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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

949. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 21. Dezember 2022

 

 

 

 

Großer Redoutensaal


Stenographisches Protokoll

949. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 21. Dezember 2022: 9.02 – 18.07 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werde


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2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Ver­waltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Be­gleitgesetz Vergabe geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrper­sonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, die Reisegebühren­vorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Bundes-Perso­nalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundes-Bediens­tetenschutzgesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Gerichtsorga­nisationsgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Bundesgesetz über die Leis­tung eines besonderen Erstattungsbetrages anlässlich der Aufnahme in ein Dienstverhältnis zum Fürstentum Liechtenstein als Richter oder Staatsanwalt, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das Bun­des-Sportförderungsgesetz 2017, das Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 und das Zustellgesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2022)

4. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts des Plurinationalen Staats Bolivien und des Beitritts Jamaikas zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindes­entführung

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßord­nung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Strafregistergesetz 1968 geändert werden (Maßnahmenvollzugs­anpassungsgesetz 2022)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche
COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geän­dert wir


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8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz, das Hoch­schulgesetz 2005, das Bildungsdokumentationsgesetz 2020, das IQS-Gesetz, das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz und das Prüfungs­taxengesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das OeAD-Gesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­gesetz geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geän­dert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organi­sation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz über Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion in Spitzenzeiten (Stromverbrauchsreduktionsgesetz – SVRG)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Energie­krisenbeitrag-Strom und ein Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger erlassen werden und das Einkommensteuerge­setz geändert wird


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19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsge­setz – ASVG geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beaufsichti­gung von Wertpapierfirmen (Wertpapierfirmengesetz – WPFG) erlas­sen wird und das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bank­wesengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsge­setz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördenge­setz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Sanierungs- und Abwick­lungsgesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 geändert werden

21. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Dominikanischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung

22. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2023

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Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache der Präsidentin Korinna Schumann ........................................     17

Wortmeldung des Bundesrates Christoph Steiner in Bezug auf die Redezeit­vereinbarung in der Aktuellen Europastunde .....................................................     25

22. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2023.................................................  285

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     17


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Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (102.)

Thema: „Die EU in herausfordernden Zeiten“ ...................................................     24

RednerInnen:

Mag. Christian Buchmann ......................................................................................     27

Stefan Schennach ....................................................................................................     31

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................     34

Marco Schreuder .....................................................................................................     38

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ..........................................................     42

MEP Mag. Christian Sagartz, BA ............................................................................     47

MEP Mag. Andreas Schieder ...................................................................................     50

MEP Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG .................................................................     54

MEP Dr. Monika Vana .............................................................................................     59

Ferdinand Tiefnig .....................................................................................................     64

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................     66

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................     69

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................     71

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     74

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................  130

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     78

Ausschüsse

Zuweisungen ...........................................................................................................     77

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über


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1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (3003/A und 1868 d.B. sowie 11134/BR d.B.) .......................................................................................................     78

Berichterstatter: Silvester Gfrerer .........................................................................     79

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Ver­waltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleit­gesetz Vergabe geändert werden (2981/A und 1869 d.B. sowie 11135/BR d.B.) .......................................................................................................     79

Berichterstatter: Silvester Gfrerer .........................................................................     79

Redner:innen:

Markus Leinfellner ...................................................................................................     80

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................     82

Dr. Johannes Hübner ................................................................................  84, 104

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................     88

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................     93

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ..........................................................     97

Christoph Steiner .....................................................................................................  100

Karl Bader ................................................................................................................  102

Stefan Schennach ....................................................................................................  103

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................  107

Marco Schreuder .....................................................................................................  108

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Karl Bader, Stefan Schennach, Dr. Johannes Hübner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Eintreten gegen die Todesstrafe


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im Zusammenhang mit den Protesten im Iran“ – Annahme
(361/E-BR/2022) .....................................................................................  96, 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................  110

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .....................................  111

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Rich­ter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, die Reisegebührenvor­schrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Bundes-Personal­vertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Pensionsge­setz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundes-Bediensteten­schutzgesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Gerichtsorgani­sationsgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Bundesgesetz über die Leis­tung eines besonderen Erstattungsbetrages anlässlich der Aufnah­me in ein Dienstverhältnis zum Fürstentum Liechtenstein als Richter oder Staatsanwalt, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das
Bundes-Sportförderungsgesetz 2017, das Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 und das Zustellgesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2022) (1793 d.B. und 1865 d.B. sowie 11136/BR d.B.) ............................................... 
112

