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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

910. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 15. Juli 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

910. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 15. Juli 2020

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 15. Juli 2020: 14.00 – 21.44 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl eines/einer 1. Vizepräsidenten/-in für den Rest des 2. Halbjahres 2020

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Investitionskontrollgesetz erlassen und das Außen­wirtschaftsgesetz 2011 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Geld­wäschenovelle 2020)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichts­ge­setz, das Finanzstrafgesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das EU-Melde­pflichtgesetz, das Flugabgabegesetz und das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert werden (Konjunkturstärkungsgesetz 2020 – KonStG 2020)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Investitions­prämiengesetz – InvPrG) erlassen wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird

9. Punkt: Protokoll zur Abänderung des Protokolls zum am 7. Juni 2011 in Wien unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

10. Punkt: Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Dop­pel­be­steuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 2

12. Punkt: Bundesgesetz betreffend die Errichtung eines Fonds zur Abgeltung von Borkenkäferschäden, zur Förderung klimafitter, artenreicher Wälder und zur Stärkung der Verwendung des Rohstoffes Holz (Waldfondsgesetz)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2020, geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Re­publik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Salzburger Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundes­rates Michael Wanner beziehungsweise Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatz­mitgliedes des Bundesrates    13

Angelobung des Bundesrates David Egger .......................................................... Fehler! Textmarke nicht definiert.

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR .................................................................. 19

1. Punkt: Wahl eines/einer 1. Vizepräsidenten/-in für den Rest des 2. Halbjah­res 2020 20

Unterbrechung der Sitzung ...................................................................................  49, 71

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .................................................. 12

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 19

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 10

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Landesverteidigung betreffend „vorsätzliche Gefährdung der Sicherheit Österreichs durch BM Tanner“ (3786/J-BR/2020) ........................................................................................................... 49

Begründung: Markus Leinfellner ............................................................................ ..... 49

Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner .................................................................... 53

Debatte:


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 3

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 60

Bernhard Hirczy ............................................................................................................ 65

Wolfgang Beer ......................................................................................................... ..... 67

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 69

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ..... 70

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ..... 71

Karl Bader ................................................................................................................ ..... 75

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 77

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 79

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Schließung von Kasernen“ – Annahme (313/E-BR/2020)  64, 82

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Wolfgang Beer, Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlassung der Bundesministerin für Lan­des­verteidigung Tanner“ – Annahme (314/E-BR/2020) .....................................................................................................  69, 82

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem ein Investitionskontrollgesetz erlassen und das Außenwirtschafts­gesetz 2011 geändert wird (240 d.B. und 276 d.B. sowie 10376/BR d.B.) ...................................................................................... 20

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 20

RednerInnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................. ..... 21

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ..... 23

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 25

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 27

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck .................................................... ..... 28

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend „Genehmigungspflicht für alle in der Anlage zum Investitionskontrollgesetz aufgelisteten Bereiche unbefristet und mit Erreichen oder Überschreiten eines Mindestanteils an Stimmrechten von 10 %“ – Annahme (311/E-BR/2020) .......................................................................  23, 30

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 30

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Geldwäsche­no­velle 2020) (106 d.B. und 277 d.B. sowie 10377/BR d.B.) ............................................................................................................... 30

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..................................................... 30

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird (107 d.B. und 278 d.B. sowie 10378/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 30


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 4

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..................................................... 30

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert wird (109 d.B. und 279 d.B. sowie 10379/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 30

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..................................................... 30

RednerInnen:

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ..... 31

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 32

Thomas Dim ............................................................................................................ ..... 33

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 34

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 35

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 36

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 36

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 37

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­ge­setz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das EU-Melde­pflichtgesetz, das Flugabgabegesetz und das COVID-19-Förderungsprüfungs­gesetz geändert werden (Konjunkturstärkungsgesetz 2020 – KonStG 2020) (287 d.B. und 336 d.B. sowie 10363/BR d.B. und 10380/BR d.B.) ........................................................................................................ 37

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 37

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämien­gesetz – InvPrG) erlassen wird (288 d.B. und 338 d.B. sowie 10381/BR d.B.)          ............................................................................................................................... 37

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 37

RednerInnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ...............................................................................  38, 41

Ing. Judith Ringer ......................................................................................................... 40

Rudolf Kaske ................................................................................................................ 42

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 43

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 45

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck .................................................... ..... 45

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „rasche Hilfe für Marktfahrer“ – Annahme (312/E-BR/2020) ..........  42, 47

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 47

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 47

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 5

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird (193 d.B. und 243 d.B. sowie 10369/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 47

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 48

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Protokolls zum am 7. Juni 2011 in Wien unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (54 d.B. und 244 d.B. sowie 10370/BR d.B.) ...................................................................................... 48

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 48

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (241 d.B. und 245 d.B. sowie 10371/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 48

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 48

RednerInnen:

Elisabeth Mattersberger ......................................................................................... ..... 83

Ingo Appé ................................................................................................................ ..... 84

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................. ..... 85

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 86

Otto Auer ................................................................................................................. ..... 86

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....... 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....... 88

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird (286 d.B. und 310 d.B. sowie 10405/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 88

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 88

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ..... 89

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ..... 90

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 91

Thomas Dim ............................................................................................................ ..... 92

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 93

Korinna Schumann ................................................................................................. ..... 94

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 95


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 6

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz betreffend die Errichtung eines Fonds zur Abgeltung von Borkenkäfer­schäden, zur Förderung klimafitter, artenreicher Wälder und zur Stärkung der Verwendung des Rohstoffes Holz (Waldfondsgesetz) (282 d.B. und 340 d.B. sowie 10396/BR d.B.) ...................................................................................... 95

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ................................................................................ 95

RednerInnen:

Mag. Sandra Gerdenitsch ...................................................................................... ..... 95

Ing. Isabella Kaltenegger ....................................................................................... ..... 98

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 100

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 101

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 102

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 104

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Sandra Gerdenitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „faire und nachhaltige Verteilung der öffentlichen Steu­ergelder des Waldfonds dringend gefordert“ – Annahme (315/E-BR/2020) ...............................................................  97, 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 106

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird (233 d.B. und 256 d.B. sowie 10397/BR d.B.)      107

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................. 107

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (236 d.B. und 257 d.B. sowie 10398/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 107

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................. 107

RednerInnen:

Johanna Miesenberger ........................................................................................... ... 107

Eva Prischl ............................................................................................................... ... 109

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 110

Andreas Lackner ..................................................................................................... ... 112

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 113

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel“ – Annahme (316/E-BR/2020)  111, 115

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 115

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 115

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2020, geändert wird (238 d.B. und 258 d.B. sowie 10399/BR d.B.) ............... 116

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................... 116


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 7

RednerInnen:

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 116

Günther Novak ........................................................................................................ ... 117

Michael Bernard ...................................................................................................... ... 119

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ... 121

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 122

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 123

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (644/A und 341 d.B. sowie 10392/BR d.B.) .......................................... 123

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................... 123

RednerInnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 123

Klara Neurauter ....................................................................................................... ... 125

Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. ... 127

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 129

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 131

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend vorsätzliche Gefährdung der Sicherheit Österreichs durch BM Tanner (3786/J-BR/2020)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Wo sind all die Kinder, Herr Minister? (3787/J-BR/2020)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Wo sind all die Kinder, Frau Ministerin? (3788/J-BR/2020)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Wie wird sichergestellt, dass kein Kind und kein Jugendlicher durch Corona verloren geht? (3789/J-BR/2020)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wie sichern Sie Kin­der und Jugendliche gegen Armut ab, Herr Minister? (3790/J-BR/2020)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Wie sichern Sie Kinder und Jugendliche gegen Armut ab, Frau Ministerin? (3791/J-BR/2020)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einberufung der Miliz (3487/AB-BR/2020 zu 3761/J-BR/2020)


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 8

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Behördenaufträge für den sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz (3488/AB-BR/2020 zu 3764/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vergewaltigungsversuch mit Körperverletzung am 28.04.2020 in der Stadtgemeinde Poysdorf sowie anschließendes erfolgtes (3489/AB-BR/2020 zu 3762/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen der Corona-Krise auf Infrastrukturmaßnahmen in Niederöster­reich (3490/AB-BR/2020 zu 3767/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen der Corona-Krise auf Infrastrukturmaßnahmen in der Steiermark (3491/AB-BR/2020 zu 3765/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen der Corona-Krise auf Infrastrukturmaßnahmen in Tirol (3492/AB-BR/2020 zu 3769/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Steuer­begünstigungen für REWE-Konzern (3493/AB-BR/2020 zu 3766/J-BR/2020)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen Abwicklung des Härtefallfonds zum Covid-19 Gesetz (3494/AB-BR/2020 zu 3768/J-BR/2020)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Maßnahmen für Sportvereine (3495/AB-BR/2020 zu 3770/J-BR/2020)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 9

13.59.45Beginn der Sitzung: 14 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann, Vizepräsident Mag. Christian Buchmann.

13.59.49*****


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Einen schönen Nachmittag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 910. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 909. Sitzung des Bundesrates vom 2. Juli 2020 sind aufgelegen, wurden nicht beanstandet und gelten daher als ge­nehmigt.

Alle Mitglieder des Bundesrates sind anwesend.

14.00.13Mandatsverzicht und Angelobung


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Eingelangt ist ein Schreiben des Salz­burger Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates. (siehe S. 13)

Das neue Mitglied des Bundesrates David Egger ist im Hause anwesend, ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführerin um Ver­lesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Ich verlese die Gelöbnisformel für Mitglieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Bundesrat David Egger leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße nun auch ganz offiziell das neue Mitglied David Egger recht herzlich hier bei uns im Bundesrat.

Es ist mir eine große Freude, dass Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck bei uns ist. Ein herzliches Grüß Gott, Frau Bundesministerin!


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 10

14.02.04Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfäl­tig­ten und verteilten Anfragebeantwortungen,

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundeskanzlers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 7)

2. Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz im EU-Raum am 15. Juli 2020 (Anlage 2)

Schreiben der Landtage

Schreiben des Salzburger Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Mit­gliedes und Ersatzmitgliedes (Anlage 3)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

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BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 12

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BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 13


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 14


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Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Eingelangt sind und den zuständigen Aus­schüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der Ausschussberichte zu den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates Abstand zu nehmen. Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte ein­verstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vor­schlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforder­lichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

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Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl eines ersten Vizepräsidenten/einer ersten Vizepräsidentin auf die Tagesordnung der heutigen Sit­zung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 3 bis 5, 6 und 7, 8 bis 10 sowie 13 und 14 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erheben sich dagegen Einwände? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bun­desrätInnen Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vorsätzliche Gefährdung der Sicherheit Österreichs durch BM Tanner“ an die Frau Bundesministerin für Landesverteidigung vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

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Wir gehen in die Tagesordnung ein.


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 20

14.05.12 1. Punkt

Wahl eines/einer 1. Vizepräsidenten/-in für den Rest des 2. Halbjahres 2020


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tages­ordnung.

Ich werde die Wahl eines ersten Vizepräsidenten/einer ersten Vizepräsidentin durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl eines/einer ersten zu wählenden Vizepräsidenten/Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiezu der SPÖ-Frak­tion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage Sie, Frau Vizepräsidentin Mag.a Grossmann, nehmen Sie die Wahl an?

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(Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

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Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich und freue mich auf die kommende Zusammenarbeit. (Allgemeiner Beifall.)

14.06.412. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Investitionskontrollgesetz erlassen und das Außenwirtschafts­gesetz 2011 geändert wird (240 d.B. und 276 d.B. sowie 10376/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Frau Bundesrätin, ich bitte um den Bericht.


14.07.19

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Hohes Präsidium! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Investitionskontrollgesetz erlassen und das Außenwirt­schaftsgesetz 2011 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stim­men­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 21

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.08.21

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Beim Investi­tions­kontrollgesetz geht es um die Kontrolle potenzieller Beteiligungen von Drittstaaten an österreichischen Unternehmen. Das ist nicht nur dieser Covid-Krise geschuldet, also keine Anlassgesetzgebung, sondern vor allem der Zeit davor, als das schön langsam in der Welt – ich möchte es so sagen – eingerissen ist. Es geht darum: keinen naiven Frei­handel, sondern einen Freihandel auf Augenhöhe, einen wechselseitigen Freihandel auf gleichem Niveau; außerdem muss die gesamte Globalisierung einmal kritisch hinterfragt werden.

Diese Trendwende hat 2016 die neue amerikanische Präsidentschaft verursacht, sie wurde 2017 von der EU, damals war Jean-Claude Juncker Präsident der Europäischen Kommission, zu Recht übernommen und 2019 in ein Gesetz gegossen.

Es steht natürlich nicht ex lege im Gesetz drinnen, das kann man nicht hineinschreiben, aber es geht vor allem um China, es geht um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und es geht auch um die größte Volkswirtschaft der Welt, das sind die USA; das eine ist eine freie Marktwirtschaft, das andere ist nach wie vor ein kommunistisches System (Bundesrat Schennach: Kommunistisch?), ein wohlüberlegtes System, aber nach wie vor von kommunistischen Parteien geführt. – Es ist so, Kollege Schennach, auch wenn du es nicht glauben möchtest.

China hat immer machtpolitische Interessen, es geht nicht immer um die Wirtschaft. China ist in Europa präsenter, als man überhaupt glaubt. Der 1 000 Jahre alte Hafen von Piräus, vor Athen, ist heute in der Hand von chinesischen Betreibern. Volvo – jedem bekannt –, dieser tolle Automobilhersteller aus Schweden, ist nicht mehr aus Schweden, sondern aus China. In Österreich ist ein Unternehmen der oberösterreichischen Luftfahrtindustrie – FACC, ein tolles Unternehmen – auch in der Hand von China. Und in Deutschland hat es auch 2016 eine Denkwende gegeben, um es so zu definieren, als der Roboterhersteller Kuka allen Ernstes von China gekauft worden ist. Zuletzt betraf das in Österreich den Textilhersteller Wolford.

Es geht China nicht immer um wirtschaftliche Interessen, es geht vor allem um stra­tegische Interessen. China ist gleichbedeutend mit Produktpiraterie, mit keiner freien Wäh­rungskonvertierung, mit beinhartem Protektionismus. Es ist für europäische Unter­nehmen nicht möglich, in China allein, zu 100 Prozent, in einem Unternehmen zu bestim­men beziehungsweise eines zu gründen, ohne ein Joint Venture einzugehen. Und es geht vor allem um Technologietransfer, und dagegen muss sich Europa wehren.

Es geht in diesem Gesetz um den Kampf gegen einen Ausverkauf von österreichischem Familiensilber – aber leider ist das in Österreich schon teilweise passiert. Oft ist dort, wo Österreich draufsteht, nicht mehr Österreich drin. Ich erinnere an die Telekom Austria – das führende Telekommunikationsunternehmen Österreichs, absolute Nummer eins, mit toller Forschungsqualität –, die in der Hand von Mexikanern ist. Bereits damals, 2014, hätte das Außenwirtschaftsgesetz die Ermächtigung beinhaltet, gegen dieses Friendly Take-over – eigentlich war es für österreichische Verhältnisse ein Unfriendly Take-over – Einspruch zu erheben, aber die damalige schwarz-rote Regierung wollte dies nicht tun, sie hat gesagt: Ja, wir verkaufen das nach Mexiko!


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Bank Austria – Österreich steht drauf, Österreich ist nicht mehr drin. Drei Banken wurden fusioniert, und heute ist das alles im Besitz von Italien. Und zuletzt das Skandalunter­nehmen Casinos Austria, wo die Supergagenkaiser des schwarz-roten Herrschafts­systems bis heute noch ihre Pfründe verwalten dürfen. (Bundesrätin Schumann: Und die FPÖ die Posten ...!) Es ist vielleicht gar nicht so schlecht, wenn dort tschechische Besitzer einmal aufräumen, das bewirkt vielleicht ein Nachdenken, vielleicht ist es sogar gut, wenn es nicht mehr in österreichischer Hand ist. Leider hat da die Staatsgewalt völlig versagt, dieses früher so tolle traditionelle Unternehmen Casinos Austria wurde dermaßen heruntergewirtschaftet.

Slowenien geht einen noch radikaleren Weg, den wir von der FPÖ nicht unbedingt haben wollen. Wir wollen einen Mittelweg haben, ab 10 Prozent, nicht 25 Prozent, soll die Kont­rollfunktion ausgeübt werden. Slowenien sagt: Wir wollen nicht nur Drittstaaten kontrol­lieren, die sich an slowenischen Unternehmen beteiligen, wir wollen die ganzen EU-Mitgliedsländer kontrollieren! Wir wollen das nicht, wir Slowenen wollen rein slowenische Unternehmen haben! Und wenn eine Beteiligung, eine Fusion, eine Akquisition oder ein Unternehmenskauf stattfinden soll, dann wollen wir das kontrollieren!

Die Entscheidung, Frau Ministerin, einem Ausverkauf von österreichischem Wissen hier einen Riegel vorzuschieben, ist natürlich richtig, aber das sollte schon bei 10 Prozent der Fall sein, es sollte nicht wieder auf 25 Prozent angehoben werden, wie es das Außenwirtschaftsgesetz ja in der Vergangenheit vorgesehen hat: Beispiel Telekom Austria, wo sich ein Unternehmen mit einem geringen Zukauf von Aktien in das Unter­nehmen richtig hineinfräsen konnte. Das wollen wir nicht! Österreichische Unternehmen müssen österreichische Unternehmen bleiben!

China ist ja nicht per se schlecht. China ist für die österreichische Wirtschaft ein wesent­licher Standortfaktor. Gerade jetzt in der Krise sind im April die Importe um 24,4 Prozent eingebrochen und die Exporte um 22,9 Prozent – durch einen völlig unverhältnis­mäßi­gen Lockdown in Österreich, aber auch weltweit; es gibt aber auch Beispiele für ein anderes Verhalten. Österreich wird sich lange nicht von diesem schweren – ja, es ist eigentlich ein Rückschritt – Rückschritt erholen können.

China passt natürlich für einen Unternehmer ins Konzept, das muss man auch einmal positiv sagen, als Marktwirtschaft, aber nicht als strategisches Unternehmen, wo immer machtpolitische Interessen dahinter sind; und das hat die amerikanische Präsidentschaft richtig erkannt.

Wir wollen die KMUs stärken, wir wollen sie schützen, wir wollen die Prosperität der österreichischen Wirtschaft gewährleisten, forcieren und auch positiv kontrollieren. Es gibt eine Staatsgewalt, die auch eine positive Akzentuierung der Wirtschaft bewirken kann. Es ist leider nur in Österreich so – es gibt den norwegischen Staatsfonds, der po­sitiv ist, oder den dänischen Staatsfonds, der aktiv für das Nationalprodukt eine Leistung erbringen kann –, dass immer wieder die Parteipolitik in die Wirtschaft hineinkommt. Die Casinos Austria sind das beste Beispiel dafür, wie ein Unternehmen richtig von innen ausgefressen werden kann. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Dass jetzt dort jeder vierte Arbeitsplatz infrage gestellt wird, ist ein typisches Beispiel dafür, wie es nicht sein soll.

Auch der Verkauf der Bank Austria, von der SPÖ gemacht, wäre keinesfalls notwendig gewesen. Ihr habt es geschafft, mit einer einzigen Unterschrift drei Banken zu ver­senken: die CA, die Länderbank und sogar die Sparkasse. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Schennach: Später Applaus macht es nicht besser!)

Das, was ich besonders interessant finde, ist, dass diese Kontrollfunktion ja nicht nur von der Wirtschaftsseite her, in diesem Fall von Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin,


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ausgeübt werden soll, sondern in Zusammenarbeit mit Gesundheitsminister Anschober. Bundesminister Anschober steht heute offensichtlich für alles, weiß alles, kann alles (Bundesrat Steiner: Ist ja Lehrer!), ist offensichtlich sogar im Wirtschaftsbereich firm (Bundesrätin Mühlwerth: Ein Wunderwuzzi!), ein Wunderwuzzi. Ich finde das völlig daneben – das hat jetzt nichts mit dem Herrn Gesundheitsminister zu tun, aber hier hineinzuschreiben, dass der Gesundheitsminister die Prüfungsvorgänge übernehmen, das evaluieren soll und seine Entscheidungsfindung dazu machen soll, das finde ich völlig abstrus, muss ich ehrlich sagen, gerade nach dem, was er jetzt mit all diesen Maßnahmen, mit dem Lockdown angestellt hat. Wir von der Wirtschaft und wir von der FPÖ wollen das definitiv nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grund bringen wir folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Genehmigungspflicht für alle in der Anlage zum Investitionskontrollgesetz aufgelisteten Bereiche unbefristet und mit Erreichen oder Überschreiten eines Mindestanteils an Stimmrechten von 10 %“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der eine Genehmigungspflicht gemäß § 2 Investitionskontrollgesetz für alle in Teil 1 und Teil 2 der Anlage zum Investitionskontrollgesetz aufgelisteten Bereiche mit Erreichen oder Überschreiten eines Mindestanteils an Stimmrechten von 10 % unbe­fristet normiert wird.“

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Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.17


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Geneh­migungspflicht für alle in der Anlage zum Investitionskontrollgesetz aufgelisteten Be­reiche unbefristet und mit Erreichen oder Überschreiten eines Mindestanteils an Stimm­rechten von 10 %“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.17.54

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Covid-19-Pandemie – Kollege Pisec hat ein­gangs auch darauf hingewiesen – hat sich ein Trend in Europa und damit auch in Österreich verschärft, der in Wirklichkeit ganz besonders im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008/2009 begonnen hat, nämlich dass Unternehmen in Schlüsselbereichen nicht oder nicht mehr in ausreichendem Ausmaß in Europa und in Österreich vorhanden sind beziehungsweise dass es sehr strategisch agierende Dritte


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gibt, überwiegend aus dem Non-EU-Raum, also außerhalb der EU-Außengrenzen, als Stichworte nenne ich hier made in China.

Ich sage aber dazu, ich war oft genug selbst mit Wirtschaftsdelegationen in unter­schied­lichen Provinzen in China unterwegs, und made in China ist nicht das Thema der Chi­nesen any longer, sondern sie wollen designed in China, technology from China, created in China – also ihre Wirtschaft sehr zukunftsorientiert anlegen –, und sie suchen daher sehr gezielt auf erfolgreichen Märkten, insbesondere in Europa; ein deutsches Beispiel, was die gesamte Robotik und Robotertechnik betrifft, wurde ja schon erwähnt.

Es ist aber auch das amerikanische Primat des America first durchaus eines, das auch Auswirkungen in diesem Bereich hat. Und dass diese strategisch agierenden Dritten nicht immer unter fairen Wettbewerbsbedingungen agieren, ist der Grund dafür, dass wir heute einen solchen Gesetzesbeschluss fassen. Es wäre aus meiner Sicht schön, gäbe es diese fairen Wettbewerbsrahmenbedingungen im Rahmen der WTO, aber das ist leider nicht der Fall.

Daher können manche dieser Staaten ziemlich ungehemmt agieren: Sie können das in Form von mehr oder weniger verdeckten Staatsunternehmungen tun, sie können das durch eine ungehemmte Subventionitis tun, sie können das durch Steuererleichterungen im eigenen Land tun, sie können durchaus auch einen ungehemmten Devisenzugang ermöglichen oder sie können beispielsweise durch Versicherungen Unternehmungen ermutigen, auf dem europäischen Markt beziehungsweise hier in Österreich tätig zu werden.

Hätten wir reziproke Spielregeln, also Spielregeln, die auf Gegenseitigkeit beruhen, würden wir die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht verändern müssen. Das haben wir aber nicht, und daher ist es klug, sich hier zu engagieren und heute zu einer Be­schlussfassung zu kommen. Ich möchte der Frau Bundesministerin – und ihrem Team – dafür danken, dass sie die Initiative ergriffen hat. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir werden sehr genau darauf schauen, dass wir hier gemeinsam einen Schritt weiter­kommen. – Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es sind nicht nur Unternehmungen, die da hinterfragt werden, es geht ja auch um die kritische Infrastruktur. Ein Hafen wurde schon erwähnt – das wird für Österreich weniger eine Rolle spielen –, es geht aber auch um Flughäfen, von denen möglicherweise der eine oder andere im internationalen Kontext von Interesse ist. Ich komme aus der Steiermark, wie Sie wissen, und Slowenien ist unser Nachbar; Maribor war durchaus schon im Blickfeld von strategischen Investoren, möglicherweise auch das Nachbar­bundesland Kärnten. So gesehen müssen wir gemeinsam schauen, dass wir die kriti­sche Infrastruktur erhalten.

Das gilt auch ganz besonders für die Bahn- und Schieneninfrastruktur beziehungsweise -technik. Wenn Sie beispielsweise auf den Balkan schauen, insbesondere auf den Westbalkan, werden Sie feststellen, dass in diesen Ländern strategische Interessen, die einen fairen Wettbewerb völlig ausschließen, sehr massiv vorhanden sind. Auf diesen Märkten haben unsere mittelständischen Unternehmungen kaum mehr die Chance – selbst wenn transparent ausgeschrieben werden sollte, was manchmal mit einem Frage­zeichen zu versehen ist –, zum Zug zu kommen. Das betrifft aber auch Telekommuni­kationsunternehmen und die Medizintechnik, was im Fall von Pandemien ganz beson­ders dramatisch ist.

Wir haben uns heute im Europaausschuss mit diesem Thema auseinandergesetzt. Es ist erfreulich, dass es im Jahr 2018, unter österreichischer Ratspräsidentschaft, gelun­gen ist, dieses Thema voranzutreiben, dass es dazu eine EU-Richtlinie gibt, die die Kontrolle von Foreign Direct Investment in Europa und damit auch in Österreich unter ein gewisses Regelungsregime bringt.


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Ich glaube, wir alle bekennen uns dazu, dass es bei Unternehmungen der kritischen Infrastruktur eine Genehmigungspflicht seitens des Ministeriums, seitens der Republik Österreich gibt. Über Prozentsätze – ob das 10 Prozent oder 25 Prozent sind –, Kollege Pisec, kann man immer streiten. Ich glaube, es ist wichtig, dass jetzt einmal die Initiative ergriffen worden ist, dass Schritte gesetzt werden, dass wir in den Bereichen Energie, Wasser, Medizintechnik, Verteidigung, aber beispielsweise auch 5G-Netz oder der gesamten Digitalinfrastruktur Regelungen umsetzen, dass wir dabei aber die Kleinstunternehmungen mit weniger als zehn Mitarbeitern und weniger als 2 Millionen Euro Bilanzsumme auslassen. Das gibt diesen Unternehmungen durchaus auch die Möglichkeit, Partner und Investoren ins Boot zu holen und einen Wachstumsprozess durchzumachen.

Stichwort Wachstumsprozess: Eigentums- und Wachstumsinteressen der Unterneh­mungen sind natürlich zu beachten und es ist bei dieser Regelung auch die Balance zu halten. Es gilt aus meiner Sicht sehr genau abzuwägen, wie stark man die Eingriffe der Genehmigungspflicht wahrnimmt – ohne auf einem Auge blind zu sein. Jedenfalls wird für alle Investoren erforderlich sein, dass die Transparenz gewahrt wird, dass Rechts­sicherheit gegeben ist und dass diese Prüfungen mit möglichst wenig an Bürokratie – eine gewisse Bürokratie werden wir brauchen, weil jedes Prüfverfahren eine gewisse Form der Bürokratie hat –, zumindest mit einer transparenten Bürokratie, abgearbeitet werden.

Warum betone ich das? – Na ja, auch österreichische Unternehmungen haben mit Investitionen im Ausland sehr zum Wohlstand unseres Landes beigetragen und damit auch Arbeitsplätze im Inland abgesichert und durchaus auch den einen oder anderen zusätzlichen Arbeitsplatz geschaffen. Es gilt auch für die Zukunft, diese Reziprozität, die ich eingangs angesprochen habe, im Auge zu behalten.

Die heutige Beschlussfassung ist ein – wie ich es in einem Wirtschaftsmagazin gelesen habe – robustes Vorgehen der Europäischen Union, und wenn man es herunterbricht, natürlich auch ein robustes Vorgehen Österreichs zum Schutz seiner kritischen Infra­struktur. Es ist jedenfalls aber im Interesse des Wirtschaftsstandorts und damit der Unternehmungen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und es gibt der Bevölkerung Versorgungssicherheit. Damit ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

Weil es mir als einem, der über Jahre auch auf europäischer Ebene gespürt hat, dass wir in Europa nach der Wirtschafts- und Finanzkrise eine ziemliche Investitionslücke aufgerissen haben, ein Anliegen ist, sage ich abschließend, dass es schon auch entscheidend ist, dass diese aktive Industriepolitik, die seitens Europas und damit auch Österreichs angedacht ist, auch zu einer Reindustrialisierung führt, weil damit in Europa Bereiche kritischer Infrastruktur möglicherweise wieder aufgebaut werden können oder durch Forschung und Entwicklung neu angesiedelt werden können.

Das dient uns dann nicht nur bei der Aufarbeitung der aktuellen Pandemie, sondern möglicherweise auch bei Krisen der Zukunft. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.26


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


14.26.55

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Die erste Wortmeldung von mir an diesem Tag ist zu einem Konsens­thema, und ich denke, der Konsens besteht vor allem darin, dass dieses Gesetz sehr


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notwendig war. Wir haben ja schon in und nach der Finanzkrise 2008/2009 gesehen, dass es vermehrt zu Investitionen aus dem Ausland gekommen ist. Das hat die heimische Wirtschaft schon auch sehr gefordert.

Es ist gut und es ist auch der Zeit geschuldet – auch in Anbetracht der Covid-19-Krise –, dass der teilweise oder vollständige Erwerb von österreichischen Unternehmen durch Personen oder Gesellschaften aus Drittstaaten jetzt unter bestimmten Bedingungen einer Genehmigungspflicht unterliegt. Es ist ja umgekehrt auch so, dass österreichische Unternehmen, die im Ausland – in den USA, in China – investieren, auch dieser Meldepflicht und dieser Genehmigungspflicht Folge leisten müssen. Erst gestern Nacht gelangte der chinesische Botschafter in der „ZIB 2“ – ich habe zufällig aufgedreht und weiß nicht, in welchem Zusammenhang es war – zu diesem Thema zu Wort. Ich glaube, hier herinnen wissen es alle: Will man in China investieren, gibt es nicht einmal eine Prozentgrenze, es sind nämlich 0 Prozent.

Es ist ja auch nicht so, dass dieses Investitionskontrollgesetz dazu dienen soll, dass wir jetzt die österreichische Volkswirtschaft abschotten. Das ist nicht der Hintergrund. Es geht einfach nur darum, dass wir nicht naiv dem Ausverkauf Vorschub leisten, dass wir nicht naiv und blauäugig zulassen, dass unsere heimische Infrastruktur, dass unsere heimischen Unternehmen verkauft, ausverkauft werden und in die Kontrolle von ausländischen Investoren geraten. Die bisherigen Prüfmöglichkeiten im Rahmen des Außenwirtschaftsgesetzes waren teilweise lückenhaft, teilweise nicht transparent genug. Sie haben einfach nicht ausgereicht.

Ich finde es gut, dass dieses Gesetz jetzt auf den Weg gebracht wird. Ich finde das auch sehr mutig und sehr gut von Ihnen, Frau Minister, denn es kam ja auch aus Ihren eigenen Reihen, aus den türkisen Reihen – namentlich von Herrn Mahrer –, ziemlich heftige Kritik und ziemlich heftige Sorge um den Wirtschaftsstandort Österreich.

Ich denke aber, wenn jemand investieren will, wenn es einen Investor gibt, der in Österreich in Unternehmen investieren will, dann wird er den politischen Dialog nicht scheuen, dann wird er auch nicht die Scheu haben, sich auf diese genehmigungs­pflichtige Investition einzulassen. Darum geht es letztlich. Es ist in einer Demokratie schon auch notwendig, dass die Politik ein Auge speziell auf die kritische Infrastruktur hat, dass sie da auch eingreifen kann, dass sie das steuern kann.

Die Prozentsätze wurden heute schon angesprochen: Da hätte es von unserer Seite schon noch die eine oder andere Ergänzung gegeben. Die befristete Absenkung der Prüfeintrittsschwelle auf 10 Prozent der Stimmrechtsanteile ist etwas, das aus unserer Sicht eher unbefristet sein sollte. Wie wir heute gehört haben, würde das auch im Sinne des österreichischen Gesellschaftsrechts sein, weil wir wissen, dass bei einem Stimm­rechtsanteil von über 10 Prozent doch ein sehr starker Einfluss des Gesellschafters gegeben ist.

Es ist, wie ich eingangs gesagt habe, dringend an der Zeit, dieses Investitions­kontroll­gesetz zu realisieren. Wir haben gerade den Fall der Firma Themis Bioscience – einem Coronaimpfstoffentwickler –, die an den US-Konzern Merck & Co verkauft worden ist, gehabt, da wäre es ganz gut gewesen, dieses Gesetz schon zu haben. Bei Arzneimitteln, bei medizinischen Produkten, bei Impfstoffen, in der gesamten kritischen Infrastruktur wäre es aus unserer Sicht, aus Sicht meiner Fraktion begrüßenswert, diese 10 Prozent auf keinen Fall befristet zu machen.

Es wurde uns im Ausschuss erklärt, diese Befristung beruhe darauf, dass man einmal evaluieren wolle, was auf dem Markt passieren wird, wie sich die Investitionen – vor allem im Bereich der Forschung – entwickeln werden. Ich denke, dass man das auch evaluieren kann, wenn man die Absenkung der Prüfeintrittsschwelle auf 10 Prozent nicht


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befristet. Man kann das Gesetz auch dann ändern, wenn man sieht, dass es zu Prob­lemen führt.

Im Großen und Ganzen kann ich aber sagen, es ist ein gutes Gesetz, ein wichtiges Gesetz, und ein bisserl mehr darf man sich ja wünschen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.32.57

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ein bisserl mehr darf es immer sein – das ist eigentlich eine ganz richtige Feststellung, das ist das, was Demokratie ausmacht: dass man immer wieder neu verhandelt und immer wieder schaut, wie viel mehr oder wie viel weniger geht.

Ich glaube, dass dieses Gesetz tatsächlich – im besten Sinne des Wortes – etwas darstellt, das Weltpolitik ist. Da geht es wirklich um eine Strategie, die weltpolitische Auswirkungen hat. Wir können hier irrsinnig viel festmachen. Wir könnten eine Diskus­sion darüber führen, wie Weltpolitik strategisch vor sich geht. Das geht in vielen Be­reichen, sei es umweltpolitisch oder menschenrechtspolitisch. Die Wirtschaft ist natürlich einer der Haupthebel, wo Einfluss möglich ist, und da geht es sicher nicht ausschließlich um China, es geht um Drittstaaten – das zu betonen ist auch wichtig, finde ich.

Dass allerdings China jetzt in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt, liegt natürlich am chinesischen Vorgehen selbst, und selbstverständlich ist das zu beobachten und müssen wir das auch beobachten. Ob die Seidenstraße sich rechnet oder ob das nicht auch wirklich eine ganz klare machtpolitische Straße ist, darüber muss man diskutieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Natürlich ist es das! Sicher ist es das! – Bundesrat Rösch: Das brauche ich nicht diskutieren, das ist es schon!)

Wir müssen aber auch sagen, China ist ja schon in Europa – der Hafen von Piräus, von dem wir immer wieder hören, ist eines der berühmtesten Beispiele. Es gibt sehr viele Investitionen, zum Beispiel in Polen oder Ungarn, wo es dann im europäischen Kontext zu durchaus kritischen Worten, zu machtpolitischen Worten kommt, man durchaus auch Nein sagt und sich schützend hinstellt.

Mit diesem Gesetz, und das ist das Wichtige daran, schützen wir die kritische Infra­struktur vor internationalen machtpolitischen Interessen. Das ist eine ganz wichtige Tat, und da können wir zu Recht froh sein, dass nicht nur wir als Österreich, sondern auch Europa sagt: Nein, da geht es um etwas ganz Wichtiges, da geht es – jetzt könnte ich sagen, um das, was wir Grüne immer schon gesagt haben – um diese berühmte Balance zwischen Globalisierung und Entglobalisierung! Es geht um diese Balance zwischen freiem Spiel der Kräfte auf dem internationalen Markt versus Schutz der eigenen Interessen!

Die Covid-19-Lehren sind recht deutlich. Covid-19 hat uns auch gezeigt, wie wichtig das Ganze ist, sei es betreffend Verteidigungsgüter, sei es betreffend Energieinfrastruktur, sei es betreffend digitale Infrastruktur, betreffend Wasser – das da auch mit inbegriffen ist –, betreffend Arzneimittel und Medizinprodukte. – Das ist die wirklich kritische Infrastruktur. Dazu kommen noch Energie, IT, Lebensmittel, zum Beispiel auch der ganze Bereich künstliche Intelligenz und Robotik, Cybersicherheit, die Versorgung für die kritische Infrastruktur und – ich finde ganz wichtig, dass das hier drinnen steht – die Medien. Es gibt ja, wie wir wissen, durchaus Staaten, die sehr großes Interesse haben,


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Einfluss auf Medien und Meinungen zu gewinnen, um sich aktiv in die Meinungsfindung einzubringen und zu manipulieren.

Einige österreichische Firmen sind zum Teil schon in chinesischer Hand, Kollege Pisec hat welche genannt, ich nenne als Beispiel Atomic. China ist auch in der Fußballszene sehr aktiv, international gehören China viele Fußballvereine, aber auch die Russen sind da sehr aktiv, wie wir wissen.

Wenn es zum Beispiel um einen Mobilfunkanbieter geht, dessen Eigentümer in Hong­kong sitzt, muss man jetzt auch schon langsam diskutieren, ob Hongkong aktuell noch ein unabhängiger, freier Ort ist oder eigentlich nicht mehr. (Bundesrat Schennach: Eher Zweiteres!) – Das würde ich genauso sehen wie Sie, Herr Kollege Schennach. Da sehen wir auch, wohin Machtpolitik geht, wie rücksichtslos sie sein kann und welche Auswirkungen das auch auf uns hat.

Bezüglich Aufbau des 5G-Netzes gab es auch eine sehr interessante Entwicklung, die sehr hohe Wellen geschlagen hat: Großbritannien hat Huawei ausgeschlossen. Ich bin froh, dass wir in unserem Land eine Instanz geschaffen haben, die genau prüft und genau schaut, wie sich das anfühlt. Es geht ja jetzt auch nicht darum, hier Chinabashing zu betreiben. Wir müssen immer aufpassen, dass wir, wenn wir das Regime in China kritisieren, nicht die Chinesen und Chinesinnen an sich meinen. Das ist ja, wie schon gesagt worden ist, ein spannendes, ein tolles Land.

Diese Balance zwischen Globalisierung und Regionalisierung und dem Schutz eigener Infrastruktur ist nicht trivial, und dass Safety first einmal festgeschrieben wird, ist ganz wichtig. Daher: vielen Dank für dieses Gesetz! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.38


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


14.38.48

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich freue mich sehr über Ihre Wortmeldungen zum Investitionskontrollgesetz. Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und soll eine Balance bieten, um auf der einen Seite Investitionen weiter zu fördern und auf der anderen Seite die Möglichkeit zu geben, zu schützen und nicht naiv zu sein.

Wenn ich von Investitionen spreche, dann spreche ich nicht von Firmenübernahmen, denn das ist damit nicht immer gleichzusetzen. Es ist natürlich so, dass wir hier in Österreich für die Entwicklung unserer Unternehmen Investoren haben wollen und auch brauchen, aber wir wollen das im Vorhinein wissen. Es bedeutet nicht immer gleich, ein Unternehmen zu übernehmen und großen Einfluss auf dieses Unternehmen auszuüben.

Was ist im Zusammenhang mit dem Investitionskontrollgesetz wichtig? – Wir sind da nicht allein unterwegs. Sie wissen, ich war 22 Jahre in der IT-Branche und in der Tele­kombranche tätig, und ich habe nun endlich diesen Wandel in der Europäischen Kom­mission gesehen, dass darauf ein Auge geworfen wird, was in den 20 Jahren, in denen ich in dieser Branche aktiv gearbeitet habe, sicherlich nicht der Fall war.

Sie haben richtigerweise gesagt, dass die USA diese Regelungen seit 1975 haben. Wir finden sie in Kanada, wir finden sie in Japan, wir finden sie seit dem vergange­nen Sommer in Deutschland, und zwar in noch ausgeprägterer Form, als wir es hier machen werden, denn wir werden aus Gründen der Minimierung der Bürokratie die


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Kleinstunternehmen entsprechend ausnehmen, um da auch einen guten Mittelweg zu finden und den Standort attraktiv zu halten, aber eben auch nicht naiv zu sein.

Ich als Wirtschaftsministerin möchte ganz klar auf drei Dinge hinweisen. Auch laut dem bereits jetzt gültigen Außenwirtschaftsgesetz ist es notwendig, dass die Firmen sich melden, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch einen Verkauf entsprechend gefährdet ist, aber das wird nur in seltenen Fällen getan, und – das ist auch so etwas – es muss nur im Nachhinein getan werden. Das heißt, genauso wie Sie erfährt es die Wirtschaftsministerin aus der Zeitung, ob ein strategisches Unternehmen verkauft worden ist oder nicht. Auch das Unternehmen hat keine Rechtssicherheit, und zwar die gesamte Zeit über, bis eine entsprechende Entscheidung getroffen wird.

Das wollen wir also von einer Ex-post-Prüfung in eine Prüfung ex ante, im Vorhinein – man soll schon vorher prüfen –, ändern. Das heißt, diese Unternehmen haben schon während der Due Diligence den Weg zum Ministerium zu suchen, und das gibt auch den Unter­nehmen und den Investoren Rechtssicherheit und ist für diese nicht nur negativ, wie das in der Vergangenheit manchmal dargestellt wurde. – Wir können also vorher prüfen.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist: Wir schauen auf den wahren Eigentümer. Ich habe das in mehreren Unternehmen persönlich erlebt, denn die Firmen in Österreich oder in Deutschland, die ich geleitet habe, sind mehrmals verkauft worden: Der wahre Eigentümer ist nicht immer diese BV, diese Holding in den Niederlanden, und wir wollen auf den wahren Eigentümer schauen – das ist ein ganz wichtiger Punkt. Mit diesem Investitionskontrollgesetz, das Sie hier heute beschließen, sind Umgehungsgeschäfte also nicht mehr möglich. Wir haben das auch betreffend die Geldwäsche so. Wir wollen schauen, wer wirklich dahintersteckt, und eine reine Holding irgendwo in Europa reicht uns dafür definitiv nicht aus.

Das jetzige Gesetz, diese kleine Regelung im Außenwirtschaftsgesetz, ermöglicht auch nur zwei Reaktionen, nämlich einerseits, ich kann verbieten, oder andererseits, ich kann bestrafen. Aber oft geht es darum, Auflagen zu erteilen; Sie haben einen Fall genannt. Im Bereich des Gesundheitswesens blieb mir als Ministerin vor Kurzem nur übrig, das übernehmende Unternehmen zu bitten, doch hier in Österreich zu bleiben – aber das ist auch eine Zusicherung, das ist keine Vereinbarung und keine Auflage.

Schauen wir uns in Europa um! Hätten Sie mich das vor 20 Jahren gefragt, hätte ich noch gesagt: Nein, wir brauchen das alles nicht! Europa ist der Technologieführer, wir exportieren Technologie! – Diese Zeiten sind vorbei, das hat sich in den letzten 20 Jahren durch diese Übernahmen all der von Ihnen hier genannten Unternehmen im Bereich der Hochtechnologie und im Bereich der Infrastrukturen massiv verändert.

Ich kann Ihnen versichern, dass im Bereich der Infrastrukturen die 10‑Prozent-Grenze auch entsprechend gilt, die 10‑Prozent-Schwelle gilt bei kritischen Energie- und Digital­infrastrukturen, inklusive 5G – also die bleibt ja auch –, bei Wasser, bei Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Da ist eine Sunsetclause drinnen, das stimmt, das haben Sie ja auch angemerkt, aber bei diesen Infrastrukturen wie Wasser gilt es schon ab 10 Prozent. Da wollen wir das auch entsprechend wissen, das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt.

Zusammengefasst kann man sagen: Gott sei Dank ist Europa aufgewacht! Während unserer Ratspräsidentschaft ist es uns, ist es mir selbst gelungen, diese FDI-Screening-Verordnung voranzutreiben. Ich spreche aus Erfahrung und danke Ihnen recht herzlich für Ihre Unterstützung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.44

14.44.40


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 30

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Genehmigungspflicht für alle in der Anlage zum Investitionskontrollgesetz aufgelisteten Bereiche unbefristet und mit Erreichen oder Überschreiten eines Mindestanteils an Stimmrechten von 10 %“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (311/E-BR/2020)

14.45.503. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Geldwäschenovelle 2020) (106 d.B. und 277 d.B. sowie 10377/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird (107 d.B. und 278 d.B. sowie 10378/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert wird (109 d.B. und 279 d.B. sowie 10379/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 3 bis 5, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Frau Bundesrätin, ich bitte um die Berichte.


14.46.44

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, Geld­wäschenovelle 2020.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher sofort zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschafts­treuhandberufsgesetz 2017 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 31

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor, ich komme daher sofort zur Antrag­stel­lung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe außerdem den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuch­haltungs­gesetz 2014 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.48.54

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Liebe Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Novelle der österreichischen Gewerbeordnung vulgo Geldwäschenovelle setzen wir die EU‑Richtlinie „zur Verhinderung der Nutzung“, wie es so schön heißt, „des Finanz­systems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ um.

Das Ganze hat eine gewisse Historie. Diese Historie hat Österreich 2016 durchaus auch schmerzlich auf die internationale Agenda gesetzt, weil die bei der OECD angesiedelte sogenannte internationale Geldwäschebehörde – im Fachjargon Financial Action Task Force on Money Laundering – sich mit Mängeln in Österreich auseinandergesetzt hat. Seither ist in der Tat viel geschehen, und wenn ich mir den jüngsten Bericht des Bundes­kriminalamts zur Geldwäsche – der stammt aus dem Jahr 2019 – durchlese, dann sieht man dort Gang und Lage der Maßnahmen, die in Österreich gesetzt wurden, und dass diese auch sehr viele kritische Hinterfragungen aus der seinerzeitigen Mängelliste erge­ben haben.

Immer dann, wenn kriminelle Energie im Spiel ist, ist es für Behörden nicht ganz einfach, auch den Stand der Technik entsprechend im Auge zu haben. Sie alle, die Sie inter­nationale Medien mitverfolgen – ich selbst habe einmal die Gelegenheit gehabt, bei Europol in Den Haag zu sein, um mit Experten über dieses Thema zu reden –, spüren, dass in Wahrheit Behörden sehr häufig einen Schritt hinter den kriminellen Entwicklun­gen sind, weil neue Technologien – im Bereich der Fintechs, auch Kryptowährungen oder wenn Sie beispielsweise auch an die Blockchaintechnologie oder gewisse Möglich­keiten wie das Darknet denken – dieser kriminellen Energie zum Durchbruch verhelfen. Umso wichtiger ist es, dass wir ein deutliches Zeichen setzen, und ich bin sehr glücklich, dass das mit dieser Novelle einhellig passiert.

Aus meiner Sicht gibt es jedenfalls vier Maßnahmen, die in diesem Bereich notwendig sind, nämlich erstens die gesetzlichen Grundlagen – das machen wir mit dieser Novelle; danke, Frau Bundesministerin, dass das vorangetrieben wird –, zweitens die technische Ausstattung der Behörden, um mit der kriminellen Energie auch entsprechend mithal­ten zu können, drittens Topmitarbeiter in den Ermittlungsbehörden, die den Stand der Technik im Auge haben – nicht immer ganz einfach und natürlich auch nicht


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kostengünstig zu bekommen, aber umso wichtiger, wenn man dieser kriminellen Energie entgegenarbeiten möchte –, und viertens – no na! – die Justiz, die strafrechtlich rele­vantes Verhalten insbesondere im Hinblick auf Spezialprävention und Generalprä­ven­tion sanktionieren soll.

In dieser Gewerbeordnungsnovelle ist auch eine Maßnahme zur Sichtbarmachung unserer Handwerkerinnen und Handwerker und der Wertschätzung ihnen gegenüber verpackt. Ich weiß, dass meine Kollegin Sonja Zwazl zu diesem Thema noch gesondert Stellung nehmen wird, aber ich freue mich sehr, dass das hier auch mitbehandelt wird und darf Sie noch alle gemeinsam einladen: Mein Heimatbundesland, die Steiermark, wird vom 6. bis 10. Jänner 2021 der stolze Gastgeber der Berufseuropameisterschaft Euroskills sein, und wann immer Sie Zeit und Lust haben, dort dabei zu sein, würden wir uns sehr freuen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

14.53


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer zu Wort gemeldet. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


14.53.25

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Werte Frau Präsidentin! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf wieder zu einem Gesetz beziehungs­weise zu drei Gesetzen reden, die unsere Zustimmung finden. Im Wesentlichen dienen die drei Novellen, die wir jetzt behandeln, der Umsetzung der 5. Geldwäscherichtlinie der EU. Sie enthalten einige Punkte, die sehr wichtig sind, die notwendig sind, um eben im Bereich der Geldwäsche auch wirklich eine Handhabe zu haben, um auch wirklich etwas bewegen zu können. Ich nehme da einmal den Punkt heraus, dass das Vorhan­densein von Strohmännern zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen kann. Auch die Stärkung der Geldwäschemeldestelle ist sicherlich sehr wichtig, und – wie wir es vorhin auch schon beim Investitionskontrollgesetz gehabt haben – es wird auch fest­gelegt, dass der wahre Eigentümer ermittelt wird, dass Verschachtelungen und aufge­baute Konstruktionen hinterfragt werden, weil es ja letztendlich eben um diesen wahren Eigentümer geht. Die Verbesserung der Kommunikation mit anderen Ländern in der Zusammenarbeit und die Amtshilfe werden bestimmt notwendig sein – auch diese finden ihren Niederschlag. Somit sind alle drei Gesetze von uns zu befürworten.

