringen und einen europaweiten Ausstieg um Jahre verzögern. Die einzig derzeit international anerkannten Standards sind jene der IAEO, der in Wien angesiedelten internationalen Atomaufsichtsbehörde. Diese Standards sind jedoch sehr vage, sehr niedrig, die IAEO ist zudem eine völlig intransparente Institution.

Die zweite relevante Institution, die sich mit Sicherheitsstandards beschäftigt, ist die WENRA (Zusammenschluss der Aufsichtsbehörden der AKW betreibenden EU-Länder) Obwohl WENRA kein offizielles Mandat hat, ist sie eines der wesentlichen beratenden Gremien der EU in Sachen Nuklearenergie. In zwei Berichten hat WENRA bereits Sicherheitsstandards in Osteuropa bewertet. Diese Berichte sind unter anderem wegen schwacher Methodologie und sehr vager und widersprüchlicher Standards heftig kritisiert worden. WENRA hat sogar die Stillegungsnotwendigkeit der Blöcke 1 + 2 von Bohunice in Frage gestellt. Angeblich arbeitet die WENRA be


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reits an einem Vorschlag für Eu-weite Sicherheitsstandards. Diese Vorgangsweise, in der sich die Atomlobby ihre Sicherheitsstandards quasi selbst vorschreibt, kann nur dazu führen, dass die Standards sich an einem sehr niedrigen Niveau orientieren. Die Folgen: Laufzeitverlängerungen statt Ausstiegsszenarien.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundeskanzler wird aufgefordert, beim EU-Rat in Laeken eine Initiative für einen Atomausstieg in Europa zu setzen, welche die folgenden Maßnahmen umfassen soll:

Höchstmögliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke in der EU und den Beitrittsländern als Ausstiegsinstrument. Ziel soll der gesamteuropäische Atomausstieg innerhalb der kommenden zehn Jahre sein. Sicherheitsstandards sollen dabei als Kriterien dienen, um verbindliche Abschaltefristen für europäische AKW festzuschreiben. Die Sicherheitsstandards sollen unter Einbeziehung der atomfreien EU-Staaten und insbesondere unter Beteiligung von Experten aus NGOs in transparenter Art und Weise diskutiert und entwickelt werden. Die von der IAEO und der WENRA bisher veröffentlichten Standards werden in diesem Zusammenhang als unzu-reichend angesehen. Die Sicherheitsstandards sollen sich am höchsten Stand der Technik in der EU orientieren.

Auflösung des EURATOM-Vertrages: Ein eigenes Kapitel Energie soll im EU-Vertrag verankert werden und die massive Subventionierung der EU-Atomindustrie damit beendet werden. Stattdessen soll die EU verstärkt auf die Förderung erneuerbarer Energieträger setzen. Ein diesbezüglicher Beschluss soll vom Bundeskanzler für die EU-Regierungskonferenz 2004 vorbereitet werden.

Europäischer Ausstiegsfond: Finanzielle Ressourcen, die auf europäischer Ebene zur Förderung der Atomenergie zur Verfügung stehen (z.B.: EURATOM-Forschungsprogramm, EURATOM-Kredite etc.) sollen in einen europäischen Ausstiegsfonds umgeleitet werden, der einerseits zur Modernisierung der Energiesysteme (Energieeffizienz, Erneuerbare Energieträger), andererseits in Form von Zuschüssen für die Stillegung von AKW eingesetzt werden soll. Vordringlich sollte dabei ein Ausstiegsangebot für das AKW Temelín sein.

Rasche Stillegung der Hochrisikoreaktoren Bohunice, Kozluduj, Ignalina. Die Bundesregierung muss auf europäischer Ebene für eine Vorverlegung der derzeit vereinbarten Schließungsdaten eintreten.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieses Antrages sowie die Abhaltung einer Debatte gem. §74a (1) GOG verlangt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält zur Begründung die Erstantragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Die Redezeit für die Begründung darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

15.02

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich beginne direkt mit drei massiven Vorwürfen, die das Versagen der österreichischen Anti-Atompolitik betreffen, und möchte gegen Ende der Rede den Neuanfang der österreichischen Anti-Atompolitik begründen und auch konstruktive, konkrete Vorschläge machen.


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Herr Bundeskanzler! Als Sie aus Brüssel zurückgekehrt sind, haben Sie verkündet, dass Sie einen großartigen Erfolg in der Causa Temelín ausverhandelt haben. Das hat Ihnen zu Beginn nicht einmal der Koalitionspartner geglaubt! Sie mussten dann – um die Bevölkerung zu überzeugen – ein Wochenende lang flächendeckend Inserate schalten, in denen Sie verkündeten, für Österreich gut verhandelt zu haben, um das berechtigte Misstrauen und die berechtigten Ängste, dass hier ein Scheinkompromiss erzielt wurde, zu zerstreuen. (Die Rednerin hält eine Seite des "Standard" in die Höhe, auf der ein Inserat der ÖVP mit dem Titel "Für Österreich gut verhandelt: Sicherheit für Temelín!" zu sehen ist.)

Man muss sich nun in Ruhe vor Augen führen, was denn in diesen Inseraten steht. Was ist denn für Österreich so gut verhandelt worden? Was sind denn diese großartigen Erfolge?

Zuerst springt einem ins Auge: "Umweltminister Molterer: ‚Unser Ziel bleibt der europaweite Ausstieg aus der Atomenergie.’ Die 3 gefährlichsten Kernkraftwerke in Europa werden geschlossen." – Da freut man sich! Eine ganz wichtige Frage allerdings, die sich ein/e aufmerksame/r BeobachterIn sofort stellt, ist: Wann? Wann werden die drei gefährlichsten Atomkraftwerke in Europa geschlossen werden? (Ruf bei der ÖVP: So bald wie möglich!)

Bei meinen Recherchen in der Historie der österreichischen und der europäischen Anti-Atompolitik bin ich bei diesen drei Hochrisikoreaktoren, nämlich Kozloduj, Ignalina und Bohunice – wobei Kozloduj und Bohunice grenznahe Atomkraftwerke sind –, auf eine sehr Besorgnis erregende Tatsache gestoßen. Herr Bundeskanzler! Diese ist Ihr erstes Versäumnis und Ihr erster großer Misserfolg (Beifall bei den Grünen):

Die Blöcke 1 und 2 von Kozloduj in Bulgarien hätten bereits 1997 abgeschalten werden sollen, die Blöcke 3 und 4 bereits Ende 1998. (Abg. Achatz: Wer war da Bundeskanzler?)  – Er war Außenminister! – Im Kraftwerk Ignalina hätte Block 1 bereits 1998 abgeschalten werden sollen, Block 2 im Jahr 2002. Bohunice, der nach internationaler Bewertung gefährlichste Hochrisikoreaktor, hätte bereits im Jahr 2000 abgeschalten werden sollen. (Abg. Kiss: Abgeschaltet ! Abgeschaltet ! Lernen Sie Deutsch! Deutsch beherrschen Sie nicht, und AKW-Politik beherrschen Sie auch nicht! Peinlich so etwas! Lernen Sie Deutsch!)

Wenn man diese nette Formulierung "Unser Ziel bleibt der europaweite Ausstieg aus der Atomenergie" ernst nimmt und sich die Frage stellt, wann, dann kommt man zu dem Schluss: Wenn das seriös verfolgt worden wäre, dann wäre jetzt zur Jahreswende keiner der Hochrisikoreaktoren mehr am Netz. Tatsache ist aber: Sie laufen alle nach wie vor!

Warum laufen sie alle nach wie vor? – Österreich hat es verabsäumt, eine drastische Vorverlegung dieser Schließungsdaten 2006 oder 2008 zu fordern und in dieser Frage massiven Protest einzulegen. Im Gegenteil: Österreich hat sogar zugestimmt, dass es dabei bleibt! (Abg. Dr. Brinek: Wer hat Protest eingelegt? Keiner!)

Diese massiven Versäumnisse, was diese Hochrisikoreaktoren betrifft, werden durch dieses Inserat stark verschleiert. Herr Bundeskanzler! Ihnen muss man den Vorwurf machen, dass Sie es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. – Das ist unser erster Vorwurf. (Beifall bei den Grünen.)

Erwähnt sei vielleicht noch, dass Feuer am Dach ist, was Bohunice betrifft. Da ist zu befürchten, dass nicht einmal die Schließungsdaten 2006 und 2008 eingehalten werden. – Erster Misserfolg: Die gefährlichsten AKWs Europas bleiben sehr viel länger am Netz, als ursprünglich vereinbart worden ist. Es sind Gelder in Sicherheitsnachrüstungen geflossen, die ursprünglich zugesagten Stilllegungsfristen sind nicht eingehalten worden, und Österreich hat keinen Protest eingelegt.

Der zweite Vorwurf ist für das Parlament eine sehr ernste Angelegenheit: Ich habe mir alle Anträge herausgesucht, die der österreichische Nationalrat, sei es in einer Vier-Parteien-Einigung, sei es aber auch in Zwei-Parteien-Einigungen, der österreichischen Bundesregierung mitgegeben hat. Herr Bundeskanzler! Eine sehr traurige Erkenntnis ist, dass der Großteil dieser Anträge von Ihnen ignoriert, nicht erfüllt und nicht einmal wirklich ernst genommen wurde.


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Ich glaube sogar, dass viele der Abgeordneten, die heute hier im Hause sitzen und diese Anträge mitbeschlossen haben, gar nicht mehr wissen, was da beschlossen wurde. Es waren nämlich sehr gute, konstruktive Vorschläge dabei. Ich nenne ein paar Beispiele:

Im Aktionsplan der österreichischen Bundesregierung, der von diesem Hause zwei Mal bekräftigt und beschlossen wurde, wurde eine ganze Reihe von Vorschlägen und Aufträgen an die Bundesregierung Schüssel, die aus ÖVP und FPÖ gebildet wird, formuliert, darunter überzeugende Schließungspläne für die Hochrisikoreaktoren.

Es wurden Aufträge erteilt, endlich Initiativen für einen EURATOM-Ausstieg zu setzen. Es wurden Versprechungen gemacht – ich muss das jetzt erwähnen, weil es die österreichische Bevölkerung direkt betrifft –, dass die Konsumenten, die sich persönlich bereit erklären, keinen Atomstrom zu beziehen, sondern Ökostrom, finanziell nicht belastet werden und gleich viel wie bisher zu bezahlen haben.

Das ist ein großes Versprechen, das hier beschlossen wurde. Was ist passiert? – Dieses Versprechen wurde gebrochen! Herr Westenthaler! Es ist besonders ärgerlich, wenn Sie dann mit Ihren Stickern herumlaufen! Kein Österreicher, der vielleicht 1 000 S oder 2 000 S pro Jahr persönlich zu einem Atomausstieg beiträgt und dem Sie als Abgeordneter versprochen haben, dass er nicht mehr zur Kasse gebeten wird, wenn er sich gegen Atomkraft und für Ökostrom ausspricht, kann das ernst nehmen.

Sie sollten für diese Menschen Ihren Sticker zurückgeben und lieber endlich Ihr Versprechen einlösen! (Beifall bei den Grünen.  – Abg. Ing. Westenthaler: Wieso gefällt Ihnen der Sticker nicht?  – Abg. Ing. Westenthaler  – auf die goldfarbene Bluse der Rednerin anspielend –: Wenigstens keine goldene Designermode!)

Wenn Herr Haigermoser sagt, er sei stolz darauf, dass er keine ökologische Steuerreform umsetzt, dann ist das wirklich ein Armutszeugnis für eine Anti-Atompolitik! Sie faseln von einem europäischen Atomausstieg und von erneuerbaren Energien und machen nichts anderes, als die Atomkraft weiter zu unterstützen und zu fördern und erneuerbare Energien und Ökostrom zu behindern. (Abg. Mag. Schweitzer hält ein Kärtchen hoch, auf dem das FPÖ-Plakat "Nein zu Temelín!" abgebildet ist.) Mich würden einmal die Belege, dass das nicht der Fall ist, und Ihre Initiativen interessieren! (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Umfaller: Der österreichische Anti-Atomplan. Alle Initiativanträge und Entschließungsanträge, eine ganze Reihe von konkreten Aufträgen des Parlaments, werden jetzt mittlerweile über Jahre hinweg mit Zustimmung der ÖVP und der FPÖ ignoriert, nicht erfüllt, nicht ernst genommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie tun sich schon sehr schwer!)

Der dritte massive Vorwurf: Die freiheitliche Ministerin Forstinger hat vor zwei Wochen bekräftigt, Sie von der Regierung würden den Weichenstellungen auf europäischer Ebene, einem Atomforschungsprogramm, in dieser Form nicht zustimmen. Die freiheitlichen Abgeordneten im Europaparlament haben das auch tatsächlich nicht getan.

Der dritte Sündenfall: Sie haben am Montag in Gestalt dieser Bundesregierung die 17 Milliarden Schilling für die europäische Atomlobby ohne Protest verabschiedet (Abg. Ing. Westenthaler: Sündenfall des Herrn Schennach!), wo 500 Millionen Schilling an österreichischem Steuergeld dabei sind.

Ich komme nun zum vierten Vorwurf. (Abg. Mag. Schweitzer: Unglaublich, wie man so viele Unwahrheiten über so viele Mikrophone sagen kann!)  – Sie können dann gerne versuchen, das zu entkräften, was Sie hier als Unwahrheit bezeichnen.

Vierter Vorwurf: Der Höhepunkt Ihres Atomversagens diese Woche, das Sie in diesem Inserat schönzureden versucht haben:

"Wir haben höchstmögliche Sicherheit für die Menschen erreicht." "Die österreichischen Sicherheitsforderungen werden vollinhaltlich ... umgesetzt", was das AKW-Temelín betrifft. "Die Um


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setzung wird von Österreich und Tschechien überwacht." Und: "Die Vereinbarung ist rechtsverbindlich und nach einem Beitritt Tschechiens zur EU beim Europäischen Gerichtshof ..." (Abg. Ing. Westenthaler: Goldene Designermode!)

Herr Westenthaler, ich weiß nicht, warum Sie das komisch finden! Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Offensichtlich ist für Sie Anti-AKW-Politik nur Spaß und Gaudi. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Frau Glawischnig als Werbeträgerin für die ÖVP! – Abg. Haigermoser: Ihre Rede ist halblustig! Was glauben Sie, wo Sie sind? Das ist kein Kaffeehaus, sondern das Parlament, Frau Oberlehrerin!) – Lassen Sie mich jetzt fortsetzen?

Wenn man die Verpackung beiseite schiebt, merkt man: Erstens werden die Sicherheitsforderungen, die Österreich im Rahmen des so genannten Schwarzbuches sehr exakt formuliert hat, nicht vollinhaltlich umgesetzt. Ein sehr klarer Beleg dafür ist, dass auf der tschechischen Seite für diese Sicherheitsaufrüstung – die überhaupt vernachlässigbar ist! –, nur 40 Millionen Schilling aufgewendet werden sollen, wie in tschechischen Medien zu lesen ist und wie dort die Minister, vor allem Minister Gregr, behaupten. (Abg. Ing. Westenthaler: Der steht vorm Rücktritt, der Minister!) Eine seriöse Abschätzung dieser Sicherheitsaufrüstung geht jenseits der drei bis vier Milliarden Schilling.

Herr Westenthaler! Glauben Sie, dass dieser Widerspruch nicht irgendetwas aussagt? Glauben Sie nicht, dass Österreich da in wesentlichen Bereichen umgefallen ist? (Abg. Ing. Westenthaler: Der hat seinen Rücktritt eingereicht, der Minister Gregr!)

Zweiter Vorwurf: Die Vereinbarung ist rechtlich zurzeit schwach abgesichert und nicht vor dem EuGH einklagbar – im Gegensatz zu dem, was hier behauptet wird.

Der dritte massive Vorwurf – und da, muss man sagen, hat eine beispiellose Wortakrobatik die letzten Tage beherrscht –: der Abschluss des Energiekapitels. Herr Westenthaler! Wenn Sie dann Journalisten und anderen Akteuren, die in der Öffentlichkeit Fakten so darstellen, wie sie wirklich sind, eine beispiellose Falschpropaganda unterstellen, ist das wirklich ungeheuerlich! Personen, die objektiv Fakten darstellen und objektiv berichten, werden von Ihnen diffamiert. Ich glaube, das war der miese Höhepunkt in der Temelín-Diskussion in den letzten Wochen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Jetzt reicht’s aber mit den Ausfälligkeiten der Dame da draußen in Gold!)

"Falschpropaganda" für objektive Berichterstattung ist eine Diffamierung!

Der letzte Punkt bezüglich des AKWs Temelín. (Abg. Ing. Westenthaler: Sprechblasen-Partie da draußen!)  – Wir haben seit gestern die so genannte "road map", den Zeitplan für die so genannte Sicherheitsaufrüstung vorliegen, und ich möchte Ihnen da nur zwei Beispiele daraus zitieren (Abg. Ing. Westenthaler: Keine freie Rede! – Abg. Haigermoser: Kein Herzensengagement!), damit Sie noch einmal sehen, wie schwach die Vereinbarung ist und wie sehr diese Behauptungen in der Öffentlichkeit an den Haaren herbeigezogen sind.

Es geht um zwei wesentliche technische Details. Das eine ist der Reaktordruckbehälter, das Kerngefäß des Kraftwerkes. Hier ist schon seit langem gefordert, dass umfassende Analysen gemacht werden, insbesondere beim Block 2, und zwar, bevor dieser in Betrieb geht, und dass diese Aufrüstungen erfolgen.

Was passiert? – Über diese wichtige Sicherheitsfrage wird erst im ersten Halbjahr 2004 ein Meeting stattfinden!

Über eine zweite wichtige Sicherheitsfrage, nämlich die ganze Frage Primärkreislaufkomponenten, wird erst im zweiten Halbjahr 2004 ein erstes Meeting stattfinden!

Also, wenn Sie das als Erfolg bezeichnen, wenn Sie das als gute Verhandlungen in Bezug auf die Sicherheit für Österreich bezeichnen, dann weiß ich nicht! Man muss ja eines zugestehen, etwas, was ich der ÖVP auch zugestehen möchte: Es war zumindest von Anfang an klar, was Sie wollen. Der Ausstieg wurde aufgegeben, es wurde die weiße Fahne gehisst. – Aber was die


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Freiheitlichen hier gemacht haben, nämlich auf der einen Seite eine Propaganda zu betreiben, auf der anderen Seite aber bei allen wesentlichen Entscheidungen umzufallen und der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen, war wirklich beispiellos! (Abg. Haigermoser: Sie sind in Deutschland auch umgefallen!)

Und wenn man sich da etwa ein Zitat von Klubobmann Khol vom letzten Jahr – "Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit" – vor Augen führt, dann muss man sagen: Jetzt ist Zeit, dass die Wahrheit auch einmal ans Licht kommt, Herr Westenthaler! (Beifall bei den Grünen.)

"Die Temelín-Vereinbarung für Österreich gut verhandelt", "Sicherheit für Temelín": Das alles ist im Wesentlichen ein sehr schwacher Kompromiss. Die EURATOM-Entscheidung ist in Brüssel gefallen – der große Umfaller vor allem auch für die freiheitliche Ministerin Forstinger. Die wichtigsten gefährlichsten AKWs, die bereits abgeschaltet hätten werden sollen, sind immer noch in Betrieb, und man kann davon ausgehen, dass die Schließungsdaten, die jetzt viel zu spät vorliegen, noch weiter verschoben werden sollen.

Der nächste Misserfolg, die nächste Warnung steht bereits ins Haus, wenn wir nicht massiv dagegen arbeiten, und ich möchte jetzt zum zweiten Teil unseres Antrages und unserer Initiative kommen.

Herr Bundeskanzler Schüssel, Sie haben angekündigt, beim Europäischen Rat von Laeken für europaweite Sicherheitsstandards einzutreten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie möchten hier den Anstoß zur Schaffung europaweiter Sicherheitsstandards geben und haben sichtlich schon positive Signale von einigen Ländern erhalten. Vorsicht! Die Initiative an sich wird von uns begrüßt, allerdings: Wenn man sich den Erfolgsquotienten Ihrer letzten Vorhaben im Bereich Anti-Atompolitik ansieht, muss man sagen, eine Warnung ist mehr als angebracht. Und ich möchte Ihnen auch genau begründen, warum.

Das Konzept Sicherheitsstandards kann massiv missbraucht werden, und deswegen haben wir einen sehr konstruktiven, wichtigen Vorschlag, den wir Ihnen als Marschgepäck dieser Bundesregierung nach Laeken mitgeben wollen. Wir wollen höchstmögliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke als Ausstiegsinstrument. Alle reden von einem europaweiten Atomausstieg, aber niemand hat bis jetzt erklärt – vor allem Sie nicht, Herr Westenthaler –, wie man das machen will. Im Gegenteil: Die Mandatare Ihres Klubs diffamieren Öko-Strom und diffamieren ökologische Steuerreformen, die eigentlich das Instrument wären.

Höchstmögliche Sicherheitsstandards also als Ausstiegsinstrument!  – Wir haben in Osteuropa bereits negative Erfahrungen mit so genannten Sicherheitsstandards gemacht. Es wurden Gelder für Nachrüstungen bereitgestellt. Es wurden Restlaufzeiten nicht eingehalten, und es wurden Sicherheitsstandards umgedeutet, um das Überleben der westlichen Atomindustrie zu sichern. Daher von uns aus der klare Auftrag – und ich hoffe, dass Sie von ÖVP und FPÖ dem auch zustimmen können –, höchstmögliche Sicherheitsstandards als Ausstiegsinstrumente festzulegen, bei denen man über Phasen hinweg nacheinander die gefährlichsten AKWs europaweit, sowohl in Westeuropa als auch in Osteuropa, vom Netz nimmt. Man kann mit den Hochrisikoreaktoren anfangen und dann in einer Abfolge von drei, fünf, sieben bis zu zehn Jahren wirklich zu einem atomfreien West- und Osteuropa kommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist das Engagement der Grünen? Sie haben einmal Kraft gehabt!)

Herr Westenthaler, Sie finden das so komisch. Ich habe von Ihnen noch keinen einzigen Vorschlag gehört, wie Sie den Atomausstieg in Europa wirklich umsetzen wollen – im Gegenteil! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Früher hatten die Grünen Engagement!)

Ich sage Ihnen gerne, wie das im Moment läuft mit Ihren Sicherheitsstandards. Im Moment arbeitet die Atomlobby selbst an diesen Sicherheitsstandards. Es ist niemand einbezogen. Die atomkraftfreien Staaten haben viel zu wenig Mitsprache. Es ist völlig intransparent. Es können auch keine NGOs mitarbeiten. – Wir wollen, dass diese Sicherheitsstandards unter Einbeziehung von Experten der Umweltorganisationen völlig transparent und unter Einbeziehung der


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nicht Atomkraft betreibenden Staaten als Abschaltefristen für West- und Osteuropa definiert werden. – Das ist unser Marschgepäck für Laeken für Herrn Bundeskanzler Schüssel.

Herr Bundeskanzler! Unser zweiter Auftrag. In diesem Paket ist ungefähr zehnmal eine Initiative der österreichischen Bundesregierung verabschiedet, EURATOM zu ändern. Mir ist bislang keine Initiative bekannt. Sollte es eine gegeben haben, ist sie bislang völlig wirkungslos geblieben.

Unser zweiter wesentlicher Auftrag: Endlich einmal eine vernünftige Initiative, die Auswirkungen hat in Richtung 2004, für die Auflösung des EURATOM-Vertrages und für die verstärkte Forcierung von erneuerbaren Energien. Ein solcher Beschluss muss endlich herbeigeführt werden! Ich glaube, nach dem 11. September sind die Chancen dafür besser, aber dazu sollte man das, was man selbst beschlossen hat, auch ganz konsequent umsetzen und ernst nehmen.

Herr Bundeskanzler! Unser dritter Vorschlag für das Marschgepäck: Wir möchten einen europäischen Ausstiegsfonds. Wir möchten, dass finanzielle Ressourcen, die im Moment auf der europäischen Ebene ausschließlich für die Förderung der Nuklearenergie verwendet werden, für ein Ausstiegsszenario verwendet werden. Es ist jetzt wieder in Diskussion, 5 Milliarden Schilling für ein neues rumänisches Kraftwerk, Cernavodă, zur Verfügung zu stellen. Wir wollen, dass diese Mittel in Zukunft konsequent umgewidmet werden – für erneuerbare Energien, für ökologische Alternativen und für eine Modernisierung der Energiesysteme vor allem in Osteuropa. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler, unser vierter Auftrag: Die Stilllegung der Hochrisikoreaktoren ist so dringlich, und alles, was wir hier beschlossen haben, ist eigentlich so deutlich und so klar, dass mir nicht nachvollziehbar ist, warum hier nicht viel massivere und stärkere Initiativen Österreichs gekommen sind.

Ich möchte nur noch einmal zitieren, was der Auftrag des Nationalrates bezüglich des Kraftwerkes Bohunice, Hochrisikoreaktor, war:

"Die Bundesregierung wird ... ersucht, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass ... ein klares Signal zur Vorverlegung der konkret vorliegenden Schließungsdaten ergeht."

Das hätte schon vor Aufnahme der Verhandlungen mit der Slowakei geschehen sollen, also wir sind hier mindestens zwei Jahre in Verzug. Sie waren damals Außenminister, Herr Bundeskanzler.

Wie überhaupt erstaunlicherweise die ÖVP viele Jahre lang Umweltpolitik, Energiepolitik, Außenpolitik dominiert hat. Wenn man das mit den Erfolgen in diesem Bereich vergleicht, ist das eigentlich eine sehr, sehr traurige Bilanz. (Beifall bei den Grünen.)

Trotzdem unser konstruktives Angebot, und deswegen der Dringliche Antrag, der Nationalrat möge heute beschließen: Sicherheitsstandards als Ausschalte- und Abschalteinstrumente als Auftrag in Laeken zu versuchen, die Auflösung von EURATOM, einen europäischen Ausstiegsfonds und die schnellstmögliche Abschaltung der Hochrisikoreaktoren.

Sollten Sie diesen Punkten nicht zustimmen können, dann würde mich auch sehr interessieren, warum Sie das tun: ob das irgendeinen inhaltlichen Grund hat oder ob das der automatische Reflex ist, wenn es einen Antrag der Opposition gibt, diesen einfach niederzustimmen. Ich denke nämlich, dass das Punkte sind, bei denen man nur schwer dagegen sein kann, außer es ist eine reflexartige Fundamentalopposition gegen Konstruktivität.

Abschließend: Herr Bundeskanzler, im Zusammenhang mit diesen Inseraten (die Rednerin hält neuerlich die erwähnten Inserate in die Höhe – Abg. Ing. Westenthaler: So viel Werbung! – Abg. Mag. Schweitzer: Schade, dass keine Live-Übertragung ist!), die Sie letztes Wochenende gebucht haben, würde mich interessieren, ob Sie vielleicht für das nächste Wochenende auch schon Inserate gebucht haben, um den großartigen Erfolg von Laeken dann der Bevölkerung zu verklickern, nachdem Sie das über die Medien, die ja angeblich nur Falschpropaganda betrei


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ben, nicht rübergebracht haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Ing. Westenthaler.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich würde Sie bitten und Ihnen empfehlen: Stimmen Sie unseren Vorschlägen, unserem Antrag heute zu, dann brauchen Sie diesen Inseratenplatz eigentlich nicht. Dann können Sie dieses Geld ansparen, und das Schönste wäre, wenn Sie dafür ein Sparbuch ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte den Schlusssatz! Die Redezeit ist abgelaufen.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): ... anlegen würden, wenn Sie, anstatt solche Inserate zu schalten, das Geld für ein Ausstiegsangebot an die Tschechische Republik für Temelín auf dieses Sparbuch legen würden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist überhaupt das Allerbeste! Jetzt wissen wir, was die Grünen wollen!)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es gelangt nun der Herr Bundeskanzler zur Abgabe einer Stellungnahme zum Dringlichen Antrag, die 20 Minuten nicht überschreiten soll, zu Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.23

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Zunächst, Frau Abgeordnete, bin ich Ihnen wirklich zutiefst dankbar dafür, dass Sie ein Parteiinserat der Volkspartei so lange hochgehalten haben. Ich finde es nur schade, dass wir keine Live-Übertragung mehr haben, damit sich die Österreicherinnen und Österreicher vom objektiven Erfolg der Verhandlungen unter der Führung von Willi Molterer über ein Jahr wirklich ein Bild machen können. Ich danke Ihnen sehr für diesen Dringlichen Antrag und für Ihre Einleitung! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber zugleich sage ich auch dazu, dass ich mich ein wenig wundere, denn Sie sind mir – jedenfalls in den bisherigen Diskussionen – als eine oft sehr exponierte, sehr pointierte, aber auch immer sachliche Rednerin in Erinnerung, und ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich mich über manche Thesen, die Sie heute hier vertreten haben, wirklich wundern muss.

Zum Beispiel stellen Sie – das natürlich unscharf formulierend – in den Raum, als hätte es eine Verpflichtung etwa von Bulgarien, von Litauen und von der Slowakei gegenüber der Europäischen Union gegeben, ein früheres Schließungsdatum zu akzeptieren. Frau Abgeordnete! Das ist einfach nicht wahr. Es hat eine Verhandlungsposition der Europäischen Kommission gegeben, bevor man überhaupt die Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten begonnen hat.

Es kam dann unter unserem Vorsitz – und Frau Abgeordnete Prammer weiß das ganz genau, denn sie war damals in der Bundesregierung die Zuständige für die Anti-Atompolitik und für Nuklearpolitik und die Sicherheitsstandards schlechthin –, ein Jahr, nachdem wir die Verhandlungen begonnen hatten und nachdem wir gemeinsam für Mittel- und Zentraleuropa verbindliche hohe Sicherheitsstandards verlangt hatten – und das ist auch in Helsinki und vorher schon in Köln akzeptiert worden –, im September 1999, also ein Jahr nach der Aufnahme der Verhandlungen, zu einem Vorschlag der Kommission, der gemeinsam mit den Beitrittskandidaten abgestimmt war, und dieser ist in einer Beitrittskonferenz dann verbindlich festgelegt worden. Das ist der erste und einzige Fall, in dem die Schließung dieser drei Hochrisikoreaktoren verbindlich im Beitrittsprozess verankert worden ist.

Das war außerdem noch, bevor diese Bundesregierung das Amt übernommen hat. Also ich bitte schon auch, ein wenig präzise bei den Beschuldigungen zu sein. Uns können Sie dessen nicht beschuldigen, denn wir haben sehr wohl innerhalb eines Jahres ab Beginn der Verhandlungen die verbindliche Festlegung von Schließungsdaten festgehalten. Alles andere ist Rhetorik – und da halte ich es lieber mit dem Handeln und nicht nur mit dem Ankündigen, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP.)

Der nächste Punkt: Sie haben gesagt, es ist Ihnen keine Initiative der österreichischen Bundesregierung hinsichtlich EURATOM in Erinnerung. Da möchte ich Sie aber jetzt wirklich zurück


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fragen: Ist Ihnen völlig entgangen, dass wir gerade eine IGC, eine Regierungskonferenz, hinter uns gehabt haben, die zu dem Vertrag von Nizza geführt hat, wo es eine österreichische Position gewesen ist, den EURATOM-Vertrag als ein Energiekapitel in den Europäischen Vertrag zu integrieren? Ist Ihnen das wirklich verborgen geblieben? – Dann bin ich froh, Sie heute und hier aufklären zu können, denn es war offensichtlich längst überfällig, Frau Abgeordnete. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich würde Ihnen empfehlen: Treten Sie nicht mit einem riesigen Aufwand eine weit offene Tür ein! Ganz Österreich ist dafür, den EURATOM-Vertrag in den EU-Vertrag oder in den EG-Vertrag zu integrieren. Aber eines muss ich Ihnen auch dazu sagen: Die Spielregeln in der Union sind schon so, dass wir immer noch nur im Konsens, gemeinsam agieren können. Es ist keiner – weder der jetzige Ratspräsident Verhofstadt noch Tony Blair, noch Gerhard Schröder, und bitte auch nicht der Wolfgang Schüssel – ein europäischer Diktator, der anderen seinen, unseren gemeinsamen Willen aufzwingen kann.

Wir brauchen den Konsens aller, und den werden wir nicht erreichen, indem wir zum Beispiel, wie Sie das jetzt getan haben, die notwendige und richtige Forderung nach europäischen Sicherheitsstandards für alle Atomkraftwerke zwingend mit dem Ausstieg für alle verknüpfen, denn immer noch ist es eine nationale Entscheidung, Atomkraft zu verwenden oder nicht zu verwenden, und ich werde mir von niemandem innerhalb der Europäischen Union einen Einstieg in die Atomenergie aufzwingen lassen, und umgekehrt werden das andere auch nicht tun.

Drei Länder haben den Ausstieg nicht beschlossen, und ganz Europa gewinnt immerhin im Durchschnitt noch 40 Prozent des verwendeten Stroms aus Atomenergie. Daher: Wenn wir dieses wichtige Anliegen – Sicherheitsstandards für ganz Europa – gemeinsam erreichen wollen, dann bitte mit der richtigen Tonlage und bitte auch mit den richtigen Argumenten, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP.)

Übrigens darf ich Ihnen sagen, weil Sie immer von "wenig Verbindlichkeit" reden: Die Kommission hat nicht zuletzt auf österreichischen Druck jetzt, in diesem Herbst, das Strategiepapier über die Fortschritte des Bewerberlandes, etwa zu den Verhandlungsstandpunkten im Energiekapitel, festgelegt, und da hat die Kommission unsere Anregung übernommen, dass die Stilllegungsverpflichtungen im Hinblick auf die nicht nachrüstbaren Kraftwerksblöcke in Litauen, in der Slowakei und in Bulgarien eingehalten werden müssen – und mithin in die Beitrittsverträge aufgenommen werden sollen und damit natürlich auch einklagbares Recht werden.

Ich glaube, es ist ein großer Erfolg unserer gemeinsamen Politik, dies erreicht zu haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu Temelín. – Das eigentliche Thema war ja die Temelín-Diskussion, und ich möchte Ihnen sehr offen sagen: Diese österreichische Bundesregierung unter der Führung der Frau Vizekanzlerin und von mir hat in nicht einmal zwei Jahren mehr erreicht, als selbst kühne Optimisten noch vor einem Jahr oder vor einiger Zeit für möglich gehalten hätten. Das war möglich, weil wir eigentlich bis zuletzt, mit Ausnahme der letzten zwei bis drei Wochen, immer gemeinsam vorgegangen sind. Das hat uns stark gemacht, denn damit haben alle gewusst: Das ist nicht eine parteipolitische Frage. Hier tritt Österreich auf, verteidigt vitale Interessen und setzt etwas durch.

Es hat mich sehr betroffen gemacht, und es hat auch unsere gemeinsame Position geschwächt, dass vor allem die Sozialdemokraten und die Grünen diese gemeinsame Basis und letztlich auch den Weg, den wir vor einem Jahr in Melk begonnen haben, eigentlich verlassen haben und stattdessen auf eine sinnlose Blockadetechnik, die nicht in unserem Interesse sein kann, Frau Abgeordnete, eingeschwenkt haben. Tief im Inneren wissen Sie, dass ich mit dieser Argumentation Recht habe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben bei diesen Verhandlungen nicht alles erreicht, das ist völlig klar. Der Ausstieg aus Temelín wurde nicht erreicht, aber wir haben in den bilateralen Verhandlungen ein Maximum erreicht, was durchsetzbar war, so etwa, dass alle sieben von den österreichischen Experten ge


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forderten Sicherheitspunkte in den völkerrechtlich verbindlichen Schlussfolgerungen von Melk enthalten sind.

Selbstverständlich gilt das auch – ich sage das, weil das in Ihrem Antrag wiederum so unscharf formuliert ist – für das berühmte Containment, also für die Außenhülle des Reaktors, das natürlich im Punkt 7b der Sicherheitsfragen im Annex I, damit verbindlich, zur Brüsseler Vereinbarung unter den Hardware-Measures enthalten ist.

Auch beim Punkt der 28-Meter-Bühne und bei den Ventilen ist es ganz klar, dass die entsprechenden Maßnahmen sogar vor Beginn des kommerziellen Betriebs umgesetzt sein müssen, wie dies im Kapitel 6 der Brüsseler Vereinbarung nachzulesen ist. Ich bitte Sie wirklich um der intellektuellen Redlichkeit willen, nicht so zu tun, als ob Temelín kein Containment hätte. Es gibt ein paar westeuropäische Kernkraftwerke, die überhaupt kein Containment haben. Temelín gehört – Gott sei Dank, sage ich – nicht dazu. Die Forderung war ja nicht, dass die jetzt endlich eine Reaktorhülle, ein Containment, bauen mögen; das haben sie. Die Forderung der österreichischen Sicherheitsexperten war, die klaren mathematischen Berechnungsmethoden anzuwenden, dass dies über jeden Zweifel erhaben auch wirklich bewiesen werden kann. Und das ist erreicht in diesen sieben Sicherheitspunkten!

Sie haben sich hier lustig gemacht über ein Datum: dass die Experten im Jahr 2004 etwa über die Versprödung des Materials zu Ergebnissen kommen werden. Frau Abgeordnete, da sind Langzeitstudien notwendig, die sofort begonnen werden, aber eine Langzeitstudie geht nicht in drei oder vier Monaten. Diese Studien beginnen natürlich sofort, aber im Jahr 2004 wird kontrolliert – durch unseren Umweltminister Willi Molterer und durch die Europäische Union im "Peer Review" und so weiter. Diese Studien werden vorgelegt werden und werden einem internationalen Monitoring unterzogen. Verstehen Sie es nicht – oder wollen Sie das nicht sehen, Frau Abgeordnete? Das enttäuscht mich, denn ich habe eigentlich von Ihnen gerade in der Sachargumentation sehr viel gehalten. Und dieses Ergebnis ist ein gutes Ergebnis für Österreichs Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Genauso haben sich die Tschechen erstmals verbindlich verpflichtet, alle 21 Empfehlungen aus dem Umweltverträglichkeitsprozess umzusetzen. Da sind ja sehr viele Studien, Begleitmaßnahmen, transparente Informationen drinnen. Wir haben durchgesetzt, dass die Schlussfolgerungen als Protokoll in die Beitrittsakte aufgenommen werden – das hat es überhaupt noch nie gegeben in der Geschichte der Europäischen Union –, und damit haben wir ab dem Beitritt Tschechiens praktisch ein neues Primärrecht, das beim Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden kann. Ich werde noch im Detail darauf eingehen.

Tschechien wird den kommerziellen Betrieb nicht aufnehmen, bevor die Punkte umgesetzt sind, die die Voraussetzungen für den sicheren Betrieb sind, und Tschechien bekennt sich gemeinsam mit uns zu europaweiten Sicherheitsstandards.

Ich möchte Willi Molterer ein wirklich großes Dankeschön sagen für diese mühsamen einjährigen Verhandlungen, die gemeinsam mit vielen guten österreichischen und internationalen Experten geführt worden sind. Diese Zeit war gut investiert, sie war wichtig für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich hätte mir auch gewünscht – ich sage das sehr offen –, dass es ein bisschen mehr Lobbying gegeben hätte, denn es gibt ja einige sozialdemokratische Politiker auf der europäischen Bühne, ja selbst grüne Politiker, Umweltminister in einigen Ländern. Ich hätte mir ein kräftigeres Lobbying gewünscht, denn irgendwo war es schon seltsam bei dem Übergewicht sozialdemokratischer Regierungen in Europa und bei vielen grünen Politikern: Wir waren völlig allein! Niemand ist an unsere Seite getreten und hat uns geholfen. Ich hätte mich gefreut, wäre etwa der deutsche Umweltminister Trittin neben unserem Willi Molterer gesessen. Nachher, als wir ein gutes Ergebnis heimgebracht haben, da ist die Zahl der Trittbrettfahrer plötzlich gewachsen. Da war Trittin auf der Bühne und hat begrüßt, was Europa mit Österreich und Tschechien ausverhandelt haben. Da wäre Mut vorher besser gewesen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Immer geholfen haben uns die Bayern, der bayerische Umweltminister, der bayerische Ministerpräsident. – Dessen Lob war ein ehrliches, denn Edi Stoiber hat immer unsere Position mit eingenommen und hat sogar in der innerdeutschen Diskussion Gerhard Schröder kritisiert, warum dieser seinen Umweltminister nicht zu unseren Verhandlungen dazu lässt.

Wir haben am 29. November also einen doppelten Erfolg erzielt: Temelín wird auf europäischen Sicherheitsstandard nachgerüstet, und zwar verbindlich, und dadurch, dass alle Mitgliedstaaten der Union mit der Verabschiedung des Energiekapitels den Startschuss gegeben haben, kann mit der Umsetzung der Maßnahmen sofort begonnen werden. Es hat die Ratsarbeitsgruppe ja gesagt, der COREPER ja gesagt, am Montag hat der Allgemeine Rat ja gesagt, und heute in der Beitrittskonferenz haben die Tschechen ihre Verpflichtung zu Protokoll gebracht.

Meine Damen und Herren! Zu der Linie, die oft schwierig war – ich will das hier zugeben –, hat es keine Alternative gegeben. Wir haben ein Maximum erreicht, weil wir in der Bundesregierung – in der gesamten Bundesregierung! – und alle Regierungsfraktionen hier gemeinsam vorgegangen sind und konsequent den Verhandlungsweg gegangen sind. Ich möchte Ihnen dafür an dieser Stelle auch herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sagen, das Ergebnis sei rechtlich zu wenig abgesichert, und: Was ist das Ganze überhaupt? Ist das eine Art Privatvertrag? Ist das irgendein Text, den die zwei ausverhandelt haben, Zeman und Schüssel? – Ich verlasse mich da auf die Profis aus dem Verfassungsdienst und aus dem Völkerrechtsbüro. Völkerrechtlich handelt es sich um einen ganz eindeutig rechtlich verbindlichen Vertrag im Sinne der Wiener Vertragsrechtskonvention – die übrigens nicht automatisch mit der Einklagbarkeit verbunden ist. Diese ist nur deshalb gegeben, weil wir sichergestellt haben, dass es in die Beitrittsakte aufgenommen wird und daher dann nach dem Beitritt auch wirklich bis zum Europäischen Gerichtshof gehen kann.

Innerstaatlich ist das vom Bundeskanzler auf Grund eines vom Nationalrat – übrigens als gesetzesändernder Staatsvertrag – genehmigten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz, Bundesgesetzblatt 565/1990 und 123/1997, geschlossen worden – im Einvernehmen mit der Außenministerin. Es enthält darüber hinaus keine gesetzesändernden oder -ergänzenden Bestimmungen und ist ein Ressortübereinkommen im Sinne der Entschließung des Bundespräsidenten vom 31. Dezember 1920, Bundesgesetzblatt 49/1921, wird daher auch gemäß § 2 Abs. 5 Bundesgesetzblattgesetz im Bundesgesetzblatt III kundzumachen sein.

Es ist ein ganz klarer rechtlicher Vertrag, der beide Seiten bindet.

Sie sagen nun, es sei eine Missachtung parlamentarischer Antiatomaufträge durch die Bundesregierung zu verzeichnen gewesen. Ich möchte Ihnen noch einmal sagen: Die Lösungsschritte zu den sieben Sicherheitsproblemen sind im Anhang 1 rechtlich verbindlich und völkerrechtlich bindend festgelegt worden. Das ergibt sich insbesondere aus den Schlussbestimmungen der Vereinbarung, wonach die Unterzeichner die Implementierung der übernommenen Verpflichtungen unabhängig von der jeweiligen Eigentümerschaft am Kernkraftwerk garantieren.

Auch im Kapitel 8 über die Erweiterung wird festgelegt, dass Tschechien die Beitrittskonferenz vom Inhalt und vom bindenden Charakter der Vereinbarung unterrichten wird. Daher ganz deutlich der verbindliche Charakter.

Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang auch – auf Englisch; die deutsche Übersetzung liegt noch nicht vor – vorlesen, was heute in der Beitrittskonferenz der tschechische Außenminister Jan Kavan gesagt hat:

I would like to stress that the Czech Republic found it fit to bring the conclusions to the attention of the European Union within the framework of the accession conference to highlight that the Czech Republic considers itself to be bound to implement them. The Czech Republic will fully honour its commitments under these conclusions. Austria and the Czech Republic agreed on


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the common objective to include the bilateral obligations contained in these conclusions in the protocol to the accession act.

Damit ist eindeutig, und zwar erstmals nicht nur gegenüber Österreich, sondern auch gegenüber den anderen Vierzehn festgelegt, dass sich Tschechien an diese Vereinbarung gebunden fühlt. Und damit pickt’s, und das ist wichtig! – Ein großer Erfolg für uns. (Beifall bei der ÖVP.)

Der von Ihnen behauptete, ja vielleicht gewünschte Misserfolg stellt sich als das genaue Gegenteil dar: als voller Erfolg im Interesse der Österreicher.

Nun haben Sie die Aussage vorgebracht, wiederholt schon, aber heute wiederum, dass die EU im Energiekapitel ja nur zwei der sieben von Österreich vorgebrachten Sicherheitsprobleme berücksichtigen will. Auch dies stimmt einfach nicht.

Es gibt eine Ratsarbeitsgruppe, die die Atomic Question Group eingesetzt, beauftragt hat, und dann gibt es diese Working Party on Nuclear Safety, die drei allgemeine Empfehlungen für alle Länder, für alle Kernkraftwerke und spezifische Länderempfehlungen für ganz spezifische und konkrete Kraftwerke ergehen lassen haben. Diese sind immer zusammen zu lesen. Es gelten die allgemeinen und die besonderen Empfehlungen. Tschechien hat überdies in seiner Information an die Beitrittskonferenz, in den 7th Additional Informations, die Melker Vereinbarung zur Gänze übermittelt und damit zum Gegenstand der Beitrittsverhandlungen gemacht. Damit wird der Beitrittsvertrag sämtliche von Tschechien bilateral übernommenen Verpflichtungen in Bezug auf das Kernkraftwerk Temelín enthalten.

Auch die Ausführungen, wonach der von Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner im Rahmen des Rats am Montag geäußerte Vorbehalt, wieder auf das Energiekapitel zurückzukommen, in krassem Widerspruch zur EU-Praxis stehe, sind schlicht und einfach falsch, Frau Abgeordnete! Auch Ihre Behauptung, wir seien isoliert gewesen, ist schlicht und einfach falsch. Es ist übrigens auch in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, dass sogar Beitrittskandidaten oder einzelne Länder auf bestimmte Themen zurückgekommen sind. (Abg. Kiss: Ahnungslos ist sie!)

Die Wiederaufnahme von Verhandlungen in Bezug auf vorläufig geschlossene Verhandlungskapitel ist keinesfalls ein Einzelfall, das entspricht einer durchaus gängigen Praxis. Das erklärt sich vor allem daraus, dass die Verpflichtungen für einen Kandidaten, nämlich die Übernahme und die Anwendung des Acquis, mit dem vorläufigen Abschluss eines Kapitels keinesfalls endgültig erfüllt sind. Zu diesem Zweck erfolgt durch die Kommission vor allem eine laufende Beobachtung hinsichtlich der Fortschritte über den Acquis in allen Bewerberländern. (Abg. Ing. Westenthaler: Alles ist möglich!) Zu den diesbezüglichen internen Vereinbarungen der Europäischen Union, Methodik zur Führung von Beitrittsverhandlungen, Dokument 13462/1999 – das ist Ihnen zugegangen, Frau Abgeordnete –, wird wörtlich ausgeführt – ich zitiere –:

Die Beobachtung sollte nun zu einem wesentlichen Element der Verhandlungsführung werden. Dazu sollte der vorläufige Abschluss von Kapiteln nicht nur auf einer Einigung zwischen den Mitgliedstaaten über die konkreten, in den Verhandlungen erörterten Fragen beruhen, sondern auch auf den hinreichenden Fortschritten bei der Heranführung im Land.

Weiter heißt es: "Kapitel sollten dann erneut eröffnet werden, wenn das betreffende Bewerberland seinen auf dem betreffenden Gebiet eingegangenen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist." – Ende des Zitats.

Als zusätzliches Instrument der Beobachtung steht der EU in unserem Fall der so genannte Peer Review zur Verfügung. Dieser Prozess behandelt die allgemeinen und die spezifischen Empfehlungen des Berichts der Atomic Question Group und somit alle sieben Sicherheits-punkte, die wir in Brüssel vereinbart haben.

Sollte nun diese Beobachtung ergeben, dass ein Bewerberland seine im Zusammenhang mit dem vorläufigen Abschluss eines Verhandlungskapitels übernommenen Verpflichtungen nicht einhält, kann jeder Mitgliedstaat – natürlich auch die Präsidentschaft oder die Kommission –


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diese Angelegenheit in der Beitrittskonferenz zur Sprache bringen. (Abg. Ing. Westenthaler: Nachlesen, Josef Cap! – Abg. Dr. Cap: Märchenstunde!)

Letztlich kann dies natürlich auch zur Wiedereröffnung eines vorläufig geschlossenen Verhandlungskapitels führen, auch dies ist in den internen Vereinbarungen der EU klar festgelegt – Dokument MD 4201 vom 7. Februar 2001. Und genau in diesem Licht hat Frau Außenministerin Ferrero-Waldner in ihrer Erklärung im Rahmen des Rats Allgemeine Angelegenheiten am Montag ausgeführt, dass sich Österreich im Zusammenhang mit dem vorläufigen Abschluss des Energiekapitels vorbehält, im Lichte des Peer Reviews und der von der tschechischen Regierung bis zum Abschluss der Beitrittsverhandlungen gesetzten Maßnahmen auf dieses Kapitel zurückzukommen. Diese Position Österreichs wurde von allen Mitgliedstaaten zur Kenntnis genommen.

Auch da stellt sich also unter sachkundiger Analyse heraus: Nicht wir sagen die Unwahrheit, wie Sie in einer sehr eigenartigen Wortwahl behauptet haben, sondern Sie kennen sich einfach in der Sache nicht aus, Frau Abgeordnete! Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der vorläufige Abschluss des Energiekapitels ist nicht das Ende, sondern der Startschuss für die Umsetzung der Nachrüstungsmaßnahmen. Seit Montag – nicht erst seit gestern, wie Sie hier behauptet haben – hat Umweltminister Willi Molterer mit dem tschechischen Außenminister den Zeitplan über die Schritte, wie dieses Monitoring der sofort zu beginnenden Schritte erfolgen wird, vereinbart.

Das bedeutet natürlich nicht, dass erst zu diesem Zeitpunkt, zu dem das Monitoring in der gemeinsamen Arbeitsgruppe erfolgt, mit der Umsetzung begonnen wird. Im Gegenteil: Das bedeutet, dass gleich begonnen wird und dann die Umsetzung in festgelegten Zwischenetappen überprüft wird. Dadurch werden die Sicherheitsprobleme nicht auf die lange Bank geschoben, sondern vielmehr konsequent Schritt für Schritt mit einem soliden Monitoring behandelt.

In Tschechien hat es übrigens heftige Diskussionen darüber gegeben, warum die tschechische Regierung der Verankerung dieser Vereinbarung im EU-Recht zugestimmt hat. Wenn all das nichts war, dann frage ich Sie, Frau Abgeordnete: Warum treten dann prominente tschechische Politiker gegen diese Vereinbarung und die Verankerung der Vereinbarung in den Beitrittsakten so vehement auf, wenn dadurch keine Rechtswirkungen erreicht werden würden? – Die Antwort ist ganz klar: Weil eben das Gegenteil Ihrer Behauptung der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte Sie im Übrigen einladen, darüber nachzudenken, wem Sie mit Ihrer Argumentation eigentlich nützen. – Sie nützen mit Ihrer Argumentation, dass das gar nichts sei, ausschließlich jenen Hardlinern in Tschechien, die natürlich überhaupt keine Einmischung seitens der EU oder Österreichs in dieses Monitoring der Umsetzung der verbindlichen Sicherheitsmaßnahmen wünschen. Und das kann doch, bitte, Frau Abgeordnete, nicht in Ihrem, jedenfalls aber nicht in unserem gemeinsamen Interesse sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben noch weitere Erfolge zu verzeichnen: Die EU hat sich auf die Position festgelegt, dass alle Hochunsicherheitsreaktoren stillgelegt werden müssen. Dieser Punkt ist erreicht. Bohunice, Ignalina und Kozloduj werden stillgelegt. Österreich beteiligt sich aktiv an der Ausstiegshilfe. Insgesamt stehen dafür bereits über 5 Milliarden Schilling zur Verfügung. Wenn ich Tschernobyl noch mit rechne, wofür ein eigener Fonds in der Höhe von etwa 700 Millionen US-Dollar, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, zur Verfügung steht, dann ist da ein gewaltiger Impuls erfolgt.

Österreich hat erreicht, dass die Frage der nuklearen Sicherheit ein Thema im Erweiterungsprozess ist. Es ist auch unser Erfolg, dass bei den sieben anderen AKWs, die nicht stillgelegt werden, von allen Kandidatenländern zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erfolgen müssen. Das ist ein wirklicher gemeinsamer Erfolg. Antipolitik ist mir zu wenig. Das ist Propolitik: pro Sicherheit,


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pro Europapolitik, die die Bürger auch wirklich verstehen können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Pro Atom!)

Nächster Punkt: Sie haben wiederum behauptet, dass bei EURATOM oder beim europäischen Forschungsprogramm ein Riesenumfaller passiert sei. Die Wahrheit ist ganz anders. Die Wahrheit ist, dass in diesem neuen Rahmenprogramm 17,5 Milliarden € für die Forschung, für europäische Forschungsprogramme zur Verfügung gestellt werden. Davon werden nicht einmal 8 Prozent, nämlich 1,2 Milliarden €, für EURATOM-Forschungsprojekte ausgegeben. Am 10. Dezember sind jetzt im EU-Forschungsministerrat die abschließenden Verhandlungen gesetzt worden, und dabei sind der Bildungsministerin einige ganz massive und positive Weichenstellungen gelungen.

Folgendes wurde erreicht: Das Rahmenprogramm wird entgegen dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag ein Nuklearforschungs programm und kein Nuklearenergieforschungs programm. Die Förderung des Nuklearsektors wird im 6. Rahmenprogramm von EURATOM überhaupt nicht mehr erwähnt. Strahlenschutz ist entsprechend der langjährigen österreichischen Forderung ein eigener Forschungsschwerpunkt, er wurde auch budgetär aufgewertet. Österreich sieht in dieser Aktivität eine Priorität im EURATOM-Rahmenprogramm.

Die Höhe des Budgets wurde, während alles andere angehoben wurde, nicht nur nicht erhöht, sondern sogar leicht gesenkt, während die nicht nukleare Energieforschung im 6. Forschungsrahmenprogramm deutlich angehoben wurde. – Die Texte dazu will ich Ihnen jetzt im Detail ersparen, diese können Sie gerne nachlesen.

Wenn aber diese Ergebnisse so schlecht sind, Frau Abgeordnete, dann frage ich wiederum: Wieso haben dann eigentlich die rot-grünen Regierungen Deutschlands, Frankreichs oder die sozialdemokratisch geführte Regierung Finnlands oder der grüne Minister, der derzeit den belgischen Vorsitz innehat, all dem zugestimmt? – Dann kann das nicht so schlecht sein, wie Sie hier behaupten. Ich glaube, dass wir ein sehr vernünftiges Ergebnis erzielt haben, einen Schritt in Richtung österreichische Grundsatzposition gesetzt haben, wonach sich die Forschungsförderung in der Europäischen Union auf erneuerbare Energieträger konzentrieren soll.

Letzter Punkt: Wir werden, beginnend mit dem Rat in Laeken, für gesamteuropäische Sicherheitsstandards für AKWs kämpfen.

Zum ersten Mal haben sich einige Mitkämpfer oder Mitstreiter aus der "Etappe" gewagt, und das muss ich sehr anerkennen, denn das war bisher nicht üblich, das war eine Besonderheit in dieser Situation. Es hat mir der Ratsvorsitzende Guy Verhofstadt bei meinem Besuch am 29. in Brüssel erstmals öffentlich seine Zustimmung kundgetan, und Kommissionspräsident Romano Prodi hat vorigen Freitag bei einer europaweit übertragenen Videokonferenz wörtlich erklärt:

",Selbst der größte Ignorant‘ sollte begreifen, dass die Europäische Union eine gemeinsame Politik bei der Atomkraftsicherheit brauche."

Wörtlich meinte er: ",Ich kann dem Vorschlag von Kanzler Schüssel nur sehr positiv gegenüberstehen.‘"

Meine Damen und Herren! Anti-Atompolitik ist zu wenig. Wir brauchen eine positive Politik, die darauf abstellt, wirklich etwas für die Sicherheit und für die Menschen in Europa und in Österreich zu tun. Drei Kernkraftwerke werden – das ist ein sichtbarer Erfolg dieser Politik – zugesperrt, sieben werden sicherheitsmäßig auf den Stand der Technik gebracht. Bilateral heikle Fragen sind gelöst worden, wie etwa jetzt mit Tschechien, aber auch schon vorher mit der Slowakei, mit Ungarn oder mit Slowenien.

Die Österreicher verstehen diesen Weg: 67 Prozent haben entsprechend einer im ORF vorgestellten Umfrage diesen Weg der Verhandlungen für richtig gefunden, und 84 Prozent haben gesagt, man soll jetzt, nach der Lösung schwieriger bilateraler Probleme an die energisch und konstruktiv geführten Beitrittsverhandlungen herangehen.


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Ich lade Sie nochmals ein, Frau Abgeordnete: Gehen wir diesen Weg gemeinsam! Es wäre ein europäischer und ein guter rot-weiß-roter Weg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Sie wissen, jede Fraktion hat 25 Minuten zur Verfügung, kein Redner darf länger als 10 Minuten sprechen.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort. Sie hat eine freiwillige Redezeit von 8 Minuten vorgeschlagen, daher ist auch die Uhr auf 8 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Petrovic –: Ziehen Sie es einfach zurück! – Abg. Großruck: Das war jetzt eine Lehrstunde!)

15.53

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Als Sie, Herr Bundeskanzler, im Rahmen der Beantwortung noch einmal versucht haben, uns eindringlich darzustellen, Sie hätten ein gutes Ergebnis ausverhandelt, da waren genau 20 freiheitliche Abgeordnete im Raum (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viele Grüne?), und von diesen 20 haben exakt vier zögerlich applaudiert. (Abg. Ing. Westenthaler: Fünf Grüne waren im Raum!)

Herr Bundeskanzler! Beschwören Sie daher nicht die Opposition, deren Aufgabe es ist, das Verhalten der Regierung zu überprüfen, zu kontrollieren und auch zu kritisieren, sondern versuchen Sie erst einmal, Ihren Koalitionspartner vom guten Ergebnis zu überzeugen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

Das regt Herrn Abgeordneten Kukacka und Herrn Klubobmann Westenthaler fürchterlich auf. Ich weiß schon, dass das wehtut, wenn Sie innerhalb der Bundesregierung nicht in der Lage sind, eine gemeinsame Linie zu finden, die natürlich notwendig wäre, damit zumindest auf Regierungsebene mit einer Zunge gesprochen wird. Aber angesichts dessen bitte ich Sie, keine Beschwörungen in Richtung Opposition zu machen, vor allem nicht dann, wenn sie einer sachlichen Grundlage entbehren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie tun immer so, als würden Sie eigentlich sowieso dasselbe wollen, was die Grünen, was unsere Umweltsprecherin schon sehr oft und vielfach an Sie herangetragen hat. Ich möchte es noch einmal ganz kurz zusammenfassen: Die Frage von Sicherheitsstandards ist nur dann nicht das Konterkarieren einer Ausstiegslinie (Abg. Kiss: Glawischnig ist unter dem Teppich ...! Das ist unglaublich!), wenn mit den Sicherheitsstandards auch – und zwar fest fixierte und international durchsetzbare – Ausstiegstermine akkordiert werden. Nur dann und unter dieser Voraussetzung kann man weiteres Geld – und letztlich geht es ja darum – für AKWs noch irgendwie in Betracht ziehen, wenn zumindest an den Ausstiegsterminen nicht gerüttelt wird. – Genau das ist aber passiert, und das wissen Sie, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP in Richtung Grüne.)

Es war sehr wohl so, dass bereits in der Agenda 2000 feste Ausstiegsdaten fixiert worden sind, und dann sind auf Grund des Drucks der Atomenergieindustrie, dem die gesamte europäische konservative Fraktion immer wieder nachgegeben hat, diese Ausstiegszeitpunkte aufgeweicht und hinausgeschoben worden. Bei einigen Kraftwerken – also etwa hinsichtlich Kozloduj 3 und 4 – gibt es noch überhaupt keine Vereinbarung und teils Laufzeitverlängerungen um sechs, acht und um mehr Jahre. – Das ist kein Ausstiegsprogramm mehr, sondern das ist ein Programm des zizerlweisen Weiterinvestierens, und das lehnen wir ab. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Zu EURATOM: Da gibt es einen Punkt, der dann immer so unklar bleibt, und es ist auch auf nationaler Ebene, auch von der Regierung noch nicht einmal versucht worden, diesbezüglich einen Konsens herbeizuführen. Wahrscheinlich ist dies auch deswegen so – jetzt sind die Freiheitlichen überhaupt gänzlich geflüchtet; sie werden schon wissen, warum (Abg. Mag. Schweitzer: Weil Sie jetzt reden!)  –, weil es da einen Punkt gibt, bei dem Sie wahrscheinlich zu keinem Konsens kommen werden. Das ist die Frage, bei der es darum geht – Sie


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haben das auch heute schon bei der Konjunkturdebatte etwas kryptisch angedeutet –, dass man doch neue Technologien nicht generell verteufeln möge.