Berichterstatter: Marco Schreuder ........................................................................  112


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Redner:innen:

Ernest Schwindsackl ................................................................................................  113

Elisabeth Grimling ....................................................................................................  117

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  121

Marco Schreuder .....................................................................................................  130

Korinna Schumann ..................................................................................................  132

Horst Schachner ......................................................................................................  134

Ernest Schwindsackl (tatsächliche Berichtigung) .................................................  135

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Fairness für exekutivdienstleistende öffentlich Bedienstete“ – Ablehnung .................................................  125, 137

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Solidarische Nulllohnrunde für Spit­zenpolitiker und Top-Manager“ – Ablehnung ...................................  126, 137

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  137

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts des Plurinationalen Staats Bolivien und des Beitritts Jamaikas zum Überein­kommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesent­führung (1758 d.B. und 1848 d.B. sowie 11148/BR d.B.) ................................  137

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................  138

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  138

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßord­nung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und


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das Strafregistergesetz 1968 geändert werden (Maßnahmenvollzugs­anpassungsgesetz 2022) (1789 d.B. und 1849 d.B. sowie 11149/BR d.B.)        139

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................  139

Redner:innen:

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................  140

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  143

Markus Leinfellner ...................................................................................................  147

Klara Neurauter .......................................................................................................  150

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  152

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ...............................................  156, 160

Mag. Elisabeth Grossmann (tatsächliche Berichtigung) ......................................  159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  160

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (2982/A und 1850 d.B. sowie 11150/BR d.B.) ..........................................................................  160

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................  161

Redner:innen:

Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  161

MMag. Elisabeth Kittl, B


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A .......................................................................................  162

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................  164

Mag. Elisabeth Grossmann .....................................................................................  166

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  167

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  167

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (2980/A und 1851 d.B. sowie 11164/BR d.B.) .........................................  167

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .......................................................................  168

Redner:innen:

Heike Eder, BSc MBA ..............................................................................................  168

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................  170

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  173

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  175

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  176

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 ge­ändert wird (2418/A und 1852 d.B. sowie 11165/BR d.B.) .............................  176

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................  177

Redner:innen:

Heike Eder, BSc MBA ..............................................................................................  177

Mag. Sandra Gerdenitsch ........................................................................................  178

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................  181

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................  185

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  188

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Befristete Erhöhung der


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Zuverdienstgrenze im Rahmen der vorzeitigen Alterspension“ – Ablehnung ..............................................................................................  187, 189

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  189

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz, das Hoch­schulgesetz 2005, das Bildungsdokumentationsgesetz 2020, das IQS-Ge­setz, das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz und das Prü­fungstaxengesetz geändert werden (1791 d.B. und 1836 d.B. sowie 11151/BR d.B.) .......................................................................................................  189

Berichterstatter: Florian Krumböck, BA ................................................................  190

Redner:innen:

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  190

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ...............................................................................  194

Josef Ofner ..............................................................................................  197, 210

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................  205

Ingo Appé .................................................................................................................  207

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  208

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  210

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das OeAD-Gesetz geändert wird (1788 d.B. und 1837 d.B. sowie 11152/BR d.B.) ...............................................  211

Berichterstatter: Florian Krumböck, BA ................................................................  211

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  212


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 12

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz ge­ändert wird (2965/A und 1819 d.B. sowie 11144/BR d.B.) .............................  212

Berichterstatter: Mag. Franz Eder .........................................................................  212

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (3021/A und 1822 d.B. sowie 11145/BR d.B.) .......................................................................................................  212

Berichterstatter: Mag. Franz Eder .........................................................................  212

Redner:innen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................  213

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  215

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  218

Marco Schreuder .....................................................................................................  219

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  220

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  220

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird (3010/A und 1894 d.B. sowie 11159/BR d.B.) .........................  220

Berichterstatterin: Alexandra Platzer, MBA .........................................................  22


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 13

1

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert werden (3011/A und 1895 d.B. sowie 11160/BR d.B.) ..................................................................  221

Berichterstatterin: Alexandra Platzer, MBA .........................................................  221

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  222

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  222

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (2999/A und 1897 d.B. sowie 11161/BR d.B.) .........................  222

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  223

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Or­ganisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird (1898 d.B. sowie 11128/BR d.B. und 11162/BR d.B.) ............  222