Herr Kollege Buchmann hat jetzt gerade angesprochen, dass nun der Titel Meister und Meisterin vor dem Namen geführt und in Urkunden aufgenommen wird. Das freut mich persönlich außerordentlich. Ich will Kollegin Sonja Zwazl nicht allzu viel von ihrem Gebiet vorwegnehmen, aber doch meine persönliche Meinung und auch die Meinung meiner Fraktion hier einbringen: Österreich ist ein Land, in dem es nicht nur aufgrund der dualen Ausbildung, sondern auch wegen seiner Struktur immer eine hervorragende handwerk­liche Ausbildung gegeben hat. Österreich kann auf seine Handwerker stolz sein, und ich finde, dass es ein wichtiger Schritt ist, dass sie mit diesem Titel, der in einer Urkunde festgehalten wird, jetzt auch die entsprechende Wertschätzung erfahren und auch den akademischen Berufen etwas gleichgestellt werden. Sie tun nämlich genauso Wichtiges und wir brauchen sie wie einen Bissen Brot, das können sicherlich gerade viele Unter­nehmen, aber auch ganz viele Privatpersonen und wir alle bestätigen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.56


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Thomas Dim zu Wort gemeldet. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.



BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 33

14.56.40

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geldwäsche und Ter­rorismusfinanzierung sollen verhindert werden – das ist nicht nur ein Anliegen der EU, sondern auch ein Anliegen eines funktionierenden Staates. Dafür sind auch immer wieder Adaptierungen notwendig, so eben auch in Verbindung mit der Geldwäsche­novelle 2020 und der Datenschutz-Grundverordnung.

Die Materie ist durchaus spannend: Einerseits will man persönliche Daten eines jeden einzelnen Staatsbürgers so gut wie möglich schützen, andererseits geben viele Staats­bürgerInnen die Daten von sich aus preis, oft unwissentlich und unbewusst. Herrscht gar eine Pandemie wie jetzt, wird bei manchen sogar noch der Wunsch nach einer Verpflichtung laut, wenn ich nur an die Coronaapp denke. Es ist daher Vorsicht geboten! (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Besonders spannend wird das Ganze bei der Materie des Geldverkehrs. Jedes Bank­institut hat seinen Geldwäschebeauftragten und jede Transaktion wird über Prüfpro­gramme auf mögliche Unregelmäßigkeiten begutachtet und bei Verdacht gemeldet. Banktransaktionen sind das eine, da funktioniert die Transparenz schon ganz gut, wesentlich näher an den Firmen sind aber Bilanzbuchhalter, Wirtschaftstreuhänder. Diese sollen jetzt in das Bundesgesetz, in die Geldwäscherichtlinie mit aufgenommen und damit eingebunden werden. Sie sollen bei Verdacht auf Straftaten oder bei Verdacht auf Terrorismusfinanzierung von der Datenschutz-Grundverordnung entbunden werden können.

Ich zitiere: Es kommt mit dieser Richtlinie sogar zur „Einführung der Verpflichtung der Behörden zur Gewährleistung eines sicheren Informationsweges für Mitteilungen an Behörden betreffend Übertretungen der Bestimmungen zur Bekämpfung von Geld­wäsche und Terrorismusfinanzierung, zum Schutz derjenigen, die solche Verstöße an die Behörde melden“. – Zitatende. Schauen wir einmal, wie es in der Praxis funktioniert.

Auch die Einführung einer Beschwerdestelle ist durchaus sinnvoll: Wenn einer Person aufgrund einer erfolgten Verdachtsmeldung Nachteile im Beschäftigungsverhältnis ent­stehen sollten, kann man sich dann beschweren. Auch da wird interessant, wie das in der Praxis ausschaut. Da bin ich auch schon wirklich neugierig, wie das funktionieren wird. Ich sehe das Ganze aber nicht als Einführung eines Spitzelwesens, sondern als Baustein zur Sicherung und zum Erhalt des Rechtsstaates, aber auch des Bargeldes.

Uns Freiheitlichen ist ja das Bargeld immer schon wichtig gewesen, das haben wir in diesem Haus schon oft genug betont. Ich möchte nicht, dass bei jedem meiner Einkäufe registriert wird, wo ich eingekauft habe, was ich eingekauft habe. Ich brauche auch keine Firmen, die meine Kaufgewohnheiten analysieren und mir dann die nötige Werbung zukommen lassen. Im Endeffekt will ich Produkte kaufen und nicht das Produkt sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Uns Freiheitlichen ist das Bargeld wichtig, aber auch Terrorismusbekämpfung und Straf­vereitelung sind uns ein Anliegen. Somit werden wir dieser Novelle auch zustimmen.

Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, ich komme jetzt noch zu einem besonderen Schmankerl der österreichischen Kultur: Was ist man in Österreich ohne einen Titel? – Ein Nichts, ein Niemand! Nicht einmal im Augenblick der höchsten Ekstase vergisst man in Österreich, den Titel zu nennen. Ich darf an Edi Finger und Córdoba erinnern – die Fußballaffinen werden vielleicht wissen, wovon ich rede –: der Kollege Riepl und der Dipl.-Ing. Posch sind einfach legendär.

Auch der Nichteingeweihte fragt sich natürlich, welchen Hof der Herr Hofrat berät oder welchen Hof der wirkliche Hofrat wirklich berät. Das gehört in Österreich aber halt


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irgendwie dazu. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass wir jetzt für die Hand­werksmeister den offiziellen Titel Meisterin und Meister einführen dürfen, der dann in Urkunden und Dokumenten eingetragen werden darf. – Wie schön.

Bereits 900 Titel und Berufsbezeichnungen haben wir in diesem Land in Rechts­vor­schriften geregelt, da kommt es jetzt auf zwei mehr oder weniger auch nicht mehr an. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Wenn sich dadurch eine Qualitätsfeststellung – Frau Kom­mer­zialrat Zwazl wird das sicher noch erläutern – oder gar eine Preisrechtfertigung besser darstellen lassen, dann soll es uns recht sein. Wir leben schließlich in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

15.01


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


15.01.50

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wenn ich Besuch von niederländischen Verwandten, Freundinnen oder Freunden habe, sind die Titel sehr oft ein Thema. Es ist interessant, dass Österreich so sehr mit diesen Titeln identifiziert wird. Am Anfang habe ich das auch ein bisschen kritisch gesehen, mittler­weile finde ich, das sollte Unesco-Weltkulturerbe werden oder etwas Ähnliches. (Heiter­keit bei Grünen und ÖVP.)

Ich finde, das ist eine irgendwie auch charmante Geschichte. Und wenn es irgendjemand verdient hat, dann die Handwerker und die Handwerkerinnen dieses Landes. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.) Ich bin mir aber sicher, dass Frau Kollegin Sonja Zwazl nachher noch eine leidenschaftliche Rede dazu halten wird. Darauf freue ich mich schon und daher halte ich meine Ausführungen kurz.

Ich möchte schon noch einmal zurückblicken, denn ich war ja schon einmal in diesem Haus. Wenn man damals über Geldwäsche oder Transparenz in Finanzgeschäften ge­sprochen hat – da waren wir Grüne auch schon im Haus –, wurde noch sehr anders diskutiert, als wir es heute tun. Da ist schon ein Kulturwandel spürbar. Ich glaube, dass sich da in der österreichischen Selbstwahrnehmung etwas wirklich Entscheidendes getan hat.

Blicken wir zurück auf das Jahr 2016: Da gab es einen Bericht von der Financial Action Task Force on Money Laundering. Das ist sozusagen die Geldwäscheinstitution, die Geldwäschebehörde, die bei der Opec angesiedelt ist. (Bundesrat Buchmann: OECD!) – Bei der OECD. Was habe ich gesagt? (Ruf bei der ÖVP: Opec!) OECD natürlich, Opec wäre komisch, ja; das wichtig für das Protokoll: bei der OECD.

Österreich war damals unter den EU-Staaten nicht Letzter, das muss man auch sagen, aber auf Platz 21 von jetzt 27 EU-Staaten, und wir wissen nicht, wann der nächste Bericht kommt, wir können aber jetzt schon ziemlich sicher sagen: Es wird eine deutliche Verbesserung geben. Warum? – Weil die Empfehlungen der Geldwäschebehörde der OECD ganz klar verfolgt und befolgt wurden, und das ist aus unserer Sicht eine ganz wichtige Sache.

Worum geht es? – Je intransparenter die Finanzsysteme sind, desto mehr werden sie ausgenützt, das ist einfach so, und zwar von kriminellen Organisationen genauso wie für die Finanzierung von Terrorismus. Was das konkret bedeutet, hat mein Kollege Buchmann schon so schön ausgeführt, dass ich diese Liste jetzt auslasse, weil wir jetzt natürlich die Rede betreffend Handwerker hören wollen.

In diesem Sinne bedanke ich mich für die Umsetzung dieser wichtigen EU-Verordnung. Ich finde es wunderbar, dass wir in Österreich einen derartigen Kulturwandel erlebt


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haben, sodass die Geldwäschebekämpfung jetzt wirklich voranschreiten kann. Es ist eine gute Novelle. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.05


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


15.05.17

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Bundes­minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlaubt mir, bevor ich wirklich zu meinem Thema, den Meisterinnen und Meistern, komme, noch ein paar Worte.

Ich habe jetzt sehr gespannt zugehört. Ich bin auch für Bargeld, und ich habe mir ge­dacht, wenn du, Herr Kollege (in Richtung Bundesrat Dim), sagst, dass du bei jedem Einkauf registriert wirst, denke ich mir: Super, ich wünsche mir, dass du öfter zu mir ins Geschäft kommst! Ich habe wenige Kunden, die bei mir 10 000 Euro in bar bezahlen. Das wäre schon schön, wenn wir so potente Kunden in allen unseren Klein- und Mittelbetrieben hätten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nun zur Geldwäschenovelle. Was mir ganz wichtig ist: In der vorletzten Sitzung des Finanzausschusses konnten wir ganz einfach eine Vertretungserweiterung für unsere Bilanzbuchhalter nicht machen. Sie sind aber, wie man sieht, natürlich immer auch in der Ziehung, wenn es darum geht, Gesetze und Verordnungen zu befolgen. 63 Prozent unserer Betriebe haben nur bis zu fünf Mitarbeiter und sie haben Bilanzbuchhalter. Da ist es in meinen Augen nur gerechtfertigt – ich habe das schon im Finanzausschuss gesagt, darum erlaubt mir bitte, dass ich heute noch einmal darauf zurückkomme –, dass diese auch die Vertretungsbefugnis haben, dass sie Ratenvereinbarungen machen können, dass sie Fristerstreckungen machen können, dass sie einen Antrag auf Ver­längerung der Jahreserklärung machen können. Das wäre mir ganz wichtig.

Man darf nicht vergessen: Aus- und Weiterbildung ist etwas ganz Wesentliches, nicht nur bei den Meisterinnen und Meistern, bei der dualen Ausbildung also, sondern auch bei den Bilanzbuchhaltern. Man darf auch nicht vergessen, dass sie eine verpflichtende Weiterbildung im Ausmaß von 30 Bildungseinheiten pro Jahr haben. Vielleicht könnten wir uns trotzdem wieder bezüglich dieses Themas committen und schauen, dass wir die für die Wirtschaft wirklich notwendige Vertretung auch unseren Bilanzbuchhaltern zu­kommen lassen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist es für mich sehr erfreulich, dass jetzt die Meister und die Meisterinnen den Titel auch im Dokument führen dürfen, nicht deshalb, weil wir eine Titelsucht haben, sondern es geht ganz einfach um die Aufwer­tung.

Wir haben  heute im EU-Ausschuss darüber gesprochen, dass man sieht, dass die EU darauf achtet, wie es mit der Jugendbeschäftigung, wie es mit der Jugendausbildung ausschaut. Wenn wir die duale Ausbildung attraktiv beziehungsweise noch attraktiver machen wollen, dann ist es einfach so, dass der Titel Meister/Meisterin im Dokument bestimmt dazu beiträgt. Er ist dabei ein ganz wesentlicher und wichtiger Punkt.

Da geht es darum, dass wir im Hinblick auf europaweite Ausschreibungen im Konzert mit den europäischen Ländern nun Möglichkeiten haben, die wir früher ganz einfach nicht gehabt haben, weil der Meister jetzt im Europäischen Qualifikationsrahmen genauso wie der Bachelor mit 6 eingestuft ist. Das muss man auch einmal sehen. So ist das! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Gerade betreffend die Aufwertung der Meisterin und des Meisters spreche ich dir, Frau Minister, ein herzliches Dankeschön aus, weil ich weiß, dass dir das auch ein


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Herzensanliegen ist. Ich denke zurück: In unserem Haus, der Wirtschaftskammer Niederösterreich, war die Frau Minister dabei, als wir Meisterprüfungsdekrete verliehen haben, und das hat für unsere Meisterinnen und Meister schon eine zusätzliche Aus­zeichnung bedeutet – dafür ein herzliches Dankeschön! Das war nur ein äußeres Zeichen, ich weiß aber: Seit du im Amt bist, hast du dich immer vehement dafür ein­gesetzt. Du weißt ganz genau, wie wichtig die duale Ausbildung für unsere Wirtschaft ist und wie wichtig es ist, dass junge Menschen diesen Weg der dualen Ausbildung auch gehen. Dafür sage ich dir ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können mit Fug und Recht auf unsere Meisterinnen und Meister und vor allem auf die Jugend stolz sein, die diesen Weg der dualen Ausbildung geht. Herr Kollege Buchmann hat es ja schon angesprochen: Wenn wir uns die internationalen Wettbewerbe anschauen, ob Euroskills oder Worldskills, dann sehen wir, dass wir als Österreicher immer hervorragend abschneiden. Wir sind ein kleines Land, haben aber eine großartige Ausbildung für unsere Jugend. Wir haben großartige Fachkräfte, denn diese jungen Fachkräfte stellen sich diesen Wettbewerben, und ich denke, dass es nur recht und billig ist, dass man mit dieser hochwertigen Aus­bildung auch den Titel Meister führen darf.

Wieso darf ich es als Bachelor, warum darf ich es als Meister nicht? – Das soll mir jemand erklären! Das gehört ganz einfach her, das ist eine Wertschätzung, die schon längst notwendig war. Es ist wichtig, dass nicht nur unsere Betriebe und deren Inhaber, die erfolgreich die Meisterprüfung abgelegt haben, nach § 21 der Gewerbeordnung das Gütesiegel Meisterbetrieb führen dürfen, sondern dass man das auch in den offiziellen Dokumenten hat.

Ich sage ein herzliches Dankeschön, weil es ein weiterer Beweis für die Anerkennung der hoch qualifizierten Ausbildung, der dualen Ausbildung ist. Die Meisterprüfung ist nun einmal so etwas wie der Schlussstein einer gotischen Kirche. Das ist ein wesentlicher und wichtiger Schritt. – Ich sage danke schön! (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bun­desrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

15.10

15.11.01


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend eine Geldwäschenovelle 2020.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 37

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.12.416. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Finanzstraf­gesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das EU-Meldepflichtgesetz, das Flug­abgabe­gesetz und das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert werden (Konjunkturstärkungsgesetz 2020 – KonStG 2020) (287 d.B. und 336 d.B. sowie 10363/BR d.B. und 10380/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) erlassen wird (288 d.B. und 338 d.B. sowie 10381/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungs­punkten 6 und 7, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Robert SeeberHerr Bundesrat, ich bitte um die Berichte.


15.13.40

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuer­ge­setz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Bun­desfinanzgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Ge­setz, das EU-Meldepflichtgesetz, das Flugabgabegesetz und das COVID-19-Förde­rungs­­prüfungsgesetz geändert werden (Konjunkturstärkungsgesetz 2020 – KonStG 2020), zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschafts­stand­ort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19 Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 38

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte, Herr Bun­desrat, ich erteile es Ihnen.


15.15.23

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bundeskanzler Kurz ist 2017, wie wir alle wissen, mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, die Ab­gabenquote unter 40 Prozent zu drücken, und das entspricht zu drei Viertel dem FPÖ-Wirtschaftsprogramm. 2019 das gleiche Spiel noch einmal: Bundeskanzler Kurz ist wieder zur Wahl angetreten, wieder mit dem Versprechen, die Abgabenquote unter 40 Pro­zent zu senken und hat wieder drei Viertel des FPÖ-Wirtschaftsprogramms übernom­men. (Bundesrat Steiner: Weil es gut ist!) Jetzt – drei Jahre später – muss er liefern, weil die Bundesregierung diese Wirtschaft auch ruiniert hat.

Wie schaut diese am Boden liegende Wirtschaft nun aus? Wie schaut das Hilfs­pro­gramm dieser Bundesregierung aus? – Ein Viertel – 1,4 Milliarden Euro – ist tatsächlich eine Entlastung für die Bevölkerung – nicht für die Unternehmen, für die Bevölkerung! Für 4 Milliarden Euro dieses Entlastungspakets ist die Bundesregierung selbst verant­wortlich, weil sie selbst die Wirtschaft auch versenkt hat.

Gehen wir nun ins Detail! Wie sieht das aus? – Der Verlustrücktrag ist ein gutes Modell. Das gibt es in Deutschland schon seit Jahrzehnten, es ist dort nichts Neues, in Österreich schon. 6,5 Milliarden Euro beträgt, wie wir wissen, das vom Finanzministerium gestun­dete Kapital. Das war eine gute Entscheidung von Herrn Bundesminister Blümel, das muss man ihm lassen – er hat als Einziger rechtzeitig und schnell reagiert, am Verord­nungswege. Jetzt aber sind ihm offensichtlich die Hände gebunden.

Das gilt nur für die Jahre 2019 und 2018, und wenn das Finanzministerium nicht selbst all den Konkursanträgen der österreichischen Unternehmer als Gläubiger gegenüber­stehen möchte – und muss, im Herbst, dann wird es nämlich kritisch, dann ist jedes dritte Unternehmen in Österreich ein Wackelkandidat –, bleibt der Bundesregierung nichts anderes übrig, als einen Verlustrücktrag zu machen. Aus der Not ist eine Tugend gemacht worden und es ist sicherlich kein Entgegenkommen der österreichischen Unternehmerschaft gegenüber – das traue ich dem Herrn Bundeskanzler Kurz nicht zu, so ein Unternehmensfreund ist er bei Gott nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ein einmaliger Effekt, der auch mit einer, wie es in der Fachsprache so schön heißt, Sunsetklausel versehen wurde: Das gilt einmal für das Jahr 2020, für die vergan­genen Jahre, und nicht weiter, ist also ein Einmaleffekt.

Die Senkung der Einkommensteuer, wie bereits erwähnt, bedeutet tatsächlich eine Entlastung. Versprochen wurde das ursprünglich für fast die Hälfte oder fast drei Viertel aller Tarife, übrig geblieben ist eine einzige Tarifstufe – besser als nichts. Gut, dem stim­men wir natürlich zu.

Die Erhöhung der Luftfahrtabgabe – Entschuldigung! – ist auch wieder völlig daneben. Wir von der FPÖ sind generell gegen eine Erhöhung der Abgabenquote, und jetzt, in dieser Zeit, in der die Luftfahrtbranche ohnedies am Boden liegt, in der sie um jeden Passagier kämpft, die Flugabgaben allen Ernstes noch zu erhöhen, zeugt davon, dass man von der Wirtschaft tatsächlich nicht viel versteht. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 39

Der Budgetdienst – er ist wirklich sehr gut und man kann nur jedem empfehlen, das zu lesen – hat das Budget der Bundesregierung und die Abgabenquote analysiert. Der Wert von 3 000 Euro, den ich da übernehme, entstammt dem Budgetdienst. Das durchschnitt­liche Bruttoeinkommen – nicht das Durchschnittseinkommen in Österreich, das ist um einiges weniger, sondern das Durchschnittseinkommen des Mittelstandes, um es einmal so zu definieren – liegt bei 3 000 Euro. Der Grenzsatz, wenn man eine Gehaltserhöhung erhält, weil der Unternehmer mehr zahlen möchte, zum Beispiel um 50 Euro, dieser Grenzsatz also, ist mit einer Steuer von sage und schreibe 56 Prozent behaftet. 56 Pro­zent müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber an Steuern zahlen. Für jeden gewon­nenen, leistungsorientierten, erarbeiteten Euro müssen 56 Cent an den österreichischen Staat abgeliefert werden. Das ist unmoralisch, unethisch, und das lehnen wir von der FPÖ in jeder Hinsicht ab. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt in der Krise zeigt sich, wie dieser Klumpfuß an der österreichischen Bevölkerung hängt. Wir haben wieder 500 000 Arbeitslose – unter 10 Prozent werden Sie in den nächsten Jahren nicht kommen, hat auch Herr Badelt richtigerweise gesagt beziehungs­weise erforscht.

Von der Kurzarbeit ist gar nicht zu reden: Wenn der Staat nicht die Kosten für die Kurz­arbeit übernehmen würde, würde ein Großteil eins zu eins in die Arbeitslosigkeit wandern. Das ist dieser hohen Abgabenquote geschuldet, die Bundeskanzler Kurz 2017 versprochen hat abzubauen. Bis heute ist in diese Richtung nichts geschehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wissen, Sie haben ja gesagt (in Richtung Bundesministerin Schramböck), Sie sind eine CEO – meine Gratulation für 22 Jahre Tätigkeit in der Wirtschaft –: Das Eigenkapital ist das Wichtigste eines Unternehmens, denn die österreichische Wirtschaft lebt nicht vom Kapitalmarkt wie Firmen in den USA, sondern die österreichische Wirtschaft lebt von Bankkrediten. Die Banken versorgen die österreichische Unternehmerschaft mit Fremdkapital, Krediten oder Darlehen, wie auch immer. Jetzt in der Krise wird dieses Eigenkapital klarerweise angezapft, man muss es herausbrechen, um mangels Um­sätzen die Kosten zu finanzieren. Banken geben aber nur dann Kredite, wenn die Eigen­kapitalquote – das ist der wichtigste Ratingindikator – stimmt.

Man muss also hier ansetzen und das Eigenkapital der Unternehmerschaft verbessern. Dazu lese ich in diesem Konjunkturstärkungspaket – es heißt ja Konjunkturstärkungs­gesetz – überhaupt nichts. Gestärkt wird die Einkommensteuer, aber nicht die Unter­nehmerschaft. Wir wollen die KMUs gestärkt wissen, und das lese ich in diesem Kon­junkturstärkungspaket nicht heraus.

Das Investitionsprämiengesetz geht natürlich dann in die richtige Richtung, wenn die Investitionen in der Unternehmerschaft wirklich gefördert werden. Das ist nur bedingt der Fall. Ich finde die Deadline mit 28. Februar 2021 wesentlich zu früh. Eine Investition muss gerechnet werden, muss – das wissen Sie sicherlich – geplant werden, muss gerade in großen Konzernen einer Entscheidungsstruktur unterlegt werden, auch abge­stimmt werden. Das geht in den sechs Monaten sicherlich nicht. Der Zeitraum ist zu kurz.

Besser wäre es gewesen, auch die Ertragskraft der Unternehmerschaft aus der Vergan­genheit zu nutzen, auf der einen Seite einen Investitionsfreibetrag zu nehmen, das heißt, die Gewinne im Unternehmen selber dazu zu verwenden, und auf der anderen Seite dazu begleitend natürlich mit geringeren Beträgen eine Investitionsprämie zu geben. Nur mit der Investitionsprämie ohne IFB bemühen Sie aber wieder nur die Bürokratie. Ich glaube, die AWS kriegt allen Ernstes 20 Millionen Euro für diese Abwicklungsstelle. Obwohl Sie in der Bundesregierung den Anspruch haben, die Bürokratie abzubauen, wird die Bürokratie eigentlich aufgebaut. Auch das sehen wir als nicht so gut an. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 40

Eine Wirtschaftspolitik muss imstande sein, die unternehmerische schöpferische Kraft – im Umkehrschluss zu Schumpeter: nicht die schöpferische Zerstörung, sondern die schöpferische Kraft – zu befeuern, zu beschleunigen und die dynamischen Effekte zu nützen. Wenn Sie die Unternehmerschaft immer mit einer Halskrause arbeiten lassen, sodass sie sich nicht einmal umdrehen kann, dann noch mit zwei Klumpen an den Beinen fixieren, werden Sie hier in Österreich nichts erreichen, und es wird in Zukunft einen Wettkampf um die Standorte geben.

Jetzt erzähle ich Ihnen noch eine private Geschichte: Meine liebe Mutter ist 94 Jahre alt, befindet sich im 95. Lebensjahr. Sie ist vor wenigen Tagen nach Lignano gefahren, weil sie mit dem österreichischen Coronawahnsinn nichts mehr zu tun haben möchte. Sie hat sich einfach verabschiedet und hat mich heute angerufen: Reinhard, wann kommst du nach Lignano? (Heiterkeit der Bundesräte Seeber und Steiner.) Ich habe gesagt: Ich komme bald, nachdem ich den Bundesrat hier absolviert habe.

Sie rief mich auch Ende März an und hat gesagt: Reinhard, stell dir vor, die ruinieren die Wirtschaft! Tu etwas dagegen! Ich habe gesagt: Ich bin ein armer kleiner Bundesrat, ich kann nicht so viel machen. Der ÖVP sei aber ins Stammbuch geschrieben: Sie kommt vom ÖVP-Seniorenbund und hat es nicht ausgehalten, was die österreichische Bundes­regierung der österreichischen Wirtschaft angetan hat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.24


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing. Judith Ringer. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


15.24.26

Bundesrätin Ing. Judith Ringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Ich muss gleich vorweg sagen, ich kann leider meinem Vorredner bei seinen Angrif­fen auf unsere Bundesregierung nicht recht geben, denn ich sehe in dem Konjunktur­stärkungspaket viele Entlastungsmaßnahmen. Alleine die Senkung des Eingangssteuer­satzes, die rückwirkend ab 1.1.2020 durchgeführt wird, ist eine deutliche Entlastung. (Bundesrat Rösch: Das ist gerade einmal Ersatz für die kalte Progression!) Und auch für jene, die keine Steuern zahlen, gibt es eine Entlastung. Es gibt auch eine Entlastung für die Arbeitnehmer im Bereich der Besteuerung der Kurzarbeit. Es gibt auch Entlastun­gen für die Land- und Forstwirtschaft. Das sind alles wichtige Bereiche.

Für die Unternehmer gibt es ein eigenes Paket, in dem eben die degressive Abschrei­bung dabei ist. Der Verlustrücktrag, wie Sie gesagt haben, ist eine ganz wichtige Maß­nahme in Zeiten, in denen der Umsatz geringer ist. Auch die Verlängerung der Abgaben­stundungen ist eine Maßnahme, um der Wirtschaft zu helfen. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Da wir im internationalen Bereich tätig sind, kann ich Ihnen im internationalen Vergleich sagen, dass diese Maßnahmen wirklich eine besondere Sache sind, womit in Österreich nichts weggewirtschaftet wird. All diese Maßnahmen dienen genau dazu, dass die Leute wieder mehr Geld haben. Und wenn sie mehr Geld haben, dann werden sie auch mehr ausgeben. Das sind alles Maßnahmen, die unsere Wirtschaft in Schwung bringen. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist ganz wichtig, dass Maßnahmen getroffen werden, damit die Leute wieder arbeiten können und wollen, um ein Wiederhochfahren des Landes erfolgreich zu machen. Es kann nicht unsere Zielsetzung sein, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes zu diskutie­ren, denn die Leute müssen wieder in Arbeit und Beschäftigung gebracht werden. Liebe


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 41

Kolleginnen und Kollegen, das muss unsere oberste Zielsetzung sein! (Bundesrat Steiner: Stimmt! – Bundesrat Rösch: Ist es eh! Aber bis dorthin muss man auch was tun!)

Wenn gesagt wird, es gibt zu wenige Lehrstellen und es gibt keine Plätze für Lehrlinge, kann ich nur von meinem Heimatbundesland Oberösterreich sprechen, wo in allen Be­reichen Fachkräfte und Lehrlinge gesucht werden. (Bundesrat Rösch: Wir werden das den 20 000 Lehrstellensuchenden sagen!) In vielen Unternehmen, die bisher Lehrlinge ausgebildet haben, gibt es keine einzige Bewerbung. Und dabei ist es nicht förderlich, wenn man dann sagt, es gibt keine Lehrstellen. Ich kann Ihnen auch versichern, es liegt nicht - - (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Rösch: Ich frage mich nur ...! Ich hoffe nur, dass die Lehrlinge da zuschauen! Wenn es eh so viel gibt!) – Darf ich weitersprechen? (Bundesrat Rösch: Das ist ein Hohn für jeden Lehrling, der etwas sucht! – Bundesrat Buchmann: Geh, Kollege Rösch, lass die Kollegin reden! – Bundesrat Bader: Kannst dich eh melden!) Auch die Bereitschaft der Unternehmen, Mitarbeiter mehr als geringfügig zu beschäftigen, ist absolut gegeben. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Kommen wir zum Investitionsprämiengesetz: Durch dieses werden ab August getätigte Investitionen gefördert, und zwar die gesamte Investition und nicht wie bisher nur der Zuwachs. Derzeit sind meine Unternehmerkollegen und -kolleginnen in diesem Bereich etwas zurückhaltend, und darum braucht es eben genau diese Stärkung und diese Rückversicherung, damit dadurch auch die Wirtschaft belebt wird. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Wenn es darum geht, auch für die Zukunft vorzusorgen, ist es ganz wichtig, dass eben in den Bereichen Gesundheit, Digitalisierung, Ökologisierung und Lifescience eine dop­pelte Prämie ausbezahlt wird, denn es sollen auch Investitionen getätigt werden, die nachhaltig und zukunftsfördernd sind. Wir wollen Österreich in eine erfolgreiche Zukunft führen und auch genau in diese erfolgreiche Zukunft investieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das sind alles ganz wichtige Dinge, die den Menschen und den Betrieben und damit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen, in eine gute Zukunft zu gehen und ein erfolgreiches Comeback für Österreich durchzuführen. Und dem können wir nur zustimmen! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.29


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf Sie erstmals von diesem Platz aus begrüßen. Ich danke für die einstimmige Wahl und freue mich auf eine gute Zusam­menarbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Weiters darf ich in unserer Runde herzlich Herrn Bundesminister Gernot Blümel be­grüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sozusagen als erste Amtshandlung darf ich Herrn Bundesrat Reinhard Pisec das Wort erteilen. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Der war ja schon! – Bundesrat Steiner: Das habt ihr verschlafen!)

15.30.20


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Ich mache es kurz, ohne allge­meine Begrüßung, ich begrüße aber den Herrn Bundesminister für Finanzen sehr herzlich.

Ich möchte nicht auf die Ausführungen von Frau Bundesrätin Ringer replizieren, ich habe meine Analyse eindeutig klargelegt.

Ich bringe folgenden Antrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 42

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Hilfe für Marktfahrer“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend Schritte zu setzen, die eine sofortige finanzielle Hilfe zur Abdeckung der Fixkosten sowie des Umsatzausfalls in voller Höhe für die heimischen Marktfahrer, die von der Absage vieler Märkte und Veranstaltung in Folge von COVID-19 in ihrer Existenz bedroht sind, sicherstellen.“

*****

Die Marktfahrer sind die einzigen Menschen, die unter der Krise stark leiden haben müssen und kein Lobbying haben. Wir wollen dieses wahrnehmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

15.31


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „rasche Hilfe für Marktfahrer“ ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. – Bitte.


15.31.43

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Vizepräsidentin! Ich darf dir von dieser Stelle auch recht herzlich gratulieren und eine gute Hand für diese wichtige Aufgabe wünschen.

Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geschätzten Damen und Herren, die Sie möglicherweise via Livestream heute dabei sind! Ich werde heute zum Konjunkturstärkungsgesetz 2020 und zum Bundesgesetz über eine Covid-19-Investitionsprämie für Unternehmen, Inves­ti­tions­prämiengesetz, Stellung beziehen.

Vorweg möchte ich aber in meinem Redebeitrag einige grundsätzliche allgemeine Bemerkungen machen:

Erstens: Da es sich beim Investitionsprämiengesetz um ein – ich sage das nicht ab­schätzig – Sammelsurium an gesetzlichen Maßnahmen handelt, werde ich in der Folge nur auf einzelne Punkte eingehen.

Zweitens: Die berechtigte Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung möchte ich wie folgt zusammenfassen: Ich bin grundsätzlich niemandem etwas neidig, aber ich frage mich schon, wo die Gerechtigkeit bei der Verteilungswirkung der Maßnahmen des Investitionsprämiengesetzes bleibt. Grob gerechnet bekommen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Pensionistinnen und Pensionisten in den Jahren 2020 bis 2024 circa 1 150 Euro, land- und forstwirtschaftliche Betriebe circa 3 600 Euro und Unternehmen knapp 36 000 Euro. Das ist das 31-fache von dem, was Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer bekommen. (Ruf bei der ÖVP: Unternehmen beschäftigen Arbeitnehmer!)

Enthalten sind die Steuerreform 2020, die Sozialversicherungsnovelle, fiktives Ausge­dinge und Pensionserhöhung, Investitionsprämiengesetz, Umsatzsteuerreduktion auf 5 Prozent, Waldfondsgesetz, Schadensabgeltung, Einmalzahlung Familienbeihilfe und Einmalzahlung Arbeitslose.


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 43

Auf den Punkt gebracht, meine Damen und Herren, heißt das nichts anderes, als dass jene, die am meisten unter dieser Krise leiden, am wenigsten bekommen. Das muss man hier einmal klar und deutlich sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Da können Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, nicht von Ge­rechtigkeit reden, wenn Ihre Klientel bevorzugt wird und die ArbeitnehmerInnen, die auch Heldinnen und Helden der Coronakrise waren und sind, benachteiligt werden. Ich sage Ihnen ganz offen: Diese Maßnahmen tragen zur Spaltung in der Gesellschaft bei, und dafür tragen Sie die alleinige Verantwortung, meine Damen und Herren von den Regie­rungsparteien. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Lassen Sie mich aber zum politisch Handwerklichen kommen, denn es ist nicht uninter­essant, auch das zu beleuchten: Beim Konjunkturstärkungsgesetz gab es gerade einmal vier Tage Frist zur Stellungnahme. Normalerweise sind es sechs Wochen, und daher sage ich Ihnen sehr offen, ich halte das demokratiepolitisch für äußerst bedenklich. Auch die vielen Verordnungsermächtigungen sehe ich kritisch, dadurch kommt es aus meiner Sicht zu einer Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie.

Zum Inhaltlichen möchte ich festhalten, dass das Gesetz einzelne begrüßenswerte Änderungen für ArbeitnehmerInnen beinhaltet. Insgesamt liegt aber der Schwerpunkt auf Unternehmensbegünstigungen, die geringe konjunkturstärkende Effekte haben und wenig zielgerichtet sind. Summa summarum ist es aus meiner Sicht ein Unternehmens- und Landwirtschaftspaket.

Gänzlich fehlen aus meiner Sicht Maßnahmen zur Stärkung des Arbeitsmarktes – und da setze ich drei Rufzeichen –, denn mit den vorliegenden Maßnahmen wird der Konjunkturmotor weiter stottern und nicht, wie von uns allen, nehme ich an, gewünscht, rasch wieder anspringen.

Lassen Sie mich zum Schluss auch einige Sätze zum Investitionsprämiengesetz ver­lieren: Aus meiner Sicht sind die vorgeschlagenen Maßnahmen geeignet, einen Beitrag zur Investitionstätigkeit der Unternehmen in Österreich zu leisten und positive gesamt­wirt­schaftliche Effekte zu erzielen. Nur, Frau Bundesministerin, damit das Lob nicht zu dick ausfällt, möchte ich anmerken, dass möglicherweise große Mitnahmeeffekte mit dieser Maßnahme verbunden sind, da ja geplant ist, jegliche Investitionen zu fördern – Covid hin oder her. Das heißt, auch bereits längerfristige Investitionen, die fix geplant waren, fallen unter dieses Gesetz.

Daher sage ich zu beiden Gesetzen: Der Applaus von unserer Seite hält sich in Grenzen, aber es ist besser als nichts, und daher werden wir den Gesetzen zustimmen. Zum Abschluss möchte ich Ihnen aber schon mitgeben: In die Halle des Ruhmes werden Sie mit diesen Maßnahmen nicht eingehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

15.38


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile es ihm.


15.38.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Dieser Platz passt Ihnen gut, herzliche Gratulation von dieser Stelle aus!

Ich glaube, in die Halle des Ruhmes will in Krisenzeiten ohnehin niemand; also ich nicht, ich glaube, Sie auch nicht. Es geht hier um Krisenbewältigung und nicht um Ruhm. (Bundesrätin Schumann: Aber!)


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 44

Ich möchte schon auch betonen, ich freue mich über dieses Paket, das wir heute hier beschließen, weil es ein wirklich wichtiges Paket ist. Wenn man dann Äpfel mit Birnen vergleicht, indem man Zahlen für Unternehmen, die unter Problemen, Exportproblemen leiden, wenn Märkte zusammenbrechen, mit dem vergleicht, wo man natürlich Men­schen konkret helfen muss, dann sind das zwei Paar Schuhe. Das zu vergleichen und in Balance zu setzen und das eine gegen das andere auszuspielen, das halte ich für unfair. (Bundesrätin Grimling: Marco, wo gehörst du hin?) Herr Kaske, Sie sind brillant, aber das war nicht brillant, das tut mir leid! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir beschließen jetzt ein Konjunkturstärkungsgesetz, und das ist auch notwendig. Was muss man in einer Krise tun, wenn es Probleme gibt? – Der erste Schritt ist, die Liquidität der Unternehmen zu sichern. Das haben wir gemacht, indem wir Stundungen ermöglicht und Garantien übernommen haben.

Der zweite Schritt, der notwendig ist, ist die Solvenz der Unternehmen zu sichern. Das haben wir zum Beispiel durch die Kurzarbeit geschafft. (Bundesrätin Schumann: Das war eine Sozialpartnereinigung! Nicht ihr habt das geschafft!)

Der dritte Schritt, der notwendig war, war zusätzliche Mittel für die Kaufkraft bereitzu­stellen – damit werden wir uns heute noch beschäftigen, Kollege Lackner wird sich damit beschäftigen –, zum Beispiel mit der Erhöhung des Arbeitslosengeldes, mit der Unter­stützung von armutsgefährdeten Familien und mit der Ausweitung des Familienbonus.

Jetzt, mit diesem Paket, beschließen wir den vierten Schritt, das ist die Stabilisierung der Nachfrage, darum geht es in diesem Konjunkturstärkungsgesetz 2020. (Bundesrätin Schumann: Schauen wir uns an!)

Viele unserer Probleme sind ja den internationalen Verflechtungen in der Wirtschaft geschuldet, unsere größten Probleme, die wir derzeit zu bewältigen haben, sind fehlen­der Export beziehungsweise die fehlende Auslandsnachfrage, aber wir haben auch im Inland Probleme. Man kann sich das so vorstellen: Wenn man sich selbst keinen Computer leisten kann, dann kauft man sich keinen, obwohl man ihn, wenn man vor­wärtskommen möchte, eigentlich bräuchte, weil die Infrastruktur, die man zu Hause benützt, nicht mehr aktuell ist. (Bundesrat Rösch: Was will er damit sagen?) Genau vor diesem Problem stehen derzeit viele Unternehmerinnen und Unternehmer (Bundesrätin Schumann: Dass Homeschooling ein Problem ist!) und genau jenen helfen wir jetzt mit diesem Paket, zum Beispiel, wenn neue Produktionsanlagen benötigt werden.

Wenn wir wollen, dass die Unternehmen jetzt investieren, dann müssen wir auch – das sage ich auch ganz bewusst in Richtung Kollegen Pisec – in die zukunftsträchtigsten Bereiche investieren, damit wir nicht nur aus einer Coronakrise hinaus investieren, sondern gleichzeitig aus der viel größeren Krise hinaus investieren, und das ist immer noch die Klimakrise, die bedroht die Wirtschaft am meisten. Wir begegnen zwei Krisen mit einem Gesetzespaket, das halte ich für ganz, ganz wichtig und für einen riesigen Sprung vorwärts. (Bundesrätin Schumann: Wow!)

Wenn wir jetzt von der Stärkung der Kaufkraft reden: Der Eingangssteuersatz wird mit diesem Gesetz gesenkt, und zwar von 25 auf 20 Prozent, auch darauf können wir stolz sein. Ich finde, das ist eines der besten Pakete, die wir hier beschlossen haben, ich bin richtig stolz auf dieses Paket. (Bundesrat Rösch: Die Latte ist so tief!) Es ist tatsächlich eine Transformation der Wirtschaft in eine Zukunftsfähigkeit. Wir sollten das hier sicher nicht irgendwie schlechtreden lassen, denn damit wird in die Zukunft investiert, auch raus aus der Klimakrise investiert, und das ist richtig so. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Bundesrat Rösch: Wenn die Latte ziemlich tief ist, ...!)

15.42



BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 45

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte schön.


15.43.01

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich brauche ich nichts mehr zu sagen, denn Marco Schreuder und meine Kollegin Judith Ringer haben das wirk­lich schon sehr gut ausgeführt. (Bundesrat Rösch: Hat er Türkis nach dem Mund ge­sprochen?)

Ihr wisst, ich komme aus einem Bundesland, in dem die Sozialpartnerschaft sehr gut funktioniert und wir sehr viele Konzepte machen, die wir gemeinsam rübergebracht haben. Du, Herr Kaske, sprichst von der Stärkung des Arbeitsmarktes, und dazu muss ich sagen: Unternehmen sind wir beide, das sind die Unternehmerinnen und Unter­nehmer mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Was ist schlecht daran, wenn man die Unternehmen stützt und stärkt? (Bundesrat Rösch: Eh nichts!) Was ist schlecht daran? – Wir brauchen es ja ganz einfach, damit wir die Leute wieder zurückholen, die in Kurzarbeit sind, wir wollen die Leute wieder zurückhaben, die in der Arbeitslosigkeit sind, deshalb ist es ganz einfach wichtig, dass wir die Investitionen vorantreiben.

Auch wenn der eine oder andere vielleicht für die Investition, die er jetzt tätigen will, gar keine Unterstützung braucht – er vielleicht nicht –, aber diejenigen, die den Auftrag bekommen, die brauchen das ganz einfach, und die Wirtschaft ist als Gesamtes zu sehen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Mir ist es ganz einfach wichtig, dass wir diese Krise gemeinsam gut bestehen und dass wir die Sozialpartnerschaft als das sehen, was sie ist: eine hohe Wertschätzung auf beiden Seiten, und dass wir uns das ausreden und nicht schlechtmachen. Die Wirtschaft sind wir alle, und das sind keine Geschenke an die Unternehmerinnen und Unternehmer (Bundesrätin Schumann: Auch die ArbeitnehmerInnen haben Rechte!), sondern es sind ganz einfach Unterstützungen für unsere Betriebe, damit unsere Betriebe weiterhin Arbeitsplätze schaffen, Ausbildung schaffen und weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit erhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Meine Kollegin Ringer wurde unterbrochen, als sie angesprochen hat, dass in ihrem Bundesland Lehrlinge gesucht werden. Ich habe mir heute die Zahlen vom AMS angeschaut: Es gibt 13 846 Lehrstellensuchende (Bundesrat Steiner: Das haben wir im EU-Ausschuss schon vorgebetet gekriegt!), es gibt 16 056 offene Lehrstellen, das ist ein Überhang von 2 210 offenen Lehrstellen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wunderbar!) – Was heißt „wunderbar“? Wir haben sehr viele junge Leute, die derzeit ganz einfach nicht in der Lage sind, eine Ausbildung zu machen. Das haben wir heute auch schon be­sprochen, da gehört etwas gemacht. Wir haben auch dazugesagt, dass man bei der Jugend nicht erst beginnen darf, wenn sie 15 oder 16 sind, sondern dass man sie vielleicht schon früher unterstützen sollte.

Mir geht es ganz einfach darum: Der Arbeitsmarkt sind wir alle. Es gibt keine Geschenke an Unternehmerinnen und Unternehmer, es gibt eine Unterstützung für unsere Betriebe, und das ist wichtig. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. Bundes­rätin Schumann: ... wir wollen Unterstützung für die ArbeitnehmerInnen!)

15.45


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Dr.in Margarete Schramböck. – Bitte, Frau Ministerin.


15.46.01

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Frau Vizepräsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte hier


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 46

schon auf einige Ihrer Aussagen sehr, sehr konkret eingehen. Zum Ersten möchte ich auf das eingehen, was ich beim vorigen TOP zum Thema Meister und Lehre gehört habe:

Das, was Herr Dim hier zum Besten gegeben hat und auch klar zum Ausdruck gebracht hat, ist keine Wertschätzung, weder für die Lehre noch für die Meister. Ich erinnere mich an meine Nichte, die den Tischlereitechnikmeister gemacht hat und für die es wichtig ist, dass sie auf derselben Qualifikationsstufe steht wie der Bachelor. (Bundesrätin Schartel: Warum?) Für sie ist es wichtig, weil es für die Zukunft wichtig ist, da die Unternehmen das entsprechend bewerten und bei Ausschreibungen – ich habe Unternehmen geleitet – genau hinschauen. Es ist ganz, ganz wichtig, auf welchem Niveau ein be­stimmter Beruf liegt, denn dann können sie das bei der Ausschreibung angeben und Punkte sammeln oder eben auch nicht. Auch das weiß man, wenn man aus der Wirt­schaft und aus der Praxis kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Es geht überhaupt nicht darum, etwas anders zu machen, sondern es geht um Gleich­berechtigung. Es geht darum: Warum darf man die Bezeichnung Bachelor beim Namen führen und warum den Meister nicht? Ja, es ist nur ein Baustein, aber mir ist das persönlich sehr, sehr wichtig, deshalb danke ich Ihnen auch, dass Sie dem zustimmen, damit wir das entsprechend umsetzen können. Nicht Ihnen (Bundesrat Steiner: Wir haben ja zugestimmt!), aber denen, die zustimmen werden (Bundesrat Steiner: Bei den Meistern haben wir ja zugestimmt! Haben Sie nicht aufgepasst?), danke ich im Voraus, denn das ist einer von vielen Schritten in der Lehre, von denen wir noch viele gemeinsam machen müssen.

Zu einem zweiten Punkt, der auch von Herrn Kaske genannt worden ist: Mir geht es darum, mit diesem Paket Arbeitsplätze abzusichern und Arbeitsplätze zu schaffen. Die Investitionsprämie ist ein Mittel, aber wir haben ein Gesamtpaket von 50 Milliarden Euro, das wir auf dem Weg haben, das die Unternehmen in unterschiedlichsten Situationen abholen soll: Es wird nicht eines dieser Mittel – von der Mehrwertsteuersenkung über den Verlustrücktrag über die Investitionsprämie – das Allheilmittel sein, sondern die Summe dieser Mittel soll den Unternehmen helfen, das zu tun, wofür Sie eigentlich auch ganz stark stehen: Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitsplätze zu erhalten. Darum bitte ich Sie um Ihre Unterstützung bei dieser Investitionsprämie, denn sie ist wichtig.

Es geht dabei nicht um Mitnahmeeffekte, sondern wenn wir uns die Analysen sehr genau anschauen, dann sehen wir, dass die Unternehmen ganz klar signalisieren, sie verschieben Investitionen oder sie geben Investitionen zur Gänze auf.

Mit all diesen Aufträgen sind Arbeitsplätze verbunden, mit all diesen Aufträgen sind Schicksale in Familien verbunden, und deshalb ist es wichtig und richtig, die Unterneh­men und die Teams – ein Unternehmen besteht für mich nicht aus dem Eigentümer allein, sondern aus allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort mitmachen, denn Teamarbeit bringt den Erfolg – zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rätInnen der Grünen.)

Ein weiterer Punkt, der gekommen ist: Warum gibt es die Investitionsprämie und nicht einen Investitionsfreibetrag? Ich kann Ihnen das sehr, sehr klar sagen: Ein Investitions­freibetrag nützt Ihnen nur dann, wenn Sie Gewinne machen; nur dann, wenn Sie Steuern zahlen, können Sie diesen Investitionsfreibetrag absetzen.