Meine Frage lautet: Worüber reden wir? – Es gibt konkret zwei große Technologien, die tatsächlich risikobehaftet sind, die auch Ängste auslösen, die auch unserer Einschätzung nach nicht in Bausch und Bogen einheitlich beurteilt werden können. Es geht einerseits um die Gen- und Biotechnologien – und da um verschiedene Bereiche –, und es geht andererseits durchaus auch um neue, andere Forschungen im Bereich der Atomenergie. Und da wissen Sie genauso gut wie wir, Herr Bundeskanzler, dass selbstverständlich auch bei EURATOM weitere konventionelle Reaktorentwicklungen mit österreichischem Geld – mit nicht wenig Geld – gefördert werden; da geht es nicht nur um die Fusion. – Und zweitens geht es um die Klärung der Frage: Wie stehen wir zur Fusionsforschung?

Wir – auch ich persönlich – glauben nicht, dass es aus ökologischen Gründen und auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll ist, derartige Milliardensummen in diesen Bereich zu stecken, weil das, wenn überhaupt, viel zu spät kommt, um die europäischen Energieprobleme zu lösen. Ihre Haltung und die Haltung der FPÖ dazu kennen wir nicht, aber offenbar – das entnehme ich indirekt Ihren Aussagen – sind Sie dafür. Und da gibt es zwischen Ihrer und unserer Position in der Tat einen großen Unterschied, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben gesagt, kein Land in Europa würde sich in die nationale Energiepolitik dreinreden lassen. – Das stimmt. Aber wer hat denn das getan? Wer hat denn das vor allem mit der Veto-Politik dauernd getan? – Wenn es in Tschechien wieder einen Ruck in Richtung Befürwortung der Kernenergie gibt – viele in der Regierung und insbesondere in der Bevölkerung waren von einer Unterstützung der Kernenergie schon sehr weit entfernt! –, dann war das das Werk der FPÖ. Und das war gewollt, um die Ressentiments aus ganz anderen Gründen zu schüren! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Kein Land würde sich dreinreden lassen, aber ich frage Sie schon: Wer hat denn in Österreich den Landesregierungen dreingeredet, als sich die EdF in der Steiermark eingekauft hat, als sich die RWE in Kärnten, dem ach so ökologisch vorkämpfenden Bundesland, eingekauft hat? – Kein Wort habe ich gehört! Herr Bundeskanzler! Sie selbst haben die Beteiligung von E.ON beim Verbund in Aussicht gestellt. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) – Also wer hat uns denn da hereingeredet, wer war denn das? Welche geheimen Mächte haben denn da Österreich zu irgendetwas veranlasst? – Genau das ist diese Doppelgleisigkeit, die wir immer anprangern! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Die Bundesregierung hat viel mehr mediale Möglichkeiten als die Opposition. Wenn ein Bundeskanzler, wenn Regierungsmitglieder eine Pressekonferenz abhalten, wenn der MinisterInnenrat stattfindet, dann haben sie mediale Öffentlichkeit. Eine Bundesregierung, die großflächige Inserate um sehr viel Steuergeld braucht, um ihre Politik darzustellen ... (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. )

Herr Bundeskanzler, über diesen Punkt ist doch berichtet worden, aber die maßgeblichen JournalistInnen haben es eben anders gesehen als Sie. Daher ist meine Frage: Wollen wir jetzt No-ten vergeben, wollen Sie jetzt Noten an die freie Presse vergeben, oder brauchen Sie wirklich die Inserate, um die Journalistinnen und Journalisten, um die österreichische Öffentlichkeit zu belehren? – Wenn Ihre Politik nicht glaubwürdig ist, dann wird sie es durch Inserate auch nicht werden! (Beifall bei den Grünen.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.01

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Sie sind ein Meister der Verwirrungstaktik, und Sie möchten permanent nur über Verfahren reden und nicht über Substanzen, aber das Problem ist, dass es in dieser Auseinandersetzung um Substanzen geht. Ich wehre


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mich einfach dagegen, dass man versucht, uns und die österreichische Bevölkerung für dumm zu verkaufen.

Die Sicherheit ist ein ganz zentrales Element in dieser Auseinandersetzung und ist für viele Österreicherinnen und Österreicher sehr wichtig, und daher setzen wir uns alle auch mit großem Engagement in dieser Frage ein.

Ich sage Ihnen Folgendes: Sie werden jetzt zwei Jahre lang überhaupt keine Möglichkeiten haben, denn die berühmten Einklagbarkeiten beim Europäischen Gerichtshof et cetera, von denen Sie uns permanent erzählen, werden doch erst in zwei Jahren schlagend, wenn Tschechien überhaupt Mitglied der Europäischen Union ist. Innerhalb dieser zwei Jahre kann die tschechische Atombehörde faktisch machen, was sie will. Das ist natürlich in der nationalen Souveränität beinhaltet. Das, was im Annex I Ihres berühmten Brüsseler Nichtabkommens mit Herrn Zeman steht, ist nichts anderes als die Feststellung – in Punkt 1 und Punkt 2 steht das wörtlich darin –, dass es der tschechischen Kontrollbehörde überlassen bleibt, autonom zu beurteilen, was überhaupt ein Sicherheitsmangel ist und ob überhaupt Nachrüstung notwendig ist. – Das ist in den Punkten 1 und 2 enthalten.

Die Punkte 3, 4 und 5 beinhalten einen Hinweis auf Richtlinien der Internationalen Atomenergiebehörde und keine zusätzliche Verpflichtung für die Tschechische Republik. Bei Punkt 6, was die Erdbebensicherheit betrifft, sind Sie für einen Workshop, einen Arbeitskreis oder irgendetwas anderes Unverbindliches eingetreten. – Das ist der Kern des Vertrages. Dieser Kern berührt die berühmten sieben Sicherheitsmängel. Wir Sozialdemokraten und auch die Grünen waren die Einzigen, die diesen Melker Prozess, der von Schüssel-Zeman-Verheugen ausgelöst wurde, am Schluss noch ernst genommen haben, denn in unserem Entschließungsantrag sind die Punkte des Melker Prozesses als Voraussetzung für die Zustimmung zum Energiekapitel angeführt.

Ich möchte hier aber noch mit etwas anderem aufräumen: Dem vorläufigen Abschluss des Energiekapitels nicht zuzustimmen, hat mit einem Veto absolut nichts zu tun. Das ist Teil Ihrer Verwirrungsstrategie und Ihrer Nebelgranaten, die Sie in die Diskussion werfen, denn dann könnte man, weil Loyola de Palacio eine Einigung beim Verkehrskapitel hinauszögert, da auch gleich eine Veto-Debatte führen. (Abg. Schwarzenberger: Die SPÖ will eine Blockade!) Erst nächstes Jahr haben wir die Verhandlungen zu den Landwirtschaftskapiteln, zum Strukturfonds zu führen. Da bin ich gespannt, was die Spanier dazu sagen werden. Das hat mit Veto-Politik nichts zu tun, sondern das ist nichts anderes als der Versuch, auch Nachverhandlungen zu ermöglichen. Genau das wollen Sie nicht.

EU-Kommissar Günter Verheugen hat das im "FORMAT"-Interview eindeutig gesagt, und es wurde auch im "Kurier" richtig zitiert. Er sagt, wenn ich das übersetze: Jetzt ist Schluss! Günter Verheugen sagt: Es ist zu Ende, das Energiekapitel wurde abgeschlossen. – Wir haben Ihnen am Freitag im Hauptausschuss noch die letzte Möglichkeit gegeben, die Außenministerin zu binden, dass sie dagegen auftritt, dass das Energiekapitel abgeschlossen wird. Das wurde wieder durch eine Scheinstellungnahme der beiden Regierungsparteien abgeschmettert. (Abg. Schwarzenberger: Sie wollen nur blockieren! Sie wollen die Osterweiterung blockieren! Sagen Sie die Wahrheit!)

Man muss sich das einmal vorstellen: Die beiden Regierungsparteien bringen eine so genannte Stellungnahme und Bindung der Ministerin ein, dass sie am Montag gebunden ist, nichts zu binden. Das war der Trick Ihres Antrages, und damit ist die Sache abgeschlossen. (Abg. Mag. Schweitzer: Deine schwache Form von gestern setzt sich fort!) Jetzt werden Sie in Wirklichkeit keine Nachverhandlungen mehr führen können, Sie werden die nächsten zwei Jahre überhaupt nichts mehr ändern können, weil die tschechische Atombehörde das selbständig zu entscheiden hat. Dann wird es einen Konflikt zwischen tschechischen und österreichischen Technikern geben, der ewig dauern wird, dann wird es einen Rechtsstreit geben, der auch ewig dauern wird. Und bis diese ganzen kumulierten Streitsituationen ausgehandelt sind, wird nach 30 Jahren Temelín geschlossen werden, weil es einfach aus ist, weil es nicht länger läuft – wenn es überhaupt so lange läuft. – Das ist die Politik, die Sie den Österreichern klarmachen


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wollen. Das nenne ich Beschummeln der Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen ganz genau, dass Sie das den Österreichern nicht weismachen können. Sie wissen ganz genau, dass man mit Ängsten und mit dem Sicherheitsbedürfnis kein Spiel treiben soll. Ich bin unglücklich über diese Entwicklung, und ich sage Ihnen, ich hätte mir wirklich erhofft und gewünscht, dass es ein vernünftiges Übereinkommen gibt. Ich hätte wirklich gehofft, dass dieses Übereinkommen die Rechtsverbindlichkeit hat, die Sie ihm dauernd zusprechen. Das ist aber nicht der Fall. Daher sollten Sie ehrlich sagen, was wirklich die Nichtsubstanz dieses Berichtes ist.

Den Freiheitlichen möchte ich noch sagen: Die "Kronen Zeitung" hat Ihnen anscheinend dieses Volksbegehren ohnehin schon entwunden, wie ich dem heutigen Titel der "Kronen Zeitung" entnehmen kann. Wie werden Sie jetzt weiterhin auftreten? Wie wird Ihre weitere Argumentationslinie sein, denn Sie haben im Endeffekt dieses Spiel mitgemacht? Ich weiß nicht, ob Sie sozusagen hineingelegt wurden oder das Doppelspiel mitgetragen haben. – Sie müssen uns einmal klar darlegen, was letztlich Ihre Politik dabei war.

Faktum ist, dass Sie zugesehen haben, wie im COREPER, in der Ratsarbeitsgruppe die erste Festlegung stattgefunden hat. Dort, wo Sie am lautesten geschrien haben, haben Sie anscheinend hinterrücks zugestimmt, weil nämlich die Weisung aus Wien gekommen ist, dass der Wartevorbehalt zu dem Energiekapitel nicht aufrecht bleibt. Sie haben mit der ÖVP gemeinsam einen Nichtbindungsantrag eingebracht und unserem Bindungsantrag, der ermöglicht hätte, dass das Energiekapitel offen bleibt und die Sicherheitsfragen, die noch offen sind, weiter nachverhandelt werden können, nicht zugestimmt. Daher ist Ihr Volksbegehren sinnlos, absolut sinnlos! (Beifall bei der SPÖ.)

Auf der einen Seite steht der Herr Bundeskanzler, der uns gerade erzählt, dass der Nichtvertrag, also die vertragliche Festsetzung des sicherheitspolitischen Nichts, ein wichtiger Meilenstein ist, und auf der anderen Seite stehen Sie, die dieses Nichts, dieses Abkommen zwischen Ministerpräsident Zeman und Bundeskanzler Schüssel verteidigen und zugleich als Basis für das Volksbegehren heranziehen. – Das ist Kakanien, mehr kann ich dazu nicht sagen. Für diese Art von Sicherheitspolitik, die Sie beide in der Regierung zu verantworten haben, werden sich die Österreicherinnen und Österreicher jedenfalls bedanken. Das ist kein Beitrag zu mehr Sicherheit.

Dazu möchte ich noch feststellen: Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, wir waren völlig allein in ganz Europa. – Das lässt aber Ungutes befürchten, was den weiteren Kampf für den europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie betrifft, der nämlich ganz wichtig ist. (Abg. Hornek: Überzeugen Sie Ihre Freunde in Deutschland, Frankreich, England! Die sozialistischen Regierungen in Europa, Herr Kollege Cap!) Wenn diese Regierung so isoliert ist, dass sie keine Bündnispartner mehr findet, dass wir keinen Beitrag dazu leisten können, europaweit aus der Kernenergie auszusteigen, dann ist das wirklich traurig. Es stimmt schon, es gibt noch gefährlichere Kraftwerke als Temelín, daher ist es noch wichtiger, dass es diesen europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie tatsächlich gibt. Und dafür lohnt es sich zu kämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.11


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Petrovic hat dieses ausgezeichnet gestaltete Informationsinserat als ein Inserat bezeichnet, das von Regierungsseite geschaltet worden sei.

Ich berichtige und stelle den tatsächlichen Sachverhalt dar: Ich bin stolz, dass dieses Inserat deutlich vermerkt – das ist nämlich ein wirklich gutes Inserat –: "Eine Information der ÖVP-Bundespartei und des ÖVP-Parlamentsklubs". (Beifall bei der ÖVP.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

16.11

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich mache mir Sorgen, und ich wundere mich. (Abg. Huber: Wir auch!) Ich mache mir Sorgen um meine Kollegin Glawischnig.

Es sind schon andere vor Ihnen, Frau Kollegin, hierher ans Rednerpult getreten und haben mit leeren Händen versucht, eine Dringliche Anfrage oder einen Dringlichen Antrag zu begründen. Es sind schon vor Ihnen Kolleginnen oder Kollegen hierher ans Rednerpult gekommen, die statt Argumenten einen Krampussack voller Halbwahrheiten und Nichtargumenten dabeihatten. Aber ich habe noch nie erlebt, dass ein Abgeordneter nach seiner wirklich argumentlosen Begründung einer Dringlichen Anfrage vom zuständigen Regierungsmitglied so mit seinen fehlenden Argumenten und Halbwahrheiten konfrontiert worden ist wie Sie vorhin vom Herrn Bundeskanzler. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich mache mir wirklich Sorgen um Ihre Befindlichkeit. Aber das heute ist nicht das erste Mal gewesen, Frau Kollegin Glawischnig. Sie haben ja schon nach dem EU-Unterausschuss und dem Hauptausschuss vor laufenden Kameras versucht, bei den Menschen draußen mit Halbwahrheiten und mit fehlenden Argumenten Verunsicherung zu erzeugen und ihnen Sand in die Augen zu streuen. Es ist Ihnen damals nicht gelungen, aber Sie tun es heute zum wiederholten Male. Ich würde Sie dringend ersuchen: Nutzen Sie die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage, gehen Sie in sich und legen Sie künftig einen anderen Stil an den Tag! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich vorhin gesagt habe, ich wundere mich, so gilt das vor allem unserem früheren Regierungspartner. Solange die größere Fraktion der linken Reichshälfte mit uns in der Regierung war, so lange gelang es zumindest vordergründig – muss ich heute leider sagen –, in Fragen der Atompolitik Konsens in diesem Hause zu erzielen, vermeintlichen Konsens zu erzielen – in unzähligen Entschließungsanträgen dokumentiert. Wir wa-ren als Regierungspartner genötigt, manche Mankos seitens roter Regierungsmitglieder bei der Umsetzung dieser gemeinsamen Strategie zu kaschieren, auch mit zu argumentieren, und wir haben es getan; ich wollte jetzt nicht sagen: fehlende Erfolge schönzureden.

Diese neue Bundesregierung hat klare Zuständigkeiten in der Regierungsverantwortung geschaffen, sie hat klar festgelegt, wie diese Anti-Atom- oder diese Pro-Sicherheits-Strategie umzusetzen ist, und sie hat, wie noch keine Bundesregierung zuvor, bei dieser Sicherheitsstrategie klare Erfolge für die österreichische Bevölkerung erzielen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch einmal: Die unsicheren Kraftwerke Bohunice, Kozloduj, Ignalina werden geschlossen. Bei Euratom ist eine massive Umlenkung von Mitteln in Richtung Sicherheit, in Richtung Forschung, in Richtung erneuerbare Energien gelungen, und bei Temelín ist es Herrn Bundeskanzler Schüssel und Herrn Minister Molterer gelungen, die einzig richtige Strategie einerseits zu definieren und andererseits auch zum Erfolg zu führen, nämlich: den Prozess von Melk einzuleiten und diesen Prozess erfolgreich abzuschließen.

Siehe da, was macht unser ehemaliger Regierungspartner, der vorher in der Umsetzung unserer an sich österreichweit im Konsens beschlossenen Entschließungen eher wenig erfolgreich war? Was macht er? – Schluss mit der Konsenspolitik, was uns im Ausland massiv schwächt, meine Damen und Herren, Schluss mit der Vernunft und mit einem Verständnis für das Mach-bare, Schluss mit einer klaren Pro-EU-Erweiterungspolitik, was Sie sich jetzt, lieber Herr Kollege Cap und lieber Herr Kollege Gusenbauer, die Sie nicht mehr da sind, sogar von Ihren Europa-Abgeordneten vorwerfen lassen müssen! Sie kehren ab und entfernen sich von der Grundidee, die wir in Europa verfolgt haben: Integration, Einigkeit Europas, und innerhalb dieses geeinten Europas zu versuchen, vernünftige Positionen durchzusetzen, diesen Positionen zum Durchbruch zu verhelfen.


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Sie wissen alle, dass wir weder rechtlich noch von der Zustimmung in der Sache her im Moment die Möglichkeit haben, in Europa Zwang auszuüben. Wir wollen das auch nicht. Wir wollen ein Europa, das einiger wird, und zwar im Konsens und nicht im Dissens! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie kennen unsere rechtlichen Möglichkeiten. Wir haben diese bis an die Grenze gehend ausgeschöpft, und sie haben zum Erfolg geführt, meine Damen und Herren. Ich möchte Sie daher alle eingehend bitten, einen Entschließungsantrag, den ich jetzt noch einbringe, zu unterstützen, denn dieser unterstreicht jene Linie, die alle vier Parteien in diesem Hohen Haus zu diesem Thema in der Vergangenheit immer wieder bekräftigt haben.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Kolleginnen und Kollegen betreffend die konsequente Fortführung der österreichischen Anti-Atompolitik

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, den in den Entschließungen des Nationalrates vom 21.11.2001 (318/UEA), des Bundesrates vom 6.12.2001 (124/UEA-BR/2001), der Stellungnahme des Hauptausschusses gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG vom 7.12.2001 (S/4) und des Ministerratsbeschlusses vom 8.12.2001 aufgezeigten und von ihr eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen."

*****

Meine Damen und Herren, vor allem Sie von der Opposition! Wenn Sie es ernst meinen mit dem, was Sie hier permanent sagen, dann stimmen Sie diesem Antrag bitte zu und geben Sie künftig diese Doppelbödigkeit in Ihrer Politik auf, denn sie schadet der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der genannte Entschließungsantrag liegt vor, ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

16.18

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich stehe nicht an, hier heute zu sagen, dass das, was Sie in Ihrer Stellungnahme zum Dringlichen Antrag der Kollegin Glawischnig geantwortet haben, inhaltlich und auch rhetorisch eine der besten Antworten auf einen Dringlichen Antrag war, die ich jemals in diesem Hause gehört habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Müsste ich das als Kommentator einer Zeitung oder als Journalist in eine Schlagzeile bringen, ich würde schreiben, Frau Kollegin Glawischnig: Demontage total!

So wie Sie hier demoliert wurden in Bezug auf all das, was Sie vorgetragen haben, so etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt. Kollegin Langthaler dreht sich draußen, denn so etwas, was Ihnen heute widerfahren ist, hat es in diesem Hause noch selten gegeben. – Zu Recht! Sie haben mit Unwahrheiten und Halbwahrheiten agiert. Sie haben, vor allem was den Bereich der Forschung im Energiebereich und das Euratom-Programm betrifft, Halbwahrheiten produziert, die nicht halten.

Sie wissen genau, dass durch österreichischen Einsatz erreicht wurde, dass die Forschung im Bereich Abfallbehandlung und -ablagerung ganz besonders dotiert wurde, dass die Forschung im Bereich Strahlenschutz und Weiterbildung besonders dotiert wurde, dass also ein Großteil dieser 17 Milliarden Schilling, die Sie angesprochen haben, Nachsorgezwecken dienen wird.


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Dass diese Bundesregierung mit ihrer Politik in Sachen Anti-AKW goldrichtig liegt, hat ja nicht zuletzt die gesamte grüne Fraktion im Bundesrat bestätigt. Frau Kollegin Glawischnig! Die gesamte grüne Fraktion im Bundesrat hat dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt! Was bedarf es mehr als der Zustimmung der gesamten grünen Fraktion zur Politik, die von dieser Regierung gemacht wird? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

100-prozentige Zustimmung der Grünen im Bundesrat, aber Sie hier im Nationalrat kritisieren wieder! Sie müssen sich jetzt schon einig sein. Wer hat mehr Recht: Ich oder ich? Die Bun-desratsfraktion oder die Nationalratsfraktion?

Nun zum Kollegen Cap, der offensichtlich gespürt hat, dass er momentan außer Form ist. Er hat das gestern im "Report" eindrucksvoll bewiesen, dass er nicht in Form ist, und seine mangelnde Form wurde heute noch einmal eindrucksvoll dokumentiert. Deshalb hat er fluchtartig diesen Saal verlassen. (Rufe bei der SPÖ: Er ist da!)  – Hallo! Du weißt, als deine Fraktion für die Anti-AKW-Politik in diesem Hause verantwortlich war, hat sich das darauf beschränkt, dass sie hin und wieder einmal in Prag angerufen hat. – "Bitte warten", sie ist in der Warteschleife geblieben. Und das war es dann auch schon.

Das waren Ihre Ergebnisse! Frau Kollegin Prammer hat sich übersetzen lassen, was am Telefon gesagt wurde. "Bitte warten" hat das geheißen! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das war es, Frau Kollegin Prammer! Auch laut Ihren Berichten, die Sie uns geliefert haben, haben Sie immer wieder gehört: "Bitte warten". Frau Kollegin Prammer! Die Bilanz Ihrer Anti-Atompolitik ist auf diesem Blatt vermerkt. (Der Redner hält ein leeres Blatt Papier in die Hö-he.) Das ist alles, was Sie zustande gebracht haben. Das ist die Bilanz Ihrer Anti-Atompolitik. – Das wissen Sie, und deshalb sehen Sie in dieser Diskussion – mit Verlaub – auch ziemlich alt aus. Deshalb versucht Kollege Cap (Abg. Dr. Cap steht zwischen den letzten Bankreihen) das auch von relativ weit hinten zu verfolgen. Er hat verstanden, was der Bundeskanzler vorgelesen hat – Josef, du hast das doch verstanden, obwohl es englisch war! – und was die Tschechen auch bestätigt haben. Kurz übersetzt heißt das: Die Tschechen betrachten sich natürlich ge-bunden an das, was hier ausverhandelt wird, und sie werden diese Bedingungen vor einem Beitritt zur Europäischen Union auch erfüllen.

Nicht weniger und nicht mehr hat Außenminister Kavan in seiner Rede in Brüssel zum Ausdruck gebracht; weil die österreichische Bundesregierung es verstanden hat, das auch in Brüssel zu deponieren, nicht zuletzt mit dem Vorbehalt, dass dieses Energiekapitel – wenn du auch noch so oft anderes behauptest – nicht abgeschlossen ist, weil – und das weißt du – der endgültige Abschluss der Beitrittsverträge frühestens im Frühjahr 2003 stattfinden wird. Bis dahin sind alle Kapitel verhandelbar, daher auch das Energiekapitel, und dieses insbesondere auch deshalb, weil seitens der Regierungsparteien und der verantwortlichen Minister ein entsprechender Vorbehalt eingebracht wurde. (Abg. Leikam:  ... Volksbegehren!)

Nun zum Volksbegehren, du lieferst mir das Schlagwort! Weil man heute so tut, als wäre es so unverfroren, ein Volksbegehren einzuleiten, habe ich mich einmal kundig gemacht. Am 20. März 1993 konnte man in einem Artikel im "Standard" lesen, dass der grüne Bundessprecher Peter Pilz ein Volksbegehren initiieren wolle (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen), wenn die Regierung den Ausbau des grenznahen AKW Temelín nicht verhindere.

Peter Pilz will ein Anti-Temelín-Volksbegehren initiieren! Bitte bringt ihm einen Button – kann man das machen? –, damit Kollege Pilz wieder bei jenen ist, die genau das tun, was er wollte, sich aber nicht getraut hat.

Kollegin Sima war im Jahre 1999 ja noch Mitglied in der Greenpeace- oder Global 2000-Bewegung oder bei beiden. Und auch diese beiden Organisationen haben ein entsprechendes Volksbegehren überlegt und wurden erst ganz zum Schluss von Bürgermeister Häupl davon abge-halten, dieses Volksbegehren tatsächlich umzusetzen. Kollegin Sima! Was ihr damals ausverhandelt habt, weiß ich nicht, aber man kann sich seine Gedanken darüber machen.


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Kollege Cap – und das ist für mich schon eine bemerkenswerte Geschichte –, der sich zwar ge-gen dieses Volksbegehren in Österreich wendet, fordert eine europaweite Atom-Volksbefragung. Eine europaweite Atom-Volksbefragung, Kollege Cap! Wir machen es nicht dort, wo wir verantwortlich sind, weil wir dort gewählt wurden, nein, wir machen es in Europa, sagen Sie. Wir Freiheitlichen machen es in jenem Bereich, für den wir besondere Verantwortung zu tragen haben: in Österreich, und hier erreichen wir auch etwas! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Alles nach Europa zu schieben in dem Wissen: dort trage ich keine Verantwortung!, das ist relativ billig und einfach. Deshalb bist du nicht glaubwürdig. Das hast du gestern im "Report" ein-drucksvoll gezeigt. Da hast du wirklich uralt ausgesehen in deiner Argumentation. Heute in deiner Rede gerade vorhin hast du diese Form ebenfalls wieder unter Beweis gestellt.

Kollege Cap, in Wirklichkeit stimmen wir überein: Die Nutzung der Kernenergie ist auf lange Sicht unwirtschaftlich und immer extrem gefährlich. Daher ist es extrem wichtig, den Kampf gegen die Atomkraftwerke vor der eigenen Tür zu führen, aber man sollte das im ureigensten Verantwortungsbereich tun, nämlich dort, wo man etwas bewegen kann: hier in Österreich und nicht auf Brüsseler Ebene, wo du sogar in der eigenen Fraktion keine Mitstreiter hast, wie dir gestern mittels eines Briefes auch ausgerichtet wurde. Versuche es mit den Genossen hier! Unterstützt das überparteiliche Volksbegehren, das vom 14. bis zum 21. Jänner des nächsten Jahres zur Unterzeichnung aufliegt!

Damit machst du etwas im Interesse der österreichischen Bevölkerung und bist damit mit all jenen, die etwas für die Sicherheit tun wollen, in einem guten Bund. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.27

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Umweltminister! Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass 60 Prozent der Bevölkerung in Österreich mit dem, was Sie, Herr Bundeskanzler, erreicht haben, unzufrieden sind und auf unserer Seite stehen, auf jener Seite nämlich, die sagt, wo es langgehen muss, nämlich in Richtung europäischer Atomausstieg. (Beifall bei den Grünen.)

Wir verstehen uns hier in diesem Parlament als Sprachrohr und als diejenigen, die den Wunsch der überwiegenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung zum Ausdruck bringen. Das scheint mir ganz wesentlich zu sein: dass die ÖsterreicherInnen in ihrer Mehrheit hier eine Stimme haben, die auch sagt, dass es unabdingbar ist, nicht nur Sicherheitsstandards zu proklamie-ren, hinter denen Fragezeichen stehen, sondern auch einen Aktionsplan, einen Fahrplan einzu-fordern und ein zeitliches Szenario, wonach ein europäischer Atomausstieg in zehn Jahren erfolgen soll, auf den Tisch zu legen. Es ist wichtig, Herr Bundeskanzler, Ihnen das mitzugeben nach Laeken, Ihnen die Latte zu legen im Sinne dieser 60 Prozent der österreichischen Bevöl-kerung. Das ist für uns wesentlich. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür, dass Sie betont haben, dass EurAtom ein Nuklearforschungs programm und kein Nuklearenergie programm sei. Damit haben Sie bewiesen, dass Sie durchaus ein Befürworter der atomaren, nuklearen Forschung sind – die in Europa immer zweckentsprechend und zielgerichtet zur Verwendung der Atomkraft als Energieträger dient –, sei es in Form von Kernfusionsreaktoren oder sei es in Form der so genannten Kernreaktoren neuer Generation oder sei es in Form von Forschung in Richtung Strahlungsminimierung oder Entsorgung des atomaren Abfalls.

Aber Nuklearforschung, Herr Bundeskanzler, ist Atomenergieunterstützung! Sie haben sich heute hier hergestellt und gesagt: Ja, ich bin dafür, dass Nuklearforschungs programme von Österreich finanziert werden. – Das ist ein Freibrief für die Finanzierung von Atomenergiefor


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schung durch österreichisches Steuergeld. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie hier Ihr wah-res Gesicht gezeigt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Auch in anderer Hinsicht waren Ihre Äußerungen für mich sehr vielsagend beziehungsweise sehr eindeutig, um das konkret auf den Punkt zu bringen. Sie haben angemerkt, dass 40 Prozent des europäischen Stroms aus Atomkraftwerken kommen. Das haben Sie festgestellt und in keiner Weise kritisiert. Das war für mich der springende Punkt. Auch in dieser Hinsicht haben Sie gegenüber der Atompolitik eine neutrale Haltung, ja eventuell auch die eines Befürworters oder höchstens leisen Kritikers bekundet. Und das ist den 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sicherlich zu wenig! Daher fordern wir mehr.

Herr Bundeskanzler, Sie haben noch etwas anderes bemerkt: dass natürlich der Konsens aller erforderlich ist, dass Bemühungen im Gange sind und dass Österreich immer wieder Bemühun-gen unternimmt und zum Teil auch Erfolge verbucht. – Herr Bundeskanzler! Sie haben etwas herausverhandelt, das gebe ich durchaus zu. Gegenüber Tschechien wurde ein Verhandlungsergebnis erzielt, das besser war als vor dem Melker Prozess. Keine Frage! Darüber beklagen wir uns ja nicht. Nur: Sie hatten sehr, sehr gute Trümpfe und Karten in der Hand, und herausgekommen ist ein vergleichsweise mattes Ergebnis! Sie wissen es, Sie haben es auch gesagt: Das mit dem Containment ist nicht gelöst. Es gibt eines, aber es ist kein sicheres Containment. Es wäre in Ihrer Hand gelegen, es hätte ein Erfolg Ihrer Verhandlungen sein können, dass wirklich ein sicheres Containment kommt.

Was kommt jetzt? Eine Überprüfung im Zeitraum von fünf Jahren; das Jahr 2004 wurde schon genannt. Das ist ein mattes Ergebnis, Herr Bundeskanzler! Da trügt kein Inserat darüber hinweg und da täuscht kein Inserat darüber hinweg, sei es auch nur eines von der ÖVP. Das Inserat als solches zeigt ja, dass das keine Regierungslinie ist, das als sicheres Verhandlungsergebnis und als den sicheren Weg Österreichs in die Zukunft zu sehen, das irgendwie widerzuspiegeln, sondern das ist das Inserat der ÖVP. Sie sind sich ja in Ihrer eigenen Regierung nicht klar über dieses Verhandlungsergebnis. Es ist nicht einmal in der Regierung der einhellige Wunsch und Konsens vorhanden, das als gemeinsame Leistung an die große Glocke zu hängen, sonst würde zumindest auch die FPÖ aufscheinen oder überhaupt das Wappen der Republik über diesem Inserat prangen. Das ist aber – in meinem Sinne: Gott sei Dank – nicht der Fall.

Nun zu einigen anderen Punkten, die mir auch noch sehr wesentlich zu sein scheinen. Herr Bundeskanzler! Meine Vorrednerin Glawischnig hat ja schon darauf hingewiesen, dass es verschiedene Aufträge des Parlaments gibt, verschiedene Entschlüsse und Anträge, die gemeinsam getragen wurden, auch von uns unterstützt wurden, die aber nicht in vollem Umfang erfüllt worden sind. Das ist das, was ich auch immer wieder anprangere: dass Sie sich nicht im vollen Inhalt an das halten, was hier demokratisch ausgemacht worden ist, sondern dass Sie immer wieder nachgeben, zurücknehmen und schließlich mit einem Minimalkonsens, mit einem Minimalergebnis nach Hause kommen! (Beifall bei den Grünen.)

Das soll in Laeken vermieden werden, deshalb unser Antrag und unser Auftrag.

Sie wissen sicherlich noch besser als ich, denn Sie haben ja Kontakt zu sehr einschlägigen Kreisen auf EU-Ebene, dass Temelín ein Schlüsselkraftwerk ist. Keine Frage, es zählt zu den elf oder zwölf sichersten in Europa, aber es ist als Atomkraftwerk an sich unsicher. Es ist vor allem aber das Schlüsselprojekt in Richtung Nachrüstung, Modernisierung von Alt-Ost-AKWs. Hier haben endlich die west europäischen Atomkonzerne ein Feld gefunden, wo sie weiter in Atompolitik investieren können, wo sie weiter in Atomenergie investieren können und auf diese Art und Weise nicht nur Laufzeiten verlängern, neue Sicherheitsrisiken herbeiführen, sondern sich im Endeffekt neu etablieren können.

Was in Westeuropa nicht mehr möglich ist, wird verstärkt in Osteuropa möglich sein: atomar zu expandieren. Sie tragen dazu bei, indem Sie mit Tschechien einen Vertrag abgeschlossen haben, der ein Minimalergebnis für uns bringt, nicht das Sicherheitsergebnis, sondern nur ein Minimalergebnis. Daher lehnen wir es auch ab. (Beifall bei den Grünen.)


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Zum Schluss noch ein Special für Herrn Klubobmann Dr. Khol. Sie kennen ja die trojanischen Sagen, da gibt es das Trojanische Pferd (Abg. Dr. Partik-Pablé: Auf Griechisch!), konkret "Aenaeis" von Vergil. Dieses Abkommen, das von Zeman und Schüssel unterzeichnet worden ist, ist ein Danaer-Geschenk: "Timeo danaos et dona ferentes".

Herr Klubobmann! Denken Sie daran, dass ein solches Ergebnis, ein solches Trojanisches Pferd (Abg. Dr. Khol niest)  – Ihnen wird ja selber ganz schlecht dabei (Beifall bei den Grünen – Abg. Böhacker: Also Medizinerin sind Sie keine!); er hat Schnupfen oder bekommt ihn; Gott behüte, ich wünsche ihm natürlich Gesundheit, keine Frage; ich wünsche ihm natürlich Gesundheit (Abg. Dr. Khol: Ich habe keinen Schnupfen, sondern ich bin auf solche Äußerungen allergisch und beginne zu niesen!)  – Sie sollten sich früher darauf einstellen und vorbeugend antiallergische Mittel nehmen, aber sich nicht auf solche Verträge einlassen, das hätte ich Ihnen geraten.

Unser Antrag wäre der richtige Weg, wäre die richtige Antwort und ist vor allem in dieser Si-tuation der einzige Weg in Richtung gesamteuropäischer Ausstieg. Diesen Weg sollten Sie jetzt im Sinne der 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher endlich beschreiten! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Molterer. Die Redezeit beträgt in der Debatte über die Dringliche Anfrage auch für Regierungsmitglieder ma-ximal 10 Minuten. – Bitte.

16.36

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu einigen in der Debatte aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen.

Frau Abgeordnete Glawischnig, Sie haben auch heute wieder die rechtliche Implementierung angesprochen. Ich möchte sie nochmals erläutern, weil das für uns alle gemeinsam ein sehr, sehr wichtiger Punkt ist. Ausgangspunkt ist, dass Österreich in den Europäischen Räten in Köln und in Helsinki erreicht hat, dass die Frage der nuklearen Sicherheit erstmals überhaupt ein Thema im Zusammenhang mit der Erweiterung der Europäischen Union ist. Das war vorher nie der Fall und ist ein wesentlicher Durchbruch, der es auch ermöglicht hat, dass es zur Schließung von drei Hochrisikoreaktoren kommt – die auch vertraglich umgesetzt wird, das wissen Sie –, dass für sieben weitere AKWs konkrete Nachrüstungsbedingungen formuliert sind, die ebenfalls verbindlich umgesetzt werden.

Österreich war das nicht genug. Wir haben daher gesagt, es müssen alle sieben Sicherheitspunkte und die 21 UVP-Punkte bei Temelín rechtsverbindlich umgesetzt werden. Basis dafür ist der Melker Prozess. Nun wird im Monitoring durch Österreich und Tschechien und durch den Peer Review und durch die Rechtsverbindlichkeit nach dem Beitritt alles, was Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, gefordert haben, rechtsverbindlich und obligatorisch umgesetzt. – Das ist die eine Sache.

Die zweite Sache wurde von Frau Abgeordneter Glawischnig, von Frau Abgeordneter Moser und von Frau Abgeordneter Petrovic angesprochen: die Road Map. In der Road Map ist sehr präzise festgehalten, bis wann was erfüllt sein muss. Erwecken Sie nicht wider besseres Wis-sen – weil ich Ihnen das am Montag Abend im Gespräch mit den Klubobmännern erläutert habe – den Eindruck, dass erst im Jahr 2004 begonnen wird. Nein! Begonnen wird sofort, und etappenweise, wie im Zeitplan vorgesehen, wird das Monitoring durch Österreich und die Tschechische Republik sowie dort, wo die Kommission mitinvolviert wird, auch seitens der Kommission umgesetzt.

Bleiben Sie bei dem, was im Zeitplan steht, und bei den Wahrheiten, die darin enthalten sind!

Des Weiteren sprechen Sie die Frage der Sicherheitsstandards an, Frau Abgeordnete Glawischnig! Ich verstehe Ihr Argument überhaupt nicht. Sie beginnen plötzlich zu kritisieren, dass


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die österreichische Bundesregierung in Europa nukleare Sicherheitsstandards auf einheitlich möglichst hohem Niveau erreichen will. – Jetzt verstehe ich die Welt nicht! Was wollen Sie? Wollen Sie das, wozu uns das österreichische Parlament beauftragt hat, oder wollen Sie das nicht? Wir nehmen den Parlamentsauftrag ernst und treten für diese Sicherheitsstandards ein, und ich bin sicher, dass wir damit auch mittelfristig den notwendigen Erfolg haben werden.

Frau Abgeordnete Moser, das muss ich Ihnen jetzt sagen: Ich finde Ihre Argumentation, was die Frage Euratom beziehungsweise Forschungsrahmenprogramm betrifft, wirklich grotesk. In diesem Forschungsrahmenprogramm haben wir erreicht, dass die Nuklearforschungsmittel gesenkt werden und im Gegenzug dazu die Mittel für nachhaltige Energie, für Ernährung, für Gesundheit, für Umwelt, für Klimaveränderungen aufgestockt werden, und zwar massiv aufgestockt werden.

Zweitens, Frau Abgeordnete: Wollen Sie denn, dass nicht geforscht wird etwa im Bereich Strahlenschutz? Wollen Sie denn, dass nicht geforscht wird etwa im Bereich radioaktiver Abfälle? Schauen Sie sich sehr präzise an, Frau Abgeordnete, was Österreich in diesem Zusammenhang erreicht hat: in der Frage Verringerung der Abfallmengen aus der Kernenergie, in der Frage "Management of radioactive wastes", in der Frage Strahlenschutz, in der Frage Forschung hinsichtlich der Sicherheit, der Umweltauswirkung, der Nutzung der Ressourcen, der Vermeidung der Verbreitung von Kernmaterial. Das ist das, was wir erreicht haben. Frau Abgeordnete, bleiben Sie bei dem, was Realität ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und was die zehn Jahre betrifft: Frau Abgeordnete, erklären Sie mir einmal, warum die Grünen hier im Parlament von einem Ausstiegszeitraum von zehn Jahren reden und der deutsche Umweltminister Trittin, der bekanntlich Grüner ist, es als Erfolg feiert, dass in Deutschland das Ausstiegsszenario im Durchschnitt 32 Jahre lang ist und im Endeffekt bis zu 50 Jahre dauern kann! (Abg. Kopf: Ui, das ist aber lang!) Frau Abgeordnete, wie erklären Sie das? (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. )

Ich habe Jürgen Trittin, den ich sehr schätze, in der Frage Temelín erlebt. Ich habe erlebt, wie Trittin mir gesagt hat, er werde aus dem "Melker Prozess" aussteigen – dessen Ergebnis er jetzt begrüßt.

Frau Abgeordnete, das müssen Sie mit Ihren Freunden in Europa klären, genauso wie Herr Abgeordneter Cap, der die Frage beantworten muss, wie es denn möglich ist, dass er hier eine solche Rede hält. Ich beurteile nicht deren Qualität, das sollen die Bürgerinnen und Bürger tun. Jedenfalls aber erfolgt deren Beurteilung durch Frau Abgeordnete Berger, Herrn Abgeordneten Swoboda und den Herrn Präsidenten des Nationalrates Fischer. Herr Abgeordneter, das Gewicht der SPÖ in Europa werden wir daran messen, wie sich Jospin und Tony Blair in der Frage EU-weiter Atomausstieg und in der Debatte über die nukleare Sicherheit verhalten werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. Die Uhr ist wunschgemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Kopf.  – Abg. Mag. Sima  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Sie könnten sich wenigstens anhören, was ich zu sagen habe, bevor Sie schon meckern!)

16.42

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Umweltminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede gleich ein paar Dinge klarstellen. Herr Abgeordneter Schweitzer hat hier wiederholt, und auch heute wieder, gemeint, in meiner Zeit bei Global 2000 hätten wir daran gedacht, ein Veto-Volksbegehren durchzuführen. Das ist eine unrichtige Tatsache, die auch durch tausendmaliges Wiederholen ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: "Eine unrichtige Tatsache" – hervorragend! Das letzte Mal habe ich das von einem Fußballer gehört!) Nein, das ist unrichtig, und das wird auch durch tausendmaliges Wiederholen ganz sicher nicht wahrer, Kollege Westenthaler.


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Das Zweite, was mich interessieren würde – und vielleicht können Sie mir das gleich beantworten, da Sie heute ohnehin so gesprächig sind –: Warum brauchen Sie eigentlich noch ein Veto-Volksbegehren, wenn uns Kollege Schweitzer hier ohnedies die ganze Zeit erklärt hat, wie toll die Anti-Atompolitik der Bundesregierung ist? Wozu machen Sie das Volksbegehren dann überhaupt noch, wenn Sie mit allen Ergebnissen, die hier erzielt worden sind, hundertprozentig zufrieden sind? Herr Kollege Westenthaler, vielleicht können Sie darauf einmal eingehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herrn Kollegen Kopf würde ich gern ausrichten, dass sich bei der ÖVP offensichtlich mittlerweile so etwas wie ein kollektiver Gedächtnisschwund eingestellt hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie keine "unrichtigen Tatsachen"!) Sich hierher zu stellen, mit dem Finger auf die Opposition zu zeigen und uns zu bezichtigen, wir würden die Integrität der europäischen Erweiterung gefährden, und selbst einen Koalitionspartner im Boot zu haben (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine "unrichtige Tatsache"!), der hier die Vetokeule schwingt, auf aggressivste Art ein Volksbegehren durchführen will, das ist doch absurd, bitte! Kehren Sie vor Ihrer eigenen Haustüre, und bekehren Sie doch einmal Ihren Koalitionspartner, und dann wenden Sie sich an uns! (Abg. Ing. Westenthaler: Das war aber eine "unrichtige Tatsache"!)

Herr Kollege Westenthaler, es freut mich, dass ich zu Ihrer Erheiterung beitragen konnte, aber etwas möchte ich Ihnen schon sagen: Wir werden Sie nach Ihrer Anti-Atompolitik beurteilen. Und Ihre Anti-Atompolitik der letzten Wochen, die Sie hier vorzuweisen haben, ist ein einziges Trauerspiel und kein Ruhmesblatt.

Sie haben an diesem Montag das Energiekapitel mit Tschechien abgeschlossen (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine "unrichtige Tatsache"!), auch wenn das etwas ist, was Sie nicht wahrhaben wollen. Das verstehe ich schon, denn das passt nicht in Ihre politische Linie und ist gerade für die Freiheitlichen eine besondere Blamage. Jetzt sitzen Sie in der Regierung, und was machen Sie? Sie akzeptieren Temelín und dieses Verhandlungsergebnis in seiner vollen Tragweite und wollen gleichzeitig der Bevölkerung erklären, Temelín wäre mit dem Veto-Volksbegehren zu verhindern. Das glaubt Ihnen doch kein Mensch mehr, das ist völlig unglaubwürdig! (Abg. Murauer: Was machen Sie jetzt?)

Auf der anderen Seite wurde am Montag dieses EURATOM-Forschungsprogramm genehmigt. Das ist auch etwas, was mich persönlich sehr schmerzt. Wir haben es schon gehört: Es geht um 17 Milliarden Schilling; 500 Millionen davon stammen aus österreichischen Steuergeldern. Und der Löwenanteil, Herr Minister Molterer – und das wissen Sie ganz genau –, dieses Forschungsprogramms, nämlich 9,6 Milliarden, fließt in die Fusionsforschung. Das heißt, wir finanzieren uns heute die Reaktoren der Zukunft, die wir wahrscheinlich irgendwann einmal wieder bekämpfen müssen, wenn sie vor Ihrer Haustüre stehen. Die werden mit österreichischen Steuergeldern finanziert! – Und das wollen Sie uns hier als den großen Meilenstein der österreichischen Anti-Atompolitik verkaufen? Bitte, das ist doch lächerlich, das glaubt Ihnen niemand mehr!

Nicht genug damit: Es wollen uns die Kollegen Schweitzer und Westenthaler hier auch noch einreden, es gäbe gar keinen Abschluss des Energiekapitels! Das ist der traurige Höhepunkt der Atomdebatte der letzten Wochen. Es gibt gar keinen Abschluss, hören wir immer. Leugnen ist hier offensichtlich die neue Strategie der größeren Koalitionspartei. Aber ich sage Ihnen eines: Sie können nicht am Montag, dem 10. Dezember, das Energiekapitel abschließen und Temelín akzeptieren und sich dann am 14. Jänner hinstellen und sagen: Jetzt machen wir ein Veto-Volksbegehren gegen unsere eigene Regierungspolitik! Das ist nicht glaubwürdig, und das wird Ihnen die Bevölkerung nicht abnehmen! Sie müssen schon eine etwas konsequentere Linie in Ihrer Temelín-Politik fahren (Abg. Wenitsch: Sie!), wenn Sie damit auch nur irgendeinen Erfolg haben wollen.

Sie sind wirklich mitverantwortlich dafür, dass wir den letzten Trumpf im Kampf gegen Temelín aus der Hand gegeben haben. Und das laste ich wirklich Ihnen an, denn von der ÖVP haben wir uns nie etwas anderes erwartet. Sie haben ja in dieser Sache immer große Töne gespuckt, und jetzt haben Sie den Kampf gegen Temelín de facto aufgegeben!


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Ein trauriger Höhepunkt – auf das möchte ich wirklich besonders eingehen, weil mich diese Vorgangsweise persönlich erschüttert hat – in dieser ganzen Debatte war eine Aussendung des Freiheitlichen Pressedienstes, wonach ein Journalist, der auf Ö3 über den vorläufigen Abschluss des Energiekapitels in Brüssel berichtet hat, sofort vor den Presserat und ich weiß nicht wohin zitiert worden ist, weil Herr Westenthaler gefunden hat, das entspreche nicht der Wahrheit.

Sie wollen hier eine virtuelle Realität in Sachen Temelín schaffen. Sie wollen einfach leugnen, dass es den Abschluss des Energiekapitels gibt, und jeder, der die Wahrheit sagt oder versucht, wahrheitsgemäß zu berichten, wird einfach niedergebügelt. Und das halte ich für absolut inakzeptabel! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Schauen wir uns doch einmal die viel gerühmten Lösungen an; es ist schon angesprochen worden: Was ist mit den Rohrleitungen? Das ist eines der größten Probleme, denn wenn eine solche Rohrleitung platzt, kann es zu einem sehr großen nuklearen Unfall kommen. Oder: die 28,8-Meter-Bühne. Hier gibt es eine Reevaluierung, dann muss ein Bericht vorgelegt werden, und die tschechischen Behörden werden dann im September 2002 darüber entscheiden, ob Maßnahmen gesetzt werden oder nicht. Und das ist genau das Problem: Mit diesem ganzen Sicherheitspaket, das der Herr Bundeskanzler uns immer als die Lösung aller sieben Sicherheitsfragen verkauft, ist keine einzige Sicherheitsfrage gelöst – nicht eine einzige! Die tschechische Seite kann dieses Papier zu hundert Prozent umsetzen und muss nicht eine einzige sicherheitstechnische Maßnahme setzen.

Das ist uns einfach zu wenig! Wir lassen uns hier nicht irgendwelche Mogelpackungen von Ihnen aufdrängen, das ist uns einfach zu wenig! Wir wollen eine wirkliche Lösung für Temelín, und deswegen stehen wir diesem Verhandlungsergebnis auch so kritisch gegenüber. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Murauer: Welche Lösung?)

Das Problem ist, dass bei all diesen Maßnahmen die Letztentscheidung bei der tschechischen Seite liegt. Das heißt, alle Entscheidungen, ob etwas passiert oder ob nichts passiert, werden von der tschechischen Seite getroffen. Und das ist genau das Problem bei diesem Papier: Es wird nichts passieren! (Abg. Schwarzenberger: In Tschechien regieren eure sozialistischen Brüder!) Die tschechische Seite muss nicht einmal einen Hebel in diesem AKW grün anmalen und erfüllt trotzdem Ihr Papier. Und das ist genau das Problem.

Sie versuchen hier, mit einer Mogelpackung irgendwie Furore zu machen, und haben einen Koalitionspartner, der für ein Veto-Volksbegehren im Jänner trommelt. Also ich muss sagen, Sie haben es schon ziemlich weit gebracht in der Anti-Atompolitik.

Ich kann nur sagen, es ist eine ernüchternde Bilanz, die wir über die letzten Wochen ziehen müssen ... (Abg. Kiss: Das glaube ich!)  – Herr Kiss, haben Sie das Papier überhaupt einmal gelesen? (Abg. Kiss: Aber wo! Nein!) Das finde ich überhaupt so toll: Sie setzen sich da her und wollen mir etwas erklären, und ich bin mir sicher, Sie haben sich das nicht einmal angesehen. (Abg. Kiss: Ich kenne es nicht!)  – Natürlich kennen Sie es nicht, das weiß ich ohnedies! Deswegen glauben Sie auch, dass die Sicherheitsfragen gelöst sind, aber das entspricht leider nicht der Wahrheit. Also bitte machen Sie sich die Mühe und lesen Sie sich das einmal durch! Annex I kann ich sehr empfehlen – ist zwar in Englisch, aber sicher auch für Sie bewältigbar. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

In aller Kürze noch: Wir haben das heute schon angesprochen, dass weder der Anti-Atom-Aktionsplan noch diverse Entschließungsanträge dieses Hauses umgesetzt worden sind. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass jetzt auch von Seiten der Bundesregierung auf den Tisch gelegt wird, wie man sich vorstellt, dass es mit der österreichischen Anti-Atompolitik weitergehen soll. Die Sicherheitsstandards sind ein mögliches Ziel, aber das kann nicht alles sein. Ich glaube, dass auch EURATOM einer der wirklich wichtigen Knackpunkte ist, wenn man auf europäischer Ebene etwas erreichen will. Mich würde interessieren, wie Sie von Seiten der Bundesregierung hier weiter vorzugehen gedenken, denn die Ergebnisse der letzten Wochen können uns mit


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Sicherheit nicht zufrieden stellen. (Abg. Kiss: Fragen Sie doch mich!)  – Gehen Sie das Papier lesen, Herr Kiss! Okay? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kukacka. Die Uhr ist wunschgemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.51

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Umweltminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Sima und meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn Sie heute ehrlich sind (Abg. Öllinger: Wir sind immer ehrlich, nicht nur heute!), dann müssen Sie, glaube ich, wirklich zugeben, dass Sie mit Ihrem Dringlichen Antrag ein peinliches Desaster erlebt haben, das peinliche Desaster einer orientierungslosen Umweltpolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler und der Herr Umweltminister haben Ihnen auch eine Lehrstunde (Abg. Edlinger: Mit zwei "e"!) gegeben und Ihnen gezeigt, was es heißt, fachlich kompetent und politisch seriös zu argumentieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich hoffe, das wird Sie in Zukunft daran hindern, in ähnlich unqualifizierter Art an das Rednerpult zu treten und den Regierungschef in dieser Form ins Wadl zu beißen. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Dabei haben Sie sich, glaube ich – das ist bewiesen worden –, Frau Kollegin Glawischnig, die Zähne ausgebissen, und Sie stehen jetzt ziemlich zahnlos in der Gegend, Frau Kollegin! (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Wadlbeißen ohne Zähne ist nicht möglich!)

Eine vernünftige, akzeptable Alternative zum Regierungskurs war nicht erkennbar. Klar ist, dass Sie diese Alternative nicht geboten haben, dass einzig und allein das, was die Regierung gemacht hat, sachlich überzeugend und auch politisch durchsetzbar war, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wissen, alle anderen Forderungen bis hin zur Vetodrohung würden das Sicherheitsproblem nicht lösen, es würde Temelín um kein Jota sicherer, es würde nicht zur Schließung des Kraftwerkes kommen, aber Österreich würde isoliert werden. Ich meine – und da sind auch Sie gefordert –, wir müssen stärker als bisher die europäische Solidarität einfordern. Das wäre eine Aufgabe, der Sie sich einmal überzeugend stellen sollten: nicht immer hier im Hause und in der Öffentlichkeit die Regierung kritisieren, sondern versuchen, europäische Bündnispartner bei den Grünen in den anderen Ländern zu gewinnen, meine Damen und Herren! Hier könnten Sie sich Verdienste um Österreich erwerben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. )

Meine Damen und Herren! Wo sind die Grünen und ihr Protestgeschrei gewesen, als die Bundesrepublik Deutschland ihr Energiekapitel mit Tschechien abgeschlossen hat – ohne Temelín-Nachrüstung, ohne vertragliche Lösung, wie wir das durchgesetzt haben, ohne dass dieses Thema auf EU-Ebene gehoben wurde? Wo waren Sie da, meine Damen und Herren? Ist Temelín nicht auch für die Bundesrepublik Deutschland gefährlich, wenn es für Österreich gefährlich ist? Wo sind da die Grünen geblieben? Wo haben Sie den Umweltminister der Bundesrepublik Deutschland gerügt? Wo haben Sie gefordert, dass Fischer auf europäischer Ebene entsprechend tätig wird? – Nichts haben Sie getan! Geschwiegen haben Sie! Sie sind unglaubwürdig in Ihrer Anti-Atompolitik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Und wo haben Sie sonst Ihre politischen Möglichkeiten Ihrer angeblich so guten Beziehungen genützt? (Abg. Dr. Cap: Was sagen Sie zu Temelín?) Das gilt für die Grünen genauso – bis hin nach Frankreich, das auch grüne Minister in der Regierung hat – wie für Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten und Kollege Cap. Was ist denn los mit Ihren sozialistischen Freunden in der Sozialistischen Internationale? Ja, um Gottes willen, warum haben Sie sich denn da nicht durchgesetzt?! Wir wissen, warum: weil es dort überall Atombefürworter gibt:


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Jospin, Schröder, Tony Blair. In all diesen Ländern laufen die Kernkraftwerke noch, und sie sind mindestens so gefährlich wie Temelín, meine Damen und Herren! Kein Wort haben Sie öffentlich zu diesem Thema bisher gesagt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Warum hat sich Pühringer nicht durchgesetzt in der Regierung?)

Meine Damen und Herren! Kritisieren Sie nicht die Regierung, dass es hier keine einheitliche Meinung gäbe! Schaffen Sie zuerst einmal eine einheitliche Meinung in der Opposition! Sie sind ja nicht einmal in der Lage, in der eigenen Partei eine einheitliche Linie herbeizuführen, meine Damen und Herren! Sie haben kein moralisches Recht, uns hier zu attackieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Weiß Pühringer, was Sie hier sagen?)

Ich brauche Ihnen nicht Herrn Rauscher zu zitieren – oder soll ich es trotzdem tun, um Sie zu ärgern? – "Die große Oppositionspartei wusste nicht recht, wohin. Cap und Gusenbauer wissen, dass eine Stilllegung nicht drin war und ist, aber sie ließen sich vom eigenen Umwelt-Fundi-Flügel und der Aussicht auf ein paar Bildln in der ,Krone’ in diese Richtung drängen." – Meine Damen und Herren! Dieser Analyse ist nichts hinzuzufügen.

Ich brauche Ihnen auch nicht zu sagen, was Frau Coudenhove-Kalergi gesagt hat. Die hat nämlich in ihrem Artikel gesagt:

"Die ÖVP hat getan, was sie konnte, nämlich hervorragend verhandeln ..."

Und dann schreibt sie weiter: "Mit ihrer Temelín-Politik hat die große Oppositionspartei keinen überzeugenden Beweis ihrer Regierungsfähigkeit erbracht. (...) Von Leuten, die sich als Regierungsalternative anbieten, erwartet man mehr als Proteste gegen ,soziale Kälte’. Man erwartet Verantwortung, dort, wo es darauf ankommt. (...) Und Alfred Gusenbauer hat eine Chance, sich als Politiker mit Format zu erweisen, verstreichen lassen."

Ja, meine Damen und Herren, das schreiben Ihnen unabhängige Kommentatoren ins Stammbuch, und das sollten Sie sich für die Zukunft zu Herzen nehmen! (Beifall bei der ÖVP.)

Was Kollege Hannes Swoboda zum Kurs der eigenen Partei gesagt hat, gereicht Ihnen auch nicht gerade zur Ehre, auch Ihnen als Klubobmann nicht, der Sie nämlich nicht in der Lage sind, eine einheitliche Linie in der Sozialdemokratischen Partei herzustellen. Swoboda sagt: Ich halte es dem Grunde nach für richtig, was die Regierung gemacht hat.

"Aber dass wir, die SPÖ, jetzt in die populistische Falle tappen, das halte ich für äußerst problematisch."

Ja, meine Damen und Herren, und da stellen Sie sich hin und kritisieren die Freiheitliche Partei!? Fangen Sie doch selbst bei Ihrer eigenen Partei an! In dieser wird Ihnen nämlich selbst der Vorwurf gemacht, dass Sie das machen, was Sie anderen vorwerfen. Sie sind unglaubwürdig in Ihrer Anti-Atompolitik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend aber auch noch etwas zum Thema Volksbegehren sagen. Wir stehen diesem Volksbegehren – daraus haben wir nie ein Hehl gemacht, wir haben das immer klar zum Ausdruck gebracht – sehr kritisch gegenüber. Wir glauben, dass dieses geplante Volksbegehren auch als parteitaktisches Manöver missbraucht werden kann, indem die Ängste der Bürger politisch ausgebeutet werden. Wir meinen – auch das sagen wir klar und deutlich –, ein Volksbegehren ist primär ein Instrument der Bürger und nicht ein Instrument einer Partei. Eine Partei braucht kein Volksbegehren, denn fünf Abgeordnete haben das Recht, einen Antrag mit gleichem Inhalt hier im Haus zu stellen, der entsprechend behandelt werden muss. Deshalb glauben wir auch, dass dieses Volksbegehren eine sehr zweifelhafte Vermischung von direktdemokratischen Grundrechten und dem, was einer Partei ohnedies verfassungsrechtlich zusteht, ist. Genau deshalb werden wir als Volkspartei dieses Volksbegehren nicht unterstützen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Aber selbstverständlich ist es das Recht jedes Staatsbürgers, sich dieses Instruments zu bedienen, wenn er es für sinnvoll und wenn er es für notwendig hält, und das respektieren wir als Volkspartei selbstverständlich. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir glauben, dass die Volkspartei in der Anti-Atompolitik eine sachliche, eine konstruktive, eine realistische Linie hat. Wir konzentrieren uns auf das politisch Machbare, und das mit Härte und Augenmaß, und deshalb haben wir auch alles getan, um höchste Sicherheitsstandards und ihre rechtliche Verankerung zu erreichen.

In diesem Sinne glauben wir, dass das, was politisch notwendig und machbar war, mit diesem Vertrag erreicht wurde und dass die Bundesregierung das Beste für Österreich herausgeholt hat. Deshalb sind wir der Meinung, dass eigentlich das gesamte Haus in vollem Umfang hinter dieser Linie der Bundesregierung stehen sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

17.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Achatz. – Bitte.

17.01

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Kukacka, ich möchte Sie schon darauf hinweisen, dass dieses Volksbegehren nicht von Abgeordneten dieses Hauses eingebracht wurde, sondern 17 000 Bürger diesen Antrag unterschrieben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiters weise ich den Vorwurf des Missbrauchs eines Volksbegehrens durch die Freiheitliche Partei auf das Entschiedenste zurück. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Das habe ich nicht gesagt!)

Ich möchte darauf hinweisen, dass zum Beispiel in der Schweiz – und ich glaube, man kann sagen, dass die Demokratie in der Schweiz sehr weit entwickelt ist – beinahe jede Woche eine Volksbefragung stattfindet, und da wird es doch legitim sein, dass auch in Österreich das Volk zu so einem wichtigen Thema befragt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es war heute schon interessant zu sehen, wie schwer sich die Opposition tut, einen großen Schritt in Richtung Sicherheit von Temelín durch die Bundesregierung einfach einmal anzuerkennen. Dass das noch nicht das Ende sein kann, ist überhaupt keine Frage, aber dass ein großer Schritt getan wurde und damit auch ein Erfolg der Bundesregierung zutage getreten ist, das kann man doch wirklich nicht abstreiten (Beifall bei den Freiheitlichen), denn das, was die Bundesregierung jetzt geschafft hat, haben alle Bundesregierungen vorher zusammen nicht geschafft. (Abg. Dr. Cap: Aber was haben Sie geschafft?)