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  223

Redner:innen:

Michael Bernard ......................................................................................................  224

Ing. Isabella Kaltenegger .........................................................................................  227

Günther Novak ........................................................................................................  230

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  232

Bundesministerin Leonore Gewessler, B


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 14

A ..............................................................  235

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2
B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .....................................  239

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2
B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .....................................  240

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion in Spitzenzeiten (Stromverbrauchsreduktionsgesetz – SVRG) (3022/A und 1816 d.B. sowie 11126/BR d.B. und 11130/BR d.B.) .......................................  241

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................  241

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Energiekrisen­beitrag-Strom und ein Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fos­sile Energieträger erlassen werden und das Einkommensteuergesetz geändert wird (3024/A und 1817 d.B. sowie 11127/BR d.B. und 11131/BR d.B.) .......................................................................................................  241

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................  241

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz – ASVG geändert wird (1818 d.B. sowie 11132/BR d.B.) ....................  241

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................  241

Redner:innen:


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 15

Ingo Appé .................................................................................................................  243

Otto Auer .................................................................................................................  246

Michael Bernard ......................................................................................................  248

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  253

Markus Steinmaurer ................................................................................................  257

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  258

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ..........................................................  260

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  263

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  266

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  267

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............  267

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beauf­sichtigung von Wertpapierfirmen (Wertpapierfirmengesetz – WPFG) er­lassen wird und das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädi­gungsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 ge­ändert werden (1757 d.B. und 1815 d.B. sowie 11125/BR d.B. und 11133/BR d.B.) ...............................................................................................  267

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ........................................................................  268

Redner:innen:

Günter Kovacs .........................................................................................................  268

Christoph Stillebacher .............................................................................................  271


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Dr. Johannes Hübner ...............................................................................................  273

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  274

Bernhard Hirczy .......................................................................................................  276

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  277

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betref­fend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Dominikanischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentli­cher Urkunden von der Beglaubigung (1664 d.B. und 1767 d.B. sowie 11147/BR d.B.) .......................................................................................................  278

Berichterstatter: Florian Krumböck, BA ................................................................  278

Redner:innen:

Stefan Schennach ....................................................................................................  279

Marco Schreuder .....................................................................................................  280

Christoph Steiner .....................................................................................................  281

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  283

Karl Bader ................................................................................................................  284

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................  285

Eingebracht wurden

Anfrage der BundesrätInnen

Mag. Sascha Obrecht, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zeitplan für die Kundmachung der Registerzählung (4069/J-BR/2022)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mar­kus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend mögliche sexuelle Über­griffe im Grazer Kindergarten Schönbrunngasse (3756/AB-BR/2022 zu 4043/J-BR/2022)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend möglicher sexueller Übergriffe im Grazer Kindergarten Schönbrunngasse (3757/AB-BR/2022 zu 4044/J-BR/2022)


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09.02.28Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Korinna Schumann, Vizepräsident Bernhard Hirczy, Vizepräsident Günther Novak.

09.02.29*****


Präsidentin Korinna Schumann: Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte, ich eröffne die 949. Sitzung des Bundesrates.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Dominik Reisinger und Barbara Tausch.

09.02.58Schlussansprache der Präsidentin


Präsidentin Korinna Schumann: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Vizepräsident Novak! Sehr ge­ehrter Herr Vizepräsident Hirczy! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Vertreter:innen des Europäischen Parlaments! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf Sie heute herzlich zur letzten ordentlichen Sitzung des Bundesrates im Jahr 2022 und auch zur letzten parlamentari­schen Sitzung im Ausweichquartier des Parlaments hier in der Hofburg begrü­ßen! Der Bundesrat macht sozusagen mit seiner Sitzung heute den Abschluss im Ausweichquartier. Wir freuen uns ganz besonders, dass am 12. Jänner das neu sanierte Parlament wiedereröffnet wird – und wir Bundesrätinnen und Bun­desräte freuen uns noch einmal mehr, weil wir dann wieder unseren eigenen Bundesratssitzungssaal haben. Wir haben also den Ausblick auf den 12. Jänner, und ich darf nun das letzte Mal als Bundesratspräsidentin zu Ihnen sprechen.