Wir wollen mit einer Prämie unmittelbar Geld ausbezahlen. Ähnlich wie bei der For­schungsprämie, die ein gutes und bekanntes Mittel ist, wollen wir diese 14 Prozent für die Themen in der Digitalisierung, im Bereich des Umweltschutzes und im Bereich des


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Lifescience und eine Basisprämie von 7 Prozent unabhängig von der Unternehmens­größe – das bekommen die KMUs ganz genauso wie große Unternehmen – ausbe­zahlen, denn auch an jeder dieser Investitionen hängt ein Arbeitsplatz, und das ist im Moment das Allerwichtigste. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich möchte zum Thema Lehre abschließend – da es auch eilt – noch kurz auf den Lehrlingsbonus, der bisher noch nicht genannt worden ist, hinweisen. Wir haben einen Lehrlingsbonus geschaffen, mindestens 2 000 Euro für jeden Lehrplatz, für die Kleinstunternehmen und die kleinen noch mehr, also bis 3 000 Euro. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich bekomme Feedback von vielen Unternehmen, gerade von Klein- und Mittelbetrieben, dass sie sich darüber freuen, dass sie dadurch entlastet werden, dass sie sich dieses Mal wirklich überlegen, Lehrlinge aufzunehmen.

Das ist nicht das einzige, aber ein wichtiges Instrument für die Zukunft unserer jungen Menschen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.51

15.51.14


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 be­treffend ein Konjunkturstärkungsgesetz 2020 (287 d.B. und 336 d.B. sowie 10363/BR d.B. und 10380/BR d.B.).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „rasche Hilfe für Marktfahrer“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (312/E-BR/2020)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Investitionsprämiengesetz erlassen wird (288 d.B. und 338 d.B. sowie 10381/BR d.B.).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.54.008. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird (193 d.B. und 243 d.B. sowie 10369/BR d.B.)


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9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Protokoll zur Abän­derung des Protokolls zum am 7. Juni 2011 in Wien unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (54 d.B. und 244 d.B. sowie 10370/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Protokoll zur Abän­derung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinde­rung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (241 d.B. und 245 d.B. sowie 10371/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 8 bis 10, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Ich bitte um die Berichte.


15.55.47

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Protokolls zum am 7. Juni 2011 in Wien unter­zeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.


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Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke.

Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 16 Uhr, also bis zur Verhandlung der Dring­lichen Anfrage.

*****

(Die Sitzung wird um 15.57 Uhr unterbrochen und um 16 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

16.00.05Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Landesverteidigung betreffend „vorsätzliche Gefährdung der Sicher­heit Österreichs durch BM Tanner“ (3786/J-BR/2020)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und begrüße sehr herzlich Frau Bundesministerin Klaudia Tanner. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Landes­verteidigung.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nun Herrn Bundesrat Markus Leinfellner als Antragsteller zur Begründung der Anfrage das Wort.


16.01.02

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Geschätzte Frau Verteidigungsminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Öster­reicherinnen und Österreicher! Ich glaube, Frau Verteidigungsminister, Ihre Worte: „Air­bus wird mich noch kennenlernen“, liegen uns allen noch in den Ohren. Ich weiß nicht, Frau Verteidigungsminister, ob Sie Airbus bereits kennengelernt hat.

Eines weiß ich aber mit Sicherheit: Wir Soldaten, wir Offiziere und Unteroffiziere des österreichischen Bundesheeres haben Sie kennengelernt; die vielen zivilbediensteten Beamten und Vertragsbediensteten des österreichischen Bundesheeres haben Sie auch bereits kennengelernt; und auch die vielen Milizsoldaten, die durch Sie in ein ungerechtes Entlohnungsschema hineingezwungen wurden, haben Sie bereits kennengelernt. Frau Verteidigungsminister, ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben genug von Ihnen gesehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist mir vollkommen bewusst, dass Ihre beiden Vorgänger, Hans Peter Doskozil und auch Mario Kunasek, sehr große Fußabdrücke in diesem Ressort hinterlassen haben (Heiterkeit bei der ÖVP), da diese beiden Herren alles getan haben, um dieses


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Bundesheer zu attraktivieren, zu modernisieren und die richtigen Investitionsschritte zu setzen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wie wir alle wissen, ist es nicht immer leicht – jetzt ist er gerade hinausgegangen – mit einem schwarzen Finanzminister; das ist uns allen bewusst. Nichtsdestotrotz sind die Fußabdrücke des Hans Peter Doskozil und auch des Mario Kunasek noch immer in unserem Ressort sichtbar. Als Unteroffizier des österreichischen Bundesheeres darf ich Ihnen sagen: Das sind Fußabdrücke und das sind Spuren, an die ich mich wirklich gerne zurückerinnere.

Es gab aber auch schon andere Zeiten, die nicht so rosig waren. Da erinnere ich mich zum Beispiel zurück an Norbert Darabos oder auch an seinen Amtsnachfolger, Verteidi­gungsminister Gerald Klug. Das waren im wahrsten Sinne des Wortes keine goldenen Zeiten für das Bundesheer.

Es gab aber auch noch Ihren Fraktionskollegen, Verteidigungsminister Günther Platter, den ich als den wahren Totengräber des österreichischen Bundesheeres und der öster­reichischen Landesverteidigung bezeichnen möchte. Er war es, der den Grundwehr­dienst von acht Monaten auf sechs Monate verkürzt und somit den Anfang vom Ende des österreichischen Bundesheeres eingeleitet hat.

Das alles sind Personen und Verteidigungsminister, an die ich mich nicht gerne zurückerinnere, und deswegen kann ich es nicht verstehen, warum Sie nicht die Schuhe, auch wenn sie sehr groß gewesen sind, eines Mario Kunasek oder eines Hans Peter Doskozil angezogen haben (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP) und sich statt­dessen für die Schuhe von Darabos, Klug oder Platter entschieden haben, die wir zu Recht als Totengräber des österreichischen Bundesheeres bezeichnen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Frau Noch-Verteidigungsminister, das darf ich Ihnen auch sagen (Beifall bei der FPÖ – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Hallo? – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP): Wenn Sie diesen Weg weitergehen, dann werden Sie als die wahre Totengräberin des Bundesheeres in Österreich in die Geschichte eingehen.

Genau da kommen wir auch zur derzeitigen Istsituation in Ihrem Ressort, Frau Vertei­digungsminister, genau da kommen wir zu dieser Chaos- und Verunsicherungspolitik, die Sie jeden Tag aufs Neue zum Besten geben.

Auf die einfache Frage, ob es zu einer Schließung von Kasernen kommt, antworten Sie mit: Es werden keine Garnisonen geschlossen werden. – Geschätzte Frau Verteidi­gungs­minister! Es ist mir vollkommen bewusst, dass Sie mit sehr wenig Fachwissen in dieses Ressort hineingekommen sind (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na? – Bundes­rat Steiner: Das ist die Wahrheit! Das könnt ihr jetzt nicht abstreiten!)

Ich glaube, man kann sich noch an ein Interview vom 11. Jänner 2020 erinnern – ich möchte das ja sogar löblich hervorheben –, da waren Sie noch dabei, die Dienstgrade des österreichischen Bundesheeres zu lernen. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, die Bundesministerin Tanner mit einer Tabelle von Dienstgradabzeichen des Bundesheeres zeigt.) Ich sage deswegen „löblich“, da Sie das österreichische Bundesheer zu diesem Zeitpunkt augenscheinlich noch interessiert hat.

Dieses geringe Vorwissen, das Sie in dieses Ressort mitgebracht haben, ist ja auch etwas, das Sie mit Norbert Darabos gemeinsam haben. Auch Norbert Darabos hat die­ses Bundesheer bis zu seinem Amtsantritt nur aus Erzählungen gekannt. Was dabei herausgekommen ist, das kennt, glaube ich, in diesem Raum und in Österreich jeder. Der Weg, den Sie zum Leidwesen des Bundesheeres eingeschlagen haben, ist der­selbe.


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Da mir das Bundesheer sehr am Herzen liegt, würde ich Ihnen wirklich empfehlen: Beenden Sie diesen Leidensweg des Bundesheeres! Machen Sie es wie die frühere Staatssekretärin Lunacek: Treten Sie zurück! Machen Sie den Weg für einen Verteidigungsminister frei, dem die Sicherheit in diesem Land und das österreichische Bundesheer wirklich am Herzen liegen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, Sie würden nicht nur diesem Land und dem österreichischen Bundesheer einen großen Dienst erweisen. Wenn ich mir das Ganze anschaue, dann glaube ich, dass Sie sich damit auch selbst einen Gefallen tun würden.

Ich habe vor langer Zeit den Beruf des Kfz-Mechanikers erlernt, bin danach zum Bun­desheer gegangen und habe mit Freude die Unteroffiziersausbildung gemacht. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich kann mich sowohl mit dem Beruf des Kfz-Mechanikers wie auch mit dem Soldatenhandwerk eindeutig identifizieren. Ich könnte mir aber nicht vorstellen, heute in einem Operationssaal zu stehen und eine Herztransplantation durchzuführen. Mit Sicherheit wäre ich damit überfordert und müsste feststellen, dass mir die Schuhe des Herzchirurgen nicht passen, und wahrscheinlich hätte ich auch keinen Spaß an der Arbeit.

Ich glaube, Frau Verteidigungsminister, da können wir beide jetzt wirklich Parallelen ziehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Freude an einer Arbeit haben, die Ihnen bereits beim Amtsantritt meilenweit über den Kopf gewachsen ist. Sie sprechen im Interview vom 11. Jänner 2020 davon, dass Sie in Ihrem Wunschressort angekommen sind, und Sie vergleichen im selben Interview diese Tätigkeit mit Ihrer Tätigkeit als Rechtsreferentin beim Bauernbund in den Neunzigerjahren. Sie sagen in diesem Inter­view: „Wenn etwas ganz schwierig ist, braucht es manchmal eine Frau.“

Geschätzte Frau Noch-Verteidigungsminister! Ich kann Ihnen nur sagen: Die Situation um das Bundesheer ist schwierig – da haben Sie recht –, aber schwierig deswegen, da sämtliche ÖVP-Finanzminister dieses Ressort seit vielen, vielen Jahren stiefmütterlich behandeln. Das ist der Grund dafür, dass dieses Ressort schwierig ist. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.) Man könnte in den Reihen der ÖVP ja schon fast sagen, dass da der Feind in den eigenen Reihen sitzt.

Ganz egal, ob es ein Mann oder eine Frau ist, das Bundesheer braucht eine Führungs­persönlichkeit, die Kompetenz mitbringt, die Herz mitbringt und Interesse für dieses Ressort mitbringt. Das ist es, was dieses österreichische Bundesheer braucht.

Frau Verteidigungsminister! Wir brauchen kein Bundesheer, das an das Verteidigungs­budget angepasst ist. Wir brauchen ein Verteidigungsbudget, das an die Anforderungen des Bundesheeres angepasst ist. Das ist das, was wir wirklich brauchen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Frau Verteidigungsminister! Genau da gehen unsere Vorstellungen über das öster­reichi­sche Bundesheer meilenweit auseinander. Am 24. Juni wurde in Ihrem Auftrag bekannt gegeben, dass das Bundesheer vor tiefgreifenden Umstrukturierungen steht. Sie brauchen nicht am Handy nachzuschauen, es ist der 24. Juni gewesen, ich habe es wirklich vorher recherchiert. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Das Bundesheer soll demnach nach eintrittswahrscheinlichen Bedrohungen ausge­rich­tet werden, wobei die militärische Landesverteidigung – Frau Verteidigungsminister, eine Kernaufgabe des Bundesheeres! – als unwahrscheinlich qualifiziert wird. Ebenso wird von einer Personalreduktion gesprochen, um weitere Kosten im Bereich der Lan­desverteidigung zu senken. Sie sehen als wahrscheinliche Herausforderungen Natur­katastrophen, Cyberbedrohungen, Migration, Pandemien, einen großen Stromausfall und vereinzelte Terrorangriffe. – Ja, ich sage Ihnen: Das sind auch Aufgaben, die das Bundesheer zu bewältigen hat, aber das Bundesheer muss auch für seine Kernaufgabe,


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die militärische Landesverteidigung, gerüstet sein. Dieses Thema dürfen wir auf keinen Fall vernachlässigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Interview vom 24. Juni: Der Oberbefehlshaber, der Bundespräsident, hat es aus den Medien erfahren, die Wehrsprecher haben es aus den Medien erfahren. Im Anschluss an dieses Interview vom 24. Juni sind Sie ja von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum Rapport zitiert worden.

Frau Verteidigungsminister, es wäre uns allen lieber gewesen, wenn Sie der Finanz­minister bei den Budgetverhandlungen kennengelernt hätte. Die Frage, ob Airbus Sie bereits kennengelernt hat, müssen Sie sich selbst beantworten.

Frau Verteidigungsminister, auch diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen: Bei den Budgetverhandlungen im Ministerrat herrscht Einstimmigkeit, und deswegen muss ich Ihnen sagen: Verkaufen Sie uns nicht für dumm! Verkaufen Sie die Österreicher nicht für dumm! Geben Sie endlich zu, dass Sie für das Bundesheer nichts übrig haben, dass Sie für die Sicherheit in diesem Land nichts übrig haben und dass Sie das Bundesheer – ganz auf ÖVP-Kurs – mit Anlauf gegen die Wand fahren wollen! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Worthülsen, diese leeren Versprechungen helfen diesem Land nicht. Seien Sie endlich die Sicherheitspartei, die Sie der Bevölkerung draußen immer vorgeben zu sein! Ein Innenminister, der lieber seine eigenen Leute überwacht, die keinen Baby­elefan­tenabstand einhalten, und diese als „Lebensgefährder“ bezeichnet oder eine Frau Ver­teidigungsminister, die keinen Wert auf die militärische Landesverteidigung legt – ich glaube, das sagt alles darüber aus, wie viel der ÖVP die Sicherheit in diesem Land wert ist.

Geschätzte Frau Verteidigungsminister, auch wenn Sie die Notwendigkeit der militäri­schen Landesverteidigung in der Öffentlichkeit nicht mehr in Abrede stellen, so spricht der am 3. Juli vorgestellte Leitfaden für eine moderne Landesverteidigung dennoch, glaube ich, ganz klare Worte, denn demnach sollen die Fähigkeiten der militärischen Landesverteidigung heruntergefahren werden:

Im Bereich der schweren Waffengattungen soll es österreichweit nur mehr ein Bataillon pro Waffengattung geben.

Zweitens soll, entgegen dem türkis-grünen Regierungsprogramm, die für die militärische Landesverteidigung erforderliche Brigadestruktur aufgelöst werden.

Rund 3 000 Arbeitsplätze sollen eingespart werden, einzelne Kasernenstandorte ge­schlos­sen und rund 18 Millionen Quadratmeter an Liegenschaften des österreichischen Bundesheeres verkauft werden. (Bundesrat Steiner: Verscherbelt!)

Geschätzte Frau Verteidigungsminister, das ist keine Modernisierung, und das ist auch keine Attraktivierung des Bundesheeres. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Gegen-die-Wand-Fahren des österreichischen Bundesheeres und ein Gegen-die-Wand-Fahren der Sicherheit in diesem Land.

Vielleicht hören Sie auch einmal auf Ihren Generalstabschef. Der hat nämlich gesagt: „Wer verteidigen kann, kann auch helfen. Wer nur helfen kann, kann nicht verteidigen“. – Ich glaube, das sind Worte, die man sich einmal wirklich zu Herzen nehmen sollte. Dann werden Sie auch erkennen, dass der Weg, den Sie gerade gehen, nicht der richtige für die Sicherheit in diesem Land ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Der massive Personalabbau, die Auflösung von großen Verbänden und die planmäßige Vernichtung von wirklich lange aufgebauten Kompetenzen schwächen die Einsatz­fähig­keit des Bundesheeres und stellen für dieses Land ein gravierendes Sicherheitsrisiko dar, meine sehr geehrten Damen und Herren.


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Abschließend, Frau Verteidigungsminister, drängt sich aber auch die Frage nach der Hub­schrauberbeschaffung auf. Mario Kunasek hat im Jahr 2018 eine Sonderfinan­zierung, 380 Millionen Euro, für die Nachbeschaffung der auszuscheidenden Alouette III sicherstellen können. Auch im aktuellen Regierungsprogramm gibt es ein klares Be­kenntnis zur bereits eingeleiteten Nachbeschaffung und zur Typenwerft Aigen im Ennstal. Konkret liest man im Regierungsprogramm: „Umsetzung der bereits eingelei­te­ten Hub­schrauber-Beschaffung, als Nachfolge der auszumusternden fünfzigjährigen Alouette III, insbesondere im Hinblick auf Katastrophennotlagen“.

Geschätzte Frau Schweigeminister, diesen Beschaffungsvorgang betreffend hätten wir uns wirklich klare Worte gewünscht und nicht das Schweigen, das Sie auch in dieser Angelegenheit an den Tag legen. Die militärische Landesverteidigung, Frau Verteidi­gungsminister, ist es nicht, die Ihnen am Herzen liegt. Anscheinend ist es aber der Katastrophenschutz ebenso wenig.

Geschätzte Frau Verteidigungsminister, erweisen Sie dem österreichischen Bundesheer einen letzten großen Dienst: Treten Sie zurück, bevor Sie noch mehr Schaden in diesem Ressort anrichten! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Machen Sie den Weg frei für einen Verteidigungsminister, dem das österreichische Bundesheer und die Sicherheit in diesem Land wirklich am Herzen liegen! Wir haben Sie kennengelernt, Frau Noch-Verteidigungsminister! Wir haben genug von Ihnen gesehen! Genug ist genug! (Beifall bei der FPÖ.)

16.16


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Herr Bundesrat, es wird gerade geprüft, ob für den Ausdruck Totengräber schon einmal ein Ordnungsruf erteilt wurde.

Generell bitte ich, in der Debatte die Worte mit Bedacht zu wählen und es nicht an Wertschätzung missen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Toten­gräber ist ja ein Beruf! Ist das nicht ein Beruf, Totengräber?)

Zur Beantwortung zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Landes­verteidigung. – Bitte, ich erteile Ihnen das Wort zur Beantwortung der Anfrage.


16.17.00

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Frau Vizepräsi­dentin! Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Nicht nur von Ihnen, Herr Bundesrat Leinfellner, sondern auch von vielen anderen ist in den vergangenen Wochen viel über unser Heer gesprochen worden. Ich möchte erneut einige Punkte klarstellen. Uns, insbesondere mir war immer klar, dass jede Veränderung auch zu Widerstand führen wird. Das war mir, das war uns von Anfang an bewusst. Dennoch ist es unsere Verantwortung, unser Heer bereit für die Zukunft zu machen, und das nicht zum Selbstzweck, sondern um die Bevölkerung und unser schönes Österreich zu schützen, jawohl. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Nicht nur als Juristin, sondern auch auf die Verfassung angelobt, steht es für mich außer Zweifel, dass die militärische Landesverteidigung der Kern des Selbstverständnisses des österreichischen Bundesheeres ist und bleibt. Sie steht in der Verfassung, sie ist in der Österreichischen Sicherheitsstrategie festgehalten und damit selbstverständlich die ureigenste Aufgabe unseres Heeres. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bun­des­rates Schennach.)

Keine Organisation, kein Unternehmen, kein Ministerium, kein Ressort kann aber auf der Stelle stehen bleiben und auf der Stelle treten, und daher geht es mir darum, die Landes­verteidigung viel weiter zu denken und neu auszurichten, unser Heer bereit zu machen,


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um uns auch vor den neuen Bedrohungen zu schützen, denn, sehr geehrte Damen und Herren, dass diese Bedrohungen in Österreich angekommen sind, steht außer Zweifel.

Wir haben noch den Cyberangriff auf das Außenministerium im Kopf, bei dem unser Heer, unsere Soldatinnen und Soldaten, sofort zur Stelle waren. Ich denke an die Migrationskrise, als unser Heer begonnen hat, die Grenzen wieder verstärkt zu schützen, und ich denke auch an Naturkatastrophen wie Hochwasser, aber auch Brände, bei denen unser Heer die freiwilligen Feuerwehren, die Berufsfeuerwehren und andere Einsatzkräfte Jahr für Jahr und Tag für Tag unterstützt hat. Ich denke auch an die Coronakrise, bei der unser Heer gefordert war, oder – sagen wir besser – nach wie vor gefordert ist wie schon lange nicht.

Wenn wir über die Grenzen Österreichs hinausblicken, müssen wir auch erkennen, dass Terrorangriffe in Europa längst Realität sind. Großflächige Blackouts wie kürzlich in New York sind laut allen Expertinnen- und Expertenmeinungen zu einer realen, großen Bedrohung für Österreich geworden.

Als es im Kalten Krieg, vor vielen Jahrzehnten, darum ging, den Durchmarsch der Aggressoren aufzuhalten, haben wir uns mit Panzern und anderen schweren Waffen gerüstet. Als es darum ging, unseren Luftraum zu schützen, haben wir begonnen, uns mit Kampfflugzeugen und einem Radarsystem auszustatten. Wenn wir unser Österreich nun vor neuen Herausforderungen schützen müssen, dann werden wir auch das tun.

Was bedeutet das für unser Heer? – Es bedeutet, dass wir neben der klassischen militärischen Landesverteidigung unsere Fähigkeiten in den Bereichen Cyberabwehr, Terrorismusbekämpfung und Schutz bei Pandemien und anderen Katastrophen aus­bauen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Steiner: Davon seids selber nicht überzeugt!) Das, sehr geehrte Damen und Herren, werden wir tun (Bundesrat Steiner: Das war ein sehr verhaltener Applaus!), und wir tun es jetzt schon. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Wir haben vor einigen Wochen beauftragt, dass weitere 30 Pandur-Radpanzer beschafft werden. Warum? – Diese dienen vor allem dem Schutz der Mannschaft zum Beispiel bei Terrorangriffen. Sie werden von uns im In- und Ausland eingesetzt. Was man auch nicht vergessen darf: Die Wertschöpfung bei diesem Fahrzeug liegt zu 70 Prozent in Österreich (Bundesrat Steiner: Wann werden sie geliefert?!), damit sind 200 Zuliefer­firmen beschäftigt. Das führt zu einem positiven regionalen Nebeneffekt, den wir immer und gerade in Zeiten wie diesen mitdenken müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Lieferdatum?!)

Da ich heute in einer Wiener Kaserne bei einer Kompanie der Miliz war: Gerade in der Coronakrise haben wir gesehen, wie wichtig die Miliz zum Schutz unserer Republik ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Etwa 1 400 Soldatinnen und Soldaten waren oder sind noch im Einsatz. Die Hälfte wird es noch bis Ende Juli sein. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Das möchte ich an dieser Stelle festhalten. – Ein ganz großes Dankeschön allen Milizsoldatinnen und -soldaten! (Beifall bei der ÖVP.)

Durch die erstmalige Teilaufbietung der Miliz, durch diesen Einsatz und auch durch das viele Feedback, das wir von den Soldaten bekommen haben, ist uns klar geworden, dass es einige Stellschrauben gibt, an denen wir ohne Zweifel in Zukunft noch drehen müs­sen. Es geht nicht nur darum, dass wir die vielen Versäumnisse der Vergangenheit im Investitionsbereich (Bundesrat Ofner: Wer war denn Finanzminister?) in Angriff nehmen müssen. Nach etlichen Jahren, in denen versucht wurde, ein Paket für die Miliz zu schaffen, ist es uns gelungen, 200 Millionen Euro zusätzlich zum Regelbudget auszu­verhandeln. Dieses Regelbudget ist, wie Sie wissen, das höchste, das es jemals für die Verteidigung gegeben hat. Es liegen viele Aufgaben und notwendige Beschaffungen in


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den Bereichen Soldatenausrüstung und Mobilität vor uns. Ein weiterer wichtiger Schritt ist, dass die Milizsoldaten wieder regelmäßig üben können müssen.

Drittens: Die ebenfalls öffentlich diskutierte Entlohnung der Milizsoldaten aufgrund des Heeresgebührengesetzes – Sie wissen ganz sicher, aus welchem Jahr oder Jahrzehnt es stammt – muss grundlegend überarbeitet werden. Eine entsprechende Regierungs­vorlage werden wir im Herbst im Parlament einbringen. (Bundesrat Steiner: Ist das eine Drohung? – Bundesrat Schennach: Das ist alles ziemlich lustig!) Wir werden die Miliz stärken, nicht nur weil es im Regierungsprogramm vorgesehen ist, sondern weil sie gebraucht wird, weil unsere Soldatinnen und Soldaten gebraucht werden, um die Durch­haltefähigkeit unseres österreichischen Bundesheeres zu sichern. (Bundesrat Schennach: Das Lächeln ist irgendwie unangebracht!)

Kommen wir zur Struktur unseres Heeres: Ich war in den vergangenen Monaten quer durch Österreich unterwegs – bei Einsätzen und auch bei Ausbildungsmaßnahmen der Truppe. Ich konnte sehr viele Einblicke gewinnen und zahlreiche Gespräche führen. Wie schon zum Zeitpunkt meiner Amtsübernahme ist eines ganz klar: Das, was gestärkt werden muss, ist die Truppe, sind unsere Soldatinnen und Soldaten, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Schreuder.)

Beim Verwaltungsapparat hingegen sind durchaus Optimierungen vorzunehmen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wenn Beschaffungen so viele Jahre dauern, dann wissen wir, dass wir schneller werden müssen. In der Führung wird es ebenfalls Veränderungen geben müssen (Bundesrat Steiner: ... im Ministerium, da braucht es Veränderung!), denn Entscheidungen sollen künftig dort fallen, wo sie auch zum Tragen kommen. (Bundesrat Steiner: Im Ministerium, da beginnen wir!)

Wir haben mit diesem Veränderungsprozess begonnen und die Kommandanten der verschiedensten Führungsebenen intensiv damit befasst. Klar ist, wie schon erwähnt, dass wir in unsere Soldaten, in die Truppe und in die Unterkünfte investieren müssen. Das müssen wir tun. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Jeder, der in einer Kaserne in Österreich war, konnte das wahrnehmen. Das wird unsere Aufgabe sein, wir werden daher ein Raumordnungskonzept vorlegen.

Unser erklärtes Ziel ist es, die Situation in den Kasernen zu verbessern und diese auszubauen. Daneben gibt es tatsächlich Liegenschaften, die weder militärisch noch anderweitig genutzt werden. Diese werden wir einer Verwertung zuführen. (Bundesrat Steiner: Verscherbeln!) Um dies am Beispiel Kärnten zu veranschaulichen: Das Land Kärnten und die Stadt Villach befinden sich seit vielen Jahrzehnten in einer Sonder­situation. Für diesen Standort ist es Ziel und parteiübergreifender Konsens, ein moder­nes, großes militärisches Zentrum zu errichten. Das geschieht im Konsens und wird auch zu einer Stärkung des Standortes führen. Sie alle, sehr geehrte Damen und Herren, wissen, dass es für Wien seit vielen, vielen Jahren diesbezügliche Überlegungen gibt. Dazu werden wir – und auch nur in Abstimmung mit der Stadt – ein Raumordnungs­konzept betreffend Verdichtung vorlegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Soldatinnen, Soldaten, zu den Zivilbediensteten, zu den Menschen, die im Ver­teidigungsministerium tätig sind: Eines muss uns auch bewusst sein, nämlich dass wir beim Heer in den kommenden zehn Jahren vor einer großen Pensionierungswelle stehen – vor der größten Pensionierungswelle des Heeres. Viele Tausend Angehörige des Ressorts werden in den wohlverdienten Ruhestand gehen. (Bundesrätin Schumann: ... in den meisten Ressorts ist das so! – Bundesrätin Grimling: ... da ist das Bundesheer nicht ausgenommen!) Es wird unsere Aufgabe und unsere Verantwortung sein, nach dem jeweiligen Risikobild genau zu überlegen, in welchen Bereichen Nachbesetzungen verstärkt werden müssen. – Denken wir an die oft eingesetzte ABC-Gruppe oder auch


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an die Cyberabwehr! Neben militärischen Überlegungen geschieht dies auch in Verantwortung gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.

Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte, es wurde viel über die Luftraum­über­wachung gesprochen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ich bekenne mich selbstverständlich, so wie es auch die Verfassung von mir und von uns verlangt (Bundesrat Schennach: ... wenig Ernsthaftigkeit!), zur aktiven und passiven Luftraumüberwachung. Sie wissen, dass Österreich derzeit für die aktive Luftraumüberwachung ein Zweiflottensystem be­treibt, eine Kombination aus Eurofighter-Überschallfliegern für die Luftraumüber­wachung und Saab-105-Unterschallfliegern – insbesondere und vorwiegend – für die Schulung und zur Ergänzung der Luftraumüberwachung. Aktuell, das heißt im heurigen Jahr, werden 94 Prozent der aktiven Luftraumüberwachung durch die Eurofighter abgedeckt, 6 Prozent durch die Saab.

In Verantwortung für die Pilotinnen und Piloten ist klar, dass die Saab 105 am Ende ihrer technischen Nutzungsdauer angekommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Das ist, sehr geehrte Damen und Herren, seit vielen Jahren bekannt. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber Sie wollen es ja auch nicht entscheiden!) In den letzten drei Jahren gab es drei verschiedene Kommissionen beziehungsweise Expertenberichte, beauftragt durch den jeweiligen Minister, in denen die notwendigen nächsten Schritte in Bezug auf die Luftraumüberwachung in Österreich analysiert worden sind. Das war die Sonder­kommission unter Minister Doskozil im Jahr 2017, die Evaluierungskommission unter Minister Kunasek im Jahr 2018 und der Bericht „Unser Heer 2030“ unter Minister Starlinger im Jahr 2019.

Im Ressort sind wir dankbar für diese umfangreichen Berichte und Empfehlungen, die von diesen Kommissionen erstellt worden sind. (Bundesrat Steiner: Dann entscheiden Sie! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Sie werden ohne Zweifel bei den Entscheidungen über die Zukunft der Luftraumüberwachung zu berücksichtigen sein. (Bundesrat Steiner: Wann entscheiden Sie?)

Was aber sind nun die Schlussfolgerungen daraus und warum wurden so lange keine Entscheidungen getroffen? – Unsere Schlussfolgerungen: Die erste ist ganz klar, wir werden das Verfahren gegen Airbus mit größtem Nachdruck weiterverfolgen. Wir werden die Sicherheit unserer Pilotinnen und Piloten an die erste Stelle setzen (Zwischenrufe bei der FPÖ) und daher die Saab 105 ausphasen. Wir werden Maßnahmen setzen, um die Luftraumüberwachung und die Ausbildung unserer Piloten zu gewährleisten. Das Wichtigste ist: Es muss ein intensiver Diskussionsprozess auf parlamentarischer Ebene gestartet werden. Das sind Entscheidungen, die mittel- und langfristig für die Sicherheit der Österreicher entscheidend sind. Es müssen alle Optionen für die Zeit nach Abschluss des Eurofighter-Verfahrens ausgelotet werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Lassen Sie mich eines noch festhalten: Alle Entscheidungen fußen auf Expertenmeinun­gen (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), die immer auch in Absprache mit dem General­stab passieren. Es ist unsere Verantwortung, den Luftraum auf eine kosteneffiziente, adäquate Art und Weise zu schützen.

Lassen Sie mich abschließend – weil ich gestern bei meiner deutschen Kollegin war – zu unseren Auslandseinsätzen kommen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Oje, da sind die zwei Richtigen zusammengekommen ...! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Blicken wir über die Grenzen Österreichs hinaus: Auch gestern war wieder zu hören, wie wichtig der Beitrag Österreichs, unsere Rolle bei internationalen Missionen ist. (Bundesrat Schennach: Dann versuchen Sie es mit mehr Ernsthaftigkeit! – Bundesrat Steiner: Ja, die grinst immer so! – Bundesrat Schennach: Das ist keine Bühne hier ...!) Sie wird in Zukunft


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wichtiger Bestandteil unserer Überlegungen sein. Wir werden ein Auslands­einsatz­kon­zept unter Einbindung aller relevanten Ministerien, unter Berücksichtigung des gesamten Konfliktzyklus – von der Krisenprävention über die Konfliktlösung bis zu Mediation und Friedenskonsolidierung – erstellen. Warum tun wir das? – Wir tun dies, um uns auch an der Lösung von Konflikten, die potenziell zu einer Gefahr für uns werden könnten, vor Ort – dort, wo sie stattfinden – zu beteiligen.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, einige Worte zur wohl wichtigsten Aufgabe: Ich habe im letzten halben Jahr großartige Soldatinnen, Soldaten und Zivilbe­dienstete des Ressorts kennengelernt, die es sich verdient haben, gerade in dieser herausfordernden Zeit im Zusammenhang mit Covid-19 den richtigen Platz – der in der Mitte der Gesellschaft ist – zu finden. Das haben sich unsere Soldatinnen und Soldaten verdient. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Als Regaleinräumer in Super­märkten haben Sie sie degradiert!) Das alles sind nur Teile unseres Konzepts, an dem wir seit Beginn meiner Amtszeit arbeiten. (Bundesrat Steiner: ... die große Katastrophe!)

Lassen Sie mich festhalten: Es ist wahrscheinlich nicht viel Neues oder Überraschendes für Sie dabei. Das ist aber auch nur logisch, denn ich bin überzeugt davon, dass Sie alle das Regierungsprogramm kennen. „Aus Verantwortung für Österreich“ steht auf diesem Programm, und genauso begründe ich jeden einzelnen der angesprochenen Punkte.

Wir stehen am Beginn eines Veränderungsprozesses. Seit Jänner arbeitet im Minis­terium eine Projektgruppe an den Basispositionen dieses Prozesses. Nun gehen wir mit den Ergebnissen der Experten auf das Parlament, auf Sie zu (Bundesrätin Schumann: Oje!), um eine langfristige Entscheidung für Österreich zu treffen, insbesondere was die Luftraumüberwachung anbelangt. Ich habe daher den Präsidenten des Nationalrates gebeten, im Herbst eine parlamentarische Enquete-Kommission einzusetzen. Damit soll der parlamentarische Prozess zur Entscheidungsfindung für eine langfristige Lösung gestartet werden. (Bundesrat Schennach: Ja, zur Show!)

Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren, arbeiten wir gemeinsam für unser Heer, für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Rösch: Die Nebelgranate habt ihr schon gefunden!)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gehen nun in die Debatte ein und ich mache - - (Rufe bei SPÖ und FPÖ: Die Antwort zu den Fragen!) – Entschuldigung! Zur Beantwortung der Fragen erteile ich der Ministerin das Wort. – Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner (fortsetzend): Frau Vizepräsidentin! Ich darf nun zur Beantwortung der Fragen kommen.

Zur Frage 1:

Ich darf auf mein Eingangsstatement verweisen, außerdem auf die Bundesverfassung und die Österreichische Sicherheitsstrategie. Mein Vorgänger Thomas Starlinger hat bereits im Vorwort seines Berichts „Unser Heer 2030“ gesagt – ich zitiere –: „Mit dem Wandel der Bedrohungen muss sich auch unser Heer selbst weiterentwickeln.“

Auf Seite 8 des Berichts ist festgehalten: „Die Umfassende Landesverteidigung muss an die neuen Herausforderungen mit Fokus auf hybride Bedrohungen und Cyber-Angriffe angepasst werden. Militärische Landesverteidigung muss neu gedacht werden. Dabei steht der Einsatz des Österreichischen Bundesheeres zum Schutz der Lebens­grund­lagen, der kritischen Infrastruktur und der demokratischen Freiheiten im Mittelpunkt. Zudem soll das Bundesheer relevante Beiträge für Sicherheit in unserem Umfeld und zur Mitgestaltung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union erbringen.“


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Zur Frage 2:

Mit dem Regierungsprogramm haben wir uns darauf geeinigt, unser Heer effizienter zu machen. Es gibt Überlegungen, Optimierungen – insbesondere in den Führungs­ebenen – vorzunehmen. Dabei sollten vorrangig Redundanzen verhindert werden. Da stehen wir am Beginn der Planungs- und Prüfungsarbeiten, mit denen der Generalstab beauftragt ist. Und: Die schweren Waffen werden nicht abgeschafft.

Zur Frage 3:

Erstens: Schwere Waffen werden, wie bereits erwähnt, nicht abgeschafft. Zweitens: Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass Militärkommando und Brigadestruktur als Träger der Landesverteidigung sicherzustellen sind.

Zur Frage 4:

Keine.

Zur Frage 5:

Seit der Erklärung der immerwährenden Neutralität am 26. Oktober 1955 haben wir dieses hohe Gut immer gewahrt, dies werden wir auch weiterhin tun. Es ist unsere historische Verantwortung, und sie ist – das steht seit 1955 fest – immerwährend.

Zur Frage 6:

Nein.

Zu den Fragen 7 und 8:

Ich habe mehrfach klargemacht, dass keine Garnisonen geschlossen werden. Die drei Kasernen in Villach werden zu einer zusammengelegt, das ist seit vielen Jahren ein großer Wunsch der Stadt und auch des Landes. Es kommt dadurch zu einer massiven Stärkung des militärischen Standortes.

In Wien werden wir in Zusammenarbeit mit der Stadt ein Raumordnungskonzept erar­beiten. Erste Vorschläge, die bereits von meinen Vorgängern erarbeitet wurden, exis­tieren seit 2008.

Zur Frage 9:

Derzeit sind keine konkreten Kürzungen festgelegt. Klar ist jedenfalls, dass kein Mitarbeiter des BMLV seinen Arbeitsplatz verlieren wird.

In den kommenden zehn Jahren stehen wir vor der bisher größten Pensionierungswelle des Heeres: Rund 8 000 Angehörige des Ressorts werden in den verdienten Ruhestand gehen. Dies wurde ebenso bereits durch meinen Vorgänger in seinem Bericht fest­gestellt. Da werden wir genau beurteilen, in welchen Bereichen es zu Nachbesetzungen kommt. Gleichzeitig werden wir dadurch neue Posten in den Schwergewichtsbereichen schaffen. Wir werden also den demografischen Wandel nutzen, um notwendige Veränderungen zu ermöglichen.

Zu den Fragen 10 und 11:

Es gibt keinerlei Entscheidungen. Die Experten des Ressorts arbeiten in diesem Bereich aktuell an diversen Konzepten zur Effizienzsteigerung.

Zu den Fragen 12 und 13:

Beschaffungsvorhaben über 1 Million Euro wurden unter Einbeziehung der Revision im Sinne der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit erneut geprüft. Es wurde kein Beschaffungsvorhaben gestoppt.


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Einzelne wenige Beschaffungsvorhaben wurden jedoch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, sie sollen zum Beispiel für das dritte Quartal 2022 beschafft werden, und zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht klar, wie viel – also mehr oder weniger – beschafft werden soll. Davon ist kein Großgerät betroffen. Dies geschieht somit im Sinne der Grundsätze der öffentlichen Beschaffung. Die jeweilige konkrete Beschaffung findet jedenfalls rechtzeitig statt.

Zur Frage 14:

Das Sanitätskonzept befindet sich derzeit in Ausarbeitung. Ich werde es sehr gerne präsentieren, sobald es fertig ist. Dies ist Teil des allgemeinen Prozesses „Unser Heer 2030“, und es wird im Einklang mit allen anderen Bereichen erarbeitet.

Zur Frage 15:

Der Ankauf der 200 Lkw erfolgt im Rahmen eines Milizinvestitionspaketes. Der Ankauf von passenden Wechselaufbauten ist dabei integraler Bestandteil dieses Pakets. Aus kaufmännischen Gründen wird dieses Beschaffungsvorhaben mit zwei Verträgen abge­wickelt: mit einem zum Ankauf der Fahrzeuge und einem zum Ankauf der Wechsel­aufbauten. Die Abwicklung erfolgt abgestimmt durch die verantwortlichen System­abtei­lungen in meinem Ressort.

Zur Frage 16:

Mit Airbus Defence and Space besteht aktuell ein Vertragsverhältnis über die logistisch-technische Unterstützung zum Betrieb der Eurofighter-Flotte. Es handelt sich um den Maintenance Contract 2, der im Mai 2019 abgeschlossen wurde und eine Laufzeit bis 2022 hat.

Der Wegfall des Systems Saab 105 mit Ablauf des Jahres 2020 hat keine Auswirkung auf diesen Kontrakt – also keine neuen Verträge. Mein Ziel ist unverändert: der Ausstieg aus dem Vertrag.

Zur Frage 17:

Bis zum Vertragsende des MC 2 werden voraussichtlich 23,4 Millionen Euro aufzuwen­den sein.

Zur Frage 18:

Der jährliche Betriebsaufwand für den Eurofighter liegt aktuell bei 80 bis 90 Millionen Euro im Jahresschnitt. Darunter fallen die Logistik, der Treibstoff und die Munition.

Zu den Fragen 19 und 20:

Im Jahr 2019 betrugen die Kosten einer Flugstunde des Systems Eurofighter circa 60 000 Euro. Darunter fallen Logistik, Treibstoff und Munition.

Zur Frage 21:

Nach jetzigem Stand liegen die Kosten bei circa 3 000 bis 3 500 Euro.

Zur Frage 22:

Ein Betrieb des Systems Eurofighter würde für die kommenden zehn Jahre für Hard- und Softwareanpassungen an den Stand der Technik sowie für die Behebung von Obsoles­zenzen einen über den Betrieb hinausgehenden zusätzlichen Budgetaufwand von – geschätzt – 165 Millionen bis 210 Millionen Euro erfordern.


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Zur Frage 23:

Durch die Einstellung des Systems Saab 105 fallen zusätzliche Kosten für die externe Ausbildung von Piloten im Ausland an. Darüber hinaus werden jährlich 1 500 Flug­stun­den beim System Eurofighter sicherzustellen sein. Dem gegenüberzustellen ist, dass eine Nachbeschaffung der Saab 105 um ein Vielfaches teurer wäre.

Zur Frage 24:

Jedes Beschaffungsvorhaben des BMLV durchläuft verschiedene Phasen der Prüfung und Genehmigung. Es folgt nun eine Prüfung durch eine Kontrollinstanz im Hinblick auf die Einhaltung von insbesondere formalen Erfordernissen und Compliancevorschriften.

Zur Frage 25:

Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass wir den verfassungsmäßigen Zustand des Bundesheeres auf Basis eines Milizsystems wiederherstellen werden. Die Miliz ist ein integraler Bestandteil unseres Heeres, denn gemeinsam mit den präsenten Kräften bildet sie unser Heer. Mit dem 200-Millionen-Euro-Milizpaket konnten wir einen ersten Etappensieg erzielen, weitere müssen definitiv folgen.

Zur Frage 26:

Nein. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.41


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein, und ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates/einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile es ihm. – Bitte.


16.42.08

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kollegen im Bundesrat! Werte Zuschauer vor den Bildschirmen! Ja, Frau Minister, Sie machen es mir, ehrlich gesagt, sehr schwer. Ich versuche, meine Reden immer mit etwas Positivem zu beginnen, und glauben Sie mir, ich habe das ernsthaft versucht, ich habe gesucht und gesucht, aber viel habe ich leider nicht gefunden. (Beifall bei der FPÖ.)

Um auch bezüglich Ihrer heutigen Performance bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage ehrlich zu sein: ein aufgesetztes Lächeln bei der Anfragebeantwortung auch an Stellen, an denen es gar nicht passend war, wie gewohnt ein stumpfes Herunterlesen von vorgegebenen Texten, sodass man wirklich das Gefühl hat, dass Sie wenig bis keine Ahnung haben, was Sie da eigentlich vorlesen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Nach intensiver Recherche sind mir aber dann doch zwei positive Dinge aufgefallen, also positiv jetzt nicht für Sie und für das Bundesheer, aber positiv zumindest für die SPÖ und positiv auch für den Koalitionspartner, die Grünen, denn bisher waren sich alle sicher, dass niemand die beiden Hasardeure im Bereich der österreichischen Sicherheit, nämlich Darabos und Klug, jemals wird übertreffen können. Sie, Frau Minister, haben es geschafft! Noch viel schlimmer, Sie sind so ein bisschen eine Mischung aus beiden Ex-Ministern, denn Sie haben genauso wenig Ahnung vom Bundesheer wie der Zivildiener Darabos und Sie sind genauso böswillig wie der Minister Klug, wenn es um die Zer­schlagung der Einsatzfähigkeit unserer Armee geht, und das, meine Damen und Herren,


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kann ich nur als gemeingefährlich bezeichnen. (Beifall bei der FPÖ. – Widerspruch bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Der zweite positive Punkt, quasi gleich in einem Aufwasch: Sie haben die bisher schlechteste Performance dieser Regierung getoppt, nämlich jene der Staatssekretärin Lunacek, die haben Sie egalisiert. (Bundesrat Steiner: Gratuliere! Das ist eine Leistung!) Die ehemalige Staatssekretärin kann jetzt wieder erhobenen Hauptes außer Haus gehen und sagen: Nein, ich war nicht die Schwächste in der Regierung, denn diesen Titel oder diesen Dienstgrad, besser gesagt, den führen jetzt Sie!

Frau Minister Tanner! Sie könnten einem bei dem, was da jetzt alles über Sie herein­bricht, fast ein wenig leidtun, und trotzdem sage ich Ihnen: Sie tun mir nicht leid!, und ich sage Ihnen auch, warum. (Bundesrat Schennach: Nicht bei einer solchen Überheb­lichkeit!)

Wenn mich jetzt jemand fragen würde, ob ich nächstes Jahr bei den Olympischen Som­merspielen den Marathon für Österreich laufen will, dann würde ich sagen: Ich glaube, da gibt es welche, die können es mit Sicherheit besser. Ich wäre da sicher nicht der Richtige dafür. Wenn jemand gar keinen Bezug zum Bundesheer, nämlich so überhaupt gar keinen Bezug zum Bundesheer hat, dann darf er – oder auch sie – auch nicht den Ministerposten dafür übernehmen. (Bundesrat Steiner: Sie hätte ja jedes Ministerium übernommen!) Das geht einfach nicht, Frau Tanner, das geht einfach nicht! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Sehr gut!)

Frau Minister, das hat gar nichts damit zu tun, dass Sie eine Frau sind, denn es gibt in Österreich in der Zwischenzeit sehr viele Frauen im Kaderstand (Bundesrat Steiner: Sehr gute!), teils im Offiziersrang, teils im Unteroffiziers-, aber auch im Chargenrang, die sehr gut und auch mit Herzblut bei der Sache sind, Soldatinnen aus Überzeugung. Wenn Sie nur wegen der guten Quote berufen wurden (Bundesrat Seeber: Hallo! – Wider­spruch bei der ÖVP), dann sind wir jetzt darin bestärkt worden, dass eine Quotenlösung immer ein Fehler ist. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Ganz ehrlich, es ist mir auch egal, dass Sie Ihre eigene Partei quasi ins ungesicherte, offene Feuergefecht lässt, denn die ÖVP hat in Wahrheit im Wahlkampf eindrucksvoll bewiesen, was sie vom Bundesheer hält. Es war der Chef persönlich, Sebastian Kurz, der in einem ORF-Gespräch gesagt hat: Es ist ausgeschlossen, dass das Heeresbudget erhöht wird, denn es ist ja kein Geld da. Das kann man sich in Österreich nicht leisten. Nur einen Tag später hat Sebastian Kurz das zurückgenommen, weil er gemerkt hat, dass das in der Bevölkerung gar nicht gut ankommt – ein Opportunist quasi, aber das kennen wir von Kurz ja.

Kurz hat dann gesagt, er sei falsch verstanden worden. Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren: Wir haben ihn nicht falsch verstanden. Für Sebastian Kurz war von Anfang an klar, dass er nach der Wahl das Bundesheer ausbluten lassen wird. (Bun­desrat Bader: Das stimmt nicht! Genau das Gegenteil ist richtig! – Die BundesrätInnen Mühlwerth und Steiner: Wo? – Bundesrat Bader: Im Budget!) Seine Erfüllungsgehilfin hat er gefunden, nämlich in der Person von Ihnen, Frau Minister Tanner! Es ist auch denkbar, dass Sie vielleicht nicht die Erfüllungsgehilfin sind, sondern dass Sie in dieser Tragödie, die sich da gerade abspielt, benutzt werden, weil Sie jetzt alles umsetzen müssen, was Vorgabe der ÖVP ist. Auch das wäre irgendwie bezeichnend, denn damals, als Sie noch beim Bauernbund waren und auch das Bauernsterben aktiv vorangetrieben haben (Beifall bei der FPÖ – Ruf bei der ÖVP: Na hallo!), waren die Bauern Ihre Opfer, und jetzt sind halt Sie das Bauernopfer. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Die wahre Tragödie ist ja, selbst wenn man dem Bundesheer jetzt eine Riesenfinanzspritze geben würde, würde das nichts bewirken.


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Man könnte ja in Wahrheit gar nichts machen, denn wissen Sie, wie lange es von der Planung über die Ausschreibung bis zur Umsetzung dauert, wenn man jetzt zum Beispiel neue Abfangjäger oder auch neue Hubschrauber in eine Staffel integrieren will? – Das dauert Jahre, und da rede ich noch nicht einmal von der Ausbildung oder von der Umschulung von Piloten und von Technikern, die übrigens, das möchte ich an dieser Stelle auch anmerken, nur mehr aus reinem Patriotismus in dieser Armee ihren Dienst ableisten, denn überall anders würden sie wahrscheinlich das Doppelte oder Dreifache verdienen und dort würden sie im Gegensatz zur Haltung dieser Ministerin auch wertgeschätzt werden. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Pisec: Wertge­schätzt! – Rufe bei der FPÖ: So ist es! Genau! Richtig!)