Eines frage ich mich noch, Herr Kollege Cap: Wie kann man aus einem vorläufigen Abschluss ständig einen endgültigen Abschluss machen? (Abg. Dr. Cap: Der Verheugen sagt das!)  – Na der Verheugen hat schon mehr Blödsinn gesagt, Herr Kollege Cap! Sie brauchen nicht alles nachzureden. (Abg. Schwarzenberger: Ist ja auch ein Sozialdemokrat!) Das stimmt ganz einfach nicht, was er gesagt hat, denn die letzte Abstimmung, Herr Kollege Cap, über den Beitritt findet hier in diesem Haus statt. Diese hat nicht jetzt stattgefunden, die wird noch hier in diesem Haus stattfinden.

Ich frage mich wirklich: Was hat die SPÖ in Richtung europaweiter Atomausstieg oder in Sachen Temelín bisher getan? – Nichts! (Abg. Dr. Cap: Mehr als die Regierung! – Abg. Wenitsch: Null!) Was haben Sie EU-weit getan? Herr Kollege Cap, wo ist die Unterstützung der Sozialdemokraten und der Grünen Österreichs beim Kampf gegen Temelín? Wo? Ein einziges Mal hat sich Herr Minister Trittin zu Wort gemeldet, und dann hat er eigentlich für immer geschwiegen. Von den Sozialdemokraten kam kein Wort. Ganz im Gegenteil: Herrn Kommissar Verheugen von der SPD konnte es gar nicht schnell genug gehen. Er wollte Temelín unbedingt in Betrieb nehmen. Es ist ihm gar nicht schnell genug gegangen.


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Wieso, Herr Kollege Cap und Herr Kollege Gusenbauer – er fehlt ja schon wieder über Stunden –, nützen Sie Ihre angeblich guten Kontakte in der EU nicht im Interesse der Sicherheit Österreichs? Sie, Herr Gusenbauer, waren doch in Zeiten der Sanktionen so eifrig in Europa unterwegs. Aber es ist eben eine Frage von Mut und von Liebe zur Heimat, für Österreich im Einsatz zu sein und Verbündete im Kampf gegen Temelín und gegen die Atomkraftwerke innerhalb der Europäischen Union zu gewinnen. Mut und Einsatz für Österreich wären auch innerhalb der Sozialistischen Internationale gefragt gewesen, meine Damen und Herren von der SPÖ – und nicht, zu vernadern und den Vernaderern und Sanktionierern auf die Schulter zu klopfen. Das haben Sie nämlich bis jetzt gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich kann mir Ihr Nichthandeln nur so erklären, Herr Kollege Cap, dass Sie innerhalb der SPÖ einfach orientierungslos in Sachen Temelín sind, und das waren Sie auch immer. Abgesehen davon, dass die Opposition schwerste Versäumnisse bei Temelín zu verantworten hat – denn das Thema Temelín gibt es schon seit vielen Jahren, Herr Kollege Cap, und Sie haben einfach nichts getan –, kennt sich kein Mensch mehr bei der Linie der SPÖ aus: Gusenbauer ist gegen einen Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien, bevor die Sicherheitskriterien umgesetzt sind. – Wir auch! Wir sind aber ehrlich genug, das Kind beim Namen zu nennen, und sagen: Veto – so lange, bis das passiert! – Gusenbauer und Cap kritisieren uns Freiheitliche wegen der Vetohaltung, aber gleichzeitig, Herr Kollege Cap, werfen Sie uns jetzt ein angebliches Abgehen von der Vetohaltung vor! Also was ist jetzt? Wenn das Veto schlecht und böse ist, dann kann doch das Abgehen davon nicht auch schlecht und böse sein. Da haben Sie schon einen Erklärungsbedarf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Orientierungslosigkeit. – Präsident Fischer, Abgeordneter Swoboda, Abgeordnete Berger von der SPÖ sind anderer Meinung als Cap und Sima.

Bei den Grünen ist es ganz ähnlich: Der Bundesrat stimmt dem Antrag der Bundesregierung zu – Sie kritisieren hier den Antrag. Aber ich kann Sie alle von der SPÖ und von den Grünen beruhigen: Es gibt eine Möglichkeit für alle Österreicher, auch für die Abgeordneten der SPÖ und der Grünen, ihre Stimme gegen Temelín zu erheben. Wenn Ihnen die Nullvariante ein Anliegen ist, unterschreiben Sie ganz einfach das Volksbegehren! Sie werden sich dabei in bester Gesellschaft von engagierten Atomgegnern befinden.

Tausende werden dieses Volksbegehren unterschreiben, und sie werden der Bundesregierung einen Auftrag erteilen. Wir sind sicher, dass die Bundesregierung im Sinne der Verfassung handeln wird, und sie muss es auch. In unserer Verfassung steht nämlich: Das Recht geht vom Volke aus. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Lunacek: Das haben Sie schon beim Gen-Volksbegehren gezeigt, wie Sie das Volk "ernst" nehmen!)

17.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

17.08

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist ein bisschen schwierig, nach den Ausführungen von Frau Kollegin Achatz inhaltlich zu bleiben, denn ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Krüger: Ein richtiges Wort! – Abg. Wenitsch: Das ist richtig!) Ich möchte aber auf ein paar Punkte eingehen.

Sie haben gesagt, wir können alle das Volksbegehren gegen Temelín unterschreiben. Natürlich könnten wir. Wir werden es sicher nicht tun, denn Sie wissen genauso wie wir, dass das ein Volksbegehren gegen die Tschechische Republik und deren Beitritt zur Europäischen Union ist – und nicht eines gegen Temelín. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Achatz: Das ist eine Unterstellung!) Wenn Sie uns zuerst erklären, dass das gut war, was der Herr Bundeskanzler mit dem tschechischen Premier Zeman erreicht hat, dass das ein wichtiger Schritt war (Abg. Dr. Martin Graf: Sie sind für Temelín! Geben Sie es zu!), und Sie dann dennoch ein Volksbegehren gegen Temelín machen, dann ist wohl klar – und das wissen Sie ganz genau –, dass


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dieses Volksbegehren den Beitritt Tschechiens verhindern soll und dieses Volksbegehren nie und nimmer Temelín verhindern wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Geben Sie es doch zu: Sie sind für Temelín! Sie sind schon lange keine grüne Partei mehr!)

Zur Aussage "in bester Gesellschaft": Seien Sie mir nicht böse, aber in der Gesellschaft der freiheitlichen Landeschefs Kabas, Windholz und auch Achatz – nein danke! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: Sie sind für Temelín!)

Ein Wort noch zu der ständigen Kritik, die grünen Umweltminister in Deutschland und in Frankreich würden nichts tun. Es ist leider so, dass die Grünen nirgendwo allein an der Regierung sind. (Abg. Dr. Martin Graf: Gott sei Dank, sonst gäbe es noch 20 Atomkraftwerke mehr!) Wenn das so wäre, dann gäbe es schon lange einen Atomausstieg in allen Ländern Europas. Aber jetzt an die ÖVP gerichtet: Wissen Sie, wann es in Deutschland einen Atomausstieg geben würde, wenn die CDU an der Regierung wäre? – Am Sankt-Nimmerleins-Tag, nämlich nie! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Schneller!)

Ich bin ja eigentlich sehr darin bestätigt worden, wie richtig und wie wichtig unser Antrag ist, den wir jetzt diskutieren.

Wenn nämlich sowohl der Herr Bundeskanzler als auch die Abgeordneten der Regierungsfraktionen nichts anderes können, als vor allem meiner Kollegin Glawischnig und auch den anderen KollegInnen sowie unserem Antrag immer nur vorzuwerfen, wir seien unsachlich, das seien Falschaussagen, und das stimme alles nicht, wenn Sie keine andere Möglichkeit haben, auf unseren sachlich fundierten Antrag zu reagieren, dann fehlen Ihnen einfach die Argumente. So ist das! (Beifall bei den Grünen.)

Das beweist ganz einfach, dass die Anti-Atompolitik, die die Bundesregierung macht, zu wenig ist. Und da stimme ich dem Herrn Bundeskanzler schon zu, wenn er sagt, Anti-Atompolitik sei zu wenig, man müsse mehr Pro-Politik machen. Das stimmt schon. Aber wo ist sie denn? Wo ist denn eine Politik pro erneuerbare Energien, die zum Beispiel darin bestehen könnte, sich beim EURATOM-Vertrag dafür einzusetzen, dass die Prioritäten dort umgeschichtet werden und dass das in Richtung erneuerbare Energien geschieht?

Wissen Sie, was im Europaparlament geschehen ist? – Ihre Fraktionsmitglieder, Frau Stenzel & Co, haben zugestimmt, dass noch 100 Millionen € zusätzlich für die Kernfusion in den Vertrag hineinkommen, obwohl es vorher die grüne Kommissarin Schreyer schon geschafft hatte, diese 100 Millionen € wegzubringen. Nein, die ÖVP-Abgeordneten stimmten mit, weitere 100 Millionen € für die Kernfusion zur Verfügung zu stellen. – Na wunderbar! Das ist Ihre Politik, Ihre Anti-Atompolitik, Herr Bundeskanzler, die Politik Ihrer Partei, Herr Klubobmann Khol, obwohl Sie groß inserieren – um teures Geld; sei es auch "nur", unter Anführungszeichen, um das Geld Ihrer Partei und nicht der Regierung –, was Sie nicht alles tun. (Abg. Steibl: Das ist wahr und wirklich!)

Noch etwas zum Atomausstieg. Ich finde es schon sehr eigenartig, dass die freiheitlichen Fraktionsmitglieder hier den EURATOM-Vertrag verteidigen, während doch im Europaparlament Ihre Abgeordneten, nämlich Raschhofer und Kronberger, der ja noch dazu dafür bekannt ist, für erneuerbare Energien einzutreten, dagegen gestimmt und das auch klar gesagt haben.

Dazu kann ich nur sagen: Die Orientierungslosigkeit, von der Sie immer sprechen, ist nicht bei der Opposition gegeben, sondern ist eindeutig zwischen den Regierungsfraktionen und in der Bundesregierung vorhanden. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Gradwohl und Oberhaidinger. )

Ich möchte noch einen weiteren Punkt erwähnen, bei dem es darum geht, dass in Laeken nicht nur die Anti-Atompolitik oder der Atomausstieg auf dem Programm steht, sondern auch etwas mindestens genauso Wichtiges, nämlich die Zukunft der EU.

Herr Bundeskanzler, lassen Sie mich das noch einmal sagen: Es war wieder ganz typisch! Sie wollten keine eigene Sitzung des Hauptausschusses zu Laeken, sondern alles zusammen be


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sprechen: Temelín und Laeken. Und über Laeken wurde im Hauptausschuss nicht einmal mehr diskutiert. Nur meine Kollegin Lichtenberger hat ein paar Fragen gestellt, und es gab von Ihnen ein paar allgemeine Antworten. Aber etwas wie ein Positionspapier darüber, wie aus Ihrer Sicht, aus Sicht der Bundesregierung die Demokratisierung der EU aussehen soll, wie der Konvent aussehen soll, gab es nicht. Zu solchen Dingen wollen Sie sich einfach nicht festlegen, auch wenn es darüber schon viele Diskussionen gegeben hat, etwa im Nationalrat, im Redoutensaal und so weiter.

Aber sich festlegen und zuerst mit dem Parlament diskutieren, wie das genau aussehen soll, das wollen Sie nicht. Sie wollen geheim verhandeln und dann kommen und sagen: Das haben wir erreicht, wunderbar! – Diese Politik, Herr Bundeskanzler, ist keine sehr europäische! Das ist keine Vorgangsweise, mit der Sie europäische Politik auch in Österreich transparent machen können, weder in Sachen Anti-Atompolitik noch dort, wo es um die Demokratisierung der EU geht.

Wenn Sie wirklich europäische Anti-Atompolitik machen wollen, dann stimmen Sie dem Antrag zu, nehmen Sie das mit nach Laeken, und berichten Sie nachher, was Sie dazu wirklich getan haben! (Beifall bei den Grünen.)

17.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

17.14

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die oberösterreichischen Abgeordneten, und zwar in ihrer Gesamtheit, dürften mit den Ausführungen des Kollegen Kukacka nicht sehr viel Freude gehabt haben. Ich darf dir empfehlen, Kollege Mühlbachler, zu einer Demonstration vor Wullowitz den Kollegen Kukacka mitzunehmen. Ich glaube, diese Demonstration wird sich dann sehr rasch in Luft auflösen, weil die Menschen einsehen werden, dass es keinen Sinn hat, mit der ÖVP gegen Temelín oder die Inbetriebnahme von Temelín zu demonstrieren.

Du hast nur der Regierung die Mauer gemacht, aber was die Menschen in Oberösterreich denken und was sie wirklich wollen, das ist dir – das hast du bewiesen – ziemlich gleichgültig, Kollege Kukacka. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Du bist selbst ein Atomlobbyist! Der größte Atomlobbyist!)

Zum Beitrag der Kollegin Achatz kann ich nur sagen, sie hat sich zu diesem Thema erfreulicherweise und gescheiterweise bisher immer verschwiegen. Eventuell angeregt dadurch, dass Landesrat Achatz das Volksbegehren eingebracht hat oder Mitinitiator des Volksbegehrens war, hat sie sich heute einmal zu Wort gemeldet. Aber vielleicht kannst du es dabei belassen, Kollegin Achatz. Karl Schweitzer spricht zu diesem Thema zumindest einigermaßen mit Sachkenntnis. Bei dir habe ich diese heute fürchterlich vermisst.

Zur Einladung, euer Volksbegehren zu unterschreiben. Meine Damen und Herren! Wir können gar nicht oft genug klarstellen: Wir sind und waren immer für den Beitritt Tschechiens zur EU! Wir sind klar für die EU-Erweiterung, und wir lassen uns hier in keiner Weise missbrauchen. Wir brauchen Temelín nicht als Vorwand dafür, um Tschechien am EU-Beitritt zu hindern, wie das die Freiheitlichen versuchen.

Was wir tun, ist: Wir nehmen die Ängste der Menschen wahr. Wir nehmen sie so, wie sie sind, und wir spielen nicht mit ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher haben wir von den Verantwortlichen in der Bundesregierung eingefordert, sie sollten alle Möglichkeiten ausschöpfen, die Temelín sicherer machen. Und natürlich ist Temelín dann am sichersten, wenn es gar nicht in Betrieb geht.

Aber, meine Damen und Herren, wir wissen alle, in Tschechien ist das nicht so sehr eine Frage der politischen Verantwortung, sondern es ist vielmehr eine wirtschaftliche Frage. Daher war


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eben unsere Forderung in unserem Entschließungsantrag, dem Sie leider nicht beitreten konnten, dass die Nulloption neuerlich durchgerechnet werden sollte – übrigens eine Forderung, Kollege Kukacka, die der oberösterreichische Landtag vorige Woche neuerlich einstimmig beschlossen hat.

Leider, so muss ich feststellen, hat der Bundeskanzler bei den Verhandlungen in Brüssel gerade auf diese Forderung relativ großzügig verzichtet.

Wer sich in der entsprechenden Serie des "Standard" ein bisschen mit dem beschäftigt hat, was sich in Tschechien in der nächsten Zeit in der Stromwirtschaft abspielen wird, meine Damen und Herren, wer über die Verkaufsabsichten der Tschechischen Republik, der Tschechischen Bundesregierung gelesen hat, konnte feststellen, dass 67 Prozent der ČEZ verkauft werden sollen. Es gibt drei große staatliche Atomstromkonzerne, die sich dafür interessieren und auch große Chancen auf den Zuschlag haben. Die Electricité de France ist wieder einmal an vorderster Front. Sie dürfte wahrscheinlich den Zuschlag erhalten.

Dies ist übrigens eine Vorgangsweise, die von der Internationalen Energieagentur schärfstens kritisiert wird. Sie bemängelt die Vorgangsweise der Tschechischen Regierung, weil diese zum Beispiel die Absicht hat, die Anteile sowohl am Stromversorger wie auch am Hochspannungsnetzbetreiber gemeinsam zu verkaufen. Was das bedeutet, weiß jeder, der sich ein bisschen mit Stromwirtschaft, mit Stromtransport beschäftigt hat. Das heißt, die ČEZ und ihr künftiger Mehrheitsbesitzer werden in Zukunft den tschechischen Strommarkt zur Gänze kontrollieren können und über die gesamte Versorgungskette den Wettbewerb entsprechend in der Hand haben.

Kollege Marizzi und ich haben vor nahezu zweieinhalb Jahren zum Thema Kostenwahrheit – ein ganz wesentlicher Punkt, wenn wir über den Ausstieg aus der Atomkraft diskutieren – an den damaligen EU-Kommissar Monti geschrieben und haben ihn ersucht, die Frage der Kostenwahrheit zu prüfen. Wir haben damit argumentiert, dass es nicht einzusehen ist, dass zwei staatliche Atomstromkonzerne ihre Kosten sozialisieren und unter dem Titel "Forschung" aus Verteidigungsbudgets hoch subventioniert werden. Und in weiterer Folge, meine Damen und Herren, gehen diese Konzerne dann auf dem europäischen Markt daran, die Strommärkte aufzukaufen und zu vereinnahmen.

Ich bedauere es in diesem Zusammenhang sehr, dass wir noch immer keine österreichische Stromlösung haben. Ein starker österreichischer Strom-Player wäre zum Beispiel in der Lage, sich an dem Verkauf in Tschechien zu beteiligen, sich im Rahmen eines Konsortiums zu beteiligen, und damit könnten wir auf längere Sicht die Entwicklung der tschechischen Energiepolitik sicher besser als derzeit beeinflussen.

Ich glaube – und das ist ebenfalls eine Aufforderung an die Bundesregierung –, dass der geplante Stromanteilsverkauf in Tschechien auch aus kartellrechtlichen Überlegungen heraus überprüft werden sollte. Es wird den beitrittswilligen Staaten ja aufgetragen, sich rechtlich entsprechend anzupassen, daher müsste es im Vorfeld möglich sein, diese Frage zu klären.

Meine Damen und Herren! Insgesamt plädiere ich nach wie vor für unsere stetige Forderung, für den europaweiten Ausstieg aus der Atomkraft, auch was den Osten und die künftigen Beitrittsländer anlangt, einzutreten. Ich glaube, wir wären derzeit in der richtigen Situation dafür. Seit dem 11. September kann mir niemand mehr einreden, dass Atomkraftwerke vor Terroranschlägen wirklich wirksam geschützt werden können. Ich finde, wir sollten diese Situation im Sinne der Sicherheit für die Menschen entsprechend nutzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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17.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Restliche Redezeit: 2 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Glawischnig –: Nach dem Absturz müsst ihr ein bisschen nachdoppeln! Die Frau in Gold! – Abg. Kiss: Die Blamage habt ihr noch nicht verdaut! Das waren ein paar anständige Dachteln! – Abg. Mag. Schweitzer: So eingegangen ist noch nie eine Dringliche!)

17.21

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich halte jetzt nur noch fest: Die Stimmen, die jetzt bei Ihren Rednerinnen und Rednern laut geworden sind, lassen einen eindeutigen Schluss zu: Sie werden ablehnen, dass sich Österreich beim Rat von Laeken für höchstmögliche Sicherheitsstandards als Atomausstiegsinstrumente einsetzen soll, Sie werden ablehnen, dass es eine Auflösung des EURATOM-Vertrages geben soll, und Sie werden ablehnen, dass es einen europäischen Ausstiegsfonds geben soll, für den Gelder, die jetzt für die Atomwirtschaft bestimmt sind, umgewidmet werden sollen. Das alles werden Sie jetzt ablehnen. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Unruhe im Saal.)

Zustimmen werden Sie hingegen – bitte, hören Sie noch einen Moment lang zu! – nur einem: einer konsequenten weiteren Fortsetzung des eingeschlagenen Weges, einer konsequenten Fortsetzung des eingeschlagenen Weges der Misserfolge der letzten Wochen und Monate. – Ich sage: Na gute Nacht! Glück auf, Österreich! (Beifall bei den Grünen.)

17.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 566/A (E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kollegen und Kolleginnen betreffend eine österreichische Initiative für einen Atomausstieg in Europa beim EU-Gipfel in Laeken.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kollegen und Kolleginnen betreffend die konsequente Fortführung der österreichischen Anti-Atompolitik.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 113.)

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2859/AB

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit der Ordnungszahl 2859/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen ebenfalls nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Frau Abgeordnete Mag. Sima, das Wort zu ergreifen. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

17.24

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Her Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wir haben jetzt den ersten BSE-Fall in Österreich, und ich möchte von dieser Stelle aus noch einmal meiner besonderen Bestürzung darüber Ausdruck verleihen. Ich weiß, dass es gerade auch für den betreffenden Bauern eine sehr unangenehme und schlimme Situation ist, vom ersten BSE-Fall in Österreich betroffen zu sein. Österreich hat ja lange Zeit gehofft,


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von diesem Schicksal verschont zu bleiben. Jetzt sind wir leider eines Besseren belehrt worden. (Abg. Dr. Trinkl: Nur ein Fall!)

Wir haben versucht, mit der Besprechung dieser Anfragebeantwortung das Thema BSE auch hier zu thematisieren, weil ja von Seiten der Regierungsvertreter an sich eine Erklärung und Debatte abgelehnt wurde, obwohl wir dann während der Konjunkturdebatte doch so etwas wie eine BSE-Debatte hatten. Wir haben jedenfalls versucht, mit dieser Anfragebesprechung dieses Thema, das uns doch sehr wichtig und zentral erscheint, heute zu thematisieren.

Meine Damen und Herren! Es steht zu befürchten, dass dieser BSE-Fall eine Folge der Versäumnisse der Vergangenheit ist. Diese Befürchtung müssen wir einfach in den Raum stellen. Wie Sie alle wissen, sind die genauen Ursachen derzeit noch nicht geklärt. Wenn man aber dem Experten Glauben schenken kann – und ich glaube, dass Professor Budka einer der re-nommiertesten Experten auf diesem Gebiet ist –, dann muss man zur Kenntnis nehmen, was er gestern gesagt hat, nämlich dass die wahrscheinlichste Erklärung für diesen ersten BSE-Fall eben eine Übertragung durch Futtermittel ist und dass das spontane Auftreten von BSE-Fällen, wie das von Seiten der Bundesregierung ja durchaus vertreten wird, eher nicht anzunehmen ist, dass es wissenschaftlich keinen Beleg dafür gibt und es in keiner Weise bewiesen ist.

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen – und das kommt auch in der Anfragebeantwortung, die wir heute besprechen und thematisieren wollen, zum Ausdruck –, hat das Tiermehl-Verfütterungsverbot, das in Österreich schon seit über zehn Jahren gilt, eben leider nicht zu 100 Prozent gegriffen. Ich glaube, dass das ein Problem ist, mit dem wir uns auseinander setzen müssen.

Auch ich kann nur mutmaßen, denn wir alle kennen den genauen Grund dieses BSE-Falles nicht, und vielleicht werden wir ihn auch nie kennen lernen. Aber es ist im Bereich des Möglichen, das meinen auch die Experten, dass eben genau dieses nicht eingehaltene Tiermehl-Verfütterungsverbot bei den Wiederkäuern einer der Gründe dafür sein kann, wieso auch wir uns jetzt mit diesem Problem herumschlagen müssen.

Was mich persönlich, ehrlich gesagt, erschüttert, ist, dass aus dieser Anfragebeantwortung relativ deutlich hervorgeht, dass man im Rinderfutter, das heißt im Futtermittel für Wiederkäuer in den Jahren 1998, 1999, aber auch im Jahr 2000 Spuren von Tiermehl gefunden hat. Das sind geringe Spuren, das gebe ich zu, sie liegen unter 0,5 Prozent, aber trotzdem wurden Tiermehlspuren gefunden, und zwar in 9 Prozent aller Rinderfuttermittelproben. Das ist ja ein nicht gerade geringer Anteil, und noch dazu ist die Tendenz steigend: Im letzten Jahr waren es schon 13 Prozent, durchschnittlich waren es 9 Prozent.

Wie Sie alle wissen, gilt Tiermehl im Futter von Wiederkäuern wissenschaftlich derzeit als der wahrscheinlichste Auslöser von BSE. Und das Schlimme an der ganzen Sache ist auch, dass es sich hier um etwas Systemimmanentes handelt. Das heißt, das war nicht eine zufällige Verschmutzung, die einfach so passiert ist, sondern das sind Verschmutzungen, die einfach mit dem System der Futtermittelproduktion in Österreich zu tun haben.

Das Problem war, es gab eine Zweiteilung: Es gab zwar ein Tiermehlverbot für die Wiederkäuer, aber für Hühner und Schweine und sonstige Tiere wurde Tiermehl eben nicht verboten. Und da die beiden Futterarten in der gleichen Futtermühle produziert wurden, kam es da offensichtlich zu Vermischungen, und die Spuren dieser Vermischung finden sich dann eben im Futtermittel für Wiederkäuer. Und das ist unser Problem.

Herr Bundesminister Molterer! Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen: Warum haben bei Ihnen da nicht die Alarmglocken geläutet? Die Zahlen sind Ihnen ja offensichtlich bekannt gewesen. Warum haben Sie nicht etwas dagegen unternommen? Warum haben Sie nicht gesagt: Das funktioniert in Österreich nicht, wir haben im Rinderfutter immer noch Spuren von Tiermehl, das ist keine gute Lösung, auch wenn es nur unter 0,5 Prozent sind.

Warum ist da von Seiten Ihres Ressorts nicht die Forderung gekommen, wir müssen etwas dagegen unternehmen? Wir müssen bei den Futtermitteln entweder eine andere Art der Verar


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beitung finden – mit Zwischenspülungen oder was weiß ich; da gibt es sicher technische Lösungen –, oder wir müssen das Tiermehl generell verbieten, weil eben dieses Verfütterungsverbot nicht funktioniert.

Ich möchte noch einmal auf die geringe Menge des Tiermehls eingehen. Natürlich kann man sagen: Das war nur so wenig, das kann es ja nicht gewesen sein. – Aber ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass auf wissenschaftlicher Ebene sehr wenig über BSE bekannt ist. Man kennt nicht einmal den genauen Auslöser, man weiß nicht, wie es übertragen wird, man hat noch keinerlei genetische Information darüber gefunden, wie sich das in irgendeiner Weise vervielfältigt. Das heißt, es kann niemand sagen, wie groß die Menge an Tiermehl sein muss, damit sie so etwas überhaupt auslösen kann. Daher ist, wie ich meine, jede Kontamination von Futtermitteln mit Tiermehl, die man noch nachweisen kann, ein Problem, das wirklich aufgegriffen gehört.

Ich weiß, wir haben seit 1. Jänner dieses Jahres ein generelles Tiermehlverbot. Aber die Frage ist: wie lange noch?, denn wir alle wissen, dass auf EU-Ebene die Diskussion durchaus wieder in eine andere Richtung geht.

Eine weitere Frage, die ich gerne ansprechen würde, ist: Warum hat es in drei Jahren nur 437 Probenziehungen gegeben? – Das kommt mir persönlich, ehrlich gesagt, sehr wenig vor. Angesichts der vielen Rinder, die es in Österreich gibt, finde ich 437 Proben jetzt spezifisch auf den ... (Zwischenruf des Abg. Hornek. )  – Bitte, das steht in der Anfragebeantwortung, auch wenn Sie den Kopf schütteln: 437 Proben wurden in den drei Jahren gezogen, und zwar bezüglich der Untersuchung von Rinderfuttermitteln auf Tiermehl. Auch wenn Sie den Kopf schütteln, es steht da drin. Sie können es gerne nachlesen. Das hat Herr Minister Molterer beantwortet. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hornek. )

Ich finde das, ehrlich gesagt, ein bisschen wenig: 200 Proben wurden zum Beispiel im Jahr 2000 gezogen. Das reißt mich nicht vom Hocker angesichts eines durchaus brisanten Problems, wie es eben Tiermehl-Spuren in Futtermitteln von Wiederkäuern sind. – Vielleicht können Sie das noch beantworten, Herr Bundesminister.

Wie sieht die Situation im Jahr 2001 aus? Das würde mich auch interessieren. Seit dem völligen Tiermehl-Verbot müsste der Prozentsatz eigentlich null sein, es dürfte überhaupt keine Kontamination mehr geben. Vielleicht können Sie nachher noch darauf eingehen, Herr Minister.

Ein weiterer Punkt ist mir aufgefallen. Wir haben die gleiche Anfrage auch an Minister Haupt gestellt, weil uns natürlich auch interessiert hat: Was ist auf den Bauernhöfen kontrolliert worden? Was ergab sozusagen die Probenziehung vor Ort? Das Landwirtschaftsressort ist ja quasi für den Handel zuständig, während das Sozialministerium für die Probenziehung vor Ort zuständig ist.

Von Herrn Minister Haupt habe ich allerdings keine einzige Zahl als Antwort bekommen, was ich schon als ziemlich alarmierendes Ergebnis werte, denn dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder diese Vor-Ort-Kontrollen auf den Bauernhöfen werden nicht erfasst – und das wäre noch die bessere Variante –, oder es hat schlicht und ergreifend keine Futtermittel-Kontrollen vor Ort auf den Bauernhöfen gegeben, und da würde mich jetzt schon interessieren: Was heißt das? – Da Sie jetzt schon hier sind, Herr Minister Haupt, vielleicht wären Sie so nett, noch darauf einzugehen.

Ich habe Ihrer Antwort auch entnommen, dass Sie die Durchführung der Kontrollen auf den Bauernhöfen erst mit Erlass vom 31. Juli 2001 geregelt haben. – Bedeutet das, dass es davor keine Kontrollen gegeben hat, oder hat es Kontrollen gegeben, und diese waren uneinheitlich und einfach nicht durch einen Erlass geregelt? – Diese zwei Möglichkeiten gibt es ja.

Weitere Sorgen macht mir natürlich auch das immer noch ungelöste Kompetenz-Wirrwarr im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung. Sie wissen, wir haben das in der Vergangenheit schon öfter kritisiert. Auch da ist an sich keine Lösung in Sicht. Das Einzige, was ich von Seiten der Regierung immer höre, ist: Ernährungsagentur. Diese ist aber erstens noch in weiter Ferne,


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und zweitens wird sie uns auch bei den Kompetenzproblemen nicht wirklich weiterhelfen, denn eine Änderung der Kompetenzen ist ja auch durch die Ernährungsagentur nicht vorgesehen.

Ich möchte jetzt am Schluss noch kurz auf einen EU-Bericht eingehen, den Sie kennen. Es gab einen Inspektionsbesuch des Food and Veterinary Office der EU vom 5. bis 9. Februar zur Bewertung der BSE-Maßnahmen. Und was in diesem Bericht steht, ist leider eine ziemliche Rüge für Österreich. Lassen Sie mich nur ein paar Zitate vortragen, denn es hat mich, als dieser Bericht im September veröffentlicht wurde, eigentlich erschüttert, dass es von Seiten der Regierung kaum Reaktionen darauf gegeben hat.

Es heißt hier zum Beispiel: Die Grundregeln zur Verhinderung von Kreuzkontaminationen – das ist die Verschmutzung von normalen Futtermitteln mit Tiermehl – wurden in der besuchten Fut-termühle nicht eingehalten. Und weiter heißt es: Wenn kontaminiertes Fleisch-/Knochenmehl auf den österreichischen Markt gelangt ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Tiere mit dem BSE-Erreger in Berührung gekommen sind, weil das Verfütterungsverbot nicht effektiv überwacht wurde.

Das sage nicht ich, das sagt die EU-Kommission, und das sagt sie seit September! Und ich fürchte, dass wir jetzt eben die Rechnung präsentiert bekommen, und auch dafür, dass Österreich nicht in angemessener Weise darauf reagiert hat.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch einmal sagen, dass ich es für essentiell wichtig halte, dass dieses Tiermehl-Verfütterungsverbot auf unbestimmte Zeit verlängert wird – in Österreich, aber auch auf EU-Ebene –, denn sonst, das heißt, wenn wir dieses Verfütterungsverbot wieder lockern, erleben wir die nächste BSE-Welle, die auf uns zurollt.

Ich möchte auch an Sie appellieren, im Futtermittelbereich strengere Kontrollen einzuführen und sich auch das Tierarzneimittelkontrollgesetz, das wir ja morgen hier noch ausführlich diskutieren werden, wirklich noch einmal zu überlegen. Ich finde, angesichts der aktuellen Entwicklungen wäre es wirklich ein schwerer Fehler, die tierärztliche Betreuung im Bereich der Bauernhöfe – wie Impfung und Medikamentenabgabe – wirklich den Bauern zu übertragen. Ich halte das für einen schweren, schweren strategischen Fehler, der uns noch einmal sehr auf den Kopf fallen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

17.34

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wil-helm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe heute schon die Gelegenheit gehabt, grundsätzlich zu dieser nicht erfreulichen Entwicklung Stellung zu nehmen, dass wir in Österreich nach 217 000 negativen Fällen nun einen BSE-Fall haben. In einem bäuerlichen Betrieb im Waldviertel ... (Das Mikrophon fällt aus. – Abg. Schieder: Das ist jetzt aber nicht der ORF!)  – Herr Abgeordneter Schieder! Ich war in Brüssel dabei, als diese Pannen passiert sind. Ich weiß daher, was geschehen ist. (Abg. Schieder: Dann werden Sie mir beipflichten!)

Ich habe heute schon über diesen bäuerlichen Betrieb berichtet, über diesen gut geführten bäuerlichen Betrieb. Wir wissen bis heute nicht – und das muss ganz offen festgestellt werden; auch Kollege Haupt hat das heute schon gesagt –, was die endgültigen Ursachen sein werden. Sie können aber sicher sein, dass wir alles tun werden, was uns möglich ist, um die Ursachen aufzuklären, weil auch wir im Sinne der Konsumentensicherheit und der Sicherheit für die Bauern größtes Interesse daran haben, die Ursachen auch tatsächlich zu erforschen.

Sie haben mehrere Fragen gestellt, Frau Abgeordnete Sima. Sie haben erstens Bezug auf den Bericht der EU-Kommission hinsichtlich der Inspektion vom Februar dieses Jahres genommen. In der Zwischenzeit hat ein weiterer Inspektionsbesuch stattgefunden, dessen schriftliches Ergebnis wir noch nicht kennen.


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Wir haben Wert darauf gelegt, dass bei diesem Untersuchungsbesuch, Inspektionsbesuch insbesondere drei Fragen einer Überprüfung unterzogen und bewertet werden: die Umsetzung der gemeinschaftlichen Schutzmaßnahmen gegen BSE – das ist insbesondere die Frage Risikomaterial-Entfernung –, weiters die Einhaltung des Verbotes der Verwendung von tierischen Proteinen – sprich: Tiermehl – in der Verfütterung an Nutztiere, und drittens selbstverständlich auch die Frage des generellen Verfütterungsverbotes in diesem Zusammenhang.

Wir haben bisher eine mündliche Besprechung gehabt, die an sich ergeben hat, dass wir die rechtliche Umsetzung zeitgerecht und richtig, ohne Lücken, vollzogen haben, dass wir die damalige Rückholaktion – Sie erinnern sich daran – auch ordnungsgemäß durchgeführt haben, und wir haben Wert darauf gelegt, dass dieser Inspektionsbesuch auch zu einem Mischfutter-Hersteller fährt, damit sich die Kontrollore auch vor Ort ein Bild machen können.

Wir werden selbstverständlich den schriftlichen Bericht dann, wenn er vorliegt, in entsprechender Form zu bewerten haben.

Wir haben auch auf Ihre Frage reagiert, Frau Abgeordnete. Neben der Tatsache, die ja allgemein bekannt ist, dass wir das Tiermehl-Verfütterungsverbot für Wiederkäuer bereits im Jahr 1990 ausgesprochen haben – fünf Jahre, bevor die Europäische Union das getan hat –, haben wir selbstverständlich auch das generelle Tiermehl-Verfütterungsverbot in der Europäischen Union gefordert und massiv unterstützt und zum selben Zeitpunkt wie Europa umgesetzt.

Es ist aus meiner Sicht hinsichtlich der Futtermittelproben festzuhalten, dass ich angeordnet habe, dass heuer 800 Proben zusätzlich gezogen werden – ich betone: zusätzlich! –, sodass im Handel und bei den Betrieben vor Ort insgesamt im Jahr 2001 rund 2 400 Kontrollen durchgeführt werden.

Zu der von Ihnen angesprochenen Zahl von 437 Proben muss ich sagen, es ist richtig, dass das jene Proben sind, die im Handel – das heißt, bei den Herstellern – gezogen wurden, wobei sich das nur auf die Wiederkäuerfuttermittel bezieht. Sie müssen aber auch dazusagen, dass dahinter natürlich die großen Chargen stehen, die in Mischfutter-Betrieben tatsächlich erzeugt werden, sodass aus der Zahl der Proben nicht auf die insgesamt beprobte Menge von Tiermehl rückgeschlossen werden kann.

Sie können sicher sein, dass wir die Aufstockung der Probenzahl schwerpunktmäßig dazu verwenden, dass auch in den bäuerlichen Betrieben kontrolliert wird, einschließlich der Ergänzungsfuttermittel und auch dort, wo Eigenmischungen erfolgen, weil das ja bei der bäuerlichen Struktur in Österreich durchaus üblich ist.

Wir haben daher auch im Bereich Futtermittel alles getan, was uns möglich ist, um hintanzuhal-ten, dass Futtermittel weiterhin ein Risikopotential darstellen könnten. Wir tun auch in Zukunft aus meiner Sicht hinsichtlich der Frage des Tiermehl-Verfütterungsverbotes unser Möglichstes, damit es in Europa zu keiner Aufweichung kommt.

Ich sage Ihnen aber – und Sie wissen das –, dass die EU-Kommission, und zwar die Generaldirektion SANCO, also die für die Gesundheit zuständige Generaldirektion, und EU-Länder wie beispielsweise Finnland und Schweden massiv gegen das generelle Verfütterungsverbot auf-treten. Diese Länder haben im Gegensatz zu Österreich auch von der Ausnahmebestimmung Gebrauch gemacht, das heißt von der Ausnahmebestimmung vom generellen Verbot. Wir in Österreich sind beim generellen Verbot geblieben.

Hinsichtlich der angesprochenen Frage der Probeziehungen möchte ich festhalten: Wir haben die Stichproben nach statistisch-wissenschaftlicher Methode gezogen. Dies ist tatsächlich ein effizienter und sehr zielorientierter Ansatz dafür, dass wir mit der größtmöglichen Wahrschein-lichkeit Risikopotentiale ausschließen können.

Frau Abgeordnete! Sobald der Termin für einen Landwirtschaftausschuss festgelegt ist – und ich hoffe, das ist möglichst bald –, wird die Ernährungsagentur, respektive die Österreichische


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Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherung, wie sie richtig heißt, dort auf der Tagesordnung stehen und beschlossen werden. Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt im Interesse der Konsumenten, die tatsächlich das Recht auf qualitativ hochwertige Lebensmittel haben.

Meine Damen und Herren! Ich würde aber auch bei der weiteren Diskussion zu diesem Thema bitten, diesen Stil der Sachlichkeit und der Verantwortlichkeit im Umgang mit diesem Thema zu bewahren. Es geht um die Sicherheit der Konsumenten, es geht um die Sicherheit für die Bauern, es geht letztendlich um viel in dieser Frage. Daher danke ich auch, wie ich es heute schon gemacht habe, dezidiert den österreichischen Medien und auch dafür, dass in der Diskussion im Hohen Haus dieser Stil der Verantwortlichkeit an den Tag gelegt wird. Das ist eine gute Grundlage für weitere erfolgreiche Maßnahmen im Interesse dieses Qualitätslandes Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradwohl. Ich mache darauf aufmerksam, dass die nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten gemäß Geschäftsordnung eine Redezeit von 5 Minuten haben. – Bitte.

17.41

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen. Allerdings gestatten Sie mir schon eine Bemerkung: Die Dinge, die Sie jetzt angeführt haben, die bei der neuerlichen EU-Kontrolle besonders beachtet beziehungsweise von unserer beziehungsweise Ihrer Seite gefordert wurden, sind genau jene Punkte, die im ersten Bericht kritisiert wurden. Ich denke, es ist selbstverständlich, dass man der Kritik entgegenkommt, wenn es um die Sicherheit der Lebensmittel für die Bevölkerung und auch die Sicherheit der Produzentinnen und Produzenten geht. Das liegt meines Erachtens auf der Hand. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stehe nicht an, hier als Agrarsprecher meiner Fraktion dem betroffenen Hof und der betroffenen Familie mein tiefes Bedauern auszudrücken, denn nach den Ausführungen des Experten Budka, der spontanen BSE-Auftritt eigentlich für unwahrscheinlich hält, hätte es auf Grund der österreichischen Situation – das wird auch durch den bereits angesprochenen EU-Kontrollbericht bestätigt – eigentlich jeden treffen können, jeden, der sich bemüht hat, seine Tiere mit entsprechenden Futtermitteln zu füttern, außer vielleicht einen Biobauern, der in der Lage ist, seine Tiere mit biologisch produziertem Futter und mit eigenem Futter zu füttern, von dem er weiß, wo es herkommt. Aber dazu vielleicht noch später.

Herr Bundesminister! Sie haben auch angeführt, dass in der nächsten Sitzung des Landwirtschaftsausschusses – ich hoffe, dass ein Termin bald zustande kommt; ich kann hier sagen, unsere Fraktion hat dem Termin, der uns vorgeschlagen wurde, bereits zugestimmt, das heißt, er ist gesichert – die Ernährungsagentur – ich kürze es ab – auf der Tagesordnung stehen und dort debattiert werden wird. Da uns bisher keine Unterlagen über eine Veränderung der Regierungsvorlage oder mögliche Abänderungsanträge zugegangen sind, hoffe ich inständig, dass im Lichte des jetzigen BSE-Falles auch die gesetzlichen Maßnahmen für die zukünftige Ernährungsagentur darauf Rücksicht und Bedacht nehmen und dass es nicht dazu kommt – wie wir es mit Verlaub in der Regierungsvorlage sehen konnten –, dass die Agrarier, die Agrarlobby die Konsumentinnen und Konsumenten kontrollieren. Das ist nicht die Schutzmaßnahme, die wir uns vorstellen, Herr Bundesminister! Ich erwarte mir durchaus, dass uns zeitgerecht die entsprechenden Abänderungsanträge zugehen, damit wir uns auch darauf vorbereiten und wirklich konstruktiv mitarbeiten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Eine Frage drängt sich im Zusammenhang mit dem leider jetzt aufgetretenen BSE-Fall in Österreich auf. Wie ich aus gewöhnlich sehr gut informierten Kreisen erfahren habe, wurde der betroffene Schlachthof vor einiger Zeit von der EU-Kontrollkommission besucht und auch überprüft, und es wurde die Schließung dieses Schlachthofes wegen Nicht-EU-Konformität beantragt. (Rufe bei der SPÖ: Was?) Über Interventionen sei es dann möglich gewesen, diesen Schlachthof weiter offen zu halten.


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Herr Bundesminister! In dieser Hinsicht würde mich interessieren: Wurde auch bei Ihnen oder über Sie interveniert, damit dieser Schlachthof offen bleibt, in dem jetzt diese Verwechslungen und diese Kalamitäten bei der Beprobung passiert sind? Wenn ja, hätte ich gerne eine Erklärung dafür, warum das so ist und warum man nicht dafür gesorgt hat, dass die einem EU-Schlachthof konformen Maßnahmen entsprechend umgesetzt wurden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend komme ich zu meiner Einleitung zurück. Ich bin der Meinung, dass es nur in Biobetrieben möglich ist, Sicherheit zu haben, auch was die Futtermittel betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Wir haben in einigen Agrardebatten hier bereits feststellen können, dass Österreich drauf und dran ist, die Spitzenreiterposition im biologischen Landbau zu verlieren beziehungsweise sie teilweise schon verloren hat. Ein Grund dafür ist, dass die AMA mit ihrem wunderbaren Instrumentarium und ihren doch relativ stark vorhandenen Geldmitteln zwar jedes Mal, wenn es darum geht, Idylle darzustellen, versucht ist, Biobauern auf Plakatwände zu kleben, Biobauern in TV-Spots unterzubringen und damit heile Welt vorzugaukeln, aber wenn es darum geht, die Vermarktung von biologischen Produkten voranzutreiben, hört man von der AMA kaum etwas.

Herr Bundesminister! Ich fordere Sie heute zum wiederholten Male auf: Sorgen Sie dafür, dass die AMA ihre Mittel dem Anteil und der Bedeutung entsprechend auch für die biologische Landwirtschaft einsetzt und dass die AMA nicht nur schöne Bilder von biologisch wirtschaftenden Betrieben präsentiert (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen)  – ich bin schon beim Schlusssatz, Herr Präsident! –, sondern dass sie diese Betriebe auch in der Vermarktung massiv unterstützt. (Beifall bei der SPÖ.)

17.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.

17.47

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Vielleicht eine kurze Chronologie: Am 5. Dezember 2001 wurden in einem Schlachthof im Waldviertel 50 Rinder – und zwar unter Anwesenheit von drei amtlich beauftragten freiberuflich tätigen Fleischuntersuchungstierärzten – geschlachtet. Von diesen 50 geschlachteten Rindern wurden 14 BSE-Proben von einem der drei Fleischuntersuchungstierärzte entnommen und an die Bundesanstalt für Tierseuchenbekämpfung in Mödling, die veterinärmedizinische Untersuchungen vornimmt, gesandt. – Also der Vorwurf, dass zu wenig Tierärzte vorhanden sind, um die Kontrollen durchzuführen, kann in diesem Fall überhaupt nicht zutreffen, wenn für 14 Kontrollen – die anderen Rinder waren alle jünger als 30 Monate – drei Tierärzte zur Verfügung standen.

Herr Bundesminister Haupt! Ich glaube, es ist wirklich zu untersuchen, wie es zu Verwechslungen bei den Proben kommen kann, denn es kann für den Bauern, der zuerst verdächtigt wird ... Gott sei Dank haben die Medien nicht erfahren, wo sich der Hof des zuerst verdächtigten Bauern befindet. Hätten dies die Medien erfahren, wäre der Hof von Kameraleuten umzingelt gewesen. Wie kommt ein Unschuldiger dazu? Solche Dinge dürfen sich einfach nicht wiederholen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Aber nun zu den Vorwürfen, die vorgebracht werden. In Österreich ist das Rindfleisch wirklich sehr genau kontrolliert: Alle Rinder ab 30 Monaten werden kontrolliert. Es ist bei uns nicht wie in anderen europäischen Ländern, wo nur Stichproben gemacht werden. In unserem Nachbarland Schweiz – einem viel kleineren Land als Österreich – hat es bereits 400 BSE-Fälle gegeben, trotzdem werden in der Schweiz nur Stichproben gemacht. Wir haben in Österreich seit 1. Jänner 2001, also seit dem heurigen Jahr, eine lückenlose Kontrolle. Es hat sich auch gezeigt, dass die Kontrolle funktioniert. Trotz Verwechslung durch die Tierärzte konnten das tatsächlich verseuchte Rind und der Bauernhof, von dem dieses Rind geliefert worden ist, relativ rasch festgestellt werden. Das heißt, die Sicherheit


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für die Konsumenten ist gewährleistet. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Es werden auch Notschlachtungen durchgeführt.

Meine Damen und Herren! Wenn ein Rind verdächtige Krankheitssymptome aufweist, dann werden auch Rinder unter 30 Monaten untersucht. Es zeigt sich, dass in diesem Bereich äußerst selten ein derartiger Fall auftritt. In England gibt es schon rund 180 000 BSE-Fälle, und darunter befinden sich nur zwei Rinder, die jünger als 30 Monate waren.

In der Zwischenzeit wurden bei uns 217 000 BSE-Tests durchgeführt, wobei leider ein BSE-Fall festgestellt werden musste. Allerdings konnte bisher noch keine Ansteckungsmöglichkeit festgestellt werden.

Frau Abgeordnete Sima, es ist an und für sich schon gewagt, wenn man im Schutz der Immunität einen Bauern beschuldigt, er hätte in der Vergangenheit eventuell kontaminierte Futtermittel verfüttert. (Zwischenruf der Abg. Mag. Sima. ) Nach meinem Wissen hat dieser Bauer Jahre zurück eine genau Buchführung. Es lässt sich nachvollziehen, von wo er dieses Futter gekauft hat, und es sind auch Futterproben genommen worden. (Abg. Mag. Sima: Eine Unterstellung!)

Frau Abgeordnete Sima! Ich habe genau zugehört. (Abg. Schieder: Das hat sie nicht behauptet!) Sie haben gesagt – ich habe es mitgeschrieben –, die Nichteinhaltung des Tiermehlverfütterungsverbotes werde wahrscheinlich die Ursache gewesen sein. (Abg. Mag. Sima: Aber der Bauer kann nichts dafür, wenn das Futtermittel kontaminiert ist!) Seit 1990 ist die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer in Österreich verboten. In den vergangenen Jahren haben bei den Mischfutterbetrieben diese Kontrollen stattgefunden. Gott sei Dank reagieren die Konsumenten nicht so emotionell, wie es noch vor einem Jahr der Fall war. Wir können durch diese Untersuchungen wirklich garantieren, dass kein kontaminiertes Fleisch – auch dieses Fleisch ist sofort in Verwahrung genommen worden und muss verbrannt werden – in den Handel kommt. Diese Garantie kann man den österreichischen Konsumenten geben. Wir haben in Österreich immerhin 100 000 Rinderbauern, die zu einem erheblichen Teil ihr Einkommen daraus beziehen und die bereits im heurigen Jahr große Einkommenseinbußen hinnehmen mussten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Andere auch!)

17.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Achatz. – Bitte.

17.53

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Es ist wirklich äußerst bedauerlich, dass wir jetzt auch in Österreich einen BSE-Fall zu verzeichnen haben. Den Vorwurf, dass die Kontrollen zu wenig gewesen sind, weise ich wirklich von uns und von unserer Bundesregierung, denn 217 000 Kontrollen und Proben an den geschlachteten Rindern in Österreich sind ein herzeigbares Ergebnis, das zeigt, wie wichtig der Bundesregierung der Schutz der Konsumenten und auch der Bauern ist.

Ich muss natürlich sagen, dem Wunsch nach lückenloser Aufklärung der Ursache für diesen BSE-Fall kann ich mich anschließen. Das ist auch äußerst notwendig – schon im Hinblick auf unsere Bauern und auf unsere Konsumenten. Es ist wirklich zu hinterfragen, und zwar ohne Augenzwinkern: Woher stammen die Futtermittel? Wie kann es zu dieser Verwechslung kommen? Wie sind die Zustände in diesem Schlachthof? (Abg. Edler: Genau!) Das sind die Fragen, die zu beantworten sind, darauf haben die Bauern, die Konsumenten und auch wir ein Recht. (Abg. Edler: Dazu brauchen wir einen Untersuchungsausschuss!) Dazu werden wir keinen Untersuchungsausschuss brauchen, sondern ich vertraue da wirklich unseren Ministern.

Ich bin auch dafür, dass wir die Tests nicht einschränken, nicht Stichproben machen, wie das bereits von der EU vorgeschlagen wird, sondern bei lückenlosen Untersuchungen bleiben. Weiters bin ich dafür, dass wir über die Kompetenzverteilung nachdenken und sie überdenken. (Ruf bei der SPÖ: In der Bundesregierung?) – Selbstverständlich. Eine Kompetenzverteilung, die Unsicherheiten hervorrufen kann, ist zu überdenken und zu überarbeiten, und da sind wir völlig


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einer Meinung auch mit der Opposition. Da darf es kein Denkverbot geben, sondern diese Dinge werden wir uns anschauen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

17.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Ich denke, dass dieser erste österreichische BSE-Fall uns ernsthaft dazu auffordern sollte, Klarheit in die Angelegenheit zu bringen und zu überprüfen, was hier wirklich geschehen ist. Herr Bundesminister Molterer! Aus unserer Sicht sind die bisherigen Vorsorgemaßnahmen auf jeden Fall gescheitert. (Abg. Großruck: So ein Stumpfsinn!) Das sollten wir klar erkennen, das sollten auch Sie erkennen, Herr Bundesminister.

Warum gescheitert? – Herr Bundesminister Haupt hat heute hier klar und deutlich festgestellt, dass es sich bei diesem Tier um ein österreichisches Tier handelt, das nicht importiert wurde, dass das Futter österreichisches Futter war. Das wäre meine erste Sorge gewesen: Handelt es sich um einen Import von BSE-Tieren oder um einen Import von Futtermitteln, die BSE-verseucht sind?

Nein, meine Damen und Herren, das war es nicht! Es war österreichisches Futtermittel, es war eine österreichische Kuh. Wenn wir uns das vor Augen führen, dann können wir uns nicht so wie Kollege Schwarzenberger einfach hinstellen und sagen, die Sicherheit ist gewährleistet. Gewährleistet ist, dass wir die BSE-Fälle entdecken. Dieses System funktioniert mehr oder weniger (Abg. Achatz: Das funktioniert!), eher schlecht momentan, wenn man sich konkret anschaut, dass die Ohrmarken zur eindeutigen Identifizierung der Tiere, um die es hier geht, verschwinden können. Das ist unglaublich, und ich hoffe, das wird maßgebliche Konsequenzen haben, und ich hoffe auch, dass Sie dazu Stellung nehmen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Aber eines sollte unbestritten sein. Herr Bundesminister Molterer! Der Bericht sagt ganz klar und deutlich – und ich werde jetzt hier zitieren –: Zufallsstichproben sind kein effizientes Durchsetzungsinstrument, sondern ergeben nur einen Schätzwert des Gesamtumfanges der Kontamination. – Das ist in diesem Bericht nachzulesen und ganz zentral.

Weiters heißt es darin: Der Besuch einer großen Futtermühle ergab, dass die Gefahr einer Kreuzkontamination von Wiederkäuerfuttermitteln mit Fleischknochenmehl in Wirklichkeit häufiger und höher war, als es die amtlichen Ergebnisse vermuten ließen.

Meine Damen und Herren! Das steht in diesem Kontrollbericht der Europäischen Union. Wir sollten das auch noch absichern mit Daten bezüglich der Kontrollen und der Verunreinigung mit Tiermehl, die auch in diesem Bericht stehen.

Die Untersuchungen 2001 haben gezeigt, dass fast 30 Prozent von diesen Proben aus dem Jahre 2000, die 2001 untersucht wurden, mit Tiermehl verunreinigt waren. Der Wert bei zwei Proben war im Jahr 2000 höher als 0,5 Prozent, Herr Bundesminister Molterer. Höher als 0,5 Prozent, eine gefährliche Grenzwertüberschreitung!

Dafür sind Sie verantwortlich, das ist Faktum. Der Stichprobenplan, den Sie bisher nach statistischen Kriterien erstellt haben, war nicht zielorientiert, hat nicht konkret verstärkt Risikobetriebe untersucht. (Abg. Murauer: Sie sind doch sonst ein gescheiter Mensch! – Abg. Prinz: Ein Verunsicherungspirklhuber ist das!)

Ein weiteres Faktum, meine Damen und Herren, ist, dass die Grünen am 14. Dezember 2000 einen Antrag auf Vorsorgemaßnahmen betreffend BSE hier in diesem Hause eingebracht haben. Dieser Antrag wurde von den Regierungsfraktionen noch immer abgeschmettert, wurde im letzten Landwirtschaftsausschuss wieder vertagt: Ein Jahr nach der ersten BSE-Diskussion immer noch keine Diskussion zu unseren Vorschlägen bezüglich Vorsorgemaßnahmen!


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Ich greife nur zwei Punkte heraus. Das eine ist die Forschung bezüglich BSE. Herr Bundesminister! Welche Forschungsschwerpunkte haben Sie hier initiiert? Ich denke vor allem an die Ge-fahr von Milchaustauschern. Alle Experten, vor allem auch in Deutschland, gehen derzeit davon aus, dass da eine enorme Gefahrenquelle besteht. Haben Sie sich bereits dafür eingesetzt, dass in Österreich, in Europa ein intensives Forschungskonzept zur Erkundung dieser Problemlage entsprechend initiiert wird? Haben Sie sich für die obligatorische Kennzeichnung von Fut-termitteln entsprechend eingesetzt?

Meine Damen und Herren! Das Vorsorgeprinzip muss natürlich auch für die Bäuerinnen und Bauern gelten. Diese müssen, wenn sie Futtermittel beziehen, sicher sein, dass diese Futtermittel in Ordnung sind, und das können sie nach derzeitigem Stand nicht wirklich sein.

Auf jeden Fall ist eines von zentraler Bedeutung: Herr Bundesminister! Stellen Sie sich nicht vor die Agrar- und Futtermittelindustrie, sondern setzen Sie sich für die Lebensinteressen der österreichischen Landwirtschaft ein! (Abg. Prinz: Das macht der Herr Minister – im Gegensatz zu Ihnen!) Ihre geplante Ausgliederung der Kontrolle in die Ernährungsagentur leistet der Landwirtschaft einen Bärendienst. Sie liefert die Lebens- und Betriebsmittelkontrolle scheibchenweise der Industrie aus, statt die Eigenkraft und die Kontrollfähigkeit dieser Institutionen entsprechend zu stärken. Tun Sie hier etwas, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Grünen.)

18.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

18.01

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Geschichte von BSE in Europa ansieht, muss man feststellen, dass BSE offensichtlich überall von Pannen begleitet ist.

Wenn der Kollege von der grünen Fraktion Dipl.-Ing. Pirklhuber jetzt gesagt hat, dass vieles unsicher ist: Gerade die deutsche Bundesregierung hat bis vor einem Monat in der Europäischen Union vehement zusätzliche BSE-Sperrmaßnahmen gegen Schafe verlangt, bis man feststellen musste, dass in einem Hochsicherheitsbereich der Universität Edinburgh drei Jahre lang an kontaminierten Rinderhirnen und nicht Schafhirnen geforscht worden ist und daher die Ergebnisse, die zu diesen Forderungen geführt haben, schlussendlich als obsolet betrachtet werden mussten.

Die Schweiz, die seit 1995 Maßnahmen gesetzt hat, ist davon ausgegangen, dass bei den nachwachsenden Tieren eigentlich kein BSE-Fall mehr auftreten hätte dürfen. Sie ist seit Oktober dieses Jahres eines Besseren belehrt worden, weil es dort trotzdem Tiere mit BSE gegeben hat, obwohl in den Betrieben alle Kontrollen durchgeführt worden sind. Ich meine, dass uns auch dieser österreichische Fall, der österreichischer Herkunft ist und wo Futter ausschließlich legal auf dem Markt gekauft wurde, zeigt, dass noch einiges an wissenschaftlichen Rahmenbedingungen aufzuhellen ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es darf nicht übersehen werden, dass an diesem Tag im Schlachthof auch ein Wiener Kollege war, und zwar im Rahmen einer Überprüfung dieses Betriebes – und hier möchte ich mich korrigieren – und nicht im Auftrag der EU, wie fälschlicherweise vom Betrieb gesagt worden ist, sondern tatsächlich im Auftrag des Amts der Niederösterreichischen Landesregierung, der im Sinne des Fleischuntersuchungsgesetzes tätig war. Es war sogar ein Kontrollorgan zusätzlich vor Ort, das normalerweise nur zweimal im Jahr dort ist, und trotzdem sind gerade an diesem Tag die Verwechslungen passiert.

Ich glaube daher, dass wir von Seiten meines Ministeriums gut beraten waren, die Schweizer Erkenntnisse vom Oktober dieses Jahres sofort vollinhaltlich umzusetzen und dort, wo Ohr und Kopf des Tieres nicht zuordenbar waren, sofort eine gentechnische Überprüfung von Kopf, Kaskade und dort, wo es möglich war, auch von den vorhandenen Häuten vorzunehmen, um damit eine klare Zuordnung treffen zu können, weil normalerweise auch auf den Häuten die Tätowierungen der Rinder ersichtlich sind und dadurch eine klare Deduktion möglich ist.


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Im Falle dieses Betriebes haben wir die Deduktion über ein im Stall befindliches Kalb dieses Muttertieres herstellen können. Auch diese gentechnologische Überprüfung hat nach dem ersten Durchlauf und den ersten Erkenntnissen ein positives Ergebnis gebracht, sodass ich seit Bekanntwerden der gentechnischen Überprüfungen immer davon ausgegangen bin, dass wir jetzt beim richtigen Betrieb sind.

Ich sage das dazu, weil diese gentechnischen Untersuchungen, wie ich bereits ausgeführt habe, nahezu 50 Stunden in Anspruch genommen haben. Ich glaube auch, dass es sich hier bewährt hat, dass die Bundes-, Landes- und lokalen Veterinärstellen gut zusammengearbeitet haben. Es ist sofort eine Sperre verfügt worden und dann vor Ort die Kontrolle erfolgt, ob alles, was auf Grund des Lebensmitteluntersuchungsgesetzes und des Fleischuntersuchungsgesetzes vorhanden zu sein hat, dort, wo es nicht vorhanden war, zurückgeholt worden ist. Somit haben die Sicherstellungen vor Ort auch tatsächlich die wissenschaftlichen Überprüfungen und damit das endgültige Ergebnis ermöglicht.

Ich stelle fest, dass die gemeinsam vom Amtstierarzt des Bezirkes und den Dienststellen des Landwirtschaftsministeriums im bäuerlichen Betrieb gezogenen Futterproben einwandfrei waren und keine Beimengungen von Eiweiß tierischer Produktion nachgewiesen werden konnten.