Das Jahr 2022, speziell das zweite Halbjahr meiner Vorsitzzeit, war von umfang­reichen und globalen Diskontinuitäten gekennzeichnet, von für die Men­schen oft leidvollen Brüchen mit dem Bewährten, mit dem Bekannten, mit dem Alltäglichen. Wir leben in einer Zeit großer, sich überlagernder Krisen. Die


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extreme Teuerung, die Klimakrise, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, eine Gesundheitskrise, gleichzeitig Wandelprozesse durch die Digitalisie­rung und eine älter werdende Gesellschaft: All das stellt uns vor große Heraus­forderungen.

Schon aus der Vergangenheit wissen wir, dass die öffentlichen Strukturen die richtigen Instrumente sind, um die passenden Antworten auf die Vielzahl von neuen Fragestellungen und Sorgen der Menschen zu geben. Als aktiver Staat gilt es in Anbetracht der vielen weitreichenden Krisen, nicht wegzusehen. Gerade jetzt muss der Staat besonders aktiv sein und vorausschauend han­deln. Genau jetzt muss sich der Staat den zahlreichen und dringlichen Aufgaben stellen, Lösungen erarbeiten und besonders auf jene achten, die jetzt Un­terstützung brauchen. Niemand darf benachteiligt oder zurückgelassen werden!

Der Staat hat sich bereits in Ausnahmesituationen, in für uns alle belastenden Lebensabschnitten als Sicherheitsnetz bewährt, der Staat hat sich in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit schon immer als Stabilisator und Regulator er­wiesen – bereits in der Finanzkrise 2008, aber auch in der Coronapandemie. Ohne Kurzarbeitsregelungen, Wirtschaftshilfen oder Sonderbestimmungen für besonders von der Krise betroffene Gruppen hätten zahlreiche Unterneh­men und noch mehr Arbeitsplätze nicht mehr weiterexistieren können. Ohne unseren Staat als Schutzschirm hätten wir der Pandemie und deren Aus­wirkungen nicht begegnen können. Der viel gepriesene Markt, der alles regelt, hatte sich bereits am Beginn der Coronakrise verabschiedet. Auch aus heu­tiger Sicht kann eine Veränderung von der derzeitigen Rezession hin zu einer noch weitaus dramatischeren wirtschaftlichen Situation nicht ausgeschlos­sen werden. Die Verwerfungen, die auf die Krisen folgen, sind noch nicht klar absehbar.

Das von mir gewählte Motto der Wiener Bundesratspräsidentschaft: verlässliche öffentliche Strukturen als Basis des gesellschaftlichen Zusammenhalts, hätte nicht passender gewählt sein können, und ich darf hinzufügen: leider nicht pas­sender. Zeitgleich ist es von eminenter Wichtigkeit, eine zukunftsorientierte


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Perspektive einzunehmen und die gestaltenden und regulierenden Möglichkei­ten des Staates wahrzunehmen, um langfristige, abgesicherte Strukturen in allen Lebensbereichen der Österreicherinnen und Österreicher zu schaffen. Wir vonseiten der Politik müssen uns dieser Rolle noch stärker bewusst werden und aktiv im Interesse der Bürger:innen handeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Rahmen meiner Präsidentschaft habe ich den starken Staat, der die Essenz des guten Zusammenlebens ist, mehrfach thematisiert und in den Fokus gerückt. In der Bundesratsenquete haben zahlreiche Vertreter:innen der Sozialpartner und renommierte Expert:innen aus den verschiedensten Bereichen der Politik, der Wirtschaft, der NGOs, der Wissenschaft zusammengefunden und die Notwendigkeit des regulierenden und stabilisierenden Staates unterstrichen. Univ.-Prof. Dr. Truger beispielsweise hat sich bei seinem wissenschaftli­chen Impulsreferat im Kontext der Krisenbewältigung für mehr kreditfinanzierte, staatliche Investitionen und gegen staatliche Interventionen, die zu sehr auf dem Gießkannenprinzip basieren, ausgesprochen. Er als Mitglied des deutschen Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent­wicklung erläuterte anhand der Energiekrise in Deutschland, welche Antworten der Staat als Problemlösungen geben kann.

Eines ist aber unumstritten, unbestritten und im gemeinsamen Konsens auch bestätigt: die Bedeutung der Daseinsvorsorge. Vor allem die Daseinsvorsorge ist es, die den Alltag der Menschen prägt, und sie ist zugleich jener Bereich, in dem staatliche Strukturen am direktesten für die Menschen erlebbar sind. In Zei­ten der Krise und der großen Herausforderungen ist dieser Aspekt in meinen Augen besonders wichtig. Um die hohe Qualität und Zuverlässigkeit der österrei­chischen Daseinsvorsorge auch in Krisenzeiten weiterhin gewährleisten zu können, braucht es vor allem mehr staatliche Investitionen und finan­zielle Anreize.