Frau Minister! Wollen Sie mit einem 50 Jahre alten Auto herumfahren? Ich kenne die Antwort, ich denke nicht, allein schon aus Sicherheitsgründen. Sie lassen es aber zu, dass unsere Soldaten mit mehr als 50 Jahre alten Hubschraubern herumfliegen müssen, und wollen jetzt allen Ernstes eine Ersatzbeschaffung aussetzen. (Bundesrat Steiner: Sie lacht jetzt! Was gibt es da zu lachen? – Zwischenruf bei der ÖVP.) Da frage ich mich: Schämen Sie sich eigentlich gar nicht für das, was Sie da vorhaben? (Bundesrat Seeber: Schämt euch doch selber!)

Österreich braucht ein ordentliches Regelbudget für das Bundesheer, damit die Pla­nungssicherheit für die nächsten Jahre gewährleistet ist. (Beifall bei der FPÖ.) Dieses Regelbudget muss in Wahrheit in Richtung der Marke 1 Prozent vom Bruttoinlands­produkt gehen, alles andere ist grob fahrlässig! Von Schwarz und Grün kommt dann immer das Totschlagargument: Na ja, das brauchen wir nicht, denn wir sind ja von sicheren Drittstaaten umgeben. Ja dann frage ich Sie: Warum rüsten alle Länder um uns herum ihre Armeen auf? Warum werden die modernisiert und effizienter gemacht? Nur wir in Österreich beziehungsweise die ÖVP ruinieren das Bundesheer. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines kann ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Jedes Land der Welt hat eine Armee, entweder eine eigene oder eine fremde – genau das wollen wir nicht! Wir wollen keine fremde Armee in unserem Land, und Landesverteidigung kostet nun einmal Geld. Ohne eine glaubwürdige Armee gibt es kein unabhängiges Österreich. Ich sage, Österreich muss in der Frage der militärischen Landesverteidigung unabhängig bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Verstehen Sie eigentlich auch nur ansatzweise, was Sie unseren Soldaten antun? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Unsere Soldaten und auch unsere Vertrags­bediensteten in den verschiedenen Waffengattungen leisten tagtäglich ausgezeichnete Arbeit. Sie danken es unseren Soldaten, indem Sie darangehen, unser Bundesheer zu ruinieren, und Sie danken es unseren Vertragsbediensteten, indem Sie in Aussicht stellen, dass Sie Posten abbauen wollen. Das Gegenteil sollte der Fall sein! Oder wollen Sie wieder 900er-Posten schaffen, Frau Bundesminister? Gibt es da schon etwas in der Lade? Ist etwas geplant? Wie viele 900er-Posten sind geplant? Wissen Sie das? (Die BundesrätInnen Mühlwerth und Steiner: Was ist denn das?) Komisch, da kennen Sie sich nicht einmal aus, das ist eigentlich traurig. (Oh- und Ah-Rufe bei der FPÖ.) Anscheinend nicht, denn Sie wissen eben nicht, was ein 900er-Posten ist.

Meine Damen und Herren! Die ÖVP drangsaliert unsere Soldaten schon seit Jahren. Ein Beispiel gefällig? – Das schwarze Finanzministerium hat nach mehr als 50 Jahren funktionierendem Wohnungswesen beim Bundesheer das Bundesministerium für Lan­des­verteidigung geklagt. Betroffen ist aber nicht das Ministerium, sondern betroffen sind mehr als 1 400 Aktive und Pensionisten, die man nun schon seit Jahren quält, wirklich quält. Ich bin da mit einigen in Kontakt. Alle Betroffenen haben einen gültigen Vertrag über die Miete. Aufgrund von Richtwertstreitigkeiten finden sich die Betroffenen nun in der Situation wieder, dass sie teils fünfstellige Beträge nachzahlen sollen – rückwirkend


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auf zehn Jahre. Rückwirkend auf zehn Jahre! Das ist ja unglaublich, dass so etwas in einem Rechtsstaat überhaupt möglich sein soll. Das ist ja unfassbar!

Weil Herr Minister Blümel gerade hier war, frage ich Sie: Haben Sie mit Herrn Minister Blümel schon darüber gesprochen? Haben Sie Kontakt aufgenommen und gefragt, was man sich da dabei gedacht hat? Oder ist dieses Abzocken der eigenen Leute, Ihrer Untergebenen, Ihrer Schutzbefohlenen quasi gar ein Teil Ihres Regierungsprogramms?

Fakt ist jedenfalls, dass deshalb viele betroffene Aktive und auch Pensionisten nun seit Anfang 2019 Geld sparen und auf die Seite legen, um sich eben mögliche Nach­zahlungen, die kommen könnten, leisten zu können. Was ich Ihnen besonders vorhalte, Frau Minister, ist Ihre Informationspolitik gegenüber den Betroffenen. Sie ist gleich null. Da spielen Sie U-Boot, da gehen Sie auf Tauchstation. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den Unterkünften und Kasernen: Ich weiß, ich kann mich erinnern, Mario Kunasek hat damals noch wie ein Löwe um ein Sonderbudget gekämpft, um zumindest in ein paar Kasernen die unzähligen Baustellen anzugehen. Ich selbst durfte bei einem Spatenstich in Langenlebarn am Fliegerhorst Brumowski dabei sein, als der Spatenstich zur Renovierung des Objekts 19 um 10 Millionen Euro stattfand. Wissen Sie, was dort war? – Dort hat man bei den Soldaten wieder so einen leichten Hoffnungsschimmer, der durch die Reihen gegangen ist, bemerkt. Ich kann Ihnen versichern, das ist inzwischen alles wieder weg. Auch damals war es in Wahrheit der schwarze Finanzminister, der sich dem entgegengestellt hat.

Sie setzen jetzt geplante Projekte aus? – Schämen Sie sich nicht bei dem, was Sie so machen? Wir haben knapp 2 000 Soldaten als sogenannte Kaderpräsenzeinheiten. Wissen Sie, was Kaderpräsenzeinheiten sind, KPEs? (Bundesrat Steiner: Das sagt ihr nichts! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Der Blick sagt alles! Viele von diesen Kaderpräsenzeinheiten sind Wochenpendler, meine Damen und Herren, zum Beispiel in Melk oder in Zwölfaxing stationiert und in Zimmern von Grundwehrdienern unter­gebracht. Diese KPEs, das muss man wissen, verpflichten sich immer für drei Jahre, und einmal in dieser Zeit muss ein Einsatz geleistet werden, egal ob im Inland oder im Ausland, meistens geht es um Auslandseinsätze.

Das Mindeste wäre in dieser Zeit, wenn sie schon da sind, dass man ihnen, ja, stan­desgemäße, aber auch zeitgemäße Unterkünfte zur Verfügung stellt. Das passiert aber nicht! (Ruf bei der ÖVP: Sagen Sie das Kunasek!) Es sind nur Grundwehrdienerzimmer, das sind nämlich jene Unterkünfte, die man zwar unseren Grundwehrdienern, unseren jungen Burschen und auch unseren Kadersoldaten zumuten kann, die aber zu schlecht sind dafür, dass man Asylwerber drinnen unterbringt. Auch darüber sollten Sie einmal nachdenken, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schartel: Genau!)

Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen: Nicht alle aktiven uniformierten Soldaten besitzen einen Kampfanzug, einen Helm und eine Bewaffnung. (Ruf bei der ÖVP: Das gehört dem Bundesheer!) Irre! In den Kommanden gibt es sogenannte Kom­mandomodule für Soldaten, das heißt Uniform beziehungsweise Bekleidung für den Dienstbetrieb, aber die sind für einen Einsatz nicht ausgerüstet. Das ist so, als würde ich einem Polizisten im Wachzimmer die Dienstwaffe wegnehmen, denn er braucht sie wahrscheinlich ohnehin nicht. Das ist irre, meine Damen und Herren!

Ganz aktuell, Frau Minister, haben Sie ja erkannt, dass es zu wenig Sicherheitsholster gibt. Na, guten Morgen, kann ich da nur sagen. Guten Morgen! Dafür brauchen Sie eine Einsatzanalyse, dafür brauchen Sie eine Evaluierung von der Evaluierung?

Ich frage mich schon, wann sind Sie auf das draufgekommen, zu einem Zeitpunkt bevor oder nachdem Sie die Miliz reaktiviert und für die Coronaeinsätze aus ganz Österreich


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Personal, Gerätschaften und Fahrzeuge zusammengekarrt haben, weil in Wahrheit nirgends mehr komplett einsatzfähige Truppen waren. Das hat man machen müssen, aus ganz Österreich wurden Fahrzeuge herangekarrt, damit man wenigstens ansatz­weise einsatzfähig ist, weil unser Heer in Wahrheit schon in einem dermaßen katastro­phalen Zustand ist, dass es jedes Mal, wenn das Heer ausrückt, ein Katastropheneinsatz ist, aber aufgrund des desaströsen Zustands des Materials. (Beifall bei der FPÖ.)

Die neue Tarnuniform haben bisher erst drei Bataillone bekommen, von den zehn Miliz­bataillonen sind maximal drei Milizbataillone wirklich ausgestattet. Uniform, Bewaffnung, Ausrüstung, all das fehlt! Das von Ihnen geschnürte Paket, Frau Minister, das ist wirklich nett, aber es ist lediglich ein PR-Gag, wie halt bei der ÖVP üblich. Wir kennen das! Es fehlt einfach an Fahrzeugen, es fehlt an Nachtsichtgeräten, es fehlt an Ausrüstung, Kampfhelmen und so weiter, es fehlt an allen Ecken und Enden, und ich habe viele Missstände noch gar nicht angesprochen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Hirczy: Kunasek war offenbar doch nicht so super! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren zu Hause, Sie können das jetzt leider nicht mitverfolgen, aber ich weiß, dass ich, wenn die ÖVP dort drüben immer so kurz am Auszucken ist, ins Schwarze getroffen habe. Genau das war jetzt der Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, meine Damen und Herren, es ist so: Ein funktionierendes Heer muss man sich leisten wollen, denn ein Heer kostet Geld. Die Frage ist vielmehr: Wie lange wird sich die ÖVP noch eine Ministerin Tanner leisten können? (Bundesrat Rösch: Den Finanzminister aber auch nicht!) Eines ist auf alle Fälle klar: Das österreichische Bundesheer kann sich solch eine Ministerin nicht mehr lange leisten, eine Fachministerin, die allen Ernstes den Unterschied zwischen Kaserne und Garnison nicht kennt. Zuerst haben Sie uns erklärt, dass keine Kasernen geschlossen werden, um dann später wieder zurückzurudern: Alle Garnisonen bleiben erhalten, aber Kasernen werden vielleicht doch geschlossen. Das ist ungefähr so, als würde der Sportminister den Unterschied zwischen Volleyball und Fußball nicht kennen – wobei, da bin ich mir auch nicht ganz sicher, aber das ist wieder eine andere Geschichte. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Für uns ist aber klar, dass wir uns ganz klar für den Erhalt aller Kasernenstandorte aus­sprechen. Es ist traurig genug, wie viele Kasernen in der Vergangenheit schon ge­schlossen wurden. Auch das ist etwas, das die ÖVP irrsinnig gerne macht. Denken Sie an die Polizeiposten! Unzählige Polizeiposten sind geschlossen worden, alle unter ÖVP-Innenministern. Und was ist uns dann erklärt worden? – Dadurch wurde die Sicherheit erhöht. Ja, genau, wir glauben ja alle daran!

Genau deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Schließung von Kasernen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass keine Kasernen beziehungsweise andere Standorte geschlossen und verkauft werden, vielmehr deren Sanierung und Modernisierung vorangetrieben wird.“

*****

Mir ist ganz klar, Frau Minister, dass das alles für Sie nicht lustig ist (Bundesrat Steiner: Ja, Sie lachen eh immer!), aber glauben Sie mir, Ihr Handeln und Ihr Lachen ist für unser


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Bundesheer noch weniger lustig. Wenn Sie meiner Rede aufmerksam zugehört haben, dann haben Sie wieder einige neue militärische Begriffe gehört und vielleicht auch welche gelernt.

Zum Abschluss will ich Ihnen noch einen militärischen Begriff mitgeben: Friendly Fire. Beim sogenannten Eigenbeschuss (Heiterkeit der Bundesräte Pisec und Steiner) werden irrtümlich eigene Truppen oder auch verbündete Streitkräfte in einer kriegeri­schen Auseinandersetzung beschossen. Keine Angst, Frau Tanner, ich werfe Ihnen das nicht vor, denn ein Friendly Fire passiert immer unabsichtlich. Das, was Sie machen, machen Sie mit Vorsatz. Darum kann ich nur sagen: Danke, Frau Tanner! Abtreten! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall des Bundesrates Novak.)

17.01


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Andreas Arthur Spanring, Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „keine Schließung von Kasernen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile es ihm.


17.02.36

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich darf Ihnen zu Ihrer neuen Aufgabe recht herzlich gratulieren und Ihnen viel Freude wünschen!

Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Mein Kollege aus dem Burgenland Günter Kovacs hat mir von der Würde dieses Hauses und vom Niveau der Diskussionskultur berichtet. Davon bemerke ich wenig, wenn wir Diskussionen über Schuhe und diverse körperliche Befindlichkeiten führen müssen. Ich muss festhalten, dass ich dieses Niveau heute hier im Hohen Haus vermisse. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Schennach: ... Ministerin zur Bühne macht ... Problem!)

Arbeiten wir gemeinsam für unser Heer! Wir haben es gehört: Ministerin Klaudia Tanner hat zu den 26 Fragen alles erklärt und sie ausführlich beantwortet. In der aktuellen Diskussion gibt es natürlich unterschiedliche Aspekte. In einem sind wir uns alle einig: Es braucht gebündelte Kräfte, Mut und Zuversicht für ein funktionierendes Heer. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf einige Themenbereiche ansprechen, zum Beispiel die Luftraumüberwachung. Da geht es um die Themenbereiche Eurofighter und Saab. 94 Prozent der Einsatzzeit wird vom Eurofighter geleistet, rund 6 Prozent von den Saab.

Kollege Spanring hat vorhin eine Bemerkung fallen gelassen, die man dezidiert hinter­fragen darf, denn wie alt waren die Hubschrauber, die Flieger und die Materialien in der Ära Kunasek? (Bundesrätin Mühlwerth: Geh bitte jetzt! Der Platter war derjenige ...!) Jetzt mit dem Finger auf jemanden zu zeigen finde ich nicht in Ordnung, das gehört richtiggestellt! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wenn es schon um Verantwortung geht, dann dürfen wir natürlich auch Namen nennen, und ich beginne: Kunasek, Doskozil, Klug, Darabos. (Bundesrat Rösch: Platter nicht vergessen!) Was hat sich seit 2017 getan? – Gefühlt nichts. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Wir haben heute auch schon gehört: „Beenden Sie diesen Leidensweg des Bundes­heeres!“ – Die Namen habe ich genannt. Kollege Leinfellner, die neue türkis-grüne Bundesregierung beendet diesen roten und blauen Leidensweg beim Heer, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrätin Schumann: Es war aber türkis-blau vorher!)


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Es muss nun vieles aufgeholt werden. Jedem Vorgänger hätte klar sein müssen, dass es ein Ablaufdatum gibt, nämlich den 31. Dezember 2020, und dass hätte gehandelt werden müssen. Konkrete Maßnahmen sind ausgeblieben. Jetzt wird endlich gehandelt, jetzt gibt es Entscheidungen, jetzt wird Schritt für Schritt umgesetzt. (Bundesrätin Mühlwerth: Welche Entscheidungen gibt’s? Das würde ich jetzt gerne hören! – Bundesrat Rösch: Beispiele?)

Wir kennen die Punkte: Die Saab 105 werden aufgrund des Endes der technischen Lebensdauer ausgephast, entsprechende Maßnahmen für die Luftraumüberwachung werden gesetzt, Piloten werden ausgebildet. Eine Überbrückungslösung wird geprüft, daran wird gearbeitet. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Gleichzeitig wird ein breiter Diskus­sionsprozess, wie bereits angekündigt, vorangetrieben. (Bundesrätin Mühlwerth: ... Sprechblasen, genau wie die Frau Ministerin!)

Weiters wurden bereits 200 MAN-Lkw, sogenannte Wechsellader, angekauft. Auch da sind wir auf dem richtigen Weg. Ebenfalls bereits angeschafft beziehungsweise in der Beschaffung sind 30 Stück Pandur-Panzer. Das heißt, nun geht endlich etwas weiter. (Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Sie sehen es sehr deutlich: Die militärische Landesverteidigung ist und bleibt eine zentrale Aufgabe unseres Bundesheeres. Darum geht es in den Maßnahmen, die von Klaudia Tanner erfolgreich gesetzt werden. (Bundesrat Rösch: Ganz glaubt er’s selber nicht! – Bundesrätin Schumann: Das wär ja noch schöner!)

Ich darf auch die Eckpunkte der vorigen Diskussion noch einmal zusammenfassen: Alle Garnisonen bleiben bestehen, kein Mitarbeiter wird gekündigt. Die Miliz wird neu überdacht, sie muss besser ausgerüstet sein und wird regelmäßig üben können. Schutz und Hilfe müssen großgeschrieben werden, denn es geht darum, gemeinsam mit unse­ren Einsatzkräften, mit Feuerwehren und vielen weiteren Einrichtungen, Naturkatastro­phen zu verhindern – denken wir nur an Hochwasserereignisse.

Besonders verantwortungslos finde ich es, wenn man Schwerpunkte geringschätzt, wenn davon die Rede ist, dass wir die Cyberdefence und den Katastrophenschutz entsprechend aufwerten wollen. Ich sehe diese Bereiche als absolut notwendig an und halte diese Schritte daher für richtig.

Blicken wir auch über die Grenze! Man sieht, Terrorangriffe sind leider Gottes längst in Europa angekommen, großflächige Blackouts sind nach Expertenmeinungen zu einer echten, realen Bedrohung geworden. Daher halte ich es nicht für in Ordnung, dass man diese Szenarien hier in diesem Hohen Haus belächelt. (Bundesrat Steiner: Lächeln tut die Ministerin!)

Ebenfalls verantwortungslos finde ich es, wenn in Kasernen politisch motivierte Bot­schaften gestreut werden, die die Bevölkerung verunsichern. (Bundesrat Steiner: Das tut deine Ministerin!) Gott sei Dank ist es letztens auch im Burgenland gelungen, solche Botschaften entsprechend richtigzustellen.

Hier darf ich aber darauf verweisen, dass wir es gewohnt sind, dass gerade aus dem Burgenland immer wieder aus den eigenen Reihen auf Frau Pamela Rendi-Wagner medial geschossen wird. Ebenso gilt dies für mediale Botschaften des ehemaligen Verteidigungsministers Doskozil in Richtung seiner Nachfolger im Amt des Bundes­ministers beziehungsweise der Bundesministerin. (Bundesrätin Mühlwerth: Machst du dir Sorgen um die SPÖ?)

Es wurde jedoch klargestellt: Die Diskussion und Verunsicherung hat ein Ende. Die Kasernenstandorte stehen nicht zur Diskussion, im konkreten Fall auch nicht der Kaser­nenstandort Güssing im Südburgenland.


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Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Seit 1955 haben die Entscheidungsträger und Mannschaften der österreichischen Streitkräfte viele Bewährungsproben gemeistert und Prüfungen bestanden. Immer wieder kamen die Männer und Frauen des Bundesheeres zum Einsatz wenn es galt, Österreichs Grenzen zu schützen oder den Menschen nach Katastrophen zu helfen. Schon seit 1960 tun sie dies auch weltweit.“ – Ich denke, dieser Text von der Homepage des Bundesheeres bestätigt das, wofür wir alle eintreten sollten: Wir sollten gemeinsam an einem Strang ziehen und positiv in die Zukunft blicken!

Man hat das Gefühl, dass die heutige Sitzung mehr Fragen aufwirft, als die Frau Ministerin beantworten kann (Beifall der Bundesrätinnen Grimling und Schumann – Bundesrat Rösch: Das ist ja der Grund der Frage! Stimmt ja!), da es manchmal, und den Anschein hat es, ausschließlich um Polemik geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie wäre es anders zu erklären, dass Frau Bundesminister Tanner ausgerechnet aus Kärnten Rückendeckung bekommt, wo es um den Standort Villach geht, wo sogar Landeshauptmann Kaiser die Reformen begrüßt? Ich denke, einige sollten hier ihr Stimmverhalten entsprechend überdenken.

Ein weiteres positives Beispiel aus dem Burgenland ist der Standort Pinkafeld. Dort wurden anstelle einer Kaserne Wohnungen geschaffen. Der dortige SPÖ-Bürgermeister Maczek kann sich über viele neue Bewohner und Wohnungen freuen. (Bundesrätin Mühlwerth: Weiß er das eh selber? – Bundesrat Beer: Und die verteidigen! – Ruf bei der FPÖ: Und die hat die Ministerin gebaut oder was?)

Ein weiterer spannender Aspekt ist eine Dringliche Anfrage von Kunasek an Klug aus dem Mai 2014. Das ist aus meiner Sicht eine empfehlenswerte Sommerlektüre. Da kann man nachlesen, wer in der Vergangenheit untätig war. Egal ob Klug oder seine Nach­folger (Bundesrat Rösch: Den Platter darf man nicht vergessen! – Ruf: Den Platter kennt er nicht!) – frei nach Karl Farkas –: „Schau’n Sie sich das an!“

Ich darf daher abschließend festhalten: Wir sind bereit, das Heer in die Zukunft zu führen. Das Budget wurde um 10 Prozent aufgestockt – ich sage nur, es ist das höchste Budget aller Zeiten. Auch während der Pandemie haben wir gesehen, wie wichtig es ist, dass unser Heer funktioniert, und es hat funktioniert.

Daher darf ich die abschließende Botschaft nur unterstreichen: Unterlassen wir die politisch motivierten Angriffe – geschuldet vermutlich den Umfragewerten mancher politi­scher Parteien (Ruf bei der SPÖ: ... wir sind im Parlament!) – und sorgen wir gemeinsam für ein starkes Bundesheer und für die Sicherheit für unsere Österreicherin­nen und Österreicher! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Dann tauscht die Ministerin aus!)

17.11


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


17.11.32

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! (Der im Rollstuhl sitzende Redner senkt das Rednerpult, dabei fällt eine Schraube auf den Boden. – Bundesministerin Tanner hebt die Schraube auf.) – Lassen Sie es, es geht schon! (Ruf: ... nicht normal!) – Wieso ein bisschen hinauf? Das sind die tollen Konstruktionen des Parlaments, der Parlamentsdirektion. (Zwei Schrau­ben fallen vom Rednerpult auf den Boden.) Es fällt alles auseinander. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich dachte, seit der Haidlmayr ist es besser geworden!) Wunderbar! Dafür liegt das Pult unten, weil alle Schrauben herausgefallen sind. Gut! (Bundesrätin Mühlwerth hebt die Schrauben auf.) – Nein, lass sie liegen, es ist eh wurscht!


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(Bundesrätin Mühlwerth: Ach so ...! Das Rednerpult zerlegt sich gerade!) Keine Angst, ich habe sie nicht zum Schmeißen mitgenommen, sie sind einfach nur hinuntergefallen.

Herr Bundesrat Hirczy, Sie stellen sich hier heraus und reden über die Würde des Parlaments. (Ruf: Das hat er gut gemacht!) – Das hat er sehr gut gemacht, denn eine Minute später hat er geschrien als wie – wirklich sehr würdevoll! Die Würde des Parlaments wurde vonseiten der ÖVP eigentlich die ganze Zeit untergraben, so wie jetzt während dieser Diskussion bereits eine Presseaussendung der ÖVP hinausgegangen ist, in der steht, dass SPÖ und FPÖ ihre Schmutzkübelkampagne weiterführen. Meine Damen und Herren, ich denke, es ist doch ein wenig seltsam, wenn man hier von Würde spricht, aber solche Maßnahmen setzt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wir haben heute hier aber ein anderes Thema. Frau Ministerin, ich glaube, dass Sie persönlich ein ganz netter Mensch sind (allgemeine Heiterkeit – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist schon wieder sexistisch, das hat Kaske auch nicht sagen dürfen!), aber betref­fend Bundesheer, glaube ich, dass Sie nicht wirklich wissen, wovon Sie reden. Ihre Redebeitrag hat ganz deutlich gezeigt, dass es eigentlich in die falsche Richtung geht.

Ich will es nicht nur Ihnen zuschreiben, denn es ist Sache der ÖVP. Ich erinnere mich noch an die Abstimmung darüber, ob wir ein Berufsheer haben wollen oder ein Heer, das weiterhin auf den Grundwehrdienst abzielt. Was die ÖVP alles versprochen hat: dass das Bundesheer auf den Stand der Zeit gebracht wird, dass es modernisiert wird, dass man Geld zur Verfügung stellt. (Zwischenruf des Bundesrates Gfrerer.) Bis jetzt ist nichts geschehen, dabei haben wir die ganze Zeit nur schwarze Finanzminister gehabt.

Das Bundesheer kostet Geld. Wir haben ganz einfach die Verpflichtung, Österreich zu beschützen. In einem Krieg wird halt noch immer geschossen. Gott bewahre uns davor, in diese Situation zu kommen, aber es passieren nun mal nicht nur Cyberattacken. (Bundesrätin Mühlwerth: So ist es!)

Unsere Miliz wird leider schändlich vernachlässigt. Wie lange hat es gebraucht, bis die Miliz zum Packerlschupfen fertig war? Es ist doch überhaupt unglaublich, dass man für solche Tätigkeiten die Miliz heranzieht. Da hätten wir eigentlich auch Grundwehrdiener nehmen können, die hätten wir – es war ja dringend – direkt bei der Hand gehabt. Da hätte man nicht die Miliz einberufen und somit Menschen von ihren Arbeitsplätzen abziehen und aus dem Berufsprozess herausreißen müssen. – So kann das wirklich nicht sein! In diese Richtung darf es einfach nicht gehen!

Ich erinnere mich auch an die Diskussionen, als unsere Überschallkampfflugzeuge beschafft wurden. Wenn irgendein Flugzeug über Tirol drüberfliegt, sind die aus unserem Luftraum verschwunden, bevor der Pilot überhaupt im Flugzeug sitzt. (Bundesrätin Mühlwerth: Geh!) Also das hätten wir in dieser Richtung nicht wirklich gebraucht.

Wenn Sie sagen, dass Pandur-Panzer angeschafft werden, dann muss ich sagen: Pandur-Panzer wären vielleicht besser für das Innenministerium geeignet, denn es sind einzig und allein Mannschaftspanzer, die bis zu sieben Personen transportieren können und mit einem Maschinengewehr ausgestattet werden. Es ist eigentlich nur ein Trans­portgerät.

Wir haben bei der Landesverteidigung eben die Anforderungen der Bundesverfassung zu erfüllen. Wie aber die ÖVP mit der Bundesverfassung umgeht, haben wir auch schon bemerkt. Wenn Kanzler Kurz sagt: Na ja, ist halt nicht so richtig verfassungsmäßig, aber das soll dann der Verfassungsgerichtshof entscheiden!, dann ist das ein klarer Miss­brauch.

Wir haben heute wieder die Gelöbnisformel gehört, sie wurde uns in Erinnerung gerufen. Ein Satz darin handelt von der Beobachtung und Verfolgung der Verfassungsgesetze


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und aller anderen Gesetze, und dagegen wird wissentlich agiert. Das kann man in Wirklichkeit nicht so stehen lassen, wie das hier gehandhabt wird.

Ich weiß nicht, warum Sie das so machen, Frau Ministerin. Wir haben auch gehört, dass es einen Leasingersatz für die Flugzeuge geben soll. Bei wem leasen wir? Was sollen wir eigentlich machen? Wir erfahren aus den Medien, dass der Generalstab nicht informiert ist. Wir haben heute von Ihnen gehört, es werden ganz einfach die Posten angepasst. Wir haben aber nicht gehört, dass die Aufgaben angepasst werden. Das heißt, weniger Leute sollten viel mehr arbeiten.

Schauen Sie sich doch bitte das Bundesheer an! Ich weiß, man kann nicht alles wissen, wenn man neu in eine Funktion kommt, gar keine Frage, aber man sollte sich vielleicht doch mit den Grundregeln auseinandersetzen.

Ich werde meine Redezeit nicht ausreizen, denn wir haben heute schon sehr, sehr viel gehört. Es wurde vieles an Begriffen, die das Bundesheer betreffen, erklärt. Wir sind aber nicht da, um hier eine Lehrstunde abzuhalten, sondern wir sollten schauen, dass Österreich und das österreichische Bundesheer funktioniert. Und so leid es mir tut, ich muss noch folgenden Entschließungsantrag einbringen – er liegt Ihnen in schriftlicher Form vor –:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Wolfgang Beer, Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Entlassung der Bundesministerin für Landesverteidigung Tanner“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Interesse der Sicherheit Österreichs dem Bun­despräsidenten vorzuschlagen, die Bundesministerin für Landesverteidigung Tanner zu entlassen und durch eine geeignete Persönlichkeit zu ersetzen.“

*****

Frau Ministerin! Es ist nicht persönlich, es ist rein geschäftlich, wie es so schön heißt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Raggl: Aber super!)

17.19


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Wolfgang Beer, Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag be­treffend „Entlassung der Bundesministerin für Landesverteidigung Tanner“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Ich habe die Parlamentsdirektion gebeten, das Rednerpult zu checken. Inzwischen hat sich Kollege Spanring zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.

Funktioniert das Pult noch?


17.20.27

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Es funktioniert, aber jetzt sind wieder zwei Schrauben hinuntergefallen. – Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn wir heute zwei Anträge gemeinsam eingebracht haben, möchte ich trotzdem eine tatsächliche Berichtigung betreffend die Rede des Kollegen Beer einbringen, weil es mir persönlich wichtig ist, hier die Ehre der Luftstreitkräfte wiederherzustellen.

Es ist natürlich nicht so, dass wir erst starten müssen, wenn ein Flieger über Tirol fliegt, und den dann nicht mehr erwischen, weil er schon wieder aus Österreich draußen ist.


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Es gibt natürlich auch entsprechendes Bodenpersonal, und wenn ein unbekanntes Flugobjekt Richtung Österreich unterwegs ist, dann sind wir schon lange in der Luft, bevor dieses den österreichischen Luftraum erreicht. – Das will ich tatsächlich berich­tigen.

17.21


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Die Parlamentsdirektion wird uns einen Mitarbeiter schicken, der das Rednerpult in Augenschein nimmt und dann hoffentlich auch wieder instand setzen kann.

In der Zwischenzeit ist Claudia Hauschildt-Buschberger als nächste Rednerin zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. – Bitte, Frau Kollegin.


17.21.44

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann nur zustimmen: In den letzten Wochen wurde wirklich sehr viel über das Bundesheer und dessen Zukunft geredet, aber ich glaube, es ist auch dringend notwendig und wichtig, dass wir diese Diskussion führen. Wir müssen sie führen, um Klarheit darüber zu haben, welche Schwerpunkte das Bundesheer in Zukunft haben soll (Bundesrat Rösch: ... die Ministerin!), und dazu braucht es eine grundlegende Analyse nicht nur über den Zustand des Heeres, sondern auch über das Umfeld, in dem das Heer tätig ist.

Es braucht aber auch eine Analyse der Gefahren, denen Österreich und seine Be­völkerung in Zukunft ausgesetzt sein könnte, und da sind auch für mich ganz vorne zu nennen: ein Blackout, Cyberangriffe und immer häufiger werdende klimawandelbedingte Naturkatastrophen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, da ist jetzt natürlich genau ... die Expertin!) Genau für diese Herausforderung muss unser Bundesheer gut gewappnet und natürlich auch ausgestattet sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Eben! Nur, dass die Grünen mit dem Bundesheer nichts am Hut haben wollen, ist nichts Neues! – Bundesrat Steiner: Die wollen wahrscheinlich mit dem Papiersackerl ...!)

Spätestens seit Covid-19 wissen wir, dass auch eine Pandemie eine reale Bedrohung darstellt, die den gesamten Staat und alle Bürgerinnen und Bürger aufs Höchste fordert. Auch da hat das Bundesheer in den letzten Monaten gezeigt, welchen Einsatz es für den Schutz aller Menschen, die hier in Österreich leben, leistet. Dafür möchte ich von meiner Seite auch allen Soldatinnen und Soldaten herzlich danken. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir werden die Frau Ministerin dabei unterstützen, dass das Bundesheer moderner wird, und dabei ist festzuhalten – das wurde auch sehr oft klargestellt –, dass die militärische Landesverteidigung als traditionelle Aufgabe des österreichischen Bundesheeres weiterhin ausgeübt wird – daran gibt es keinen Zweifel! Die Verfassung wurde heute schon mehrfach zitiert, und Artikel 79 des Bundes-Verfassungsgesetzes definiert ja ganz klar, welche Aufgaben vom Bundesheer zu erfüllen sind. Es ist aber unbestreitbar, dass es tatsächlich eine verringerte Gefahr eines direkten militärischen Angriffes auf Öster­reich gibt, und das liegt daran, dass wir inmitten eines Gott sei Dank geeinten Europas liegen. Daher, ich sage es noch einmal, ist es notwendig, dass wir das Bundesheer in Richtung der aktuellen Gefahrenbilder ausrichten. (Bundesrätin Mühlwerth: Und die wissen Sie?!)

An dieser Stelle möchte ich zum einen internationale Friedenseinsätze nennen, den Katastrophenschutz und die bereits angeführten neuen Bedrohungen wie Cyberangriffe, ein Blackout oder eben ganz aktuell eine Pandemie. Wir brauchen die richtigen Ant­worten auf die aktuellen Bedrohungen. Wir Grüne wollen ein Bundesheer, das zukunfts­fähig, kosteneffizient, modern und voll einsatzfähig ist. Dazu muss man auch ehrlich


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sagen, dass es hier ein Zusammenspiel aller staatlichen Kräfte braucht, um eben eine zukunftsfähige Struktur im Bundesheer zu implementieren. Klarerweise wird das nicht allen Personen gefallen, denn es braucht neben einer Steigerung der Synergien auch eine Senkung der Personalkosten, und zwar gerade im Ministerium zugunsten der Truppe, und eine entsprechende Effizienzsteigerung im Bundesheer, aber ohne dass diese negative Einflüsse auf die Handlungsfähigkeit des Bundesheeres nimmt.

Zusammengefasst: Wir wollen die Aufgabe des Heeres in der umfassenden Verteidi­gung der österreichischen Neutralität und der Begegnung moderner Herausforderungen abgesichert wissen. Dabei wird es keine Abwendung von den verfassungsrechtlich verankerten Funktionen des Heeres, sondern eine neue Schwerpunktsetzung bei der Umsetzung der Aufgaben in Abstimmung mit den neuen Herausforderungen, denen das Bundesheer gegenübersteht, geben.

Dafür werden wir uns einsetzen und schauen, dass wir unser Regierungsprogramm Schritt für Schritt umsetzen. Dazu braucht es aber auch uns als BundesrätInnen hier, denn gerade aus den Bundesländern kommt ja oftmals Widerstand. Für ein modernes Heer müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen, und das würde ich mir von allen hier im Raum wünschen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.26


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals. Wir sind mit der Parla­mentsdirektion im Gespräch, um die Sicherheit am Rednerpult zu gewährleisten. Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder wir nutzen das Rednerpult jetzt so, wie es ein­gestellt ist, oder wir unterbrechen für ein paar Minuten, damit die Haustechnik darauf schauen und es allenfalls reparieren kann. (Ruf bei der ÖVP: Wie es eingestellt ist! – Bundesrätin Mühlwerth: Unterbrechen wir ein paar Minuten!)

Bitte, dann würde ich vorschlagen, wir unterbrechen für 10 Minuten. Die Haustechnik schaut einstweilen, dass sie das Rednerpult wieder in Ordnung bringt.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 17.27 Uhr unterbrochen und um 17.38 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf Sie bitten, die Plätze wieder einzu­nehmen.

Die Parlamentsdirektion hat ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. (Bundesrätin Mühlwerth: Geht jetzt wieder alles?) Das Rednerpult sollte wieder voll intakt sein. – Danke vielmals für den Einsatz! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätin Mühlwerth: Bravo!)

Als nächste Rednerin ist Kollegin Marlies Steiner-Wieser zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


17.39.19

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Schutz und Hilfe – das ist der Leitspruch des Bundesheers. Sie als Verteidigungsministerin sollten diesen Leitsatz


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eigentlich vertreten und vorleben, doch leider machen Sie das Gegenteil: Sie verun­sichern, Sie zerstören und demontieren das Bundesheer.

Wissen Sie eigentlich, was im Artikel 9a der österreichischen Bundesverfassung steht und was es bedeutet? – Falls nicht, kann ich Ihnen da ganz gerne auf die Sprünge helfen.

Punkt eins: „Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung.“

Zum Zweiten: „Zur umfassenden Landesverteidigung gehören die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung.“

Auch in § 2 des Wehrgesetzes stehen die vier Aufgaben, welche für das Bundesheer niedergeschrieben sind. Die Aufgaben, welche die Ministerin zu erfüllen hat, sind also ganz klar im Gesetz geregelt, für mein Gefühl aber erfüllen Sie diese nicht. (Ruf bei der ÖVP: Es gibt viel, was ...!)

Wichtig ist Ihnen anscheinend, dass Sie recht oft in der Zeitung, in den Medien vorkom­men. Das hat schon angefangen, als Sie die Dienstgrade gelernt haben – wir haben die Tafel heute schon gesehen. Da haben Sie sich wirklich vor die laufende Kamera gestellt und sich beim Dienstgradelernen abbilden lassen. – Das war ganz ordentlich peinlich.

So geht es mit Ihren Auftritten weiter bis zum Auftritt am 30. Juni im Nationalrat, als Sie über Ihre Strukturpläne, über Ihre Reformen gesprochen haben. Dieser Auftritt war nicht einmal mehr peinlich, er war nur noch zum Fremdschämen. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, so funktioniert Landesverteidigung nicht! Ich habe bis vor der Pause drei Soldaten in Uniform gesehen, niemand Geringerer als der Herr Generalstabschef war dabei. Bitte, wenn Sie es mir nicht glauben, uns allen nicht glauben, fragen Sie diese Herren! Die haben das Soldatensein von der Pike auf gelernt, sie verstehen ihr Hand­werk. Das wäre schön.

Von einem Verteidigungsminister erwarte ich mir, dass er weiß, was Soldaten im Frieden zu leisten haben, und auch, was sie im Ernstfall zu leisten haben. Und wenn wir schon beim Müssen sind, dann verinnerlichen Sie bitte, dass Soldaten bereit sind, ihr Leben zu lassen, dass sie einen Eid darauf geschworen haben, im Fall einer Krise, im Fall eines Notstands das Land, die Heimat und die Österreicher notfalls auch mit dem Leben zu verteidigen.

Ich mache Ihnen nicht den Vorwurf, dass Sie sich nicht auskennen, was ich Ihnen aber sehr wohl zum Vorwurf mache, ist, dass Sie ein Ministeramt angenommen haben, von dem Sie null Tau haben, und ganz offensichtlich von Ihren ÖVP-Kollegen aus dem Bundeskanzleramt ferngesteuert werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Jemanden möchte ich nicht außer Acht lassen: Völlig kompetenzlos werden Sie von Ihrem Generalsekretär im Ressort wie eine Marionette gegängelt und geführt. Ihre Serie von Pleiten, Pech und Pannen zieht sich durch wie ein schwarzer Faden, und überall dort, wo Sie im militärischen Bereich agieren, hinterlassen Sie verbrannte Erde.

Das letzte sogenannte Hoppala geschah Anfang Juli. Anfang Juli haben Sie, Frau Minister, bekannt gegeben, dass Sie keine Nachbeschaffung für die ab 2021 ausran­gierten Saab 105OE vornehmen wollen. Stattdessen wollen Sie so lange am Eurofighter festhalten, bis Sie aus dem Vertrag aussteigen können. – Na das schaue ich mir an! Ich traue mich zu wetten, Sie bekommen nicht einmal einen Termin bei Airbus, denn ich glaube, dass Airbus Sie bereits kennengelernt hat. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Als Begründung für Ihre Entscheidung behaupten Sie, dass Ihre beiden Amtsvorgänger, Minister Doskozil und Minister Kunasek, sich bei der Luftraumüberwachung für ein


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Einflottensystem ausgesprochen haben. – Ich weise das zurück, Frau Minister! Das stimmt nicht! Sie verdrehen da die Tatsachen und ich wehre mich vehement gegen diese Aussage. Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall: Die vom ehemaligen Verteidigungs­minister Kunasek eingesetzte Evaluierungskommission hat ganz klar empfohlen, dass eine Nachbeschaffung für die Saab 105 vorzunehmen ist. Es wäre damit die Piloten­ausbildung ganz leicht gesichert und die Luftraumkontrolle im Unterschallbereich wäre gewährleistet. Es war ja alles vorbereitet. Es war alles vorbereitet!

Es ist allerdings an der ÖVP gescheitert. Die ÖVP hat laufend verzögert. Alle notwen­digen Maßnahmen für die Saab-105-Nachbeschaffung sind 2018 bereits getroffen wor­den, nur die ÖVP ist auf der Bremse gestanden. Seit Sie hier sind, haben wir aber sogar noch einen Rückwärtsgang eingelegt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das österreichische Bundesheer wird leider seit vielen Jahren von der ÖVP nicht sehr gut behandelt. Ich habe einen Vergleich gefunden, zu dem ich hier nichts sagen möchte, nett wäre er aber nicht gewesen. Wie ihr das österreichische Bundesheer in den letzten Jahren und Jahrzehnten behandelt habt: unglaublich.

Oder die Alouette III: 2023 wird sie 53 Jahre alt. Es gibt nicht einmal Ersatzteile dafür, und sie sollte eigentlich schon lange im Heeresgeschichtlichen Museum sein. Auch für die Hubschrauberflotte wurde 2018 eine Sonderfinanzierung auf die Beine gestellt. Es hat gerade Bundesrat Hirczy gesprochen, und ich muss sagen: Das stimmt ja nicht, was Sie vorhin gesagt haben! Minister Kunasek hat 380 Millionen Euro auf die Beine gestellt. Das war auch mit der ÖVP vereinbart, aber umgesetzt wird es nicht! Umgesetzt wird es von der ÖVP nicht, und ich frage mich, wo dieses Geld geblieben ist, denn 380 Millionen Euro sind ja nicht gerade ein Lercherl, oder?

Angedacht ist die Umschichtung der AB 212 von Hörsching. Das nutzt ja weder der Flugstaffel noch dem Militär, und den Bürgern in diesem Land schon gar nicht. Die Verschiebung der Hubschrauber wäre eine Katastrophe für dieses Land.

Wenn ich jetzt einen Schwenk in mein Heimatbundesland, Salzburg, mache, muss ich Ihnen sagen: Auch dort finde ich einiges, was im Argen liegt. Und auch da genügt es mir nicht, wenn Sie über die Medien beschwichtigende Worte bringen, auch da genügt es nicht, wenn Sie Ende Juli bei einer Angelobung sein werden und die Front abschreiten – nein, das genügt nicht. Auch da brauchen wir klare Positionen von Ihnen, nämlich verbindliche Positionen! Es schwebt ein Damoklesschwert über Salzburg: Alle Kasernen in Salzburg sind davon betroffen, dass sie Arbeitsplätze verlieren. – Sie brauchen nicht die Augen zu verdrehen, sondern nur nachzulesen, zu schauen, was dort passiert. Ich zähle Ihnen ein paar Punkte auf – ganz ernst nehmen Sie die Geschichte nicht, glaube ich. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na! Na!)

Auch da würde ich mir von einer Ministerin eine Standortgarantie erwarten. Sie haben vorhin selbst in Ihren Ausführungen gesagt, dass Sie Liegenschaften, die nicht militä­risch genutzt werden, verwerten werden, und genau dagegen verwahren wir Freiheit­liche uns.

Im Südbereich der Schwarzenberg-Kaserne – das trifft wiederum Salzburg – droht der Verkauf von circa 2 Hektar, damit man dort irgendetwas anderes hinbaut. Sie riskieren damit den Verlust von dringend benötigten Ausbildungsplätzen. Wir hätten keinen Platz mehr für die geplante Sicherheitsinsel. Die Kollegin von den Grünen hat es vorhin schon gesagt: Wenn vielleicht wieder - - (Bundesrat Steiner: Das interessiert die Frau Minister gar nicht! Schau, Sie spielt lieber mit dem Handy!) – Na ja, Sie liest nach, ob das stimmt, was ich sage. Sie wird aber draufkommen: Es stimmt. (Zwischenruf des Bundesrates Novak. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist eine Krankheit der ÖVP, vom Bundeskanzler abwärts!) Genau dieser Platz ist 2015/2016 während der Flüchtlingskrise verwendet


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worden. Das möchten Sie jetzt eventuell leichtsinnig mit dem Liegenschaftsverkauf aufs Spiel setzen.

Gehen wir weiter zur Strucker-Kaserne in Tamsweg. Seit Jahren wird der dortige Kader durch ständige Schließungspläne seitens der Politik und der militärischen Führung verunsichert. Die dortige Personalstruktur lässt sich auch nur mit einer Standortgarantie sicherstellen. Gerade im Lungau wäre der Verlust für die Region wirklich ein Wahnsinn, nämlich wenn da Beschäftigungsmöglichkeiten verloren gingen, wenn Arbeitsplätze abwandern würden. Dieser immense Schaden für die Region, ich möchte ihn mir gar nicht ausdenken!

Ebenfalls Lungau, Strucker-Kaserne: der Verlust der Leistungsfähigkeit im Katastro­phen­fall durch den Wegfall der dortigen Großtankstellen und der Entfall, wenn die Miliz zusammengezogen werden sollte – ja wo sollte man denn das machen? – Das alles wird riskiert!

Oder, wieder Schwarzenberg-Kaserne: drohender Verlust der Anteile des Kommandos Streitkräfte, oder wenn man die beiden Luftbrigaden zusammenlegt, kommt es wieder zu einem Verlust der Streitkräfte, also der Kommandos.

Kompetenzverluste in der Wallner-Kaserne in Saalfelden – das zieht sich durch wie ein schwarzer Faden.

Ihren Zickzackkurs, was die Zerschlagung der Landbrigaden betrifft, verstehe ich auch nicht ganz. Wie schaut es denn jetzt tatsächlich aus, zerschlagen Sie die Landbrigaden oder werden im Osten Österreichs vielleicht doch noch zwei weiterbestehen können? Was bedeutet das hinsichtlich der Stärkung der Militärkommanden? – Fragen über Fragen, eine Verunsicherung nach der anderen, Chaos pur! Und Ihre ständigen Rück­zugsgefechte als Ausweg zum Ablenken von den Tatsachen ist wirklich unerträglich geworden. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, Sie sollen ein Militär führen! Sie sollen ein Militär führen und nicht einen Strick- und Häkelkurs, und zu einem Militär gehören eben einmal schwere Waffen. Wahrscheinlich aber – jetzt sind wir wieder bei Ihrem Generalsekretär – hat Sie Ihr Generalsekretär nicht ordentlich darüber aufgeklärt oder informiert, dass bei der schwe­ren Gerätschaft schon jetzt vieles im Argen liegt. Die Panzerabwehr ist bald Geschichte. Der Ulan-Gefechtsturm ist austauschreif. Der Leopard bedarf dringend einer Überholung und hat einen Stand der Technik von gefühlt vor 500 Jahren. Er würde auch schon lange ins Heeresgeschichtliche Museum gehören.

Nun zu Ihrer ach so tollen Budgetplanung. Zuerst habe ich irgendwo gehört: Ja, das Budget ist eh aufgestockt worden. – Ja, es ist minimal aufgestockt worden, um ein bisschen etwas. Das ist ja nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist kurzfristig gedacht, denn 2023, 2024 ist das Bundesheer kaputt! Es ist am Ende, es ist ruiniert! Das Bundesheer kann es sich dann nicht einmal mehr leisten, Schießübungen durchzuführen oder Treibstoff für die Maschinen und Geräte anzuschaffen. Aber natürlich – jetzt bin ich sarkastisch – sind das alles Planungsannahmen, der Generalstab weiß ohnehin Bescheid und die Militärs sind in alle Entscheidungen eingebunden! – Ja, wer das glaubt, heißt Kurz. Ich glaube, Sie glauben nicht einmal selber dran. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei der momentanen budgetären Situation kann man nicht mehr schönreden. Wenn es zu keiner eklatanten Aufstockung des Budgets kommt, dann ist da nichts mehr zu retten. Etwas aber finde ich schon dreist: Ich meine, es ist ja gut, wenn Sie der Miliz geben, ich finde es aber dreist, dass man für die Miliz Geld lockermacht, das medial noch wunderbar ver­kündet, man aber präsente Kader aushungern lässt. Dieses Gegeneinanderaus­spielen von Miliz und dem präsenten Kader ist unerträglich und gehört sich nicht! (Beifall bei der FPÖ.)