Ich gebe Ihnen aber Recht, Herr Dipl.-Ing. Pirklhuber, dass in den letzten fünf Jahren eine so lückenlose Deduktion schwer möglich ist. Aber eines sollte man auch sagen: Es hat zumindest die Rückholaktion bei allen Betrieben ordnungsgemäß funktioniert, und das ist ein wichtiger Punkt. Man sollte in der heutigen Diskussion und angesichts der heutigen Rahmenbedingungen nämlich nicht vergessen, dass Futtermittel für andere Tiersorten als für Wiederkäuer in der Vergangenheit durchaus legal mit Tierkörpermehlbeimengungen auf dem Markt verkauft wurden.

Ich habe mir diesen bäuerlichen Betrieb auch selbst angesehen. Die Schiene, wo sich die Hühner befinden, und die Schiene, wo sich die Wiederkäuer befinden, sind vom Ablauf der dortigen Tätigkeiten her durch den gesamten Hof des bäuerlichen Betriebes getrennt, sodass tatsächlich anzunehmen ist, dass die Hühner nur das Hühnerfutter und die Rinder nur das Rinderfutter bekommen haben. Aus meiner tierärztlichen Praxis muss ich sagen, dass ich nicht annehme, dass man Einzelportionen von Hühnerfutter über den Hof trägt, um dort ausgerechnet ein Kalb zu füttern. Ich glaube daher, dass der Ortsaugenschein auch sinnvoll war und es ermöglicht hat, vor Ort die laufenden Maßnahmen zu evaluieren.

Was meinen Teilbereich betrifft, habe ich mich bereits entschlossen, mehrmals im Jahr auch stichprobenmäßige Überprüfungen der Schlachthöfe anzuordnen, und für den Fall, dass dort Köpfe ohne Ohrmarke gefunden werden, auf Kosten der dortigen Untersuchungszuständigen die gentechnischen Untersuchungen durchführen zu lassen, um so auch eine Zuordnung und damit einen Erziehungseffekt zu mehr Korrektheit im Hinblick auf die bestehenden Gesetzesbestimmungen zu erreichen.

Ich glaube, dass des Weiteren auch meine Anweisungen, neuerliche Schulungen zu machen, die am Freitag von mir formuliert worden sind und die am Wochenende an die Veterinärdirektoren gegangen sind, eine sinnvolle Ergänzung des Programms sind. Jetzt, da ein BSE-Fall aufgetreten ist, ist meiner Ansicht nach auch die Krisenplanschulung nochmals zu wiederholen. Man kann die Schulungen nicht oft genug wiederholen.

Zum Dritten werden sich auch die Landeshauptleute überlegen müssen, ob sie ihre Meinung, dass sie sich im Rahmen der Untersuchungsprogramme die Einsatzpläne für Stichproben weiterhin vorbehalten, nicht doch auch revidieren sollten, wenn bundesweite wissenschaftlich evaluierte Stichprobenpläne endlich greifen.

Ich glaube, wir haben ein sinnvolles Maßnahmenpaket erstellt, und meine auch, wir haben in dieser Situation gut gearbeitet, aber menschliches Versagen vor Ort werden wir leider nicht ausschalten können. Ob es mehr war, werden die Untersuchungen der Finanz- und Strafbehörden ergeben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.08


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

18.08

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es gibt eine Vereinbarung, wonach es im Rahmen einer Anfragebesprechung eine geschäftsordnungsmäßig geregelte Wortmeldung eines Ministers nach dem Anfragesteller gibt und wonach ein Regierungsmitglied oder der zuständige Minister nicht am Ende der Debatte, wenn kein Abgeordneter, keine Abgeordnete mehr die Möglichkeit hat, auf die Ausführungen des Ministers zu replizieren, Stellung nehmen soll. (Abg. Dr. Martin Graf: Wo steht das?)

Herr Präsident! Ich höre mir gerne an, was Herr Minister Haupt zu sagen hat. Ich halte das in der Regel auch nicht für unbegründet und unwichtig. Aber wenn Abgeordnete keine Möglichkeit haben, zur Stellungnahme des Bundesministers dann ihre Beiträge zu liefern (Abg. Gaál: Das ist richtig!), und sich das im Lauf eines Tages schon zum zweiten Mal wiederholt, dann halte ich das für einen untragbaren Zustand.

Ich würde doch anregen, Herr Präsident, dass man den Abgeordneten die Möglichkeit gibt, auf die Ausführungen des Ministers entsprechend zu replizieren. Ich ersuche daher Sie (Abg. Dr. Martin Graf: Antrag!) beziehungsweise die Minister, dass sie sich an die Vereinbarung mit dem Parlament halten, wonach der Minister nicht das Schlusswort sprechen sollte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Ich habe Ihr Ersuchen zur Kenntnis genommen. Laut Geschäftsordnung ist eine Wortmeldung des Ministers am Ende möglich. Der Herr Minister hat sich sehr spät gemeldet. Es war nicht mehr möglich, noch einen Redner nachfolgen zu lassen.

Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

2. Punkt

Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Bericht (III-87 der Beilagen) der Bundesregierung betreffend Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin; Analyse-Teil (939 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

18.10

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Gelegenheit, über die Sicherheitsdoktrin, über eine neue österreichische Sicherheitsdoktrin zu sprechen; wir haben heute leider nicht Gelegenheit, über eine von allen vier Parteien dieses Hauses getragene Sicherheitsdoktrin zu sprechen. Ich sage gleich zu Beginn, ich bedauere das, weil ich der Überzeugung bin, dass es gerade in einem kleinen Land wichtig ist, bei den wesentlichen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik eine gemeinsame Grundlage zu finden, weil ein kleines Land nur dann, wenn es in seiner politischen Orientierung geschlossen ist, auch seiner Stimme Gehör verschaffen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Es war ein gemeinsamer Versuch; er ist misslungen. Ich will auf Details dieses mühsamen Unterfangens, das uns seit Mai bis jetzt begleitet hat, in dem wir viele Stunden engagierter Diskussionen – von allen Seiten – abgewickelt haben, nicht eingehen, sondern ich will die wesentlichen Punkte, die Grund dafür waren, dass wir gescheitert sind, kurz anmerken.


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Hohes Haus! Es sind im Wesentlichen drei Gründe dafür verantwortlich, dass wir gescheitert sind. Das Erste ist, dass Sie von den Regierungsparteien entgegen der klaren Verfassungslage – und ich möchte auch dazu sagen: entgegen dem klaren Eid, den Sie auf diese Bundesverfassung abgelegt haben – uns geradezu gebetsmühlenartig damit konfrontiert haben, dass Österreich nicht neutral sei, sondern allianzfrei. Das ist sachlich falsch und politisch auch nicht akzeptabel, um es sehr klar zu sagen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das neutrale Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehört keinem Bündnis an, und insoweit – da haben Sie schon Recht – ist es auch allianzfrei. Aber die politische Position Österreichs in Fragen der Sicherheitspolitik erschöpft sich nicht darin, dass wir keinem Bündnis angehören, sondern die politische Position ist dadurch bestimmt, dass sich Österreich auf Grund seiner Neutralität nicht an Kriegen beteiligt – nicht beteiligt hat seit 1955 und nicht beteiligen wird. Das ist das wesentliche Ziel, das ist das, was die Menschen in diesem Lande an der Neutralität schätzen, und das ist das, was auch wir an dieser Neutralität schätzen! Deswegen werden wir sie auch nicht aufgeben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Hohes Haus! Wir sind zweitens daran gescheitert, dass vor allem Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, unbedingt in die NATO wollen. (Rufe bei der ÖVP: Ach so? – Abg. Lentsch: Wer sagt das?) Und das wollen wir, um es klar zu sagen, nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ja, ich gebe zu – und die gegenteilige Behauptung wäre auch falsch –, Sie schlagen das in der heute von Ihnen zu beschließenden Sicherheitsdoktrin auch gar nicht vor. Sie schlagen nicht den Beitritt zur NATO vor, und ich denke, Sie haben auch guten Grund dazu: Sie würden nämlich damit Schiffbruch erleiden. – Aber Sie haben eine Rutsche in diese Richtung gelegt, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch eine Rutsche in Richtung NATO ist nicht akzeptabel, weil sie Österreichs Sicherheitsposition nicht verbessert. Daher werden wir dem nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.  – Abg. Auer: Sind Sie ausgerutscht?)

Und drittens, Hohes Haus, sind wir daran gescheitert, dass Ihnen von den Regierungsparteien, von Freiheitlichen und ÖVP, wenn es um die Anwendung militärischer Gewalt geht, die Herrschaft des Rechts offenbar nichts bedeutet.

Hohes Haus! Gerade als kleiner Staat muss Österreich daran interessiert sein, dass nicht derjenige, der die militärischen Mittel hat, gegebenenfalls Gewalt anzuwenden, auch alleine darüber entscheidet, ob er dazu das Recht hat. Deswegen treten wir dafür ein, dass es in diesen Fällen ein klares rechtliches Verfahren und eine Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates geben muss, weil der Kleine das Recht des Stärkeren nicht akzeptieren kann, sondern weil gerade die Kleinen darauf bauen müssen, dass es rechtlich geregelte Verfahren gibt. Aber das wollen Sie auch nicht akzeptieren, und auch aus diesem Grund konnte eine Einigung nicht zustande kommen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Hohes Haus! Ich habe die wesentlichen Gründe des Scheiterns aus meiner Sicht dargelegt und möchte mich darin nicht weiter verbreitern. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle lieber noch einmal kurz sagen, wie unsere Konzeption aussieht. Ich kann das nicht in aller Breite tun, aber wenigstens knapp und deutlich.

Wir, sehr geehrte Damen und Herren, gehen davon aus, dass das neutrale Österreich, dass wir schon im Frieden für den Frieden arbeiten müssen, wenn wir uns nicht an Kriegen beteiligen wollen, und das heißt primär: wenn wir wollen, dass es keine Kriege gibt, denn das ist die erste Bedingung, um die es dabei geht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Das, Hohes Haus, ist der Grund, warum wir in unserem sicherheitspolitischen Konzept, das wir Ihnen übergeben haben und das Sie kennen, zuallererst für die Herrschaft des Rechts, für Demokratisierung überall dort, wo das noch nicht der Fall ist, für sozialen und wirtschaftlichen Ausgleich eintreten und dafür, dass die Kommunikation zwischen den Staaten auf der Basis gleichberechtigter Partnerschaft stattfindet, weil das die wesentlichen Gründe sind – Kollege


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Murauer, hören Sie jetzt zu, Sie haben nachher ohnedies noch Zeit zum Reden! (Abg. Murauer: Ich bin erstaunt, was Sie alles herauslesen!)  –, die dazu beitragen, dass das Zusammenleben auch zwischen den Völkern, auch zwischen den Staaten auf friedliche Weise möglich ist. Es sind die gleichen Gründe, die auch innerstaatlich von Bedeutung sind, nämlich sozialer und wirtschaftlicher Ausgleich, Herrschaft des Rechts, Demokratie und gleichberechtigte Partnerschaft. (Abg. Murauer: Und das steht nicht drinnen?) – Hören Sie ruhig einmal zu, Sie haben dann Zeit zum Reden!

Das ist auch der Grund – um diese Kurve weiter zu kratzen –, warum wir auch weiterhin für eine Vertiefung der politischen Union in Europa eintreten, und es ist der Grund, warum wir auch klar und eindeutig für die Erweiterung der Europäischen Union eintreten.

Hohes Haus! Die Vertiefung der politischen Union soll helfen, dass Europa auch in Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit einer Stimme spricht und an einem Strang zieht (Ruf bei der ÖVP: Na geh!) und dass es dafür auch demokratische Grundlagen gibt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner. ) Was die schlaue Zwischenbemerkung "Na geh!" betrifft, so darf ich Sie darauf verweisen, dass das nicht immer so war und dass Europa unter anderem im Prozess des Auseinanderbrechens des ehemaligen Jugoslawien deshalb eine so schlechte Figur gemacht hat, weil es eben nicht mit einer Stimme gesprochen hat und nicht an einem Strang gezogen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Solche Dinge sollte man als Grundlage einer Lektion nehmen.

Die Erweiterung der Europäischen Union – um auch das noch zu begründen – ist auch deshalb in diesem Zusammenhang zu nennen und von entscheidender Bedeutung, weil damit die Zone des Friedens, der politischen und der wirtschaftlichen Stabilität und des sozialen Ausgleichs um jene Länder erweitert wird, denen das Schicksal eine weniger glückliche Entwicklung als uns zugemessen hat, zumindest in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die knapp bemessene Zeit erlaubt mir nicht, tiefer in diese Fragen einzugehen, daher bleiben mir nur noch folgende Feststellungen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner. )

Erstens: Es ist schade, dass der Versuch einer Vier-Parteien-Grundlage für Österreichs Sicherheitspolitik gescheitert ist. Ich habe schon darauf hingewiesen: Gerade für einen Kleinen wäre es wichtig, mit einer Stimme zu sprechen, weil dann die Stimme auch besser gehört werden kann.

Zweitens: Ich denke, die Gespräche, die wir geführt haben, die Verhandlungen, die wir geführt haben, waren dennoch nicht sinnlos und auch nicht nutzlos, um das klar zu sagen. Wir wissen jetzt besser, wo wir einig sind und wo wir nicht einig sind. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dieses Wissen um die Positionen, über die wir uns einig sind – die ich jetzt nicht im Besonderen hervorgekehrt habe, weil das die Zeit nicht erlaubt hätte –, ist eine wesentliche Grundlage, die auch mit diesen Gesprächen erreicht werden konnte.

Drittens: Auch wir – um das klar und deutlich zu sagen – treten für ein solidarisches Österreich in Europa und in der Welt ein. Das sollte bereits klar geworden sein. Aber wir treten für eine Solidarität der Tat im Frieden ein und für ein aktives Engagement, um Krieg zu vermeiden, und das ist die eigentliche Solidarität mit den Lebensinteressen der Menschen. Dabei geht es primär um die Frage der Sicherung des Friedens und um die Vermeidung des Krieges, das ist das Lebensinteresse! Und das ist auch unser Verständnis von Neutralität, wie es etwa gestern auch unser Parteivorsitzender vorgestellt hat.

Für ein solches Konzept, Hohes Haus – auch meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch Herr Klubobmann Khol –, werden Sie uns jederzeit als Gesprächspartner finden. Die Nachricht, dass wir noch Zeit gehabt hätten, ist heute von Ihnen gekommen, und das war zu spät! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.20


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte.

18.21

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Einem ist persönlich in einer nicht sehr erfreulichen Situation. Er selbst hat mit uns in acht Verhandlungsrunden an Kompromissvorschlägen gearbeitet, und ich möchte konstatieren, konstruktiv mitgearbeitet. Dass in letzter Konsequenz seine eigenen Formulierungsvorschläge von den Damen und Herren der SPÖ, die in der Partei etwas zu sagen haben, abgelehnt wurden, ist bedauerlich.

Ich kann mich daher anschließen: Auch ich bedauere es, dass wir zu keiner Einigung gekommen sind. Aber, meine Damen und Herren: Ausgeklinkt hat sich die SPÖ aus diesen Verhandlungen über eine gemeinsame Sicherheitsdoktrin! Das ist als Erstes einmal klar festzustellen.

Wir haben eine "Sicherheitsdoktrin neu" als Notwendigkeit erkannt, weil es nach all den Ereignissen, nach einem Ende des Kalten Krieges, nach einem Fall des Eisernen Vorhanges, nach einer Sicherheitsdoktrin, die bisher Verteidigungsdoktrin hieß und 1975 beschlossen wurde, klar war, dass wir konsequent an einer Fortentwicklung arbeiten müssen.

Ich bin sehr wohl stolz darauf und froh darüber, dass wir nach acht Monaten Verhandlungen in diesem Haus auch eine heute vorliegende Sicherheitsdoktrin beschließen können, eine Formulierung, die unter Beisein der freiheitlichen Fraktion und der Volkspartei gefunden wurde, die gewährleistet, dass das eine moderne, auf dem letzten Stand befindliche Sicherheitsdoktrin ist, dass diese Sicherheitsdoktrin auch auf die Risken eingeht, die seit dem 11. September in dieser Welt in der Sicherheitspolitik bestehen, und eine Sicherheitsdoktrin, die auch für die Ressorts, die mit Sicherheitspolitik zu tun haben, klare Handlungsanleitungen enthält. Das ist eine hervorragende Sicherheitsdoktrin, mit der Österreich in einer modernen Art an Sicherheitsfragen herangeht, und ich freue mich, dass wir heute auf dieser Grundlage einen Beschluss fassen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben in allgemeinen Empfehlungen diese Reaktionen auf die Ereignisse des 11. Septembers klar festgehalten. Wir wollen, dass es künftig durch eine entsprechende Vorbereitung nach Möglichkeit verhindert wird, dass so etwas noch einmal passieren kann, und dazu muss Österreich eben auch über seine eigene Betrachtung hinaus mit anderen zusammenarbeiten, meine Damen und Herren.

Es ist heute eine Frage der Zeit, eine Notwendigkeit, dass man in der Bekämpfung dieses Terrors auch international solidarisch ist. Dazu haben sich ja zuvor, nach dem 11. September, auch alle Fraktionen dieses Hauses bekannt. Dass man heute hier wieder ausschert, zeigt eben: Drei Monate sind vergangen, das Leben läuft wieder normal, man hat vergessen, was uns eigentlich in diesen Zeiten bedroht. Ich denke, es ist aber notwendig, in allgemeinen Empfehlungen auch klar ein Zeichen gegen den internationalen Terrorismus zu setzen.

Wir haben außenpolitische Aspekte mit einer klaren Planung der Sicherheitspolitik angesprochen. Wir stehen dazu, dass wir im Sinne des Artikels 17 des EU-Vertrages eine gemeinsame europäische Verteidigung anstreben. Aber, meine Damen und Herren, natürlich braucht man dazu Partner, die man in der Europäischen Union heute nicht so selbstverständlich für diese Idee findet. Wir werden um diese Partner werben, aber nicht, indem wir Luftschlösser bauen, sondern indem wir uns diesem Ziel realistisch annähern.

Und weil Kollege Einem so sehr über die NATO referiert hat, weil das für ihn eben ein populistischer Ausstieg aus diesen Verhandlungen war: Wenn elf Mitglieder von 15 Mitgliedern der Europäischen Union Mitglieder der NATO sind, meine Damen und Herren, dann werden Sie doch nicht glauben, dass die alle morgen austreten und eine völlig neue Sicherheitspolitik gestalten werden! Das ist realitätsfern, und dafür stehen wir nicht zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir haben in der Verteidigungspolitik auch darauf abgestellt, dass man künftig eine Ausrüstung des Bundesheeres auf einem sehr hohen technischen Niveau verankern muss. Wir stehen auch klar zu einer Luftraumüberwachung ohne Wenn und Aber. Wir meinen, dass das Bundesheer zukünftig alle Aufgaben nach Petersberg, die heute Gemeinschaftsaufgaben der Union sind, erfüllen können soll. Und wir haben im Bereich der inneren Sicherheit auch eine klare Struktur unseres sicherheitspolitischen Vorgehens in dieser Doktrin festgehalten, in Richtung einer Bekämpfung des internationalen Terrors, aber auch einer Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der Schlepperei, des Menschenhandels.

Ich denke, dass wir mit dieser Sicherheitsdoktrin eine Grundlage geschaffen haben, die viele Jahre halten wird. Entgegen all den Rufen der Opposition dahin gehend, dass das eine Doktrin mit Ablaufdatum sei, werden wir alle noch sehen, wie viele Jahre auf der Grundlage dieser Doktrin Sicherheitspolitik in Österreich gemacht werden wird, meine Damen und Herren.

Die Alternativen, die wir hier seitens der Grünen, die sich zwar sehr konstruktiv in diesen Gesprächen verhalten haben, und der SPÖ gehört haben, konnten uns nicht überzeugen, meine Damen und Herren.

Jetzt komme ich auf die Punkte zu sprechen, warum die Einigung in Wahrheit gescheitert ist. So sehr wir das bedauern, so sehr hat es uns aber auch nicht überrascht, dass die SPÖ letztlich aus den Verhandlungen ausgestiegen ist. Wenn wir es auf den Punkt bringen, meine Damen und Herren: Die Sozialdemokraten in diesem Land haben seit jeher ein gestörtes Verhältnis zu Fragen der Landesverteidigung. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer schüttelt den Kopf.) Das ist es und das bleibt es auch, meine Damen und Herren!

Sie treten hier oft an das Rednerpult und verkünden, wie sehr Sie zur Landesverteidigung stehen (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Das ist so ein kompletter Unsinn! Wer hat denn mit absoluter Mehrheit den Landesverteidigungsplan geschaffen? Die SPÖ war es!), aber wenn es darum geht, in technologische Fragen zu investieren, Konzeptionen zu erarbeiten (Abg. Leikam: Das ist unerhört!), haben Sie sich immer noch davon verabschiedet. Das ist die Wahrheit – ich weiß, Sie hören es nicht gerne, aber so ist es, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben seit dem Jahr 1955 eine Fata Morgana aufgebaut, die da lautet: Neutralität als Wort genügt, um uns sicher zu machen. Das ist eine Fata Morgana im Sinne eines Trugbildes, denn, meine Damen und Herren, wenn wir heute die Realität seit 1955 betrachten, dann wissen wir: In der Krise 1956 – Ungarnkrise –, in der Krise 1968 – Tschechenkrise –, in der Frage des Slowenienkrieges 1991 hätte uns die Neutralität alleine nicht geschützt.

Genützt hat uns nur, dass wir auch ein Bundesheer in Österreich hatten, meine Damen und Herren, das zumindest einen gewissen Schutz unserer Grenzen gewährleistet hat. Die Fata Morgana "Neutralität alleine schützt uns" ist ein Trugbild und bleibt ein Trugbild. Sie haben damit in der Vergangenheit sehr viel argumentiert, aber, meine Damen und Herren: Unter dem Strich gesehen hatten wir in Österreich Glück, dass uns nichts passiert ist. Denken wir nur an die jetzt veröffentlichten Pläne des Warschauer Paktes, daran, wie man von Seiten des Ostens unsere Neutralität betrachtet hat. Das zeigt uns heute, wenngleich wir Gott sei Dank nie in einen Verteidigungsfall geraten sind, dass uns die Neutralität alleine sicher nicht vor einem Angriff geschützt hätte, der auf Österreich geplant war.

Zum Zweiten haben Sie eine Fata Morgana aufgebracht und an den Horizont gemalt, meine Damen und Herren, als wir in die Europäische Union eingetreten sind. Sie als Sozialdemokraten haben uns damals glaubhaft versichert: Wir gehen in die Europäische Union, und der Status quo Österreichs wird sich nicht ändern.

Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns, was seither passiert ist: Wir sind nicht nur der EU beigetreten, wir haben, mit Ihren Stimmen, einen Vertrag von Amsterdam ratifiziert. (Abg. Dr. Cap: Stimmt!) Mit diesem Vertrag von Amsterdam wurden Petersberger Aufgaben zu Gemeinschaftsaufgaben. Auch Kampfeinsätze wurden möglich. (Abg. Dr. Cap: Stimmt!) Sie haben mitgestimmt. Wir haben mit Ihren Stimmen eine Partnerschaft für den Frieden im Rahmen der


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NATO abgeschlossen. (Abg. Dr. Cap: Stimmt!) Sie haben das voll unterstützt. (Abg. Dr. Cap: Ja!) Es ist auch richtig so.

Aber, meine Damen und Herren, Sie haben auch einen Bundeskanzler Klima gehabt, der in der Frage eines Einsatzes von NATO-Truppen im Kosovo mit den europäischen Staats- und Regierungschefs in Köln einen Beschluss gefasst hat und der dazu gestanden ist – allerdings nur in Köln. Zwei Tage später hat er in Österreich eine Brandrede für die Neutralität gehalten! – Wir haben das nicht vergessen. Aber Sie haben eine Fata Morgana aufgebaut (Abg. Dr. Khol: Ja!), dass wir trotz Mitgliedschaft in der Europäischen Union, trotz all dieser Beschlüsse nach wie vor am Status quo verharren.

Das ist ein Trugbild, meine Damen und Herren! Das werfe ich Ihnen auch heute vor, weil Sie immer noch nicht davon abgerückt sind. Wir haben uns als Volkspartei klar dazu bekannt, dass wir von der Neutralität den Schritt in Richtung einer Solidarität im europäischen Rahmen vollzogen haben. Und wer die Bilder der schrecklichen Kriege am Balkan gesehen hat, der wird wohl nicht zu dieser Frage zurückkehren können, sondern solidarisch sein müssen mit denen, deren Leben dort bedroht wurde, die ermordet wurden. – Das ist die Aufgabe heute: solidarisch im europäischen Rahmen zu sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sie haben heute ein drittes Trugbild aufgebaut, eine Fata Morgana über die Zukunft. Kollege Einem hat noch immer davon gesprochen, dass wir eine gemeinsame europäische Verteidigung wollen. Ihr Kollege Gusenbauer – heute nicht anwesend – hat ein völlig neues Bild entworfen, nämlich: Er will gar keine gemeinsame europäische Verteidigung, in der die Neutralität natürlich aufgeht, sondern er möchte der Europäischen Union die Neutralität verordnen!

Meine Damen und Herren! Auch das ist ein Trugbild, eine schlichte Fata Morgana. Ich bin schon gespannt, wie er im Rahmen der Sozialistischen Internationale bei der Vorbereitung von Laeken seinen Kollegen Gerhard Schröder, Bundeskanzler von Deutschland, oder seinen sozialdemokratischen Kollegen Tony Blair von Großbritannien von seinen Neutralitätsideen überzeugen wird. Er wird vor die beiden hintreten und sagen: Wir werden zukünftig neutral. – Interessanter Gedanke. – Tony Blair und Gerhard Schröder haben sich gegenseitig in einen Wettbewerb gedrängt, wer zuerst George Bush im Rahmen der NATO mit bestimmten Truppen zu Hilfe eilen wird! – Er wird morgen sagen: Gusenbauer for Flower Power! (Abg. Leikam: ... ist ja fürchterlich!) Es werden sozusagen alte Ideen, die Sie früher einmal gewälzt haben, zu neuem Leben erweckt. (Abg. Leikam: Das ist ja wirklich hart!) Ich würde gerne dabei sein, wenn Gusenbauer seine Flower-Power-Ideen bei der Sozialistischen Internationale präsentiert, Neutralität im europäischen Rahmen neu vorschlägt. Ich glaube und fürchte, es wird für Österreich kein Ruhmesblatt sein, ganz im Gegenteil, man wird uns ein bisschen als eine Lachnummer bezeichnen. (Abg. Dr. Khol: Ein sonderbarer Schwärmer! Wie ein sonderbarer Schwärmer!) Und das tut mir Leid, meine Damen und Herren (Zwischenruf des Abg. Parnigoni ), denn eine ehemals staatstragende Partei wie die Sozialdemokraten ist nunmehr auf ein Niveau gesunken, das ich mir eigentlich nicht erwartet hätte. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Einem hat das Plenum fluchtartig verlassen, was ich mir vorstellen kann, denn für ihn ist die Situation wahrlich nicht angenehm. Er hat in unseren Verhandlungen zumindest den Eindruck erweckt, als wäre es ihm ernst mit einem Ringen um eine gemeinsame Sicherheitsdoktrin. (Zwischenruf des Abg. Leikam. ) Es hat aber leider nicht zu einem Ergebnis geführt, weil die Kollegen in der SPÖ, die das Sagen haben, nein sagten: Herr Präsident Fischer, der gedanklich immer noch in Zeiten lebt, die längst vergangen sind, Herr Kollege Cap, der als Klubobmann ein Gelübde ablegen musste, nie mehr über die NATO zu sprechen (Heiterkeit des Abg. Murauer ), und Herr Kollege Gusenbauer, der von dem Trugbild einer Neutralität im europäischen Rahmen träumt. (Abg. Dietachmayr: Das ist ein Schwachsinn! Das ist unter Ihrer Würde!) Meine Damen und Herren! Das, was Ihnen fehlt, um glaubwürdig über Sicherheitspolitik reden zu können, ist die staatspolitische Verantwortung. In der Sicherheit darf man keine Spielereien treiben! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jung. )


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Mit einer Fata Morgana und einem Trugbild wird man nicht weit kommen. Ganz im Gegenteil: Es ist notwendig – wenn man Ideen, wie wir sie jetzt festgelegt haben, ernst nimmt –, auch selbst einen Beitrag zu leisten. Wer glaubt, dass man Sicherheit haben kann, ohne selbst einen Beitrag zu leisten, der wird in keiner Diskussion einen Meter weiterkommen. (Abg. Mag. Prammer: ... ja niemand diskutiert!) Das wissen Sie auch. Darum wundert es mich, zumal unter Ihnen Kollegen sind wie Anton Gaál, der als Wehrsprecher immer klar zur Landesverteidigung gestanden ist, oder auch Kollege Cap, der zwar als Preis für die Funktion des Klubobmanns jetzt nicht mehr über die NATO nachdenken darf, der aber vielleicht gedanklich, redlich, doch noch einmal darüber nachdenken wird, wie man eigentlich ein europäisches Sicherheitssystem bauen kann. (Abg. Dr. Cap: "Immer"!) In Anbetracht all dessen, meine Damen und Herren, sollten Sie sich selbst einmal in eine Klausur begeben (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer schüttelt den Kopf) und Ihr gestörtes Verhältnis zur Landesverteidigung ordnen. (Abg. Parnigoni: Das haben Sie selbst!)

Aus unserer Sicht ist diese neue Sicherheitsdoktrin eine sehr geeignete Grundlage dafür, auf europäischem Weg weiterzugehen.

Ich bedanke mich zum Abschluss meiner Rede bei allen Damen und Herren, die daran mitgewirkt haben, bei Kollegem Jung als Ausschussvorsitzendem und vor allem bei den Mitarbeitern der Ressorts, die uns zur Hand gegangen sind. Ich glaube, diese Doktrin wird noch viele Jahre die Grundlage unserer Sicherheitspolitik sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Pilz –: Jetzt musst du dich anstrengen, Peter Pilz!)

18.35

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen wieder vor einem Optionenbericht. Der Grund, warum der alte Optionenbericht zu Recht entsorgt worden ist, war, dass eine damalige Oppositionspartei zu Recht gesagt hat: Sicherheitspolitik kann man nicht auf einem Optionenbericht aufbauen, in dem man sagt, was alles möglich wäre, sondern Sicherheitspolitik ist eine Frage, bei der man klare Entscheidungen treffen muss, die eine Chance haben, auch zu halten.

Jetzt haben wir wieder einen Optionenbericht. Und auf alle wesentlichen Fragen, über die wir – da stimme ich dem Kollegen Spindelegger durchaus zu – die Diskussion mit großem Engagement und mit dem Ziel einer Einigung geführt haben, auf all diese Fragen gibt es keine eindeutige Antwort. Wer will, kann den NATO-Beitritt rauslesen, wer will, kann ein europäisches Bündnis rauslesen, wer will, kann eine Allianzfreiheit rauslesen, und wer will, kann das in die Neutralität "rückübersetzen". (Heiterkeit des Abg. Dr. Cap. )

Einer der wenigen Aspekte, die an dem Entschließungsantrag bestechen, ist die verbale Schöpfungskraft: Plötzlich ist die Neutralität "Allianzfreiheit"! – Ich kenne zwar kein Bundesverfassungsgesetz, das "Allianzfreiheitsgesetz" heißt, und ich habe auch den Eindruck, dass die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung nicht hinter der Allianzfreiheit, sondern hinter der Neutralität steht, aber ich kann mir vorstellen, dass dieser Weg weitergegangen wird. Was würden Sie zu Abgeordneten sagen, die hier herausgehen und sagen: Es gibt keine Suchtgifte, das sind nur Wirkstoffe, und deswegen gelten die Suchtgiftgesetze nicht mehr!? (Ruf bei den Freiheitlichen: Du machst das!)  – Das wäre ein etwas seltsamer Schluss, den Sie zu Recht zurückweisen würden. (Abg. Dr. Cap: Der Kiss täte das sagen!) Nur bei der Neutralität ist das plötzlich anders. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Jetzt geht es einfach darum, auf drei große Veränderungen, die drei große Fragen aufwerfen, drei präzise Antworten zu finden, die in der Lage sind, eine eigene österreichische Rolle in der Sicherheitspolitik zu bestimmen.


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Die erste Veränderung heißt: Die Sicherheit Europas hat sich seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der kommunistischen Systeme grundlegend verändert. Europa steht vor einer großen Frage: Wird Europa die Verantwortung für seine Sicherheit selbst übernehmen, oder wird Europa nach wie vor sagen, wir wollen unter der militärischen und sicherheitspolitischen Vormundschaft der USA bleiben (Abg. Dr. Cap: Beides!), wir delegieren die Sicherheitspolitik an die USA? (Abg. Dr. Cap: Beides!)

Wenn wir sagen: Europa ist sicherheitspolitisch unmündig, dann macht es Sinn, eine extra Unmündigkeitserklärung für Österreich zu unterschreiben und zu sagen: Wir treten der NATO bei, denn wir können nichts anderes. Neben dem europäischen Zwerg soll sich der österreichische Kleinzwerg in das Bündnis unter dem Oberbefehl der letzten militärischen Supermacht stellen.

Warum nicht? Wenn man sich nicht mehr zutraut, wenn man keine andere Vorstellung hat, als die eigene Zwergenhaftigkeit und Visionslosigkeit zu beschwören, dann kann man der NATO beitreten. Es ist zumindest eine Möglichkeit – mit Sicherheit die schlechteste.

Deshalb lautet mein Vorschlag: Denken wir doch weiter, was in europäischen Entwicklungen drinnen ist! Denken wir doch weiter: daran, dass längst gemeinsame europäische Sicherheitsstrukturen gewachsen sind – das Politische und Sicherheitspolitische Komitee, der gemeinsame Stab, verschiedene andere Organisationen, das Eurocorps, andere Strukturen zur Durchführung der Petersberg-Aufgaben –, und beantworten wir die Frage, was wir zu unternehmen gedenken, um die völlig fehlende demokratische Kontrolle dieser neuen europäischen Strukturen sicherzustellen! Das kann nicht mehr der österreichische Nationalrat oder das spanische Parlament oder das britische Unterhaus tun. Da gehören neue Rechte her, und das können nur Rechte des Europäischen Parlaments sein! Hier muss europäisiert werden, und das Ziel kann hier nur heißen, auf dem Weg zu einer politischen Union nach der Vollendung der Währungsunion auch zu einer Sicherheitsunion in Europa zu kommen. Das ist ein klares Ziel, das ein Neutraler viel offener artikulieren und viel offener darstellen kann als ein paktgebundener Staat.

In der großen Frage: Ein demokratisches, europäisches Sicherheitssystem oder die Unterstellung dieses Kontinents unter die militärische Vormundschaft der letzten Supermacht? plädiere ich eindeutig für die europäische Perspektive. Jetzt ist die Frage: Welche Antworten geben die Regierungsparteien?

Nehmen wir das Beispiel Euro. Die sicherheitspolitische Position der Freiheitlichen Partei mit der Vorstellung eines europäischen Bündnisses hätte geheißen: Der Weg zum Euro wird als Bündnis der verschiedenen Währungen gegangen. (Ruf: Einiger!) Der Euro ist das Bündnis zwischen Schilling, Pfund, D-Mark und Franc. (Abg. Jung: Das war die Parität, die man sehr lange beibehalten hat!) Das ist offensichtlich etwas unsinnig.

Die ÖVP bietet eine Alternative an, die heißt: Damit wir dem Euro beitreten, muss der Schilling in den Dollar übergeführt werden. Nur wenn der Schilling zum Dollar wird, dann wird irgendwann der Euro herauskommen. Jeder Währungspolitiker würde sich die Haare raufen und würde sagen: Um Gottes Willen, gerade so geht es nicht! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Also muss man sich, wenn man etwas gemeinsames Europäisches will, überlegen, wie der Weg dahin zu gehen ist. Und da gibt es die Chance der neutralen und allianzfreien Staaten, die keinem militärischen Kommando unterstehen, die niemandem verpflichtet sind, die etwas Vernünftiges und Solidarisches tun können. Das kann aber kein europäischer Militärblock sein. (Abg. Murauer: Na, was jetzt?) Wir haben schlechte Erfahrungen mit militärischen Blöcken, und es gibt Gründe für die österreichische Neutralität, die auch mit der Geschichte der militärischen Blöcke und ihrer Konfrontationen zu tun haben. Da geht es vielmehr um die zweite Entwicklung dahinter, auf die wir eine zweite Antwort brauchen, und das ist die Frage: Sollen globale Sicherheitsfragen von der letzten verbliebenen Supermacht oder einem neuen globalen System der Rechtsstaatlichkeit beantwortet werden? Das heißt: Vorherrschaft der USA oder ein neues Regime aus UNO, aus Konventionen, aus einem reformierten Sicherheitsrat und aus Mandaten, also nicht nur einer österreichischen Verpflichtung, alle militärischen Einsätze an UN-Mandate zu knüpfen, sondern auch einer europäischen Verpflichtung, einer neuen Qualität der Sicher


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heitspolitik, die besagt: Europa wird nicht wie ein herkömmlicher militärischer Block globale Interessenpolitik vertreten.

Das geht jetzt schon los, das sind keine Utopien. Wir haben den Internationalen Strafgerichtshof in Reichweite – er wird von den USA blockiert. Wir haben Konventionen, die in den UN ratifiziert werden müssen, wir haben die Debatte über eine Reform des Sicherheitsrates, wir haben die Chancen, die OSZE weiterzuentwickeln. Wir haben jede Menge Möglichkeiten, aber wir haben keine österreichische Bundesregierung, die in Wien, in Brüssel, in Washington oder wo immer es möglich ist, auftritt und sagt: Ja, das wollen wir. Wir wollen der Vorherrschaft einer militärischen Supermacht ein globales Regime aus Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entgegensetzen.

Aber das wird die Zukunft sein! Darum wird es gehen. Da wird es Staaten geben, da wird es vorher politische Parteien geben, die sich genau dafür einsetzen und damit eine Vision entwickeln. Europa braucht auch in der Sicherheitspolitik Visionen (Beifall bei den Grünen), nicht das, was hier steht: nicht NATO, nicht billige Entsorgung der Neutralität, sondern eine neue, friedliche und solidarische Perspektive. Darin liegt die neue Chance einer aktiven Neutralitätspolitik.

Die jetzige Regierungspolitik ist nichts anderes – und das ist doch wohl einmalig –, als ein Verfassungsgesetz hinter dem Rücken des Verfassungsgesetzgebers zu entsorgen. Sie trauen sich ja nicht einmal, offen mit der Verfassung umzugehen, so wie es in ihr selbst drinnen steht. Sie trauen sich ja nicht einmal, herzugehen und zu sagen: Dieses Verfassungsgesetz stört uns, also wollen wir eine Mehrheit für seine Abschaffung. Nein! Sie sagen: Wir wollen die Oppositionsparteien dazu gewinnen, sich mit neuen Formulierungen hinter dem Rücken der Bevölkerung auf eine grundlegende Änderung unserer Verfassung zu einigen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ! So wird es nicht gehen! (Abg. Murauer: Nur: So verwegen kann auch niemand denken, Herr Kollege Pilz! So verwegen geht es nicht!) Die Menschen in Österreich wissen genau, was Verfassung bedeutet, welche Riegel sie Ihnen für Ihre Sicherheitspolitik als Sperre entgegenstellt. Und Sie wissen auch ganz genau, dass es bei der kurzfristigen Entscheidung: NATO oder Neutralität? um etwas ganz anderes geht. Es geht schlicht und einfach um eine grundsätzliche Entscheidung: Will man sich leichtfertig an Kriegen und an militärischer Interessenpolitik beteiligen? Und das, meine Damen und Herren, sollten Sie nie vergessen! Gerade in der österreichischen Bevölkerung gibt es ein großes Misstrauen gegenüber dem Missbrauch militärischer Mittel. Das hat mit österreichischer Geschichte zu tun, das hat auch mit guten Erfahrungen zu tun, die wir gemacht haben, weil wir keinem militärischen Bündnis beigetreten sind.

Herr Kollege Spindelegger, erzählen Sie mir doch nicht diese Geschichte, der russische Bär sei jahrzehntelang schlotternd in Moskau gesessen, weil das österreichische Bundesheer an der burgenländischen Grenze gewartet hat! (Abg. Murauer: Das habe ich auch nicht gesagt!) Der russische Bär ist nicht der Teddybär gewesen, den das österreichische Bundesheer in die Schranken gewiesen hätte. – Das österreichische Bundesheer hat immer eine symbolische Funktion gehabt, und es ist zum Teil nicht einmal von der eigenen Generalität ernst genommen worden. Das hervorstechende Merkmal des österreichischen Bundesheeres war immer der Oberstbauch und nicht viel mehr.

Heute – und das ist die dritte Frage –, da Österreich erstmals militärisch sicher ist, wollen Sie uns erklären, dass wir aufrüsten müssen. Sie haben keine Freude gehabt, als ich im Ausschuss plötzlich den Bericht des Heeres-Nachrichtenamtes, den Sie uns vorenthalten wollten, herausgezogen und einfach vorgelesen habe:

"Unter Berücksichtigung der sicherheitspolitischen Lage in Europa und des unmittelbaren Umfeldes ist keine konventionelle militärische Bedrohung für Österreich erkennbar und auch nicht prognostizierbar."


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Ja, das Heeres-Nachrichtenamt hat Recht. Wir sind demnächst von lauter NATO-Staaten umgeben, und jetzt erklärt uns die Österreichische Volkspartei – und Ähnliches wird heute noch von den Freiheitlichen kommen –: Wir müssen uns für die Schlacht zu Lande und in der Luft gegen den Ring von NATO-Staaten rüsten! – Haben Sie das ernsthaft vor? Wollen Sie wirklich mit neuen Abfangjägern den Luftraum gegen Ihre Freunde von der NATO verteidigen? Soll sich eine österreichische Panzergrenadierdivision gegen amerikanische, britische, deutsche und italienische Truppen eingraben? Glauben Sie wirklich, dass die freiheitlich-schwarze Alpenfestung Österreich, von Freunden umgeben, militärisch verteidigt werden muss? – Das ist doch völlig absurd!

Der österreichische Luftraum braucht alles Mögliche: weniger Verschmutzung (Zwischenrufe des Abg. Loos ), weniger Lärm, möglicherweise weniger Verstrahlung, aber doch sicherlich keinen militärischen Schutz. Das Einzige, was an Luftraum überwacht werden muss, ist möglicherweise der Luftraum in den Köpfen mancher Verteidigungspolitiker. Das ist der einzige Luftraum, um den ich mir Sorgen mache. Der Rest des österreichischen Luftraumes – und ich bin froh, das hier sagen zu können – ist vollkommen sicher.

Deswegen erwarte ich mir von Ihnen – weil es diesmal nicht gelingt – für die Zukunft etwas Neues: erstens eine europäische Perspektive, und die heißt für mich solidarische Sicherheitspolitik, die demokratisiert ist (Abg. Murauer: Neutral oder Solidarität, Herr Kollege Pilz?) und eine verfassungsmäßige Grundlage in Brüssel hat (Abg. Murauer: Neutralität oder Solidarität? Jetzt müssen Sie sich entscheiden!); zweitens klare Initiativen für eine neue globale Rechtsstaatlichkeit; drittens in Österreich – auch im Interesse des Nulldefizits – alles abrüsten, was wir nicht mehr brauchen. (Zwischenruf der Abg. Binder. )

Machen Sie einmal das, was Sie bei jedem Gendarmerieposten, bei jedem Bezirksgericht, bei jeder Schule, bei jedem Universitätsinstitut selbstverständlich machen, nämlich nachfragen, ob wir das brauchen. Dann werden wir plötzlich 30 oder 40 Milliarden Schilling mehr für Bildung, für Armutsbekämpfung und für Investitionen in die Zukunft haben. So schaut es aus, wenn man vernünftige Finanzpolitik macht! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Diese Sicherheitsdoktrin, dieser Optionenbericht haben ein Ablaufdatum. Das Ablaufdatum ist der Abend der nächsten Nationalratswahl. Je schneller dieser Abend kommt, desto schneller erhält die Republik Österreich die Chance, erstmals eine wirklich vernünftige und sichere Doktrin zu bekommen.

Ein Allerletztes: Vieles in der Politik der letzten Wochen und Monate hat gezeigt, dass die Bundesregierung derzeit nur zwei Optionen hat: Manchmal ist es Chaos, manchmal ist es Pfusch. Bei Temelín war es Chaos, bei der Doktrin ist es eher Pfusch.

Wir Grünen sind wahrscheinlich derzeit die einzige Partei, die für Sicherheit, für Ordnung, für Vertrauen (ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Jung ), für Anständigkeit und Sauberkeit steht, und deswegen wird die erste wirkliche Sicherheitsdoktrin dieser Republik nach der nächsten Nationalratswahl auch eine eindeutige grüne Handschrift tragen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

18.50

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Pilz, Ihnen wünsche ich, dass Sie einmal so alt werden wie Ihre uralten 68-er-Argumente. (Abg. Dr. Pilz: Ich bin ein 54er!) Auf die gehe ich wirklich nicht weiter ein, das ist es nicht wert.

Sehr wohl ist es jedoch wert, auf das einzugehen, was Kollege Einem angesprochen hat, der genauso wie Kollege Schieder, aber auch Kollege Gaál nicht anwesend ist. – Ah, Kollege Gaál ist da. – Ich glaube jedoch nicht, dass das aus Missachtung dieser Herren geschieht, denn Kollege Schieder hat in letzter Zeit zu derartigen Themen schon überhaupt nicht mehr sprechen


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dürfen – das dürfte der wohltuende Einfluss des neuen stellvertretenden Klubobmannes sein –, ich verstehe aber auch, dass er es nicht will, denn es fällt einem realistisch denkenden Menschen recht schwer, die Position zu vertreten, die die SPÖ jetzt in dieser Debatte wieder eingenommen hat.

Vom Kollegen Einem wurde die Neutralität definiert, und als einen der wesentlichen Punkte nannte er die Nichtteilnahme an Kriegen. Ich frage Sie schon, Kollege Cap, nachdem Sie ja anwesend sind: Verstehen Sie Nichtteilnahme an Kriegen nur semantisch oder verstehen Sie es wirklich als Nichtteilnahme? Was ist denn ein Krieg? – Das ist die Auseinandersetzung bewaffneter Kräfte.

Gestern hat Ihr Parteivorsitzender gesagt, die Grundhaltung, keine Kriege zu führen, ist eine der SPÖ, sehr wohl jedoch vertrete sie die Haltung, an pazifizierenden Maßnahmen teilzunehmen. Das ist ja nichts anderes als die semantische Umschreibung einer Auseinandersetzung mit Waffengewalt. Was ist denn pacem facere, die römische Pax Romana? – Das war die Unterwerfung mit Gewalt, mit Waffengewalt unter eine Großmacht. Das wollen Sie? An pazifizierenden Maßnahmen teilnehmen, weil die Leute vielleicht nicht verstehen, was darunter gemeint ist? Aber Kriege führen wollen Sie nicht? Das ist doch keine sehr ehrliche und anständige Haltung, die man in dieser Frage einnimmt, Herr Kollege.

Das Gleiche betrifft Ihre Frage mit dem Sicherheitsratsbeschluss. Sie vergessen immer wieder, wer damals Kanzler war, als das Ganze beschlossen wurde. Es war ein Sozialdemokrat, der – zugegebenermaßen, wie man hört, mit ziemlich viel Druck bei Ihnen – durchgesetzt hat, dass der entsprechende Artikel in unsere Bundesverfassung aufgenommen wurde. Und jetzt wollen Sie natürlich ganz gern hinter diesen Beschluss zurückgehen, weil einige in der SPÖ Morgenluft auf diesem Gebiet wittern. Aber den klassischen Neutralitätsstatus – und der ist einfach völkerrechtlich definiert –, den verliert man dann, Herr Kollege Cap, wenn man sich nicht danach verhält. Und wir haben gegen die klassische Neutralitätsdefinition in der Vergangenheit mehrfach verstoßen. Das wissen Sie ganz genau. Wir Freiheitlichen haben immer wieder darauf hingewiesen, aber es wurde niedergebügelt und übergangen. Jetzt würden Sie gerne nichts mehr von diesem Sündenfall wissen, doch es geht halt nicht so einfach.

Aber zurück zur Doktrin. Wir haben gehört, dass sich seit dem Zeitpunkt der Spanocchi-Doktrin, aus der damals in den siebziger Jahren dann auch der Landesverteidigungsplan entwickelt wurde, sicherheitspolitisch in Österreich nichts getan hat. Die vergangene große Koalition hat es zehn Jahre lang nicht geschafft, auf die völlig veränderte sicherheitspolitische Situation in Europa, auf den Zusammenbruch der großen Bündnisse zu reagieren, weil Sie sich nicht einigen konnten. Sie konnten sich auch im Optionenbericht nicht einigen; Sie haben es nicht geschafft. Und jetzt kritisieren Sie, dass die Sicherheitsdoktrin nur mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen wurde? Sie haben ja die Möglichkeit gehabt, das zu tun. Sie haben es nicht geschafft. Das, was Sie nicht geschafft haben, aber die anderen schaffen, kritisieren Sie. Sie haben kein Recht dazu, wirklich nicht das geringste Recht, in diesem Bereich Kritik zu üben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dazu gibt es noch etwas festzustellen, Herr Kollege Cap – wenn Sie sich vielleicht von der "Kronen Zeitung" einen Moment lösen könnten, die natürlich heute einen sehr erfreulichen Titel hat, aber von dem jetzt ganz abgesehen (Abg. Ing. Westenthaler  – auf Abg. Dr. Cap deutend –: Der ist so fasziniert von der Titelseite, dass er jetzt auch bald unterschreiben wird, glaube ich!)  –: Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Einbindung der Opposition. Das können Sie nicht leugnen. Sie können auch nicht leugnen, dass wir uns sehr bemüht haben, der Opposition alle Möglichkeiten zu geben, an dieser Arbeit mitzuwirken. In der großen Koalition war davon nicht die Rede. Das gibt es erst, seit wir Freiheitlichen mit am Regieren sind.

Wir haben diese Doktrin erarbeitet im Versuch einer engen Zusammenarbeit, die bis zum Schluss eigentlich sehr kooperativ war und an der auch Ihre Vertreter teilgenommen haben, bis sie zurückgepfiffen wurden, und zwar ganz entschieden; vermutlich von ganz links oben, vom "Alten vom Berge" oder von einem aus dieser Umgebung, von jenen, die immer wieder dann, wenn es gut gegangen ist, versucht haben, durch Zwischenrufe diese gemeinsame Arbeit, die


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Kollege Einem eigentlich beschworen hat, zu stören. Das ist leider der Erfolg. Wir haben es aber jedenfalls geschafft, diese Doktrin durchzuziehen, und wir haben klargestellt, dass dies nicht unter Verletzung, wie Kollege Einem gemeint hat, der innerstaatlichen gesetzlichen Bindungen erfolgen wird. Die gelten weiterhin. Darauf legen wir Freiheitliche großen Wert. Es wird auch in Zukunft zu keiner Bündnismitgliedschaft ohne vorherige Volksabstimmung kommen, denn die Sicherheitspolitik kann und wird nicht gegen den Willen der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung gemacht werden.

Was die militärischen Kooperationen betrifft, müsste Ihnen doch auch klar sein, dass kleine Staaten nicht mehr im Alleingang arbeiten können. Unter Ihrem Kanzler wurde der Schritt in Richtung europäische Zusammenarbeit getan, aber – und darauf legen auch wir Wert – zu einer europäischen Zusammenarbeit der souveränen Staaten, ohne Aufgabe der Letztentscheidungsmöglichkeit der österreichischen Bundesregierung. Wir und nicht ein europäischer Kommissar sollen entscheiden, wenn es wirklich sein muss, ob österreichische Soldaten irgendwo und wann in einen Einsatz gehen und niemand anderer. Das wollen wir sicherstellen und im Gegensatz zu Ihnen nicht aufgeben. Diese Verantwortung nimmt uns niemand in Österreich ab.

Die eigenartige Neutralitätsinterpretation der SPÖ habe ich schon angesprochen. Sie wollen in einem Bündnis im Rahmen der Europäer und gleichzeitig neutral sein. Um Gottes Willen! Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Das ist wie Ihre Anti-Atom-Haltung: Sie blockieren zwar das Kapitel und verhindern einen Beitritt, aber ein Veto sprechen Sie nicht aus. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. ) Diese zwiespältige Linie, die Sie die ganze Zeit vertreten, setzen Sie in der Sicherheitspolitik fort. Aber ich sage Ihnen eines: Das wird Ihnen nur noch weitere interne parteipolitische Probleme bringen (Abg. Mag. Prammer: Zerbrechen Sie sich Ihren eigenen Kopf!), denn viele auch in Ihrer Partei können diesen Gedankensprüngen nicht mehr folgen, das kann ich Ihnen sagen. Das ist eine Augenauswischerei und eine Irreführung der österreichischen Bevölkerung, die Sie versuchen. Das wird aber in Zukunft nicht mehr gehen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Sparen Sie sich solche Belehrungen!)

Nun zum Abschluss noch die Auswirkungen auf das Bundesheer selbst. Ebenso wichtig wie die Klarstellung, dass es hier keineswegs in ein NATO-Bündnis hineingeht, ist die Feststellung, dass die Möglichkeit zur Beobachtung offengehalten wird. Wir behalten die Möglichkeit im Auge. Ich behalte Sie aber jetzt auch im Auge, ohne Mitglied der SPÖ zu werden, Herr Kollege Cap. Also das ist ein großer Unterschied. Wir haben hier klargestellt, dass wir prioritär eine europäische Kooperation in diesem Bereich verfolgen, und der werden wir nachgehen. Wir werden das aber nicht in einer illusorischen Form tun, wie sie Kollege Pilz angesprochen hat, denn es gibt keinen einzigen europäischen Staat, der die Auflösung der eigenen Streitkräfte möchte, sondern in einer sehr realistischen Form, denn eine Doktrin soll etwas sein, was man in einer absehbaren Zeit umsetzen kann – und nicht ein Wunschtraum oder eine ähnliche Utopie.

Auf die Auswirkungen für das Bundesheer selbst werden meine Kollegen noch eingehen. Einen Punkt möchte ich aber trotzdem hervorheben, weil er mir besonders wichtig erscheint, nämlich die Frage der allgemeinen Wehrpflicht, die beibehalten wird.

Ein weiterer Punkt, der sich während der Debatte um die Doktrin ergeben hat, war die Frage des Terrorismus, auf die wir schon sehr, sehr frühzeitig reagiert haben. Das war schon lange in den Arbeitspapieren, die wir von der Regierung bekommen haben, enthalten und ist auch jetzt drinnen. Wir haben nicht den 11. September gebraucht, um das Problem zu erkennen und anzusprechen. Die Doktrin ist daher sehr, sehr fortschrittlich und auf dem neuesten Stand der Dinge.

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Die neue Sicherheitsdoktrin verpflichtet die Regierung zu einer umfassenden Sicherheitspolitik, die weit mehr ist, als bisher die umfassende Landesverteidigung war. Sie bezieht den Bereich der Außenpolitik, der Innenpolitik, des Innenministeriums hier mit ein, und das wird außerordentlich notwendig sein, um neuen Gefahren zu begegnen. Dem Bundesheer gibt sie – und das ist wichtig – die notwendigen Vorgaben und die Auftragsstellung, die Weichen für die Zukunft zu stellen.


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Wir wünschen dem Bundesheer bei der Umsetzung viel Glück, und ich bedanke mich bei allen Mitarbeitenden, vor allem auch bei den Beamten und Angehörigen der Ressorts, die uns in dieser Arbeit unterstützt haben, aber auch bei den Klubmitarbeitern, die teilweise sehr, sehr heftig gefordert waren. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

18.59

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Beschlussfassung dieses Entschließungsantrages ist ein wichtiger – ich würde sagen – Meilenstein für die österreichische Sicherheitspolitik in der Zukunft. Es hätte auch ein historischer Moment in der österreichischen Sicherheitspolitik sein können, nämlich dann, wenn es gelungen wäre, dass alle über ihren eigenen parteipolitischen und ideologischen Schatten gesprungen wären und dass der Konsens, der lange in Griffweite gewesen ist, auch wirklich zwischen den vier Parlamentsfraktionen herzustellen gewesen wäre.

Das ist leider nicht der Fall, aber es ist so, wie wir es von der Bundesregierung und auch die Regierungsparteien immer signalisiert haben: Wir sind bereit für diesen Konsens, wir wollen den Konsens, aber es wird jedenfalls eine neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin geben, weil sie notwendig ist. Ich bin sehr froh darüber und sehr stolz darauf, dass es nach 20 Jahren nun in Zukunft diese neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin für Österreich geben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ist ja sehr klar und strukturiert aufgebaut. Sie enthält eine umfassende Bedrohungsanalyse – ich hoffe, es wird hier auch noch darüber diskutiert –, in der genau das drinnen steht, Herr Kollege Pilz, was Sie hier als so geheim und neu als Bericht des Heeres-Nachrichtenamtes dargestellt haben, nämlich dass selbstverständlich und Gott sei Dank eine direkte militärische Bedrohung von einem Nachbarland, aber auch insgesamt eine konventionelle militärische Bedrohung sehr unwahrscheinlich geworden ist und für die nächsten Jahre sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass es aber darüber hinausgehend eine Fülle von neuen Sicherheitsszenarien und Bedrohungen für Österreich gibt, egal, ob das eine direkte oder indirekte Beeinflussung unserer Sicherheitsinteressen durch nationalistische, fundamentalistische Auseinandersetzungen in Europa oder rund um Europa darstellt – wir müssen heute zur Kenntnis nehmen, dass jede Krise, egal, wie weit oder wie nah sie von Österreich entfernt ist, eine Auswirkung auch auf unsere Sicherheitsinteressen darstellt –, oder ob das Gefährdungen durch einen militärisch organisierten und international agierenden Terrorismus sind. In dem Entwurf zur Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ist das enthalten gewesen, bevor es nach dem 11. September wohl jedem klar geworden ist, dass es diese Bedrohung gibt.

Es ist in dieser umfassenden Bedrohungsanalyse auch klar von der Gefährdung durch nichtkonventionelle Waffen die Rede, von atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen. 25 Länder der Erde, zum Teil nicht demokratisch legitimiert und kontrolliert, verfügen über derartige Kampfstoffe. Wir wissen, dass diese Länder in der Lage sind, dass manche Gruppen sogar in der Lage sind – und wir haben es ja jetzt auch gesehen –, diese Kampfstoffe einzusetzen.

All diese Gefährdungen erfordern auch eine Reaktion, und zwar im Inland, aber auch international. Deshalb ist auch die Reaktion in dem Strategieteil dieser Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin klar umrissen mit einem Schwerpunkt in der Prävention, das heißt, dass wir alles tun müssen, damit Krisen erst gar nicht entstehen und Gefährdungen abgehalten werden können, dass es letztlich einen umfassenden Sicherheitsbegriff geben muss, um diesen Gefährdungen begegnen zu können; nicht nur militärisch – das sei klar gesagt –, aber es bedarf auch einer militärischen Komponente als Ultima Ratio, wenn mit den anderen Mitteln eine Krisenbewältigung nicht möglich ist.


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Wir haben zudem ein klares Bekenntnis zu einer gemeinsamen, zu einer international organisierten Sicherheits- und Verteidigungspolitik abgelegt; in erster Linie auf europäischer Ebene, denn hier, meine Damen und Herren, ist Österreich gleichberechtigt, aber auch gleich verpflichtet als Vollmitglied der Europäischen Union in ein derartiges System der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingegliedert. Das muss man hier klarstellen, und das ist auch wichtig, weil wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass diese Sicherheitsszenarien von einem Staat allein, wie groß er auch sein mag, nicht mehr zu bewältigen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren vor allem von den Sozialdemokraten, muss man schon auch darauf hinweisen, dass die Punkte, die Herr Abgeordneter Einem hier als jene angeführt hat, die es Ihnen unmöglich gemacht haben, dieser gemeinsamen Doktrin zuzustimmen, nicht ganz der Realität entsprechen können. Wenn Sie sagen, Sie sind nicht dafür zu haben, dass die Neutralität aufgegeben wird, gleichzeitig aber sagen, dass für Sie Neutralität nur mehr bedeutet, sich nicht mehr an Kriegen zu beteiligen, dann hätten wir uns ja wohl gefunden, denn niemand in diesem Land möchte, dass Österreich und österreichische Soldaten in Kriege involviert sind, dass wir uns an Kriegen beteiligen, meine Damen und Herren.

Nur: Das ist nicht die Definition der dauernden Neutralität, so wie sie 1955 Österreich als Bedingung für den Staatsvertrag annehmen musste. Die dauernde Neutralität hat auch in Friedenszeiten Vorleistungspflichten für den dauernd Neutralen. Er darf nämlich nicht von Fall zu Fall entscheiden, ob er sich in einem Konflikt beteiligt oder nicht – das kann jeder; jedes NATO-Mitglied kann mit Ausnahme eines Verteidigungsfalles entscheiden, ob es sich an einer Aktion beteiligt oder nicht –, sondern der dauernd Neutrale, so wie Österreich das in seiner Sichtweise gesehen hat oder sehen musste, hat Vorleistungspflichten, dass er signalisiert, dass er sich auf keinen Fall in einen militärischen Konflikt involvieren lässt.