Wien, die Stadt und das Land, das die letzten sechs Monate den Vorsitz in der Länderkammer innehatte, eignet sich in diesem Kontext der gestaltenden öffentlichen Strukturen als ideales Vorzeigemodell und beweist, wie man dieser


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Aufgabe auf föderaler Ebene nachkommen kann. Im Rahmen des Ver­anstaltungstages Bundesrat im Bundesland, der traditionsgemäß im Bundesland der Bundesratspräsidentin, des Bundesratspräsidenten stattfindet, konnten wir uns davon überzeugen, dass Wien beispielgebend für hohe Lebens­qualität und zukunftsweisend im Klimaschutz ist.

Die von uns Bundesrätinnen und Bundesräten besuchte Großwärmepumpe von Wien Energie in Simmering versorgt 25 000 Haushalte mit CO2-freier Fern­wärme und ist damit in Zeiten der Klima- und Energiekrise von besonderem In­teresse. Das von uns ebenfalls besuchte Stadterneuerungsgebiet im Sonn­wendviertel ist mit seinen vielen Grünflächen, den hervorragenden Infrastruktur­maßnahmen und dem Fokus auf sozialen Wohnbau Wiens Antwort auf die komplexen Herausforderungen des Wohnens der Zukunft. So werden nach Fer­tigstellung des innovativen Wohnprojekts Wohnungen für 13 000 Wienerin­nen und Wiener sowie 20 000 Arbeitsplätze auf einem Gebiet entstehen, das früher ein ehemaliger Frachtenbahnhof war.

Genau solche zukunftsweisenden Projekte braucht es in Österreichs Städten, denn Städte wie Wien – aber es ist ja nicht nur Wien; dasselbe gilt für Graz, Salzburg, Innsbruck oder Linz – wachsen permanent und kontinuierlich. Aufgrund der stetigen Urbanisierung ist es wichtig, die Thematik als Zukunftskammer des österreichischen Parlaments aufzugreifen.

Bei der Diskussionsveranstaltung „Deine Stadt – Raum zum Leben“, Stadt als Lebensmittelpunkt junger Menschen, die wir als Bundesrat gemeinsam mit dem Österreichischen Städtebund und dem Urban Forum im Wiener Rat­haus organisiert haben, haben wir mit Expert:innen aus der Sozialforschung, aus dem Bildungssektor und mit zahlreichen Jugendvertreter:innen demografi­sche Tendenzen, Trends und sich daraus ergebende Implikationen für zukünftige Generationen diskutiert.

Dafür gibt es gute Gründe: Städte bieten zahlreiche Anreize für die jungen Menschen, die sie attraktiv machen. Leistbares Wohnen, etwa durch


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den geförderten Wohnbau, und Kinderbetreuung sind bei der Familienplanung für junge Menschen extrem wichtige Faktoren. Aus- und Weiterbildungs­möglichkeiten sowie Karrierechancen sind ebenso relevant wie ein gut ausge­bautes Netz des öffentlichen Verkehrs.

Erstaunlich ist: Einmal mehr zeigte sich: Junge Menschen im ländlichen Raum wünschen sich mehr städtische Angebote und junge Menschen in den städtischen Strukturen wünschen sich etwas mehr Land in der Stadt. Doch vor allen Dingen – und das ist ganz klar – wollen sie gehört werden. Sie wol­len Gehör finden, und das völlig zu Recht.

Bei uns als Zukunftskammer des Parlaments müssen die Interessen und die Bedürfnisse junger Menschen einen wichtigen Platz einnehmen, und es gilt, diese dahin gehend weiterzuentwickeln, denn es ist ganz simpel: Die Zu­kunft gehört den jungen Menschen.