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Zu den Kasernen: Haben Sie sich wirklich schon genau angeschaut, in welch desolatem Zustand sie sind? Dort arbeiten Soldaten und die Kasernen sind eine Zumutung par excellence für Ihre über 23 000 Mitarbeiter im militärischen Bereich. In der Privatwirt­schaft hätten Sie schon lange das Arbeitsinspektorat bei sich! Die würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie sehen, unter welch unzumutbaren Bedin­gungen unsere Soldaten und die Grundwehrdiener arbeiten müssen.

Sie haben es vorhin gesagt: „Raumordnungskonzept“. Wissen Sie, wie oft ich das schon gehört habe? (Bundesministerin Tanner: Wir werden es machen!) Immer wieder aber hat die ÖVP, hat der Finanzminister kein Geld dafür lockergemacht. Immer wieder dieses Raumordnungskonzept. Solange es nicht steht, glaube ich Ihnen kein Wort dazu, dass es umgesetzt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Leider haben Sie es verabsäumt, selbst das Zepter in die Hand zu nehmen und mit Ihrem Kanzler und Finanzminister ein ordentliches Budget für das Bundesheer auf die Beine zu stellen, damit das Bundesheer in diesem Land zumindest die Kernaufgaben erfüllen kann. Sie lassen über 23 000 Mitarbeiter im Regen stehen, und nicht nur das! Sie gefähr­den die Souveränität Österreichs und damit einhergehend die Sicherheit der Öster­reicher.

Lassen Sie es bitte nicht so weit kommen, dass unsere Soldaten nur mehr zum Regale­einräumen herangezogen und zu Lagerarbeitern degradiert werden oder dass sie sich und uns alle im Ernstfall nur mehr mit Wattebällchen verteidigen können!

Frau Minister, Sie sind (Ruf: Peinlich!) – peinlich, ja, jetzt kommt es – für mich das Paradebeispiel dafür, warum ich als Frau Quotenfrauen ablehne. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Sie wurden, so wie es sich für mich darstellt, nicht ob Ihrer Qualifikation, sondern, wie es bei mir den Eindruck erweckt, eher ob Ihrer Weiblichkeit in diese Position gehievt (Ruf bei der ÖVP: Jetzt reicht es schon! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), und Sie sind völlig fehl am Platz in dieser Position. (Beifall bei der FPÖ.) Sie sind überfordert, Sie werden nicht ernst genommen, Sie sind völlig fehl am Platz in dieser Position und erweisen uns Frauen sicherlich keinen guten Dienst damit. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Abschließend darf ich mich ganz besonders bei allen Soldaten, welche unter widrigsten Umständen arbeiten müssen, bedanken. Unsere Soldaten nehmen ihre Arbeit ernst und leben tatsächlich den Leitspruch „Schutz und Hilfe“. – Vielen Dank! Es lebe das österreichische Bundesheer! (Beifall bei der FPÖ.)

17.55


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte.


17.55.53

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, die Sie die Sitzung via Livestream verfolgen! Ob Frau Kollegin Steiner-Wieser den Frauen, den politisch engagierten Frauen, mit ihrer Art, hier zu reden, mit ihrer Respektlosigkeit einen großen Dienst erwiesen hat, wage ich zu bezweifeln. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst möchte ich unserer Frau Bundesministerin sehr herzlich danken – danken für das klare Bekenntnis zum österreichischen Bundes­heer (Bundesrat Steiner: Das wird wohl selbstverständlich sein für einen Verteidigungs­minister!), für die klare Strategie, die im Regierungsprogramm für die Zukunft Österreichs


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erstellt wurde, und natürlich auch für die klare, ausführliche und kompetente Beantwor­tung der Dringlichen Anfrage. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Mühlwerth: Na ja! – Bundesrat Steiner: Na ja, kompetent! Da musst selber lachen!)

Es ist Usus hier im Haus, im Anschluss an eine Anfragebeantwortung diese auch zu diskutieren. Ich habe bis jetzt keinen einzigen Redebeitrag zur Beantwortung der Fragen gehört. Ich kenne die Frau Bundesministerin aus unserer gemeinsamen Arbeit in Nieder­österreich schon seit vielen Jahren. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich weiß, dass sie die Letzte ist, auf die das Wort zimperlich anzuwenden wäre, wir führen aber heute hier im Haus einen Diskurs, der für mich schon grenzwertig ist. Parlamentarischer Diskurs, sachliche Auseinandersetzung ist wichtig. So manche spitze Zunge und so manche spitzen Reden sind auch extrem wichtig. Der Anstand aber ist etwas, der auch für dieses Haus sprechen sollte. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Aber ihr seid jetzt die Moralapostel für Anstand!)

Wenn hier mit Unterstellungen gearbeitet wird, mit Untergriffigkeit, mit Respektlosigkeit (Bundesrat Steiner: Das „Luder“ ... Landeshauptmann-Stellvertreter Geisler in Tirol!), mit beleidigenden, herabwürdigenden, frauenfeindlichen und vor allem sexistischen Äußerungen (Bundesrat Steiner: Ihr seid nicht die moralische Instanz hier herinnen!), dann möchte ich das klar zurückweisen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Landeshauptmann-Stellvertreter Geisler in Tirol, „widerwärtiges Luder“ hat er gesagt! Ihr seid nicht die moralische Instanz!)  Lieber Herr Kollege Steiner, ich verstehe deine Aufregung überhaupt nicht! Ich stehe hier als Karl Bader, ich stehe als Person hier (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) und möchte anmerken, dass mir manche frauen­feindlichen, sexistischen, untergriffigen und respektlosen Äußerungen nicht gefallen, und ich habe sie auch noch nie angewendet. Ich weise sie zurück. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: In der eigenen Partei!)

Ich weise sie für jede und für jeden zurück, das möchte ich klar sagen. Ob dieses Niveau hier der Würde des Hauses dient, das soll jeder für sich entsprechend bewerten. Ich sage aber auch klar und deutlich: Unsere politische Arbeit wird auch immer wieder von Meinungsumfragen begleitet (Bundesrat Steiner: Gekauft!) – von Meinungsumfragen, Wahlergebnissen, von Unterschiedlichem. Tatsache ist, ob es der Vertrauensindex ist, ob es Wählerumfragen sind, ob es die Sonntagsfrage ist, ob es die Kanzlerfrage ist und ob es zuletzt das Wahlergebnis bei der Gemeinderatswahl in der Steiermark war, all das zeigt: Das wollen die Menschen nicht und haben sie auch entsprechend beantwortet! (Beifall bei der ÖVP.) – Das möchte ich Ihnen hier auch mitgeben. (Bundesrat Steiner: Der Vertrauensindex der Ministerin ist aber nicht gut!)

Ich sage dir: Mit den Worten, die hier gefallen sind und mit einem niveaulosen Dauer­feuer gegen eine Bundesministerin für Landesverteidigung, die seit sechs Monaten im Amt ist, die fünf Monate bei der Bekämpfung einer Pandemie ganz, ganz engagiert unterstützend gearbeitet hat, machen Sie sich meines Erachtens schon auch ein wenig lächerlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Fragen Sie einmal die Soldaten!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich kann auch die Aufregung dort und da nicht ganz verstehen, und vor allem erschließt sich mir auch die Dringlichkeit dieser Anfrage nicht wirklich. Was die Frau Bundesministerin heute klar und deutlich formuliert und auch vorgetragen hat, ist eins zu eins im Regierungsprogramm enthalten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Am 2. Jänner dieses Jahres wurde das Regierungsprogramm präsentiert. Ich habe den Eindruck, manche haben das vielleicht noch gar nicht mitbekommen. „Aus Verantwortung für Österreich“ steht dabei, und für die Verantwortung für Österreich steht auch die Umsetzung eines gemeinsam erarbeiteten Regierungsprogramms. Das ist das Thema, das ist die Aufgabe der Frau Bundesministerin.


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Wenn wir jetzt auch hier schon einige Redebeiträge zur heutigen Dringlichen Anfrage gehört haben, eine Idee, wie man es besser machen könnte, war keine einzige dabei. (Bundesrat Steiner: Dann hast du nicht zugehört!) Ich lade daher alle Kolleginnen und Kollegen ein, gemeinsam mit der Frau Bundesministerin die Herausforderungen der Landesverteidigung und auch die neuen Herausforderungen anzunehmen, gemeinsam zu bewältigen, sodass wir in Österreich auch in Zukunft in einem der sichersten Länder dieser Welt leben können. (Bundesrat Steiner: Zuhören! Mit einem neuen Minister! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Dazu lade ich ein, und dazu sind auch Ihre Ideen gefragt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Grimling: Er ladet ein!)

18.02


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundes­rat Günther Novak. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.02.13

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man jetzt nach doch immerhin 2 Stunden als neunter Redner an die Reihe kommt und genau zugehört hat, so hat man heute von den eigenen Koalitionsparteien nicht sehr viel Schmeichelhaftes über Sie gehört.

Ich habe auch in der Vergangenheit ein paar Zeitungsartikel gesammelt, und auch dort war über Sie nicht viel Schmeichelhaftes zu lesen: „Sonderbarer Zickzackkurs“ und „Tanner baut Bundesheer zum technischen Hilfswerk um“ waren ja noch harmlose Überschriften, die in den Zeitungen gestanden sind. (Bundesrat Steiner: In der „Krone bunt“!) Ein Redakteur einer bekannten Zeitung schreibt: „Warum Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ohne Not mit einem offenbar unausgegorenen Reformkonzept fürs Bundesheer an die Öffentlichkeit ging, erschließt sich nicht einmal Insidern.“

Ich frage mich, warum. (Bundesrätin Mühlwerth: Ablenkungsmanöver!) Ich schätze Sie so ein, dass Sie erstens knallhart sind. Herr Bader hat das insofern bestätigt, dass er gesagt hat, Sie sind nicht zimperlich. Oder habe ich das falsch verstanden? – Nein, ich glaube nicht. (Bundesrat Bader: Das habe ich gerade gesagt! Da stehe ich auch dazu!) – Das ist ja auch nichts Schlechtes.

Zweitens schützen Sie den Bundeskanzler in dieser Zeit. Es sind ja doch einige Dinge passiert, die nicht so waren, wie er sich das vorgestellt hat. Oder war es in dieser Covid-Krise der Drang, in die Öffentlichkeit zu gehen, weil halt doch immer nur wenige Bun­desminister in Pressekonferenzen aufgetaucht sind und viele Ministerinnen ruhiggestellt worden sind?

Das eine und das andere schließen sich im Grunde genommen nicht aus, weil Sie selbst in Ihrem Eingangsstatement festgestellt haben: Jede Veränderung führt zu Irritationen, und es ist nicht leicht. – Das ist grundsätzlich ja auch verständlich.

Was aber ich und, ich glaube, viele Leute nicht verstehen, ist: Warum, wenn ich in die Öffentlichkeit gehe, spreche ich mich nicht mit dem Bundespräsidenten aus? Warum spreche ich mich nicht vorher mit dem Nationalen Sicherheitsrat aus, und warum spreche ich mich nicht mit dem Generalstab aus, der halt immer noch dazugehört? Das ist meine Frage. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Dazu muss man wissen, wer Oberbefehlshaber ist!)

Da muss ja irgendwo ein Fehler passiert sein, oder Sie sind wirklich so knallhart und haben gesagt: Jetzt brauche ich diese Darstellung, damit man vom Bundesheer endlich einmal in der Öffentlichkeit hört, und ich bin der Chef – und sonst niemand anderer –, der das einfach so machen will. Okay, es ist so, man muss es akzeptieren.


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Das Zitat geht weiter: „Dass die angeblich so staatstragende ÖVP mit dem Bundesheer wenig am Hut hat, zeigt ein Blick auf die letzten 30 Jahre. Im Koalitionsabkommen wurde ein weiterer Abverkauf schwerer Waffen beschlossen.“ – Da treffen sich ÖVP und Grüne wieder. Über die Grünen hat ja heute im Grunde genommen niemand geredet, aber sie sind ja der Koalitionspartner. Wenn ich Stögmüller David, der ja jahrelang bei uns hier gesessen ist, oft einmal im Fernsehen wie ein scheues Rehlein herumspringen sehe, dann frage ich mich: Was tragen die Grünen eigentlich zu dieser Situation bei? (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Nichts!) – Nichts!

Zusammenfassend muss man eigentlich feststellen: Der Zustand des österreichischen Bundesheeres – das ist heute immer wieder gesagt worden – ist zweifelsohne besorg­nis­erregend. Das war er ja auch schon davor. Seine verfassungsmäßig auferlegten Aufgaben können heute sicher nicht mehr in vollem Umfang erfüllt werden. Es fehlen dazu das notwendige Geld und die entsprechende Ausrüstung. Das sind alles Wieder­holungen, die wir jetzt 2 Stunden lang gehört haben.

Der Begriff der militärischen Landesverteidigung ist zudem neu zu definieren, und die Rahmenbedingungen sind an das 21. Jahrhundert anzupassen. Die Bedrohungsbilder haben sich in den letzten Jahren deutlich geändert – auch das haben Sie, Frau Bundes­ministerin, und auch viele Redner gesagt –, und die Prioritäten sind teilweise in Richtung Katastropheneinsatz, Cyberkriminalität, Pandemien, Blackouts, Terror und so weiter auszurichten.

Man sollte aber immer wieder – und das ist, was Ihnen halt immer wieder vorgeworfen wird – diese militärische Landesverteidigung miteinschließen und in den Vordergrund stellen, denn das ist das, womit sich die Österreicherinnen und Österreicher vor allem auch identifizieren.

Wie Sie schon gemerkt haben, schneide ich immer gerne ein bisschen Zeitungsartikel aus. Ich bin Kärntner – das haben Sie sicher schon gemerkt –, und Sie haben mit unse­rem Landeshauptmann gesprochen. Ich habe auch mit unserem Militärkommandanten gesprochen. Wir sind ja föderalistisch und eigentlich für unsere Bundesländer da, deswegen stehe ich ja am Rednerpult.

Sie sagen, dass Katastropheneinsätze und Ähnliches weiter im Vordergrund stehen, und wir wissen alle, was so alles in letzter Zeit passiert ist, welche Wetterprobleme wir hatten, wie viel Regen und Muren und Niederschläge wir Jahr für Jahr mit Millionenschäden bei uns in Kärnten hatten. Jetzt haben wir bei uns Richtung Hohe Tauern und dann wieder im Unterland oder in Mittelkärnten diesen Hubschrauberstützpunkt. Ich weiß nicht, wie es in anderen Bundesländern ist, aber wir in Kärnten stellen die Infrastruktur bereit. Der Stützpunkt ist leider Gottes nur temporär besetzt, deswegen würden wir uns einfach nur wünschen, dass wir nicht nur wochen- oder tageweise einen Hubschrauber samt Piloten haben, sondern dass es dort einen ständigen Einsatz gibt.

Wenn ich lese, dass Generalstabschef Robert Brieger eigentlich festgestellt hat – und das ist ja heute auch schon öfters gesagt worden –, dass Hubschrauber angekauft werden, dann sage ich, würden wir uns in Kärnten wünschen, dass wir einen fixen und ständigen Stützpunkt haben, damit wir wirklich – ich bin ja als Bürgermeister selbst auch bei der Bergrettung und bei der Feuerwehr – bei Bränden, bei Lawinen, bei Muren – und was es halt alles gibt – schnell mit dem Bundesheer gemeinsam dort tätig werden können. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es ist heute auch über das Budget gesprochen worden. Wir brauchen nur nach Deutsch­land zu schauen, was Trump mit Deutschland aufführt, weil diese Summen, was die Nato anbelangt, nicht bezahlt werden. Wir werden auch nicht 1 Prozent des BIPs zahlen können, aber wir haben immer davon gesprochen, dass es rund 3 Milliarden Euro sein


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sollten, die wir realistischerweise zur Verfügung stellen, damit wir uns diese Kampf­pan­zer oder Flugzeuge – auch das ist heute sehr ausführlich besprochen worden: sie sind in weiterer Folge als Kampfflugzeuge zu bestücken – leisten können.

In der Bestandsaufnahme „Unser Heer 2030“ steht: „Werden die Abfangjäger nicht ent­sprechend ihrer Aufgabe ausgerüstet“, wäre außerdem die „Souveränität des Luftrau­mes“ aufgegeben. Es ist klar, dass das passieren wird, wenn es so läuft, wie es derzeit ist, wenn wir dem Ganzen nicht entgegenwirken.

Vielleicht auch noch einen Satz zur Miliz: Da bin ich nicht ganz mit allem, was gesagt worden ist, einverstanden, denn die 200 Millionen Euro, die da eingesetzt werden, sind ja nicht so wenig Geld. Das ist, sage ich jetzt einmal, ein Etappenziel, das man erreicht hat. Es wird wahrscheinlich schon noch mehr dafür brauchen, aber es werden in den nächsten zwei, drei Jahren – und das sollte man einfach nicht verheimlichen – Schutzausrüstungen, Nachtsichtgeräte angeschafft.

Über die unterschiedliche Besoldung der Soldaten – das muss man auch sagen – hat es einen Mordsaufruhr geben. Die Soldaten beziehungsweise jene, die zur Miliz einge­rückt sind, sind unterschiedlich besoldet worden. Ich meine, das geht nicht, das ist ein Wahnsinn! Das ist eigentlich unvorstellbar. Ich glaube aber, dass wir schon in die richtige Richtung denken. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sie sagen, Sie haben in Kärnten auch mit Landeshauptmann Peter Kaiser darüber gesprochen. Seit 2004/2005 reden wir darüber, dass die Hensel-Kaserne neu gebaut wird und die anderen zwei Kasernen dann mit dieser Pionierkaserne zusammengelegt werden. Das ist auch der richtige Weg. Sie müssen sich aber vorstellen, dass wir irgend­wann einmal ungeduldig werden, wenn versprochen, versprochen, versprochen wird und schlussendlich nichts passiert. Das ist unbedingt notwendig. Ich nehme das heute so mit nach Hause, wie Sie das gesagt haben: Es wird gebaut – so haben Sie es uns in Ihren Ausführungen mitgeteilt, und ich gehe jetzt davon aus, dass das auch so ist. (Bundesrat Schennach: Aber die Leute haben nichts gesehen!)

Versuchen wir gemeinsam im Sinne unserer Verfassung und zum Wohle der Bevölke­rung, die zukünftigen Aufgaben des Bundesheeres ehrlich und zeitgemäß zu definieren und die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um alle Bereiche hundertprozentig auszuüben, was immer dann auch übrigbleibt.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Verlassen Sie Ihren Zickzackkurs, der hat Sie nämlich in diese Bredouille gebracht, in der Sie jetzt sind, und kehren Sie wieder zur militärischen Landesverteidigung zurück, auch damit wir im Ausland wieder ernst ge­nommen werden und das Bundesheer als Partner angesehen wird. Das sind wir vor allem unseren Soldatinnen und Soldaten schuldig, damit nicht das passiert, was San Marino passiert: dort gibt es nämlich ein Heer mit Pfeil und Bogen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

18.12


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Kollegin.


18.13.02

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die jetzt vielleicht via Livestream zuschauen! Anstand, Herr Kollege Bader, sollte die Frau Minister gegenüber den Soldaten zeigen, indem sie nämlich für Sicherheit und auch für Planbarkeit sorgt. Das vermissen wir bislang. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)


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Sie unterstellen meinen Kollegen, dass ihre Wortmeldungen Wahlprognosen geschuldet sind: Herr Kollege, das haben wir alles schon einmal gehabt! Die ÖVP hatte in Wien 9 Prozent, sie hatte nicht einmal einen Bundesrat aus Wien. Die Grünen sind aus dem Parlament geflogen, jetzt haben sie wieder eine Hochphase. Ja, Gratulation! Das kann sich aber auch wieder ändern und das wird sich auch wieder ändern. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man so agiert, wie es die Frau Minister macht, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn man gezaust wird und wenn man im Kreuzfeuer der Kritik steht. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Frau Minister, ich habe mir ja schon angehört, was Sie im Nationalrat gesagt haben, und denke mir heute, ich habe ein Déjà-vu. Die Rede, die Sie hier gehalten haben, ist bis auf wenige Ausnahmen – da Sie die Sätze umgestellt haben – genau die gleiche, die Sie auch im Nationalrat gehalten haben. (Bundesrat Steiner: Copyright! – Bundesrat Bader: Ihre Dringliche Anfrage war auch wie im Natio­nalrat!) Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, im Bundesrat eine etwas andere Rede zu halten, auch wenn mir bewusst ist, dass natürlich das, worum es geht, dasselbe geblieben ist. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Ihre Dringliche Anfrage war wortident mit dem Misstrauensantrag!)

Wenn bisher noch leise Zweifel bestanden haben sollten, ob die Frau Minister geeignet ist oder nicht, sind sie spätestens jetzt zerstreut, denn was Sie gesagt haben, ist ja überhaupt nichts Greifbares. Herr Kollege Bader sagt, es gibt keinen einzigen Vorschlag der Opposition, wie man es besser machen könnte. Herr Kollege Bader, lesen Sie nach, was die Freiheitliche Partei seit Jahren sagt, und dann wissen Sie, was wir wollen! (Bun­desrat Bader: In der Diskussion!) Von der Frau Minister haben wir schöne Worte gehört, aber letzten Endes sind es Sprechblasen ohne jeden Inhalt. (Bundesrat Steiner: Türkise Sprechblasen!)

Ich will der Frau Minister auch gar nicht alles alleine anlasten. Das geht auch nicht, sie ist gerade einmal seit einem halben Jahr im Amt. Ich habe nicht vergessen, dass die SPÖ nicht immer der große Freund des Bundesheeres war. Es war die SPÖ, die die Wehrpflicht der Grundwehrdiener runtergefahren hat. Das war ein absoluter Fehler, und das haben wir auch immer gesagt. (Bundesrat Schennach: Das ist 60 Jahre her!) Es gab dazwischen Kollegen Platter von der ÖVP, der auch einen Gutteil dazu beigetragen hat, dass das Bundesheer in dem Zustand ist, in dem es heute ist. (Beifall bei der FPÖ.) Dabei wurde ihm von seinen Nachfolgern Darabos und Klug assistiert, wobei Klug eben nur so heißt und nicht klug war. (Beifall bei der FPÖ.)

Es stellt ja niemand in Zweifel, dass es heutzutage auch noch andere Bedrohungen gibt. Wir wissen, dass es die Cyberbedrohung gibt, wir wissen, dass es Terroranschläge geben kann und möglicherweise auch geben wird. Wir haben nicht vergessen, wie die Situation 2015 war, als ein Migrantensturm Österreichs Grenzen gestürmt hat. Das ist jederzeit wiederholbar. Am Westbalkan formiert sich ja schon wieder die nächste Truppe. Das ist uns alles bewusst. (Bundesrätin Schumann: Wegen der Wienwahl!) So zu tun, als ob es jetzt nur noch diese Bedrohungen gäbe, ist einfach eine falsche Annahme.

Dazu empfehle ich Ihnen, den Bericht Ihres Vorgängers Starlinger, der der Verteidi­gungs­minister der Expertenregierung war und in keiner Weise verdächtig ist, auch nur annähernd den Freiheitlichen nahezustehen, wirklich genau zu lesen. (Bundesrat Steiner: Eher den Grünen!) Er schreibt in diesem Bericht, dass man nicht ausschließen kann, dass es auch konventionelle Bedrohungen geben kann und es diese wahrscheinlich auch geben wird, weil die Lage insgesamt nicht stabiler geworden ist.

Sie reden aber so, wie viele hier in diesem Haus: Na, wir sind ja so ein friedliches Europa! Diese Europäische Union ist die gemeinsame Klammer für ein friedliches Europa, und da kann überhaupt nichts mehr passieren! – Das kann sich als fataler Irrtum


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herausstellen. Ihr Interview, das Sie anlässlich der Vorstellung Ihrer umfassenden Refor­men des Bundesheeres gegeben haben – das muss ich Ihnen schon sagen –, war von Hilflosigkeit und von Peinlichkeit dominiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Novak hat ja schon eine Vermutung geäußert, warum Sie ohne jeden Plan und auch ohne jede Not diesen Reformplan zu dieser Zeit präsentiert haben, denn Sie mussten ja dann wieder zurückrudern. Ja, vielleicht – diese Vermutung haben wir ja auch geäußert – war das ein Ablenkungsmanöver, weil damals gerade Kurz im Unter­suchungsausschuss zu Ibiza befragt worden ist. Vielleicht war es Ihr Auftrag, ordentlich für Wirbel zu sorgen, damit ein bisschen von Kurz und seiner Rolle abgelenkt wird.

Was sagt denn der Bericht von Starlinger? – Starlinger möchte übrigens – aufpassen, liebe SPÖ! – die Verlängerung des Wehrdienstes auf wieder acht Monate, weil er völlig richtig sagt, dass wir nur mit einer attraktiven Ausbildung im Grundwehrdienst auch motivierte Soldaten bekommen werden. (Beifall bei der FPÖ.) Und er sagt, das Budget ist vorerst einmal auf mindestens 1 Prozent des BIP zu erhöhen. Das sagt die FPÖ seit 20 Jahren, und seit 20 Jahren gelingt es nicht, auf 1 Prozent zu kommen. In Wirklichkeit sagt Starlinger in seinem Bericht aber auch, dass wir langfristig gesehen auf 3 Prozent kommen müssen. Wenn Sie sich Europa anschauen: Alle europäischen Länder schauen, dass ihre Armeen und ihre Armeefahrzeuge in Ordnung sind. Nur in Österreich funk­tioniert das nicht. Das kann es nicht sein! Wir sind wehrlos, können unserem Auftrag – den Sie ja auch schon zitiert haben –, nämlich einer umfassenden Landesverteidigung in keiner Weise mehr nachkommen.

Das kritisiert ja auch Starlinger, dass bei uns die Gerätschaft komplett am Ende ist. Das sind ja jetzt nicht nur die Saab und der Radpanzer, sondern das gilt auch für die Lkws. Wir können ja Soldaten zum Teil nicht einmal von A nach B transportieren, denn wir haben zu wenig Lkws, da die Hälfte davon schon wieder kaputt ist.

Für die Flugzeuge – das ist ja auch so eine Neverending Story, da hat Darabos geglaubt, er macht mit den Eurofightern den Deal aller Zeiten, was sich ja als Rohrkrepierer herausgestellt hat – werden wir bald überhaupt keine Piloten mehr haben, die werden auch woanders hingehen (Bundesrätin Schumann: Bei der Flugsituation wird es nicht ganz einfach sein!), denn wenn man kein Übungsgerät hat – und das ist ja bei den Saab so –, dann kann man es vergessen. – Kollegin Schumann, Sie zeigen ja eh, dass die Liebe der SPÖ zum Bundesheer halt auch nur zeitweise eine ist, sagen wir es einmal so. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf jetzt ein bissel aus dem Bericht zitieren – nur damit ihn auch jene, die ihn nicht lesen wollten, kennen –, es sind nur ein paar Auszüge, ich empfehle aber, den gesamten Bericht zu lesen:

„Zeitgemäße militärische Landesverteidigung ist die Abwehr souveränitätsgefährdender Angriffe auf die Republik Österreich zu Land, in der Luft, im Cyberspace und im Infor­mationsumfeld.“ Das Bundesheer „kämpft gegen hybride Bedrohungen im Rahmen der Schutzoperation“.

Das ist ja auch in Ordnung so, das entbindet uns aber nicht der Aufgabe, dass wir auch auf konventionelle Waffen setzen müssen. Weiters sagt er: „Ohne entsprechende Maß­nahmen drohen Österreich erhebliche politische und militärische Risiken.“ Er spricht von der Schutzlosigkeit der Österreicher einerseits, aber auch der Soldaten andererseits und meint in dem Bericht:

„- Gefährdung der österreichischen Soldaten durch mangelnde Ausbildung und Aus­rüstung,

- Verlust der Fähigkeit zur Teilnahme an internationalen Friedens- und Stabilisierungs­einsätzen,


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- Nichterfüllung der verfassungsmäßig festgeschriebenen Neutralitätsverpflichtungen  auch durch mangelnde Befähigung zur Sicherung des österreichischen Luftraumes“.

Wir können jetzt noch 100 Jahre über Eurofighter – oder welches Gerät auch immer – ja oder nein diskutieren: Die Luftüberwachung ist ein Teil unserer Verpflichtung. (Beifall bei der FPÖ.)

Letztendlich kommt der Bericht zu dem Schluss, dass eine  „europapolitische Isolierung und Ausschluss aus der ‚Ständig Strukturierten Zusammenarbeit‘ [...] durch Nichtein­haltung der von der österreichischen Bundesregierung eingegangenen Verpflichtungen“ droht.

Das, was da im Bericht noch besonders kritisiert wird: All das kann man ja nur tun, wenn man das entsprechende Gerät hat. Ein modernes Gerät, ein einsatzfähiges Gerät und Soldaten, die darauf ausgebildet sind, das dauert ja auch seine Zeit. All das vermissen wir, all das sagen wir seit Jahren. – Ungehört verhallt es.

Zum Schluss sagt der Bericht auch, dass sich der Personalstand in den letzten 20 Jah­ren von 26 000 auf 21 000 verringert hat. Wenn ich es richtig im Gedächtnis habe, waren Sie es, die gesagt hat, wir brauchen nicht so viele Soldaten, Sie haben die Pensionie­rungswelle angesprochen und gesagt, man muss ja nicht alle nachbesetzen.

Nein, das stimmt nicht! Wir brauchen diese Soldaten, wir brauchen nicht weniger Sol­daten, wir brauchen mehr Soldaten (Beifall bei der FPÖ), damit das österreichische Bundesheer seinem Auftrag nachkommen kann. Nichts von dem, Frau Minister, wirklich nichts von dem – darum müssen Sie sich die Kritik auch gefallen lassen  haben wir in Ihrem tollen Reformpaket gesehen.

Das sage ich Ihnen jetzt, Frau Minister, es gibt das sogenannte Peter-Prinzip. Für alle, die es nicht kennen oder wieder vergessen haben: Was sagt das Peter-Prinzip? Das Peter-Prinzip sagt, in einer Hierarchie wird jeder so lange befördert, bis er die Stufe seiner Inkompetenz erreicht hat. Frau Minister, ein halbes Jahr nach Ihrer Angelobung haben Sie diese Stufe erreicht, daher kann ich Ihnen nur raten: Nehmen Sie den Hut und sagen Sie Adieu! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

18.25

18.25.39


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Wolfgang Beer, Kolle­ginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „keine Schließung von Kasernen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen. (313/E-BR/2020)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Wolfgang Beer, Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kol­legen auf Fassung einer Entschließung betreffend  „Entlassung der Bundesministerin für Lan­desverteidigung Tanner“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag ab­stimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (314/E-BR/2020)


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 83

18.26.59 Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 8 bis 10 fort.

Die Berichterstattung ist bereits erfolgt.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Bitte, Frau Kollegin.


18.27.30

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherIn­nen zu Hause via Livestream! Die gesamte Welt ist aufgrund der Covid-19-Pandemie in eine schwere wirtschaftliche Krise geschlittert. Diese Krise macht auch um Österreich keinen Bogen, trotzdem können wir behaupten, dass Österreich bisher besser als andere Länder durch die Coronakrise gekommen ist.

Das war und ist durch zielgerechte Maßnahmen, welche die Bundesregierung gesetzt hat, möglich. Ich denke dabei an die gesundheitlichen Maßnahmen, das Rettungspaket für besonders hart betroffene Branchen, das Entlastungspaket für Niedrigverdiener und Familien, sowie an das Investitionspaket. Heute wurden das Konjunkturstärkungsgesetz und das Investitionsprämiengesetz beschlossen, mit denen das Comeback für Öster­reich weiter vorangetrieben und Zuversicht und Optimismus verbreitet wird, aus dieser Krise gestärkt hervorgehen zu können. Zu Beginn daher ein Dankeschön, sehr geehrter Herr Finanzminister, ein Dankeschön für deinen Einsatz aus Verantwortung für Öster­reich. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Regierungsprogramm sieht im Abschnitt Entbürokratisierung die Umsetzung der Regulatory Sandboxes vor. Diese Gesetzesänderung sowie zwei Abänderungen von Doppelbesteuerungsabkommen betreffen die Tagesordnungspunkte 8 bis 10, die unter einem verhandelt werden. Ich werde mich auf die Änderung des Finanzmarkt­aufsichts­behördengesetzes beschränken. Um welche Änderungen geht es hier konkret? – Es geht um die Einführung von Regulatory Sandboxes, also sozusagen um regulatorische Sandkästen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Politik und Finanzwirtschaft sind natürlich keine Sandkastenspiele, trotzdem kann man zu den Sandboxes eine gewisse Verbindung herstellen. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Sandkisten verbinden wir mit Kindheitserinnerungen. Wir waren im Sandkasten kreativ, haben Sandburgen gebaut, immer höher, immer größer und irgendwann ist die ganze Burg in sich zusammengebrochen. Wir haben von vorne begonnen, allerdings mit etwas mehr Zurückhaltung, mit der Zugabe von mehr oder weniger Wasser, haben uns vielleicht auch Tipps von Spielkameraden geholt, und dann ist die Sandburg irgendwann in voller Pracht gestanden und hat auch gehalten. Und da ist die Verbindung zu den Sandboxes.

Das Sandbox-Modell eröffnet Unternehmen im Finanztechnologiebereich die Möglich­keit, in Entwicklung stehende Geschäftsmodelle in enger Zusammenarbeit mit der Finanzmarktaufsichtsbehörde zu erproben. Zudem wird in Zusammenarbeit mit der FMA analysiert, welche Potenziale und Risken in diesem Geschäftsmodell stecken. Am Ende dieses Prozesses, dieser Zusammenarbeit sollte der Erwerb der notwendigen Konzes­sionen stehen. Außer Frage steht, dass die Finanzwelt einen grundlegenden Wandel durchlaufen wird beziehungsweise schon durchläuft.


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Das Sandbox-Modell soll insbesondere Innovationen im öffentlichen Interesse fördern und Rahmenbedingungen für eine sichere, funktionierende und moderne Wirtschaft schaffen. Es soll bei den Sandboxes zu keiner Herabsetzung regulatorischer bezie­hungs­weise aufsichtsbehördlicher Anforderungen kommen. Für die Umsetzung dieser Sandboxes sind bis zu fünf Teilnehmer und 500 000 Euro jährlich geplant. Ein Beirat soll die FMA bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Sandboxes unterstützen. Die jeweiligen Expertinnen und Experten aus der FMA sollen die Prozesse begleiten und unterstützen.

Innovative Ideen werden unterstützt und Innovation wird ermöglicht. Deshalb soll das Modell nicht als Bevormundung durch den Staat, sondern als riesige Chance für die Unternehmen gesehen werden. Mit der Einführung der Regulatory Sandboxes schaffen wir Vertrauen und Rechtssicherheit für die Unternehmen, aber natürlich auch für die Kundinnen und Kunden. Um Innovationen zu begünstigen und den Standort Österreich zu stärken, ersuche ich Sie namens meiner Fraktion, dieser Gesetzesänderung zuzu­stimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.32


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.33.02

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Bezüglich der nun zur Abstimmung stehenden Novelle des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes hat meine Vorrednerin, Kollegin Mattersberger, schon ausführlich auf die Details hingewiesen. Ich möchte daher jetzt nicht inhaltlich wiederholen, wie dies mit den Sandboxen funktio­nieren soll.

Wir Sozialdemokraten werden diesen Antrag auch unterstützen, da dies zukünftig den Behörden die Möglichkeit bietet, sich neue Geschäftsmodelle am Finanzmarkt näher anzusehen. Diese Novelle bietet einerseits einen Lerneffekt für die Finanzaufsicht und andererseits Rechtssicherheit für die Anbieter am Finanzmarkt. Was zu bekritteln ist: Die FMA berichtet zukünftig quartalsmäßig und schriftlich an den Bundesminister für Finanzen, jedoch nicht dem Parlament oder gar der Öffentlichkeit. Die FMA erhält jedoch Finanzmittel des Steuerzahlers vom BMF als Förderung für diese Sandbox in der Höhe von 500 000 Euro jährlich. Dies würde, so denken wir, mehr Transparenz rechtfertigen, wie sie auch in der Vergangenheit ja immer wieder vonseiten der grünen Fraktion einge­fordert wurde.

Diese an sich vernünftige Methode hätte daher durchaus etwas transparenter in der Umsetzung sein können. Zu bemängeln ist auch, dass verbraucherrechtliche Auswirkun­gen nicht untersucht werden sollen. Das sollte auch in der Zusammensetzung des Beirates, der ja, wie gesagt, aus ehrenamtlichen Vertretern des BMF, des BKA, der FMA, der Oesterreichischen Nationalbank und Experten bestehen soll, berücksichtigt werden.

Lassen Sie mich noch kurz zu den Doppelbesteuerungsabkommen mit den Republiken Tadschikistan und Ukraine kommen! Das Abkommen mit der Republik Tadschikistan hat es doch in einer Rekordzeit von satten sieben Jahren geschafft, einen Schreibfehler oder ein Wordingproblem in der tadschikischen Verfassung auszubessern. Deutlich schneller ist das Protokoll zur Anpassung des DBA mit der Ukraine realisiert worden. Es verhindert die Auslegung des Abkommens in Richtung von Doppel-, Nicht- oder Niedrigbesteue­rung, ebenso wird ein dem OECD-Standard entsprechend umfassender Informations­austausch vereinbart.


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Das ist gut so, daher stimmen wir – wie bereits eingangs erwähnt – allen drei Anträgen zu. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

18.35


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.36.06

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der Ukraine, was natürlich sinnvoll ist. Wir stim­men übrigens allen drei Gesetzen zu.

Es ist gerade für jene interessant, um bei der Ukraine, dem größten Binnenland Europas zu bleiben, die in der Ukraine ihr Einkommen versteuern wollen und kraft ihres Unter­nehmens vielleicht auch müssen, denn die Einkommensteuer beträgt dort 18 Prozent flat für alle, die Körperschaftsteuer gleichfalls 18 Prozent, die Unternehmensdividende 6 Prozent, also eigentlich ein Paradies für die Unternehmerschaft und auch für jene Privaten, die dort ihren Lebensmittelpunkt im Welteinkommen haben wollen.

Problematisch ist sicherlich die Rechtsunsicherheit. Das ist eigentlich das Problem schlechthin, ist aber, das muss man ganz offen sagen, einer falschen Außenpolitik der Amerikaner geschuldet. Als Barack Obama allen Ernstes so um das Jahr 2008/2009, als diese Auseinandersetzungen mit Russland begonnen hatten, in der Ukraine Nato-Raketen, auf Russland gerichtet, stationieren wollte, dass sich da Russland auf den Schlips getreten fühlte: na no na! Das Ende kennen wir: zehn Jahre Bürgerkrieg, bis heute kein Ende in Sicht. Die neue Präsidentschaft versucht das Beste, schauen wir, wie es weitergeht. Für Österreich ist es sicherlich ein interessantes Land, 1 000 Kilometer östlich von Wien, das ehemalige Galizien, Lwiw, Lemberg, hat sicherlich Zukunfts­aus­sicht, aber, wie gesagt, diese Rechtsunsicherheit wiegt halt schwer.

Zum Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz: Das ist noch ein Gesetz – es war in Vor­bereitung – aus der alten türkis-blauen Regierung. Es ist natürlich grundvernünftig, es freut mich, dass die Grünen das eins zu eins übernehmen – auch ihr lernt offen­sichtlich dazu. Es ist vor allem für Start-ups besonders interessant. Es geht darum, Geschäfts­modelle, sogenannte Planspiele im kleinen Bereich, also in sogenannten Sandkisten zu simulieren. Das Format kommt aus Großbritannien und alles, was in der Finanzwirtschaft aus Großbritannien kommt, ist sicherlich nicht schlecht.

Es geht um die Zukunft der Fintechs, das technische Segment mit der größten Zukunfts­chance und -hoffnung, in Form der Digitalisierung, da zeigt sich der Dritte Markt, zum Beispiel in Deutschland, wo sich neue Start-ups präsentieren können: Jedes dritte Unternehmen ist ein Fintech-Unternehmen.

In Österreich wurde der direct market an der Wiener Börse eingerichtet. Die FMA ist ja auch die Oberaufsicht der Wiener Börse, in diesem Sinne ist es auch eine Vorbereitung, eine eventuelle Vorbereitung oder Möglichkeit, dass jene jungen Unternehmen, die in der Sandkiste praktisch das Gehen lernen, sich später einmal vielleicht an diesen direct market und direct market plus an der Wiener Börse etablieren können.

Gerade die jetzige Geldschwemme zeigt ja, wohin das Geld wandert. Es ist ja nicht so, dass es wirklich in die Wirtschaft oder zu den Menschen wandert, sondern es ist so, dass dieses Geld in die Börsen wandert. Es ist ja allen Ernstes so, dass der amerikanische Dow-Jones-Index und der DAX wieder an den Höchstständen kratzen, obwohl wir die größte Wirtschaftskrise aller Zeiten haben. Das zeigt ja, dass die Menschen gar nicht wissen, was sie mit diesem vielen Geld, mit dieser Geldschwemme machen sollen, als sie entweder in Immobilien zu veranlagen – die Immobilienpreise in Wien sind bereits


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bei etwa 15 000 Euro pro Quadratmeter; das ist ja völlig jenseitig! – oder es in die Börsen hineinlegen, um die Börsen zu befeuern. Das alles ist im Inflationsindex leider nicht ausgewiesen, daher stimmt das ja hinten und vorne nicht, wenn die Inflation bei 0,5 oder 0,6 Prozent ausgewiesen wird.

Die Frage ist, wohin die Reise geht. Das wird die große Frage sein. In Österreich ist nur zu bemerken, dass der ATX bei Weitem noch nicht die Höchststände von vor Februar 2020 erreicht hat, ein Zeichen, dass die Bevölkerung, nämlich die Investoren, sich erinnert, was diese Bundesregierung der Wirtschaft angetan hat, und ihr nicht glaubt, wie sie die Wirtschaft wieder hochfahren will. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.40


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.40.29

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Werter Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon viel von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt. Es geht also um die Vermeidung von Doppel­besteuerung und die Verhinderung von Steuerumgehung im Bereich von Steuern vom Einkommen und Vermögen in Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Ländern Tadschikistan und Ukraine.

Es besteht da der Bedarf einer Anpassung, nicht zuletzt, um dem neuen OECD-Standard gerecht zu werden. So weit, so gut. Ich gehe auch davon aus, dass dies alle hier im Bundesrat befürworten werden.

Zu den Fintechs: Mit dem vorliegenden Gesetz zu den Regulatory Sandboxes wird für den Wirtschafts- und Finanzplatz Österreich für einen bestimmten Unternehmenssektor, nämlich für die Fintechs, die Möglichkeit geschaffen, auf die Kompetenz der FMA zurückzugreifen. Das ist wichtig, weil dadurch die Unternehmen in diesem Bereich das Risiko einer Pleite vielleicht reduzieren können und sich auf etwas sichererem Parkett bewegen können, aber auch die Finanzmarktaufsicht profitiert davon, weil sie als Auf­sichtsorgan durch die Regulatory Sandboxes einen besseren Einblick in die laufenden technologischen Entwicklungen bekommt.

Österreich geht da einen anderen Weg als andere Länder. Das österreichische Modell unterscheidet sich von anderen im internationalen Vergleich, weil am Ende des Prozesses die Konzessionierung eines Produktes steht. Ich freue mich, dass wir in Österreich da auf klare Spielregeln setzen und halte das angesichts zum Beispiel der aktuellen Wirecard-Pleite für dringend notwendig und sinnvoll. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.42


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.42.44

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause! Finanzmarktaufsicht, Steuerabkommen zwischen Ländern – das sind Dinge, die das wirtschaftliche Leben wie das allgemeine Leben regeln müssen. Sie sind daher sehr notwendig.

Diese Regelungen tragen dazu bei, dass, wie schon erwähnt, mithilfe der Finanz­marktaufsicht Start-ups leichter in der Wirtschaft Fuß fassen können, dass sie die


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Möglichkeit der Regulatory Sandboxes haben. Gewisse Risikoregeln, die darin vorkom­men, sorgen für Vertrauen und Sicherheit in der Wirtschaft. Durch die Änderung des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes werden diese eingeführt. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, innovative Ideen im geschäftlichen Bereich mit der Digitalisie­rung gemeinsam in einem sicheren Regelwerk für die Österreicher weiterzuentwickeln. Speziell im Finanz- und Versicherungsbereich entsteht die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Regulator, der Finanzmarktaufsicht, Geschäftsideen zu entwickeln, die langfristig Arbeitsplätze sichern und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes steigern.

Wichtig ist, dass die Politik und die Verwaltung Ideen und Innovationen ermöglichen und diese nicht verhindern oder behindern, sondern fördern.

Steuerabkommen wie mit Tadschikistan und der Ukraine schaffen Möglichkeiten für diese Länder, als Drittländer einen schönen Marktzugang auf OECD-Basis zu be­kom­men. Doppelbesteuerungsregelungen verhindern, dass Nullsteuern oder Niedrig­steuern entstehen. Regelungen für Drittländer sind wichtig, damit dort Wirtschafts­bele­bung erfolgt, die Steigerung des sozialen Standards über die Einkommensabsicherung erreicht wird und ein besserer Marktzugang für diese Länder möglich ist.

Ich ersuche Sie daher, keinen Einspruch gegen diese Beschlüsse zu erheben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.44

18.44.46


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße sehr herzlich Frau Bundes­ministerin Elisabeth Köstinger hier im Hohen Haus. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Protokolls zum am 7. Juni 2011 in Wien unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­be­reiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 88

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppel­be­steuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­be­reiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.48.3811. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird (286 d.B. und 310 d.B. sowie 10405/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu Tagesordnungs­punkt 11.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Bericht, Frau Bundesrätin.


18.49.00

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Tech­nologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 89

Zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.50.03

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Ministerin! Zweifelsfrei ist die Digitalisierung einer der großen Megatrends in diesem Jahrhundert. Mit Sicherheit kann es sich keine Volkswirtschaft leisten, da nicht entsprechend mit dabei zu sein.

Gerade in Coronazeiten hat sich gezeigt, welche Chancen zum Beispiel in einer leis­tungs­fähigen Kommunikationsinfrastruktur liegen. Mir ist es auch so gegangen. Ich habe auch meine Zweifel an der Funktionsfähigkeit, der Brauchbarkeit von Videokonferenzen gehabt, und in der Coronazeit habe ich täglich mehrere Videokonferenzen gehabt. Ich muss heute sagen: Es geht sehr, sehr viel. Ich hoffe, dass das ein Beispiel ist, das bleibt, jedenfalls zum Teil. Was sich aber auch gezeigt hat: Es funktioniert nur, wenn die Struktur entsprechend leistungsfähig ist.

Österreich hat sich im Regierungsprogramm sehr ambitionierte Ziele gesetzt, was die Digitalisierung betrifft, hat eine Reihe von Strategien festgehalten, zum Beispiel eine bezüglich einer Vorreiterrolle bei 5G, eine forcierte Breitbandstrategie. Letzteres – das debattieren wir hier ja immer wieder – bietet große Chancen gerade auch für Räume, die außerhalb von Ballungsräumen liegen.

Auch die Europäische Kommission hat im Vorschlag für das Recoveryprogramm, das hoffentlich diese Woche noch beschlossen wird, nicht umsonst der Digitalisierung einen großen Stellenwert eingeräumt.

Wie bekannt hätte die Frequenzauktion für den Ausbau der neuen 5G-Technologie bereits im April stattfinden sollen. Sie wurde jetzt aufgrund der Coronakrise auf August verschoben, doch es kam nicht nur zu einer zeitlichen Verschiebung, sondern es sind auch für die betroffenen Unternehmen wirtschaftliche Unsicherheiten entstanden.

Genau dem trägt jetzt der vorliegende Vorschlag für eine Änderung des Tele­kom­munikationsgesetzes doppelt Rechnung: Einerseits soll die Finanzierung für die Anbieter oder Betreiber erleichtert werden – so soll der Ausbau forciert werden. Auf der anderen Seite ist der zweite Nutzen, der eintreten sollte – das ist natürlich ein legitimes Ansin­nen –, dass der Staat die entsprechende Lizenz möglichst ertragreich verkauft.

Konkret geht es eigentlich im Kern um eine Bestimmung, dass die Möglichkeit ge­schaffen wird, bei den Auktionen Ratenzahlungsmöglichkeiten zu gewähren oder die Angebote zu stunden. Bedingung ist, dass man mindestens 50 Millionen Euro handelt. Das ist eigentlich eh schon der Kern der Sache. Das ist eine vernünftige Geschichte.