Meine Damen und Herren! Sie wissen ganz genau, dass diese Bedingung für einen dauernd Neutralen spätestens mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht mehr einzuhalten ist. Sie verteidigen hier etwas, was Sie selbst abgeschafft haben, nämlich mit dem Beitritt zur Europäischen Union und mit der damit notwendig gewordenen Verfassungsänderung, dem Artikel 23f Bundes-Verfassungsgesetz. Und es ist ein Widerspruch, ein nicht zu vereinbarender Widerspruch mit den Grundsätzen der dauernden Neutralität, was Sie unter einem Kanzler Klima in die österreichische Bundesverfassung hineingeschrieben haben: dass nämlich Österreich an Kampfeinsätzen zur Friedensschaffung, also gegen den Willen einer der Streitparteien, beteiligt werden kann. Das war nicht zu vereinbaren. Das trauen Sie sich hier nur nicht klar zum Ausdruck zu bringen.

Es ist kein Zufall, dass wir diese Frage des Status quo, die Allianzfreiheit, statt dieses Status der dauernden Neutralität nicht in den Strategieteil hineingeschrieben haben, also in unsere Konzeption für die Zukunft, sondern in die Analyse des derzeitigen Status. Wir beschreiben eine Entwicklung der letzten zehn Jahre, die Sie nachhaltig mitbestimmt haben. Aber das soll man auch gegenüber den Österreichern klar zum Ausdruck bringen. Wir schaffen nichts ab! Wir brauchen die Verfassung nicht zu ändern, sondern wir gestalten das weiter, was Sie letztlich mit Ihrer Beschlussfassung ermöglicht haben, nämlich die volle Teilnahme am Aufbau einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der Europäischen Union. Das wird unser Ziel sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Weil Sie immer so von der "bösen" NATO, von den "bösen" Amerikanern reden – das klingt so durch –: Auch wir haben hier klargelegt, dass ein Beitritt zur NATO nur nach einer Volksabstimmung erfolgt. Aber mit einer Fama sollte man hier schon aufräumen: dass in der Zeit des Kalten Krieges Österreich durch seinen völkerrechtlichen Status sicher geblieben ist – auch nicht, und das muss ich auch sagen, durch die hohen militärischen Kapazitäten. Da war man ja auch inkonsequent. Die dauernde Neutralität hätte nämlich auch militärische Strukturen umfasst – wie etwa in der Schweiz –, die uns in die Lage versetzt hätten, uns selbst zu verteidigen.


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Wir haben Glück gehabt, dass nichts passiert ist, und wir haben uns darauf verlassen, was andere für uns investieren: auf die Strukturen der NATO und letztlich auch auf die Strukturen der Vereinigten Staaten. Auch das sollte man einmal zur Kenntnis nehmen und hier voranstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir kennen heute die Auf- und Durchmarschpläne des Warschauer Paktes. Das waren die Pläne des Warschauer Paktes unter Berücksichtigung der österreichischen Neutralität (Bundesminister Scheibner hält eine Graphik in die Höhe): ein klarer Durchmarsch durch das Donautal, ein klarer Durchmarsch von Osten nach Süden gegen Italien. Das wären die Sicherheitsgarantien Österreichs gewesen! (Abg. Ing. Westenthaler: Vor allem die Burgenländer sollten sich das vor Augen halten!) Gott sei Dank mussten all diese Instrumente, auf die man sich so lange verlassen hat, nie den Wahrheitsbeweis antreten.

Herr Kollege Pilz, Sie haben gesagt, das österreichische Bundesheer hat eine symbolische Bedeutung. (Abg. Dr. Pilz: Auch der Verteidigungsminister!) Ja, auch der Verteidigungsminister. Er ist Symbol dafür, dass das österreichische Bundesheer nicht nur eine symbolische Bedeutung hat oder nur insofern eine symbolische Bedeutung hat, als wir auch etwas für unsere eigene Sicherheit tun müssen. Ihre symbolische Bedeutung, Herr Abgeordneter Pilz, das sind 220 000 Soldaten in der Grenzsicherung in den letzten zehn Jahren, Ihre symbolische Bedeutung sind Hunderttausende Arbeitsstunden österreichische Soldaten im Katastropheneinsatz, und Ihre symbolische Bedeutung des österreichischen Bundesheeres sind Tausende österreichische Soldaten in unzähligen Auslandseinsätzen, wo sie letztlich auch für den Frieden in der Welt und in diesen Regionen gesorgt haben.

Das ist Ihre symbolische Bedeutung, Herr Kollege Pilz. Ich bin stolz darauf – und ich glaube, auch die Mehrheit der Österreicher –, dass wir nicht nur eine symbolische Bedeutung, sondern eine ganz praktische Bedeutung auch für die militärische Sicherheit und damit für das Krisenmanagement in der Welt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man sollte auch dazusagen, was Ihre Ziele wirklich gewesen sind, und zwar nicht nur von den Grünen, sondern auch – das ist ja heute noch nicht so klar zum Ausdruck gekommen – von manchen Teilen der Sozialdemokraten: Man ist zwar gegen eine gemeinsame Sicherheitspolitik, vor allem, wenn sie transatlantisch ist, aber man wollte eine vergemeinschaftete Sicherheits- und Verteidigungspolitik haben.

Was heißt denn das? – Das heißt in Wahrheit: eine gemeinsame, einheitliche Euro-Armee in der Europäischen Union, das bedeutet die Abschaffung des österreichischen Bundesheeres, und das heißt auch, dass Brüssel darüber entscheidet, wohin letztlich auch österreichische Soldaten entsandt werden können.

Das ist nicht das Konzept der österreichischen Bundesregierung! Da haben wir uns wirklich unterschieden, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, denn wir wollen, dass es die Entscheidung Österreichs ist, ob österreichische Soldaten in einen internationalen Einsatz gehen, und wenn ja, in welchem Ausmaß, und wie sie darauf vorbereitet werden. Da haben wir uns wirklich unterschieden, und das sollte man hier auch klar zum Ausdruck bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Pilz: Und wie ist es mit den steirischen Soldaten?)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben richtig gesagt, dass wir eine offensive Außenpolitik brauchen; Ihr Parteivorsitzender Gusenbauer hat gestern auch etwas von der neuen Bedeutung der Neutralität gesagt und auf Kreisky verwiesen. Ich sage Ihnen: Ja, das war sicherlich eine aktive Außenpolitik in einer Zeit, als Österreich ein neutrales Land zwischen zwei Paktsystemen war. Da spielte es wirklich eine wichtige Rolle, das ist keine Frage. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich die Welt geändert, meine Damen und Herren, und das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Mit den Instrumenten und Möglichkeiten der Vergangenheit werden Sie in der Gegenwart und in der Zukunft keine Sicherheits- und Außenpolitik mehr machen können.

Wir müssen jetzt unseren guten Namen, den wir in manchen Regionen der Welt nach wie vor haben, für eine Brückenfunktion etwa von Krisenregionen zur Europäischen Union nützen, denn es ist heute nicht mehr gefragt, dass Länder außerhalb stehen, sondern es ist gefragt, dass man stark ist und Einfluss hat, um Maßnahmen auch durchzusetzen. Dies trifft auf die Vereinig


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ten Staaten zu, und es wäre gut, wenn neben den Vereinigten Staaten auch ein starkes Europa, eine starke Europäische Union Einfluss haben könnte. Wir sind noch nicht so weit, das könnte aber eine neue Rolle der österreichischen Außenpolitik und damit auch der österreichischen Sicherheitspolitik sein. Die österreichische Bundesregierung nimmt diese neue Rolle auch sehr ernst und entsprechend wahr.

Meine Damen und Herren! Sie haben als Begründung dafür, dass wir uns nicht getroffen haben, auch die Frage der UN-Mandatierung für internationale Einsätze angeführt. Da muss ich Sie auf Folgendes aufmerksam machen, Herr Kollege Einem: Sie hätten in den Artikel 23f B-VG die Bedingung einfügen können, dass Krisenoperationen der Europäischen Union nur zulässig sind, wenn sie mit einem UNO-Mandat ausgestattet sind. Aber Sie haben das nicht getan. Ich glaube, Sie haben es aus gutem Grund nicht getan.

Selbstverständlich sollte es unser aller Ziel sein, dass wir eine möglichst breite Legitimierung für internationale Kriseneinsätze haben, aber solange die Vereinten Nationen eine Struktur haben, die noch immer aus der Zeit des Kalten Krieges stammt, und ein Land aus rein nationalen Interessen eine wichtige humanitäre Aktion – nämlich das Mandat dafür – verhindern kann, kann man nicht unbedingt und in jedem Fall auf eine UN-Mandatierung abstellen. Meiner Ansicht nach wäre es unzulässig und völlig unmöglich, dass man sagt: Wir erkennen zwar an, es gibt Menschenrechtsverletzungen, es gibt die Ermordung von Hunderttausenden – wie wir es auf dem Balkan gesehen haben –, es gibt die Vertreibung von Millionen Menschen – aber wir können nichts tun, und zwar nur deshalb, weil ein ständiges Mitglied im Sicherheitsrat – wer auch immer das ist – ein Veto gegen ein UNO-Mandat einsetzt. Das kann doch nicht unser Ziel in einer Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin sein!

Unser Ziel ist es, eine möglichst breite Allianz in der Sicherheitspolitik zu haben. Aber es sind noch sehr viele Wege zu beschreiten, bis diese breite Allianz auch so ausgestattet ist, dass wir als Gemeinschaft der demokratischen Staaten eindeutig zum Ausdruck bringen, dass wir nicht bereit sind, Menschenrechtsverletzungen und Gewalt als politisches Ziel zu akzeptieren, sondern alle Möglichkeiten ausnützen werden, damit diese Politik nicht zum Tragen kommt.

Meine Damen und Herren! Wenn man schon Visionen entwickelt, dann sollte man nicht mittelfristige Optionen ausschließen, sondern darüber hinaus denken. Im Sinn dieses Darüber-hinaus-Denkens zeigt sich ja insbesondere jetzt, nach dem furchtbaren Terroranschlag des 11. September, welche Chancen es gibt, da plötzlich etwa Russland mit an Bord ist und viele Länder, die bis jetzt isoliert gewesen sind, Schritt für Schritt in diese Anti-Terror-Gemeinschaft eintreten.

Vielleicht werden wir in fünf, zehn oder 15 Jahren eine Entwicklung sehen, in der wir nicht mehr darüber diskutieren, wie viel an Neutralität und wie wenig an NATO in einem Sicherheitskonzept sein darf. Wir werden nicht mehr darüber diskutieren, was sich in der Europäischen Union entwickelt, sondern wir werden vielleicht und hoffentlich darüber diskutieren, ob wir nicht ein globales Sicherheitssystem aller demokratischen Staaten in Realisierungsweite haben können. Das wäre eine gute Vision.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei allen, die zum Gelingen dieser Sicherheitsdoktrin beigetragen haben, bedanken. Ich glaube, dass damit eine neue Fundamentierung für die österreichische Sicherheitspolitik gestaltet worden ist. Ich hoffe, dass die jetzige Nicht-Zustimmung der Opposition nur eine Unterbrechung und nicht das Ende eines sehr konstruktiven Verhandlungsverlaufes in den Ausschüssen gewesen ist. Die Sicherheit Österreichs bedarf eines nationalen Konsenses. Wir wären dazu bereit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

19.16

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn ich mir die bisherigen Redebeiträge und auch die Ausführungen des Herrn Bundesministers – wenn ich von seinem Wunschdenken und seinen Visionen ein


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bisschen Abstand nehme – in Erinnerung rufe, so glaube ich, dass wir heute hier nicht die neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin diskutieren, sondern vielmehr das Scheitern eines konsensualen Beschlusses, also das Misslingen einer Vier-Parteien-Einigung.

Ich habe Verständnis für die Argumente, denn bei der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin – Herr Bundesminister, Sie haben das ausgeführt – wäre es selbstverständlich in besonderem Maße von Bedeutung, dass ein parteiübergreifender Konsens möglich ist. Wir waren darum bemüht, doch auf Grund der starren Haltung der Regierungsfraktionen – und dort vor allem der ÖVP, möchte ich hinzufügen – war es ganz einfach nicht möglich (Abg. Dr. Spindelegger: Du warst gar nicht dabei, Kollege!), eine neue Sicherheitsdoktrin auf einer breiteren Basis zu schaffen, Kollege Spindelegger. Daher wird es dieses gemeinsame Dokument, um das wir alle seit Monaten gerungen haben, nicht geben.

Ich möchte mich dennoch dem Dank an die Beamten des Verteidigungsressorts, aber natürlich auch an die Vertreter des Außenministeriums anschließen; der Herr Botschafter ist heute hier. Sie haben uns monatelang sehr kompetent beraten und informiert. Letztlich ist es ja politisch begründet gescheitert.

Meine Damen und Herren! Was es nun geben wird, ist eine Regierungsdoktrin, eine schwarz-blaue Doktrin, nicht jedoch eine österreichische Verteidigungs- und Sicherheitsdoktrin. Das bedauere ich persönlich zutiefst – das schmerzt, meine Damen und Herren! Ich habe auch den Eindruck, dass es für viele Vertreter in diesem Ausschuss zwar um irgendein Ergebnis, aber nicht um einen Konsens gegangen ist.

Wir Sozialdemokraten waren sehr darum bemüht, konstruktive Sicherheitspolitik zu verwirklichen. Das bestätigen auch die vorliegenden Konzepte, die Ausführungen hier und unsere Presseaussendungen in diesem Zusammenhang. Ich möchte auch an den Entschließungsantrag erinnern, den wir bereits am 11. Mai 2000 hier im Hause eingebracht haben, in dem wir darum ersucht und dazu aufgefordert haben, eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin zu erarbeiten. Aber dieser Entschließungsantrag wurde von Ihnen nahezu unbegründet abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Wir waren immer um eine sehr verantwortungsvolle Sicherheitspolitik bemüht. Da ich in den Presseaussendungen und in den Zeitungen immer wieder die Stellungnahmen der ÖVP und der FPÖ lese, in denen es heißt, dass sich die Fundamentalisten in der SPÖ durchgesetzt haben, möchte ich hier feststellen: Ja, das ist korrekt – nämlich in dem Sinn, dass wir nachhaltig und fundamental um eine verantwortungsvolle Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin und eine entsprechende Politik bemüht sind! Diese werden wir auch in Zukunft vertreten, und dafür bitte ich um Ihr Verständnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir von einer verantwortungsvollen Sicherheitspolitik sprechen, wie wir sie verstehen, dann meinen wir nicht nur die militärische Dimension, sondern dann muss auch die ökonomische, die ökologische und die soziale Dimension mit eingebunden werden. Es geht uns selbstverständlich auch um eine präventive Sicherheitspolitik, und diese schließt die EU-Erweiterung und die Unterstützung beim Auf- und Ausbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen mit ein. Das ist ein zukunftsorientiertes Sicherheitsverständnis, ausgehend von dem von uns immer wieder dargestellten umfassenden Sicherheitsbegriff. Es gibt daher sicherheitspolitisch keinen zwingenden Grund, der NATO beizutreten.

Meine Damen und Herren! Ein Beitritt zur NATO führt zu keinem Mehr an Sicherheit, sondern verringert nur unseren sicherheitspolitischen Spielraum. Die NATO ist – das gebe ich gerne zu – ein gut funktionierendes Militärbündnis, aber sie kann in sicherheitspolitischen Überlegungen nicht allein die neue Sicherheitsarchitektur in Europa sein. Sie ist natürlich so konzipiert, dass der Wille der großen Mitgliedsländer zum Tragen kommt, und diese Art der Fremdbestimmung kann doch nicht in unserem Interesse sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Überlegen wir uns den Weg, den Österreich bisher gegangen ist. Durch den Beitritt zur EU und in den Verträgen von Maastricht und Amsterdam haben wir uns verpflichtet und dazu bereit er


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klärt, an der Weiterentwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin aktiv mitzuarbeiten, und zwar einschließlich der Perspektiven der europäischen Verteidigungspolitik, die Kollege Spindelegger heute hier richtigerweise angesprochen hat. Wir sind nicht amerikafeindlich, und wir haben auch keine Berührungsängste mit der NATO. Wir sind mit dabei – PfP, die Partnerschaft für den Frieden; das haben wir ja gemeinsam beschlossen. Wir haben uns aktiv beteiligt, wenn es um UN-Einsätze gegangen ist, wir sind im Rahmen der OSZE dabei; das weißt du als Außenpolitiker in besonderem Maße. Unser Einsatz und unsere Mitwirkung sind international immer wieder gewürdigt worden.

Wo liegt daher der Sinn eines NATO-Beitrittes? Worin besteht der Nutzen für Österreich? – Meine Damen und Herren, diese Fragen können Sie uns nicht zufrieden stellend beantworten. Sie begründen das oft mit Bedrohungen, denen wir eventuell ausgesetzt sein könnten. Aber nennen Sie hier ein Land, meine Damen und Herren, das Österreich militärisch bedroht! Meiner Ansicht nach ist dieses Denken in einem Freund-Feind-Schema ganz einfach fehl am Platz.

Wir haben den Analyseteil der vorliegenden Doktrin genau durchgelesen und durchgearbeitet. Man muss sagen, darin zeigt sich eine sehr beengte und enge Sichtweise, und die Sachlage wird sehr einseitig dargestellt. Diese Doktrin – das sage ich auch als Wehrsprecher – hat eher den Charakter einer Militärdoktrin. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber dieser Enge können wir ganz einfach nichts abgewinnen, denn die zahlreichen globalen Bedrohungen – internationale organisierte Kriminalität, Umweltgefahren, Bevölkerungsentwicklung, Migration, Energie- und Ernährungsprobleme – werden dort ausschließlich aus militärischer Sicht betrachtet.

Wir haben gesagt: Überlegens- und wünschenswert wäre es, wenn wir von einem umfassenden Sicherheitsbegriff ausgehen würden, der weit über den militärischen Bereich hinausgeht und auch ökologische und ökonomische Dimensionen mit einschließt sowie die soziale Kompetenz mit einbezieht. Das ist von Ihnen unberücksichtigt geblieben, meine Damen und Herren! Ich meine, Sie haben hier von Anbeginn an den falschen Weg gewählt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister! Anstatt zuerst gemeinsam die österreichische Positionierung festzulegen – das haben wir wiederholt diskutiert –, haben Sie uns mit einem Expertenentwurf konfrontiert, der heute als Vorlage hier mit Ihren Stimmen nahezu unverändert beschlossen wird. Sie haben uns von Anbeginn an vor vollendete Tatsachen gestellt. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.) Sie haben nicht den Konsens in den Mittelpunkt gestellt, sondern die Abschaffung der Neutralität in den Vordergrund gestellt, weil Sie damit den NATO-Beitritt vorbereiten wollen. Kollege Pilz hat wiederholt davon gesprochen. Ich bin nicht immer seiner Meinung, aber hier war er sehr konstruktiv und seriös tätig.

Das zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Expertenentwurf, und dafür stehen wir nicht zur Verfügung. Wir sind nicht für den Beitritt zu einem Militärbündnis, Herr Bundesminister! Das steht ganz einfach nicht zur Debatte. Wir wollen auch in Zukunft souverän über unsere Sicherheitspolitik entscheiden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

19.25

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir diskutieren die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin – ein Thema, das uns jetzt ungefähr ein Jahr lang in vielen Sitzungen und vielen Berichten beschäftigt hat. Ein Expertenbericht wurde von der Bundesregierung vorgelegt – herzlichen Dank dafür! –, weil man eine Grundlage haben muss, über die man diskutiert. Kollege Gaál, von einem "Überfahren" kann nicht gesprochen werden. Man hatte ein ausgezeichnetes Papier der Analyse zur Verfügung, das die Grundlagen und die Ausgangslage der Sicherheitspolitik unseres Landes beinhaltet hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Kollege Einem! Leider ist Genosse Gusenbauer bei der sicherheitspolitischen Diskussion heute nicht anwesend. Er hat aber gestern in einer verblüffenden Weise, möchte ich sagen, die Qua


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dratur des Kreises strapaziert. Wenn ich heute in der Überschrift der "Oberösterreichischen Nachrichten" lese, dass Genosse Gusenbauer die Neutralität-Neu mit militärischen Einsätzen will, dann muss ich mich fragen: Wo ist die Neutralität, wenn ein militärischer Einsatz geplant ist? Gegen wen ist dieser militärische Einsatz gerichtet? In letzter Konsequenz: Wie bin ich dann neutral? – Es ist die Quadratur des Kreises.

Ich meine, Gusenbauer und Genossen wissen das, auch Dr. Einem. Aber man schnürt in Österreich – fast hätte ich gesagt: ein Mogelpaket der Neutralität, obwohl man weiß, dass diese Neutralität eine andere Entwicklung genommen hat. Man legt in buntem, schillerndem Papier eine Schachtel auf den Gabentisch der Österreicher und hofft, dass niemand hineinschaut. Dann könnte nämlich aufgedeckt werden, dass in dieser Schachtel nicht mehr das drinnen ist, was von der SPÖ in Sachen Neutralität vorgegaukelt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Einem! Daraus, dass Sie gesagt haben, Sie sind gegen eine Kriegsbeteiligung und deswegen für die Neutralität, möchte ich nicht schließen, dass alle anderen für die Kriegsbe-teiligung sind. (Abg. Dr. Einem: Umso besser!) Ich hoffe, Sie wollten das nicht suggerieren; sonst müsste ich hier sehr vehement widersprechen, das wissen Sie.

Sie sprechen sich so heftig dagegen aus – Kollege Gaál hat das auch getan, jetzt ist er leider Gottes hinausgegangen, und der einzige Vertreter, der noch hinter den Verhandlungen steht, ist Dr. Einem (Abg. Kiss: Die kommen alle abhanden!)  –, nur weil die Regierung die Realität der Sicherheitspolitik, auch Europas, zur Kenntnis nimmt: dass es eine NATO gibt, dass wir uns selbstverständlich mit dieser NATO auseinander zu setzen haben und sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir uns danach ausrichten müssen und im Ernstfall froh sein müssen, wenn wir die NATO in letzter Konsequenz für uns haben. Wenn wir diese NATO so definieren, dass wir sie im Auge behalten wollen, dann erklären Sie der Öffentlichkeit: Wir können dieser Doktrin nicht zustimmen, weil die österreichische Regierung, und die ÖVP im Besonderen, den NATO-Beitritt und die Abschaffung der Neutralität will. – Ich meine, das ist eine sehr einfache, um nicht zu sagen: äußerst primitive Argumentation.

Herr Dr. Einem, es ist Realitätsverweigerung, wenn Sie unserer Bevölkerung, den Österreichern, in diesem Zusammenhang etwas vormachen, was einfach nicht stimmt. Das Schlimme daran ist, dass Sie dies hier wider besseres Wissen behaupten. Wenn Sie auch darauf aufmerk-sam machen, dass es Strecken gegeben hat ... (Abg. Dr. Einem spricht mit einem Bediensteten der Parlamentsdirektion.)  – Entschuldigung, dass ich Sie unterbrochen habe! Da in der Sozialistischen Partei nur noch einer da ist, der sich um die Sicherheitspolitik kümmert, sollte er nicht in eine Unterhaltung hineingezogen werden.

Sie haben gesagt, es hat Strecken gegeben, da konnte man wirklich meinen, es könnte einen Konsens geben; darin möchte ich Ihnen zustimmen. Kollege Spindelegger hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass dies unserer Meinung nach tatsächlich der Fall war und auch Ihre Beiträge in den Verhandlungen durchaus in diese Richtung gezeigt haben. Aber wir erinnern uns auch daran, dass wir gerade dann, wenn solche Gespräche stattgefunden hatten, vor der nächsten Sitzung eine Presseaussendung zur Kenntnis nehmen mussten, in der Genosse Guger-, nein, Gusenbauer, Genosse Fischer ... (Abg. Gaál: Gugerbauer?) Es kann auch Guger-bauer sein, Kollege Gaál, das spielt keine Rolle. – Man hat uns wissen lassen: Diese Doktrin findet keine Zustimmung! – Das ist der Verlauf der Diskussion gewesen, und deswegen sind wir davon überzeugt, dass der Wille vorhanden war, Sie aber leider zurückgepfiffen worden sind.

Geschätzte Damen und Herren! Diese Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin bedeutet schon vom Namen her einen Unterschied. Wir hatten bisher eine Landesverteidigungsdoktrin und sind jetzt dazu übergegangen, eine umfassende Sicherheitsdoktrin zu formulieren. Das bestätigt auch, dass neben der Landesverteidigung – dem Schwerpunkt Landesverteidigung, den Kollege Gaál als Wehrsprecher als zu ausgeprägt empfand –, neben dem Landesverteidigungsmi-nisterium auch das Außen- und das Innenministerium befasst waren. Daher sieht man schon im Ansatz, dass eine neue Sicherheitspolitik das Ziel dieser Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ist, sodass es keine Landesverteidigungsdoktrin mehr ist, Kollege Gaál.


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Ein wesentlicher Unterschied ist, dass man der Prävention Rechnung tragen will (Abg. Dr. Lichtenberger: Wo?), dass man vorbeugen möchte, dass man Konflikte im Entstehen verhindern möchte, dass man in den sensiblen Gebieten alles daransetzt, die Demokratie zu stärken und die Wirtschaft in diesen Ländern zu unterstützen, dass man der Arbeit Rechnung trägt, dass man die Sozialsysteme entsprechend unterstützt und dass man den Rechtsstaat ... (Abg. Dr. Einem: So steht es auch in Ihrer Doktrin drin!) Sie haben das gelesen und ich auch, deswegen wissen wir, dass das drinsteht. Wir können dann im Anschluss die Stelle finden, weil ich sie kenne, und Sie ebenfalls, Kollege Einem.

Leider reicht meine Zeit nicht aus, um Ihnen heute all das mitzuteilen, worum es uns bei dieser Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin gegangen ist, und Ihnen zu sagen, wie notwendig es für die Sicherheit eines kleinen Landes wie Österreich ist, seine Sicherheitsarchitektur in Solidarität mit den anderen aufzubauen und in diesem Rahmen mitzuwirken. Wir haben ein entsprechendes Bedrohungsszenario und die Sicherheitsrisiken nicht erst seit dem 11. September, sondern schon davor definiert und im Nachhinein auch die Sichtweise im Analyseteil entsprechend formuliert.

Kollege Pilz! Wir wissen, dass es in den nächsten acht, neun, zehn Jahren zu keinem Krieg gegen Österreich kommen wird. Da haben Sie ausnahmsweise Recht. Aber zu meinen, dass man, weil es in einer Gemeinde acht Jahre lang nicht gebrannt hat, in dieser Gemeinde und rundherum die Feuerwehr abschaffen soll – das kann es nicht sein! Diesen Weg wollen wir auch in der Sicherheitspolitik unseres Landes nicht gehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben uns nach europäischen Sicherheitskriterien verpflichtet. Wir sind Solidaritätsverträge mit der UNO und der PfP – Partnerschaft für den Frieden – eingegangen. Wir haben die Amsterdamer Verträge unterschrieben. Das alles sind Verträge der Solidarität, in denen wir Stellung bezogen haben. Da sagen wir nicht neutral: Jawohl, wir sind auf beiden Seiten oder auf keiner Seite, sondern wir beziehen Stellung in unserer Sicherheitspolitik.

Wir haben das gemeinsam unterzeichnet, Kollege Einem, und heute sagen Sie: Wir können nicht zustimmen, weil wir dann nicht mehr neutral sind!, und decken mit der linken Hand Ihre Unterschrift unter die Solidaritätserklärungen zu! – So sollten wir meiner Ansicht nach die österreichische Bevölkerung nicht informieren. Das sind Mogelpakete, die wir nicht nötig haben. Wir sollten die Dinge beim Namen nennen und darüber informieren, was Sicherheit für Österreich bedeutet.

Meine Damen und Herren! Diese Doktrin ist der gute, der berechenbare, der solide Weg für unser Land und für die Sicherheit sowie – das füge ich hinzu, weil ich Wehrsprecher bin – der Auftrag für unser Bundesheer und für unsere Soldaten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Großruck: Das war glasklar! – Abg. Kiss: Das mit der Feuerwehr hat sogar der Pilz verstanden!)

19.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

19.36

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir als erster Frau, die hier am Rednerpult zum Thema Sicherheitsdoktrin spricht, dass ich mir das Ganze etwas grundsätzlicher ansehe. Die Vergangenheitsbewältigung über das Zustandekommen oder Nicht-Zustandekommen einer Vier-Parteien-Einigung ist ja schon hinreichend betrieben worden.

Als die Ankündigung der Regierungsparteien erfolgte, nun eine umfassende Sicherheitsdoktrin schaffen zu wollen, die nicht nur die militärischen Aspekte berücksichtigen würde, habe ich dies zunächst für eine faszinierende und interessante Idee gehalten. (Abg. Großruck: Aber!) Niedergeschlagen hat sich davon weder im Dokument noch in den Beratungen irgendetwas.


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An den Beratungen im Ausschuss hat von seiten der Regierung nur der Verteidigungsminister teilgenommen. Heute sitzt wiederum nur der Verteidigungsminister auf der Regierungsbank. (Abg. Murauer: Das stimmt ja nicht! Die Frau Außenministerin hat teilgenommen, der Herr Innenminister hat teilgenommen! Waren Sie da nicht im Ausschuss?) Als Herr Kollege Jung gesprochen hat, hat er für die Umsetzung der Verteidigungsdoktrin beziehungsweise der so genannten Sicherheitsdoktrin nur dem österreichischen Bundesheer besonders viel Glück gewünscht. (Abg. Jung: ... war der Verteidigungsminister da!) Das heißt, die Sprache ist klar. Sie haben sich längst von einer allgemeinen, einer wirklich umfassenden Definition von Sicherheit verabschiedet und sich rein auf die militärische Sicherheit konzentriert. (Abg. Jung: Haben Sie das auch gelesen?) Das war für Sie das Ziel und das Einzige, was Sie offensichtlich wirklich interessiert hat. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Murauer: Sie haben es nicht gelesen!)

Zur Frage sozialer Sicherheit, zur Frage von echter Krisenprävention in einem umfassenden Sinn – nicht nur wahrgenommen vom Bundesheer, wie sich Herr Kollege Jung das wünscht – finden Sie nichts dort, wo beschlossen wird. Sie finden einige schöne Erklärungen in der Einleitung, aber es ist eben ein Unterschied zwischen dem, was in der Einleitung steht, und dem, was dann im ausführenden Teil enthalten ist.

Sie haben die Chance verpasst, eine wirklich umfassende Sicherheitsdoktrin zu schaffen, die nicht nur das Innenministerium, das Verteidigungsministerium und das Außenministerium in ein Boot bringt, sondern wirtschaftliche und soziale Fragen für die Prävention – natürlich für die Krisenprävention – zentral in eine Sicherheitsdoktrin mit integriert. Meine Damen und Herren! Und wenn Sie es bei Ihrem eigenen Antrag nicht glauben – mir scheint es fast so zu sein –, dann lesen Sie doch bitte das Kapitel "Teilstrategien". Lesen Sie das Kapitel "Außenpolitik", und schauen Sie sich an, wie viele Punkte davon sozusagen in militärischer Relevanz liegen und welche zumindest mit einem umfassenden Außenpolitikbegriff irgendetwas zu tun hätten.

Wenn Herr Kollege Murauer, der vorhin von Prävention, die da so großartig im Mittelpunkt dieser Sicherheitsdoktrin stehen würde, geschwärmt hat, dann möchte ich ihn schon fragen, ob er nicht den falschen Zettel mitgenommen hat und in Wirklichkeit eine gesundheitspolitische Stellungnahme vom Herrn Kollegen Grünewald in der Hand hatte, als er über Prävention gesprochen hat. Prävention in echtem Sinne ist nicht ausreichend berücksichtigt, nicht so umfassend betont, wie Sie das ursprünglich angekündigt hatten. Verpasste Chancen auf der ganzen Linie! So ist das nicht akzeptabel, natürlich auch nicht für uns! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Murauer: Haben Sie das überhaupt gelesen?)

Der zweite Punkt in dieser Doktrin, der mich gehörig ärgert, ist schon allein die Überschrift "Von der Neutralität zur Solidarität". (Abg. Murauer: Und da finden Sie Prävention nicht?) Jemand, der Solidarität überhaupt nur mehr militärisch verstehen kann, Herr Kollege, jemand, der unter Solidarität nur die Beteiligung an Kampfeinsätzen versteht, hat wahrscheinlich irgendetwas in seiner Sozialisation verpasst, als es darum gegangen ist, solidarisch zu sein und das auch in der Praxis zu lernen und zu üben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne Präventionsbegriff kommt man heute in einer sicherheitspolitischen Debatte nicht aus, ist eine sicherheitspolitische Debatte überhaupt nicht zu führen.

Und nun bin ich beim Kernbegriff der Auseinandersetzung, weil Sie das ja so wunderschön weiterentwickeln: von der Neutralität zur Solidarität! Ja, genau wir als neutrale Staaten hätten die größte Chance, die größte Möglichkeit nicht nur der Beeinflussung der sicherheits- und militärpolitischen Debatte in Europa in Richtung eines neuen Verteidigungssystems, eines neuen europäischen Sicherheitssystems, sondern wir haben jetzt, meine Damen und Herren, die größten Chancen im Hinblick auf eine aktive Neutralitätspolitik, auf eine aktive Friedens- und Krisenpräventionspolitik. Das ist allerdings schwierig und kostspielig, und deswegen wollen Sie es nicht tun. Sie sind aber sehr wohl bereit, sehr viel Geld für sinnlose Abfangjägerankäufe auszugeben. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich komme zu einem weiteren Punkt, den ich an der Doktrin sehr negativ finde und der mich beim Lesen zunehmend geärgert hat. (Abg. Böhacker: Schon wieder! Sie müssen sich aber oft ärgern!) Wissen Sie, wie die Aufzählungsreihenfolge immer dann war, wenn die Aufzählung von Gefahren in Europa erfolgt ist? – Internationaler Terrorismus, Kriminalität und dann sofort die illegale Migration und manchmal sogar nur die Migration. Eine der größten Gefahren, die Sie in Europa sehen, ist die Migration! (Abg. Jung: Ich hab’ gedacht, es stehen nur militärische Dinge drinnen!) Wenn Sie auf dem Analyseteil, den Sie nach dem 11. September nicht überarbeitet haben, aufbauen, ist es kein Wunder, dass Sie hier eine Sicht demonstrieren, die parteipolitisch motiviert ist, mit einem Angstmachen vor Migration operiert und die überhaupt nichts damit zu tun hat, wo wahre Bedrohungen vorliegen und wo auch Prävention ansetzen könnte und müsste. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Pilz ist dagegen eine Wohltat, der hat wenigstens eine Ahnung, wovon er redet!)

Meine Damen und Herren! Sie haben mit dieser Doktrin eine Riesenchance versäumt. Sie haben die Chance versäumt, aus einer aktiven Neutralitätspolitik eine sicherheitspolitische Rolle für Österreich in Europa zu entwickeln. Sie haben es versäumt, Meilensteine zu setzen, indem Sie den Konsens über die Parteigrenzen hinweg wirklich gesucht hätten. Wenn man in Ihren Augen Gesprächsbereitschaft nur signalisiert, solange man sich dem anderen vollinhaltlich anschließt, ohne eine eigene Meinung zu haben, dann, muss ich sagen, liegt bei Ihnen ein großes Missverständnis demokratischer Kultur vor. Aber vielleicht lernen Sie das auch noch. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: Sie sollten das lernen! – Abg. Jung: Engagiert ist sie aber schon!)

19.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

19.45

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt einige Argumente von Seiten der Opposition gehört, die angeblich gegen diese neue Sicherheitsdoktrin sprechen.

Wenn Kollege Pilz behauptet, dass das österreichische Bundesheer in der Zeit des Kalten Krieges so wenig gerüstet war, so stimmen wir ihm zu. Auch wir haben das immer beklagt, und es ist eine Tatsache, Herr Kollege Pilz, dass Sie nicht wegen des Bundesheeres auf die Segnungen des realen Sozialismus verzichten mussten, sondern wegen der von Ihnen so gescholtenen NATO. (Demonstrativer Beifall des Abg. Egghart. ) Dass Sie, Herr Kollege Pilz, ihr deshalb gram sind, verstehen wir. Bei uns Freiheitlichen ist es allerdings gerade umgekehrt: Wir sind froh, dass wir dank der Abschirmung durch die NATO nach dem Zweiten Weltkrieg die längste Zeit des Wohlstands erleben durften.

Von Seiten der SPÖ, gerade von Ihrer Seite, Herr Kollege Dr. Einem, ist ein Vorwurf gekommen, der zurückzuweisen ist. Sie haben nämlich gesagt, diese Regierung nehme es mit der Verfassung nicht so ernst. Dieser Vorwurf ist Ihnen zurückzugeben, denn Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, nehmen es mit der von Ihnen geschaffenen Verfassung nicht ernst. Diese Regierung – und darauf können wir klar beharren – macht keine Verfassungsänderung. Diese Regierung beschreibt die verfassungsmäßige Realität, die uns von Seiten der SPÖ hinterlassen worden ist. Sie schenkt den Menschen reinen Wein ein hinsichtlich dessen, was Sie in diesem Bereich gemacht haben.

Sie hingegen – das war auch in der Rede Ihres Parteivorsitzenden gestern zu hören – wollen der Bevölkerung ein X für ein U vormachen. Es war allerdings die SPÖ, die die Neutralität de facto abgeschafft hat. Der Herr Bundesminister ist bereits darauf eingegangen. Die SPÖ war es auch, die Österreich mit der "Partnerschaft für den Frieden" de facto in die NATO geführt hat. Wir haben das damals als Oppositionspartei durchaus kritisch begleitet, aber grundsätzlich begrüßt.

Meine Damen und Herren! Bei allen Konferenzen der Regierungschefs nach unserem Beitritt zur EU haben SPÖ-Kanzler alle EU-Beschlüsse zur gemeinsamen Sicherheits- und Verteidi


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gungspolitik mitgetragen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schasching: Das ist ja ganz was Neues!)

Dann allerdings – und jetzt verstehe ich auch die Klimmzüge, die Sie andauernd machen – kamen diese SPÖ-Kanzler aus Amsterdam, aus Berlin oder wo auch immer sie gewesen sind zurück nach Österreich und haben zu Hause – ich weiß nicht, wie das in Ihrer Partei heißt – im Ältestenrat oder wo auch immer das Kleingedruckte gelesen, das sie dort unterschrieben haben, und sie kamen zu der Erkenntnis: Jessas, jetzt haben wir die Neutralität aufgelöst! Aber es ist nicht so schlimm, wir sagen es einfach nicht laut. – Das ist der Trick der SPÖ.

Ab da wurde die SPÖ – das ist die Zeit des Optionenberichts, den Sie mit Ihrem damaligen Koalitionspartner ÖVP zu erstellen versucht haben – zur politischen Sportlerpartei: Klimmzüge, Salti rückwärts, ewiggestrige Argumente – wir konnten sie heute auch wieder hören – wurden ausgegraben, und der Schweiß fließt bei Ihnen in Strömen. Allein, meine Damen und Herren von der SPÖ, ich kann Ihnen sagen, es wird Ihnen nichts nützen. Die Zeit geht weiter, ob die SPÖ das will oder nicht. (Abg. Schasching: Das werden wir nach der nächsten Sportveranstaltung diskutieren!)

Sie haben auch beklagt, dass diese Sicherheitsdoktrin nicht weit genug gefasst ist. Diese Sicherheitsdoktrin schafft – der Herr Minister ist darauf eingegangen – einen umfassenden Sicherheitsbegriff. Auch die Bedrohungsbilder werden umfassend dargelegt. Lesen Sie doch einmal diese Sicherheitsdoktrin, beispielsweise die Seite 9: konsequentes Eintreten für die weltweite Achtung der Menschenrechte, Leistung eines angemessenen Beitrages zu den internationalen Bemühungen um Friedenssicherung, Konfliktverhütung, Krisenbewältigung, Krisennachsorge, Unterstützung der Länder der Dritten Welt bei ihren Bemühungen um wirtschaftliche, soziale, demokratische und ökologische Entwicklung, Verbesserung des internationalen Umweltschutzes.

Meine Damen und Herren! Diese Sicherheitsdoktrin stellt sicher, dass Österreich auch in Zukunft eine erfolgreiche, moderne und gute Sicherheitspolitik machen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte.

19.49

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Kollegen Anton Gaál und Kaspar Einem haben inhaltlich dargestellt, warum es den Sozialdemokraten nicht möglich war, einem von vier Parteien unterstützten Antrag zur Sicherheitsdoktrin zuzustimmen. Es waren zwei Knackpunkte – wir haben sie ausführlich diskutiert –, die ich aber noch einmal emotional etwas durchleuchten möchte.

Auf der einen Seite stehen die Sozialdemokraten, die sagen: Wir wollen die Neutralität für Österreich bewahren, wir wollen eine Neutralität, die es ermöglicht, friedenserhaltende Maßnahmen mit UNO-Mandat durchzuführen. Auf der anderen Seite steht die Regierung, die zwar meint, es gehe nur um Bündnisfreiheit, die aber letztendlich den Weg in die NATO über ein Hintertürchen offen lassen will.

Meine Damen und Herren! Ich habe bis heute – und ich habe auch seit Mai an den Sitzungen der zuständigen Ausschüsse teilgenommen – nicht erkennen können, warum die ÖVP und auch die FPÖ aus der Neutralität so vehement hinauswollen. Hierfür wird es sicher eine Erklärung geben, ich habe eine solche bisher allerdings noch nicht feststellen können. Man ist uns diese Erklärung einfach schuldig geblieben!

Meine Damen und Herren! Wenn man nach dem Warum fragt, dann, so meine ich, sollte man sich auch etwas mit der Geschichte beschäftigen. Wir haben es gehört – und der Herr Bundesminister hat uns sogar einen Angriffsplan des Warschauer Paktes gezeigt – und wir wissen, der Warschauer Pakt war eine ernste Bedrohung des Westens. Allerdings ist diese Zeit über


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standen und vorbei. Es ist nicht so, dass wir morgen mit feindlichen Maßnahmen aus dieser Richtung rechnen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass Österreich in der nächsten Zeit keine Angst haben muss, militärisch von irgendjemandem angegriffen zu werden, zumal wir ja auch wissen, dass die NATO uns in naher Zukunft umringen wird. Wir werden also hier im Schoß der NATO jegliche Art von Sicherheit genießen dürfen, und zwar nicht als Schmarotzer, sondern aus einem bestimmten Verständnis der Neutralität heraus. (Abg. Murauer: Sondern als was?)

Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Geschichte der letzten 100 Jahre verweisen; wir haben ja heute bereits von der Zeit vor 50 Jahren gesprochen. Wir wissen, dass das letzte Jahrhundert fürchterliche Auseinandersetzungen mit sich gebracht hat. Ich denke an 1914, den Ersten Weltkrieg. Auch damals sind wir im Rahmen eines Bündnisses siegestrunken in eine Auseinandersetzung gelaufen, die zum Desaster wurde. Wir wissen, dass 1939 unter einem expansionsbesessenen Wahnsinnsregime eine Platzbeschaffung in Europa hätte durchgeführt werden sollen, die Gott sei Dank nicht erreicht wurde.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass auch der bürgerkriegsähnliche Zustand im Österreich der Zwischenkriegszeit nicht vergessen werden sollte. So etwas darf nie mehr wieder passieren! Und daher, meine Damen und Herren, rührt auch das Bedürfnis der Bevölkerung nach Sicherheit und Frieden, nach lang anhaltendem, dauerhaftem Frieden, und den sieht die Bevölkerung nun einmal in der Neutralität gegeben.

Die Neutralität ist der Zankapfel. Wir wissen: Mehr als drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher wollen sie. Sie unterstellen oder Sie sagen, die Neutralität sei untergraben, finde ohnehin nicht mehr statt. Wer hindert uns aber daran, meine Damen und Herren, die Neutralität, wie das auch Gusenbauer gesagt hat, neu zu definieren und entsprechend zu modifizieren, damit wir den Unterdrückten auf dieser Welt solidarisch helfen können, so wie wir das auch in der Vergangenheit bereits getan haben? (Abg. Jung: Sie meinen also, so wie Sie das verstehen!) Beim Ungarnaufstand ist das so gewesen, dass Österreich wegen seiner Neutralität den Verfolgten hat helfen können. (Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Natürlich war es auch so, dass während der ČSSR-Krise die Neutralität Österreichs ein Wegbereiter wertvoller Hilfe für fliehende Tschechen und Slowaken gewesen ist, meine Damen und Herren.

Tun wir doch nicht so, als hätte die Neutralität für uns in der Vergangenheit keinen Sinn gehabt! Wir haben damals einen Auftrag in Europa wahrgenommen. Ich gebe auch gerne zu, dass sie ursprünglich erzwungen war, denn es war damals der einzige Weg zur Freiheit, aber wir sind damit gut gefahren. Und wenn man sagt, die Neutralen haben auf Dauer keine Chance, dann verweise ich auf die Schweiz. Die haben es "wunderbar" verstanden, mit der Neutralität umzugehen. Wir haben mehr Verständnis für Solidarität und wollen das daher auch gemeinsam behandelt wissen. (Abg. Murauer: Der "Schweizer Weg" ist auch eine Frage der Finanzen!)

Meine Damen und Herren! Gehen wir diesen Weg gemeinsam, definieren wir die Neutralität neu. Ersparen wir uns den Weg in ein Militärbündnis, aber seien wir auch dann da, wenn man uns braucht, wenn es gilt, solidarisch zu sein, die Menschen in dieser Welt – ich gehe dabei einmal von Europa aus – dort zu unterstützen, wo sie unsere Hilfe brauchen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

19.54

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts. Diese Worte sind dem Analyseteil der Sicherheitsdoktrin vorangestellt, und sie zeigen sehr gut, dass es heute um ein wirklich wichtiges Thema geht. Ich bedauere zutiefst, dass von den Sozialdemokraten so wenige Kollegen anwesend sind. (Abg. Parnigoni: Zählen Sie einmal die Ihren! Sie haben wohl den Überblick verloren! – Abg. Murauer  – in Richtung SPÖ –: Bei Ihnen fehlen aber just Gaál, Einem und Schieder!) Umso bedauerlicher, dass es nicht zu einer Vier-Parteien-Einigung gekommen ist, einer Einigung, die der Bedeutung und Tragweite des The


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mas angemessen gewesen wäre, einer Einigung, die in dieser wichtigen innen- und außenpolitischen Frage die Geschlossenheit des Hohen Hauses hätte transportieren können. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine solche Einigung, die Österreichs Sicherheitspolitik klar, transparent und nachvollziehbar artikuliert hätte, wäre wichtig gewesen für die Österreicherinnen und Österreicher, aber auch für unsere Nachbarn und Freunde in der Europäischen Union. Ohne Zweifel ist es der Opposition vorbehalten, eine andere Meinung zu vertreten und sich insofern von der Regierung zu unterscheiden. Alles andere wäre aber ein demokratiepolitisch bedenkliches Verhalten. Doch gerade bei diesem Thema wäre ein Ziehen-an-ein-und-demselben-Strang wünschenswert gewesen, wäre ein Konsens in Rot-Weiß-Rot angezeigt gewesen.

Sicherheitspolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren, eignet sich nicht als parteipolitisches Kleingeld. Zumindest die SPÖ, wenn schon nicht die Grünen, hätte ihre staatstragende Rolle unter Beweis stellen können, zumindest sie hätte von Ihrer Fundamentalopposition abweichen und sich dem Dialog öffnen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Sicherheitspolitik war immer schon ein Stiefkind der SPÖ; darauf haben einige meiner Vorred-ner bereits hingewiesen. Ob Luftraumüberwachung, ob Ausstattung der Bodentruppen oder Beteiligung an internationalen Einsätzen – das berühmte "Njet" der Sozialdemokraten ist uns allen noch immer im Ohr. Selbst beim Beitritt zur Europäischen Union hing das sicherheitspolitische Credo der Sozialdemokraten, nämlich das Neutralitätsgesetz, wie ein Damoklesschwert über unseren Anstrengungen, und wir können heute von Glück sprechen, dass damals dieser Faden nicht gerissen ist. Heute hingegen scheint dieser Faden gerissen zu sein.

Wodurch unterscheidet sich die Position der Sozialdemokratie von jener der Regierungsfraktionen? – Durch die NATO-Option, welche ja bekanntlich mit der Neutralität nicht vereinbar ist. Laut Sozialdemokratie gilt es bekanntlich, die Neutralität zu retten, lässt es sich damit doch so einfach populistisch auf Stimmenfang gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Neutralität hatte ihre Bedeutung, hatte ihre Daseinsberechtigung und leistete zu ihrer Zeit gute Dienste. Heute hingegen, da es gilt, ein größeres, ein geeintes Europa zu bauen, da sich die neuen Bedrohungsfelder vor allem seit dem 11. September nicht mehr als bloß theoretische Überlegungen abqualifizieren lassen, heute gilt es, auf Solidarität zu setzen. Und Solidarität bedeutet eben, dass man über gemeinsame sicherheitspolitische Lösungen verhandelt, dass man sich den vielfältigen Bedrohungen gemeinsam stellt, dass man sich um das Haus des Nachbarn genauso kümmert wie um sein eige-nes. Oder würden Sie von der Sozialdemokratie, um beim Bild des Hauses zu bleiben, zwar mit Ihren Nachbarn gemeinsam eine Gartenparty veranstalten, sich aber bei einem Feuer über die neu gewonnene Aussicht freuen? Ich glaube, wohl eher nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem heute vorliegenden Entschließungsantrag bestätigt diese Regierung, dass sie sich im Herzen Europas befindet. Mit diesem Entschließungsantrag artikuliert diese Regierung, dass ihr die Sicherheitspolitik ein ernstes Anliegen ist, dass sie an den gemeinsamen europäischen Anstrengungen teilnehmen wird, dass sie es den Österreichern ganz einfach schuldig ist, dass in diesem Land eine zukunftsweisende Sicherheitspolitik gemacht wird. Freilich ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, gilt es doch aufzuzeigen, dass die SPÖ mit ihren sicherheitspolitischen Überlegungen in der Vergangenheit stecken geblieben ist. Doch wir nehmen diese Verantwortung gerne wahr, denn wie eingangs festgestellt: Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Murauer: Sehr richtig!)

19.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

19.59

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Auch ich werde, wie Sie sich ja denken können, eher auf jene Aspekte eingehen, die unserer Meinung nach in dieser Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin nicht vorkommen. Sie


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heißt eben nicht außenpolitische Doktrin oder so irgendwie, sondern sie heißt Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin. Dementsprechend sind, wie das auch bereits erwähnt wurde, die außenpolitischen Aspekte ziemlich zu kurz gekommen.

Es war schon erstaunlich, dass sogar der Wehrsprecher der SPÖ gemeint hat, auch für ihn sei diese Doktrin eher eine Militärdoktrin. In diesem Fall stimme ich ihm sehr gerne zu. Schon in der Entstehungsgeschichte kommt das zum Ausdruck, und das hat bereits meine Kollegin Lichtenberger angeführt. Zwar ist hin und wieder gesagt worden, man müsse auch die außenpolitischen Aspekte viel stärker miteinbeziehen, Sicherheit sei heutzutage umfassend zu verstehen und nicht mehr nur militärisch zu denken, aber im Geschehen rund um diese Sicherheitsdoktrin und auch um den Sicherheitsrat bis hin zum jetzt vorliegenden Text und zur Umsetzung sind einige Dinge vorgefallen, die bei mir, die bei uns ganz konkrete Zweifel wachrufen, dass das nicht stimmt. Auf der Regierungsbank sitzt nur der Verteidigungsminister, Sie von ÖVP und FPÖ wollten den Auswärtigen Rat abschaffen und sozusagen alles in einem nationalen Sicherheitsrat zusammenfassen. Dem wurde nicht Folge geleistet; wenigstens das ist gelungen.

Auch Kollege Jung hat zwar gemeint, dass Außenpolitik und Innenpolitik einbezogen werden müssten. Glück haben Sie dann aber nur dem Bundesheer gewünscht, nicht einmal dem Landesverteidigungsministerium und schon gar nicht dem Außenministerium oder dem Innenministerium. Diese Wahrnehmung spiegelt wider, was wir die ganze Zeit über erlebt haben, dass Sie nämlich vor allem die militärischen Aspekte der Sicherheit in den Vordergrund gerückt haben. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Herr Minister Scheibner! Sie haben vorhin gesagt, Österreich habe in der Zeit der Neutralität sozusagen Glück gehabt, weil es eben keine Angriffe gegeben habe und trotz der Warschauer-Pakt-Pläne zum Glück nichts passiert sei. Was aber diese Pläne des Warschauer Paktes im Endeffekt zunichte gemacht hat, das war weder das österreichische Bundesheer noch sonst ein Heer, sondern das waren die Demokratie- und Menschenrechtsbewegungen in den Staaten des Ostblocks, die das einfach nicht mehr wollten. Die sind es gewesen, die es zu Stande gebracht haben, dass diese Regimes gefallen sind und es dann in der Folge auch solche Pläne nicht mehr gegeben hat. (Bundesminister Scheibner: Und was ist mit dem NATO-Doppelbeschluss?)

Die Konsequenz daraus muss sein, dass für die Sicherheit eine friedenspolitische Außenpolitik, der Aufbau von Demokratie- und Menschenrechtsbewegungen, die Unterstützung von " good governance" , wie das mittlerweile in der Fachsprache heißt, von Antikorruptionsmaßnahmen, aber auch von wirtschaftlicher Entwicklung vorrangig sind. Das kommt auch in Ihrer Doktrin hin und wieder so ansatzweise vor. Da steht zum Beispiel: Diesen Risken kann man durch präventive Maßnahmen vor Ort begegnen, wozu umfangreiche Maßnahmen der politischen und wirtschaftlichen Unterstützung, der Mithilfe beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen sowie auch die internationale militärische Präsenz vor Ort zählen.

Sie gehen also schon ein auf die politische und wirtschaftliche Unterstützung, aber sie kommt dann in den Maßnahmen, die Sie vorhaben, nicht wirklich vor. Ich möchte hier nur einige Punkte aufgreifen.

Zu den außenpolitischen Aspekten der Sicherheitspolitik gehört ein konsequentes Eintreten für die weltweite Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts. – No na! Aber wie sieht es dann beispielsweise im parlamentarischen Menschenrechtsausschuss aus? Dort ist es nicht einmal möglich, dass auch die Regierungsfraktionen für Anträge stimmen, in denen Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Ländern kritisiert werden und die Regierung aufgefordert wird, sich auch dagegen zu äußern. (Abg. Jung: Sie verwechseln da etwas!) Nicht einmal so etwas ist möglich, aber auch das gehört zur Umsetzung, Herr Kollege Jung. Auf keinen Fall ist das ein konsequentes Eintreten für die Achtung der Menschenrechte.

Oder die Unterstützung der Länder der Dritten Welt: Herr Kollege Spindelegger! Sie haben gesagt, dass man nicht glauben solle, dass man Sicherheit haben kann, ohne einen eigenen Beitrag zu leisten. Sie haben damit wohl auch den finanziellen Beitrag gemeint, und da stimme ich Ihnen sehr wohl zu. Aber Österreich ist zurzeit bei den für die Entwicklungszusammenarbeit ein-


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gesetzten Geldern fast Schlusslicht, und Sie wissen das ganz genau. Auch jetzt, bei der Erarbeitung des Gesetzes, gab es von Seiten der Regierungsfraktionen keine Zusage, hier eine Steigerung der Mittel vorzusehen oder Entschuldungsmaßnahmen in einem größeren Ausmaß durchzuführen. Zum außenpolitischen Aspekt sagen Sie hier also Dinge, die Sie nicht vorhaben, auch umzusetzen.

Internationale Umweltpolitik, Rio-Prozess: Was steht dazu drinnen? Nichts! Etwas Konkretes steht nur für den Bereich der Verteidigungspolitik drinnen. Da steht dann beispielsweise drinnen: Das Landesverteidigungsministerium soll alle zwei Jahre ein Weißbuch herausgeben. – Da steht also schon Konkretes drinnen. (Bundesminister Scheibner: Das ist doch gescheit – oder?)

Ja, aber für den Bereich der Außenpolitik steht nichts drinnen! Das spiegelt einfach wider, dass es Ihnen vor allem um den Bereich der Verteidigung geht, um den Bereich der militärischen Sicherheit, aber nicht um eine friedenspolitisch orientierte Außenpolitik. Diese Ihre Vision spiegelt sich auch genau im Text des Antrages wider. Darin geht es zum Beispiel auch um die Erweiterung der NATO, was ein wichtiger sicherheitspolitischer Aspekt sei, die Erweiterung der EU hingegen kommt nicht vor. Sind Ihnen da wieder die Freiheitlichen mit ihrer Anti-Erweiterungslinie in die Quere gekommen und mussten Sie sich daher auf die Erweiterung der NATO beschränken? Ist die Erweiterung der EU – vor allem eine rasche Erweiterung – vielleicht doch nicht das Richtige? (Beifall bei den Grünen.)

Wofür wir stehen und was in Ihrem Papier nicht vorkommt, ist die Neutralität. Sie sprechen eben nur von einem allianzfreien Österreich. Die Neutralität ist für Sie etwas aus der Mottenkiste der Geschichte, für uns ist sie das nicht. Neutralität kann auch in einem demokratischen, europäischen Sicherheitssystem eine Rolle spielen. Sie ist kein Trugbild, Herr Kollege Spindelegger, und Sie wissen das ganz genau. Sie war es auch in der Vergangenheit nicht. Österreich hat seit 1960 – das brauche ich Ihnen nicht zu sagen – 40 000 Soldaten an UNO-Operationen teilnehmen lassen. Auch das bedeutet Solidarität! (Abg. Dr. Spindelegger: Haben Sie das Neutralitätsgesetz gelesen? Lesen Sie es einmal! Abschnitt I und Abschnitt II! "... mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen" steht da drinnen!)

Was auch notwendig wäre, was aber hier nicht vorkommt, sind österreichische Initiativen für globale Rechtsstaatlichkeit. Es müsste auch um eine globale Verantwortung Österreichs in wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Belangen gehen und nicht nur um die wirtschaftlichen Interessen Österreichs. International mittel- und langfristig nur die Interessen Österreichs wahrzunehmen, das reicht schon lange nicht mehr, wenn man nicht zugleich auch diese globale Verantwortung wahrnimmt.

In diesem Sinne: Sie wissen, dass und warum wir dieser Doktrin nicht zustimmen können. (Beifall bei den Grünen.)

20.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

20.07

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der heutige Tag ist ein wichtiger Tag. Nach mehr als 25 Jahren erhält Österreich eine neue, moderne Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin.

In nur wenigen Monaten ist eine sehr gute Arbeit geleistet worden, was nicht nur auf die akribischen Vorarbeiten der Beamten und Fachleute zurückzuführen ist, denen in diesem Zusammenhang zu danken ist, sondern auch auf die Bemühungen des Vorsitzenden des Unterausschusses. Wolfgang Jung hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder um sachliche Kompromisse und um die Einbindung aller politischen Kräfte in diesem Haus bemüht, wie das vom Kollegen Spindelegger auch fairerweise anerkannt worden ist.


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Dass es letztlich zu keiner Einigung gekommen ist, das hat mich doch überrascht, denn im Unterausschuss hat man lange Zeit durchaus den Eindruck gewinnen können, dass es ein hohes Maß an sachlicher Übereinstimmung gibt. Die Anregungen der sozialdemokratischen Abgeordneten sind aufgenommen und berücksichtigt worden. Wer ihnen schließlich sozusagen den Rückzugsbefehl gegeben hat, darüber hat Kollege Jung bereits spekuliert. Ganz offensichtlich hat sich bei Ihnen die alte sozialistische Denkrichtung und nicht "New Labour" durchgesetzt.

Es ist das gute Recht der Opposition, zu sagen: Das alles reicht uns nicht, wir wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen und so tun, als habe sich seit 1955, seit dem Staatsvertrag und dem Neutralitätsgesetz nichts mehr geändert! Wie glaubwürdig eine solche Argumentation ist, das, meine Damen und Herren, ist allerdings eine andere Sache, denn dass sich die Neutralität wesentlich geändert hat, ist nicht erst seit den Petersberg-Aufgaben allen klar. Aber das muss die österreichische Sozialdemokratie, die als staatstragende Partei meiner Ansicht nach abgetreten ist, ihren Freunden in der Sozialistischen Internationale wohl erst einmal erklären.

Die Regierungsparteien können es sich nicht so einfach machen. Nach dem Ende des so genannten Ostblocks und den Umwälzungen der vergangenen Jahre, vor allem des vergangenen Jahrzehnts, war es hoch an der Zeit, den neuen welt- und europapolitischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Das vorliegende Konzept stellt ganz auf diese geänderte Lage ab, es ist umfassend und aktuell konzipiert. Es geht nicht mehr ausschließlich von militärischen Szenarien, etwa dem Fall der klassischen Landesverteidigung, aus, sondern es berücksichtigt ganz konkret auch die neuen Bedrohungsformen, die offensichtlich einigen Abgeordneten in diesem Haus entgangen sind, nämlich die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, die in diesem Konzept sehr wohl enthalten ist, oder auch die Frage des internationalen Terrorismus, die organisierte Kriminalität, Frau Kollegin, die Ihnen entgangen zu sein scheint, die destabilisierenden Rüstungsentwicklungen und viele andere Entwicklungen mehr. (Abg. Dr. Lichtenberger: Nur einem sind sie nicht entgangen!)

Wir Freiheitlichen stehen deshalb zu dieser neuen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin. Wir wollen nicht erst – wie das die Sozialdemokraten immer ansprechen – auf eine künftige vergemeinschaftete EU-Politik warten! Der Herr Bundesminister hat bereits sehr deutlich ausgeführt, wann und wo österreichische Soldaten eingesetzt werden, und das muss auch weiterhin die Entscheidung der österreichischen Instanzen bleiben.