So war gleich die erste große Bundesratsveranstaltung den jungen Menschen in unserem Land gewidmet. Im Rahmen des Europäischen Jahres der Jugend wurde hier von und mit Lehrlingen und Schüler:innen über die Zukunft der Fach­arbeit diskutiert. Es freut mich ganz besonders, dass vor allem Jugendliche selbst zu Wort kamen und ihre Problemlagen und Anliegen in diesem Rahmen an das Parlament und an die jungen Sozialpartner richten konnten, und es freut mich, dass gerade auch Lehrlinge, deren Ausbildung leider immer noch nur 3 Prozent des gesamten Bildungsbudgets ausmacht, mit Forderungen hier, im Herzen der Demokratie, für uns alle hör- und spürbar waren. Der Titel lautete: Deine Lehre – Deine Zukunft; unsere Zukunft durch die Förderung der Facharbeit.

Ein Herzensanliegen waren mir die Veranstaltung zum Welt-Aids-Tag und die Gedenkveranstaltung zu den Kindertransporten 1938, 1939, zu deren Anlass wir erst kürzlich ins Palais Epstein geladen haben. Ja, sie waren Herzensanliegen, aber lassen Sie es mich ein bisschen anders formulieren: Ich sehe es als unseren


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Auftrag, unsere kollektive Pflicht. Als österreichisches Parlament ist es unse­re Pflicht, öffentlich gegen jede Form der Diskriminierung aufzutreten und den gesellschaftlichen Diskurs auch dahin gehend zu prägen. Dies bedeutet vor allem ein klares und deutliches Bekenntnis dazu, jeglicher Form des Anti­semitismus und Antijudaismus entgegenzutreten und die Erinnerungs- und Gedenkkultur aufrechtzuerhalten und zu kultivieren. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Wir müssen uns unserer Vergangen­heit stellen und Verantwortung für die Zukunft übernehmen.

Die Politik hat auch die Aufgabe, bei bestehenden Ungerechtigkeiten und gesellschaftlichen Schieflagen hinzusehen und gestaltend zu handeln – und da meine ich vor allem: im Interesse der Frauen. Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern von über 17 Prozent und die Pensionsschere von über 41 Prozent sind doch gerade in Krisenzeiten ein mehr als deutlicher Auftrag, hier Maßnahmen zu setzen. Besonders das Kernthema des flächende­ckenden Ausbaus von Kindergärten ist ganz, ganz dringend endlich be­herzt anzugehen. Es geht um die Leistbarkeit, es geht um die Öffnungszeiten und es geht um die Möglichkeit, zu entscheiden, wie viele Stunden Frauen arbeiten, wenn sie arbeiten wollen. Es geht auch um die Frage: Wie kann man in Österreich Beruf und Familie gut vereinbaren?

Im Rahmen der Präsidentschaft des Bundeslandes Wien möchte ich jetzt noch einmal – wir werden oft kritisch beäugt – auf die Bedeutung des Bundesra­tes eingehen. Als Länderkammer bringen wir die Interessen unserer Bundeslän­der in das Herz der Demokratie, ins österreichische Parlament. Auch wenn wir in den Fraktionen oft verschiedener Meinung sind und diese auch ausführlich und intensiv diskutieren, verbindet uns doch über alle Fraktionen hinweg der Wille zur Stärkung der Rechte des Bundesrats als Institution.

Ein wichtiger Einblick ist natürlich auch, wenn man die Chance hat, über den Tel­lerrand zu schauen, und wir haben einen sehr wichtigen und erweiternden Einblick durch die Reise des Bundesratspräsidiums nach Deutschland bekom­men. Der internationale Austausch an sich ist so wesentlich, weil wir


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voneinander lernen können. Es hat mich besonders gefreut, den deutschen Bundesrat sowie den neuen deutschen Bundesratspräsidenten Dr. Tschentscher kennenzulernen, der uns wirklich außerordentlich freundlich aufgenommen hat.

In diesem Sinne freut es mich, dass wir heute im österreichischen Bundesrat als Zukunftskammer und Europakammer auch eine Aktuelle Europastunde ha­ben werden – nicht nur, weil es thematisch in der krisenhaften Zeit wichtig ist, die europäischen Perspektiven, Probleme und Lösungsansätze im Bundesrat zu diskutieren, sondern auch, weil es uns als Institution Bundesrat stärkt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die letzten sechs Monate waren für mich vor allen Dingen Auftrag, eine große Ehre und eine Freude. Die Zukunft bringt enorm viele Fragestellungen und viele Ungewissheiten mit sich, und viele Men­schen blicken wirklich mit Sorge auf die nächsten Monate und Jahre. Ein starker und aktiver Sozialstaat kann Antworten auf diese Probleme und Frage­stellungen bieten, das Wichtigste ist jedoch: Ein starker Sozialstaat und verlässliche öffentliche Strukturen können Vertrauen und Hoffnung in diesen stürmischen Zeiten schaffen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die nächsten Generationen dem Sozialstaat ebenso vertrauen können, wie wir es tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen für die Unterstützung und Ihr Vertrauen. Ich danke meinem Bundesland Wien für die Unterstützung – und besonders Landeshauptmann Michael Ludwig, denn seine beständige Be­tonung der Bedeutung des Bundesrates und seine Unterstützung des Bun­desrates ist für uns eine ganz, ganz wichtige Hilfe in oft kritischen Zeiten, in de­nen der Bundesrat nicht mit freundlichen Worten bedacht wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich wünsche meinem Nachfolger in der Funktion des Bundesratspräsidenten Günter Kovacs und dem Burgenland alles erdenklich Gute und viel Erfolg in seiner Vorsitzzeit. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)