Wiewohl das jetzt nicht der Rahmen für eine Grundsatzdebatte zur Digitalisierung ist, möchte ich kurz zwei Anmerkungen machen, die ich doch wichtig finde: Die eine betrifft die mit der Digitalisierung zusammenhängenden Befürchtungen, etwa was die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf Arbeitsplätze betrifft. Das, finden wir, ist wirklich sehr ernst zu nehmen und wird meiner Ansicht nach mit Sicherheit früher oder später zu intensiven Diskussionen über die Qualifizierung von ArbeitnehmerInnen führen, über die Verteilung von Arbeit und natürlich vor allem auch über die Frage, wie wir in Zukunft staatliche Leistungen finanzieren. Wenn das weniger über Arbeit der Fall sein können wird, wovon auszugehen ist, wird das irgendwie auf andere Art und Weise gemacht werden müssen. Die Debatte steht an und ist auch sicher sehr spannend und auf jeden Fall zu führen.

Eine zweite Sache, die ich noch anschneiden möchte: Es machen sich auch viele Men­schen Sorgen über potenzielle gesundheitliche Auswirkungen des 5G-Ausbaus. Das


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kann man jetzt so oder so sehen, aber das ist nun einmal da. Wir finden, dass dieser Frage mit Aufklärung, evidenzbasiert, auf wissenschaftlicher Basis zu begegnen ist. Insofern ist es eine wichtige Botschaft, die ich noch anbringen möchte, dass im Regie­rungsprogramm festgeschrieben ist, dass eine Technikfolgenabschätzung zu 5G-Mobil­funk im Hinblick auf die Gesundheit durchgeführt werden soll. Insofern bitte ich um Zustimmung zu dem Gesetzesvorschlag, also darum, keinen Einspruch zu erheben. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.54


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


18.55.12

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Nicht nur an einem langen Plenartag wie dem heuti­gen erhöht sich die Bildschirmzeit. Ich glaube, auch in den vergangenen Monaten, mit Homeschooling, mit Homeoffice und mit Videokonferenzen, war das so. Jeder von uns hat, glaube ich, mehr Zeit als je zuvor vor einem Laptop, vor einem Smartphone, vor einem Tablet verbracht. Ich glaube, eines können wir alle sagen: dass während der Coronakrise unser aller Alltag einen Digitalisierungsschub erfahren hat.

Wir haben in dieser Zeit auch gesehen, dass unsere digitale Infrastruktur sozusagen ihren ersten Stresstest bestanden hat, wiewohl wir wohl auch alle bei der einen oder anderen Videokonferenz gemerkt haben, bei dem einen oder anderen Dienst, den wir genutzt haben: Na ja, es könnte ein bisschen schneller gehen; na ja, es könnte ein bisschen stabiler sein.

Ich glaube, das Verständnis dafür, wie wichtig digitale Infrastruktur ist, ist in den vergangenen Monaten mit Sicherheit gestiegen. Es liegt jetzt an uns allen, ob aus diesem Digitalisierungsschub ein Funke wird, der schnell wieder verglüht, oder ob daraus ein Turbo wird, den wir für die Digitalisierung und für die Chancen, die sich damit für unser Land ergeben, nutzen.

Ich glaube, die heutige Änderung im Telekommunikationsgesetz kann dazu einen kleinen Beitrag leisten. Wir gewähren damit sozusagen, dass bei der nächsten Frequenzauktion Stundungen möglich sind, dass Ratenzahlungen möglich sein werden. Wir erleichtern damit den Telekommunikationsunternehmen in auch für sie wirtschaftlich und finanziell schwierigen Zeiten die Planung, die Finanzierung und schaffen damit letztlich die Rah­menbedingungen, um den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur in Österreich weiter voranzutreiben.

Damit setzen wir letztlich auch einen wichtigen Schritt, um die sehr ambitionierten Ziele der Bundesregierung zu erreichen, nämlich Österreich bis 2030 gigabitfit zu machen, das heißt wirklich flächendeckend mit mobilen und mit festen Anschlüssen gigabitfähige Leitungen herzustellen. Dieses ambitionierte Ziel werden wir nur gemeinsam erreichen, das werden wir nur in einer guten Partnerschaft zwischen dem Bund, den Ländern, den Gemeinden und Partnerunternehmen schaffen. Ich freue mich, wenn wir dazu heute einen Beitrag leisten und sozusagen mehr Möglichkeiten schaffen. Vielen Dank für die Initiative, Frau Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Corona hat der Digitalisierung definitiv einen Schub gegeben. Wir alle hätten uns dafür, glaube ich, andere Umstände gewünscht, aber es liegt jetzt auch an uns, eine der größten Chancen dieser Krise auch als solche


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zu sehen. (Bundesrätin Schumann: Die hat auch negative Auswirkungen! Kein Grund, zu jubeln!)

Ich glaube, wir alle haben in den vergangenen Wochen und Monaten gesehen, dass Digitalisierung kein Luxus mehr ist, sondern dass sie schlicht und ergreifend eine Notwendigkeit ist, und deswegen ist es, glaube ich, auch wichtig, dass wir weiterhin mit voller Kraft daran arbeiten.

Es ist ja auch im Herbst eine größere Novelle des Telekommunikationsgesetzes geplant, damit wir wirklich alle Chancen aus der Digitalisierung für unser Land nutzen können. Ich freue mich, wenn wir daran gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

18.58


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.58.44

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Wir fügen hier in ein Gesetz zwei kleine Absätze ein, einen neuen Absatz 10a und einen Absatz 10b. Sowohl meine Vorrednerin als auch mein Vorredner haben zu einer größeren, prinzipiellen Sicht auf die Digitalisierung ausgeholt. Bei allem Jubel sage ich: Vorsicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Erstens: Wenn ich Sie anschaue, Frau Zeidler-Beck, würde ich einmal aus frauen­politischer Sicht sagen: am Arbeitsplatz Vorsicht! Bei den Frauen, die Homeoffice ge­macht haben und gleichzeitig Kinder betreuen mussten, bei denen es also zu einer Doppelbelastung gekommen ist, heißt es ja: Das geht eh unter einem, und wir können da etwas einsparen.

Zweitens: In jeder Firma sollten wir auch auf die sozialen Kontakte untereinander achten, auf ein reales Zusammenkommen in der Firma oder am Arbeitsplatz, und nicht die Vereinsamung vorantreiben, indem wir uns der digitalen Welt der Kommunikation fügen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das wirkliche menschliche Miteinander am Arbeitsplatz und wo auch immer sollte man in einer sehr kühl gewordenen Welt nicht unterschätzen. Die Arbeitsplätze von morgen sollen nicht zu einer auf der einen Seite Vereinsamung, auf der anderen Seite arbeits­mäßigen Ausbeutung führen, denn was heißen denn Homeoffice und Digitalisierung? Wie viele Stunden bin ich verfügbar? Interessant ist, in Deutschland wurde ausjudiziert, dass jeder Arbeitgeber das Recht hat, jemanden, der Homeoffice betreibt, zu Hause zu besuchen, weil er für die Ausstattung des Arbeitsplatzes im Homeoffice verantwortlich ist. Möchten Sie, dass Ihr Chef zu Ihnen nach Hause kommt, um zu schauen, wo Ihr Computer steht, wie die näheren Umstände sind? (Bundesrätin Mühlwerth: Unbedingt, Stefan, unbedingt ...!) All das wird einmal Realität werden.

Frau Zeidler-Beck, verstehen Sie mich nicht falsch! Die Digitalisierung ist genauso wie die Bewältigung des Klimawandels die ganz, ganz große Herausforderung. Da gibt es kein Zaudern, kein Zögern. Trotzdem aber dürfen wir nicht blind in etwas hineinlaufen, das zu einer neuen Art von Einsamkeit und Ausbeutung und vor allem – das betone ich jetzt noch einmal und schaue Sie als junge Frau an – zur Ausbeutung der Frauen von morgen führt. (Beifall bei der SPÖ.)

Kommen wir aber zu dem zurück, um das es geht: Es ist eine sehr kluge Maßnahme, die wir ja auch schon im Ausschuss unterstützt haben, wobei mein Kollege Beer mehr­fach kritisch nachgefragt hat. Die Frau Bundesministerin wird es uns möglicher­weise jetzt sagen, denn im Ausschuss konnten wir keine Antwort bekommen: Gibt es ein


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Mindestgebot, wenn es zu der Versteigerung, die verschoben werden musste, kommt? Kollege Beer hat immer gemeint, das erwartete Höchstgebot ist Prinzip Hoffnung, das werde es so nicht geben.

Gut ist, dass es durch die Verschiebung und vor allem auch durch die Stundung bei sehr moderaten 1-Prozent-Stundungszinsen möglich ist, dass alternative Anbieter auf den Markt kommen. Das kann uns ja nur recht sein.

Frau Bundesministerin, möglicherweise können Sie uns sagen, ob es ein Mindestgebot gibt, wie Kollege Beer wissen wollte. Was erwarten Sie realistisch?

In diesem Sinne werden wir dem sehr gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.03


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Dim. – Ich erteile es Ihnen. Bitte, Herr Bundesrat.


19.03.15

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon gehört, der Ausbau oder die Ausbaubedingungen sind coronabedingt etwas negativ beeinflusst worden. Die Auktion wird erst, wie wir gestern im Ausschuss gehört haben, im August stattfinden können.

Zuständig ist eigenartigerweise das Landwirtschaftsministerium. Wenn man bedenkt, dass sehr viel Geld dahinter ist, versteht man auch, dass sich die ÖVP dessen ange­nommen hat. Noch dazu, um bei Kollegen Gross zu bleiben, ist das Thema umwelt­politisch und gesundheitspolitisch nicht friktionsfrei. Ich kann verstehen, dass sich die Grünen im Infrastrukturministerium oder Innovations- und Technologieministerium damit nicht anpatzen wollten.

Es geht beim heutigen Beschluss lediglich um die Möglichkeit einer Ratenzahlung eines künftigen Betreibers. Da Zinsen verlangt werden, können wir dem auch gerne zustim­men.

Es wundert mich aber schon, dass Mobilfunkbetreiber momentan Unsummen in Wer­bung stecken – Fernsehzuschauer wissen, wovon ich spreche –, gleichzeitig aber Per­sonal in die Kurzarbeit schicken. (Ruf bei der FPÖ: A1!) – Ja, A1, richtig; jetzt auch noch. Sie schicken Personal in Kurzarbeit und wollen dann noch eine Stundung. (Bundesrat Schennach: ... die Traditionellen, ich habe von Alternativen geredet!) Da frage ich mich: Wie passt das zusammen?

Ich möchte auch nicht falsch verstanden werden, auch ich bin sicher, weiß Gott, kein Gegner des Fortschritts oder einer Technologie, einer Zukunftstechnologie. Ich freue mich über ein ultraschnelles Internet am Mobiltelefon, ich freue mich vielleicht auch über ein autonomes Fahren, sollte diese Technik einmal möglich sein. Ich vermisse aber eine seriöse Information. Da sind wir sogar deckungsgleich mit den Grünen.

Wenn es auch im Regierungsprogramm steht, vielen Bürgerinnen und Bürgern wurde mit Bürgerinitiativen schon Angst gemacht. In Städten wie Brüssel oder Genf wurde der 5G‑Ausbau vorübergehend eingestellt. Bürgerinitiativen fordern nicht nur im Parlament den Stopp des 5G‑Ausbaus – ich glaube, im Jänner ist die letzte Bürgerinitiative ein­getrudelt –, sie fordern das unsinnigerweise auch in den Ländern und Gemeinden. Bürgerinitiativen an Gemeindevertretungen können sich aber gemäß § 38b Abs. 1 der Gemeindeordnung nur auf den Wirkungsbereich der Gemeinden beziehen. Der 5G-Ausbau fällt aber nicht in den Wirkungsbereich der Gemeinden, daher sind die Initiativen bescheidmäßig abzuweisen. Ebenso sind Berufungen dagegen abzuweisen. Verständ­lich ist das für die Bürger offensichtlich noch nicht. Berufungen gegen den abweisenden


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Bescheid muss man als Beschwerde an die Landesverwaltungsgerichte weiterleiten. Für die Beschwerde ist dann auch noch eine Gebühr von 30 Euro fällig. Das ist für die Bürger ebenfalls schwer verständlich. Meine Damen und Herren, auf diese Gebühr würde ich als Gemeindevertreter gerne verzichten.

Weiters sollte man, wie Kollege Gross schon gemeint hat, die Bevölkerung wis­senschaftlich fundiert, seriös informieren. Diesbezüglich orte ich einen gewissen Nach­holbedarf Ihrerseits, Frau Ministerin, und Ihres Ministeriums, wenn es schon dafür zu­ständig ist, sowie der Mobilfunkbetreiber. Da offensichtlich genug Geld für Werbung vorhanden ist, könnte man die Bürger auch seriös informieren. (Beifall bei der FPÖ.)

19.07


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


19.07.30

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich freue mich sehr, Sie heute hier zu sehen und darf vor allem auch für den Vorsitz des Landes Salzburg alles Gute für das zweite Halbjahr wünschen. Das erste Halbjahr 2020 war ja durchaus sehr herausfordernd. Hoffen wir, dass wir jetzt in etwas ruhigere Gefilde kommen!

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, ich freue mich sehr, wieder hier sein zu dürfen. Die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm den flächendeckenden Aus­bau von festen und mobilen Gigabitanschlüssen bis 2030 festgeschrieben. Das ist durchaus eine sehr große Herausforderung, wenn man sieht, dass wir zwar bei der Mobilfunkverbindung in Österreich sehr gut sind, beim Ausbau des Glasfasernetzes aber durchaus noch hinten nachhängen. Wir wollen letzteren jetzt vorantreiben und die mobilen Gigabitanschlüsse verstärkt forcieren. Dazu gehört in diesem Zusammenhang vor allem das Vorantreiben des 5G-Ausbaus, um die Vorreiterrolle Österreichs auch in diesem Bereich zu stärken.

Durch die Covid-19-Pandemie standen wir in unterschiedlichen Bereichen vor einer großen Herausforderung. Speziell waren die Geschäftsmodelle der Anbieter in der Kommunikationsinfrastruktur massiv betroffen. Wie wichtig aber schnelles und vor allem tragfähiges Internet ist und war, haben uns die letzten Wochen und Monate der Corona­krise gezeigt. Seien es die rund eine Million Schülerinnen und Schüler, die beim Home­schooling plötzlich den Internetanschluss gebraucht haben, oder die vielen Tausenden Teleworkingarbeitsplätze, die plötzlich eine ganz besondere Bedeutung erfahren haben.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Schennach, wenn Sie mir nur einen Nebensatz erlauben: Ich habe jetzt fast ein bisschen Gänsehaut bekommen. Ich glaube, das war fast ein Sinnbild für Mansplaining, was sehr oft im Hinblick auf die Frau Bundesrätin von der ÖVP kritisch eingewandt wurde. (Bundesrätin Schumann: Nein, nein, nein, nein!)

Es gibt sehr, sehr viele Männer, die vor allem in dieser Krise die gleiche Doppelbelastung zu spüren bekommen haben. Ja, Familienarbeit ist noch viel zu oft ausschließlich Sache der Frauen. (Bundesrat Schennach: Das habe ich ja problematisiert!) Es gibt aber genauso viele Männer, die mittlerweile bereit sind, diese Aufgabe zu teilen und in der Covid-Krise davon betroffen waren, weil viele Frauen in den systemkritischen Infrastruk­turen ihre Arbeit versehen – sei es im Pflegebereich, sei es im Krankenhausbereich. Es waren jetzt sehr oft die Männer, die mit den Kindern zu Hause waren und erstmals auch gesehen haben, welch großartige Arbeit die Frauen erledigen. Ich glaube, das hat durchaus etwas Positives zur Familienarbeit, zur Kinderbetreuung und Kindererziehung beigetragen. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle Männer! (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich sage das deswegen dazu, weil es mich persönlich sehr berührt, dass mein Mann genau diese Aufgabe erfüllt und ich ihm mein Leben lang dafür dankbar sein werde, dass er so ein großartiger Vater ist. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Kollege Schennach hat das auch angesprochen, Sie brauchen uns nichts zu erzählen ...! – Bundesrat Schennach: Ich war Alleinerzieher! – Bundesrätin Schumann: Er war Alleinerzieher ...!) – Bitte, ich wollte Sie jetzt nicht emotional aufwühlen. Es war mir nur wichtig, das hier klarzustellen, weil ich sehr berührt war, in welcher Art und Weise Sie mit der Frau Bundesrätin diese Frage besprochen haben.

Um zum Thema zurückzukommen: Auch der 5G-Ausbau war durch die Coronakrise intensivst betroffen. Es hat eine zeitliche Verschiebung gegeben, die leider dadurch zustande gekommen ist, dass die RTR die für das Frühjahr 2020 geplante Auktion nicht abhalten konnte. Die 5G-Flächenfrequenzen werden jetzt im August versteigert.

Die Frage ist aufgetaucht, wie hoch das Mindestgebot ist. Das Mindestgebot liegt für die derzeitige Auktion bei 239 Millionen Euro. Sollte dieses Mindestgebot – weil das auch die Frage war – nicht erreicht werden, dann wird die RTR das Design noch einmal aus­schreiben, aber es käme unter dem Mindestgebot keine Versteigerung zustande.

Mit der Änderung des Telekommunikationsgesetzes, über die heute abgestimmt wird, wollen wir vor allem Anreize schaffen, damit die Unternehmen, die sich am zukünftigen bundesweiten 5G-Ausbau beteiligen, das Geld auch wirklich investieren können. Die RTR wird die Möglichkeit bekommen, auf Antrag eine befristete Ratenzahlungs­mög­lichkeit bescheidmäßig zu gewähren. Mit dieser verlängerten Zahlungsmöglichkeit soll den betroffenen Unternehmen Planungsspielraum gegeben werden.

Darüber hinaus wird durch Finanzierung der Investitionen in die Flächenversorgung speziell in den ersten Monaten eine Erleichterung ermöglicht. Weiters wollen wir dadurch verhindern, dass es zu geringeren Auktionserlösen kommt, damit auf der einen Seite die Liquidität, aber auch die Investitionskraft der betroffenen Unternehmen verbessert wird.

Ich hoffe auf eine sehr breite Zustimmung. Es wäre ein sehr wichtiges Zeichen, damit wir den 5G-Ausbau in Österreich weiter vorantreiben können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

19.13


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


19.13.28

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin, ich glaube, es ist wirklich nicht angebracht, Kollegen Schennach Mansplaining zu unterstellen – gerade ihm nicht. Ich glaube, wir sollten uns eher freuen, wenn es Männer gibt, die sagen: Es gibt Problemstellungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und das muss gelöst werden. – Man muss es schon ganz ehrlich sehen, wenn man sich mit Frauenpolitik beschäftigt, dass die Homeofficeproblematik in der Pandemiezeit ein riesiges Problem – vor allen Dingen für die Frauen – war. Das kann ich als Gewerkschafterin sagen, da viele Frauen angerufen haben und wir wissen, wie es den Frauen geht. Das war eine äußerst hohe Belastung für sie.

Wir wissen auch, dass Frauen in der Pandemie viel mehr betroffen sind. Wir freuen uns über jeden Mann, der Erziehungspflichten übernimmt, der die Rollenklischees durch­bricht, aber wir müssen auch der Realität ins Auge schauen, dass die Rollenverteilungen in diesem, unserem Land noch sehr traditionell ist. Darum können wir uns nur freuen, wenn es einen Mann gibt, der sagt: Ja, wunderbar, die Digitalisierung wird voran­schreiten, aber wir müssen sie gestalten, und sie darf nicht zulasten der Frauen gehen. – Das ist eine Selbstverständlichkeit, denn Homeoffice führt – und das ist auch Tatsache –


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sehr wohl leicht zur Vereinsamung, dazu, dass der Karriereweg ein nicht so steiler ist, weil man einfach nicht so viel gesehen wird. Es kann dazu führen, dass Kinderbetreu­ungseinrichtungen zurückgefahren werden, weil man sagt, das Kind werde ohnedies zu Hause betreut, und dann haben wir wieder Zustände wie in der Heimarbeit vor 200 Jah­ren. – Das soll es nicht sein.

Gerade als Frauen: Halten wir zusammen, sehen wir die Realität der Frauen auch in der Pandemiekrise, und schauen wir, dass es gute Beispiele gibt, die Rollenklischees durchbrechen! Schauen wir nach vorne! Ich glaube, Kollegen Schennach Mansplaining zu unterstellen, war jetzt eindeutig nicht der richtige Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

19.15

19.15.25


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.15.5412. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz be­treffend die Errichtung eines Fonds zur Abgeltung von Borkenkäferschäden, zur Förderung klimafitter, artenreicher Wälder und zur Stärkung der Verwendung des Rohstoffes Holz (Waldfondsgesetz) (282 d.B. und 340 d.B. sowie 10396/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu Punkt 12 der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Herr Bundesrat, ich bitte um den Bericht.


19.16.16

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Errichtung eines Fonds zur Abgeltung von Borkenkäferschäden, zur Förderung klimafitter, artenreicher Wälder und zur Stärkung der Verwendung des Rohstoffes Holz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


19.17.25

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Werte


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Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich dem Waldfondsgesetz widme, darf auch ich kurz noch etwas zu Homeoffice und Covid sagen: Ich bin alleinerziehende Mutter eines 14-Jährigen und einer 16-Jährigen. Die Probleme werden nicht kleiner, sie werden nur anders. Es war eine absolute Herausforderung, als alleinerziehende Mutter im Home­office zu sein. Das wollte ich Ihnen nur kurz sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit dem Waldfondsgesetz hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur Unter­stützung für den Forst- und Holzsektor in der Höhe von 350 Millionen Euro vorgelegt. Diese 350 Millionen Euro sollen in Form von Zuschüssen für Wertverluste und Folge­kosten durch den Klimawandel, insbesondere durch den Borkenkäferbefall, weiters zur Entwicklung klimafitter Wälder, zur Stärkung der Biodiversität und zur Stärkung der Verwendung des Rohstoffes Holz gewährt werden.

Die Forst- und Holzwirtschaft ist von zentraler Bedeutung für die Wertschöpfung im Land und sichert viele Arbeitsplätze. Unsere Wälder zu erhalten ist absolut begrüßenswert. Die Holz- und Forstwirtschaft zu unterstützen, damit die einzelnen Betriebe eine Über­lebensgrundlage haben, ist nur recht und billig, zumal uns allen bewusst ist, dass die heimische Land- und Forstwirtschaft gleich an mehreren Fronten kämpft.

Die Branche sieht sich Problemen wie Preisverfall, Nachfragerückgang, Klimawandel, Wetterextremen, Borkenkäferplage und nicht zuletzt der Coronakrise gegenüber. Man muss nicht extra betonen, dass Unterstützungen notwendig sind. Gleichzeitig lassen Sie mich bitte aber auch festhalten, dass es mehr braucht, um ein langfristiges Überleben der Branche sicherzustellen und die Land- und Forstwirte gegenüber den ausländischen Mitbewerbern und Mitbewerberinnen konkurrenzfähig zu machen. Es braucht weit­reichende innovative Konzepte für eine starke Holzindustrie und eine nachhaltige Forst­wirtschaft, um entsprechend konkurrenzfähig zu sein.

Lassen Sie mich auf die gegenständliche Regierungsvorlage zurückkommen! Wir So­zial­demokratinnen und Sozialdemokraten sind natürlich für Unterstützungsleistungen für die betroffenen Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer. Die Vergabe dieser Unterstüt­zungsleistungen zur Abgeltung von Borkenkäferschäden, zur Förderung klimafitter, artenreicher Wälder und zur Stärkung der Verwendung des Rohstoffes Holz muss aber transparent, klar nachvollziehbar und nicht zuletzt überprüfbar sein.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, Frau Ministerin, können Sie nahezu im Alleingang über die Vergabe von 350 Millionen Euro entscheiden. Es ist nicht klar definiert, wann und in welcher Höhe das Geld fließt. Es ist auch nicht in Ordnung, dass es keine Begutachtung durch Expertinnen und Experten für die praktisch freihändige Vergabe dieser 350 Millionen Euro gab. Die Regierungsvorlage wurde am 30. Juni in den Minis­terrat eingebracht, ohne dass Sie, Frau Ministerin, das Vorhaben im zuständigen Aus­schuss präsentiert hätten und dort Rede und Antwort gestanden wären. Wir konnten gestern im Ausschuss kurz darüber reden, aber diese halbe Stunde war eindeutig zu knapp.

Wieder einmal wird ein halbfertiges Gesetz vorgelegt. Was hat man sich dabei überlegt, dass die Förderrichtlinien erst nach dem Beschluss des Gesetzes erarbeitet werden sollen? Das ist genauso, wie wenn man am Sonntag das Sonntagsschnitzel serviert, es auf dem Tisch steht, und dann überlegt man sich, welche Beilage es geben soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Da drängt sich schon die Frage auf, wie es mit Transparenz und Kontrolle hinsichtlich der Vergabe dieser Steuergelder aussieht. Eine Berichtslegung an Nationalrat und Bun­desrat fehlt leider ebenso. Unerlässlich neben der Angabe der konkreten Förderfälle ist beispielsweise auch eine Quantifizierung der CO2-Einsparungen. Halbfertig ist das


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Gesetz auch insofern, als es keine konkreten Ziele definiert. Wer macht was, wann, wie, mit wem, bis wann? Das sind Festlegungen, die man treffen muss. Es wird nicht ausgewiesen, welche Maßnahme mit welchem Mitteleinsatz zu welcher CO2-Einsparung führt. Aus dem Gesetz ist auch nicht herauszulesen, welche Baumart als klimafit gilt.

Frau Ministerin, viele Fragen bleiben offen, und das ist unser Kritikpunkt. Das Gesetz ist uns viel zu ungenau. Es geht auch um das Thema Notifizierung, auch das haben wir gestern kurz besprochen. Es wurde argumentiert, dass man aufgrund der Covid-Krise oder der Covid-Nähe in Brüssel erkennen werde, dass es ganz wichtig wäre, das zu notifizieren.

Was wir jedenfalls auch orten, ist eine Verteilungsproblematik. Es gibt keine konkreten Vorgaben für die Fördervergabe. Aus unserer Sicht sollen die kleinen Betriebe in Relation mehr Ausgleich als die WaldgroßgrundeigentümerInnen erhalten. Ich brauche eigentlich nicht zu erwähnen, wer im Burgenland einer der Waldgroßgrundbesitzer ist.

Nicht zuletzt: Bitte, es müssen ernsthaft Überlegungen für die Zukunft angestellt werden, wie man so manches Problem an der Wurzel anpacken kann. Wir sind da gerne mit an Bord. Ich habe mit vielen Menschen aus der Forstwirtschaft beziehungsweise auch aus der Landwirtschaft bei uns im Burgenland gesprochen, die mir etwa im Fall der Borken­käferproblematik immer sagen: Wir brauchen ein feuerfestes Haus auf einem gescheiten Fundament! Löschen wir nicht nur das Feuer! – Das ist die Botschaft, die ich aus dem Burgenland heute hierher mitgebracht habe.

Ich schließe mich auch der Meinung der Kollegin Ecker aus dem Nationalrat an, dass wir einen Masterplan für Österreichs Wälder brauchen.

Zusammenfassend: Wir sind nicht gegen eine Unterstützung der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer, allerdings sind wir der Ansicht, dass das Gesetz jetzt nicht gerade der große Wurf ist, es noch großes Verbesserungspotenzial gibt und man viele Bereiche anders ausgestalten kann.

Ich bringe deshalb folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire und nachhaltige Verteilung der öffentlichen Steuergelder des Waldfonds dringend gefordert“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und die Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die laut § 5 Waldfondsgesetz zu erlassenden Richtlinien aus Gründen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit so zu gestalten, dass:

- die Förderungen degressiv sind, so dass pro Hektar Förderfläche kleinere Forst­eigen­tümerInnen in Relation mehr Ausgleich erhalten als Wald-GroßgrundeigentümerInnen,

- die Einhaltung der kollektivvertraglichen Entlohnung und der ordnungsgemäßen Unterkünfte der durch diese Maßnahmen beschäftigten WaldarbeiterInnen garantiert wird,

- ein Verzicht auf den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide vorgegeben wird,


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und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat für die Dauer der Maßnahmen jährlich einen Bericht vorzulegen, der neben einer Darstellung der Förderfälle u.a. auch eine Quanti­fizierung der CO2-Einsparungen ausweist.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.24


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den BundesrätInnen Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „faire und nachhaltige Verteilung der öffentlichen Steuergelder des Waldfonds dringend gefordert“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


19.25.09

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Wir diskutieren heute über das Waldfondsgesetz, ein Bundesgesetz, das für die heimischen Waldbauern eine massive Verbesserung darstellt. Das Gesetz beinhaltet sowohl die Abgeltung von Borkenkäferschäden als auch die Förderung klimafitter Wälder, aber auch Maßnahmen, die zu einer vermehrten Verwendung von Holz führen sollen. Dieses Maßnahmenpaket von 350 Millionen Euro ist eine dringend notwendige Unterstützung für die heimische Forstwirtschaft. Dieses Maßnahmenpaket ist die größte Investition in den österreichi­schen Wald, die es je gegeben hat. Es ist dringend notwendig und wichtig.

Warum ist es so wichtig? – Weil unsere Wälder wesentlich für die Erhaltung der biolo­gischen Vielfalt sind, weil eine funktionierende Familienforstwirtschaft eine wichtige Schutz-, Erholungs- und Wohlfahrtsfunktion für unsere Gesellschaft erbringt und weil der Wald auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sein sollte. Ich sage bewusst „sein sollte“, weil er es heute eigentlich nicht mehr ist.

Ein paar konkrete Zahlen aus meinem Heimatbundesland, der Steiermark: 62 Prozent der Landesfläche sind bewaldet. Mit rund 1 Million Hektar ist die Steiermark das wald­reichste Bundesland Österreichs, und in der Wertschöpfungskette Holz sichert unser Wald mehr als 55 000 Menschen Einkommen und Existenz. Der Produktionswert beträgt rund 5 Milliarden Euro, das entspricht einem Sechstel der steirischen Wirt­schafts­leistung. Im gesamten Bundesgebiet reden wir von rund 300 000 Arbeitsplätzen in 172 000 Betrieben. Allein diese Zahlen zeigen die Bedeutung des Waldes nicht nur für die Umwelt, sondern auch für unseren Wirtschaftsstandort.

Es gibt sehr viele Gründe, auf unsere Wälder zu achten und deren Bewirtschaftung auch weiterhin zu gewährleisten. Ich bewirtschafte selber einen Forst und weiß genau, wovon ich rede.

Was hat sich denn in den letzten Jahren verändert? – Stürme, Schneedruck und auch das vermehrte Aufkommen des Borkenkäfers sind die Folgen eines massiven Klima­wandels. Diese Folgen haben bei den österreichischen Waldbäuerinnen und Wald­bauern zu massiven Einkommenseinbußen geführt.

Auch dazu ein paar konkrete Zahlen, die das verdeutlichen: Die Waldfläche Österreichs hat die Marke von 4 Millionen Hektar überschritten, und das sind 47,9 Prozent der


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österreichischen Staatsfläche, das heißt, fast die Hälfte Österreichs. Von den 18,9 Mil­lionen Festmetern Holz, die im Jahr 2019 geerntet wurden, waren 62 Prozent Schad­holz. Schadholz heißt es, wenn die Bäume nicht gefällt werden, weil sie alt genug sind beziehungsweise das Alter erreicht haben, sondern wenn sie durch Stürme umgerissen oder durch den Borkenkäfer zum Absterben gebracht werden. Konkret heißt das: Von drei Bäumen, die in Österreich geerntet werden, wird nur ein Baum planmäßig geerntet.

Wie dramatisch diese Entwicklung ist, zeigt ein Vergleich: Im Jahr 2012 lag die Schad­holzmenge bei 3,3 Millionen Festmetern, im Jahr 2019 waren es bereits 11,7 Millionen Festmeter, das ist fast 3,5-mal so viel. Das führte natürlich zu einem massiven Preis­verfall, der durch die Coronapandemie noch verstärkt wurde. (Bundesrat Pisec: Durch die Monokultur!) Die Nachfrage nach dem Rohstoff Holz ist eingebrochen, und die Exporte in die Hauptexportländer wie Italien sind massiv zurückgegangen.

Dazu ein konkretes Beispiel aus meinem Wald: Ein paar Hundert Meter unter der Forststraße befindet sich im steilen Gelände ein Käfernest. Das ist eine Gruppe von Bäumen, die durch den Borkenkäfer befallen ist und so rasch wie möglich geschlägert und aus dem Wald entfernt werden muss, damit die Vermehrung der Borkenkäfer vermindert werden kann. Für die Bringung ist unbedingt ein Seilkran erforderlich. Wie viel kostet ein Seilkran pro Festmeter? – Man kann mit 38 Euro rechnen. Und jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, frage ich Sie: Wie viel bekomme ich für dieses Schadholz, für dieses Faserholz pro Festmeter? – Ich sage es Ihnen: Wenn ich Glück habe, 35 Euro, wenn ich überhaupt einen Abnehmer finde. Hunderttausende Festmeter müssen näm­lich gelagert werden, weil es keinen Abnehmer dafür gibt. Und da sind weder die Kosten für die Wegerhaltung noch für die Wiederaufforstung, geschweige denn für die Kultur­pflege oder Verbissschutzmaßnahmen enthalten.

Dass es nicht nur mir so geht, zeigt die jährliche Erhebung der Daten von 120 Klein­waldbetrieben in Österreich. Betriebswirte, die diese Daten ausgewertet haben, kleiden die Zahlen in eine kühle betriebswirtschaftliche Feststellung. Für das Jahr 2019 weisen laut dieser Angabe die Betriebe einen – man höre und staune – negativen Betriebserfolg von 5,68 Euro pro Festmeter aus. Auf Deutsch: Pro geerntetem Festmeter zahlen die Betriebe, statt etwas zu verdienen, mehr als 5 Euro dazu. Für viele stellt sich dadurch natürlich die Frage: Macht es überhaupt noch Sinn, einen Wald zu bewirtschaften?

Sehr geehrte Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, wie Österreich ausschauen würde, wenn niemand mehr seinen Wald ordnungsgemäß bewirtschaften würde! (Bun­desrat Pisec: Urwald ist auch schön!) Trostlos würde es aussehen! Um dem entgegen­zuwirken, ist dieses Forstpaket so wichtig. Es trifft mit vielen Einzelmaßnahmen punkt­genau die Notwendigkeiten. Es ist nachhaltig und zukunftsorientiert, denn dieses Paket beinhaltet unter anderem Forschungsschwerpunkte zur Unterstützung widerstands­fähiger Wälder, eine Holzbauoffensive, die Errichtung von Lagerstätten für Schadholz, die Abgeltung eines Teils des Wertverlustes bei Schadholz und die Förderung von Wiederaufforstung und Pflegemaßnahmen nach Schadereignissen.

Wir alle sprechen immer von Nachhaltigkeit. Unsere Forstbetriebe, Waldbäuerinnen und Waldbauern leben diese Nachhaltigkeit seit vielen Generationen tagtäglich. Jeder Euro, der in unsere nachhaltig bewirtschafteten Wälder fliest, kommt in den nächsten Jahren für unsere Gesellschaft doppelt zurück. Schauen wir auf unsere Wälder im Interesse des Klimaschutzes, schauen wir, dass unsere Forstbetriebe, Waldbäuerinnen und Waldbauern ein gesichertes Einkommen haben! Dieses Paket ist gut durchdacht, dieses Paket enthält viele konkrete Einzelmaßnahmen, die ein kräftiges Signal für eine Wald­bewirtschaftung mit Herz und Hirn sind. Unterstützen Sie dieses Paket als eine Zukunfts­investition! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schererbauer.)

19.32



BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 100

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


19.32.56

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Stürme, Eschentriebsterben, Pilzbefall und vor allem der Borkenkäfer lassen die Waldbesitzer nicht zur Ruhe kommen und stellen sie vor immer größere Herausforderungen. In meinem Heimatbezirk Schärding, und dort speziell im oberen Donautal, frisst der Käfer die Arbeit von zwei Generationen. Das ist somit eine wahre Geldvernichtungsaktion für die Waldbesitzer. Der wirt­schaft­liche Schaden ist ganz enorm, da bei Schadholz pro Festmeter über 40 Prozent Ab­schläge zu verzeichnen sind. Ähnlich dramatisch ist die Situation im niederösterreichi­schen Waldviertel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich als Sportler und Naturliebhaber durch unsere Wälder laufe und wandere, dann tut es mir im Herzen weh, wenn ich feststellen muss, wie großflächig der Waldbestand durch Klimawandel, Stürme und Borkenkäfer vernichtet wurde. Wo vor Kurzem noch ein wunderschöner Wald war, ist jetzt nur mehr eine kahle Fläche, und ja, mir ist auch bewusst, dass wir uns mit der Schaffung von Fichtenmonokulturen nachweislich keinen Gefallen getan haben. Ich kann nicht verstehen, dass es immer noch Forst- und Landwirte gibt, die nach wie vor Fichtenmonokulturen anpflanzen.

Aufgrund der akuten Borkenkäfergefahr hat das Land Oberösterreich einen Zehnpunkte­maßnahmenkatalog verfasst, um die Waldbesitzer finanziell zu unterstützen und die Abfuhr des Käferholzes mit Förderungen voranzutreiben. Der Waldverband Oberöster­reich hat im Bezirk Schärding 2019 um 70 Prozent mehr Holz vermarktet als im Jahr zuvor, obwohl der Bezirk schon die Jahre zuvor durch Gewitterstürme massivst betroffen war. Die Zahlen des ersten Halbjahres 2020 befinden sich auf einem ähnlichen Niveau. Darüber, wie viel der Menge durch Schadholz bedingt ist, gibt es laut Landwirtschafts­kammer keine verlässlichen Zahlen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Steigerung hauptsächlich durch Schadholz bedingt ist.

2018 und 2019 hat Oberösterreich witterungsbedingt und klimabedingt einen noch nie erreichten Schadholzanfall zu verzeichnen gehabt. Laut Holzeinschlagsmeldung wurden in Oberösterreich 3,5 Millionen Erntefestmeter gefällt, mehr als 2 Millionen Festmeter an Schadholz gab es durch Borkenkäfer, Sturm, Schneedruck und Eschensterben.

Das Waldfondsgesetz wird unserer schwer gebeutelten Forst- und Waldwirtschaft unter die Arme greifen und wird von meiner Fraktion natürlich unterstützt. Ein Maßnah­men­paket in der Höhe von 350 Millionen Euro steht somit zur Verfügung, davon 60 Millionen Euro für Entschädigung von Borkenkäferschäden, 25 Millionen Euro für Unterstützung beim Forstschutz, 160 Millionen Euro für Unterstützung zur Entwicklung klimafitter Wälder, Erhöhung der Biodiversität im Wald und für Maßnahmen zur Waldbrand­prä­vention. Unterstützung zur vermehrten Verwendung von Holz, die sogenannte Holzbau­offensive, sowie von Forschungsmaßnahmen zur Erzeugung von Holz-, Gas- und Bio­treibstoffen gibt es in Höhe von 93,5 Millionen Euro.

Wenn das Waldfondsgesetz jedoch nachhaltig greifen soll, müssen wir zusätzlich Rah­menbedingungen schaffen, die sich am Erhalt der heimischen Wälder orientieren. Darum braucht es einen sofortigen Stopp von Billigholzimport aus dem Ausland. Nur wenn der Einfuhr billiger Hölzer aus dem Ausland ein Riegel vorgeschoben wird, werden unsere heimischen Wälder und Hölzer wieder aufgewertet und von unseren Sägewerken ver­wertet. Setzen wir auf Regionalität statt auf Import von Billigholz!


BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 101

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wird viel Zeit, Kraft und vor allem Geduld brauchen. Es heißt ja: Lerne von der Geschwindigkeit der Natur, ihr Geheimnis ist Ge­duld.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich noch erwähnen: Wir haben heute in diesem Hohen Haus von der Würde gesprochen, und ich glaube, der Wald und die Natur generell haben sich einen viel, viel würdevolleren Umgang verdient. Wenn wir gemeinsam daran arbeiten, haben wir auch in Zukunft klimafitte Wälder, schöne Wälder und vor allem haben wir noch einen Wald, denn in Oberösterreich schaut es manchmal schon ziemlich ernüchternd aus. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

19.37


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.37.20

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Ministerin! Ja, die Klimaerhitzung zeigt ihre Folgen. Vor allem die Fichte ist den gestiegenen Temperaturen verbunden mit Trockenheit nicht gewachsen. Eine Folge davon ist der Borkenkäferbefall, der ja wirklich seit Jahren festzustellen und inzwischen sehr massiv ist. Riesige Schadholzmengen müssen aus den Wäldern genommen wer­den. Kollegin Kaltenegger hat es erwähnt, das hat zu einem massiven Preisverfall bei Holz geführt und stellt viele Forstbetriebe tatsächlich vor existenzielle ökonomische Herausforderungen und Schwierigkeiten. Dabei ist ein gesunder Wald in vielerlei Hin­sicht unverzichtbar, also nicht nur ökonomisch, sondern zum Beispiel auch was den Wasserhaushalt betrifft, was die Biodiversität betrifft. Wir alle wissen, dass der Wald Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tiere ist. Nicht zuletzt ist ein gesunder Wald natürlich unverzichtbar für den Klimaschutz, deshalb kann er uns nicht egal sein.

Mit diesem Wandfonds ist ein großer Schritt in Richtung Klimaschutz gelungen, ein großer Schritt in Richtung eines langfristig vitalen Waldes. Was die Waldbewirtschaftung betrifft stehen wir tatsächlich vor sehr großen Herausforderungen. Analysen zeigen, dass die Fichte in niedrigen Lagen in den nächsten Jahrzehnten einfach nicht überleben wird. Das betrifft große Bereiche Österreichs, das ganze Waldviertel beispielsweise, Oberösterreich und die Steiermark, also eigentlich die ganzen niedrigen Lagen. Da wird die Fichte die nächsten Jahrzehnte nicht überleben.

Noch ein Aspekt, der vielleicht noch zu wenig bekannt ist – ich war auch überrascht, das zu lesen; im letzten Jahr ist diese Studie herausgekommen –: Forschungen zeigen, dass, wenn die Temperaturen weiter steigen, und das werden sie tun, der Wald seine Funktion als CO2-Senke und damit als CO2-Speicher verlieren wird. Dem können wir nur entgegenwirken, wenn wir den Wald strategisch sehr bewusst neu strukturieren und nicht einfach nur zuschauen. Deswegen reden wir hier jetzt de facto über den Start einer Strategie für die nächsten Jahrzehnte.

Wenn so große Holzmengen aus dem Wald kommen, ist es natürlich völlig legitim und notwendig, darüber nachzudenken, wie man das Holz sinnvoll verwerten kann, damit nicht zuletzt auch ein akzeptabler Holzpreis entsteht. Es soll ja auch nicht eine Situation eintreten, in der dann über viele Jahre hinweg permanent gefördert werden muss.

Genau dazu leistet der Waldfonds wichtige Beiträge. Es geht eben nicht nur darum, ein Feuer zu löschen, also nicht nur um Entschädigungen, wenn man so will, sondern es geht gleichzeitig auch um gezielte Investitions- und Entwicklungsmaßnahmen, und das ist sehr wichtig.


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Einige wenige Beispiele dazu: Unterstützt, vorangetrieben werden sollen eine Regulie­rung der Baumartenzusammensetzung – für klimafitte Wälder brauchen wir in niedrigen Lagen weitgehend neue Baumarten – und Forschungsmaßnahmen zur technischen Nut­zung des Schadholzes – Stichwort Holzgase, Biotreibstoffe, die wir ja auch brauchen, nämlich für Dekarbonisierungsmaßnahmen im Klimaschutz.

Der Baustoff Holz ist schon genannt worden. Diesbezüglich kann man zum Beispiel in mein Heimatbundesland Vorarlberg fahren: Wir haben in diesem Bereich eine lange Tradition und gleichzeitig auch einen sehr, sehr modernen, innovativen Holzbau. Ein weiteres, wichtiges Beispiel sind Maßnahmen dahin gehend, dass der Wald auch seine Funktion als Ort der Biodiversität erhält.

Insofern ist das, finde ich, eine gute, kluge Verbindung, nämlich mit dem Ansinnen, einerseits jetzt in der Krise finanziell zu helfen, und das andererseits gleichzeitig mit einer langfristigen Entwicklung zu verbinden, die dem Wald und dem Klimaschutz hilft. Es ist also, ich sage es jetzt wieder, etwas Gutes. Möge der Waldfonds wirksam werden! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.41


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Ing. Edi Köck zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


19.42.01

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! An kühlen Herbst-, Winter- oder Frühjahrstagen habe ich oft, wenn sonst nichts zu tun war, die Motorsäge genommen, bin in den Wald gegangen und habe Bäume umgeschnitten. Das war für mich ein Ausgleich wie für andere laufen zu gehen. (Heiterkeit der Bundesräte Seeber und Schreuder.) Noch dazu hat man dabei ein wenig verdient.

In den letzten vier Jahren war es sehr oft so, dass ich wegen des Borkenkäferbefalls an Samstagen, Sonn- und Feiertagen die Motorsäge nehmen musste. Oft bin ich bei 35 Grad mit voller Schnittschutzmontur in den Wald gegangen und habe eigentlich nichts verdient, sondern auch noch draufgezahlt. Auch vielen Kollegen ist es wie mir gegangen. Deshalb war etwas notwendig und deshalb ist es sehr gut, dass wir heute dieses Gesetz diskutieren und beschließen können.

Zuerst vielleicht ein paar Sätze zum Entschließungsantrag der SPÖ: Da fehlt ein bisschen der fachliche Input. Vielleicht kann ich da ein wenig helfen. (Ruf bei der SPÖ: Nein, schaut nicht so aus! – Bundesrätin Grimling: Danke!) Das ist auch die Begrün­dung, warum wir nicht zustimmen werden:

Frau Kollegin Grimling, Sie waren ja im Ausschuss und haben die Ausführungen des Fachexperten Schima gehört, nämlich zum einen dazu, wie dieses Gesetz umgesetzt werden soll, und zum anderen auch dazu, wie das mit dem Borkenkäferbefall ist.

Sie verlangen in diesem Entschließungsantrag den Verzicht auf Pestizide. Dann muss ich Ihnen sagen: Der Experte hat gesagt, 200 Borkenkäfer bringen einen Baum zum Absterben und produzieren eine Million Nachkommen. Wenn man das durch 200 dividiert, kommt man auf 5 000. Das heißt, die Nachkommen können 5 000 Bäume zum Absterben bringen, da reden wir von 10 bis 20 Hektar, und das Ganze wiederholt sich alle acht Wochen. Das heißt, würden wir nichts tun, wäre die Katastrophe x-fach größer.

Was tun wir nach Aufforderung durch die Behörde und unter Androhung von Strafen? – Wir stellen im Frühjahr Fallen auf. Die Borkenkäfer werden mit Lockstoffen angelockt, sie fliegen gegen mit Pestiziden benetzte Netze und werden dadurch getötet. Weiters


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legen wir Fangbäume aus. Das sind frische Bäume, die von den Käfern befallen werden, Bäume, die wir mit Pestiziden behandeln, damit die Käfer absterben.

Wir müssen das Holz 2 Kilometer vom Wald entfernt lagern. Fahren Sie mit mir durch das Waldviertel! Sie werden keine oder sehr wenige Holzlagerungsflächen finden, die mehr als 2 Kilometer vom nächsten Wald entfernt sind. Wir müssen die Holzhaufen mit Netzen abdecken, die mit Pestiziden benetzt sind, oder wir besprühen die Haufen mit Pestiziden, damit die Käfer absterben, wenn sie auskriechen. Würden wir das alles nicht machen, dann wäre wahrscheinlich schon die zehnfache Waldfläche kaputt. Das alles geschieht auf Aufforderung der Behörde. Deshalb können wir bei diesem Punkt schon einmal gar nicht mit.

Das Nächste ist dieser Passus zu Waldarbeitern, zu Kollektivvertragsbedingungen und Ähnlichem: Ich muss Ihnen sagen, ich kenne keine Waldarbeiter. Das Holz wird ent­weder von Maschinen geschlägert oder von selbstständigen Firmen, die auf eigene Rech­nung arbeiten. Also bei uns gibt es fast keine Waldarbeiter mehr. (Bundesrätin Schumann: In Ihrer Region, aber es gibt ... arbeiten! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ich weiß schon, es hat vor etwa 15 Jahren einen Film gegeben, der von Menschen handelte, die von Jörg Haider so schlecht untergebracht wurden. Bei uns gibt es das nicht. Das sind eigentlich fast nur mehr Förster. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Zum degressiven Ansatz bei diesen Schadensauszahlungen: Sie haben ja gehört, welcher Teil von diesem Geld als Schadensauszahlung zur Verfügung gestellt werden soll. Das sind ja nur 60 Millionen Euro von diesen 350 Millionen Euro, und das soll eben degressiv sein, das soll gedeckelt sein. Das heißt, je mehr an befallener Fläche man hat, desto weniger wird dann das Geld, das man bekommt, und das alleine zeigt ja, dass das in Bezug auf die Größe gedeckelt ist.

Da eben das eine oder andere nicht zutrifft beziehungsweise nicht erfüllt wird, können wir diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen. (Bundesrätin Grimling: Na bum!)

Zum vorliegenden Gesetz möchte ich der Frau Ministerin und allen, die mitgeholfen haben, dieses Gesetz so auf die Reihe zu bringen, und auch jenen, die heute mitstimmen werden, danken. (Bundesrat Steiner: Gern geschehen!) – Danke, danke!