Abschließend noch einige kurze Bemerkungen zu dem Scheinargument der Opposition, sie könnte dieser Doktrin aus Neutralitätsgründen oder deshalb, weil diese direkt in die NATO führe, nicht zustimmen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. ) Die Koalition stellt nüchtern die heutige Realität fest. Das ist Ihnen schon von mehreren Rednern erklärt worden, Frau Kollegin: Österreich ist derzeit ein allianzfreier Partner in der EU. Sie hätten nur auf Seite 10 Punkt 14 betreffend außenpolitische Aspekte der Sicherheitspolitik nachlesen müssen. Dort heißt es im Konjunktiv – also in der Möglichkeitsform –, dass ein Beitritt zur NATO nur mit Zustimmung der Bevölkerung nach einer Volksabstimmung erfolgen würde. Das ist wohl eindeutig! Ich hoffe, dass das jeder versteht, der lesen kann! Ich meine, dass nur jemand, der das absichtlich missverstehen will, aus taktischen Gründen zu anderen Überlegungen kommen kann. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

20.12

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Beschluss der Sicherheitsdoktrin von ÖVP und FPÖ titelten die "Oberösterreichischen Nachrichten" – ich habe die Zeitung mitgenommen – "Aus ‚neutral’ wird ‚allianzfrei’". – Es lässt einen schon aufhorchen, wenn Außenstehende über die Sicherheitsdoktrin schreiben, dass die Regierung das Wort "Neutralität" vermeidet und es in Richtung "Allianzfreiheit" umschreibt! Dazu sage ich jetzt: Das ist ein Davonschleichen aus der Neutralität! (Abg. Jung: Den ersten Schritt hat ein sozialdemokratischer Kanzler gemacht!) Das


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ist eine Aushöhlung der Neutralität und die Vorbereitung auf einen NATO-Beitritt! (Abg. Jung: Sie haben mitgestimmt!)

Herr Kollege Jung! Das passt auch ganz wunderbar in das Bild, das der Herr Bundeskanzler am 1. Mai des heurigen Jahres gemalt hat, indem er gemeint hat, dass Neutralität, Lipizzaner und Mozartkugeln alte Hüte seien! (Bundesminister Scheibner: Das hat er am 26. Oktober gesagt!) Danke, Herr Minister! Er hat am 26. Oktober gesagt, Neutralität, Mozartkugeln und Lipizzaner seien alte Hüte. (Zwischenruf des Abg. Edler.  – Abg. Jung: Wer hat denn die Verfassung geändert? Waren das nicht Sie?)

Die NATO wird offensichtlich von der ÖVP als einzige europäische Sicherheitskomponente gesehen. Tatsache ist aber, dass Österreich ein neutraler Staat ist, und das schließt mit ein, dass unser Staat keiner Militärallianz angehört. Und wesentlich für Österreich ist auch, dass vor Entsendung von österreichischen Soldaten in Kampfeinsätze ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates vorliegen muss und dass das nicht von einzelnen Staaten nach ihrer Interessenlage entschieden werden kann. (Abg. Jung: Auch das haben Sie aufgegeben und nicht wir! Aber jetzt jammern Sie darüber!)

Wenn Kollege Spindelegger gesagt hat, dass die SPÖ sich ausgeklinkt hat, dann stimmt das. Jawohl! Die SPÖ hat sich ausgeklinkt, weil die ÖVP darauf bestanden hat, in die Sicherheitsdoktrin den NATO-Beitritt als Option festzuschreiben. (Abg. Dr. Bösch: Wir sind seit fünf Jahren in der EU!) Und den NATO-Beitritt und die Neutralität als gleichwertige Optionen beziehungsweise gleichwertige Möglichkeiten darzustellen, das ist für die SPÖ nicht akzeptabel. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Bösch: Sie haben es beschlossen! – Abg. Jung: Sie hätten es zumindest wissen sollen!)

20.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.

20.15

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als letztem Redner meiner Fraktion zu diesem Thema sei mir eine kurze Replik gestattet.

Abgeordneter Einem hat von Scheitern gesprochen. – Ich frage: Wer ist hier gescheitert? – Bei der letzten Sitzung des Ausschusses haben sowohl Einem als auch Pilz mit sehr netten Worten festgestellt, wie weit wir gekommen sind und wie gerne sie eigentlich zustimmen würden. Ich glaube, dass in Wirklichkeit zumindest bei der SPÖ diejenigen, die sich für Sicherheitspolitik einsetzen, in der eigenen Partei gescheitert sind, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist schade! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist bemerkenswert, welch zwiespältige Meinungen es manchmal gibt: So spricht zum Beispiel Einem von einer Vertiefung der Politischen Union. – Sie wissen, dass es in Maastricht und Amsterdam Verträge gegeben hat, in welchen festgelegt wurde, dass auch die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der EU fortgesetzt werden soll, und wenn man dafür ist, dass in der EU eine Vertiefung eintritt, dann muss man auch dazu stehen! Den erstgenannten Vertrag mussten wir bei unserem EU-Beitritt akzeptieren, und bei Abschluss des Amsterdamer Vertrags waren wir schon in der EU und haben mitgestimmt, und die Regierung stellten seinerzeit auch die Sozialdemokraten. Da stimmt also, glaube ich, irgendetwas nicht!

Zur Neutralität möchte ich nur so viel sagen: Wir alle sind Realisten. Wir wissen, dass eine Gesetzesänderung nur mit Zweidrittelmehrheit möglich wäre und dass es, wenn die SPÖ nicht mitstimmt, diese Gesetzesänderung nicht geben wird. Im Analyseteil haben wir allerdings festgestellt, wie neutral sich Österreich eigentlich wirklich verhalten hat, und das entspricht nicht dem Verhalten, wie es bei immerwährender Neutralität der Fall sein sollte. Man muss die Tatsachen, glaube ich, wahrnehmen, und das ist leider Gottes bei der SPÖ nicht geschehen. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn sich jene, die gerne mitarbeiten, diesbezüglich wirklich mehr durchgesetzt hätten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Zum Abgeordneten Pilz: Er hat von Europäisierung gesprochen und gesagt, dass sozusagen die böse NATO oder irgendein Kommandant der NATO anschaffen könnten, was zu geschehen hat. Wenn sich Abgeordneter Pilz den Entschließungsantrag genau angesehen hätte, dann hätte er zum Beispiel Folgendes lesen können:

"Die Letztentscheidung in sicherheitspolitischen Fragen liegt bei den demokratisch legitimierten nationalen politischen Instanzen."

Wir Österreicher beziehungsweise der österreichische Nationalrat bestimmt also, wo und wann ein Einsatz unsererseits zu erfolgen hat – und nicht irgendjemand aus Brüssel oder aus Amerika!

Jetzt fällt mir noch etwas ein: Ich habe mir gestern die Sendung "Betrifft" angehört und angesehen, und da hat Herr Abgeordneter Cap davon gesprochen, dass er eigentlich früher ein Verfechter der NATO gewesen und nur davon abgekommen sei, weil jetzt die Administration und Regierung Bush am Werk seien. – Mir ist nicht bekannt, dass sich Herr Präsident Bush bei der SPÖ eingemischt und gesagt hätte, wer Klubobmann wird! Das war nämlich nicht der Fall! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Redezeit ist leider relativ kurz, aber ich möchte noch etwas dazu sagen: Wir haben auch davon gesprochen, wie wichtig die Außenpolitik in diesem Fall ist. Klarerweise wird Herr Präsident Bush nicht Zeit gehabt haben, sich diese Sendung anzusehen, und er wird daher auch diese Äußerung nicht gehört haben. Ich meine aber jedenfalls, dass es außenpolitisch nicht sehr schlau ist, wenn man als österreichischer Politiker, immerhin als Klubobmann einer Partei, den amerikanischen Präsidenten sozusagen nicht gerade in einem sehr guten Licht darstellt. Das hat Cap nämlich in diesem Fall getan, und das war nicht sehr klug. Wie gesagt: Ich nehme nicht an, dass Bush das gesehen hat und es deshalb zu Schwierigkeiten kommen wird. Der Herr Klubobmann sollte aber vielleicht beim nächsten Mal doch etwas besser aufpassen! (Ironische Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leikam. )

Herr Kollege! Ich spreche gerade von Cap! Unser Bundeskanzler hat heute einige sehr gute Beiträge geleistet! Er spricht selbst sehr gut hier im Parlament, und daher brauche ich ihn in keiner Weise irgendwie verteidigen! Das macht er schon selbst. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Leikam. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ist eine sehr umfassende Angelegenheit. (Abg. Leikam: Wie war das mit Schüssel?) Letztere wurde von manchen Abgeordneten hier kritisiert. Ich wünsche jedoch all jenen, die mit dieser Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin zu tun haben, eine gute Hand, und zwar den Außenpolitikern, den Wirtschaftspolitikern, den Sozialpolitikern, den Umweltpolitikern, den Politikern, die sich um innere Sicherheit bemühen, und natürlich auch den Verteidigungspolitikern, welche Herr Abgeordneter Pilz heute ziemlich beleidigt hat; aber das soll er sich selbst mit ihnen ausmachen! Ich weiß, weil ich von Berufs wegen in diesem Bereich zu tun habe, dass es dort wirklich gute Leute gibt, und zwar in allen Bereichen, die ich jetzt genannt habe. Wir alle und all diese Politiker werden ihren Beitrag dazu leisten – und das ist eigentlich der Sinn und Zweck der ganzen Angelegenheit –, dass sich die Bürger in Österreich weiterhin sicher fühlen können! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

20.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Spindelegger, Ihre Wortmeldung – als "Rede" kann ich sie nicht bezeichnen –, die Sie hier eingangs abgegeben haben, war wirklich mehr als eigenartig! Sie drehen die Wahrheit so, wie Sie es brauchen!


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Ich war bei der Sitzung des Landesverteidigungsausschusses dabei und habe mir die Mühe gemacht, mir Ihre Stellungnahme aus der "Parlamentskorrespondenz" herauszusuchen. – Ich nehme an, es wird richtig sein, dass dort geschrieben steht, dass Sie zugegeben haben, dass es eine offene Diskussion gegeben hat, "in der alle an die Grenze dessen gegangen seien, was für sie noch tragbar gewesen sei. Es gab eine Reihe konstruktiver Beiträge, die in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen können." – Das ist die Aussage des Herrn Spindelegger im Ausschuss am 7. Dezember. Herr Spindelegger schreibt am 7. Dezember allerdings in der Homepage der ÖVP, "dass in der SPÖ kein wie immer gearteter Spielraum für eine gemeinsame Linie in der Sicherheitspolitik gegeben war". – Spindelegger so – Spindelegger so; wie er es eben gerade braucht! (Abg. Parnigoni: Sie sprechen mit gespaltener Zunge!)

Herr Abgeordneter! Ich sage in aller Klarheit – und ich habe bereits versucht, das mit einem Zwischenruf bei Ihren Ausführungen anzubringen –: Ich weise Ihre Aussage, dass die SPÖ ein gestörtes Verhältnis zum Bundesheer hat, auf das Strikteste zurück! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Spindelegger. )

Herr Spindelegger, ich darf Sie daran erinnern, dass es eine Alleinregierung der SPÖ war, welche den letzten brauchbaren Verteidigungsplan für das österreichische Bundesheer geschaffen hat! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner. ) Das stimmt nicht, Herr Minister, das war nicht die Koalition! Die Koalition ist erst 1983 gekommen! Da war bereits der Landesverteidigungsplan in Kraft! Diese Papiere wurden bereits unter der Alleinregierung der SPÖ verabschiedet! (Zwischenruf des Abg. Dr. Spindelegger. ) Sie können also nicht sagen, dass sich die SPÖ nicht um das Bundesheer gekümmert hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Spindelegger, ein Problem haben wir schon damit, wenn es Politiker gibt, vor mir oder hinter mir, die glauben, dass das Bundesheer eine Spielwiese des ÖAAB ist! Dafür haben wir kein Verständnis! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leikam: Jawohl!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte ... (Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Du hast keine Chance! Ich bin viel zu lange da, als dass du mich aus dem Konzept bringen könntest!

Ich möchte jetzt noch ein bisschen ins Detail gehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Über den allgemeinen politischen Teil ist sehr viel gesprochen worden. Herr Minister! Sie haben darüber geklagt, dass Sie keine sinnvolle Aufgabenerfüllung leisten können und dass Sie eine Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin brauchen. Auch wir haben immer gesagt, dass der Landes- und Verteidigungsplan in der vorliegenden Form überarbeitet werden muss. Und jetzt haben wir ... (Abg. Jung: Ein tolles und geniales Ergebnis!) Auch du hast keine Chance, mich aus dem Konzept zu bringen! (Abg. Jung: Es ist mir jetzt gerade aber doch gelungen!)

Sie selbst haben gemeint, dass wir jetzt Meilensteine haben. – Schauen wir uns diese kurz im Kapitel "Verteidigungspolitik" im allgemeinen Teil vorne an: Die Schlüsse, die gezogen werden, sind, dass es eine Bereithaltung und Weiterentwicklung aller militärischen Kernfunktionen gibt beziehungsweise geben muss. – Ins Deutsche übersetzt: Sie haben das zu machen, was Sie bisher gemacht haben, nämlich alle militärischen Kernfunktionen auf hohem Niveau wahrzunehmen. Sie haben also nach wie vor die konventionellen Bedrohungen abzuwehren.

Interessant ist – und das ist für mich echt neu –: Sie sprechen in dieser Doktrin von einem Divisionsäquivalent. (Abg. Jung: Ja!) Was ist das, Herr Brigadier? Ein Divisionsäquivalent sind für mich zwischen 3 000 aufwärts über 5 000 bis 10 000. Bis jetzt haben wir von einer Brigade gesprochen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jung. ) Wenn wir also jetzt von einem Divisionsäquivalent sprechen, dann ist das neu! (Bundesminister Scheibner: Einsatzbereit! – Abg. Jung: Sie verwechseln zwei Absätze! Sie müssen genauer lesen!)

Damit komme ich zum letzten Punkt meiner Ausführungen. – Herr Bundesminister! Unter Punkt 10 steht:

"Zur Erfüllung der vorgegebenen nationalen und internationalen Aufgaben sind für das Bundesheer die dafür notwendigen budgetären, personellen und infrastrukturellen Rahmenbedingun


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gen sicherzustellen." – Aha! Das ist eine völlig neue Erkenntnis! Ich hoffe, das gelingt Ihnen! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner. )

Bei den letzten drei Budgets, Herr Bundesminister, ist es nämlich nicht gelungen! Erklären Sie diesen Punkt der Doktrin auch Ihrem Finanzminister! Vielleicht haben Sie dann eine Chance, Ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist keineswegs so, dass alles, was in dieser Doktrin enthalten ist, nicht brauchbar ist. Es ist aber sehr wohl so, dass diese Doktrin – nach Khol – jetzt einstweilig eröffnet, geschlossen, beiseite gelegt oder sonst etwas wird. – Wir werden für weitere Diskussionen im Sinne einer sinnvollen Landesverteidigung und Sicherheitspolitik in Österreich jederzeit zur Verfügung stehen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Lesen Sie die Doktrin noch einmal durch!)

20.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

20.26

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Kummerer, es freut mich sehr, dass Sie sich so um unseren Minister kümmern! Sie haben gemeint, dass es für ihn keine Aufgabenerfüllung gebe. – Ich sehe das anders! Er hat, wie es notwendig ist, zuerst für Planung gesorgt, und er will diese Planung jetzt umsetzen. So geht man diese Dinge an, aber anscheinend verstehen Sie nichts von Management, obwohl Sie bei der ÖMV sind! (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Man war jahrelang bemüht, eine Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin zu erstellen beziehungsweise auf die Beine zu stellen, und ich freue mich besonders, dass es unserem Minister mit seinen Mitarbeitern gelungen ist, in kürzester Zeit eine effiziente, den Erfordernissen der möglichen Bedrohungen entsprechende und vor allem auch gesamtheitliche Doktrin vorzulegen!

Es ist mir besonders wichtig, dabei festzuhalten, wie umfassend und gesamtheitlich diese Doktrin ist. Es geht nicht nur um militärische Bedrohungsszenarien, die es für Österreich kaum mehr gibt – wenn uns auch der Zerfall Jugoslawiens und der Krieg bis an unsere Staatsgrenze und zum Teil auch über unsere Staatsgrenze leider noch sehr gut in Erinnerung ist –, sondern es geht auch um andere Bedrohungsszenarien, wie etwa internationalen Terrorismus, Drogenhandel, Menschenhandel, Umweltkatastrophen, atomare Bedrohungen und Waffenhandel. – Lassen Sie mich kurz auf den Waffenhandel beziehungsweise auf die ABC-Waffen eingehen.

Hinsichtlich der B-Waffen für den Kampf im bakteriellen Bereich etwa mit Milzbrand, Pest, Typhus, Cholera verfolgen zwölf Staaten offensiv Waffenprogramme, und diese Waffen sind damit die bedeutendsten Massenvernichtungswaffen im 21. Jahrhundert.

Hinsichtlich der C-Waffen, also Nervenkampfstoffen wie beispielsweise Haut-, Blut- und Lungenkampfstoffe, arbeiten 30 Staaten aktiv an Programmen. Der Vorteil dieser Waffengattung – wenn man diesbezüglich überhaupt von Vorteilen sprechen kann – ist, dass diese Kampfstoffe billig sind. Ein Liter Nervenkampfstoff Sarin kostet nur 70 S, und man kann damit zirka eine Million Menschen töten.

Meine Damen und Herren! Bei der Bekämpfung solch tragischer Bedrohungsszenarien bedarf es einer vernetzten Struktur und der Kooperation mit allen Beteiligten, und zwar einerseits betreffend Prävention, um mögliche Bedrohungen von vornherein abzuwehren, aber andererseits auch, um bei Katastrophen rasch und effizient handeln zu können. Alle Ressorts und Institutionen sind dabei gefordert, für die innere und äußere Sicherheit Österreichs zu sorgen, und sie tun dies auch. Sicherheit ist, wie wir seit den Ereignissen des 11. September wissen, leider relativ. Das, was wir als verantwortungsvolle Politiker zur Sicherheit Österreichs beitragen können, wird aus meiner Sicht mit dem Beschluss dieser Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin geschehen.


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Dass die Opposition bei diesen Verhandlungen in letzter Minute abgesprungen ist, stimmt mich wirklich sehr traurig, und ich möchte Ihnen daher die Frage stellen: Was ist Ihnen mehr wert: die Sicherheit Österreichs oder Parteiideologie? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leikam. )

20.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

20.30

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in dieser Debatte schon vieles gesagt worden, und ich kann einem Teil von dem, was die Kollegin Hartinger gerade gesagt hat, durchaus einiges abgewinnen, denn auch für mich ist der Sicherheitsbegriff dieser Regierung zu eng gefasst.

Man muss sich die Frage stellen, was diesen Bereich der Sicherheit eigentlich ausmacht. – Nicht von ungefähr spricht man in der Wissenschaft von "comprehensive security", also von umfassender Sicherheit. Und ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren von der schwarz-blauen Regierung, dass Sie etwa den Bereich der sozialen Sicherheit sträflich vernachlässigt haben! Die Maßnahmen Ihrer Regierung vor allem gegen die sozial schwächeren und älteren Menschen destabilisieren das generelle Gefühl der Sicherheit.

Aber auch im Bereich der Verteidigungspolitik muss die Sichtweise ganz einfach breiter sein. Gerade seit den Ereignissen des 11. September muss man verstärkt auch den kriminellen und terroristischen Bereich in die Überlegungen mit einbeziehen und wirksame Maßnahmen ergreifen. Für den Bereich der internationalen Zusammenarbeit und für eine länderübergreifende Zusammenarbeit vor allem der Exekutive müssen genug Personal und entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Daran fehlt es, und es fehlt auch an Ausbildungsmöglichkeiten!

Es ist mir wichtig, heute hier auch klarzustellen, dass für die SPÖ die Neutralität, mit der wir bis jetzt immer gut gefahren sind, zu wichtig ist, um sich sang- und klanglos von ihr zu verabschieden. Meine Damen und Herren! Die Neutralität ist ein Teil unserer Identität, und sie wurde noch von keinem Staat der Welt in Frage gestellt, weder in Zeiten des Kalten Krieges noch im Rahmen der Erweiterung der Europäischen Union. Einzig und allein die Österreichische Volkspartei versucht die Neutralität immer wieder in Frage zu stellen, und diesbezüglich befindet sie sich nun einmal im klaren Gegensatz zur österreichischen Bevölkerung. Wir brauchen nicht auf Stimmenfang zu gehen, sondern wir sind in diesem Punkt eins mit den Menschen in diesem Land, denn viele Umfragen zeigen, dass weit mehr als 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher für die Beibehaltung der Neutralität eintreten.

Meine Damen und Herren! Auch im Zusammenhang mit der neuen Sicherheitsdoktrin zieht sich die Aushöhlung unserer Neutralität wie ein roter beziehungsweise eher wie ein schwarzer Faden durch alle von der ÖVP geführten Diskussionen. Die Strategie scheint klar zu sein: Zuerst will man das Wort "Neutralität" möglichst aus allen Papieren verbannen, und dann – das ist das Kalkül dieser Regierung – wird die Aushöhlung der Neutralität munter voranschreiten. – Ich kann Ihnen aber versprechen, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird, meine Damen und Herren, denn die SPÖ fühlt sich dem Wert der Neutralität verpflichtet! (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP sollte eher danach trachten, unseren hervorragenden Ruf in der Welt als verlässlicher neutraler Gesprächspartner nicht in Rekordzeit zu ruinieren! Weder Vetodrohungen noch Falschspielereien mit Spielkarten im Ärmel wie etwa bei der Causa Temelín gereichen unserem Land zum Vorteil!

Natürlich haben sich die Rahmenbedingungen seit 1955 geändert, doch nach wie vor hat die Neutralität ihre absolute Berechtigung. Die Neutralität hat auch für Europa eine wichtige Funktion, sowohl ex lege als auch in der Praxis. (Bundesminister Scheibner: Welche?) Von den derzeit 15 Staaten sind elf, wie Sie wissen, Herr Bundesminister, in einem Militärbündnis. Es steht aber in keinem Papier festgeschrieben, dass sich dieses Verhältnis noch mehr in Richtung NATO entwickeln muss, und deshalb versteht hier kaum jemand das ewige Balzen der


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ÖVP um die NATO-Mitgliedschaft. Wieder einmal wird diese Regierung gegen den Willen der Mehrheit entscheiden. Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass der Wunsch der Österreicherinnen und Österreicher ... (Abg. Murauer: Glaubst du das, was du sagst? Oder musst du das sagen?) Kollege Murauer! Da hast du völlig Recht! Man sollte zur Kenntnis nehmen, das gegen den Wunsch der Bevölkerung gehandelt wird! Es entspricht nämlich dem Wunsch der Österreicherinnen und Österreicher, dass sich Österreich auch weiterhin nicht an Kriegen beteiligt. (Abg. Murauer: Du weißt doch, dass es nicht so ist!) Und dafür ist die Neutralität nach wie vor der beste Garant! – Danke. (Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ.)

20.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. – Bitte.

20.35

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man diese Debatte jetzt aufmerksam verfolgt hat, dann muss man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass Sie von vielen Beschlüssen, die Sie in der Vergangenheit initiiert beziehungsweise mitgetragen haben, heute nichts mehr wissen wollen! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. )

Wenn mein Nationalratskollege, Herr Hauptmann Kummerer, und ich morgen zu einer Milizübung einrücken, dann dienen wir bislang unter einem gemeinsam beschlossenen Reserve-Landesverteidigungsplan. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Landesverteidigungsplan 1975 einstimmig im Parlament beschlossen wurde. Und genau dieselbe Mühe haben wir uns und hat sich auch der Herr Bundesminister jetzt gemacht. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Sieben Jahre!) Sieben Jahre lang hat es damals gedauert. Die neue Bundesregierung arbeitet aber etwas schneller, darauf möchte ich schon hinweisen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Einem. )

Im Hinblick auf die Punkte, die Sie jetzt beanstandet haben, möchte ich Sie bitten, einmal die Fakten zu sehen. Was sind denn die Fakten? – Faktum ist jedenfalls, dass Sie sich jetzt andauernd über die "Neutralitätsweglegung" – wie Abgeordneter Prähauser gesagt hat – mokieren. Dazu möchte ich sagen: Wir sind der EU ohne Neutralitätsvorbehalt beigetreten, und laut Artikel 23f Bundes-Verfassungsgesetz, der ebenfalls von Ihnen getragen wurde, kann eine Mitwirkung an der GASP erfolgen.

Ich erinnere hier insbesondere an das erste Referat von Herrn Abgeordnetem Schieder bei der Offiziersgesellschaft in Graz. Sie haben damals gesagt, Sie seien dafür, dass sich Österreich in Richtung einer europäischen Verteidigungsidentität weiterbewegt. Und genau das ist geschehen!

Ich möchte darauf hinweisen, dass dieser Bericht mit dem Entschließungsantrag zur Debatte steht, also nicht das, was vorher galt, sondern das, was jetzt endgültig feststeht. – In diesem Bericht heißt es:

"Die Sicherheit Österreichs und die der EU sind untrennbar miteinander verbunden. Österreich verwirklicht seine Sicherheitspolitik heute im Wesentlichen im Rahmen der EU."

Der Punkt, den Sie damals initiiert haben, ist also auch enthalten. Der gesamte Bereich der Sicherheitspolitik ist, wie der Herr Bundesminister ausgeführt hat, sehr wichtig, und daher sollte dieser von allen Parteien getragen werden – so, wie es auch in der Vergangenheit der Fall war.

Wenn Sie sich diesbezüglich doch noch ein bisschen bewegen, können wir zu einem historischen Abschluss kommen! Wir haben all die Einwände, die Sie gehabt haben, mit aufgenommen. Wir haben jetzt – das können Sie schon beim Durchlesen der Präambel feststellen – eine Sicherheitspolitik, die darauf ausgerichtet ist, dass Konflikte im Ansatz vermieden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unser Bestreben geht in die Richtung, Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen. Wir betreiben eine Sicherheitspolitik auf Basis der Charta der Vereinten Nationen, der internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Menschen- und der Freiheitsrechte, der Europäischen Men


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schenrechtskonvention und der Europäischen Grundrechtscharta. – Was hindert Sie also daran, diesen weitreichenden Beschluss für uns, für Sie alle wie auch für alle, die diesem System dienen, also alle Soldaten und Reservesoldaten, mitzutragen? Ich forderte Sie dazu auf! Es ist dies eine gemeinsame Möglichkeit, diesbezüglich einen historischen Beschluss zu fassen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Landesverteidigungsausschusses, den vorliegenden Bericht III-87 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 939 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist die Entschließung angenommen. (E 114.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (806 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert und ein Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundeskriminalamtes erlassen wird (908 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Parnigoni. Ich erteile es ihm hiemit.

20.40

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Sicherheit der Bevölkerung in allen Dörfern und Städten ist der SPÖ immer ein Anliegen. (Abg. Mag. Schweitzer: Parnigoni, hast viel zu tun!) Kollege Schweitzer, das ist Schicksal: manchmal lange nicht, manchmal hintereinander. So ist es eben.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Erstredner zu diesem Tagesordnungspunkt die Chance zu geben, gehört zu werden. Ich bitte, darauf Bedacht zu nehmen!

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Die SPÖ hat sich sehr ernsthaft mit der Vorlage zum Bundeskriminalamt auseinander gesetzt. Wir haben in allen Gesprächen nie verhehlt, dass wir grundsätzlich für eine Verbesserung der Kriminalitätsbekämpfung sind, vor allem für eine Stärkung der Zusammenarbeit im Bereich Europas im Bereich der "Eupol", der Interpol, im Rahmen der internationalen Verbrechensbekämpfung. Es ist uns auch ein Anliegen, die Entwicklung der Kriminalitätsanalyse zu forcieren, die Forschung zu stärken und die Kriminaltechnik entsprechend auszubauen. Wir halten es für sinnvoll, Verbesserungen in der Koordination herbeizuführen, etwa bestimmte Einheiten – Organisationseinheiten, Sondereinheiten – zusammenzuziehen, hier Teile der Wirtschaftspolizei und von der Gruppe C das Schlepperunwesen mit einzugliedern und die eine oder andere überlegenswerte Vorgangsweise zu wählen.

Wir waren zu Verhandlungen bereit und haben durchaus konstruktive Gespräche geführt. Wir haben auch über das Bundeskriminalamt als eigene Behörde verhandelt. Allerdings wollen wir


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auch das Umfeld betrachten, in dem dieser neuerliche massive Umbau der Sicherheitsexekutive vorgenommen wird. (Unruhe im Saal.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Darf ich noch einmal darum ersuchen, dem Redner die Chance zu geben, gehört zu werden, und auch nicht notwendigerweise hier im Saal abzuhaltende Beratungen nach außen zu verlegen! (Bundesminister Scheibner spricht mit Abgeordneten neben den Sitzreihen der Freiheitlichen.) Das gilt auch für Bundesminister! (Abg. Gaál: Auf Wiedersehen, Herr Bundesminister!)

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Meine Damen und Herren! So führt nun das Nulldefizit um jeden Preis dazu, dass in drei Budgetjahren viele, nämlich 2 500 bis 3 000 Exekutivkräfte weniger für die Aufrechterhaltung der Sicherheit in den Dörfern und Städten zur Verfügung stehen, dass 120 Gendarmerieposten geschlossen werden, dass 24 Polizeiwachzimmer geschlossen werden, dass eine Reihe von Kommissariaten geschlossen werden und des Weiteren in diesem Umfeld keine Neuaufnahmen von Polizisten und Gendarmen getätigt werden. – Nein, "keine" stimmt nicht: Im Jahre 1998 wurden in Wien 350 Polizisten aufgenommen, im Jahr 1999 waren es noch 290, im Jahre 2000 dann 40, und im Jahre 2001 sind es ebenfalls 40. Für das Jahr 2002 sind wiederum 40 geplant.

Bei der Gendarmerie gab es immer ungefähr 400 Neuaufnahmen. Im Jahre 2000 waren es 144, im Jahre 2001 sind es 20, und über das Jahr 2002 hört man auch nichts Gutes darüber, was auf uns zukommt. Das ist eine Größenordnung, mit der nicht einmal der natürliche Abgang abgedeckt werden kann. Das führt zu einer Überalterung der Korps, und das führt auch zur Demotivation bei den Kolleginnen und Kollegen.

Meine Damen und Herren! Wenn in einem solchen Umfeld, wie es jetzt vorherrscht, eine zentrale Organisationseinheit oder gar eine eigene Behörde mit 654 Exekutivkräften geschaffen wird – wobei in Diskussionen von bis zu 900 Frauen und Männern gesprochen worden ist –, führt das natürlich dazu, dass eine Fülle von Polizisten oder Gendarmen sowie Kriminalbeamten aus den Städten, aus den Dörfern, aus den Ländern der zentralen Behörde im Bundesministerium für Inneres dienstzugeteilt werden. Das führt dazu, dass es zum Abzug von Know-how aus den Regionen kommt.

Meine Damen und Herren! Auch das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport hat das eindeutig festgestellt, indem es in seiner Stellungnahme schreibt: Seitens des BM für öffentliche Leistung und Sport bestehen gegen den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Organisation der Kriminalpolizei aus personalwirtschaftlicher Sicht Bedenken. Mit diesem Kripo-Gesetz wird nicht nur eine zusätzliche Hierarchieebene eingezogen und damit die Informations- und Kommunikationswege beziehungsweise der Instanzenzug verlängert, sondern auch eine verstärkte Zentralisierung bewirkt. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Daher muss man in dieser Situation – Herr Bundesminister, das haben wir Ihnen in den Verhandlungen klar gesagt – bereit sein, den Personalabbau zu stoppen und zusätzliche Sicherheitskräfte aufzunehmen. (Abg. Großruck: Und neue Schulden machen!)

Damit Sie sich leichter tun, meine Damen und Herren, diesen sinnvollen Weg mit uns zu gehen, bringe ich nun folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni und GenossInnen betreffend die personelle Situation im BMI durch die Gründung des Bundeskriminalamtes

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, durch welche der Dienstpostenplan des BMI um mindestens 200 zusätzliche Planstellen für das Bundeskriminal


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amt aufgestockt wird, damit es zu keiner Schwächung der Sicherheitsexekutive in den Regionen kommt."

*****

(Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler. )

Ein weiterer wichtiger Punkt in den Verhandlungen war die Frage des Rechtsschutzes. Mit der Errichtung der Organisationseinheit Bundeskriminalamt und der gleichzeitigen Neufassung des § 14 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes werden umfassende Ermittlungs-, Erhebungs- und diesbezügliche Weisungsbefugnisse in einer zentralen Stelle des BMI gebündelt. Gerade im Bereich der erweiterten Gefahrenerforschung ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten der Überwachung durch die Sicherheitsbehörde.

Meine Damen und Herren! Eine Observationsgruppe mit 150 Personen, ausgerüstet mit allen technischen Möglichkeiten zum Abhören, zum Mitschneiden von Videos und so weiter – hier muss man ganz einfach aufpassen, dass diese Möglichkeiten nicht in freiheitsbedrohender Art und Weise ausufern! Daher treten wir dafür ein, einen Rechtsschutzbeauftragten zu schaffen, der zustimmungspflichtig ist.

Meine Damen und Herren! Um es Ihnen auch zu erleichtern, den Rechtsschutz für die österreichische Bevölkerung sicherzustellen, bringen wir einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Parnigoni, Genossinnen und Genossen ein. Ich darf diesen Antrag punktuell kurz darstellen.

Es geht darum, dass für die erweiterte Gefahrenerforschung das Vorliegen der entsprechenden Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten – außer in einem ganz besonderen Fall schwerer Gefahr – erforderlich ist, dass außerdem die Sicherheitsbehörden verpflichtet sind, den Rechtsschutzbeauftragen von der Ermittlung personenbezogener Daten durch verdeckte Ermittlung und durch verdeckten Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten oder durch Beobachtungen im Rahmen der erweiterten Gefahrenerforschung in Kenntnis zu setzen. Damit es auch dazu kommt, gibt es darin zwei Verfassungsbestimmungen, nämlich zum einen, dass der Rechtsschutzbeauftragte dem Unterausschuss des Innenausschusses jährlich Bericht erstattet, und zum anderen, dass die Sicherheitsbehörden, wenn es sich um eine Aufgabe nach § 21 Abs. 3 handelt, unverzüglich die Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten einzuholen haben.

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie ein, für diese beiden Anträge zu stimmen, und darf abschließend Folgendes bemerken: Der Herr Abgeordnete Kiss hat im Ausschuss bemerkt, der SPÖ gehe es bei diesen Gesetz um Macht und Einfluss. Ich nehme an, auch wenn er hier nach mir sprechen wird, wird er das Gleiche sagen. Ich darf dazu einen unverdächtigen Zeugen aufrufen, nämlich den ehemaligen ÖVP-Landtagsabgeordneten Alfred Worm, der heute bei "NEWS" als Journalist tätig ist. (Abg. Dr. Martin Graf: Der ist nicht unverdächtig!)

Er betitelt eine Kolumne damit, dass er schreibt: "Postenschieberei made by ÖVP". In dem, was er da sagt, zieht er einen Schluss, der auf das Innenministerium voll und ganz zutrifft. Er spricht dort zwar das Außenministerium an, es stimmt aber genauso für das Innenministerium: Hier wird ganz übel getrickst. Postenschieberei, wie sie im Parteibüchl steht.

Herr Minister! Das ist es ja, was Sie in Wirklichkeit wollen, und dazu können Sie unsere Zustimmung nicht bekommen! (Beifall bei der SPÖ.)

20.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der von Herrn Abgeordneten Parnigoni soeben eingebrachte, auch schriftlich überreichte Antrag genügend unterstützt ist und in ausreichendem sachlichen Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie, damit auch mit zur Verhandlung beziehungsweise im Anschluss daran zur Abstimmung steht.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Parnigoni, Genossinnen und Genossen betreffend den Gesetzesantrag im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (908 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert und ein Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundeskriminalamtes erlassen wird (806 der Beilagen);

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I werden folgende Ziffern 2a bis 2d eingefügt:

"2a. § 53 Abs. 1 Z 2a lautet:

"2a. für die erweiterte Gefahrenforschung (§ 21 Abs. 3) nach Vorliegen der entsprechenden Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten (§ 62b Abs. 7), es sei denn, es wären zur Abwehr schwerer Gefahr sofortige Ermittlungen erforderlich.""

"2b. § 62a lautet:

"62a. Die Sicherheitsbehörden sind verpflichtet, den Rechtsschutzbeauftragten (§ 62b) von der Ermittlung personenbezogener Daten durch verdeckte Ermittlung (§ 54 Abs. 3), durch den verdeckten Einsatz von Bild- oder Tonaufzeichnungsgeräten (§ 54 Abs. 4) oder durch Beobachtung im Rahmen der erweiterten Gefahrenforschung (§ 21 Abs. 3) unter Angabe der für die Ermittlung wesentlichen Gründe in Kenntnis zu setzen. Die Unterrichtung hat ohne unvertretbaren Verwaltungsaufwand zu erfolgen; dem Rechtsschutzbeauftragten sind die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.""

"2c. § 62b Abs. 5 lautet:

"(5) Der Rechtsschutzbeauftragte ist zur rechtlichen Kontrolle der erweiterten Gefahrenforschung (§ 21 Abs. 3) berufen. Sie findet nur mit seiner Zustimmung (Abs. 7) und nur so lange statt, solange diese Zustimmung nicht zurückgezogen ist. Davon ausgenommen sind zur Abwehr schwerer Gefahr unverzüglich erforderliche Ermittlungen. Ihm ist Einblick in alle erforderlichen Unterlagen zu gewähren und sind die erforderlichen Auskünfte zu erteilen; insofern kann ihm gegenüber Amtsverschwiegenheit nicht geltend gemacht werden.""

"2d. (Verfassungsbestimmung) § 62b Abs. 6 und 7 lauten:

"(6) (Verfassungsbestimmung) Der Rechtsschutzbeauftragte erstattet jährlich einen Bericht über die Wahrnehmung der erweiterten Gefahrenforschung durch die Sicherheitsbehörden, der dem Bundesminister für Inneres und dem ständigen Unterausschuss des Ausschusses für innere Angelegenheiten zur Überprüfung von Maßnahmen zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit vorzulegen ist.

(7) (Verfassungsbestimmung) Sicherheitsbehörden, denen sich eine Aufgabe gemäß § 21 Abs. 3 stellt, haben unverzüglich die Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten einzuholen. Dieser hat dem Bundesminister für Inneres Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihn von seiner Entscheidung in Kenntnis zu setzen.""

2. Artikel I Ziffer 3 lautet:

"3. § 94 wird folgender Abs. 14 angefügt:

"(14) Die §§ 6 Abs. 1, 14 Abs. 2, 53 Abs. 1 Z 2a, 62a und 62b Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2001 treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft.""

3. In Artikel I wird folgende Ziffer 4 angefügt:


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"4. (Verfassungsbestimmung) § 94 wird folgender Abs. 15 angefügt:

"(15) (Verfassungsbestimmung) § 62b Abs. 6 und 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2001 treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft.""

Begründung:

Mit der Einrichtung der Organisationseinheit "Bundeskriminalamt" und der gleichzeitigen Neufassung des § 14 Abs. 2 SPG werden umfassende Ermittlungs-, Erhebungs- und diesbezügliche Weisungsbefugnisse in einer zentralen Stelle des Bundesministeriums für Inneres gebündelt. Gerade im Bereich der erweiterten Gefahrenerforschung ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten der Überwachung durch die Sicherheitsbehörden. Um die Handhabung dieser Möglichkeiten nicht in freiheitsbedrohender Weise ausufern zu lassen, soll das Vorgehen der Sicherheitsbehörden verstärkt der Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten unterzogen werden. Insbesondere soll die Zulässigkeit der erweiterten Gefahrenerforschung von seiner Zustimmung abhängen. Dem ständigen Unterausschuss des Ausschusses für inner Angelegenheiten soll zwingend Bericht erstattet werden, damit auf etwaige unerwünschte Entwicklungen rasch reagiert werden kann.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Gleiches gilt für den Entschließungsantrag des Herrn Abgeordneten Parnigoni, den er eingebracht hat. Dieser ist ebenfalls ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit der Verhandlungsmaterie und daher auch mit zur Verhandlung beziehungsweise dann zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

20.50

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mich wundert, dass der Sicherheitssprecher der SPÖ nicht einmal in einem Minimalkonsens imstande ist, die Bedeutung dieses heutigen Tages für die Kriminalitätsbekämpfung in Österreich zu erkennen. Was sozialistische Innenminister über Jahrzehnte hinweg nicht geschafft haben – als Zeitzeuge der letzten zwölf Jahre kann ich sagen: Löschnak, Einem, Schlögl waren dazu trotz großer Anstrengungen partout nicht imstande, oder sie durften es nicht tun –, schafft Ernst Strasser in einigen wenigen Monaten. Es ist ein historischer Tag für die Sicherheit in diesem Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dass das BKA ein sicherheitspolitischer Quantensprung werden wird, steht wohl fest. Noch dazu weiß man, dass sich dieses Bundeskriminalamt ab Jänner 2002 in einer Art und Weise in das Innenministerium, in die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit eingliedern wird, sodass mit Recht – und mit Fug und Recht betone ich es immer wieder – davon ausgegangen werden kann: Mit diesem BKA entsteht mehr Sicherheit für Österreich, und es wird von mehr motivierten Exekutivbeamten zum Wohl der österreichischen Bürger gearbeitet werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wird Schluss sein mit den Parallelaktionen, die wir kennen. Es wird Schluss sein mit den Nebeneinander-Ermittlungen. Es wird aber auch Schluss sein mit all dem – und dies ins Stammbuch der SPÖ, Kollege Parnigoni –, aus dem die SPÖ in den vergangenen Jahrzehnten geschöpft hat, nämlich der parteipolitischen Besetzung von Ämtern, Macht und Positionen! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir wissen, was der wahre Grund für die Ablehnung dieses Modells des Bundeskriminalamtes ist: Die Sozialisten fürchten um ihren Einfluss, um ihre Macht und damit um ihre Positionen. Das ist die wahre Antwort darauf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Selbstverständlich ist klar, dass der Rechtsschutzbeauftragte vorgeschoben werden wird. (Abg. Dietachmayr: ... halten Sie ihm einen Spiegel vor! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)  – Interessanterweise stehen die Sozialisten immer dann, wenn


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ich rede, innerhalb kürzester Zeit auf den Bänken. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich verstehe nicht, warum das so ist. (Ruf bei der SPÖ: ... so viel Blödsinn reden!)

Selbstverständlich, es wird wahrscheinlich einmal mehr so sein, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen habe, die SPÖ an der wehesten Stelle erwischt habe, dort, wo sie – wie besonders im Innenministerium – über Jahrzehnte hinweg offensichtlich nichts an Einfluss gescheut hat, um Macht und um Positionen zu besitzen. (Abg. Leikam: Deine Reden haben wirklich einen großen Unterhaltungswert!) Das ist ein Faktum! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Die Reden von Kollegen Kiss haben großen Unterhaltungswert!)

Polemisch könnte man sagen: Die SPÖ wollte ein rotes BKA. Wir, die Bundesregierung mit Ernst Strasser, wollen ein rot-weiß-rotes BKA. (Abg. Öllinger: Oh!) Es wird auch ein rot-weiß-rotes BKA für die österreichische Bevölkerung werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Man kann es halten, wie man will: Wenn man in der Sache nicht argumentieren lässt, dann findet man auch nach Bocksprüngen irgendwelche Ausreden, so unter anderem die Thematik des Rechtsschutzes. Der Rechtsschutzbeauftragte in der Form, wie wir ihn bei der erweiterten Gefahrenerforschung als Selbstverständlichkeit ins Gesetz geschrieben haben, wäre beim BKA hanebüchen. Jeder, der sich mit dieser Materie auseinander setzt und sie sehr ernsthaft prüft, wird sagen, das ist nichts anderes als ein vordergründiges Argument der Sozialisten, um einen argumentativen Unterbau zu haben und sagen zu können: Njet, da machen wir nicht mit!

Dies ist ein reiner Justament-Standpunkt, denn in Wirklichkeit ist es so, dass selbst alle Experten aus der SPÖ, die sich mit dieser sensiblen Materie beschäftigt haben, Folgendes attestieren: Es ist wichtig, dass dieses BKA kommt; es ist wichtig, dass der kriminalpolizeiliche Dienst im Innenministerium strukturelle Reformen erfährt; es ist wichtig, dass alle Möglichkeiten, die dem kriminalpolizeilichen Dienst obliegen, gebündelt unter die Verantwortung eines Direktors mit einer Stabsstelle in der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit kommen.

Ich gebe zu, wir hätten es lieber gehabt, dass dies eine Behörde wird und das Ganze in Verfassungsrang gelangt – selbstverständlich! Nur wissen wir bis heute nicht, was der Grund dafür ist. Ich kann immer wieder nur vermuten, dass die SPÖ um ihre Positionen fürchtet, dass sie Angst davor hat, ihre für sie nötigen, meiner Ansicht nach in der Vergangenheit oft bewiesenen parteipolitischen Überlegungen im Bereich des Innenministeriums nicht mehr anstellen zu können. Das sind die wahren Gründe dafür, dass Sie das ablehnen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Unsere Gratulation zu diesem Thema, unsere Gratulation zum neuen Bundeskriminalamt! (Abg. Dr. Mertel: ... das fünfte Gebot!) Mit der Hebung der Qualität der Bekämpfung der Kriminalität wird auch ein Mehr an Qualität in der Sicherheit der Bevölkerung in Österreich eintreten. (Abg. Parnigoni: Das glaubt aber niemand!) Diesen Ihren Weg gehen wir gerne mit, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

20.57

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! (Abg. Miedl: Sicherheitssprecher Kogler? – Abg. Haigermoser: Kogler, das Universalgenie! – Ruf bei den Freiheitlichen: Wie Herr Kier! – Abg. Haigermoser: Ja, Kier hat auch die Unfehlbarkeit ...!)

Herr Kollege Kiss, dass Sie hier zu derartigen Jubelmeldungen hingerissen werden, wird wirklich niemanden wundern. Vielleicht wundert es Sie jetzt mehr, wenn wir der Meinung sind – und diese hier auch kundtun –, dass es gut ist, dass es so etwas wie ein Bundeskriminalamt gibt und geben soll. Zweitens darf ich festhalten, dass damit eine Reform in der Kriminalitätsbe


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kämpfung eingeleitet werden könnte, die auch notwendig ist. – Ich darf das vorausschicken; möglicherweise werden sich die Zwischenrufer dann ein bisschen beruhigen.

Aber zur Sache selbst: Warum ist es gut, dass es das gibt oder geben soll? – Es geht bekanntlich um die Kriminalitätsbekämpfung in vielfältigster Form, und das gehört auch zentral zusammengeführt, ausgewertet und, wenn Sie so wollen, sogar gesteuert. Damit haben wir kein Problem. Ich benenne einfach die Felder der Fragestellungen der neuen Aufgaben der Kriminalitätsbekämpfung, etwa die Umweltkriminalität oder die vermehrte Wirtschaftskriminalität und die Bekämpfung von Drogenhandel. Besonders wesentlich scheint mir die Bekämpfung der Geldwäsche zu sein; da hat sich Österreich bis jetzt nicht mit Ruhm bekleckert. Wir sind in dieser Hinsicht ständig neben der Schweiz ganz oben auf der Liste der Bösen, und das, wie ich meine, leider zu Recht. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb sind wir, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, bereit, hier einmal ein paar konstruktive Schritte mitzugehen. Es geht um eine Reform in der Kriminalitätsbekämpfung, und da darf und soll es auch eine zentrale Erfassung und Steuerung geben.

Aber – drittens –: Die Umsetzung wird mehr Reformschritte brauchen, als nur einen Kopf zu installieren, der notwendig ist und den wir uns gleich noch anschauen werden. Diese Umsetzung der Reform braucht auch eine Umsetzung auf Länderebene und, wenn Sie so wollen, sogar auf einer Ebene darunter. Aber was geschieht dort? – Dort gibt es nach wie vor – insbesondere auch gesteuert von schwarzen Parteibuchträgern! – enorme Widerstände, was die Re-formen betrifft. Das geht wieder bis hinauf zu den Landeshauptleuten. (Abg. Mag. Tancsits: Das stimmt ja nicht!) Das wissen Sie ganz genau, Herr Bundesminister, auch wenn Sie im Moment beschäftigt wirken. Sie wissen das ganz genau, und in Wirklichkeit ... (Abg. Miedl: Werner, das ist eine Bundesbehörde!)

Ja, das ist jetzt eine Bundesbehörde, das weiß ich ja! Aber wenn man das Reformwerk als Ganzes betrachtet, dann wird man diesen Aspekt nicht nur einbringen dürfen, man wird ihn auch einbringen müssen. Kollege Miedl, du weißt ganz genau, dass es dort nicht zum Besten steht. Möglicherweise wirst du – und das sollst du ja – dich noch dazu äußern, wenn es um diverse Einflussnahmen auf diesen Ebenen geht. Das halten wir für problematisch.

Herr Bundesminister! Es ist ein ähnliches Problem wie mit der ewigen Ankündigung, dass man Polizeistellen und Gendarmeriestellen oder überhaupt sämtliche Sicherheitskörperschaften zusammenlegen könnte. Wir haben hier schon sehr viele großspurige Ankündigungen gehört – allein, es fehlt die Durchsetzungskraft. Dies hier ist zwar eine andere Fragestellung, aber das Problem ist ein ähnliches. Sie werden sich dazu äußern müssen, wie Sie hier eine umfassende Reform zustande bringen und nicht nur den Kopf neu kreieren wollen.

Wir kommen jetzt zur wirklich spannenden Frage der Debatte. Kollege Kiss hat hier wieder die große Wissenschaft der Farbenlehre und der Umfärbelung strapaziert. Wenn Sie meinen, dass es hier nur darum geht, Rote hinaus- und etwas anderes hineinzubringen, und das ist dann rot-weiß-rot, dann muss ich Ihnen erhebliche Wahrnehmungsdefizite im Spektralbereich zugestehen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was sich hier ankündigt, ist selbstverständlich die übliche und mittlerweile sattsam bekannte Umfärbung auf Schwarz-Blau – diesmal sicherlich mit mehr Gewicht auf Schwarz, obwohl Sie das zu dementieren versuchen, Herr Bundesminister. Ich schätze Sie für manche Initiativen, die Sie gesetzt haben, aber in dem Punkt erscheint mir das wenig glaubwürdig. Ich fürchte, wenn wir uns das in einem Jahr anschauen werden, dann werden sich diese Prognosen bewahrheitet haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministers Dr. Strasser –: Sie können tun, was Sie wollen, Herr Minister! Die Grünen werden Sie nie wollen!)

Kommen wir zum letzten und wirklichen Kritikpunkt, zum Hauptkritikpunkt. Dem Kollegen Parnigoni wollten Sie nicht abnehmen, dass er sich ernsthaft um den Rechtsschutz bemüht, daher werde ich es noch einmal versuchen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)


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Ein zustimmungspflichtiger Rechtsschutzbeauftragter ist deshalb sinnvoll, weil mit den Observationsvorkehrungen, die hier sehr wohl geschaffen werden oder in dieser zusammengeführten Kompetenz möglich sind, selbstverständlich neue Möglichkeiten entstehen, die sozusagen eine entsprechende Beschützung der auf diese Weise in die Fahndung Geratenen zur Folge haben müssen. Das werden Sie ja nicht leugnen wollen. Und wenn das alles ohnehin kein Problem ist, dann wird auch dieser Rechtsschutzbeauftragte nicht ein derartiges Problem sein.

Warum sage ich das alles? – Sie tun ja so, als ob das Ganze nur mit reiner Kriminalitätsbekämpfung zu tun hätte. Sie haben im Ausschuss die Diskussion darüber verweigert, inwieweit Nachrichtendienste in diese Sache involviert waren. (Abg. Miedl: Gar nicht!) "Gar nicht", sagt da noch einmal Kollege Miedl – sehen Sie, dazu brauche ich gar nicht im Ausschuss zu sein, ich weiß es auch so: Er sagt es hier wieder!

Faktum ist aber, dass uns und unserer Fraktion ein Papier vorliegt, ein Projekt "Meilensteinplan für das Projekt BKA – Bundeskriminalamt", das in seiner vorgesehenen Geschäftseinteilung – und ich bitte Sie inständig, Herr Bundesminister, zu diesem Vorhalt Stellung zu nehmen – gleich als Erstes unter "Stabsstelle des Präsidenten" unter vier Punkten einen aufführt, der "Schnittstelle zur Gruppe II/C" heißt. Das ist noch im Ministerium und etwas ganz Normales, sehr richtig: BMLV. Aber jetzt kommt es: "... und den Nachrichtendiensten"! – Kollege Miedl, kommen Sie heraus und erklären Sie uns das! Herr Bundesminister, bitte klären Sie das endgültig auf!

Wir sind der Meinung, dass genau an jenen Punkten Ihre Glaubwürdigkeit in Ihrer Vorgangsweise und Argumentation schwer gefährdet ist. Deshalb dürfen Sie sich nicht wundern, wenn wir dem skeptisch gegenüberstehen und entsprechend unsere Ablehnung dokumentieren. Sie haben im Ausschuss ganz anders argumentiert, und das sollten Sie wenigstens jetzt klarstellen, Herr Kollege. (Beifall bei den Grünen.)

21.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte.

21.03

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt geht es bei diesem neuen Baustein innerhalb des österreichischen Sicherheitsapparates zur Bekämpfung der Kriminalität um völlig neue Strukturen, die das Ziel haben sollen, dass wir die organisierte Kriminalität wesentlich effizienter bekämpfen können, als das mit den bisher gegebenen Strukturen der Fall ist.

Seit ungefähr einem Jahrzehnt wird darüber diskutiert. Es wurden x Arbeitsgruppen eingesetzt, die auch gearbeitet haben. Jetzt setzen wir das um, und zwar in einer sehr kurzen Zeit. Innerhalb eines dreiviertel Jahres war die Analyse fertig, innerhalb des folgenden dreiviertel Jahres waren die Konzepte fertig. Und wenn wir heute von Ihnen den parlamentarischen Auftrag dazu bekommen, dann werden wir diese Konzepte ab 1. Jänner 2002 eins zu eins umsetzen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sehe diesen Baustein für die Reformarbeit im österreichischen Sicherheitsapparat ähnlich pragmatisch wie beispielsweise bei der Reform des Zivildienstes, bei der Weiterentwicklung der Gendarmeriestrukturen, bei der Weiterentwicklung der Polizeistrukturen, bei der Auslagerung der Flugrettung und bei vielen anderen Projekten. Durch den Reformstau, der in unserem Haus angefallen ist, war es dringend notwendig, dass hier etwas geändert wird: nach einer detaillierten Analyse eine genaue Projekterstellung und penible Vorbereitung, und in diesem Fall – falls uns das Parlament die Möglichkeit gibt – die professionelle Umsetzung, die wir im nächsten Jahr sicherstellen wollen.

Es geht darum, dass neue Formen der Kriminalität auch neue Formen der Bekämpfung brauchen. Das heißt insbesondere, dass wir derzeit gegebene Doppelgleisigkeiten abbauen wollen, dass wir eine ganze Reihe von komplizierten und unübersichtlichen Meldewegen durch einen "single point of contact" ersetzen wollen, dass wir unkoordinierte und unwirtschaftliche Sach- und Personaleinsätze in eine koordinierte Steuerung überführen wollen, dass wir bei der Suchtgiftbekämpfung derzeit zum Teil anlassbezogen agieren und in Zukunft ein einfacheres, rasche


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res System zur Verbesserung der zentralen Informationsgewinnung brauchen, um organisierte Strukturen rechtzeitig, rasch und effizient bekämpfen zu können, dass wir eine parallele Ermittlung in den Bereichen Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche, die wir jetzt haben, durch eine Konzentration von überregionalen, internationalen wirtschaftspolizeilichen Großverfahren entsprechend ablösen wollen.

Nachdem ich hier monatelang dafür geworben habe, dass bei einem zentralen Punkt der österreichischen Kriminalitätsbekämpfung ein breiter Konsens im Nationalrat sinnvoll und günstig wäre, um auf der einen Seite unseren Beamten die entsprechende Rückendeckung zu geben und auf der anderen Seite der österreichischen Öffentlichkeit und der österreichischen Bevölkerung klarzumachen, dass Bekämpfung von Kriminalität ein Gesamtanliegen des Parlamentes ist, muss ich heute eine ernüchternde Bilanz ziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Grundsatzfragen der Bekämpfung der österreichischen Kriminalität sollte die breite Mehrheit des Parlaments die Dinge gemeinsam sehen und gemeinsam in die Hand nehmen. Daher bedauere ich es umso mehr, dass nach dem Innenausschuss sowohl die Sozialdemokraten als auch die Grünen diesen breiten Konsens für mehr Sicherheit bei der Kriminalitätsbekämpfung auch hier und heute wieder verweigern. Das hilft uns nicht bei unserer Arbeit, im Gegenteil, das behindert uns in der Umsetzung der bestmöglichen Strukturen, die wir brauchen.

Ich darf zu einigen Argumenten kommen, zunächst zu dem, was hier vom Sicherheitssprecher der SPÖ dargelegt wurde. Es ist eigentlich tragisch, dass hier wieder ein Antrag gestellt wird, der, würde er beschlossen werden, das Innenministerium zu dem Weg zurückführen müsste, der in den letzten fünf, zehn Jahren gegangen wurde: zum Abziehen der Beamten aus den Außenstellen, um sie hinein in die Zentrale zu bringen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte sehr darum, diesem Antrag nicht stattzugeben! Wir sparen in der Verwaltung, damit wir der Sicherheit vor Ort dienen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher ist es einfach nicht der Wahrheit entsprechend, dass hier Exekutivbeamte eingespart werden sollen, sondern es ist unser Grundsatz – und wir haben ihn bisher lückenlos umgesetzt –, dass wir in der Verwaltung einsparen, damit wir weiter in die Sicherheit vor Ort investieren können. Das bedeutet daher, dass wir das Meldewesen übergeben haben. Das bedeutet daher, dass wir über 20 Prozent unseres Personals im Gendarmerie-Zentralkommando und null Prozent bei den Gendarmerieposten eingespart haben. Das bedeutet daher, dass wir im Passwesen weiterarbeiten. Das bedeutet daher, dass wir in der Polizeidirektion Wien eine Neuorganisation durchführen, die in Wien mehr als 100 Be-amte zusätzlich auf die Straße bringt. Und das bedeutet schlussendlich, dass wir gerade jetzt – vor drei, vier Tagen – den ersten Kurs begonnen haben, in dem Gendarmeriebeamte und Polizeibeamte gemeinsam auf der Schulbank sitzen, um eine gemeinsame Ausbildung zugunsten der österreichischen Sicherheit zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Kogler! Ich darf Sie dazu einladen, dass Sie sich bei Gelegenheit einmal unsere Geldwäsche-Meldestelle ansehen. Vielleicht können wir dort mit den Fakten das ausräumen, was Sie hier auf diesem Podium dargelegt haben.

Die in Österreich bestehende Meldestelle gehört nämlich zu den ganz wenigen bestorganisierten institutionalisierten Geldwäschebekämpfungsmitteln. Vertreter aus anderen Staaten kommen zu uns, um sich dieses System anzuschauen, um zu studieren, wie man Verdachtsmomente direkt zur Kripo meldet, um dann sofort die Dinge in Gang zu setzen. Die Sicherheitspartnerschaften, die wir mit unseren Nachbarländern geschlossen haben, zeigen, dass wir diesen erfolgreichen Weg der österreichischen Kriminalitätsbekämpfung auch sehr gut zu unseren Nachbarn exportieren und dort gemeinsam arbeiten können. Ich lade Sie herzlich ein, sich das anzusehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Herr Abgeordneter Kogler umfassende Reformen einfordert, dann, Herr Abgeordneter, ist zu sagen: Jawohl, das haben wir vor; eins zu eins zu eins. (Abg. Schwarzenberger  – in Richtung des Abg. Mag. Kogler –: Auch mitstimmen sollten Sie!) Ich sage Ihnen, wir werden das


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Schritt für Schritt und ganz klar, so wie ich das vorhin gesagt habe – also Analyse, Konzept und professionelle Umsetzung –, nach und nach im österreichischen Sicherheitsapparat umsetzen.

Zur Beschlussfassung liegt jetzt das Bundeskriminalamt vor. Wenn dieses Bundeskriminalamt eingerichtet ist und arbeitet, werden wir uns so, wie es das Regierungsprogramm vorsieht, mit den nächsten Stufen in der Organisationsform zu beschäftigen haben. Das wird ganz sicher weitergehen, das kann ich Ihnen so sicher versprechen wie das Amen im Gebet, wenn Sie diesen Brauch kennen sollten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Das wird ja zur Ersatzreligion!)