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Ich möchte mich bei den Fraktionsvorsitzenden aller Parteien für die Zusam­menarbeit bedanken. Mein Dank gilt auch den Vizepräsidenten und natür­lich meiner SPÖ-Fraktion. Ich bedanke mich bei der Parlamentsdirektion, der Bundesratskanzlei und den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den Parlamentarismus durch ihre unglaublich tollen Leistungen möglich machen.

Der Gewerkschaftsbewegung, in der ich halt meine Heimat habe, sage ich: Vielen Dank! Ein großes Dankeschön geht auch an meinen Pressesprecher Ismail Al-Hashimy für seine ausgezeichnete Arbeit. Danke an Katrin Slamanig und Michael Kögl für das, was Sie tagtäglich leisten.

Zum Schluss sage ich vor allen Dingen Danke meiner Familie für ihre Geduld mit mir, für jedes kritische: Bist du dir da jetzt ganz sicher?, das für mich immer einer der Anker ist, die verhindern, auch nur im Geringsten die Bodenhaftung zu verlieren. – Vielen Dank und viel Erfolg. (Anhaltender, stehend dargebrachter Beifall bei der SPÖ und anhaltender Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

09.18.55Aktuelle Europastunde


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde, die als Aktuelle Europastunde mit der Frau Bundesministerin für EU und Verfassung dem Thema:

„Die EU in herausfordernden Zeiten“

gewidmet ist. Ich heiße Frau Bundesministerin Mag.a Karoline Edtstadler neuerlich willkommen, und an die anwesenden Mitglieder des Europäischen Parlamentes ergeht ein herzliches Willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein:e Redner:in pro Fraktion zu Wort, dessen bezie-


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hungsweise deren Redezeit jeweils 8 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stel­lungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 8 Minuten nicht überschreiten soll.

Danach kommen die Mitglieder des Europäischen Parlaments, geordnet nach Fraktionsstärke, mit einer Redezeit von jeweils 8 Minuten zu Wort.

Sodann folgt wiederum je ein Redner, eine Rednerin der Fraktionen sowie ein Beitrag des Bundesrates ohne Fraktion mit einer 5-minütigen Redezeit.

Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung!)

Einen Moment, bitte! Zur Geschäftsordnung. – Bitte.

*****


9.20.18

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Wir haben in der Präsidiale fraktionsübergreifend vereinbart, dass auch die Redezeit der Frau Ministerin einmal die 8 Minuten und einmal die 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie haben, als Sie jetzt davon gesprochen haben, die Ministerin ermuntert, sie soll sie nicht überschreiten. (Bundesrat Buchmann: Da kennst du dich ja aus, bei den Redezeiten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bitte, das ist nicht lustig! Da die Aktuelle Stunde nach 2 Stunden beendet wird (Bundesrätin Zwazl: Das halte ich aber jetzt ...! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), kann passieren, dass - - (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Hört mir zu! Es kann passieren, dass zum Beispiel der fraktionslose Kollege bei uns - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja hört jetzt einmal zu! (Rufe bei der ÖVP: Nein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir haben aber wohl eine Demokratie.


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Wir wollen doch wohl alle, dass jeder zu Wort kommt, oder? Wir wollen alle, dass jeder zu Wort kommt. Ergo glaube ich auch, dass es fair ist - - (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) – Ja, Frau Präsidentin, das ist ja nicht normal, oder!? (Ruf bei der ÖVP: Ja er, ... nicht normal!)