Vor einem Jahr sind 500 Bauern mit 200 Traktoren an der tschechischen Grenze auf­gefahren, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Viele der Maßnahmen, die dort gefordert wurden, werden umgesetzt, und es ist auch ganz, ganz wichtig, dass das um­gesetzt wird.

In sehr vielen der heutigen Reden wurde die Bedeutung des Waldes betont. Wir haben vom Preisverfall gehört. Wir sind jetzt bei 30 Prozent unter den Schlägerungskosten. Es ist wirklich keine Klientelpolitik, die mit diesen Entschädigungszahlungen verfolgt wird, sondern es geht eigentlich um eine Restabdeckung der Kosten, die angefallen sind.

Das sieht man auch daran, dass die Bundesforste 2019 einen negativen Abschluss hatten, dabei waren sie ja viele Jahre lang für gute Gewinnausschüttungen für die Re­publik verantwortlich. Daran sieht man, dass unter diesen Umständen eigentlich keine Gewinne im Wald zu machen sind.

Die positiven Ansätze in diesem Gesetz sind sehr wichtig. Wir wollen in Zukunft klimafitte Wälder installieren, weil diese Kulturen, die wir jetzt haben, sicherlich nicht mehr möglich sein werden.

Es soll mehr Holz am Bau verwendet werden. Das findet jetzt schon statt (Ruf: Super!), es werden schon sehr viele Holzriegelhäuser im öffentlichen Bereich, von den Wohn­baugenossenschaften gebaut, auch Hochhäuser in Wien werden aus Holz gebaut, und


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ich denke, die Technik wird immer besser werden und da wird immer mehr möglich werden.

Die Forschung in Richtung Holzgas, denke ich, ist auch sehr wichtig. Vielleicht werden einmal alle Traktoren mit Holzgas betrieben – man kann ja durchaus ein bisschen in die Glaskugel sehen.

Wir brauchen auch noch eine Lösung für die Biomassekraftwerke, das steht heuer noch an. Bei einigen laufen die Kontrakte aus. Es werden dort 10 Millionen Megawatt Ökostrom wegfallen, die man mit zusätzlicher Förderung anderswo erst wieder schaffen müsste. Wir wollen ja alle mehr Ökostrom. Deshalb ist es wichtig, dass wir heuer noch eine Nachfolgelösung finden. Da hoffe ich auch auf die FPÖ, damit das diesmal vielleicht schneller und unproblematischer geht; und vielleicht denkt ja auch die SPÖ noch darüber nach, damit wir wirklich noch etwas auf den Weg bringen können (Bundesrätin Grimling: Nein, wir haben Waldarbeiter! – Bundesrätin Schumann: ... AMS!), um auch das min­der­wertige Holz verwerten zu können.

Ich denke, es ist wichtig, dass wir dieses Gesetz heute beschließen, denn wir brauchen einen fitten Wald und fitte Forstwirte, und dieses Gesetz geht in diese Richtung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.  – Bundesrat Rösch: ... Forstarbeiter!)

19.49


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


19.50.03

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren im Bundesrat! Wir haben ja im Zuge der Regierungsklausur und dann eben auch in der letzten Nationalratssitzung durchaus weitreichende Pakete beschlossen, die maßgeblich zur Unterstützung, zur Rettung von Betrieben und Unternehmen, die von der Covid-19-Krise massiv betroffen sind, beitragen.

Wir haben eine Vielzahl an Entlastungsmaßnahmen beschlossen, und der dritte, sehr wichtige Bereich sind sehr große Investitionspakete, um in dieser Zeit die Konjunktur nachhaltig anzukurbeln. Das war mit ein Grund dafür, dass wir uns auf das Forstpaket verständigt haben.

Zum einen gibt es eine massive Schadholzsituation in Österreich, egal ob das Windwürfe sind, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder an der Tagesordnung standen, ob es späte Schneebrüche sind oder Schadholz infolge einer noch nie dagewe­senen Borkenkäferplage – mittlerweile in durchaus biblischem Ausmaß, wenn man sich einzelne Bezirke in Oberösterreich und Niederösterreich anschaut. All das haben wir zum Anlass genommen, um gerade jetzt in den Forstsektor und in die Waldwirtschaft zu investieren.

Geschätzte Damen und Herren, uns ist natürlich vollkommen klar, dass das kein Invest­ment ist, das sich sehr schnell rechnet, aber es ist ein Investment in unsere Zukunft. Unser Wald wird Jahrzehnte brauchen, um wieder in der bewährten, gewohnten Stärke zu wachsen. Deswegen ist es genau jetzt richtig und wichtig, in diesen Bereich zu investieren, in den Wald zu gehen und eben wieder aufzuforsten.

Wir haben dieses Gesetz als eine Basis für das größte Investitionspaket in den öster­reichischen Wald, das es jemals gegeben hat, geschaffen. Das war uns ein sehr wich­tiges Anliegen. Das Investitionspaket wird mit 350 Millionen Euro dotiert und über den Waldfonds abgewickelt. Es werden aktuell gemeinsam mit dem Finanzministerium die Richtlinien zur Durchführung erarbeitet.


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Ganz entscheidend und wichtig sind für uns in diesem Zusammenhang die Bundes­länder. Wir sind vor allem mit den Forstdirektoren und -direktionen in den einzelnen Bundesländern in sehr engem Kontakt. Eine rasche Antragstellung soll hoffentlich, Ihre heutige Zustimmung vorausgesetzt, ab Herbst 2020 möglich sein. Deswegen darf ich noch einmal dringend um Ihre Zustimmung zu dem heute vorliegenden Waldfondsgesetz bitten.

Insgesamt haben wir uns auf zehn Maßnahmen verständigt, und diese Maßnahmen sollen die wichtigsten Bereiche abdecken, die gezielt Unterstützung bieten werden. Eine der zentralsten Maßnahmen ist die Wiederaufforstung nach diesen Schadereignissen.

Ich war selber mehrmals in Schadholzgebieten in Oberösterreich und Niederösterreich unterwegs. Es ist wirklich katastrophal, wie resigniert zum Teil die Waldbauern, die dort über Generationen den Wald nachhaltig bewirtschaftet haben, mittlerweile sind. Sie sehen zum Teil einfach keine Motivation und keinen Anreiz mehr, wieder in den Wald zu gehen, denn ist es nicht der niedrige Holzpreis, der zurzeit vorherrscht, dann ist es der massive Wilddruck, der zum Teil herrscht oder es ist auch die massive Trockenheit, mit der diese Gebiete zu kämpfen haben.

Deswegen sind die zentralsten Maßnahmen eben die Wiederaufforstung und zeitgleich dazu die Waldpflegemaßnahmen, denn wer selbst einmal in einem Wald war, der weiß, dass das Pflanzensetzen allein noch keinen Wald macht. Ganz im Gegenteil: Die Arbeit entsteht erst danach, in den darauffolgenden Jahren.

Wir planen auch, einen Teil des eingetretenen Wertverlustes bei Borkenkäferkalamitäten abzugelten. Das soll analog zum Katastrophenfonds geschehen. Dort sind ja die Bor­kenkäferkalamitäten bisher nicht erfasst. Wir werden im Waldfondsgesetz eine ent­sprechende Möglichkeit schaffen.

Wir werden die Errichtung von Nass- und Trockenlagern unterstützen. Das war schon in den letzten Jahren eine der zentralsten Maßnahmen, denn das ganz Entscheidende bei der Borkenkäferproblematik ist, dass man das betroffene Holz sehr schnell aus dem Wald bringt. Da uns viele Absatzmöglichkeiten fehlen, ist es wichtig, Holz eben auch lagern zu können, und das werden wir im Waldfonds entsprechend verankern.

Wir fördern auch die mechanischen Entrindungsmaßnahmen, die sehr wichtig sind, um die Plage der rindenbrütenden Insekten einzudämmen. Sehr oft sehen wir den Insek­tenflug dann eben auch noch bei den geschlägerten Bäumen. Daher ist das eine sehr wichtige Maßnahme.

Wir unterstützen auch Maßnahmen zur Waldbrandprävention. Das ist ein Thema, das bisher eigentlich eher in Spanien und Griechenland aktuell war, mit dem wir uns aber in den nächsten Jahren auch in Österreich ganz massiv befassen müssen, das in den nächsten Jahrzehnten mit Sicherheit noch aktueller werden wird.

Ein Thema ist schon angesprochen worden, und das ist der große Forschungs­schwer­punkt, den wir zum Thema Herstellung von Holzgas und Holzdiesel setzen werden. Ich war heute an der TU Wien. Wir haben ja bereits im letzten Jahr eine große Mach­barkeitsstudie für ein Reallabor an der TU Wien in Auftrag gegeben. Holzdiesel ist keine abstrakte Zukunftsvision mehr, sondern ist schon real. Die TU Wien hat errechnet, dass man mittlerweile schon einen relativ marktfähigen Holzdiesel herstellen kann. Sie kommt bei 100-Megawatt-Anlagen auf einen Preis von 1,30 Euro pro Liter.

Nun wissen wir, dass infolge der Covid-19-Weltwirtschaftskrise der Dieselpreis ziemlich im Keller ist, aber das wird ja nicht so bleiben. Wir sind gut beraten, vor allem jetzt in diese Technologie zu investieren, um auf der einen Seite einen zentralen und maßgeb­lichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten – Holzdiesel hat nämlich ungefähr 90 Prozent weniger CO2-Ausstoß als fossiles Erdöl, und ist eben auch erneuerbar –, vor allem aber


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könnten wir, und das ist meine ganz große Zukunftsvision, die Land- und Forstwirtschaft in Österreich als ersten Bereich, als erste Branche 100 Prozent klimaneutral machen. Das heißt, die Landwirte in Österreich, die einen Wald haben, werden sich in Zukunft den Treibstoff selbst produzieren und damit eben auch einen maßgeblichen Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten. Das ist eine ganz, ganz große Win-win-Situation. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Wir werden unseren Forschungsschwerpunkt betreffend klimafitte Wälder weiter ver­stär­ken. Wir machen das bereits seit drei Jahren sehr intensiv im Bundesforschungszentrum für Wald. Das ist eine ganz großartige Einrichtung im Zuständigkeitsbereich meines Ministeriums, an der wir schon seit Jahren wirklich intensivst daran forschen, wie der Mix der Zukunft im Wald eben ausschaut.

An dieser Stelle sei vielleicht Folgendes gesagt: Dieses One-size-fits-all, also diese Blaupause, die wir über unsere Regionen legen könnten, wird es so nicht geben, weil es natürlich auch hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit, hinsichtlich der Klimazahl Unter­schiede gibt, aber wir haben da schon wirklich sehr gute Vorarbeiten leisten können.

Biodiversität im Wald ist natürlich auch ein ganz zentrales und wichtiges Thema.

Ganz besonders wichtig ist mir – und er liegt mir besonders am Herzen – der Holzbau. Dafür, dass Österreich ein derartiges Waldland ist, muss man sagen, ist da in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel zu wenig passiert. Wir haben zwar mittlerweile das größte Holzhochhaus in Wien stehen, nämlich das HoHo in Aspern, aber da geht noch viel mehr.

Ich glaube, dass der Holzbau auch im sozialen Wohnbau in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine ganz wichtige, zentrale Rolle spielen kann. Ehrlich gesagt gibt es keinen besseren Klimaschutz als wenn man in einem zweiten Wald wohnt. Nichts anderes ist eben ein Holzhaus. Auch das wird, über den Waldfonds verankert, ein ganz zentraler Schwerpunkt für die Zukunft sein.

All diese Maßnahmen, geschätzte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte, tragen dazu bei, dass wir eben die umfassenden Funktionen unserer Wälder weiter er­brin­gen können, dass wir die unzähligen Funktionen, die der Wald für unsere Gesell­schaft erfüllt, auch weiter ermöglichen; und etwas, das mir ganz am Herzen liegt, ist, dass wir eine Perspektive für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer schaffen, für all jene, die durch ihre jahrzehntelange Arbeit und Geduld dafür Sorge tragen, dass wir nachhaltige Ertragswälder in Österreich haben.

Nachhaltige Ertragswälder sollen eben auch für zukünftige Generationen möglich sein. Mit diesem Waldfondsgesetz schaffen wir, wie gesagt, die Grundlage dafür. Ich bedanke mich sehr herzlich für eine breite Zustimmung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

19.59

19.59.20


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „faire und nachhaltige Verteilung der


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öffentlichen Steuergelder des Waldfonds dringend gefordert“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständ­lichen Entschließung ist daher angenommen. (315/E-BR/2020)

20.00.5013. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird (233 d.B. und 256 d.B. sowie 10397/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (236 d.B. und 257 d.B. sowie 10398/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 13 und 14, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Herr Bundesrat, ich bitte um den Bericht.


20.01.23

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte.


20.02.48

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Werte Zuseherin­nen und Zuseher via Livestream! Der Mensch ist, was er isst. Noch nie war es uns


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Konsumenten wichtiger als in dieser Zeit, dass wir heimische und hochwertige Lebens­mittel kaufen können. Das Bekenntnis dazu ist momentan ein sehr deutliches, und es ist in den letzten Monaten stark gewachsen.

Was sich dann leider oft auf den Tellern wiederfindet, ist nicht mehr ganz dasselbe. Oftmals entscheidet der Preis, welches Produkt schlussendlich im Einkaufswagen oder am Teller landet. Daher ist es wichtig und notwendig, das Vertrauen des Konsumenten wiederzuerlangen und darum zu werben. Dabei spielen Transparenz, Nachvollzieh­barkeit und Herkunftskennzeichnung der Rohstoffe eine große Rolle.

Das beginnt bereits bei den Futtermitteln. In erster Linie müssen Futtermittel, die in den Trögen unserer Tiere landen, nachvollziehbar und hochwertig sein. Der vorliegende Entwurf beinhaltet im wesentlichen Anpassungen im Bereich der amtlichen Futtermit­telkontrolle aufgrund der EU-Kontrollverordnung an das EU-Recht. In Österreich wird die amtliche Futtermittelkontrolle bei den industriellen und gewerblichen Betrieben durch das Baes, das Bundesamt für Ernährungssicherheit, durchgeführt. Die Kontrolle der landwirtschaftlichen Betriebe erfolgt durch Landesbehörden im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung.

In der Vergangenheit wurden die Kontrollen papiermäßig abgewickelt, und das ist einfach nicht mehr ganz zeitgemäß. Im Sinne einer effizienten Vollziehung ist die Digitali­sierung der Kontrollen ein notwendiger Schritt für die Bundesverwaltung. Bereits bei der Dateneingabe vor Ort sollen die Daten aus dem VIS, dem Veterinärinformationssystem, übernommen werden können.

Anwenderfreundliche Programme mit gleichen Qualitätsstandards, die digitale Übermitt­lung an die Landwirte sowie die Übernahme der Kontrolldaten in diverse Datenbanken und die Übermittlung an die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit zum Zwecke der Probenuntersuchung sollen dabei umgesetzt werden.

Diese Änderungen bringen im Wesentlichen keine praktischen Änderungen bei den Vollzugs- und Überwachungstätigkeiten mit sich. Sie sind aber wichtig, damit diese Tätigkeiten von den amtlichen Kontrollorganen weiterhin in bewährter Art und Weise durchgeführt werden können.

Bei der Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes soll das auf Basis einer Verordnung geltende EU-Recht mit entsprechenden Begleitvorschriften ebenfalls verankert werden. Diese unmittelbar anwendbare Verordnung der EU regelt neben den amtlichen Kontrol­len auch den Bereich der Vollzugs- und Überwachungsmaßnahmen des Inverkehr­brin­gens von Pflanzenschutzmitteln. Wichtig ist dabei, dass mit diesen Novellen bestehende Kontrolldaten verknüpft werden können und die Grundlage dafür geschaffen wird, dass künftig der Weg der Lebensmittel besser darstellbar und nachvollziehbar ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, wird die Sicherheit und Transparenz unserer Lebensmittel auf moderne Beine gestellt, und der Konsument darf zu Recht Vertrauen in unsere heimischen Lebensmittel haben.

Ich möchte kurz auf den wahrscheinlich noch einlangenden Antrag der Freiheitlichen Partei zur Glyphosatkennzeichnung eingehen. Meiner Meinung nach ist das ein popu­listischer Antrag. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie wissen ganz genau, eine Gly­phosatkennzeichnung von Lebensmitteln ist im Besonderen für Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern absolut nicht hilfreich.

Sie wissen ganz genau, unsere Landwirtschaft produziert nach höchsten Standards, und die Anwendung von Glyphosat auf Pflanzen und Produkte, die in die Lebensmittelkette kommen, ist in Österreich nicht zulässig. Wenn also, wie Sie sagen, Glyphosat im Körper


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eines Menschen nachgewiesen wird, dann nicht durch den Genuss von heimischen Lebensmitteln. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist für uns auch klar, wir brauchen nur eine Kennzeichnung, nämlich die Her­kunfts­kennzeichnung. Gerade in dieser Krise wird deutlich, wie wichtig die Versor­gungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln ist. Der Konsument will wissen, welche Lebensmittel auf seinem Teller landen und woher sie kommen, und er hat auch das Recht dazu.

Nutzen wir die aktuelle Chance – ich sage: die Coronachance! Die Herkunftskenn­zeich­nung ist ein Gebot der Stunde. Sie ist für uns alle ein Gewinn, für uns als Konsumenten, für die Bäuerinnen und Bauern, für die heimische Wirtschaft, für die Natur, für die Tiere, für die Pflanzen, für die Umwelt, und wir gemeinsam schonen damit das Klima. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.08


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. – Bitte.


20.08.17

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich noch etwas zu Kollegen Köck sagen, und zwar wegen der Waldarbeiter, die es angeblich nicht gibt. Wir haben jetzt recherchiert: 61 Stellen sind derzeit über das AMS ausgeschrieben. Es gibt sie also doch. Das nur als kleiner Hinweis. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Auch der Köck kann nicht alles wissen! – Zwischenruf des Bundesrates Köck. Man kann nicht alles wissen, genau.

In meinem Redebeitrag möchte ich einerseits zum Futtermittelgesetz und andererseits zum Pflanzenschutzmittelgesetz Stellung beziehen.

Der Änderung des Futtermittelgesetzes werden wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion zustimmen. Im Wesentlichen geht es ja eigentlich nur um die Anpassung an die Vorgaben des EU-Rechts, vor allem im Bereich der Durchführung der amtlichen Futter­mittel­kontrolle.

Ziel ist die vollständige Digitalisierung der Kontrollabläufe, einerseits des Informations­austauschs und andererseits der Überprüfung der Daten. Es gibt Fehlerquellen, wenn man händisch eingibt – klar, das kann passieren. Es gibt einen EU-Prüfbericht aus dem Jahr 2018, der das nachgewiesen hat, und daher: Ja zur Digitalisierung, wo sie sinnvoll ist.

Bei der Regierungsvorlage betreffend die Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes ist unsere Haltung allerdings weitaus kritischer. „Wer Glyphosat spritzt, erntet Zwist“ – so titelte der „Standard“ gestern, am 14. Juli 2020.

In Österreich werden jährlich 300 bis 350 Tonnen Glyphosat verkauft, mehr als 85 Pro­zent davon bringen die Landwirte aus. Aus unserer Sicht sollte aufgrund des Vorsorge­prinzips unbedingt das Totalverbot des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat im Gesetz enthalten sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Totalherbizid Glyphosat ist im menschlichen Körper nachweisbar, sogar in der Muttermilch, und es ist laut WHO höchstwahrscheinlich krebserregend. Durch den Ein­satz von Pflanzenschutzmitteln mit diesem Wirkstoff wird unser Ökosystem nachhaltig geschädigt. Darum werden wir nicht müde, dies aufzuzeigen und für ein Totalverbot zu kämpfen.


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Glyphosat ist das meistverkaufte Pestizid der Welt. Es begann vor 20 Jahren seinen Siegeszug von Nord- über Südamerika nach Europa. Seine Wirkstoffe verhindern die Fotosynthese, die Pflanze verdorrt. Es tötet Unkraut und Nutzpflanzen, resistent sind nur gentechnisch veränderte Sorten. Bei Mais – bei uns in Österreich: Kukuruz –, Soja, Raps und Rüben öffnet es die Tore für die Gentechnik.

Es ist möglich, auch ohne das Pestizid wirtschaftlich zu arbeiten, das lebt der biologische Landbau vor. Helmut Burtscher, Umwelttechniker bei Global 2000, schlägt vor, Glypho­sat national zu verbannen, falls das Totalverbot in Brüssel gestoppt wird, indem man den Verzicht darauf mit Ökoförderungen verknüpft. Der Verbrauch würde somit um mehr als 90 Prozent sinken.

Der Druck der Öffentlichkeit für ein Totalverbot steigt. Wer dem zuwiderhandelt, setzt seine Popularität aufs Spiel. Das weiß auch Kanzler Sebastian Kurz. Er schlug sich 2017 medienwirksam auf die Seite der Glyphosatgegner, konnte sich aber offensichtlich intern bei Ihnen, Frau Ministerin, nie wirklich durchsetzen. (Zwischenbemerkung von Bundes­ministerin Köstinger.) – Ich weiß es nicht.

Die Sozialdemokratische Partei hat bereits zweimal einen positiven Beschluss im Hohen Haus erreicht, um Glyphosat in Österreich zu verbieten, doch weder die Übergangs­regierung noch die aktuelle Regierung haben die aufrechten Beschlüsse vollzogen. Ein im Sozialausschuss liegender Antrag zum Totalverbot von Glyphosat, der von der SPÖ im Dezember 2019 eingebracht wurde, wurde nun von Nationalratspräsident Sobotka zwecks Notifizierung an die EU-Kommission weitergeleitet. Die Frist läuft am 19.8. ab. Wenn die Abgeordneten der ÖVP und der Grünen im Nationalrat dem Abände­rungs­antrag der SPÖ zugestimmt hätten, dann könnte das Glyphosatverbot nach dem Fristablauf sofort im Bundesrat beschlossen werden. Diese Chance wurde leider vertan. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Was bringt es?)

Das Inkrafttreten des Verbots ist dadurch um ein weiteres Stück verzögert. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Was haben Sie bisher unternommen, um die Landwirtschaft auf diesen Glyphosatausstieg vorzubereiten? Seitens meiner Fraktion gibt es nochmals ein kräftiges Nein zum Einsatz von Glyphosat! Da jedoch die Regierungsvorlage notwendige Änderungen aufgrund von Verfassungsänderungen und EU-Verordnungen enthält, wird unsere Fraktion diesen Änderungen trotzdem zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

20.13


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. – Bitte.


20.13.49

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Schennach: So schnell ist noch keiner zum Rednerpult gelaufen! – Heiterkeit des Redners.) Die Pflan­zengesundheit ist von enormer Wichtigkeit, da 80 Prozent der Lebensmittel aus Pflanzen bestehen. Durch den globalen Handel wird die Gefahr immer größer, dass sich gefähr­liche Pflanzenschädlinge in Österreich ausbreiten können und das eine Gefahr für die Pflanzengesundheit zur Folge hat.

Anfang 2020 ist es beim Pflanzenschutz zu Kompetenzbereinigungen zwischen Bund und Ländern gekommen, wodurch dieser Bereich in die allgemeine Zuständigkeit der Länder gewandert ist. Eine Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes 2011 ist deswe­gen notwendig geworden, da EU-Verordnungen in den Bereichen Lebens- und Futter­mittelrecht, Tiergesundheit sowie Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel in Kraft


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getreten sind. Obwohl die mit dieser Novelle geplanten Änderungen rein technischer Natur sind, möchte ich trotzdem kurz auf die Wichtigkeit des Inhaltes eingehen.

Die Produktion gesunder Pflanzen ist die Voraussetzung für die Herstellung qualitativ hochwertiger Lebensmittel. Mit den vielfältigen Fragestellungen und Aufgaben rund um die Gesundhaltung von Pflanzen befasst sich das Institut für Nachhaltige Pflanzen­pro­duktion. Es schafft die Voraussetzung für die vorbeugende Sicherstellung gesunder Pflanzen durch den Schutz der österreichischen Pflanzenproduktion vor Einschleppung und Ausbreitung gefährlicher Quarantäneschädlinge.

Österreich ist in Europa Vorreiter einer nachhaltig produzierenden Landwirtschaft, in der ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gleichermaßen Berücksichtigung finden. Das Ziel muss sein, zeitgemäße Lösungen für den Pflanzenbau zu erarbeiten, die Bäue­rinnen und Bauern, Konsumentinnen und Konsumenten und der Umwelt gleichermaßen Sicherheit garantieren.

Als große pflanzenbauliche Herausforderung im 21. Jahrhundert werden Anpassungen an den Klimawandel, der Verlust fruchtbarer Böden und Innovationen in Pflanzenbau und Pflanzenschutz beschrieben. Dabei geht es vor allem um standortangepasste, umweltbewusste Produktions- und Bewirtschaftungssysteme, um die Züchtung von Pflanzen, die Hitze und Trockenheit überstehen, oder um die Bekämpfung wärmelieben­der invasiver Pflanzen und Schaderreger.

Um zu tragfähigen Lösungen zu gelangen, muss der Pflanzenbau in seiner Gesamtheit und Komplexität betrachtet werden. Das betrifft die Gesundheit unserer Böden und deren Düngung ebenso wie die Pflanzenzüchtung und die Sortenvielfalt sowie den Schutz der Pflanzen vor Schädlingen. Angewandte Forschung und Innovation gelten als Schlüssel zum Erfolg.

Das Thema Glyphosat beschäftigt uns schon längere Zeit und wird dies auch noch weiterhin tun. Ich weiß, dass das ein etwas sensibles Thema ist. Trotzdem möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gly­phosatkennzeichnung für Lebensmittel“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Kennzeichnung glyphosathaltiger Lebens­mitteln zu entwickeln und diese einzuführen.“

*****

Glyphosat, der Wirkstoff von Roundup und einigen anderen Unkrautvernichtungsmitteln, ist weltweit das am häufigsten eingesetzte Herbizid. Es wurde wissenschaftlich bewie­sen, dass sich Rückstände von Glyphosat nicht nur in Lebensmitteln, sondern auch im Körper von Menschen nachweisen lassen.

Eine konsumentenfreundliche und rasch umsetzbare Lösung ist eine Glyphosatkenn­zeichnung von Lebensmitteln. Eine solche Kennzeichnung ermöglicht unseren heimi­schen Konsumentinnen und Konsumenten, wenn sie es wollen, glyphosatfreie Lebens­mittel zu kaufen. Bei einer Glyphosatkennzeichnung werden alle Lebensmittel, die unter Glyphosateinsatz produziert wurden, als solche gekennzeichnet. Die Kennzeich­nung


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soll einfach und gut ersichtlich auf der Verpackung erfolgen und alle Lebensmittel umfas­sen, wenn bei der Produktion in irgendeinem Stadium Glyphosat zum Einsatz kam. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.17


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zum Rednerpult darf ich nun Herrn Bundesrat Andreas Lackner bitten.


20.18.22

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Werte Frau Präsidentin, auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt und viel Freude damit! Ge­schätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Novellierung des Pflanzenschutzmittelgesetzes und des Futtermittelgesetzes, um eine Implemen­tierung von Vorgaben, die sich aus dem EU-Recht, insbesondere aufgrund der EU-Kontrollverordnung, ergeben. Das ist sinnvoll und notwendig, und dem ist auch nichts entgegenzuhalten.

Zum Thema Glyphosat: Natürlich freuen wir uns schon auf eine Rückmeldung der Euro­päischen Kommission beziehungsweise des Europäischen Gerichtshofes, die besagen würde, dass Glyphosat auch in Österreich verboten ist. Jetzt gilt es zunächst, diese Entscheidung abzuwarten. Es wird wahrscheinlich im November, Dezember so weit sein, dass wir wissen, wie wir weiter vorgehen können. Es gibt halt einen Unterschied zwischen einer Forderung und deren Umsetzung. Um ein Glyphosatverbot in Österreich auch durchsetzen und umsetzen zu können, brauchen wir das Okay der EU, und auf dem Weg dorthin sind auch formale Schritte notwendig und einzuhalten. Das ist so, und auch der x-te Antrag ändert nichts an diesen Vorgaben. 

Ich bin aber auch nicht unglücklich über diese Anträge, denn dadurch bleibt dieses wich­tige Thema weiterhin in der öffentlichen Wahrnehmung und in Diskussion, und der Druck für ein Glyphosatverbot bleibt aufrecht. (Bundesrat Novak: Ist verschlampt worden, Kollege!) Die Umsetzung ist aber halt nicht so simpel, wie hier mancherorts suggeriert wird. Sie können jedoch davon ausgehen, dass die Grünen da nicht nur plakative For­derungen stellen (Bundesrätin Schumann: Und das machen Grüne!), sondern auch weiter an der tatsächlichen Umsetzung arbeiten.

Wenn wir über Futtermittel reden, ist es wichtig, dass wir uns überlegen, wie wir es in Österreich langfristig schaffen, weg von der Gentechnik hin zu einer Eiweißversorgung mit Futtermitteln, die aus Österreich beziehungsweise aus dem europäischen Raum kom­men, zu gelangen. Derzeit machen wir nichts anderes, als dass wir Ackerflächen nach Amerika auslagern, und das unter Duldung von massiver Abholzung von Regen­wald, unter Duldung von Landraub und Vertreibung von Kleinbäuerinnen und Klein­bauern und Indigenen. Das wird zukünftig ein wichtiges Thema sein, es wird für uns wichtig sein, an einer Eiweißstrategie im Sinne von Ernährungssouveränität, im Sinne von Ernährungs­sicherheit und im Sinne von Klimaschutz zu arbeiten und heimische Eiweißfrüchte anzu­bauen. Das haben wir uns ja auch so ins Regierungsprogramm hineingeschrieben.

Wenn wir über Pflanzenschutzmittel reden, ist es genauso wichtig, zu überlegen, welche Sorten wir züchten, was wir in Österreich anbauen, wie wir allein durch die Züchtung dort­hin kommen, dass wir weniger Pestizide brauchen. Auch dazu findet sich ein klares Bekenntnis im Regierungsübereinkommen, nämlich dass wir heimische Saatgutzüch­tungsunternehmen unterstützen und auch die Entwicklung von samenfesten Sorten weiter vorantreiben.


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Lassen Sie mich nochmals darauf hinweisen, dass die Gentechnikfreiheit ganz wesent­lich sein wird! Es gibt eine große Diskussion in unserer Gesellschaft betreffend Her­kunftskennzeichnung unserer Lebensmittel. Wer ein gutes Lebensmittel zu sich nimmt, weiß, wie wichtig alle vorgelagerten Bereiche sind: Wo lebt das Tier, wie wird das Tier behandelt, das letztendlich zu Fleisch weiterverarbeitet wird? Was hat dieses Tier zu sich genommen? Wie werden die Futtermittel angebaut beziehungsweise erzeugt? Diese Herkunftskennzeichnung bedingt gleichzeitig, dass wir uns gut überlegen, wie wir zukünftig auf unseren Markt einwirken können, um einwandfreie heimische Futtermittel zu produzieren, somit gute Lebensmittel zu erzeugen und letztendlich dadurch auch eine Pestizidreduktion zu erreichen.

Abschließend möchte ich meinen Appell aus der Bundesratssitzung im Juni an ge­wichtige Vertreter der Gastronomie wiederholen: Überdenken Sie Ihre Position und geben Sie den Widerstand gegen eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie auf! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

20.23


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Als letzten Redner zu diesem Tages­ordnungspunkt habe ich Herrn Bundesrat Martin Preineder auf der Liste. – Bitte.


20.23.29

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Die Wochen und Monate seit Mitte März haben uns gezeigt, dass Versorgungssicherheit einen neuen Stellenwert in unserer Gesellschaft, eine neue Wertigkeit erhalten hat. Das betrifft die Versorgungssicherheit mit Energie, die Versorgungssicherheit mit Medika­menten und mit Medizinprodukten, aber auch die Versorgungssicherheit mit Lebens­mitteln.

Die heimische Landwirtschaft hat gezeigt, dass sie auch in einer Krise unsere Gesell­schaft regional mit Lebensmitteln versorgen kann, die Versorgung war zu keiner Zeit gefährdet. Genau zu dieser Versorgungssicherheit haben wir heute zwei Vorlagen zu beschließen, nämlich das Futtermittelgesetz und das Pflanzenschutzmittelgesetz. Im Futtermittel­gesetz ist eine Modernisierung der Abwicklung vorgesehen, denn EDV und Digitalisierung sollen stärker zur Anwendung kommen und die Papierform damit in den Hintergrund gedrängt werden, damit die Arbeit der AMA und der Ages, der Agentur für Ernährungssicherheit, erleichtert wird. Im Pflanzenschutzmittelgesetz geht es um eine Klärung der Kompetenzen zwischen der Europäischen Union, dem Bund und den Ländern, damit Ausbringung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln eindeutig in der Kompetenz der Länder geregelt sind.

Geschätzte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Versorgungssicherheit ist aber untrennbar mit Pflanzenschutz verbunden. Wenn wir sichere Nahrungsmittel haben wollen und auch sicher versorgt sein wollen, dann müssen wir als Landwirte die Möglichkeit haben – ich sage das auch als aktiver Biobauer –, dass wir, wenn Pflanzen­schädlinge auftreten, diese auch bekämpfen können und ihnen entgegenwirken können, wenn Konkurrenzpflanzen am Acker sind, diese auch hintanhalten können, und auch wenn Pflanzen von Pilzen oder Krankheitserregern befallen sind, muss es entsprechende Möglichkeiten geben.

Es ist gut, wenn wir, die Gesellschaft, uns kritisch mit dem Pflanzenschutz auseinan­dersetzen, aber wir sollten diese Kritik sachlich, fachlich und vor allem wissenschafts­basiert üben. Wir kennen das Thema ebenso bei den Medikamenten: Niemand wird infrage stellen, dass wir, wenn jemand krank ist, Medikamente anwenden dürfen.


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Wer am gestrigen Tag im EU-Ausschuss war, der weiß, dass wir dort das Thema hatten, dass Gentechnikfreiheit plötzlich nicht mehr das wesentliche Thema ist, wenn wir schnell ein Mittel gegen Corona entwickeln wollen. Dann verzichten wir, der Geschwindigkeit geschuldet, lieber auf dieses Asset Gentechnikfreiheit. Das ist sicher auch gut so (Bun­desrätin Schumann: Das als Biobauer!), aber ich möchte nur zeigen, dass es da fließende Grenzen gibt.

Darum darf und möchte ich Sie alle, euch alle einladen, zu versuchen, eine geregelte, eine geordnete Diskussion über Pflanzenschutzmittel zu führen, weil Ernährungssicher­heit eben Pflanzenschutz braucht. Damit darf ich auf den Entschließungsantrag des Kollegen Schererbauer eingehen, der eigentlich ein Entschließungsantrag des National­ratsabgeordneten Schmiedlechner ist, der in meinem Bezirk zu Hause ist, dort auch als Kammerrat bei der Kammerwahl am 1. März gewählt wurde, aber leider Gottes nicht einmal mehr zur Angelobung in die Bezirksbauernkammer gekommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Der Entschließungsantrag möchte eine klare Kennzeichnung von glyphosathältigen Lebensmitteln in Österreich. Das ist ein durchaus guter Vorschlag, wenn er oberflächlich betrachtet wird. Es ist genau das Thema Glyphosat, das in Österreich sehr populistisch – das wurde von den NGOs betrieben – behandelt wird, wobei mir aber sehr oft die Fachlichkeit und die Sachlichkeit fehlen.

Was ist Glyphosat? – Glyphosat ist ein chemisch-synthetischer Wirkstoff, der ein be­stimmtes Enzym in der Pflanze blockiert und sie so vernichtet. Das heißt, alles, was grün ist, wird vernichtet (Ruf bei der FPÖ: Schlecht für den Koalitionspartner!), aber da gibt es relativ wenig Rückstände. Zu Glyphosat und Gentechnik: Frau Kollegin Prischl hat darauf hingewiesen, dass in Nord- und Südamerika gentechnikveränderte Pflanzen – Mais, Soja – gezüchtet werden, die glyphosatresistent sind und dass Anbauflächen sehr großflächig, teilweise vom Flugzeug aus, mit Glyphosat behandelt werden. Erstens gibt es ein klares gesellschaftliches Bekenntnis, dass in Österreich Gentechnik nicht ange­wendet wird, also gibt es in Österreich keine gentechnisch resistenten Pflanzen gegen Glyphosat. Das heißt, diese großflächige Anwendung von Glyphosat, wie sie in anderen Ländern durchgeführt wird, gibt es in Österreich nicht. In Österreich werden nur Grün­düngungspflanzen, Bodenbedeckungspflanzen, Pflanzen, die zum Schutz vor Erosion des Bodens verwendet werden, mit Glyphosat behandelt, das sind 9 Prozent der öster­reichischen Ackerfläche. Keine, wirklich keine Kulturpflanze – ob es eine Nahrungsmit­tel­pflanze oder eine Futtermittelpflanze ist – kommt in Österreich mit Glyphosat in Be­rührung.

Damit ist Glyphosat ein Mittel, das von einem kleinen Teil der österreichischen Landwirt­schaft benötigt wird, um Bodenschutz, um Erosionsschutz zu betreiben, da es manchmal aufwändiger wäre, zu pflügen und den Boden mechanisch zu bearbeiten, als mit einem relativ ungiftigen Mittel Erosion zu bekämpfen. (Bundesrätin Schumann: Relativ ungif­tig!) – Relativ ungiftig, ja, das kann ich Ihnen sagen. Es gibt dazu wissenschaftliche Studien, und zwar hat die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit, die Ages, Glyphosat als nicht krebserregend eingeschätzt, die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit, die Efsa (Zwischenruf des Bundesrates Rösch), die Europäische Che­mikalienagentur, die US-Umweltbehörde sowie die Behörden aus Australien, Japan und Neuseeland sagen: Glyphosat gehört nicht zu den extrem schädlichen und extrem risikoreichen Substanzen. (Bundesrätin Schumann: Nicht extrem, aber doch schäd­lich! Ruf bei der SPÖ: ... Bienensterben!)

Nein, das Risiko durch Glyphosat für Bioorganismen, bestäubende Insekten und Vögel bewertet die Ages als gering. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ohne Glyphosat der Einsatz anderer Herbizide notwendig wäre, die auch nur auf bestimmte Arten von Unkräutern einwirken und oft giftiger als Glyphosat sind. Wir müssen mit Pflanzenschutz


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in der österreichischen Landwirtschaft vorsichtig und sparsam umgehen, sich aber nur auf Glyphosat zu fokussieren, das ist, glaube ich, nicht der richtige Ansatz. Glyphosat wird sicher noch lange in Diskussion sein, es wird weltweit eingesetzt, aber, wie gesagt, nicht in Österreich.

Damit komme ich zum Antrag, Herr Kollege Schererbauer: Eine klare Kennzeichnung ist es, wenn österreichisches Lebensmittel draufsteht (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), denn dann ist sicher kein Glyphosat drinnen. Also wenn Sie eine Kennzeichnung von glyphosathaltigen Lebensmitteln fordern, dann kaufen Sie österreichische Lebensmittel, die sind klar gekennzeichnet! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Daher, glaube ich, ist es wichtig, als Konsument für heimische, für öster­reichi­sche Lebensmittel einzutreten, dann erhält man das, was man will, nämlich glypho­satfreie Lebensmittel. Wenn man es noch besser will, kauft man biologische Lebens­mittel, die ja angeboten werden, allerdings in einem höheren Maß angeboten als gekauft werden. Ich darf auch da die Konsumenten einladen, sich am Ladentisch entsprechend zu positionieren und die Kaufentscheidung zu treffen.

Der Niederösterreichische Bauernbund fordert, die Versorgung mit heimischen Lebens­mitteln in der Verfassung festzuschreiben. Ich glaube, das wäre ein guter Ansatz, über den wir alle gemeinsam nachdenken sollten: heimische Lebensmittel, die für dich da sind, die für alle da sind und vor allem für Österreich da sind. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

20.32

20.32.11


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlos­sen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die getrennt erfolgen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird (233 der Beilagen und 256 der Beilagen sowie 10397/BR der Beilagen).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (236 der Beilagen und 257 der Beilagen sowie 10398/BR der Beilagen).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle auch hier die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (316/E-BR/2020)


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20.34.3115. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2020, geändert wird (238 d.B. und 258 d.B. sowie 10399/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Otto AuerIch bitte um den Bericht.


20.35.15

Berichterstatter Otto Auer: Frau Präsidentin! Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit das Umweltförderungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt xxx/2020, geändert wird.

Maßnahmen zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit und Verbesserung der Gewäs­serstrukturen dienen der Herstellung des guten ökologischen Zustandes der Gewässer und erhöhen zusätzlich auch die Widerstandsfähigkeit der Gewässer gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels. In der Gewässerökologie könnten damit Investitionen in der Höhe von 540 Millionen Euro ausgelöst werden.

Alle wichtigen Informationen haben Sie erhalten, ich stelle daher gleich den Antrag.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Bitte.


20.36.30

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Bundes­minister! Hoher Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich bei der Frau Bundesminister herzlich für die Vorlage der für die Verbesserung der Gewässerökologie so wichtigen Novelle zum Umweltförderungsgesetz bedanken.

Wie es der Berichterstatter schon kurz ausgeführt hat, werden mit dieser Novelle Fördermittel in der Höhe von insgesamt 200 Millionen Euro für die Jahre 2020 bis 2027 zur Verfügung gestellt, mit denen in erster Linie Maßnahmen zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit und Verbesserung der Gewässerstrukturen getätigt werden. Zusätzlich wird durch die zu tätigenden Investitionen die Widerstandsfähigkeit der Gewässer im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Klimawandels gestärkt, dies alles im Sinne der Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie.

Durch den Einsatz von 200 Millionen Euro an Bundesmitteln soll auch die Konjunktur unterstützt werden, durch Kofinanzierungen sollen damit insgesamt 540 Millionen Euro ausgelöst werden, was wiederum in Zeiten wie diesen natürlich wichtige Arbeitsplätze schafft und auch sichert. Das kommt vor allem den Regionen zugute.

Die geplanten Maßnahmen zur Ökologisierung unserer Gewässer sind die Fortsetzung einer österreichischen Erfolgsgeschichte. Unsere Gewässer weisen zum größten Teil eine hervorragende Güte auf, auf die wir besonders stolz sein können, die wir auch unbedingt bewahren müssen. Das war nicht immer so. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, in meiner Mittelschulzeit in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts – das


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ist schon eine Zeit lang her (Bundesrat Steiner: Ist schon lang her!) – habe ich immer sehr gerne den Schulatlas durchgeschaut. Da hat es immer eine Abbildung über die Gewässergüte der fließenden Gewässer in Österreich gegeben. Damals ist hinter jeder Stadt und insbesondere hinter den Landeshauptstädten der ganze Fluss rot gewesen, was eine extrem schlechte Wassergüte bedeutet hat. Da haben wir in den letzten Jahren in Österreich mit sehr viel Aufwand und sehr vielen Mitteln sehr vieles erreicht, was zur Ökologisierung der Flüsse beigetragen hat. Im europäischen Vergleich können wir nun sehr stolz auf unsere Wassergüte sein.

Was ist das Ergebnis dieser Bemühungen? Gerade in der heurigen Coronasaison sind wir sehr stolz darauf, dass wir eine so saubere Umwelt und Natur haben, dass wir mit glasklaren Seen, aber auch Flusslandschaften werben können. Insgesamt haben wir in sehr vielen Seen und auch Flüssen Trinkwasserqualität, das kommt natürlich unseren einheimischen Gästen sehr zugute und bringt eine hohe Wertschätzung und natürlich auch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Regionen.

Wasser ist Leben und natürlich ein unbezahlbarer Schatz in unserem Land, auf den wir ständig schauen müssen. Trotzdem muss ich als Tiroler noch etwas zum wirtschaftlichen Nutzen unseres Wassers sagen. Was haben wir zum Beispiel in meinem Heimatbun­desland Tirol an natürlichen Ressourcen? – Wir haben eine, glaube ich, sehr schöne Landschaft; wir haben sehr fleißige und tatkräftige Leute, und dann ist es mit den natürlichen Ressourcen schon fast vorbei.

Eine ganz wichtige natürliche Ressource ist unser Wasser und damit verbunden die Wasserkraft. Im Sinne der geplanten Energiewende gilt es, die Ressource Wasserkraft entsprechend zu nutzen und auszubauen. Ich möchte gleich betonen, dass energie­wirtschaftliche Interessen und Naturschutzinteressen einander in der Regel nicht widersprechen. Wir haben sehr viele, sehr positive Beispiele in unserem Land. Es sind Vorzeigebeispiele, die dafür einstehen und aufzeigen können, wie beide Interessen hervorragend unter einen Hut gebracht werden können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Noch einmal: Danke, Frau Bundesminister, für die Aufbringung der Mittel zur Steigerung der Wasserökologie. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.41


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Herrn Bundesrat Günther Novak ans Rednerpult bitten. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.41.25

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Preineder, du wirst dir schon gedacht haben, das gibt es gar nicht, dass der nicht rauskommt. Zwei Sätze zum Futtermittelgesetz möchte ich aber schon noch sagen: Jeder hier herinnen weiß, dass ich ein Gegner von Glyphosat bin. Bei deinen Ausführungen habe ich mir gedacht, dass du jetzt Lobbyist für Glyphosat geworden bist, da du dieses Unkrautvernichtungsmittel hier am Rednerpult so enthusiastisch verteidigst.

Ich kann mich noch zurückerinnern – und wahrscheinlich können wir da eh nur gegen die Wand laufen –: Am 2.7.2019 haben wir es das erste Mal beschlossen. Es ist dann von Frau Bierlein nicht notifiziert worden, weil dies vor dem Nationalratsbeschluss hätte sein sollen. Danach ist es von Bundesministerin Köstinger zu Bundesministerin Gewessler und von Gewessler zu Köstinger gewandert, weil die Ministerien gewechselt haben. Jetzt hat es Präsident Sobotka zur Notifizierung gebracht.

In Kärnten haben wir mit Landeshauptmann Peter Kaiser dort, wo es möglich war – also zumindest in Gemeinden, Städten, auf Friedhöfen und so weiter –, die Sache in die richtige Richtung gebracht, sodass man Glyphosat dort nicht mehr verwendet. Schauen


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wir einmal, wie das ausgeht. Ich glaube, dass Glyphosat – teilweise nachweislich – schädlich ist, aber nicht zu Todesopfern geführt hat, wie es hier schon gesagt worden ist. Das kann man bei Weitem nicht so sagen.

Zum Thema Umweltförderungsgesetz: Wir wissen, der fortschreitende Klimawandel be­deutet nicht nur für uns alle große Herausforderungen in vielfältiger Weise, er wirkt sich auch besonders negativ auf den ökologischen Zustand unserer Gewässer aus. Davon betroffen sind vor allem Gewässer, in deren Lauf und Strukturen sehr massiv einge­griffen wurde. Die Ökologie der naturbelassenen Gewässer kommt mit den hohen Tem­peraturen oder mit den Starkregenereignissen besser zurecht. Sie sind deutlich wider­standsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels.

Was will ich Ihnen – es gibt ja Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unter Ihnen – damit sagen? – Leider Gottes zeigen sich durch diese Klimasituation, die wir haben und die von einigen geleugnet wird, jährliche Auswirkungen wie der Starkregen. Er ist dadurch entstanden, dass diese Streams, die immer durchgezogen sind, nun bei uns stehen bleiben und über Wochen schönes Wetter produzieren. Aufsteigender Wasser­dampf – um ein Drittel mehr Wasserdampf – bewirkt, dass es wie aus Kübeln schüttet, und dies nicht nur am Land, sondern auch bei uns in den Bergen, wo gewaltige Muren zum Abgang gebracht werden. Es gibt noch viele andere Dinge, die durch das Klima und den Klimawandel zusätzlich auf uns zugekommen sind. Es wird dann eine Retention notwendig, dass sich das Wasser ausbreiten kann. Wenn wir als Menschen eingreifen und das Wasser durch Schluchten oder durch vorgefertigte Maßnahmen weiterbringen, wird das halt auch nicht das Richtige sein. Die gewässerökologischen Maßnahmen wie die Wiederherstellung der Durchgängigkeit und die Verbesserung von Gewässer­struk­turen sind daher das wirksamste Mittel, um diese Schäden zu beheben.

Was ich eigentlich nicht verstehe, sind einige Länder in der EU, die, anstatt die Anstren­gungen zu verdoppeln, die Ziele in diese Richtung sogar herabsetzen wollen.

Ich bin auch Mitglied eines Reinhalteverbandes. Wir sehen, wie viel Geld dort eingesetzt wird und heute wartet jeder schon darauf, dass wieder Geld kommt, um neue Projekte zu finanzieren. Sie wissen ja, am Land bei uns draußen: Oberflächenwasserkanäle, neue Anlagen, neue Orte, Hütten, die angeschlossen werden, oder was immer; derartige Projekte bekommen bis zu 40 Prozent Förderung. Das ist sehr viel Geld.