Zur Observation darf ich sehr klar sagen, dass es sich hier um einen sachlichen Irrtum handeln muss, denn Tatsache ist – und das ist keine wertende, sondern einfach eine Tatsachenfeststellung –, dass sich die Befugnisse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich um keinen Millimeter ändern werden. Die Befugnisse, die Aufgaben und auch die Vollmachten, die ein Mitarbeiter im zukünftigen Bundeskriminalamt haben wird, gleichen eins zu eins denen, die jeder Gendarmerie- und jeder Polizeibeamte hat. Daher ist es nicht notwendig und auch völlig daneben, hier zusätzliche Merkmale zu fordern. Das würde bedeuten, dass das, was Sie hier fordern, auch für alle Gendarmerie- und Polizeibeamten Österreichs gelten müsste. Diese Forderung haben Sie aber Gott sei Dank nicht aufgestellt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Insgesamt möchte ich das wiedergeben, was heute in der ORF-Homepage über dieses neue Bundeskriminalamt dargelegt wurde, und ich darf das zitieren, weil es der Meinung unseres Hauses entspricht und auch meine persönliche Meinung ist – ich zitiere die ORF-Homepage von heute –:

Mit dem neuen BKA wurde jedenfalls jetzt eine Neuorganisation geschaffen, an der schon mehrere Innenminister vor Strasser gescheitert waren. Im Idealfall wird der Durchschnittsbürger nicht viel davon merken, aber den ermittelnden Polizisten und Gendarmen soll der Alltag erleichtert werden. – Zitatende. Genau das ist die Absicht, und genau das hat der ORF auch so gebracht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke Herrn Abgeordnetem Kiss für die ausgesprochene Gratulation, allein – ich darf das in aller Klarheit sagen – die Gratulation gilt nicht mir. Die Gratulation gilt den Beamten, die Gratulation gilt insbesondere dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, der als Projektverantwortlicher dieses Projekt von der ersten Minute an gesteuert hat. Der Dank gilt insbesondere auch Herrn Ministerialrat Beuchert, der in diesen Tagen in Pension gehen wird, für den das sozusagen der Abschluss einer jahrzehntelangen Karriere im österreichischen Sicherheitsapparat ist und der diese schwere Aufgabe noch im hohen Berufsalter übernommen und perfekt organisiert hat.

Und jetzt in der Umsetzung gilt der Dank insbesondere auch Herrn Dr. Haidinger und seinen Mitarbeitern, die dafür gesorgt haben, dass organisierte Kriminalität auch ordentlich und modern bekämpft werden kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reindl. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Leikam  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Reindl –: Auf dich hat der Minister aber nicht gewartet! – Abg. Reindl  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Wohl!)

21.15

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Allroundgendarm, der Allroundpolizist hat in der heutigen Zeit ausgedient. Immer neue Formen der Kriminalität treten in Erscheinung oder nehmen sehr dramatisch zu. So ist es ganz einfach nicht möglich, dass der – unter Anführungszeichen – "einfache" Gendarm oder Polizist für Ordnung, Ruhe und Sicherheit in seinem Bereich sorgt, Akte erhebt, erledigt, die Verkehrsüberwachung und der


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gleichen mehr durchführt und gleichzeitig auch die organisierte Kriminalität, die Geldwäsche, den Drogenhandel und dergleichen mehr bekämpft.

Hohes Haus! Es war höchste Zeit, eine Einrichtung mit speziell ausgebildetem Personal und Sachmitteln zu schaffen, um überregionale Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung setzen zu können. Mit der Errichtung des Bundeskriminalamts ab 1. Jänner 2002 wird den Anforderungen der Zeit entsprochen, Doppelgleisigkeiten werden beseitigt, wie das der Herr Bundesminister bereits ausgeführt hat.

Bestehende Strukturen wie die Kriminalpolizei, Teile der Gruppe Staatspolizei und des Büros für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung sowie die Wirtschaftspolizei der Bundespolizeidirektion Wien werden sinnvollerweise zusammengeführt, und es wird mit demselben – und das ist sehr wichtig – Personal und denselben finanziellen Ressourcen das Auslangen gefunden.

Meine Damen und Herren! Für uns Gendarmeriebeamte ist Folgendes sehr wichtig: Es wird auch in Zukunft keine Juristen für den Kriminaldienst bei den Bezirksverwaltungsbehörden, also bei den Bezirkshauptmannschaften, geben. Das heißt, die Beamtin, der Beamte der Gendarmerie tritt nach wie vor direkt zum Beispiel mit dem Staatsanwalt in Kontakt.

Hohes Haus! Das Bundeskriminalamt in der Form, wie es heute in diesem Hohen Haus beschlossen werden wird, steht zwar auf guten Beinen, könnte aber noch wesentlich besser fundiert sein, wenn man das Gesetz mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen und somit eine Behörde installieren würde. (Abg. Gaál: Es steht auf tönernen Füßen!) Das wäre sehr wichtig, Herr Kollege Leikam, denn das Bundeskriminalamt in Form einer Behörde hätte mehr Selbstverantwortung und könnte auch schneller und effizienter reagieren. Leider kommt diese Verfassungsbestimmung nicht zustande, weil die beiden Oppositionsparteien, SPÖ und Grüne, wieder einmal als Einheitspartei auftreten und ihre Zustimmung dazu verweigern. Das ist nichts anderes als die Fortsetzung der Blockadepolitik von Rot und Grün, wie sie heute bereits bei der Abstimmung über die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin vorexerziert wurde.

Hohes Haus! Der Sicherheitssprecher der Sozialdemokraten, Herr Kollege Parnigoni – er befindet sich momentan nicht im Plenum –, meinte in seiner Presseaussendung vom 4. Dezember 2001, dass 229 Exekutivkräfte aus den Ländern, Städten und Gemeinden zum Bundeskriminalamt abgezogen werden würden und es zur Aufblähung einer Zentralstelle kommen werde. Er hat gemeint, das sei mit ein Grund, diesem Gesetz nicht zuzustimmen. – Ich halte auch das, was er heute in seinem Debattenbeitrag ausgeführt hat, nämlich das mit dem Rechtsschutzbeauftragten, ebenfalls nur für einen simplen Vorwand. Herr Kollege Parnigoni von der SPÖ hat wahrscheinlich die Protokollanmerkung von Frau Vizekanzler Dr. Riess-Passer und von Herrn Innenminister Dr. Strasser nicht gelesen. In der Protokollanmerkung 72/25 ist unter anderem eindeutig festgehalten, schwarz auf weiß niedergeschrieben: Bestehende Strukturen werden zusammengefasst, der Personalstand nicht ausgedehnt. (Abg. Leikam: Genau das ist ja das Problem!)  – Also keine Aufblähung wie behauptet!

Es steht auch drinnen, dass ein auf Dauer angelegtes Heranziehen von Planstellen von Sicherheitsdirektionen, Bundespolizeidirektionen, Landes- und Bezirksgendarmeriekommanden, Gendarmerieposten und sonstigen Organisationseinheiten, die den klassischen Exekutivdienst durchführen, ausgeschlossen wird.

Hohes Haus! Die Begründungen der Sozialdemokraten, dieses Gesetz in der vorgelegten Form abzulehnen, sind sehr durchsichtig. Der wahre Grund der Ablehnung dürfte sein, dass die Sozialdemokraten bei der personellen Besetzung im Bundeskriminalamt nicht mehr jenen parteipolitischen Einfluss haben, den sie 30 Jahre lang durchgehend gehabt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leikam. Er hat das Wort. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger.  – Abg. Leikam  – auf dem Weg zum Rednerpult –:


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Gescheit, Herr Abgeordneter, sehr gescheit! Da muss man Arzt sein, um so einen dummen Zwischenruf zustande zu bringen!)

21.20

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jubelstimmung bei den Schwarzen und Blauen im Nationalrat, Katzenjammer und Empörung über dieses neue BKA und über die Reformen des Innenministers quer durch alle Parteien und alle österreichischen Bundesländer, so möchte ich diese heutige Debatte übertiteln. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Proteste, Unterschriftenaktionen in allen größeren Städten, in allen Ländern, mit prominenten ÖVPlern an der Spitze. Niemand wird behaupten, dass Georg Wurmitzer ein Roter ist – er ist der Landesparteiobmann der ÖVP in Kärnten. Niemand wird behaupten, dass der Klagenfurter Bürgermeister ein Roter ist. Sie alle unterschreiben die Resolutionen gegen diesen Innenminister, weil sie mit seinen Reformen nicht einverstanden sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Die unterschreiben, weil sie sie nicht kennen! – Abg. Mag. Mühlbachler: Die sind falsch informiert worden!)

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sie haben insofern Recht, als Sie in Ihrer Wortmeldung gemeint haben, dass Sie mit diesem BKA völlig neue Strukturen schaffen. Das ist richtig: Sie schaffen völlig neue Strukturen. Sie haben beklagt, dass der Grundkonsens in einer so wichtigen sicherheitspolitischen Frage wie diesem BKA nicht zustande gekommen ist. – Aber dem, was Sie uns hier vorgelegt haben, Herr Bundesminister, kann die sozialdemokratische Fraktion nicht zustimmen. (Abg. Kiss: No, no!) Das, was Sie hier vorgelegt haben, das hätte jeder sozialdemokratische Minister auch ganz leicht vorlegen können. Wir wollten aber etwas Vernünftiges machen und nicht so einen Murks, meine Damen und Herren, wie Sie ihn uns heute auf den Tisch legen. (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben uns bei den Verhandlungen wirklich bemüht, ein BKA zu schaffen, das Sinn macht, meine Damen und Herren. (Abg. Miedl: Was haben Sie gewollt? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Aber das, was der Herr Bundesminister und was die Regierung heute dem Parlament vorlegt, ist ein zentralistisch gelenkter Moloch, Herr Bundesminister! Und die SPÖ, das sage ich Ihnen sehr deutlich, steht für eine Aufblähung von Zentralbehörden zu Lasten der Sicherheit in unserem Lande sicherlich nicht zur Verfügung, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Miedl: Sie haben es nicht verstanden!)

Sicherheit, meine Damen und Herren, wird nicht in den Zentralstellen gewährleistet, sondern auf den Straßen, den Märkten und in den Städten unseres Landes! Dort wird die Sicherheit praktiziert – und nicht in den Zentralstellen! (Abg. Miedl: Sie verstehen es nicht!)

Meine Damen und Herren! Sie bräuchten ja eigentlich nur die Begutachtung genauer zu lesen. (Abg. Miedl: Sie haben keine Ahnung!) Als der Herr Bundesminister dieses Gesetz versendet hat, hat es gehörige Kritik an diesem Entwurf gegeben, und das mit Recht! Kollege Parnigoni hat darauf hingewiesen, dass rund 250 der 654 Planstellen, die in diesem BKA zusammengefasst werden, von der so genannten Fläche abgezogen werden, also von dort, wo die Beamten Dienst machen. Davon nimmt zwar ein Teil die Aufgabe ins BKA mit, es bleiben aber noch immer 140 Beamte, die von anderen Aufgaben abgezogen werden, um dem BKA zur Verfügung gestellt zu werden. (Abg. Kiss: Reindl hat das widerlegt! Da haben Sie nicht aufgepasst!) Das ist genau diese zentralistische Vorgangsweise, die wir nicht haben wollen. Wir wollen die Sicherheit in den Dörfern, in den Städten unseres Landes haben, und nicht einen Moloch, wie ihn Herr Bundesminister Strasser hier schafft. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, wie einige ÖVP-Abgeordnete, die sich zu diesem Gesetz heute bereits medial geäußert haben, dazu kommen, zu erklären, dass hinsichtlich dieses BKA große Zufriedenheit und Zustimmung im Lande herrschten, Herr Kollege Kößl! (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt!) 83 Prozent der befragten Kriminalbeamten lehnen Ihren Entwurf ab, Herr Abgeordneter Kößl! 83 Prozent lehnen diesen Entwurf ab! (Ruf bei der ÖVP: Von Ihnen falsch informiert! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wie kommen Sie zu so einer Behauptung,


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Herr Abgeordneter Kößl? Das ist doch schlicht und einfach die Unwahrheit, die Sie heute in Ihrer Presseaussendung verkündet haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Warum Kollege Reindl diesem Gesetz so begeistert zustimmt, weiß ich nicht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Der Herr Minister hat ihm bei seiner Stellungnahme ja nicht einmal mehr zugehört. Es ist mir also unerklärlich, aber das muss die freiheitliche Fraktion unter sich ausmachen, warum hier diese Begeisterung ausbricht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ganz in Ihrem Sinne ist, was der Herr Minister hier eingebracht hat. Da wird die Koalitionsdisziplin wohl eher stärker gewirkt haben als der Inhalt dieses Gesetzes, Herr Abgeordneter Reindl.

Meine Damen und Herren! Das, was zum Beispiel mit der Observation passieren soll – ich gehe noch einmal auf diesen einen Punkt ein, denn die Zeit erlaubt es ja nicht, zu diesem Gesetz allzu weit auszuholen. (Abg. Miedl: Das ist der beste Beweis dafür!) Allein die Auflassung der Observationsgruppen in den Ländern, so haben Sie es uns zumindest im Ausschuss erklärt, Herr Bundesminister, und die Zusammenfassung dieser Observationsgruppen im BKA, auf zentraler Ebene, und dann wiederum die Aufteilung auf vier Standorte in Österreich, die "zufällig" identisch sind mit den Standorten Ihrer so genannten "Cobra neu" – das ist ja auch kein besonders großer Zufall –, genau diese Observationsgruppen fehlen dann in den Ländern. Und ich sage Ihnen hier, Herr Bundesminister, ich glaube nicht, dass Sie zu der Auffassung gelangen könnten, das mit Ihrer "Cobra neu", mit Ihren Observationsgruppen an diesen Standorten schaffen zu können, wenn Sie die Situation in den Ländern besser kennen würden.

In Kärnten, und das sage ich Ihnen ganz offen, gibt es bezüglich der Auflassung der MEKs und der SEKs massiven Widerstand, und da gibt es ja auch die Unterschriftenaktionen, bei denen auch prominente ÖVPler voll mittun.

Sie haben vor einiger Zeit – und das haben Sie auch vorhin erwähnt – auch die Flugrettung aus dem Bereich des Innenministeriums weggegeben, sagen jetzt aber, dass Sie dann von diesen vier Standorten aus in etwa 70 Minuten an jedem Einsatzort sein werden. – Ich wiederhole: 70 Minuten, 70 lange Minuten, Herr Bundesminister, wenn dort dringend diese Einheiten gebraucht werden! 70 lange Minuten werden die Leute warten müssen, bis eine Einheit von diesen vier zentralen Standorten zu ihrem Einsatz in anderen Bundesländern geflogen sein wird.

Und was werden Sie tun, Herr Bundesminister, wenn dann eine Situation eintritt, wie sie etwa derzeit in Kärnten gegeben ist? Die Flugrettungshubschrauber des ÖAMTC und jener des Roten Kreuzes werden nämlich nach Spittal verlegt, nach Ebene Reichenau, aus der Nebelzone hinaus, weil sie, wenn sie Verletzte aus den Bergen holen wollen, in Klagenfurt vielfach nicht starten können. Was werden Sie dann mit Ihren Einheiten tun, die nach Kärnten fliegen sollten, wenn die anderen, in Kärnten stationierten schon nicht mehr fliegen können?

Sie gehen damit ein sicherheitspolitisches Risiko ein, Herr Bundesminister, das für mich einfach nicht erklärbar ist. Ich weiß nicht, wer Sie da beraten hat. Gut sind Sie in dieser Sache sicherlich nicht beraten worden.

Noch einmal: Dieses BKA ist kein Fortschritt, Herr Abgeordneter Kiss, und schon gar nicht dieses "Jahrhundertgesetz", von dem Sie im Ausschuss gesprochen haben. Es ist eine Regelung, die nicht besonders viel Inhalt hat, die aber dazu führen wird, dass die Sicherheit in den Ländern sicherlich nicht mehr jene sein wird, wie wir sie derzeit haben und wie sie Ihnen sozialdemokratische Innenminister überlassen haben, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

21.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. Er hat das Wort.

21.29

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin jetzt ein Stückchen gescheiter geworden, Herr Kollege Leikam! (Demonstrativer Beifall des Abg. Schwemlein. ) Ich weiß jetzt, dass es nach SPÖ-


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Interpretation die Landeskriminalität und die Bundeskriminalität gibt. Ich muss Ihnen aber sagen, Sie haben die Bundesverfassung nicht gelernt, denn darin ist eines ganz klar, Herr Kollege Leikam, dass nämlich die Kriminalität und die Bekämpfung der Kriminalität Bundessache sind und niemals Landessache sein können. (Abg. Leikam: Wenn man in der nebelfreien Zone starten darf!)

Jetzt sage ich Ihnen etwas, Herr Kollege Leikam, denn das ist ja babylonische Sprachverwirrung pur, was Sie da betreiben. Sie verwechseln die Äpfel mit den Birnen, und mich wundert es nicht, dass man Sie als Sicherheitssprecher abgelöst hat. Sie haben keine Ahnung, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Herr Kollege Leikam! Wir zwei können dann gerne hinten ein Tête-à-tête machen, und ich werde Sie über die Sicherheitspolitik informieren. Ich sage Ihnen jetzt etwas: Für diese Tat des Herrn Bundesministers für Inneres werden wir alle miteinander noch einmal sehr, sehr dankbar sein. Etwas, was Ihre Minister über lange Zeit hinweg verschlafen haben oder wo sie sich nicht drübergetraut haben, das ist jetzt Wirklichkeit geworden, meine Damen und Herren! Und ich spreche jetzt nicht von der organisierten Kriminalität, weil es europaweit allgemeiner Standard ist, dass die Bekämpfung der organisierten Kriminalität wie Geldwäsche, Waffenhandel, Autoschieberei, Mädchenhandel und natürlich auch der Suchtgiftkriminalität von einer kompetenten Zentralstelle wahrzunehmen ist. Davon rede ich gar nicht, Herr Kollege Leikam.

Worüber ich aber sehr gerne reden würde, ist eine Amtshandlung, die im Jahr 1993 stattgefunden hat. Ihr Minister Löschnak war damals der amtierende Innenminister. Herr Kollege Leikam, Sie waren damals der Sicherheitssprecher. – Hören Sie mir zu, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört! (Abg. Leikam: Nein, das haben Sie nicht!)

Die Situation war die, dass am 6. November ein Einbruch in einem Gendarmerieposten stattgefunden hat. Es wurden vier Dienstwaffen und eine Maschinenpistole entwendet. Durch das unkoordinierte Vorgehen der Sicherheitsbehörden kam es zu einem tragischen Todesfall, der verhindert hätte werden können. Das interessiert den Kollegen Leikam nicht. Und diese da-maligen Fahndungspannen, meine Damen und Herren, hatten ihre logische Konsequenz auch im Parlament. Es wurde hier darüber debattiert, und Herr Kollege Abgeordneter Pirker hat damals gesagt, dass die Ursachen dieser Mängel tatsächlich im System liegen und nicht bei den handelnden Personen.

Meine Damen und Herren! Bei der Recherche zur heutigen Diskussion habe ich einen alten Artikel aus dem "profil" ausgegraben, in dem Folgendes zitiert wird: "Und wieder werden der Kritik keine wirklichen Veränderungen folgen, weil die Exekutive von sich aus nicht die Kraft hat, sich einer ordentlichen Reorganisation zu unterziehen" – und die Politik zu feig ist, Reorganisationen von sich aus durchzuführen. "Die Personalvertreter wollen wieder gewählt werden", und die Gewerk-schaft ist von jeher viel zu feige, dieses heiße Eisen anzupacken. – Werner Miedl, mein Name steht hier darunter. Ich habe das damals gesagt, und ich habe bereits damals umfassende Reorganisationen vom Bundesminister verlangt. Sie sind aber nicht gekommen.

Meine Damen und Herren! Worauf wir als Sicherheitsfachleute heute stolz sein können, ist, dass es einen Minister gibt, der es bei Gott nicht leicht hat, dem natürlich von da oder dort Widerstand ins Gesicht bläst, weil es nirgends leicht und einfach ist, Veränderungen durchzuführen und hinzunehmen, aber wir setzen es durch, im Interesse der Sicherheit, Herr Kollege Leikam. Und da würde ich schon meinen, dass es für eine staatstragende Partei wie die SPÖ von Vorteil wäre, sich einmal darauf zu besinnen, was notwendig ist, was im Sinne der Sicherheit zu tun ist, und nicht die Landessicherheit gegen die Bundessicherheit auszuspielen. Ein so dummes Argument habe ich in meinem Leben noch nie gehört, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Präsident, verzeihen Sie, ich nehme das Wort "dumm" zurück, aber es war ein Argument, das dermaßen hanebüchen ist, dass ich sagen muss, ich verstehe die Welt nicht. Herr Kollege


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87. Sitzung / Seite 219

Leikam war doch lange Zeit der Sicherheitssprecher seiner Partei, und ich kann nicht nachvollziehen, welche Teufel ihn da jetzt reiten.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ begründet das mit einer Absage an den Zentralismus. Gerade die SPÖ lehnt den Zentralismus ab, aber jeder weiß, Herr Kollege, auch Sie wissen, dass man Einsätze möglichst mit nur einer Kommandostelle zu führen hat. Überall, wo mehr als einer einen Einsatz leitet, geht die Geschichte in die Hose! (Abg. Leikam: Nicht in jedem Fall!) Betrachten Sie das Bundeskriminalamt als eine solche Leit- und Koordinierungsstelle, damit solche Geschichten nicht mehr in die Hose gehen. (Abg. Parnigoni: Das BKA direkt wird das alles koordinieren?)

Zweites Argument: Sie haben die Personalverlegung ins BKA kritisiert. Mit dem Personal wandern aber auch die Aufgaben mit, meine Damen und Herren. (Abg. Parnigoni: Ihr Licht leuchtet Ihnen!) Somit ist das nicht stichhältig, was Sie sagen.

Und zum Dritten und Letzten, meine Kollegen von der SPÖ: Es ist so, dass der von Ihnen urgierte Rechtsschutzbeauftragte bei jedem dieser Gesetze, die zur Anwendung kommen, natürlich längst tätig wird. (Abg. Parnigoni: Ihr Ende ist gekommen! Du bist erleuchtet! Das rote Licht leuchtet!) Das, was Sie verlangen und fordern, ist in Wirklichkeit nur ein Argument dafür, dass Sie nicht mitzustimmen brauchen. Es ist ein Armutszeugnis für die SPÖ, bei so einem Gesetz, das für die Sicherheit in Österreich so wichtig ist, nicht mitzustimmen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

21.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Er hat das Wort.

21.34

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir haben es heute schon gehört, und es stimmt tatsächlich: Österreich zählt nach wie vor zu den sichersten Staaten Europas. Dasselbe gilt auch für Wien. Aber, Herr Bundesminister, es ist das natürlich auch ein großes Verdienst Ihrer Vorgänger. Sie sind bemüht, deren Weg fortzusetzen, wobei wir allerdings meinen, dass er in Nuancen und im Detail nicht jener ist, den wir uns vorstellen. Aber an sich wollen auch wir, dass die Sicherheitsgegebenheiten in Österreich und natürlich auch in Wien bleiben wie in der Vergangenheit. Dazu sind natürlich Anpassungen, Weiterentwicklungen nötig, und daher, Herr Bundesminister, haben wir vom Grundsatz her nichts gegen sinnvolle Reformen und Veränderungen und auch nichts gegen die Vermeidung von Doppelgleisigkeiten.

Wir Sozialdemokraten stehen, und das haben meine geschätzten Vorredner schon betont, für bessere und sicherere Rahmenbedingungen. Wir stehen für Effizienz und Glaubwürdigkeit, insbesondere dann, wenn es um die Exekutive geht. Daher nehmen wir, Herr Bundesminister, die sehr begründeten Einwände der Gewerkschaften und der Personalvertretung sehr, sehr ernst, egal ob sie vom Zentralausschuss des Generaldienstes kommen, der Bundessicherheitswache, der Gendarmerie oder der Polizeiverwaltung.

Sie alle, und das wurde heute bereits gesagt, stehen dem Ansinnen der Errichtung eines Bundeskriminalamtes negativ gegenüber. Man muss sich das dann natürlich auch im Detail ansehen und kann da und dort schon Gemeinsamkeiten entdecken, aber vom Grundsatz her habe ich persönlich Verständnis für die Einwände, denn meiner Meinung nach, Herr Bundes-minister, wäre es doch sinnvoller gewesen, zunächst einmal die Strafprozessordnung, also die StPO-Reform, abzuschließen und das dazugehörige Kriminaldienstgesetz zu schaffen.

Uns allen gemeinsam geht es um die Eigenständigkeit der Kriminalpolizei. Und wenn man in der Begründung von Reformmaßnahmen immer wieder von Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit, Kostenersparnis und Raschheit spricht, dann sehe ich in diesem Gesetzentwurf nirgendwo Ansätze dafür. Gleichlautend argumentieren auch die Bundesgendarmerie und die Sicherheitswa-che. Anstatt Hierarchien abzuschaffen oder abzuflachen, befassen Sie sich mit einer nicht mehr zeitgemäßen Vorgangsweise, so lautet deren Vorwurf. Eher wird das Gegenteil einer modernen Verwaltung erzeugt.


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Herr Bundesminister! Sie ziehen mit der Schaffung des Bundeskriminalamtes zusätzliche Entscheidungshierarchien ein, was letztlich den Informations-, den Kommunikations- beziehungsweise auch den Instanzenweg verlängert. Das sehen natürlich auch viele Bundesdienststellen so. Auch das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport meldet personalwirtschaftliche Bedenken an, und das ist wohl keine sozialdemokratische Einrichtung.

Herr Bundesminister! Ich will hier nicht sämtliche Einwände der Bundesdienststellen zitieren, sie alle sind berechtigte Einsprüche bis hin zur Stellungnahme des Rechnungshofs, die ich ersuche sehr ernst zu nehmen, und in der immer wieder auf die erforderliche Kostenneutralität dieses Projektes hingewiesen wird. – Alle diese Einwände blieben, soweit ich den Sachverhalt kenne, unberücksichtigt. Sollte es anders sein, würde ich einer Berichtigung freudig entgegensehen.

Herr Bundesminister! Alle unsere konzeptiven Vorschläge, begründeten Forderungen und Einwände blieben unberücksichtigt. Sie haben uns ganz einfach ausgebremst. Ich glaube, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, wäre etwas sehr Sinnvolles und Gescheites entstanden, denn auch wir würden, auch was den Kriminaldienst anlangt, eine sehr effiziente Einrichtung auf Bundesebene verlangen und begrüßen, nur sollten im Detail doch ganz andere Schritte gesetzt werden.

Wir wissen, und das ist heute auch bereits gesagt worden, dass von den Ländern Beamte für das Bundeskriminalamt abgestellt werden, von Wien etwa 100 Beamte. Die Aufgaben können von den Beamten nicht eins zu eins übernommen werden, und daher würde ich meinen, Herr Bundesminister, dass wir das im Konkreten und im Detail nochmals überdenken und überlegen sollten, denn schon heute fehlen in Wien 750 Beamte in den Wachzimmern. Neuaufnahmen gibt es kaum. Meines Wissens werden jetzt zwar 40 Beamte eingestellt, aber das ist zu wenig.

Herr Bundesminister! Sie haben den Auftrag dazu, und Sie würden auch ganz anders regieren, weil Sie um die Sicherheitssituation Bescheid wissen, aber Sie mussten alles dem Nulldefizit unterordnen. Diese rigorosen Sparmaßnahmen der Bundesregierung, Herr Bundesminister, gefährden die Sicherheit in Österreich und in Wien. Daher kann dieser sicherheitspolitische Weg kein gemeinsamer sein, so Leid es mir tut, er findet nicht unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

21.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Er hat das Wort.

21.40

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gaál, Sie haben dankenswerterweise erklärt, dass Sie für Effizienz stehen. Daraus folgere ich, dass Sie diesem Gesetz zustimmen werden.

Meine Damen und Herren! Zum Zwecke einer wirksamen bundesweiten Bekämpfung gerichtlich strafbarer Handlungen im Inland, aber auch zur Wahrnehmung zentraler Funktionen im Bereiche der internationalen Polizeikooperation wird mit kommendem Jahr ein Bundeskriminalamt eingerichtet, das Teil der Organisationsreform der Kriminalpolizei in ihrer Gesamtheit ist. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Erneuerung des Sicherheitswesens überhaupt. Die Regierung von FPÖ und ÖVP geht diesbezüglich in eine klar erkennbare, berechenbare Richtung, so wie auch bei der Sicherheitsdoktrin, die wir heute schon beschlossen haben.

Die Sicherheitsdoktrin, die Sie als zu eng gefasst bezeichnet haben, befasst sich auch mit der inneren Sicherheit. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. ) Darin steht, dass das Ziel die Be-kämpfung des internationalen Terrorismus sein muss, insbesondere durch Intensivierung der innerstaatlichen Zusammenarbeit sowie auf bilateraler und multilateraler Ebene und im Rahmen der EU. Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in all ihren Ausprägungen – Menschenhandel, Schlepperei, Waffen- und Drogenhandel, Geldwäsche et cetera – muss sowohl inner-staatlich als auch durch internationale Zusammenarbeit erfolgen.


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Meine Damen und Herren! Diese Ziele sollten Ziele von uns allen sein! Und dass gerade Sie von der SPÖ diesem Gesetz heute hier nicht zustimmen, kann ich nur als Trotzhaltung sehen, weil Sie im Bereich des Innenministeriums nicht mehr schalten und walten können, wie Sie es gewohnt waren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Er hat das Wort.

21.42

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich stellt sich in dieser Causa nicht die Frage, warum über das BKA noch verhandelt wird, denn das sehen wir ja positiv, sondern warum es darüber hinaus überhaupt noch weitere Überlegungen betreffend Landeskriminalämter beziehungsweise sogar Bezirkskriminalämter gegeben hat beziehungsweise noch immer gibt, die noch immer nicht vom Tisch sind. (Abg. Kiss: Es ist wirklich unglaublich, was da alles be-hauptet wird!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aufgaben der Sicherheitspolizei, also auch der Kriminalpolizei, werden zur Zeit ausschließlich von den Wachekörpern der Bundesgendarmerie, der Bundespolizei, der Korps der Kriminalbeamten und nicht zuletzt auch von einzelnen Gemeindewachkörpern wahrgenommen. Das war sehr gut geregelt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte auf einen Modellfall in meiner eigenen Heimatstadt Amstetten aufmerksam machen: Das ist eine Stadt mit 24 000 Einwohnern und einem starken Umland. Die Bundesgendarmerie hat dort 25 Beamte, und davon gehören acht Beamte einer Kriminaldienstgruppe an, und es gibt auch einen Gemeindewachkörper mit sieben Beamten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie die Menschen überall in Österreich können auch wir mit Genugtuung behaupten, in einer sicheren Stadt zu wohnen. Die Kombination der Kräfte funktioniert hervorragend: Es ist nicht nur die Zahl der Straftaten auf Grund guter Prophylaxe verhältnismäßig niedrig, sondern man kann auch von einer hohen Aufklärungsrate reden, die internationalen Vergleichen locker standhält.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht zuletzt die von mir zitierte Kriminalgruppe leistet hervorragende Arbeit. Diese Gruppe hat sich in all den Jahren großartig bewährt, und sie hat vor allem auch in Zusammenarbeit mit den uniformierten Kräften ausgezeichnet gearbeitet. Die Gründe dafür sind sehr einleuchtend: Alle gehören demselben Wachekörper an, unterstehen derselben Kommandostruktur, sind auf dem letzten Stand der Ermittlungen, und die Beamten der Kriminalgruppe haben lange genug uniformiert Dienst gemacht und halten daher die uniformierten Beamten auf dem Laufenden.

Die Effizienz dieser jahrzehntelangen Praxis ist durch herzeigbare Erfolge zu beweisen. Die Beamten der Kriminalgruppe machen fallweise auch Dienst in Uniform, was auch ein ganz besonderer Vorteil ist, weil sie dadurch den persönlichen Kontakt zu den eingeteilten Beamten nicht verlieren und auch in diesem Bereich immer wieder Erkenntnisse sammeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der gesamte Dienstbetrieb spielt sich im Gebäude des Gendarmeriepostenkommandos ab, und auch das ist ein Vorteil, denn es gibt dadurch keine separaten Kostenstellen für Gebäudeerhaltung, Raummieten und so weiter. Diese Synergieeffekte sind ebenfalls ein sehr wichtiger Faktor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege Gaál hat schon den Rechnungshof zitiert. Die ablehnende Haltung meiner Fraktion zur Regierungsvorlage 806 der Beilagen ist wohlgemerkt nicht zuletzt auch hierin zu suchen. Der Rechnungshof hat sich natürlich vor allem mit der Kostenebene befasst und die Kostenneutralität beleuchtet, die nicht nachvollziehbar ist. Er bemängelt dies sowie die Einziehung einer weiteren hierarchischen Ebene, verbunden mit höheren Personalkosten, und er stellt weiters fest – was nicht unwesentlich ist –, dass in der


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Kostenaufstellung die Umstrukturierungskosten für die gesamte Neugestaltung gar nicht berücksichtigt sind.

Im Punkt zwei seiner Stellungnahme äußert der Rechnungshof erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Verfassungskonformität hinsichtlich des Weisungsrechtes gegenüber den nachgeordneten Dienststellen wie Sicherheitsdirektionen, Bundespolizeidirektionen, Bezirksverwaltungsbehörden und so weiter. – Das können wir vollinhaltlich unterstützen, und mich wundert ganz besonders, dass die Landeshauptleute in Anbetracht dessen nicht anders agieren.

Weiters wird unter Punkt drei festgestellt, dass die effiziente Aufgabenerfüllung stark unter der Aufsplitterung der Kompetenzen leiden wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der im Rechnungshofbericht unter Punkt vier angeführten abschließenden Empfehlung hinsichtlich der Notwendigkeit des BKA schließen wir uns gerne an. Auch wir sind der Meinung, dass das BKA auf Basis der derzeitigen Gruppe II/d im organisatorischen Verband der Zentralstellen gut aufgehoben ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine eigene Frage dazu lautet übrigens: Warum sollen denn einschneidende Veränderungen im österreichischen Sicherheitssystem herbeigeführt werden, wenn es zu einem der besten der Welt zählt? (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Wie gesagt: Wir sind einverstanden mit einem BKA, können aber all das, was darüber hinaus-geht, so nicht nachvollziehen. Wir bekennen uns zu unserem traditionellen, über hundertjährigen Wachekörper Gendarmerie und Sicherheitspolizei! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. Er hat das Wort. (Abg. Gradwohl  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Freund –: Sei freundlich! – Abg. Dr. Khol: Freundlich um diese Zeit heißt, sich kurz fassen! – Abg. Parnigoni: Das wird jetzt spannend!)

21.48

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Kriminelle Organisationen machen nicht vor Landesgrenzen Halt. Sie operieren international, und ihre Strukturen sind immer schwerer zu durchschauen, was ein Grund für mich ist, die Einrichtung des Bundeskriminalamtes aus vollem Herzen zu unterstützen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder. )

Spätestens der 11. September hat uns mehr als deutlich gezeigt, welche Gefahren von kriminellen, terroristischen und radikalen Organisationen ausgehen. Sie sind unberechenbar, und man kann ihre Aktionen meist nicht voraussehen. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Das Projekt Bundeskriminalamt ist die größte Reform der Kriminalpolizei in der Zweiten Republik. Es sollen wichtige Daten gesammelt und analysiert, und es soll im Fall von Gefahr eingegriffen werden. Durch das Bundeskriminalamt werden neue schlagkräftige und moderne Strukturen geschaffen, mit denen wir die organisierte Kriminalität international effizienter bekämpfen können. Durch die internationale Kooperation des Bundeskriminalamtes mit anderen Dienststellen wird die länderübergreifende Zusammenarbeit bei Fahndung und Informations-austausch gesichert.

Unsere Bundesregierung, voran Bundesminister Strasser, hat die Zeichen der Zeit erkannt. Deshalb setzen wir jetzt die richtigen Schritte zum Schutze unserer Bevölkerung. Die Errichtung des Bundeskriminalamtes ist dabei für mich ein wichtiger Meilenstein in der Sicherheitspolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird damit ein wesentlicher Beitrag zur Verbrechensbekämpfung geliefert werden, ohne dass dabei zusätzliche personelle Ressourcen in Anspruch genommen werden. Trotz intensiver


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Verhandlungen mit den Sozialdemokraten waren diese leider nicht bereit, diesen zukunftsweisenden Weg mit uns zu gehen.

Die Diskussion um das Bundeskriminalamt ist schon zehn Jahre alt. Bundesminister Strasser hat es zustande gebracht, innerhalb von zehn Monaten mit Experten und Beamten ein gutes Konzept zu erstellen. Auf Grund eines Verfassungsbeschlusses hätte diese neue Behörde noch schneller und effizienter reagieren können (Abg. Eder: Das täte dir so passen!), das ist aber an der Zustimmung der SPÖ und der Grünen gescheitert. Polemik ist Ihnen offensichtlich wichtiger als seriöse Sicherheitspolitik!

Ich schätze Herrn Kollegen Leikam und auch Herrn Kollegen Gaál. Ich habe sie immer als sehr seriöse Sicherheitspolitiker eingeschätzt. Was sie allerdings heute hier geboten haben, das war für mich – Verzeihung! – ein Krampf. Die SPÖ zeigt heute mit ihrem Verhalten, dass sie von der Sicherheitspolitik in Österreich abgetreten ist. Ihnen ist es bei den Verhandlungen nur um Posten gegangen. (Abg. Dr. Khol: Das stimmt!) Trotzdem glaube ich, dass es positiv ist, dass es dieser Regierung gelungen ist, dieses Bundeskriminalamt ins Leben zu rufen. Damit ist, wie ich meine, ein sehr großer Wurf gelungen, weil damit viele Doppelgleisigkeiten vermieden werden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich vertraue Herrn Bundesminister Strasser, denn seine bisherigen Reformen haben gezeigt, dass die von ihm veranlassten Veränderungen zu mehr Sicherheit in Österreich geführt haben, und das ist sehr positiv.

Herr Bundesminister! Ich möchte abschließend noch anmerken, dass es in unserer Region ein Konzept gibt, wonach gemeinsame Kontrollfahrten der oberösterreichischen und der bayrischen Gendarmeriebeamten entlang der Grenze durchgeführt werden. Das hat sich hundertprozentig bewährt! Die Fahndungserfolge und die Sicherheit im Grenzraum sind deutlich gestiegen, und ich möchte Sie darum ersuchen, Herr Bundesminister, dass dieses Projekt auch in Zukunft weitergeführt wird! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie wird es schwer haben nach dieser Rede!)

21.52

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das war ein echtes Hurra an den Herrn Bundesminister. Ich hoffe, Sie haben das gehört. Wenn man solche Freunde hat, kann es einem nur warm ums Herz werden! (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Beifall des Abg. Ellmauer. ) Allerhand!

Meine Damen und Herren! Ich muss es heute einmal sagen: An unsere Exekutivbeamten werden sehr, sehr hohe Anforderungen gestellt, zum Beispiel, dass sie persönliche Integrität besitzen, was nicht einfach ist. Auf dem Land – ich komme vom Land – müssen sie auch Vorbild sein. Sie sind sozusagen öffentliche Personen beziehungsweise eine Institution. Sie sind mit einer sehr schwierigen Klientel befasst, daher müssen sie hoch professionell agieren, und persönliche Befindlichkeiten oder gar Vorurteile müssen möglichst unterdrückt werden. Wir als Gesetzgeber beschließen oft und gern Gesetze, sollten dabei aber auch stets bedenken, dass die Beamten diese nicht nur kennen und verstehen, sondern auch exekutieren müssen.

Diesen Personen steht oft nicht die modernste technische Ausrüstung zur Verfügung, damit sie ihren Job wirklich effizient erfüllen können, sie sind von vielen Überstunden überlastet und kommen oft an den Rand ihrer Leistungsgrenze. Mir – und, wie ich annehme, auch Ihnen – wird das sehr oft berichtet.

Sie leisten ihre Arbeit oft unbedankt von der Gesellschaft, von den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von uns Politikern, denn diese Ordnungshüter haben eine Kontrollfunktion, und das macht natürlich wenig sympathisch und beliebt. Ich möchte mich jetzt von dieser Stelle aus und weil bald Weihnachten ist, sehr herzlich bei den Exekutivbeamten bedanken! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)


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Weil wir aber wissen, wie eng der personelle Spielraum in den Ländern und in den Bezirken ist, sind wir gegen diese Form des Bundeskriminalamtes. Meine Kollegen Leikam und Parnigoni haben das bereits exzellent dargelegt. (Zwischenruf des Abg. Freund. ) Ich brauche dazu gar nichts mehr zu sagen. (Abg. Kiss: Ludmilla, wird dir auch warm ums Herz?)

Herr Bundesminister Strasser! Ich appelliere an Sie, die Planstellen für das Bundeskriminalamt nicht von den Ländern abzuziehen! Das Dienststellenpersonal ist bereits am Limit. Herr Bundesminister! Wenn Sie uns, Herrn Parnigoni, Herrn Leikam und mir schon nicht glauben, dann erkundigen Sie sich doch bei Ihren Parteifreunden! Ihr Innenausschuss-Bereichssprecher hat bei Ihrem Vorgänger – wir alle haben das noch im Ohr – wortreich, gekonnt und emotional, so wie auch heute wieder, mehr Personal für das Burgenland eingefordert. (Abg. Kiss: 500 waren es! Der Wahrheit muss Genüge getan werden!) Kannst du dich noch daran erinnern?

Ihr Parteifreund, mein Kollege aus der Südsteiermark, hat nicht nur einmal über die Medien ausrichten lassen, dass alles zusammenbricht, wenn es in Leibnitz nicht mehr Personal gibt. – Jetzt ist er nicht einmal da, und ich höre auch nichts mehr von ihm. Meine Damen und Herren! Woran liegt das wohl? (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Es ist uns allen – auch Herrn Kiss – bekannt, dass die Aufgaben unserer Exekutive mehr geworden und die Anforderungen und Erwartungen an unsere Exekutive gestiegen sind. Die Belastung ist also größer geworden. Aber im gleichen Maße, wie die Belastung steigt, steigt auf Grund Ihrer Personalpolitik auch das Durchschnittsalter. Herr Bundesminister! In meinem Wahlkreis und Heimatort Deutschlandsberg beträgt das Durchschnittsalter 42 Jahre. Beamte über 50 müssen Streifendienst machen, und Sie alle wissen: Mit über 50 und müden Knochen ist man kein Sprinter mehr. Diese Beamten müssten aber eigentlich Sprinter sein, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Herr Bundesminister Strasser, ich habe Ihnen sehr gut zugehört. Die Realität draußen bei den Exekutivbeamten verhält sich diametral entgegengesetzt zu Ihren Aussagen. Der Preis Ihrer Politik ist, dass keine Aussicht auf junge Kollegen besteht, und das ist fatal, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich nehme aber nicht an, dass Ihnen diese Problematik völlig unbekannt ist. Sie sind, wie ich annehme, katholisch und werden daher sehr oft den Beichtstuhl frequentieren müssen. Ich darf jetzt nicht sagen, dass das, was Sie sagen, nicht wahr ist, daher sage ich: Es ist einfach eine andere Realität! – Unterbesetzung und die genannte Altersstruktur sind keine Garanten für die Sicherheit in Österreich!

Herr Bundesminister! Zum Schluss: Beugen Sie sich bitte nicht dem Mythos Sparen Ihres Finanzministers und von Frau Dr. Riess-Passer! (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. ) Setzen Sie sich durch! Tun Sie das Richtige für die rot-weiß-rote Sicherheit! Sorgen Sie für mehr junges Personal! Politische Professionalität wäre, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun! Und genau darum geht es jetzt im Zusammenhang mit dem Bundeskriminalamt! (Beifall bei der SPÖ.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Egghart. Er hat das Wort.

21.57

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es steht wohl außer jeder Diskussion, dass Terror und organisierte Kriminalität in Österreich verstärkt bekämpft werden müssen. Darüber sind wir uns, glaube ich, wohl alle einig.

Das Projekt BKA stellt sicherlich einen zentralen Eckpunkt im Kampf gegen die organisierte Kri-minalität dar. (Abg. Mag. Kogler: Warum sagen Sie "Projekt BKA"?) Damit soll der Kampf gegen die brutalen internationalen Banden gerade in den Bereichen des Drogenhandels, der Schlepperei oder der Autoschieberei noch effizienter betrieben werden.


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87. Sitzung / Seite 225

In den vergangenen Monaten sind einige wesentliche sicherheitspolitische Maßnahmen getroffen worden. Ich darf aufzählen: neue elektronische Fahndungsmethoden, erweiterte Gefahrenforschung, Niederlassungsverordnung, Beschaffungswesen, Sicherheitsakademie, ein neuer Saisonierstatus, das Zentrale Melderegister und die Veränderung der Gendarmeriepostenstruktur.

Mit dem heutigen Tag werden wir das Bundeskriminalamt beschließen. Und es gibt weitere entscheidende und ganz wesentliche Vorhaben dieser Bundesregierung: Es wird eine Reform der Staatspolizei geben, und das System Adonis wird zu einer verbesserten Kommunikation der Einsätze im Rettungswesen führen. Weiters verweise ich auf die Reform des Asylrechtes, die Zusammenlegung der Verfahren nach dem Ausländeraufenthalts- und Fremdenrecht, den Integrationsvertrag und die Bekämpfung von Scheinehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man diesen Rahmen sieht, der von der neuen Bundesregierung geschaffen wurde, dann musste man beim Redebeitrag unseres Kollegen Leikam leicht überrascht sein, wenn man seine an und für sich wirklich ruhige Ausstrahlung kennt. Kollege Leikam! Ich meine, dass der wirklich enorme Adrenalinausstoß von dir heute künstlich erzeugt war! Ich hege den leichten Verdacht, dass das, was heute bereits angedeutet wurde, sehr wohl wahr ist, dass man nämlich bei der SPÖ den Machtverlust gewissermaßen doch nicht so leicht hinnimmt.

Wir haben oft genug verhandelt, und es wurde alles darangesetzt, damit es zu einer Einigung kommt. Du weißt selbst ganz genau, dass wir zwei Mal zu Verhandlungen im Innenausschuss zusammengetreten sind, bei welchen wir eigentlich eine Zusage der SPÖ erwarten konnten. Dazu ist es aber nicht gekommen.

Betreffend Rechtsschutzbeauftragten ist zu sagen, das wird ohnehin im Nachhinein geregelt. Aber es kann niemand, der sich mit Sicherheitspolitik beschäftigt, wirklich annehmen, dass wir eine begleitende oder vorauseilende Kontrolle solcher Einsätze bewilligen können.

In diesem Zusammenhang muss man sich fragen: Will die SPÖ eine moderne Kriminalitätsbekämpfung oder nicht? – Liebe Freunde von der SPÖ! Warum verharmlosen Sie zum Beispiel die leichten Drogen? Es wäre wirklich an der Zeit, dass man sich im Rahmen der Jugendorganisationen – wir haben in den letzten Nationalratssitzungen einige Male darüber gesprochen – endlich einmal davon distanziert!

Ich glaube, nach dem zehnjährigen Versuch, ein BKA zu schaffen, der gescheitert ist, treffen wir heute sicherlich die richtige Lösung. Das BKA stellt einen sicherheitspolitischen Quantensprung dar! Da werden Nägel mit Köpfen gemacht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es konnte eine sehr schlanke Organisation auf die Beine gestellt werden. Statt ursprünglich sieben Abteilungen gibt es nur mehr sechs. Es ist uns gelungen, mit den Zentralstellenposten auszukommen, und wir werden den Dienstpostenplan nicht aufblähen.

Heute wurde angesprochen, dass die Geldwäsche in Österreich nicht bekämpft wird. – Das muss man wirklich mit allem Nachdruck zurückweisen! Auf diesem Gebiet ist in letzter Zeit sehr, sehr viel geschehen, vor allem unter dem derzeitigen Bundesminister. (Abg. Mag. Kogler: Was ist denn geschehen?) Herr Kollege Kogler! Sie sollten diese Stelle nicht mit einem Waschsalon mit Miele-Waschmaschinen verwechseln! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. Er hat das Wort.

22.02

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Jawohl, Österreich ist einer der sichersten Staaten der Welt! Darüber freuen wir uns, und darauf sind wir stolz. Wir haben das zum überwiegenden Teil den


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87. Sitzung / Seite 226

Kolleginnen und Kollegen von der österreichischen Exekutive zu verdanken. Ich meine aber, dass wir ihnen entsprechende Rahmenbedingungen ermöglichen müssen, damit sie ihren ohnedies sehr schweren Dienst unter menschenwürdigen Bedingungen leisten können, und zwar im Interesse der österreichischen Bevölkerung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich dem Dank, den meine Kollegin ausgesprochen hat, anschließen. Ich glaube, wir alle sollten den Kolleginnen und Kollegen von der österreichischen Exekutive, aber auch jenen von der Sicherheitsverwaltung einmal in aller Öffentlichkeit Dank sagen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Die Frage ist nicht, ob wir ein BKA haben, sondern unter welchen Rahmenbedingungen dieses BKA geschaffen wird. Ich bin schon neugierig, was zahlreiche Kolleginnen und Kollegen hier im Hause zu den Reaktionen draußen sagen werden. Draußen in den Bundesländern – und ich schicke gleich voraus: es betrifft nicht nur Rote, sondern es verhält sich so über alle Parteigrenzen hinweg; ich brauche jetzt keine Blätter zu zitieren – gibt es nicht viel freudige Erwartungshaltung betreffend dieses heute hier zur Beschlussfassung vorliegende Gesetz!

In Anbetracht der Begutachtung frage ich Sie schon, meine Damen und Herren Mandatare: Sie alle kommen aus den diversen Regionen, Gemeinden und Städten. Für wen wird denn Politik gemacht? Für uns hier oder für die Menschen da draußen? – Da draußen hat nämlich niemand eine Freude mit diesem Gesetz! Daher hat es ja so massive Einwendungen im Rahmen des Begutachtungsverfahrens gegeben.

Wo sind denn jene, die immer von der hoch gepriesenen Sozialpartnerschaft reden? – Es wird mir jetzt doch niemand einreden wollen, dass in den Personalvertretungsgremien bei euch oder in allen vier betroffenen Bereichen plus Sicherheitsverwaltung lauter Rote sitzen! Es sind aber alle dagegen, über alle Parteigrenzen hinweg, meine Damen und Herren! Und sie sind nicht deswegen dagegen, weil sie dagegen sein wollen, sondern weil sie Profis sind, die sich mit den Inhalten wirklich auseinander setzen.

Kollege Leikam hat zum Beispiel heute gesagt, dass der Hubschrauber nicht landen kann. – Ich lade einmal alle ein, in manche Bezirke zu kommen, und es genügt, wenn ich jetzt beim schönen Bundesland Niederösterreich bleibe. Es ist übrigens noch nicht lange her, da wolltet ihr Hunderte zusätzliche Gendarmen für Niederösterreich und auch fürs Burgenland. So viele Gendarmen hätten wir gar nicht aufnehmen können, und wir würden sie alle heute nicht brauchen!

Jedenfalls gibt es Bezirke, in welchen eine Patrouille von einem Ende der Ortschaft bis zum anderen eineinhalb Stunden braucht. Das ist angeblich alles kein Problem, weil wir ja mehr Leute auf der Straße haben. Ich weiß allerdings nicht, wo diese sind, Herr Minister! Tatsache ist, dass der Personalstand sinkt, und da können Sie die ganze Verwaltung ausräumen und die Reste nach Möglichkeiten ruhig privatisieren, Sie werden trotzdem keinen Exekutivbeamten mehr herausbekommen!

Herr Kollege Gaál hat das Richtige gesagt. Wir haben einen Unterstand von 750 Mann beziehungsweise Frauen in Wien. 40 nehmen wir jetzt auf. Da sagt jeder: Bravo, wir nehmen auf! – Und wenn Sie jetzt – und da brauchen wir jetzt nicht darüber zu debattieren, ob es 100, 110 oder 95 sind – eine Größenordnung wie diese vom KRB für andere Aufgaben abziehen, bei diesem Unterstand – von der SW rede ich gar nicht, denn dort ist es dasselbe Spiel –, werde ich mir anschauen, wer dann die Arbeit macht!

Lieber Kollege Kößl! Alle Kompetenzen und Aufgaben wandern ja nicht mit! Es bleibt auch eine Partie Arbeit dort zurück, wo sie jetzt angesiedelt ist, und zwar mit wiederum weniger Leuten.

Um all das zu überlegen, sollte man sich meiner Meinung nach wirklich Zeit nehmen. Das wäre möglich gewesen, Herr Minister! Aber ich weiß schon, es ist halt ein Problem dieser Koalition, dass man sich von vornherein sperrt und sagt: Es gibt keine Leute, und es gibt kein Geld! – Meine Damen und Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher wissen das aber! Und wir


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87. Sitzung / Seite 227

Sozialdemokraten stehen auf Seiten der Österreicherinnen und Österreicher und auch der Kollegenschaft. Und darum stimmen wir nicht zu! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

22.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Er hat das Wort.

22.07

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die organisierte Kriminalität kennt keine Grenzen und auch kein Tabu. Kriminelle Machenschaften organisierter Banden stellen eine hohe Gefahr für die Sicherheit unserer Gesellschaft wie auch unserer Wirtschaftsordnung dar.

Es ist mir daher heute eine große Freude, dass mit der Einrichtung und der Organisation des Bundeskriminalamtes ein Meilenstein auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung gesetzt wird. Mit neuen, schlagkräftigen und modernen Strukturen werden wir ab 1. Jänner des neuen Jahres der organisierten Kriminalität im Inneren wie im Äußeren effizienter begegnen können.

Es ist Innenminister Ernst Strasser und seinen Beamten gelungen, eine straffe Organisationseinheit mit speziell ausgebildetem Personal und entsprechenden Sachmitteln zu schaffen. Die Ressourcen sind gebündelt, damit wir der organisierten Kriminalität schneller und effizienter den Kampf ansagen können. Synergien müssen genutzt, Kräfte konzentriert und Ressourcen gebündelt werden. Gegen neue Formen der Kriminalität bedarf es neuer Strukturen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei deren Bekämpfung. Das Bundeskriminalamt mit seinen Strukturen und Fachleuten wird dafür sorgen, dass das Betätigungsfeld für organisierte Banden in Österreich zunehmend enger wird.

Im neuen BKA werden Doppelgleisigkeiten bei der Kriminalitätsbekämpfung, die jetzt so manches Verfahren verschleppt oder zumindest verzögert haben, abgebaut. Man ist darauf bedacht, Doppelgleisigkeiten in Ermittlungsfällen zu verhindern, Informationswege zu optimieren und eine Zwei-Weg-Kommunikation aufzubauen. Das ist eine der wesentlichen Verbesserungen, die uns das Bundeskriminalamt bringen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit dem Single Point of Contact wird eine professionelle Ansprechstelle für alle Kriminaldienststellen auf Bundesebene geschaffen. Hat bis jetzt eine Vielzahl an Observationseinheiten den Sachmittel- und Personalpool unkoordiniert und unwirtschaftlich erscheinen lassen, so werden in Hinkunft Amtshandlungen koordiniert sein und an einer Stelle zusammenlaufen.

Das Bundeskriminalamt ist aber nicht nur als Ermittlungsbehörde tätig, sondern in erster Linie auch als Dienstleister für regionale Behörden. Die Sammlung und Auswertung von Kriminalitätsdaten in- und ausländischer Herkunft und die Weitergabe an die operativ tätigen lokalen Sicherheitsbehörden stellen eine wesentliche Herausforderung für das neu strukturierte BKA dar.

Allerdings sind wir nicht nur bei der Kriminalitätsbekämpfung mit neuen Herausforderungen konfrontiert, sondern auch hinsichtlich der Prävention, denn wenn wir wissen, was kriminelle Banden oder Personen planen, dann können unsere Sicherheitsbehörden schneller und effizienter eingreifen.

Alles in allem geht es selbstverständlich um den Schutz und die Sicherheit unserer Bevölkerung. Die tragischen terroristischen Ereignisse vom 11. September haben allen vor Augen geführt, dass internationale wie regionale Zusammenarbeit notwendig beziehungsweise unerlässlich ist. Die Österreicherinnen und Österreicher sollen sich in unserem Land auch weiterhin sicher fühlen. Mit dem neuen Bundeskriminalamt wird diese Sicherheit weiterhin gewährleistet und viel effizienter gestaltet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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87. Sitzung / Seite 228

22.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. Er hat das Wort.

22.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zunächst möchte ich vorausschicken, ich kenne den Kollegen Toni Leikam schon sehr lange. Wir sind fast gleich lange im Parlament. Er ist immer ein exzellenter Sicherheitsfachmann gewesen. Kollege Miedl, man braucht nicht unbedingt Gendarm oder Polizist zu sein, um etwas von der Sicherheit zu verstehen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum habt ihr ihn dann als Sicherheitssprecher abgelöst?) Man kann zum Beispiel auch Richterin sein, um eine Expertin zu sein.

Vor allem möchte ich eines dazu sagen, Kollege Miedl: So gut kenne ich Toni Leikam, dass ich weiß, was er mit Ihnen sicher nicht machen wird, das ist ein Tête-à-tête! (Heiterkeit.) Wahrscheinlich haben Sie ein Privatissimum gemeint. Aber für ein Tête-à-tête steht Toni sicherlich nicht zur Verfügung. (Abg. Rauch-Kallat: Woher wissen Sie das? – Abg. Leikam: Da hast du Recht! – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit.)

Aber zurück zum BKA. Herr Bundesminister! Sie haben immer wieder von Analyse, Konzept und Umsetzung gesprochen. Sicherlich haben Sie eine enorme Stärke bei der Umsetzung, aber bei der Analyse habe ich meine Zweifel. Ich komme aus einem Ihrer Lieblingsbezirke – Sie halten sich ja gerne am Attersee auf –, nämlich aus dem Bezirk Vöcklabruck. Dort fand kürzlich eine Sicherheits-Enquete statt, bei der wir darüber informiert worden sind, dass es in diesem Bezirk zwar 198 Beamte gibt, davon sind derzeit aber nur 69 Prozent in Wahrheit verfügbar.

Warum sind nur 69 Prozent verfügbar? – Weil wir Leute beim GEK, bei den Sondereinsatzgruppen und bei der Musik haben. Wir haben auf den Posten Hundeführer, Alpingendarmen und Spezialisten wie Spurensicherer und so weiter. Das hat sich auch bewährt, aber diese Spezialisten werden natürlich laufend abgezogen und stehen für den Alltagsbetrieb nicht zur Verfügung.

Herr Bundesminister! Wenn ich mir jetzt Ihr Konzept für das Bundeskriminalamt anschaue, das in der Grundtendenz vielleicht durchaus richtig ist, dann sehe ich, Sie ziehen einfach wieder Leute aus der Fläche ab. Herr Minister, es ist nicht wahr, dass Sie nur in der Verwaltung die Posten einsparen! Sie sparen nachweislich auch Posten in der Fläche ein.

Bei der Sicherheits-Enquete wurde uns vom Bezirksgendarmeriekommandanten ehrlich berichtet, dass allein 2002 in Oberösterreich wieder 44 Beamte von den Posten eingespart werden sollen. Es ist also nicht wahr – und das ist Märchen Nummer eins –, dass nur die Verwaltung abgeschlankt wird. Herr Minister, das stimmt nicht; abgesehen davon, dass Sie Verwaltungsaufgaben hinaus an die Gemeinden und an die Städte delegieren, die wiederum Personal aufnehmen müssen. Das heißt, die Aktionen gehen auch in Ihrem Bereich zu Lasten der Gemeinden. Dort wird belastet, und dort wird das Geld dann trotzdem verbraucht.

Ich möchte auch mit einem zweiten Märchen aufräumen, das immer wieder – auch im oberösterreichischen Landtag – vorgebracht wird: Bei Löschnak waren es ja viel mehr Posten, die eingespart worden sind. (Abg. Mag. Tancsits: Stimmt!)  – Herr Minister, ja, das stimmt! Aber der Unterschied besteht darin – und das wissen Sie ganz genau, Herr Kößl –, dass das Zwei- und Drei-Mann-Posten waren.

In meinem Bezirk zum Beispiel hat es keinen solchen gegeben, und dort wurde auch keiner eingespart. Die Effizienz ist gestiegen. Wir haben heute im Bezirk auch in der Nacht doppelt so viele bewaffnete Streifen wie vorher auf den Straßen. Und es wurden an die 1 000 Dienstposten neu geschaffen! Allein im Bezirk Vöcklabruck habe ich 1998 zehn Dienstposten dazubekommen. Aber jetzt schließen wir die Posten, und dann ziehen wir auch die Leute ab.

Noch einmal, Herr Bundesminister: Umsetzung – vielleicht; aber was Konzept und Analyse betrifft, habe ich damit Probleme.

Ich habe leider nicht genug Redezeit, sonst könnte ich sehr viel darüber reden, Herr Minister, dass Sie aus meiner Sicht in Wahrheit kein Reformminister, sondern höchstens ein Malermeister sind. Das haben Sie wahrscheinlich in Niederösterreich gelernt: die Umfärbelung von


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rot oder rot-weiß-rot in schwarz-schwarz. So steht es auch in den Zeitungen, dort ist anhand von Beispielen nachlesbar, wie das funktioniert. Die Blauen kommen in dem Bereich ohnehin nicht zum Zug, das wird perfekt monocolor schwarz gemacht.

Das wundert mich auch nicht. Sie haben das als Oberösterreicher in Niederösterreich gelernt. (Abg. Kiss: Das ist ja unglaublich ...!) Das hat ja auch die letzte Personalvertretungswahl gezeigt, Kollege Kiss: 100 Prozent ÖAAB, 19 Mandate für den ÖAAB im Land! Aber das ist ja klar, weil bis hin zur Putzfrau wird "objektiv" nur jemand eingestellt, der bei den Schwarzen ist. Was ihr aber in Niederösterreich in Wahrheit habt, sind nur 45 Prozent. (Abg. Großruck: Was ist bei der Eisenbahn? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Eisenbahner wehren sich natürlich. Sie wissen, wer ihre Interessen vertritt. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Es ist halt so, dass die Freiheitlichen dort auch verloren haben. Es ist eben etwas anderes, wenn man glaubwürdig für die Leute eintritt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Ich habe schon den Bezirk Vöcklabruck angesprochen, und von Ihren Leuten ist heute das Gesprächsklima so stark betont worden. Im Bezirk Vöcklabruck sind Sie ordentlich drübergefahren! Stichwort Regau: ein schwarzer Bürgermeister. Ich habe noch nicht viel von Ihnen gehört, Sie hätten das nicht so gemeint. Aber auch ein sehr glaubwürdiger FPÖ-Landtagsabgeordneter, der dort Bezirksobmann ist, nämlich Kollege Kroismayr, bestätigt: Wie die Schulbuben sind sie dort abgefertigt worden.