Ich denke zum Beispiel an die Oberflächenwasserkanäle, über die wir die ganze Zeit eigentlich gar nicht nachgedacht haben. Wir haben das Wasser auf Eigengrund ver­sickert. Nun aber ist bei uns der Boden schlussendlich so versiegelt, dass es diese Ober­flächenkanäle braucht, damit wir das Wasser in weiterer Folge in den Bach einleiten können. Das alles kostet Geld, und dafür sind diese 200 Millionen Euro an Fördermitteln aus den Mitteln des Wasserwirtschaftsfonds bereitgestellt. Ich glaube ja fast, dass es mit diesen 200 Millionen Euro kein Auskommen geben wird, weil wir aufgrund dieser Wettersituation wahrscheinlich viel mehr brauchen werden. Das ist aber, wie gesagt, einmal bis 2027.

Wir haben zum Beispiel im Wasserverband bei uns im Mölltal, wo wir Lawinen-, Wild­bachverbauungen und Netze machen und versuchen, die Bäche wieder zu fassen, das Geld bis 2025 schon aufgebraucht. Wir wissen heute schon, dass das Geld mit allem, was dazukommt – von Bund, Verbund, von uns selbst und vom Land –, 2022 weg sein wird und dass wir wieder an den Bund herantreten müssen, um Leib und Leben in unserer Gegend zu schützen.

In Kärnten sind wir, so wie es der Kollege im Vorfeld schon für Tirol gesagt hat, gewöhnt, dass die Badeseen Trinkwasserqualität haben, und das schon seit langer Zeit. Es war aber nicht immer so. In meinen jungen Jahren ist der Millstätter See gekippt. Daran kann


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ich mich noch sehr gut erinnern, es hat schauderlich gestunken. Damals waren auch noch sehr viele Touristen da. Es war eine Katastrophe.

Wie auch immer, man hat das alles in den Griff bekommen. Wenn ich bei uns in den Nationalpark Hohe Tauern schaue, können wir – wie alle anderen in Tirol und Salzburg wahrscheinlich auch – sagen, wir gehen hinters Haus und trinken aus dem Bach. Gott sei Dank – das können viele Leute nicht mehr, was wir da können.

Ich habe auch das Thema Wasserschule im Nationalpark Hohe Tauern – in unserer Gegend und in Tirol und Salzburg – erwähnt. Es wird von Swarovski gesponsert. Junge Leute sollen darauf hingewiesen und geschult werden, was es mit dem Thema Wasser auf sich hat und wie man mit dieser Ressource umgehen soll, denn wir wissen, weltweit haben Hunderte Millionen von Leuten keinen Zugang mehr zu reinem Wasser. Kollege Appé hat das Thema Wasser in den Vordergrund seiner Präsidentschaft gestellt, und um das Wasser für die Zukunft zu schützen, wurde der Wasserschutz schlussendlich mit dem Nationalrat und allen zusammen in den Verfassungsrang gehoben.

Ich möchte zum Abschluss nur eines noch feststellen: Wir sind die erste und letzte Generation, die zum Thema Klima etwas machen kann oder machen sollte. Das klingt vielleicht etwas banal, ist es aber nicht. Zu dem Thema wurde im Nationalrat von der SPÖ ein Entschließungsantrag betreffend „rasche Umsetzung der Klimaschutzmilliarde“ eingebracht. Er ist leider abgelehnt worden. Wie auch immer, ich denke schon, dass wir uns bewusst sind, alle, die wir hier sitzen und die draußen sind – vielleicht nicht alle –, dass wir in dieser Hinsicht etwas zu tun haben und tun müssen.

Wasser als Ressource, als ökologisch gesunder Lebens-, Erlebnis- und Freizeitraum muss uns auch etwas wert sein. Deswegen werden wir diesem Gesetz auch zustimmen, wobei ich wirklich glaube, dass wir wahrscheinlich aufgrund der 200 Millionen Euro in den nächsten paar Jahren wieder anstehen werden. Das wird nicht bis 2027 reichen. – Danke! (Beifall bei der SPÖ.)

20.49


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


20.50.08

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich möchte wie Kollege Novak noch einmal kurz etwas zum vorigen Punkt sagen. Ich verstehe unter Populismus, wenn man zum Beispiel am 11. Februar 2020 in der Sitzung des Land­wirtschaftsausschusses zur Forderung meinerseits nach einer klaren Kennzeichnung von Lebensmitteln von der ÖVP mitgeteilt bekommt, der Kaiserschmarrn werde auch nicht vom Kaiser gemacht, während man heute auf einmal von der klaren Lebensmittel­kennzeichnung spricht. Aber gescheiter werden darf man ja. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Sie waren ja die Dame, die mir das damals mitgeteilt hat.

Kommen wir zum vorliegenden Tagesordnungspunkt: Es braucht gemeinsame Maßnah­men und Ziele, um größtmöglichen Schutz für die Umwelt, die wirtschaftlichen Interessen und die Freizeitnutzung unter einen Hut zu bringen und eine Verbesserung der ge­wässerökologischen Situation herbeizuführen. Zu dem gehört auch, dass wir einmal wirklich ehrlich über den dauerhaften Schutz von Fischreihern, Fischottern, Gänse­sägern oder Kormoranen nachdenken sollten, denn auch Fische und Amphibien gehören zur Gewässerökologie. Wir sollen immer ausgleichend wirken und die Zukunft im Auge be­halten.


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Für die Umsetzung zur Verbesserung der gewässerökologischen Situation wird ein Budget in Höhe von 200 Millionen Euro bereitgestellt. Dies wird unsererseits auch befürwortet. Mit dem Budget sollen Gewässerstrukturen verbessert, die Durchgängigkeit wiederhergestellt und auch Fischaufstiegshilfen gebaut beziehungsweise revitalisiert werden. Durch dieses Budget soll eine regionale Wertschöpfung in Höhe von 540 Mil­lionen Euro in den nächsten sieben Jahren ausgelöst werden. Dadurch werden zusätz­liche Arbeitsplätze geschaffen.

Wir haben eine schöne Landschaft, und dazu gehören auch die Gewässer: die Flüsse, Bäche und Seen, und natürlich die Ufer und ihr guter Zustand. Es liegt in unserer Verantwortung, diese zu schützen und für die nächsten Generationen eine intakte Natur zu erhalten.

Wichtig ist aber auch, dass die gesetzten Maßnahmen wie die Nutzung von Gewässern für den weiteren Ausbau der Wasserkraft ermöglicht und nicht verhindert werden.

Für das Gleichgewicht ist Handeln mit Hausverstand gefragt. Wir sind ein Land, das keine Atomkraftwerke zur Energieversorgung braucht, und das ist gut so. Das soll auch in Zukunft so bleiben. In meinem Heimatland Niederösterreich wurden zu diesem Zwecke unter anderem der NÖ Wasserwirtschaftsfonds durch das NÖ Wasserwirt­schafts­fondsgesetz im Jahr 1994 eingerichtet.

Davor existierten Vorgängermodelle im NÖ Landes-Wasserwirtschaftsfondsgesetz aus dem Jahr 1987 und im NÖ Gemeinde-Investitionsfondsgesetz 1975. Zu den wesent­lichen Aufgaben des Fonds gehörten die Förderung der Errichtung, Erweiterung, Er­neuerung und Sanierung von öffentlichen Wasserversorgungsanlagen, Abwasserent­sorgungsanlagen, Abwasserbehandlungsanlagen, die Förderung der Errichtung und Erweiterung von Einzelwasserversorgungs- und Einzelabwasserbeseitigungsanlagen, die Förderung der Errichtung und Erweiterung von Löschwasserversorgungsanlagen von Gemeinden, die Förderung von Forschungsprojekten und generellen Studien, die Förderung von Planungsvorhaben mit Bedeutung für die Wasserversorgung oder Ab­wasserentsorgung sowie von Teilnahmegebühren an österreichischen Benchmarking­projekten, die Förderung von Sonderkatastrophenschutzplänen Hochwasser für Ge­mein­den, die Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung des ökologischen Zustan­des der Gewässer.

Als Beispiel für gewässerökologische Maßnahmen in meinem Heimatland: Im Haus­haltsjahr 2019 erfolgten vier Bauvorhaben kommunaler Förderungsnehmer, Gemeinden und Verbände im Sinne von gewässerökologischen Maßnahmen, vor allem zur Ver­besserung der Durchgängigkeit und zur Restrukturierung morphologisch veränderter Fließgewässerabschnitte, mit veranschlagten Gesamtinvestitionen von 1 294 000 Euro. Insgesamt wurden im Jahr 2019 2 150 000 Euro investiert.

Die gesetzten Maßnahmen in Niederösterreich und die heute zu beschließenden dienen auch zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Österreich. Gewässerschutz und Trinkwasserqualität gehören für uns Freiheitliche zu den gesundheitlichen Überlebens­merkmalen. Insofern ist der zusätzliche Betrag in Höhe von 200 Millionen Euro nicht nur unmittelbar in Lebensqualität und Natur investiert, sondern auch für Mensch und Ge­sundheit bestens angelegt. Aufgrund dessen werden wir Freiheitliche keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates erheben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bun­desrates Bader.)

20.55


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross das Wort erteilen. – Bitte.



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20.55.30

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Ministerin! Eingangs noch zu Kollegen Novak: große Übereinstimmung! Ich möchte nur eines anmerken: Die Klimamilliarde haben wir realisiert, die ist schon da und geht über die ganze Bandbreite von thermischer Sanierung, Kesseltausch bis hin zu Mobilität und so weiter. (Ruf bei der SPÖ: Realisiert ist sie auf dem Papier! Papier ist geduldig!) – Nein, das ist teilweise schon gesetzlich verankert. Zur Novelle des UFG zum Beispiel gibt es bereits eine Vorlage des Ministeriums, die bald ins Parlament kommen wird. Somit wird das auch im Gesetz fixiert. (Beifall bei den Grünen.)

Gewässerschutz oder vielleicht besser intakte Bäche und Flüsse, die Lebensraum für viele Lebewesen sind, sind schon lange eines unserer Kernanliegen. Es sind Kern­anlie­gen des Umweltschutzes überhaupt, und natürlich ist es nicht nur Umweltschutz. Wasser ist ein Lebensmittel, damit ist es auch Lebensschutz, Wasser ist wichtig für den Erho­lungs­raum, für die Attraktivität der Landschaft, auf die wir gerade in Österreich sehr stolz sind.

Eine Kritik möchte ich schon anbringen: In den letzten Jahren – das heißt eigentlich schon seit vielen Jahren und damit auch von den letzten Regierungen – ist definitiv viel zu wenig in die Qualität der Gewässer investiert worden. Man weiß ja von der Notwen­digkeit schon länger, die Wasserrahmenrichtlinie, die den Rahmen, wie der Name sagt, vorgibt, ist ja nicht wirklich neu.

Umso erfreulicher ist es, dass jetzt eine kräftige Aufstockung gelungen ist. 200 Millionen Euro stehen nun für gewässerökologische Verbesserungsmaßnahmen zur Verfügung, für Gemeinden beispielsweise, damit sie in ihren Bereichen etwas machen können: Bäche renaturieren, Schutzmaßnahmen setzen et cetera. Das Geld steht aber auch Privaten zur Verfügung.

Die Wasserrahmenrichtlinie gibt vor, dass bis spätestens 2027 – das ist eigentlich ziem­lich bald – die Gewässer in ganz Europa und somit natürlich auch in Österreich zumin­dest einen guten Gewässergütezustand haben sollen beziehungsweise müssen. Wir haben doch noch eine beträchtliche Anzahl von Gewässern, bei denen dies leider nicht zutrifft, das sind einige Flusskilometer.

Da der Zusammenhang mit dem Wasserkraftausbau mehrfach genannt wurde, ist anzu­merken: Diese 5 Terawattstunden sind tatsächlich ein ambitioniertes Ziel im Regierungs­programm, das ist schon ordentlich, wobei zu sagen ist, dass die Akzeptanz für den Wasserkraftausbau wichtig ist. Sie sehen auch aus Pressemeldungen in den letzten Tagen: Es gibt schon vorab sehr viel Kritik und auch Rufe zur Achtsamkeit, formulieren wir es einmal so. Diese Akzeptanz werden wir nur schaffen können, wenn wir gleichzeitig wirklich massiv in eine Verbesserung der Qualität der Fließgewässer und auch der Seen, in Fischaufstiege und so weiter investieren. Andernfalls werden wir in eine Konflikt­situation kommen, die wir hoffentlich alle nicht wollen.

Es gibt dazu im Regierungsprogramm ein eigenes Kapitel, „Wasser schützen“ nennt es sich. Darin ist verankert, „ausreichend“ – so steht es drinnen – Fördermittel für die Ge­wässerökologie zur Verfügung zu stellen, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie, wie gesagt, einhalten zu können.

Ausreichend sind die 200 Millionen Euro nicht, das muss man dazusagen. Wir werden weiterhin für eine Aufstockung dieser Mittel kämpfen, sodass sie der zuständigen Minis­terin in ihrem Ressort zur Verfügung stehen. Trotzdem freuen wir uns, die 200 Millionen Euro sind ein ganz wichtiger Schritt in diese Richtung, ausreichend Mittel zu haben. Auf jeden Fall ist das heute ein guter Tag für die österreichischen Bäche, Flüsse und Seen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.59



BundesratStenographisches Protokoll910. Sitzung, 910. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2020 / Seite 122

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Es hat sich nun Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte.


21.00.17

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Österreich ist zweifellos ein wasserreiches Land. Wie wichtig dieser Wasserschatz für uns ist, hat sich nicht nur in den letzten Jahren gezeigt, in denen sich Trockenheit und Dürre immer stärker aufge­baut haben. Der Klimawandel hat uns wirklich massiv erfasst. Unsere Seen, Flüsse und vor allem auch Auen sind unsere ökologischen Lebensadern, die unsere Landschaften zu etwas Einzigartigem machen und unsere Regionen intensivst prägen. Unsere Flüsse sind sehr dynamische und äußerst vielseitige Lebensräume für Tiere und Pflanzen und unterstützen so die Artenvielfalt.

Auch für uns Menschen sind intakte Gewässer von immenser Bedeutung. Sie erhöhen den Schutz vor Hochwasser – ein ganz wichtiger Bereich in der Zuständigkeit meines Ministeriums. Sie bieten Raum für Erholung und die Freizeitnutzung. In Österreich – und das ist schon sehr entscheidend – spielen die Gewässer bei der Produktion von erneuer­barer Energie eine unverzichtbare Rolle. Wir setzen auch in Zukunft vor allem auf die Wasserkraft. Das ist gut so, das muss so bleiben, denn wir wollen auf jeden Fall von Atomstrom – der in weiten Teilen der Europäischen Union wieder stärker im Vormarsch ist – unabhängig sein und unabhängig bleiben. Das ist eine sehr bedenkliche Entwick­lung, die wir aus österreichischer Sicht wirklich verurteilen.

Um den ökologischen Gewässerschutz zu verbessern, wurden in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen umgesetzt. Die Investitionen sind absolut unverzichtbar für Maß­nahmen zur Strukturierung, Ausweitung und Vernetzung der Gewässerlebens­räume. Wir haben unzählige Projekte umgesetzt, die die Durchgängigkeit und die Anbindung von Zubringern und Nebengewässern finanziell unterstützen. Wir wollen weiter massiv inves­tieren, deswegen sind notwendige Investitionen mit einer Fördersumme in der Höhe von 200 Millionen Euro versehen. Wir können natürliche Flussläufe schaffen, be­stehende Querbauten entfernen oder beispielsweise auch Fischwanderhilfen aufbauen.

Investitionen sind auch wichtig, um die Widerstandsfähigkeit der Gewässer den Aus­wirkungen des Klimawandels gegenüber zu erhöhen. Naturnahe Gewässer verkraften höhere Temperaturen besser. Das ist erwiesen und auch mit freiem Auge sichtbar.

Wir haben in den letzten Jahren sehr gute Erfolge bei der Umsetzung unserer Projekte aus dem ersten und zweiten Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan erzielen kön­nen. Die Maßnahmen dienen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Öster­reich und sind für uns zur Zielerreichung absolut notwendig. Diese erfordert die Her­stellung eines guten ökologischen Zustandes der Gewässer bis zum Jahr 2027.

Neben dem ökologischen Mehrwert, den wir durch die Förderung der Gewässerökologie erzielen, wird vor allem auch ein Wirtschaftsimpuls zur Unterstützung des ökologischen Wachstums vor allem in den ländlichen Regionen getätigt. Das ist heute schon angesprochen worden: Es gibt eine massive Hebelwirkung der 200 Millionen Euro. Die schaffen und sichern Arbeitsplätze und lösen Investitionen in Höhe von 540 Millionen Euro aus. Die gehen direkt zu lokalen und regionalen Planungsbüros und Baufirmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als zuständiges Bundesministerium machen all das, was ich jetzt beschrieben habe, nicht alleine. Das Ressort befindet sich aktuell in einem abgestimmten Prozess mit den Bundesländern. Dabei wird bis Ende 2020 der Entwurf des dritten Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans erstellt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Experten vor Ort in den Bundesländern, die uns intensivst unterstützen. Es wird auch Gelegenheit zu einer öffentlichen Beteiligung am


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Entwurf geben. Ende 2021 wird dann der finale dritte Nationale Gewässer­bewirtschaf­tungsplan veröffentlicht werden.

Investitionen in die Gewässerökologie sind Investitionen in die Zukunft. Ich bedanke mich sehr für die sehr breite Unterstützung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Novak.)

21.04

21.04.56


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

21.05.2716. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (644/A und 341 d.B. sowie 10392/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Ich bitte um den Bericht.


21.05.52

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.

Da Ihnen der Bericht schriftlich vorliegt, komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte. (Bundesrat Rösch – auf die leere Regierungsbank deutend –: Von der Regierung ist da niemand zustän­dig? – Bundesrat Steiner: Das kommt vom Nationalrat!)


21.06.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Nationalrat sind im Zuge der Debatte zu diesem Beschluss beziehungsweise auch im Vorfeld einige Worte gefallen, obwohl Sie sich eigentlich selber verordnet haben, dass Sie so etwas nicht tun wollen. Es war uns gegenüber von Outcasts die Rede, es war von Niedertracht die Rede. Engelberg hat das dann noch einmal verdeutlicht und gesagt: Wir schauen uns genau an, wer jetzt sitzen bleibt und wer aufsteht, denn mit diesen Outcasts will wirklich niemand etwas zu tun


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haben. Das ist eine Vorgehensweise und eine Art zu reden, über die ich von Ihnen allen immer nur gehört habe: Das wollen wir nicht! Man darf andere nicht ausgrenzen!

Wir haben Gesetze beschlossen, dass man Menschen mit anderer Meinung, anderer Hautfarbe, anderer Rasse et cetera nicht diskriminieren darf. Wenn es um die Frei­heitliche Partei geht, ist Ihnen das interessanterweise alles völlig egal, dann gilt das offensichtlich nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe nicht ein Mal in einem Gremium mahnende Worte gehört, nicht hier und auch nicht im Europarat, in denen alle immer mit erhobenem moralischen Zeigefinger unter­wegs sind und vor dem Umschlagen von Worten in Taten warnen. Man muss auf seine Worte achten, denn als nächster Schritt oder auch als übernächster Schritt folgt dann die Tat. Ja, da gebe ich Ihnen recht, das sehe ich auch äußerst sensibel. All jenen, die meinen Kollegen im Nationalrat so unglaublich zugesetzt haben, sage ich aber schon: Vielleicht sollten Sie sich einmal an die eigenen Quasigesetze halten und das beher­zigen, was Sie immer predigen.

Auch wenn es um Antisemitismus geht und festgestellt wird, wie viele antisemitische Übergriffe es gegeben hat, ist immer, immer die FPÖ gemeint. Sie sagen es nicht immer so deutlich, oft genug schon, manchmal nicht so sehr, aber die Art, wie es gesagt wird, geht in eine eindeutige Richtung. Das ist ja in den Reden im Nationalrat auch passiert. Wir glauben Ihnen das nicht, dass Sie gegen Antisemitismus sind. Sie vergessen dabei nämlich ganz, dass es auch linken Antisemitismus gibt.

Da zitiere ich jetzt den Vizepräsidenten des Jüdischen Weltkongresses Petr Papoušek aus dem Jahr 2014. Der sagt: „Denn den rechten Antisemitismus kennen und erkennen wir und er ist in weiten Teilen der Gesellschaft absolut tabuisiert“, sagte der Tscheche in einem Interview der Nachrichtenagentur DPA in New York. „Der linke Antisemitismus kommt nicht nur getarnt daher, er ist auch weitgehend akzeptiert“. Das Gefährliche am „linken Judenhass“ sei: „Man kann Antisemit sein und fühlt sich trotzdem ganz modern und aufgeklärt.“

Und es geht weiter:  „Papousek bestätigte, dass der israelische Militäreinsatz dem An­sehen der Juden in Europa schade. ,Aber das eigentliche Problem ist, dass in Europa immer mehr muslimische Einwanderer leben und ein Teil von ihnen verachtet Juden. Wenn wir von wachsender Feindlichkeit gegen Juden in Europa sprechen, dann ist das vor allem auf die Einwanderer zurückzuführen‘, sagte er.“ – Zitatende. (Bundesrat Schennach: Oh, oh! – Bundesrat Rösch: Sagt er!) Das ist in der Rubrik Religion auf orf.at nachzulesen.

Also das wollen wir nicht ganz vergessen. Ich möchte jetzt niemandem hier irgendetwas unterstellen, ich möchte nur nicht, dass immer nur eine Seite angeschlagen wird. Damit wird immer die FPÖ gemeint. Sie haben kein Problem zu sagen, die FPÖ ist rechts­extrem. Wir haben schon: Kellernazis!, gehört, wir haben schon: Nazischweine!, gehört. Mit all diesen Dingen haben Sie überhaupt kein Problem, da ist Schluss mit der Antidis­kriminierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Und ja, wir haben vorgeschlagen, den Preis nach Bruno Kreisky zu benennen. Und ja, Bruno Kreisky ist deswegen in den heftigsten Streit geraten, der bis zu Prozessen geführt hat, in denen er seine Unterstellungen auch wieder zurücknehmen musste, weil er Fried­rich Peter verteidigt hat, als er eine Minderheitsregierung hatte, die durch die FPÖ gedul­det wurde.

Friedrich Peter hat sich persönlich, soweit ich weiß, nichts zuschulden kommen lassen, ist auch nicht irgendwo von einem Gericht verurteilt worden. Er war in Kriegsgefan­gen­schaft, aber ist nicht verurteilt worden. Und ja, wir stehen schon auch zur Individual­schuld. Ich glaube und denke, Kreisky hat das so gesehen, und ich hoffe jetzt nicht, dass


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ihn die SPÖ deswegen posthum aus der SPÖ ausschließt. Er hat daran geglaubt, dass man, wenn man einen völligen Irrweg eingeschlagen hat – und man muss ja die Dinge auch in ihrer Zeit sehen –, 25 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trotzdem geläutert und ein aufrechter Demokrat sein kann. Offensichtlich hatte Kreisky da keine Zweifel daran. Also denke ich: Ja, da ist Friedrich Peter wahrscheinlich tatsächlich Unrecht geschehen.

Wenn man sonst immer für Resozialisierung ist und jedem noch eine Chance geben möchte, was ich ja jetzt nicht grundsätzlich ablehne, obwohl ich weiß, dass wir in vielen Fällen, in denen wir Chancen gegeben und gehofft haben, dass Menschen wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückfinden, gescheitert sind, muss ich die einem politischen und denkenden Irrläufer auch geben; ich muss ihm die Möglichkeit geben. Friedrich Peter hat sich in der Zweiten Republik nichts zuschulden kommen lassen, das irgendwie daran hätte zweifeln lassen, dass er ein Demokrat ist.

Wir wären dann ja auch, weil wir gesehen haben, dass der Name Bruno Kreisky wegen dieses Streits mit Wiesenthal doch belastet ist, für einen anderen Namen offen gewesen. Kollege Kickl hat das ja im Nationalrat auch gesagt. Wir wollten aber jemanden haben, der mit dem Parlament verbunden ist oder war, da das Parlament den Preis vergibt, was ja zuerst gar nicht so vorgesehen war. Zuerst wollte das Präsident Sobotka im Alleingang machen: Ich bin der große Präsident Sobotka und mache das jetzt einfach. Nach Protesten auch der SPÖ hat er sich dann dazu entschlossen, das doch gemeinsam mit dem Parlament zu machen. Daher haben wir gesagt: Gut, wir hätten gerne jemanden, eine Persönlichkeit, die sich im Kampf gegen den Antisemitismus besonders verdient gemacht hat, als Namensgeber. Gut, das wollten Sie nicht. Es ist jetzt aber natürlich auch unser gutes Recht zu sagen: Na gut, dann wollen wir dem halt nicht zustimmen!

Es ist nicht deswegen, weil wir inhaltlich dagegen sind. Kickl hat es ja auch extra noch einmal gesagt, und wir haben uns schon Dutzende Male von jeder Form des Antisemi­tismus distanziert, egal, woher er kommt. (Bundesrat Schreuder: Dann stimmen Sie dafür!) Jedes Mal kommt dann zurück: Na, das glauben wir euch aber nicht! Also da frage ich Sie jetzt schon: Wie oft muss man sich eigentlich distanzieren, bis einem geglaubt wird? Für uns gilt es wahrscheinlich in alle Ewigkeit, so möchte ich das sagen.

Daher möchte ich jetzt noch einmal die Bitte an Sie richten: Wenn Sie auf Menschen treffen, die eine völlig andere Meinung als Sie haben, dann bitte achten auch Sie auf Ihre Worte und denken Sie immer daran, dass Sie es sind, die sagen: von den Worten zur Tat! – Nein, das will niemand, aber wenn Sie das so sehen, dann bitte beherzigen Sie es auch! (Beifall bei der FPÖ.)

21.15


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Frau Bundesrätin Klara Neurauter ans RednerInnenpult bitten.


21.16.19

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer und Zuseher via Livestream! Die Frage ist: Warum wurde dieser Preis ins Leben gerufen? Worum geht es? – Es geht um ein ganz wesentliches demokratisches Grundprinzip, es geht um einen Kampf, um den Kampf gegen den Antisemitismus. Unsere Erinnerungs- und Gedenkkultur, also der Umgang des Einzelnen und der Gesellschaft mit der Vergangenheit und der Geschichte steht vor neuen Herausforderungen. Unsere Erinnerungen und die unserer Nachkom­men werden zunehmend durch das Verschwinden von Zeitzeugen beeinflusst, negativ beeinflusst. Damit wird es immer schwieriger, Jugendliche über Antisemitismus und den Holocaust aufzuklären und ihnen die Schrecken der damaligen Zeit zu vermitteln.


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Zu dieser Verantwortung bekennt sich die Bundesregierung im Regierungspro­gramm 2020 mit der Fortführung der aktiven Erinnerungspolitik im Bildungsbereich, wobei ein beson­derer Schwerpunkt der konsequenten und langfristigen Erinnerung und des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus sowie der Bildungsarbeit gegen Antisemitismus und Rassismus in den Schulen – und zwar in allen Schultypen – gewidmet sein soll.

Österreich hat sich die heutige Demokratie hart erkämpft. Die 75-jährige Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg wurde aufgearbeitet. Nun wird die Einführung eines Preises beschlossen, der als Auszeichnung für besonderes zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust verliehen werden soll. Der Kampf gegen den Antisemitismus, und das ist für mich erstaunlich, beginnt nicht an den extremen Rändern, er beginnt in der Mitte der Gesellschaft und entwickelt sich zu den Rändern hin. Dieses Forschungsergebnis der deutschen Universitätsprofessorin Dr. Monika Schwarz-Friesel hat Präsident Wolfgang Sobotka im Nationalrat zitiert, und ich erlaube mir, es hier zu wiederholen.

Ja, es gibt einen harten Kern links und rechts, und es gibt ihn auch im Bereich der Migranten, die aus dem arabischen Raum zu uns kommen. Die jungen Menschen müssen erfahren, „wie unfassbar, wie außergewöhnlich die Zeit des Holocaust war“. – Das ist ein Zitat von Simon Wiesenthal, der unermüdlich gegen die Gleichgültigkeit gegenüber den Verbrechen des Nationalsozialismus eingetreten ist.

Nach den Beratungen im Verfassungsausschuss des Nationalrates hatte ich die berech­tigte Hoffnung, dass es für diesen Preis zu einer einstimmigen Beschlussfassung kom­men würde, was dem ernsten Anliegen gerecht würde. Leider hat sich dann wegen der Namensgebung die erwartete Einhelligkeit in Luft aufgelöst.

Die Benennung als Simon-Wiesenthal-Preis ist für mich klar und verständlich, denn damit wird ein Mensch geehrt, der Unglaubliches erlitten hat. Er hat den Satz: „Gerechtigkeit, nicht Rache“, als Maxime seines Handelns genannt. Sein Leben ist erzäh­lenswert, denn bereits in seiner Jugend und dann als junger Erwachsener wurde er allein wegen seiner jüdischen Herkunft benachteiligt. Er wurde 1908 im damaligen Österreich-Ungarn geboren und war in der NS-Zeit in insgesamt zwölf Arbeits- und Konzentrationslagern inhaftiert. Anfang Mai 1945 kam er durch die US-Armee aus dem KZ Mauthausen frei.

Nach seiner Befreiung machte Simon Wiesenthal die Suche nach Gerechtigkeit für Millionen unschuldig Ermordeter zu seiner Lebensaufgabe. Dadurch wurde er zu einem Zeitzeugen des Holocaust, der weltweit nach Tätern aus der Zeit des National­sozialis­mus forschte, um sie einem juristischen Verfahren zuzuführen. Er gründete das Doku­mentationszentrum in Linz und später jenes in Wien. Er wollte jene zur Verantwortung ziehen, die an der geplanten „Endlösung“ der Judenfrage mitgewirkt hatten. Dement­sprechend lehnte er nach einem frühen Umdenken die Kollektivschuldthese ab. Er sagte, seine Arbeit ziele darauf ab, individuelle Schuld aufzuzeigen. – „Gerechtigkeit, nicht Rache“.

Er hat in seinen Recherchen, ohne Ansehen der Person, Fakten gesucht, auf sie auf­merksam gemacht, weshalb er auch immer wieder angeeckt ist und angefeindet wurde. Er sah seine Tätigkeit unter anderem darin, als Zeitzeuge und Überlebender des Holocausts vor dem Vergessen der Schoah zu warnen, die nicht mit dem Massenmord und mit den Gaskammern begonnen habe, sondern mit der Demontage von Demokratie und Menschenrechten. Seine internationale Vortragstätigkeit stand unter dem Leitspruch „Aufklärung ist Abwehr“.

Simon Wiesenthal berichtete, wie seine neunjährige Tochter Pauline einmal von der Schule nach Hause gekommen sei und gefragt habe: Was sind wir für Menschen? Alle aus unserer Klasse haben Oma, Opa, Onkel, Tanten – warum haben wir niemanden?


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Darauf habe er nicht antworten können, weil er, wie er berichtet hat, in seinen Träumen und Gedanken immer wieder vom Grauen und vom Morden heimgesucht worden sei. Das Ehepaar Wiesenthal hat im Holocaust 89 Verwandte verloren.

Der Simon-Wiesenthal-Preis ist ein weiterer Schritt, um Bewusstsein für diese Vergan­genheit zu schaffen, und er soll, wie gesagt, als Auszeichnung für besonderes zivilge­sellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für die Aufklärung über den Holocaust verliehen werden. Die Lebensaufgabe des Namensgebers ist, glaube ich, hoch integer und damit ist die Namenswahl auf eine verdiente Persönlichkeit gefallen.

Mit den Worten des damaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl darf ich dankbar sagen: Ich habe die „Gnade der späten Geburt“, wie wahrscheinlich alle hier im Saal. Gerade deswegen liegt es aber an uns, diese schreckliche, unmenschliche Seite unserer Vergangenheit niemals in Vergessenheit geraten zu lassen und die Nachkommenden aufzuklären und für dieses Thema zu sensibilisieren.

Mit dem heutigen Beschluss setzen wir einen wichtigen und richtigen Schritt, und ich bitte Sie, diesen Preis des Parlaments mit einem eindeutigen, einhelligen Zeichen nach außen, nämlich mit einem einstimmigen Beschluss auszuzeichnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

21.24


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.


21.24.42

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen via Livestream! Ich durfte Ende Mai dieses Jahres eine hundertjährige Zeitzeugin, Frau Dr. Susanne Bock, in einem Pensionistenpflegeheim in Wien besuchen. Sie ist Wienerin, sie ist Jüdin und sie hat mir erzählt, dass sie mit 18 Jahren, gerade am Tag nachdem sie die Matura gemacht hat, aus Wien fliehen musste, weil man ihr geraten hatte, besser zu gehen, da sie ihres Lebens nicht sicher sei.

Es ist fast ein Wunder, dass sie 1946, eigentlich relativ bald nach Ende des Krieges, wieder nach Wien zurückgekehrt ist. Sie ist der Liebe wegen zurückgekehrt, sie hat ihre große Liebe gesucht und auch wieder gefunden – eine sehr rührende Geschichte, man kann sie auch nachlesen.

Die hundertjährige Susanne Bock hat im Jänner dieses Jahres am Holocaustgedenktag am Heldenplatz – hier gleich um die Ecke – zu uns gesprochen, und davon möchte ich einen kurzen Abschnitt zitieren. Sie sagte: „Es erstaunt und erschreckt mich immer noch, dass sie so viele Handlanger gefunden haben, die schrecklichen Mordtaten in den Kon­zentrationslagern auszuführen. Und sogar heute, so viele, viele Jahre nach Kriegsende, können jüdische Menschen nicht ungestört leben und sterben! Ich bin eine betagte Zeitgenossin, ich bitte Euch zu versprechen: Niemals wieder, niemals vergessen! Das schwören wir!“ (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Susanne Bock genauso wie Simon Wiesenthal – meine Vorrednerin, Kollegin Neurauter hat es schon erwähnt –: Beide haben es sich zum Ziel gesetzt oder zur Pflicht gemacht, vor dem Vergessen der Schoah zu warnen und eben mit diesem Hinweis – meine Kollegin hat es zitiert –, dass es nicht bei den Gaskammern und nicht beim Massenmord begonnen hat, sondern mit ganz vielen, kleinen Schritten, die uns alle ermahnen, wach­sam zu sein, wenn es um die Demontage der Demokratie, um das Infragestellen von Menschenrechten geht.


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Man muss ehrlicherweise auch sagen, dass sich die Republik Österreich lange genug selber gerne als Opfer gesehen und dargestellt hat. Man muss einmal diese Kraft auf­bringen, die diese beiden Menschen auch eint, sich nämlich als Betroffene bezie­hungsweise Betroffener dieser Nazi-Gräueltaten auch unter Drohungen und Anfein­dungen gegen diese Lüge stellen zu müssen. Diese beiden Personen haben das erlebt und wurden dadurch auch immer wieder retraumatisiert. Sie haben viel Kraft gebraucht und es hat viele Jahrzehnte gedauert, bis sie auch hier in Österreich Gerechtigkeit erfahren haben. So ehrlich muss man auch sein.

Warum brauchen wir heute so einen Preis, wo doch dieses Wissen und dieses Be­wusstsein schon verbreitet sein könnte? Es ist leider nach wie vor sehr, sehr notwendig, sehr bewusst und sehr aktiv auf den Nationalsozialismus, seine Gräuel und die vielen Ermordeten und Vertriebenen hinzuweisen. Wir wissen, dass Nationalismus, Antise­mitis­mus, Rassismus und Rechtsextremismus (Bundesrätin Mühlwerth: Linksextremis­mus!) nach wie vor verbreitet sind und leider noch nicht zur Geschichte gezählt werden können. Ich erinnere nur an die mutwilligen Zerstörungen der Porträts von Überleben­den, die keine paar Monate zurückliegen. Sie erinnern sich noch, es mussten Menschen aus der Zivilgesellschaft Tag und Nacht Wache stehen, damit die Porträts von Zeit­zeugInnen und Überlebenden nicht mehrfach demoliert und sozusagen misshandelt wurden. Das muss man sich vorstellen, wir schreiben das Jahr 2020!

Dass das keinesfalls ein Einzelfall ist, zeigt auch der Antisemitismusbericht für das Jahr 2019: Es wurden 550 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Das ist ein enormer Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. Kollegin Mühlwerth, du hast diesen Bericht zitiert, ich möchte dazu noch ein paar Informationen nachreichen: Von diesen 550 Meldungen waren 268 eindeutig der rechtsextremen Szene zuordenbar, 31 haben einen islamischen Hintergrund und 25 einen linksextremen. – Einfach nur, um das Verhältnis, von dem hier gesprochen wird, auch noch einmal klarzustellen. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Die Dokumentationsstelle Zara – Zivilcourage und Antirassismusarbeit – berichtet eben­falls von sehr stark steigenden Zahlen rassistischer Übergriffe. Man kann jetzt sagen: Ja, das Bewusstsein für rassistische Übergriffe ist dieser Tage sehr hoch, und ja, es ist auch gut, dass mehr angezeigt und an die Öffentlichkeit gebracht wird!, wir wissen aber dennoch, dass es immer nur die Spitze eines Eisberges ist, und insofern begrüßen wir, begrüßt meine Fraktion die Einrichtung dieses Preises natürlich sehr, weil es auch eine Art ist, Prävention in diesem Bereich voranzutreiben. Dieser Preis richtet sich nämlich auch an Institutionen, auch an Schulklassen, und wir hoffen, dass aus diesem Bereich auch viele Einreichungen kommen werden.

Da ich von der Spitze des Eisberges gesprochen habe, noch ein Wort zur FPÖ und zu dir, Monika Mühlwerth: Du hast ein bisschen selbstmitleidig über die Debatte im Natio­nalrat gesprochen. So wie ich es im Ausschuss mitbekommen habe, werdet ihr der Einrichtung dieses Preises heute voraussichtlich wieder nicht zustimmen. Ich weiß, ihr argumentiert immer, dass auch andere antisemitisch sind und dass es neben Rechtsextremen auch andere Extreme gibt, wenn man aber aus einer Partei und von ihren Mitgliedern quasi wöchentlich Mitteilungen (Bundesrätin Mühlwerth: Wöchent­lich?! Wo hast du das her?), wie die Dinge aus der letzten Vergangenheit, bekommt (Bundesrätin Mühlwerth: Wo hast du das her?) – im Zusammenhang mit Menschen wird von Unkrautbekämpfung gesprochen, in Liedern wird nach wie vor über die industrielle Vernichtung von Juden und Jüdinnen gewitzelt (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind natürlich alles FPÖler! Das weiß die Frau Gruber-Pruner genau!) –, dann kann man sich nicht erwehren, dass es in dieser Partei, in dieser Gesinnungsgruppe eine gewisse Grundhaltung gibt, die zu einer Spaltung der Gesellschaft beiträgt (Bundesrat Steiner: Das ist eine ungeheure Unterstellung!) und auch gewisse Konsequenzen in Kauf nimmt,


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mit denen kalkuliert. (Bundesrat Steiner: Eine ungeheuerliche Unterstellung! Schämen Sie sich! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, auch in anderen Parteien und auch in meiner eigenen Partei war Antisemitismus und ein erschreckend unreflektierter Umgang mit dem Holocaust über viele Jahre Thema, das will ich gar nicht verleugnen. (Bundesrat Steiner: Das rote Lamperl leuchtet schon!) Ich kann aber zumindest für meine Partei behaupten, dass wir das überwunden haben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und das ist halt der Unterschied: dass wir uns als Partei weiterentwickelt haben, dass wir zu unserer Verantwortung stehen, dass wir auch zur Mitschuld Österreichs stehen und dass wir ein ganz klar antifaschistisches und antiras­sistisches Verständnis haben. (Bundesrat Steiner: Und gemeinsam mit der Antifa mar­schieren! Gratuliere!) Darauf bin ich stolz! Dort sollten wir im Jahr 2020 alle sein! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Gemeinsam mit der Antifa marschieren! Scheiben einschlagen in Wien! Gratuliere! – Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Simon Wiesenthals Mahnung: Nie wieder!, ist dauerhaft aktuell und es ist gut, dass wir diese Mahnung mit diesem Preis dauerhaft wachsam halten. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Mühlwerth: Das gilt aber nur für die ..., nicht für alle!)

21.33


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.


21.33.56

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch einmal eine Erklärung, worum es geht: Der Nationalfonds, der beim Nationalrat angesiedelt ist, wird einen Preis vergeben, der nach Simon Wiesenthal benannt wird. Es wird einen Hauptpreis im Wert von 15 000 Euro und zwei zusätzliche Preise im Wert von jeweils 7 500 Euro geben. Die Preise sollen an zivilgesellschaftliche Projekte gehen, sollen für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für die Aufklärung über die Schoah verliehen werden. Das ist begrüßenswert und das müssen wir unterstützen.

In einem hat Frau Kollegin Mühlwerth ja durchaus recht: Der Antisemitismus hat sehr viele Gesichter. – Manchmal zeigt er sich feindselig und offen, manchmal zeigt er sich durchaus versteckt und ist nur schwer identifizierbar, aber er ist vorhanden. Umso wichtiger ist es, dass wir Projekte, die darüber aufklären, unterstützen. Dieser Preis wird ganz vehement dazu beitragen.

Ich möchte diese Gesichter des Antisemitismus hier überhaupt nicht verstecken, weil manches, was heute gesagt wurde, ja auch stimmt. Eines der wichtigsten Gesichter, meine Vorrednerin hat es auch schon gesagt, ist eindeutig die völkisch-rassistische Fratze des Antisemitismus, weswegen die meisten Übergriffe, Überfälle – und ja, auch die Zerstörung der Bilder vor dem Heldenplatz und dergleichen – aus dieser Ecke kommen. Wir kennen die Liederbücher der Burschenschaften, wir kennen diese häss­liche Fratze des Antisemitismus, eine der Ideologien des Antisemitismus. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein Generalverdacht, der jeder Grundlage entbehrt! Es hat jüdische Burschenschaften gegeben, du Ignorant!)

Historisch gesehen gibt es natürlich auch einen religiösen Antisemitismus (Bundesrätin Mühlwerth: Aber Burschenschaft ist gleich rechtsextrem, weil es den Herrschaften so passt!), den gab es schon im Mittelalter. Sehen Sie sich zum Beispiel die Kathedrale von Straßburg an: Am Portal am Eingang werden Ecclesia und Synagoge dargestellt; die


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Synagoge mit verbundenen Augen und einer gebrochenen Lanze und daneben die triumphierende Ecclesia. Wir können natürlich erfreulicherweise sagen, dass es da auch eine historische Auseinandersetzung gab und mittlerweile eindeutige Worte gegen diesen frühen Antisemitismus von kirchlicher Seite gefunden wurden.

Es gibt diesen religiösen Antisemitismus nicht im gesamten Islam, sondern in manchen Denkschulen des Islam. (Bundesrat Steiner: Ich speibe gleich!) Das ist natürlich ein Problem, mit dem wir konfrontiert sind und mit dem umzugehen wir zu lernen haben.

Wenn am Al-Kuds-Tag in Wien die Vernichtung Israels gefeiert oder der Wunsch nach der Vernichtung Israels demonstriert wird oder wenn in der Charta der Hamas nicht steht, Israel zu vernichten, sondern: Es ist die heilige Pflicht jedes Muslimen, den Juden, der sich hinter dem Busch versteckt, zu töten!, dann ist das Antisemitismus. Wenn in den Straßen vieler arabischer Länder, aber nicht nur, das antisemitische Pamphlet „Die Protokolle der Weisen von Zion“ – das übrigens in Russland erfunden wurde – verkauft wird, dann sind wir immer noch in einer antisemitischen Tradition, die wir abzulehnen haben.

So mancher versteckter Antisemitismus ist auch in der sogenannten Israelkritik zu finden. Wenn einseitig verurteilt wird oder wenn man grundsätzliche Dinge an Israel kritisiert, das aber bei anderen Ländern nicht macht, dann muss man auch in diesem Fall von Antisemitismus sprechen. Dazu gibt es den berühmten 3-D-Test: Delegitimie­rung, Dämonisierung und Doppelstandards. Es ist unsere Aufgabe, darauf zu achten und da zu mahnen. Der Staat Israel existiert im Übrigen ja auch, weil es den Holocaust gab, weil es diesen Staat brauchte, der Schutz versprach.

Zuletzt noch der Hinweis, dass auch so manche Kritik am Kapitalismus antisemitisch formuliert wird, wenn zum Beispiel anstelle von Systemkritik plötzlich jüdische Namen stehen. Auch diesen Antisemitismus gibt es und auch der ist abzulehnen.

Neben all dieser Geschichten des Antisemitismus gibt es eine jüdische Gemeinde, die bei uns lebt, deren Mitglieder unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger sind. Es ist die vierte jüdische Gemeinde, die bei uns lebt. Allein der Begriff vierte jüdische Gemeinde sagt uns ja schon, dass es Gemeinden gab, die ausgelöscht oder verjagt worden sind.

Als Wiener Mandatar muss ich hier auch an die Wiener Geschichte des Antisemitismus erinnern. Der erste Jude, den wir in Wien kannten, lebte im 12. Jahrhundert. Vermutlich gab es schon viel früher Juden in Wien, aber das ist der erste, den wir namentlich kennen. Es war ein gewisser Schlomo, und er war der Münzmeister der Babenberger, die damals noch gar nicht Babenberger hießen, sondern Popponen.

Sie können am Judenplatz in Wien, wenn sie die Dependance des Jüdischen Museums besuchen, unterirdisch die alte Synagoge sehen, die unterhalb des Schoahdenkmals zu finden ist, und Einblicke in das Leben dieser ersten jüdischen Gemeinde, dieser mittel­alterlichen jüdischen Gemeinde, bekommen. 1421 wurde diese Gemeinde aus Wien verjagt – die meisten Juden und Jüdinnen wurden verbrannt, auch in der Synagoge. Wenn Sie einmal beim Schoahdenkmal am Judenplatz stehen und gegenüber auf das schöne Jordanhaus schauen – ein schönes gotisches Haus –, dann achten Sie auf eine Tafel mit einer Darstellung der Taufe Jesu. Darunter steht in gotischen Lettern aus dem 15. Jahrhundert: Wir haben mit Feuer die Hebräerhunde vernichtet. – Das ist eine Geschichte des Antisemitismus, die in Wien zu finden ist.

Die zweite jüdische Gemeinde, die bis 1670 in Wien gelebt hat und von einem Habs­burger namens Leopold verjagt worden ist, lebte auf der Mazzesinsel – damals mäan­derte die Donau ja noch ganz anders durch Wien und im heutigen 2. und 9. Bezirk war die Mazzesinsel, wo die meisten Juden lebten. Auch sie wurden vertrieben.


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Und dann, nach und nach – vor allem dank Joseph II. und seinem Toleranzpatent –, hat sich langsam eine dritte jüdische Gemeinde gefunden. Deren Spuren können Sie zum Beispiel am jüdischen Friedhof in Währing sehen. Dort engagiere ich mich nun schon seit 2006 intensiv, führe dort auch und habe sehr viel Engagement an den Tag gelegt. Die Spuren des Lebens dieser Gemeinde können Sie dort sehr gut sehen. Diese Ge­meinde hat zum allerersten Mal die Bürgerrechte in Österreich bekommen, mit dem Staatsgrundgesetz 1867. Diese dritte jüdische Gemeinde, diese reiche jüdische Gemeinde, die uns im Fin de Siècle so viel Kultur gegeben hat, die uns so viel geschenkt hat, wurde 1938 im Holocaust vernichtet. Nur wenige Überlebende und einige, die zugewandert sind – auch aufgrund von antisemitischen Akten, insbesondere aus der Sowjetunion –, machen die vierte jüdische Gemeinde aus, deren Mitglieder heute bei uns leben und Österreicherinnen und Österreicher sind, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Es ist unsere Pflicht, da ein Signal zu senden. Es ist unsere Pflicht, daran zu erinnern, was damals geschehen ist. Es ist unsere Pflicht, auch den Mann zu ehren, der wie kein anderer für Gerechtigkeit gesorgt hat, Österreicher und Jude war, nämlich Simon Wiesenthal.

Ich möchte mich bei Hannah Lessing und dem gesamten Nationalfonds herzlich für ihre Arbeit bedanken. Ich möchte mich bei Nationalratspräsident Sobotka dafür bedanken, dass er diesen Preis initiiert hat. Wir vom Bundesrat sollten das mittragen, und wer gegen diesen Preis stimmt: Ich kann es nicht anders interpretieren, als dass er es sich mit Antisemiten nicht verscherzen will. (Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.) – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. Bundesrat Rösch: Das war richtig dumm! – Bundesrätin Mühlwerth: Das musste ja sein!)

21.42

21.42.55


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.43.27Einlauf


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen – 3786/J-BR/2020 bis 3791/J-BR/2020 – eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates ist bereits auf schriftlichem Weg erfolgt.

Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 16. Juli, 9 Uhr, also morgen um 9 Uhr Früh, in Aussicht genommen.


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Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Bis morgen, bleiben Sie gesund! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.44.22Schluss der Sitzung: 21.44 Uhr

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