Das ist das Problem, Herr Minister. Bei den Schließungen unter Löschnak haben die Bezirksgendarmeriekommanden und die örtlichen Kommanden mitgeredet, da war es ein Miteinander. Jetzt wird diktiert! Die Bezirksgendarmeriekommandanten haben überhaupt nichts mitzureden gehabt, die Postenschließungen wurden auf dem Schreibtisch verfügt, und man kann das zum Teil nicht nachvollziehen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das war unter Löschnak genauso!) Im Posten Regau waren es neun Leute.

Herr Bundesminister! Es würde mich sehr interessieren – weil ich fast nicht glauben kann, dass Sie sich in dieser Art gebärden –, was in Regau wirklich los war. Das ist für die Freiheitlichen ebenfalls interessant, weil davon auch einer ihrer Landtagsabgeordneten betroffen war. Oder dieser lügt – was ich aber nicht annehme; Freiheitliche tun das nicht. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo, Peter!) Es wäre daher interessant, von Ihnen, Herr Bundesminister, einmal zu hören, was sich dort abgespielt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo, Peter!)

22.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

22.16

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Kollege Keppelmüller, ich glaube, du bist wirklich völlig falsch informiert, denn: Genau umgekehrt ist es diesmal bei der Zusammenlegung von Gendarmeriedienststellen vor sich gegangen, das erfolgte nämlich gemeinsam mit dem Landesgendarmeriekommando und dem Bezirksgendarmeriekommando. Die jeweilige Gendarmeriedienststelle wurde vom BGK-Kommandanten und vom Landesgendarmeriekommandanten genannt, das ist hinauf ins Ministerium gemeldet worden, und dort ist es vollzogen worden.

Geschätzte Damen und Herren! Ich weiß, ihr tut euch heute extrem schwer damit, diesem Gesetz nicht zuzustimmen. Es gibt nämlich keine vernünftigen Argumente dafür, diesem Gesetz nicht zuzustimmen. Vom Kollegen Gaál ist gesagt worden – und das hat mich getroffen –, dass die SPÖ ausgebremst wurde. Dazu möchte ich sagen, dass die Ausschusssitzungen zwei Mal abgebrochen und vertagt wurden, um weitere Gespräche zu führen. Man kann daher sicherlich nicht von einem Ausbremsen reden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Leikam! Wenn es draußen Unterschriftenaktionen gibt – das möchte ich von dieser Stelle aus klar und deutlich sagen –, dann sind die Leute falsch informiert. Ich hoffe, dass sie nicht von dir falsch informiert worden sind! Ich glaube, dass es vernünftig ist, eine bundesweite


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Koordinierungsstelle im Bereich der Exekutive zu schaffen, um die Kriminalität wirklich effizient bekämpfen zu können. (Abg. Leikam: Wurmitzer und Bürgermeister ...!)

Ich muss deshalb sagen: Bleiben wir bei der Sachlichkeit! Ihr tut euch heute wirklich schwer, das zeigen auch die Argumente über eine "Ballung des Observationsapparates", wie es in einer Aussendung geheißen hat. Man weiß ganz genau, dass es bereits jetzt rund 15 Organisationseinheiten der Exekutive gibt, die Observationen durchführen. Wenn man diese in einer Observationseinheit im BKA zusammenführt, dann bedeutet das meiner Ansicht nach wirklich eine große Kräftebündelung im Exekutivbereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn jetzt immer wieder gefordert wird, einen Rechtsschutzbeauftragten einzusetzen oder überhaupt ein Rechtsschutzinstitut zu eröffnen, dann ist es wirklich ein Zeichen von Doppelbödigkeit, dass man so etwas verlangt. Auf der einen Seite sagt man: Ja, ich stimme einem BKA zu, aber es muss schlank sein!, und auf der anderen Seite versucht man wieder, die Bürokratie aufzublähen.

Eines muss man ebenfalls klar und deutlich sagen: Ein Bundeskriminalamt wurde schon von Ex-Innenminister Schlögl mehrmals gefordert. Immer wieder ist in den Dienstbesprechungen auf die Tagesordnung gekommen, dass das sinnvoll wäre. Nur weil es jetzt von unserem Minister umgesetzt wird, kann man es doch nicht als schlecht hinstellen!

Noch einmal: Ich glaube, ihr seid falsch oder schlecht informiert. Wenn es zu dieser Zusammenführung im Bundeskriminalamt kommt, dann werden nicht nur die Beamten dort hingebracht, sondern es werden auch die Aufgaben, die die Beamten jetzt in den Sondereinheiten haben, dort zusammengeführt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist wirklich nicht zu fassen, dass man einem so wichtigen Gesetz für die Zukunft der Exekutive nicht die Zustimmung gibt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Es liegt mir ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag des Abgeordneten Parnigoni vor.

Da dieser Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 GOG die Anwesenheit des erforderlichen Quorums fest.

Ich werde zunächst über die von dem erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und dann über die restlichen Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Es liegt, wie gesagt, ein Abänderungsantrag des Abgeordneten Parnigoni vor, der die Einfügung der Ziffern 2a bis 2d sowie einer Ziffer 4 in Artikel I vorsieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Der Abgeordnete Parnigoni hat darüber hinaus einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Ziffer 3 eingebracht.

Auch hier darf ich bitten, dass jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen wollen, dies bekunden. – Der Antrag hat nicht die Mehrheit gefunden.

Wir kommen daher zur Abstimmung über Artikel I Ziffer 3 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass dieser Teil des Gesetzentwurfes in zweiter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist.


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Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich, dies zum Ausdruck zu bringen. – Ich stelle fest, diese Teile sind mit Stimmenmehrheit angenommen. Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte, dass jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, dies bekunden. – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen worden ist.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Parni-goni betreffend die personelle Situation im Bundesministerium für Inneres durch die Gründung eines Bundeskriminalamtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Der Entschließungsantrag hat nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist daher abgelehnt.

4. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (761 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll (915 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (698 der Beilagen): Protokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (916 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (738 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein-kommen und vom Vermögen samt Protokoll (917 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (762 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mongolei über die Förderung und den Schutz von Investitionen (918 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (765 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Saudi-Arabien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (919 der Beilagen)


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9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (769 der Beilagen): Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen samt Schlussakte (920 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 4 bis 9 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wünsche nach Berichterstattung liegen mir nicht vor. Daher gehen wir in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kurt Eder. – Bitte.

22.25

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, hier einige Worte zu der Regierungsvorlage betreffend das Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Förderung und den Schutz von Investitionen zu sagen. Ich darf bemerken, dass diese Abkommen meist sehr still und leise beschlossen werden, halte es aber für notwendig und für besonders wichtig, dazu hier einige kurze Bemerkungen zu machen.

Diese Abkommen sind für die gegenseitigen Außenwirtschafts- und Außenhandelsbeziehungen zwischen diesen Staaten besonders wichtig und wertvoll. Es ist heute – das habe ich schon erwähnt – mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Land davon betroffen, das bereits 1994 in ein österreichisches Unternehmen rund 5 Milliarden Schilling investiert und somit bewiesen hat, dass es schon damals hohes Vertrauen in unser Land und in unsere Wirtschaft gesetzt hat. Die Vereinigten Arabischen Emirate wurden nicht enttäuscht und sind bis heute mit diesem großen Investment äußerst zufrieden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass solche Abkommen nicht nur in grundsätzlicher Hinsicht wichtig sind, sondern auch unter psychologischen Gesichtspunkten für die wirtschaftspolitischen Beziehungen mit diesen Ländern bedeutungsvoll sind. In diesem speziellen Fall denke ich, dass es auch für die österreichischen Unternehmen nunmehr wesentlich leichter ist, in den Vereinigten Arabischen Emiraten entsprechende Investments zu tätigen. Es ist ein sehr interessantes Land, das es verdient, wenn von dort her bei uns investiert wird, dass man im Gegenzug auch dorthin entsprechend investiert.

Ich hoffe daher, dass dieses Abkommen dazu beitragen wird, die Wirtschaftsbeziehungen Österreichs zu den Vereinigten Arabischen Emiraten weiter zu intensivieren, und dass die wirtschaftlichen Beziehungen hier weitere Befruchtung finden. Wir werden dem gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Müller. Er hat das Wort.

22.27

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Tagesordnungspunkte 4 bis 9 dieser Plenarsitzung behandeln sowohl die Vermeidung der Doppelbesteuerung mit den Ländern Korea und Belarus als auch die Förderung und den Schutz von Investitionen mit den Ländern der Vereinigten Arabischen Emirate, mit der Mongolei und mit dem Königreich Saudi-Arabien. Textlich basieren solche Abkommen auf einem OECD-Basisentwurf. Beide Vertragsparteien sichern sich die Meistbegünstigung und die Inländer-Gleichbehandlung zu.

Erlauben Sie mir nun, auf die Förderung und den Schutz von Investitionen mit dem Königreich Saudi-Arabien einzugehen und das Land kurz vorzustellen. Das Königreich Saudi-Arabien ist


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26-mal größer als Österreich und hat rund 23 Millionen Einwohner. Erwähnenswert ist noch, dass rund 50 Prozent der Bevölkerung jünger als 20 Jahre sind.

Beide Staaten, Österreich und das Königreich Saudi-Arabien, sind von dem Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu intensivieren, in der Absicht, günstige Voraussetzungen für Investitionen von Investoren des einen Staates im Hoheitsgebiet des anderen Staates zu schaffen. (Abg. Öllinger: Ist Saudi-Arabien eine Demokratie? Vielleicht sagen Sie dazu etwas!)

Die verbesserte wirtschaftliche Zusammenarbeit soll nun in einem 14 Artikel umfassenden Abkommen verankert werden, welches vorerst eine Laufzeit von zehn Jahren besitzt und danach auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden kann. (Beifall des Abg. Dr. Krüger. ) In Kraft tritt dieses Abkommen 60 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem die Ratifikationsurkunden ausgetauscht wurden.

Dieses Abkommen besitzt aber auch eine Schutzfunktion. Es regelt im Artikel 4 unter anderem auch die Entschädigungszahlungen bei Enteignungen sowie bei Verlusten im Krieg beziehungsweise bei Revolten. Der Artikel 6 regelt den freien Transfer von Zahlungen im Falle eines Kapitaleinsatzes, bei Erlösen aus Liquidationen oder Veräußerungen sowie bei Einkommen und sonstigen Bezügen des im Zusammenhang mit einer Investition eingestellten Personals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Möglichkeit, von Österreich aus unter vertraglich abgesicherten Bedingungen Investitionen im Königreich Saudi-Arabien vornehmen zu können, wird die Attraktivität Österreichs als Wirtschaftsstandort erhöhen. Auch kann erwartet werden, dass Investoren aus dem Königreich Saudi-Arabien verstärkt in Österreich investieren werden und dass auf diese Weise auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Welche Firmen arbeiten schon jetzt sehr gut mit dem Königreich zusammen? (Abg. Öllinger: Bitte beantworten Sie meine Frage!)  – Hier sind vor allem die Firmen VA-Tech Industrieanlagen, Steyr-Daimler-Puch, Rosenbauer, VAMED, Doppelmayr und auch Rauch Fruchtsäfte zu nennen. Der Warenaustausch beider Länder hält sich bei einem Wert von rund zwei Milliarden Schilling. Erwähnenswert ist auch, dass im ersten Halbjahr 2001 der Export in dieses Land um 22 Prozent gestiegen ist.

Dieser Regierungsvorlage wurde im letzten Finanzausschuss einstimmig zugestimmt. Ich er-suche nun das Hohe Haus, dieser Vorlage hier ebenfalls die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Danach werden wir voraussichtlich abstimmen. – Bitte.

22.30

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Fast hätte es mir auf Grund des eingehenden Vortrags des Vorredners die Sprache verschlagen. (Abg. Böhacker: Keine Überheblichkeit, Herr Kollege! – Abg. Neudeck: Da war ein Inhalt drinnen!) Ja, ja – der Inhalt war, dass Saudi-Arabien 26-mal so groß wie Österreich ist und die Bevölkerung zu einem gut Teil jünger als 20 Jahre ist. Ich habe das schon vernommen und will es auch nicht weiter kommentieren. Die Frage ist nur, ob wir uns in einem politischen Gremium und einem Forum wie dem Plenum des Nationalrates damit aufhalten können, wenn Saudi-Arabien das Thema ist.

Reden wir über die Investitionsschutzabkommen, und sagen wir weiters, dass diese unter bestimmten Bedingungen beiden Staaten helfen können! Aber es wird diesem Haus und den einschlägig zuständigen Ausschüssen nicht mehr länger erspart bleiben können, endlich wieder die notwendigen Grundsatzdebatten darüber zu führen: Was bedeuten Investitionsschutzabkommen in Zeiten der Globalisierung, in Zeiten von WTO-Bestrebungen, die in eine ganz bestimmte Richtung gehen – das wissen Sie wahrscheinlich auch –, und vor allem in Zeiten, in denen das MAI-Abkommen, das für benachteiligte Länder auch große Nachteile mit sich


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gebracht hätte, von der Tagesordnung gestrichen worden ist und sich nun durch die Hintertür wieder hereinschleichen will?

Deshalb werden wir darauf dringen – dafür hat es im Ausschuss positive Signale gegeben –, dass wir im Wirtschafts- und/oder im Finanzausschuss endlich wieder entsprechende Aussprachen zu diesen Grundsatzfragen durchführen werden. Dann könnte so etwas nicht passieren, dass der geschätzte Vorredner hier herausgeht, in Zeiten wie diesen nur über die Größe von Saudi-Arabien spricht und kein Wort darüber verliert, wie dort die Menschenrechtssituation oder etwa die Frauenrechtssituation ist! Wenn das Ihr Verständnis von Wirtschaftsförderung ist – na, dann gute Nacht! Deshalb sind Ihre Zwischenrufe völlig unangebracht. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Grundsatzdebatte ist höchst notwendig. Ich bin auch erfreut darüber, dass sie uns zugesagt worden ist. Nur unter diesen Bedingungen werden wir diesen Investitionsschutzabkommen weiter zustimmen, so wie auch heute noch. (Beifall bei den Grünen.)

22.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wir kommen zu den einzelnen Abstimmungen, und zwar gelangen wir zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll in 761 der Beilage, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Abänderung des in Seoul unterzeichneten Abkommens mit der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die Genehmigung zu erteilen.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen bitten. – Ich stelle fest, auch das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages mit der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich, diese zu bekunden. – Der Nationalrat beschließt dies einstimmig.

Als Nächstes stimmen wir ab über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages mit der Mongolei über die Förderung und den Schutz von Investitionen in 762 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Weiters stimmen wir ab über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages mit dem Königreich Saudi-Arabien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen in 765 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Diese Genehmigung wird ebenfalls einstimmig erteilt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages betreffend Änderung des Übereinkommens vom 23. Juli 1990 über die Be


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seitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen samt Schlussakte in 769 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Falls Sie damit einverstanden sind, bitte ich um ein Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 der Bundesverfassung, dass die Kundmachung dieses Protokolls in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig beschlossen, und wir werden daher so vorgehen.

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (879 der Beilagen): Bundesgesetz betreffend die Belastung öffentlichen Wassergutes mit Fischereirechten (921 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 536/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an Flughafenbetriebsgesellschaften und von unbeweglichem Bundesvermögen (922 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 543/A der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Mag. Gilbert Trattner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert wird (2. BFG-Novelle 2002) (926 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 537/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (923 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zu den Punkten 10 bis 13 der Tagesordnung.

Berichterstattungen werden dazu nicht gewünscht. Daher gehen wir in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Er hat das Wort.

22.38

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! In aller gebotenen Kürze mache ich einige Anmerkungen zu den Fischereirechten.

Durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes im Februar sind diese Fischereirechte an öffentlichen Gewässern gegenstandslos geworden, und große Unsicherheit ist entstanden. Um diese Rechtsunsicherheit zu beenden, hat sich eine nicht alltägliche Allianz gebildet: auf der einen Seite die Arbeiterfischereivereine, ein sozialdemokratischer Traditionsverein, auf der anderen Seite Herr Landeshauptmann Haider aus Kärnten und weiters der Hauptverband der Land- und Forstwirtschaft. Sie alle haben gemeint, dass man das regeln muss und Grundbucheintragun


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gen kosten- und gebührenfrei zu schaffen hat. Dieser Zustand ist ohne ein Fehlverhalten, ohne Unterlassungen und ohne fehlende Handlungen von Betroffenen entstanden.

Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage war unzulänglich. Die SPÖ hat daher vergangene Woche im Finanzausschuss Änderungen eingemahnt, die logischen Änderungen, nämlich die Gebührenfreiheit, und darauf hingewiesen, dass es auch sachlich nicht gerechtfertigt ist, dass nur dem Fischereikataster Beweiskraft zukommt.

Meine Damen und Herren! Die Argumente der SPÖ haben sich durchgesetzt. Die Regierungsparteien sind davon überzeugt worden, dass hier Änderungen sinnvoll sind. Es wird einen Vier-Parteien-Abänderungsantrag geben, dank der SPÖ-Initiative und auch dank der Bereitschaft von FPÖ, ÖVP und den Grünen, hier mitzutun. Die Fischereiberechtigten werden das zu schätzen wissen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler. )

22.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mühlbachler. Er hat das Wort. – Herr Abgeordneter Mühlbachler verzichtet. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Nächsten habe ich jetzt, damit ein Pro-Redner zu Wort kommt, Herrn Abgeordneten Böhacker aufzurufen. – Bitte.

22.40

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats-sekretär! Auch in aller Kürze: Die sozialdemokratischen Finanzminister sind daran gescheitert – der freiheitliche Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat es in kurzer Zeit zustande gebracht, mit den Ländern eine Einigung herbeizuführen. Ich spreche nicht von den Fischereirechten, sondern vom Verkauf der Bundesanteile an den Länderflughäfen und der Bundesgrundstücke in diesen Flughafengebieten.

Es ist dies eine durchaus interessante und hervorragende Lösung. Dazu kommt noch, dass die ÖSAG-Anteile an den Bund abgetreten werden und anschließend an die ASFINAG. Darüber hinaus wurden in diesem Gesamtpaket auch Vereinbarungen getroffen zur Förderung des Kunsthauses in Graz, des Museums am Berg in Salzburg und einer Sanierung des Stadions in Klagenfurt.

Zusammenfassend gesehen ist das ein Akt von echtem, gelebtem Föderalismus, es ist eine gesellschaftsrechtliche Strukturbereinigung, und auch der Kritik des Rechnungshofes wurde nachhaltig Rechnung getragen. (Abg. Dr. Mertel: Das hätten Sie gerne!) Man könnte sagen, Finanzminister Grasser hätte sicherlich die eine oder andere Million mehr erlösen können, aber dann wäre es wahrscheinlich dazu gekommen, dass Salzburg ein Zubringerflughafen für München geworden wäre, und das wollen wir alle nicht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die Anrainer wollen das aber schon!) Zusammenfassend: eine typische "win-win"-Situation. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. Er hat das Wort.

22.41

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rede zum Bericht des Budgetausschusses. Nur ganz kurz: Wir werden dieser Novelle zustimmen, damit die österreichischen Flughäfen den Versicherungsschutz des Staates jedenfalls befristet genießen können, nachdem die privaten Großversicherer ausgefallen sind.

Ich hoffe, Herr Staatssekretär, dass in absehbarer Zeit wieder eine marktgerechte und konforme Lösung Platz greifen kann, denn es kann doch nicht so sein, dass sich die Großanlagenversicherer für Airlines und Flughäfen nach so einem tragischen Vorfall einfach auf Dauer sozusagen von ihrer Verantwortung verabschieden. Ich meine auch, dass das ein mahnendes


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Beispiel gegen Ihre Philosophie sein müsste, aus der Pflichtversicherung eine Versicherungspflicht zu machen. Wenn auch dort solche Manieren einreißen sollten, dann gute Nacht, meine Damen und Herren! Das sollte man auch den Versicherern sagen.

Wir werden also dieser Vorlage zustimmen, um unseren Airlines und unseren Flughäfen befristet Schutz zu gewähren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. (Abg. Haigermoser: Kogler! Wie viel Einwohner hat Saudi-Arabien? – Abg. Mag. Kogler  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Kollege Böhacker, halten Sie die Partie nicht auf!)

22.43

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Mehrere Punkte, aber kurz. (Abg. Dr. Khol: Wenn er unter 2 Minuten spricht, bekommt er von mir Applaus!) Zunächst zu den Bundesanteilen und der Veräußerung bei den Flughafenbetriebsgesellschaften: Dieser Abtausch ist eine gute Bereinigung. Der Punkt ist nur, dass jetzt schon darauf hinzuweisen ist, was in diesen Flughafenbetriebsgesellschaften selbst dann passieren wird. Das begrüßen wir dann nicht mehr so ohne weiteres, was hier dann in Aussicht steht.

Wenn etwa in Graz jetzt schon Anteile des Flughafens an die ESTAG, die steirische Energieversorgungsgesellschaft, gehen, dort aber die EdF sich immer breiter macht und am Schluss dann womöglich die EdF der Mehrheitsbetreiber des Flughafens in Graz ist, dann muss ich sagen, das wäre nicht besonders gescheit und wünschenswert.

Nur, ich schaffe es, das zu differenzieren und zu sagen, dieser Akt ist ohne den anderen durchaus sinnvoll, und das andere liegt in der Verantwortung der steirischen Landespolitik. Es muss nur gesagt werden, denn es kommt da, so meine ich, noch einiges Unlustiges auf uns zu.

Die Fischereirechte sind abgehandelt worden. Ich danke im Besonderen den Kollegen von der SPÖ für ihre Verhandlungsbemühungen und danke auch für die Bereitschaft der Regierung, sich darauf einzulassen.

Ein letzter Punkt, der noch nicht erwähnt wurde, betrifft den Katastrophenfonds. (Abg. Haigermoser: Langsam und schön sprechen! – Abg. Dr. Khol: Die 2 Minuten sind gleich vorbei!)  – Herr Kollege Khol, irritieren Sie mich jetzt nicht!

Der Katastrophenfonds macht jetzt Rückstellungen für den Klimaschutz ganz indirekt oder eben nicht für den Klimaschutz, sondern wegen der Dürreschäden, die drohen. Das ist genau der Beweis dafür, dass die Grünen mit der Aussage immer Recht haben, dass das Ganze, wenn man nicht rechtzeitig darauf schaut, noch teuer werden wird. Das haben Sie mit dieser Regierungsvorlage auch eingestanden. Und irgendwann wird auch die Frage zu stellen sein, wer ökonomisch für alle diese Dinge haftet, Herr Kollege Khol! – Jetzt habe ich mir Ihren Applaus verscherzt, aber das war mein Ziel. (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das waren jetzt mehr als 2 Minuten!)

22.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

22.45

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich in aller Kürze auf die 2. BFG-Novelle 2002 beziehen. Wir wissen, dass der fürchterliche Anschlag vom 11. September dieses Jahres noch immer seine Wirkung zeigt, und selbst nach drei Monaten ist der internationale Versicherungsmarkt nach wie vor irritiert und betroffen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es geht einfach um das Problem, dass zurzeit tatsächlich keine einzige Versicherungsanstalt bereit ist, jene Risken abzudecken, die durch Terror und Krieg in der Luftfahrt herbeigeführt werden könnten. Es gibt daher wirklich keine andere Alternative, als dass hier der Staat mit einer zeitlich begrenzten Haftungsübernahme


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87. Sitzung / Seite 238

einspringt, so wie es in dieser Vorlage vorgesehen ist. Daher werden wir Sozialdemokraten dieser Vorlage unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Khol. )

22.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

22.46

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln vier Punkte. Zum ersten betreffend die Belastung des öffentlichen Wassergutes mit Fischereirechten kann ich seitens meiner Fraktion natürlich die Zustimmung geben oder ankündigen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir für den Abänderungsantrag, der in gemeinsamer Arbeit erstellt werden konnte, durchaus dankbar sind.

Ich möchte jedoch zum 13. Tagesordnungspunkt oder zum vierten der zusammengefassten Diskussionspunkte sprechen, nämlich zur Änderung des Katastrophenfondsgesetzes.

Es gibt wohl keinen Beruf, der so von der Natur und von den Launen des Wetters abhängig ist wie der Beruf des Landwirts. Und gerade in diesem Bereich gab es im heurigen Jahr im Süden Österreichs zum Teil durchaus dramatische Dürreschäden. Die Änderung des Katastrophenfondsgesetzes ermöglicht es, diese Dürreschäden zum Teil abzugelten.

Herr Kollege Kogler, diese Schäden drohen nicht oder werden nicht erst eintreten, sondern sie sind bereits eingetreten, und die Schadensbehebung ist eine wichtige, aktuelle Aufgabe.

Ich danke den Fraktionen für das Signal, das hier gesetzt wird, indem man ermöglicht, den Landwirten, die durchaus dramatisch getroffen worden sind, mit 150 Millionen Schilling bei dieser Problematik zumindest zum Teil zu helfen, einen kleinen Teil des Schadens abzugelten und dadurch dafür Sorge zu tragen, dass gerade im Grünlandbereich, wo keine Versicherungsmöglichkeit besteht, ein gewisser Ausgleich geschaffen wird.

Ich danke aber auch der Hagelversicherung in Österreich, die bemüht ist, für die Zukunft ein diesbezügliches Versicherungsmodell auf die Beine zu stellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte.

22.48

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar Worte zum Thema der Übertragung der Anteile an die Bundesländerflughäfen sagen. Wir stimmen dem zu, wohl wissend, dass der Bund wesentliche Unterstützung auch finanzieller Art beim Ausbau der Flughafeninfrastruktur geleistet hat.

Warum ich mich zu Wort gemeldet habe, hat in dem Zusammenhang aber auch eine zweite Bedeutung, und ich weiß nicht, ob das Herrn Präsident Prinzhorn besonders freuen wird. – Wir wissen, dass die Airlines weltweit in Schwierigkeiten sind, und wenn ich heute gehört habe, dass bei der Austrian Airlines-Gruppe die Rückgänge nicht so dramatisch sind wie bei anderen, ist das erfreulich. Aber natürlich hat die Austrian Airlines-Gruppe heuer mit enormen Problemen zu kämpfen.

Im Zusammenhang mit der Flughafendezentralisierung, so würde ich das nennen, möchte ich betonen, dass die Austrian Airlines-Gruppe erhalten bleiben sollte, und zwar aus Gründen, die im Bereich des Tourismus liegen, denn wir sind ein Incoming-Tourismusland. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich appelliere an die Regierung, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, damit es hier zu keinem Ausverkauf kommt, denn das würde mittel- und langfristig nachhaltig für den Wirtschaftsstandort Österreich, für den Tourismusstandort Österreich enorme Bedeutung haben. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das glaube ich auch!)


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Ein zweites Thema noch, zu der Zusammenlegung der ASFINAG und der ÖSAG. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Ein Thema ist genug!) Bitte, ich muss dazu sagen, auch das ist eine alte Forderung von uns. Wir stimmen dem natürlich auch zu, meine Damen und Herren. Aber es sollte auch die Alpenstraßen AG in Tirol dabei sein. (Abg. Dr. Khol: Nein!) Wir brauchen nicht dreierlei oder zweierlei Gesellschaften, das gehört zusammengelegt, und ich appelliere an Sie alle: Lassen Sie bitte wirtschaftliche Vernunft walten! Huldigen Sie gerade bei diesem Thema nicht dem Partikularismus, sondern stimmen Sie zu! (Abg. Dr. Khol  – sich an die Abgeordneten hinter ihm wendend –: Mander, ’s ischt Zeit!)

Wir wollen das! Vergesst bitte einen Augenblick, dass einer aus Tirol und der andere aus der Steiermark kommt; wir kommen aus Wien. Das alles gehört in eine Hand, und das wird sicherlich längerfristig von besonderer Bedeutung sein. Wir stimmen dem Gesetz zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. Er hat das Wort.

22.50

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Im Jahre 2001 sind in mehreren Regionen unserer Heimat durch anhaltende Dürre erhebliche Schäden an der landwirtschaftlichen Kultur entstanden. Um den betroffenen Bauern in ganz Österreich eine Hilfestellung leisten zu können, sollen von Bund und Ländern Entschädigungen bis zu einem Höchstbetrag von 150 Millionen Schilling bereitgestellt werden. Die Gewährung der Bundesmittel erfolgt unter der Voraussetzung, dass die Länder einen gleich hohen Betrag zur Verfügung stellen. Die Mittel sollen also von Bund und Ländern 50 : 50 finanziert werden, wobei die Bundesmittel zur Hälfte aus den Rücklagen des Katastrophenfonds und zur Hälfte aus den Minderausgaben bei den Katastrophenfondsmitteln im laufenden Jahr aufgebracht werden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Mertel und Dr. Khol. )

Die Abwicklung soll über die Länder erfolgen, wobei zwei unterschiedliche rechtliche Wege vorgesehen sind. In beiden Fällen sind die Anträge der Fördernehmer beim zuständigen Bundesland einzubringen. Die näheren Details der Abwicklung sind vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft zu regeln. Sollte dies im Jahre 2001 nicht mehr möglich sein, so können diese Entschädigungen auch im Jahre 2002 in Anspruch genommen werden.

Diese sinnvolle und notwendige Hilfestellung für unsere Bauern in ganz Österreich wurde in der letzten Finanzausschusssitzung positiv aufgenommen und einstimmig beschlossen. Ich ersuche nun das Hohe Haus, dieser Änderung des Katastrophenfondsgesetzes 1996 ebenfalls zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.5


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87. Sitzung / Seite 240

2

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. Er hat das Wort.

22.52

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Auch ich beschäftige mich mit der Änderung des Bundesfinanzgesetzes 2002. Es geht um die Verlängerung des Haftungsrahmens, und wir haben ja am 26. September einen Haftungsrahmen von 700 Millionen Schilling für die Fluggesellschaften beschlossen. Mit diesem Gesetz geht es jetzt darum, diesen Haftungsrahmen weiter zu verlängern. Es kommt aber auch noch zu einer Erweiterung, und zwar bezog sich die Haftung ursprünglich nur auf die Flugunternehmen, in diesem Gesetz geht es nunmehr letztlich auch um die Flughäfen und die dort tätigen Dienstleistungsunternehmen. Wir werden selbstverständlich diesem Gesetz gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Firlinger. Er hat das Wort.

22.53

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte auf die Veräußerung von Bundesanteilen zurückkommen, die ich natürlich in einem verkehrswirtschaftlichen Zusammenhang sehe, ähnlich wie auch Kollege Dr. Heindl. Ich meine, man muss ganz klar sagen, dass nach vielen Jahren damit endlich auch die Marschrichtung fixiert wurde, und zwar eine Marschrichtung, die heißt: hochrangiges Straßennetz ist Bundeskompetenz. In der operativen Ausführung heißt das: Betreuung durch die ASFINAG.

Das übrige Straßennetz fällt in die Kompetenz der Länder und Gemeinden, ist also Landessache. Diese Trennung war notwendig und ist eingeleitet worden. Daher freue ich mich, dass diese Konstruktion zustande gekommen ist, die tatsächlich auch die gesellschaftsrechtliche Entflechtung ermöglicht hat.

Ich bin ganz der Auffassung von Kollegen Heindl, wenn er meint, die ASG sollte man nicht draußen lassen. Jawohl, ich bin auch dieser Ansicht. Ziel sollte eine Sondergesellschaft des Bundes sein, die den gesamten Bereich abwickeln kann. Daran wird auch gearbeitet. Herr Kollege Dr. Heindl! Wahrscheinlich wird man dazu auch noch eine spezielle weitere Krücke bauen. Es gibt ja auch Bundesanteile am Flughafen Innsbruck. Ich stelle mir vor, dass man dort in absehbarer Zeit eine ähnliche Konstruktion schafft. Es gibt dann noch einige andere Flughäfen, wie zum Beispiel Linz, die würden ebenfalls in diese Angelegenheit hineinspielen. Dort ist es nur sehr schwierig, weil das eigentlich Militärflughäfen sind.

In diesem Sinne ist das meiner Ansicht nach ein guter Ansatz, ein gutes Gesetz, und ich freue mich, dass das heute hier zur Beschlussfassung kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Letzter Punkt, und das betrifft die Bundeshaftungen: Hiezu muss man natürlich eines ganz klar sagen: Ewig geht das nicht so. Ich erwarte mir auch, dass auf europäischer Ebene die zuständigen Behörden die Rückversicherer – die monopolhaften Charakter haben – auch einmal in die Pflicht nehmen. Ich finde, das wäre hoch an der Zeit. In einer informellen Besprechung mit der Versicherungswirtschaft sind wir heute ja draufgekommen, dass hier einiges im Gange ist. Ich bin also guter Dinge, dass das in Kürze auch im positiven Sinn erledigt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. Er hat das Wort.

22.56

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist mir schon klar, dass es nicht wirklich populär ist, hier um 23 Uhr zu den Fischereirechten das Wort zu ergreifen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Der hat wenigstens Humor!) Aber ich denke einfach, das ist nur aus dem Grund der Fall, weil vielen von Ihnen eigentlich nicht bewusst ist, welch wichtiges und wirklich essentielles Recht hier geändert wurde. (Abg. Mag. Kogler: Sagen Sie nicht, dass das für die Fisch’ ist!) Für die Fischereiberechtigten war es wirklich ein Schritt in die richtige Richtung, wie ihn letztendlich auch die Gerechtigkeit verlangt.

Warum möchte ich hier dazu Stellung nehmen? – Ich denke, dass es fair wäre, das eine oder andere Wort auch darüber zu verlieren, warum dieses Gesetz heute vorliegt, und etwas über die Geschichte, über die Genesis dieses Gesetzes zu sagen. Hierzu wäre anzumerken, dass ich vor einem Jahr auf meinem Schreibtisch einen interessanten Schriftverkehr vorgefunden habe, aus dem hervorgeht, dass Beamte am Werk waren – ich möchte beinahe sagen, beamtete Schreibtischtäter –, die ohne genaue Kenntnis der Sachlage einen brutalen Anschlag auf das Eigentum von Privatpersonen geplant und auch durchgeführt haben. Es wäre einer kalten Enteignung gleichgekommen, wenn dieser Schriftverkehr – ich verzichte darauf, ihn heute hier zu zitieren – wirklich schlagend geworden wäre.


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Mein erster Weg war zum Landeshauptmann von Kärnten, und der hat sich sofort  – und das betone ich – bereit erklärt, Aufsandungsurkunden im Interesse der Fischereiberechtigten zu unterschreiben und in Verhandlungen mit Grasser und Molterer einzutreten, die in Kenntnis dieser unglaublichen Vorkommnisse sofort reagiert und – ich möchte das jetzt ein bisserl leger sagen – ihre Beamten dort zurückgepfiffen haben. Parallel dazu wurde ein Kärntner Modell entwickelt, das jetzt auch Grundlage dieses Gesetzes ist.

Ein weiterer Punkt war natürlich auch, dass Herr Universitätsprofessor Dr. Ogris erkannt hat, dass Fischereirechte als offenkundige Dienstbarkeit ins Gesetz aufgenommen werden könnten. Das wurde dann auch von einem OGH-Urteil letztlich bestätigt. Und um dieses sinnvolle, bürgernahe, ohne großen Aufwand zu vollziehende Gesetz zu verwirklichen, ist es wichtig, hier heute diesen Beschluss zu fassen. Wir begrüßen dieses Gesetz, und es hat unsere Zustimmung.

Abschließend möchte ich mich stellvertretend für alle Fischereiberechtigten – ich gehöre zu ihnen – bei beiden Ministern, bei Molterer und Grasser, recht herzlich bedanken. Sie haben hier Gerechtigkeit walten lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

22.59

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! "Petri Heil!" zur späten Stunde. (Heiterkeit. – Rufe: Petri Dank!)

Ich habe einen bereits angekündigten Abänderungsantrag einzubringen, der lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Grollitsch, Gradwohl, Dr. Kräuter, Auer, Ing. Scheuch, Mag. Kogler und Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzesentwurf im Bericht des Finanzausschusses (921 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (897 der Beilagen) betreffend die Belastung öffentlichen Wassergutes mit Fischereirechten

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

Im § 1 wird die Wortfolge "einer Urkunde" durch die Wortfolge: "einer gebührenfreien Urkunde" sowie die Wortfolge "über 40 Jahre durch Eintragung" durch die Wortfolge "über 20 Jahre insbesondere durch Eintragung" ersetzt.

*****

Nur noch ein kurzer Hinweis dazu, meine Damen und Herren: Der Oberste Gerichtshof hat entschieden: Wurde seit 1916 ein Fischereirecht in öffentlichen Gewässern ohne das dazu gehörende Grundstück veräußert, käme die Verbücherung dieses Rechts einer Neubegründung einer Dienstbarkeit gleich – und jetzt kommt es –, welche der Bund nicht, zumindest nicht un-entgeltlich, hinnehmen müsse.

Auf Grund dieses OGH-Urteils hat sich der Finanzminister großzügigerweise – man darf das so nennen – dafür entschieden, dieses Recht nicht zu veräußern, sondern dem Faktum Rechung zu tragen, dass hier Fischereiberechtigte seit Jahren und Jahrzehnten fischereilich tätig waren und natürlich auch ihre Leistungen für die Fischwässer erbracht haben, und er hat die Mög


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lichkeit geschaffen, dass es ihnen übertragen werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist eine sinnvolle Lösung. Die Abänderung wurde notwendig – das sei um diese Stunde auch spaßhalber dazu gesagt –, weil zu wenige Fischer im Finanzausschuss dabei waren, als man über diese Vorlage gesprochen hat.

Ich bitte also um die Zustimmung. Es war ein gemeinsames Werk, es war der Hauptverband daran beteiligt und alle Fraktionen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Vivat! Petri Heil!)

23.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Ich bitte jetzt nur um eine Sekunde Geduld, um mich noch einmal zu vergewissern, ob dieser Abänderungsantrag des letzten Redners im Croquis ist. 

Da kein Berichterstatter das Wort wünscht, kommen wir zu den Abstimmungen, und zwar stimmen wir über die einzelnen Ausschussanträge getrennt ab.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 879 der Beilagen.

Hiezu hat Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch mit den anderen Fraktionen gemeinsam den soeben referierten Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 1 des Gesetzentwurfes bezieht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich sogleich über den ganzen Gesetzentwurf samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung dieses Abänderungsantrages abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür in zweiter Lesung eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass dies einstimmig so beschlossen ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Als Nächstes gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 922 der Beilagen.

Ich darf auch hier bitten, dass die Damen und Herren, die damit einverstanden sind, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir stimmen weiters ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 926 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, im Falle der Zustimmung in dritter Lesung dies ebenfalls zu bekunden. – Die Vorlage ist in dritter Lesung ebenfalls einstimmig angenommen.


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Als Letztes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 923 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Vorlage zustimmen, um ein Zeichen. – 923 ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

14. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (766 der Beilagen): Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten samt Erklärung der Republik Österreich (942 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (801 der Beilagen): Änderung zum Artikel 43 Absatz 2 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, angenommen von der Konferenz der Vertragsstaaten am 12. Dezember 1995 (943 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine Berichterstattung ist nicht erforderlich.

Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner hat uns mitgeteilt – und dies wurde zur Kenntnis genommen –, dass sie wegen eines Auslandsaufenthalts vom Herrn Staatssekretär vertreten wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

23.05

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Das vorliegende Fakultativprotokoll über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten ist ein sehr wichtiges Protokoll zur Förderung und zum Schutz der Rechte des Kindes. Ich freue mich, dass es im Ausschuss eine Vier-Parteien-Übereinstimmung zu diesem Übereinkommen gegeben hat. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 hat als Mindestalter für die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten die Vollendung des 15. Lebensjahres vorgesehen. Dieses Übereinkommen ist am 5. September 1992 in Österreich in Kraft getreten. Es ist das erste internationale Vertragswerk, das sich ausschließlich mit dieser Materie befasst, und auf Grund einer umfassenden Ratifikation durch alle Staaten der Welt mit Ausnahme der USA und Somalias ist es zu einem universellen menschenrechtlichen Vertrag geworden.

Im Sinne dieses Übereinkommens dürfen Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Auf Grund der in den letzten Jahren erneut weltweit aufgetretenen systematischen Menschenrechtsverletzungen in internationalen und internen Auseinandersetzungen, in die immer wieder und öfter Kinder hineingezogen wurden, hat sich das öffentliche Problembewusstsein geschärft, zumal das Problem der Kindersoldaten mit zumeist langwierigen und irreversiblen psychischen Schäden und schwierigen gesellschaftlichen Wiedereingliederungsprozessen verbunden ist.


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87. Sitzung / Seite 244

Mit dem nunmehr vorliegenden Fakultativprotokoll wird das Schutzalter für Kinder bei Teilnahme an bewaffneten Konflikten von 15 auf 18 Jahre angehoben und gleichzeitig das zulässige Mindestalter für freiwillige Militärdienstleistungen mit 16 Jahren normiert, wobei sich auf Grundlage des geltenden österreichischen Rechts Österreich verpflichtet, eine freiwillige Einberufung zum österreichischen Bundesheer erst mit Erreichung des 17. Lebensjahres zuzulassen, und dies auch nur unter der Voraussetzung einer freiwilligen Einberufung einer Person und nur mit ausdrücklicher Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.

Mit dem vorliegenden Protokoll wird somit nicht nur das Schutzalter von Kindersoldaten von 15 auf 18 Jahre angehoben, sondern es wurde auch für die physische und psychosoziale Rehabilitation und soziale Wiedereingliederung von Kindern, die Opfer bewaffneter Konflikte geworden sind, ein wichtiger und deutlicher Durchbruch geschafft. Dies ist ein beträchtlicher Fortschritt gegenüber der Genfer Konvention 1949 zum Schutz von Kindern in internationalen bewaffneten Konflikten und somit ein wichtiger Schritt zum effektiven völkerrechtlichen Schutz von Kindern. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.09

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch ich bin froh, dass dieses Zusatzprotokoll jetzt vorliegt. Leider ist es nicht so klar geschrieben, wie wir und viele andere Staaten es uns gewünscht hätten. Aber der Erfolg ist wohl auch darin zu sehen, dass die Vereinigten Staaten dazu bewogen werden konnten, dieses Zusatzprotokoll zu unterschreiben und auch zu ratifizieren, auch wenn sie, wie Somalia, das Kinderrechtsübereinkommen noch nicht ratifiziert haben, wie Kollege Posch bereits ausgeführt hat.

Es ist aber immerhin ein Erfolg, dass die USA dem Alter von 18 Jahren zugestimmt haben – zwar nicht für die Rekrutierung von Freiwilligen, aber doch für die Standardfälle.

Es sind also kleine Fortschritte, die jetzt in diesem Fakultativprotokoll vorgesehen sind, und über die bin ich froh. Nach UNO-Schätzungen sind es immerhin weltweit zirka 300 000 Kinder, die in bewaffneten Konflikten rekrutiert werden, gezwungen werden, an bewaffneten Konflikten teilzunehmen, oder auch "nur" als Schutzschilde bei Minensuchaktionen missbraucht werden.

Gerade für Kinder ist die Beteiligung an bewaffneten Konflikten besonders traumatisch. Sie können sich selbst viel weniger als Erwachsene dagegen wehren, dass sie mit hineingezogen werden, und sie haben dann ihr ganzes Leben lang unter psychischen Traumata zu leiden, wenn sie nicht sowieso umgebracht werden. – In diesem Sinne halte ich es für sehr positiv, dass hier alle Parteien zustimmen.

Ich möchte noch etwas hinzufügen: Ich hätte mir sehr gewünscht, dass sich auch Österreichs Vertreter im UN-Sicherheitsrat – in welchem Österreich derzeit zwar kein Mandat hat, aber dennoch jeder Staat seine Stimme erheben kann – diesbezüglich geäußert hätten. Ich weiß zwar, dass es nicht üblich ist, dass man sich dort zu Wort meldet, meine aber, dass es gerade bei diesem Thema doch gut gewesen wäre, wenn man auch österreichischerseits die Stimme erhoben und gesagt hätte: Ja, wir stehen dazu und unterstützen das! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch eine Anmerkung zur Kinderrechtskonvention: Es ist natürlich leicht, etwas zu ratifizieren, was uns nicht selbst betrifft, denn in Österreich gibt es keine Kindersoldaten. Dem Familienausschuss liegt allerdings ein Antrag der Grünen vor, die Kinderrechtskonvention verfassungsrechtlich bei uns zu verankern. Das fordern die österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften schon seit langem, und es gibt dazu auch schon einen fertigen Vorschlag des Boltzmann-Institutes. – Ich hoffe sehr, dass es im Familienausschuss auch diesbezüglich eine gemeinsame Position aller Fraktionen geben wird, damit die Kinderrechtskonvention auch in


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87. Sitzung / Seite 245

Österreich in den Verfassungsrang erhoben werden kann! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

23.13

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir beschließen heute ein Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten.

Wir richten zu diesem Zweck ein Komitee ein. Es geht dabei – Kollege Posch hat es schon erwähnt – um die traurige Realität der so genannten Kindersoldaten. Mit diesem internationalen Übereinkommen soll das Mindestalter auf 18 Jahre angehoben werden.

Ich habe mich noch zu Wort gemeldet, weil wir erwähnen müssen, dass wir in Österreich diese Regelung bereits nachvollzogen haben. Wir haben mit der Novelle zum Wehrgesetz in diesem Jahr sichergestellt, dass in Österreich niemand, der unter 18 Jahre alt ist, in einen Einsatz kommt und dass diejenigen, die sich freiwillig als 17-Jährige zur Ableistung des Grundwehrdienstes melden, lediglich in den Ausbildungsbereichen eingesetzt werden können. – Demzufolge stimmen wir diesem Übereinkommen zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten samt Erklärung der Republik Österreich, in 766 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass das Fakultativprotokoll dadurch kundzumachen ist, dass es in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Änderung zum Artikel 43 Abs. 2 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, angenommen von der Konferenz der Vertragsstaaten am 12. Dezember 1995, in 801 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte ebenfalls jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die gegenständliche Änderung dadurch kundzumachen ist, dass diese in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.


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Stenographisches Protokoll
87. Sitzung / Seite 246

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

16. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (803 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997, das Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz, das Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz, das Tiertransportgesetz-Luft, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996, die Straßenverkehrsordnung 1960, das Tiertransportgesetz-Straße, das Führerscheingesetz, das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Kraftfahrgesetz 1967, die 3. KFG-Novelle, die 4. KFG-Novelle, das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG), das Containersicherheitsgesetz, das Eisenbahngesetz 1957, das Tiertransportgesetz-Eisenbahn, das Hochleistungsstreckengesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer "Brenner Eisenbahn GmbH", das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesbahngesetz 1992, das Eisenbahnbeförderungsgesetz, das Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs, das Schifffahrtsgesetz, das Bundesgesetz vom 26. Juni 1974, mit dem das Hafeneinrichtungen-Förderungsgesetz geändert wird, das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Binnenschiffsverkehr auf Wasserstraßen, das Bundesgesetz vom 21. Oktober 1988 zur Erfüllung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über den Binnenschiffsverkehr samt Anlage und Zusatzprotokoll, das Bundesgesetz zur Erfüllung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über den Binnenschiffsverkehr, das Bundesgesetz über die Seeschifffahrt, das Bundesgesetz zur Erfüllung des Internationalen Schiffsvermessungs-Übereinkommens, das Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz-SSEG, das Marchfeldkanalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Amateurfunkgesetz, das Funker-Zeugnisgesetz, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Postgesetz, das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion, das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Innovations- und Technologiefondsgesetz, das Bundesgesetz über das Österreichische Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Bundesgesetz zur Übertragung der Donau Transport Entwicklungsgesellschaft m.b.H. an den Bund geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz Verkehr, Innovation und Technologie – EUGVIT) (909 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht und Antrag des Verkehrsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen, BGBl. I Nr. 134/2001, geändert wird (910 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (852 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992 geändert wird (911 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (774 der Beilagen): Urkunden des Weltpostvereins (Beijing 1999), nämlich a) Sechstes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins, b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins, c) Weltpostvertrag samt Schlussprotokoll, d) Abkommen über die Postzahlungsdienste (912 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 bis 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
87. Sitzung / Seite 247

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.17

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den vier Vorlagen in aller Kürze: Betreffend den Antrag Telekomregelung wurde eine große Chance versäumt, da keine Handy-Kennzeichnung mit hineingenommen wurde. Das wäre ein Riesenschritt in Richtung Konsumentenschutz gewesen!

Zur Verkleinerung des Aufsichtsrates der ÖBB: Dem werden wir zustimmen. Warum denn nicht? – Ein Problem gibt es allerdings: Hätte man nicht die Barrierefreiheit beziehungsweise den Abbau von Barrieren im Eisenbahnbereich gleich mit regeln können?

Zum 19. Tagesordnungspunkt betreffend den Bericht über die Urkunden des Weltpostvereines: Meine Damen und Herren, dem werden wir natürlich zustimmen. Sie sollten sich daran erinnern, dass wir mittels dieser Zustimmung auch der flächendeckenden Versorgung mit Postdiensten in unserem Land zugestimmt haben. – Vielleicht führt das doch noch zu einem Überdenken Ihrer Postamt-Schließungseuphorie, die Sie im Moment gerade haben! – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Krüger: Das war eine Ad-hoc-Rede! – Abg. Dr. Martin Graf: In der Kürze liegt die Würze!)

23.18


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
87. Sitzung / Seite 248

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edler. – Bitte.

23.18

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz zur Novelle zum Bundesbahngesetz Stellung beziehen. Wir werden dieser Novelle zustimmen, ich möchte nur einige Anmerkungen dazu machen.

Es geht hiebei um eine Verkleinerung des Aufsichtsrates von 18 auf 15 Personen. Die Drittelvertretung der Personalvertretung bleibt gewahrt, und das ist anzuerkennen. Meine Damen und Herren! Der politische Vorlauf war allerdings so, dass man bei den Österreichischen Bundesbahnen eine politische Umfärbung eingeleitet hat. Die Eisenbahner haben das jedoch nicht zur Kenntnis genommen. Bei den Personalvertretungswahlen wurde das beste Ergebnis für die sozialdemokratische Fraktion eingefahren. (Abg. Dr. Martin Graf: Welche Färbung hatte die AK denn bis jetzt?)

Kollege Gaugg, darüber sollten vor allem die so genannten Arbeitnehmervertreter der FPÖ einmal nachdenken, denn Sie haben 80 Prozent der Stimmen bei den Eisenbahnern verloren. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben den erfolgreichen Generaldirektor Draxler abberufen, der auf dem besten Weg war, die Österreichischen Bundesbahnen zur Europaspitze zu führen. Sie wollten das nicht! (Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. ) Sie wollten wirklich das anstreben, was Sie im Koalitionsübereinkommen vereinbart haben, nämlich die Trennung zwischen Infrastruktur und Absatz zu erreichen.

Überlegen Sie sich das noch einmal! Schauen Sie sich das in jenen Staaten an, die das schon vor Jahren durchgeführt haben! So steht etwa die britische Eisenbahn vor dem Zusammenbruch, der Staat muss wieder einspringen, und das kann doch nicht Sinn und Zweck sein! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Vielmehr wäre es notwendig, endlich eine Kostenwahrheit im Verkehr einzuführen, und das ist über die Einführung des LKW-Road-Pricing möglich. Diesbezüglich sind Sie säumig. (Abg. Dr. Martin Graf: Wieso haben Sie es nicht eingeführt?) Wir werden Sie aber nicht aus der Verantwortung entlassen, sondern wir werden diese Forderung weiterhin ständig aufstellen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Kurz war die Rede jedenfalls!)

23.20


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
87. Sitzung / Seite 249

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kukacka. – Bitte.

23.20

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Keine Sorge! Ich werde mich heute nicht mehr auf eine Grundsatzdebatte zu diesem Thema einlassen. (Abg. Eder: Super! – Abg. Dr. Fekter: Schade!) Dazu ist es viel zu spät, obwohl es immer wieder reizvoll ist, mit Ihnen über solche Dinge zu diskutieren.

Herr Kollege Edler! Nur so viel: Es findet bei den ÖBB keine Umfärbung statt, sondern bestenfalls eine Ent färbung: Wir versuchen jetzt, einen Aufsichtsrat einzusetzen, der fachlich kom-petent und politisch entsprechend ausgewogen ist. Das ist es, was wir vorhaben! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich muss mich auch immer wieder darüber wundern, dass Sie Herrn Generaldirektor Draxler heute so sehr nachjammern, Herr Kollege Edler! Noch vor einem Jahr haben Sie hier über ihn geschimpft, haben gesagt, dass er unmöglich sei, haben die von ihm geplanten Strukturmaß-nahmen kritisiert und gemeint, dass sich all das gegen die Arbeitnehmer im Betrieb auswirken würde. Und jetzt jammern Sie ihm nach, Herr Kollege! (Abg. Edler: Ich nicht!) Sie sind nicht glaubwürdig!

Eines ist auch klar: Sie haben sich immer gegen jede Art von Reform bei den Österreichischen Bundesbahnen gewehrt. Das verhielt sich so bei der Ausgliederung aus dem Verkehrsministerium, das war so beim neuen Bundesbahngesetz, und das wird auch bei zukünftigen Reformen der Fall sein. Trotzdem wird es zu Reformen kommen, weil sie sachlich notwendig sind, meine Damen und Herren.

In diesem Sinne stimmen wir diesen Gesetzen zu, weil sie einen weiteren wichtigen Reformschritt für die Zukunft darstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

23.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

23.22

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Dass man bei den Bundesbahnen den Aufsichtsrat verkleinert, ist eine logische Konsequenz. Man hat auch den Vorstand verkleinert. Man hat gesehen, dass man die Zahl der Vorstandsmitglieder ohne weiteres von fünf auf drei reduzieren kann. Daher meine ich, dass man diese Angelegenheit nicht weiter zu kommentieren braucht. Es ist dies eine Formsache.

Herr Kollege Edler, ich möchte allerdings Ihre Bemerkung von vorhin nicht unwidersprochen lassen. Die Aufsichtsratsmitglieder, die zehn Kapitalvertreter und die fünf Belegschaftsvertreter, leisten doch gute Arbeit. Ich wehre mich dagegen, wenn man sagt, das sei eine politische Crew, die neu eingefärbt wurde. Gerade das Gegenteil ist der Fall! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da sind hoch professionelle Manager am Werk, die überall in der Wirtschaft ihren Mann gestanden und sich große Verdienste als Wirtschaftskapitäne erworben haben.

Es ist gut so, dass diese Entscheidung gekommen ist. Es ist gut so, dass in erster Linie Wirtschaftskapitäne und Führungskräfte aus der Wirtschaft in diesem wichtigen Aufsichtsorgan das Kommando haben und dass nicht weiterhin die Parteipolitik im Vordergrund steht. Ich unterschreibe und begrüße das. Ich glaube, dass wir auch in anderen Aufsichtsgremien einen Schnitt machen und darauf achten müssen, dass es zu einer Verjüngung und Verschlankung kommt, damit wir auch im Sinne der Verwaltungsökonomie das Beste aus diesen Unternehmen herausholen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Was, so lang?)

23.24

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPÖ wird den Vorlagen, welche hier zur Diskussion stehen, zustimmen.

Beim Euro-Gesetz handelt es sich schließlich um die technokratische Notwendigkeit, Schillingbeträge in den einzelnen Gesetzen auf Euro umzustellen. Die internationalen Verpflichtungen im Bereich des Postwesens, welche wir beschließen, ermöglichen eine Modernisierung des internationalen Postverkehrs. Und schließlich werden wir noch ein Bundesbahngesetz beschließen, in dem eine Verkleinerung des Aufsichtsrates von 18 auf 15 Mitglieder vorgesehen ist.

Als jemand, der selbst in der Wirtschaft tätig ist, kann ich vollkommen verstehen, dass es von Zeit zu Zeit Umorganisationen gibt. Diese sind notwendig. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was diese Bundesregierung allerdings im Bereich der ÖIAG und verwandter Unternehmen durchgeführt hat, war keine konstruktive Umgestaltung. Da ging es wahrlich nicht darum, neue Kompetenzen zu schaffen und die Unternehmensführung und den Aufsichtsrat neu zu strukturieren, sondern die Devise war ausschließlich: Rot raus, Blau rein! Und genau so wurde auch vorgegangen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einige Namen nennen: So musste Generaldirektor Draxler bei den ÖBB gehen, bei der ÖIAG mussten Streicher, Ditz, Staribacher, Pöhacker, Wieland und Leichmann gehen, beim Verbund waren es Krejci, Staribacher und Schröffelbauer, bei der Telekom AG waren es Ditz und Sindelka, bei der ASFINAG Engleder und Schragel und bei der AUA Rehulka und Pammer.

Haben all die Genannten nicht gut gearbeitet? Haben sie nichts gekonnt? – Das können Sie doch niemandem erzählen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was Sie da betreiben, ist Parteipolitik in Reinkultur! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gaugg.  – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Liste ist in Wahrheit noch viel länger, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr als 250 Millionen Schilling betragen die "Säuberungskosten", die Sie verursacht haben! Sie sind bereit, mit verdienten, aber von Ihnen abgelehnten Managern alles zu tun, was Ihnen gerade einfällt, weil Sie nämlich für Ihre Günstlinge Platz schaffen wollen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das lehnen wir ab! Frau Bundesministerin! Das ist kein Ruhmesblatt! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fink. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

23.27

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zu Punkt 16 betreffend die Änderung des Bundesbahngesetzes könnte man (Zwischenruf des Abg. Edler – das wäre lustig! – wieder einmal etwas über die Bahn sagen.

Es ist auf jeden Fall richtig, wenn Herr Edler sagt, dass es bei der Wahl ein gutes Ergebnis für die Sozialdemokraten gegeben hat. Ich gratuliere dazu! Ihr habt allerdings in den letzten 50 Jahren verabsäumt, die Bahn zu modernisieren! Auf das wurde vergessen! Ihr habt eine beinharte Personalpolitik betrieben und habt, wenn jemand bei der Eisenbahn aufgenommen


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87. Sitzung / Seite 250

wurde, bis zur dritten Generation zurück geschaut, ob alle Familienmitglieder auch wirklich SPÖ-Mitglieder waren. Daher dieses schöne Ergebnis für euch!

Letztlich werden wir aber mit diesem Aufsichtsrat endlich zu einem rot-weiß-roten Aufsichtsrat kommen, der die Chance hat, diese Bahn zu modernisieren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Es ist dies ein kleines Gesetz beziehungsweise eine kleine Änderung zum Wohle der ÖBB-Kunden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

23.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. – Bitte.

23.29

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nicht geglaubt, dass man es schaffen kann, mich heute hier noch zu erstaunen! Aber Herr Edler und Herr Kiermaier haben das wirklich geschafft! Sie haben hier einen Offenbarungseid geleistet, der an Schamlosigkeit wirklich nicht mehr zu übertreffen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Na geh!)

Sie "mosern" hier herum über eine Umfärbung à la "Rot raus, Blau rein"! Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie hier sagen? – Sie geben zu beziehungsweise legen Sie hier ein Geständnis darüber ab, dass Sie in den letzten Jahren schamlos Parteipolitik betrieben haben! Schämen Sie sich dafür! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Jawohl!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierungsvorlage stellt die freiheitliche Politik dar: Bürokratie abbauen, Verwaltung straffen, Steuergeld sparen und Parteibuchwirtschaft zurückdrängen, auch wenn es noch so wehtut, Herr Edler! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schlusssatz: Gute Arbeit, Frau Ministerin! Weiter so! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Euro-Umstellungsgesetz Verkehr, Innovation und Technologie samt Titel und Eingang in 909 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf eines Bundesgesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen samt Titel und Eingang in 910 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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87. Sitzung / Seite 251

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls mehrheitlich. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend das Bundesbahngesetz samt Titel und Eingang in 852 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, dem Abschluss der gegenständlichen Staatsverträge: Urkunden des Weltpostvereins (Beijing 1999), nämlich

a) Sechstes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins,

b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins,

c) Weltpostvertrag samt Schlussprotokoll,

d) Abkommen über die Postzahlungsdienste,

in 774 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass diese Staatsverträge dadurch kundzumachen sind, dass sie

1. im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie,

2. in dem diesem nachgeordneten Postbüro,

3. in der Österreichischen Post AG, Unternehmenszentrale, Postgasse 8, 1011 Wien, sowie

4. in den Regionalzentren der Österreichischen Post AG,

Regionalzentrum Graz, Neutorgasse 46, 8010 Graz,

Regionalzentrum Innsbruck, Maximilianstraße 2, 6010 Innsbruck,

Regionalzentrum Klagenfurt, Sterneckstraße 19, 9020 Klagenfurt,

Regionalzentrum Linz, Domgasse 1, 4010 Linz,

Regionalzentrum Salzburg, Marktplatz 6, 5020 Salzburg, und

Regionalzentrum Wien, Nordbergstraße 15, 1091 Wien,

zur öffentlichen Einsicht aufliegen.


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87. Sitzung / Seite 252

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Nein! Nur mehrheitlich!)  – Ich korrigiere: Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 566/A bis 577/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3188/J bis 3211/J eingelangt.

Schließlich ist die Anfrage 21/JPR, und zwar ist das eine Anfrage der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer an den Präsidenten des Nationalrates, eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 23.33 Uhr ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.32 Uhr