Präsidentin Korinna Schumann: Ich ersuche Sie, den Ausführungen zur Ge­schäftsordnung des Fraktionsvorsitzenden zuzuhören.


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Ja, das ist ja fast wie im Kindergarten. (Bundesrat Preineder – erheitert –: Endlich! – Ruf bei der ÖVP: Ganz genau! Ganz genau!) Das ist typisch ÖVP. Das ist - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, wir machen - - (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, ihr hört ja nicht auf. Ihr hört ja nicht auf!

Es ist in der Präsidiale fraktionsübergreifend vereinbart worden, dass auch alle Fraktionen und alle Redner zu Wort kommen. Auch Kollege Arlamovsky soll die Chance haben, zu Wort zu kommen, und es soll logischerweise nicht passieren, dass dann abgedreht wird. Das ist nur fair und für alle richtig so. Wenn euch Herr Fraktionsvorsitzender Bader das nicht ausgerichtet hat, ist das nicht mein Problem, und ich bitte Sie, Frau Ministerin, halten Sie sich an die Zeitvorgabe von 8 und 5 Minuten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundes­rat Preineder: Genau um das geht es!)

9.22

*****


Präsidentin Korinna Schumann: Frau Bundesministerin, ich darf mich mit der Bitte an Sie richten, sich an die Zeitvorgaben zu halten. (Bundesrat Preineder: An alle! Wenn, dann gilt es für alle!) Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Buchmann. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Bader: Das war jetzt aber komplett unnötig!)



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9.22.26

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates und des Europäischen Parlaments! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie die Sitzung hier im Hohen Haus vor Ort verfolgen, aber auch sehr geehrte Damen und Herren, die uns via Fernsehen und Livestream sehen.

Bevor ich zum Thema der Aktuellen Stunde komme, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um der scheidenden Bundesratspräsidentin namens der ÖVP-Bun­desratsfraktion einen herzlichen Dank (Bundesrat Steiner: Danke!) für ihre Arbeit im zweiten Halbjahr 2022 zu sagen. Es war eine tolle Präsidentschaft, die du hingelegt hast – herzlichen Dank dafür! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Wir wünschen dem incoming Präsidenten aus dem Burgenland ebenso alles Gute für die Arbeit im ersten Halbjahr 2023.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die EU in herausfordernden Zeiten“ ist das Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Das ist, wie ich meine, ein Thema, das klug gewählt wurde, denn selten in der Geschichte Europas waren die Herausforderungen für ein gemeinsames Zusammenwirken – in wel­cher Form auch immer – so groß wie heute. Putins Angriffskrieg auf die Ukrai­ne – viele von uns hätten es vor einem Jahr nicht für möglich gehalten, dass wir seit Februar 2022 wieder Krieg in Europa haben – hat zu enormen Problemen für die Ukraine geführt, für die Menschen im Lande, die jetzt in der kälteren Jahreszeit den Wirren dieses Krieges ausgesetzt sind und die um ihr persönliches Leben, um ihr Hab und Gut fürchten müssen.

Es spricht für die Solidarität der Länder Europas und den Wertekanon Europas, dass wir hier gemeinsam gegen einen solchen Angriffskrieg stehen, wir müs­sen aber auch den besonderen Erfordernissen eines neutralen Landes wie Öster­reich gerecht werden. Dieser Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu Verwer­fungen auf den Energiemärkten geführt. Dazu haben wir den Klimawandel, der insbesondere die jungen Menschen belastet. Wir haben eine Inflation, die


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viele von uns nicht für möglich gehalten hätten, in einer Dimension, in der sie für die privaten Haushalte ebenso schmerzhaft ist wie für die Wirtschaft in Ös­terreich, in Europa und letztendlich auf der ganzen Welt. Wir spüren immer noch die Auswirkungen der Pandemie – wir haben das gestern in Bezug auf Fra­gen der Gesundheit diskutiert –, die unser Gesundheitssystem und damit auch die öffentlichen Haushalte entsprechend belasten.

Dazu kommt, dass viele Menschen Europa als sicheren Hafen sehen und gerne nach Europa kommen möchten und dass die illegale Migration – die illegale Immigration – viele Länder dieses gemeinsamen Europas, so auch Österreich, vor große Herausforderungen stellt.

Multiple Krisen brauchen multiple Antworten. Ein einfacher Lösungspfad wird nicht so leicht zu finden sein. Was sich die Menschen – die Österreicherin­nen und Österreicher, aber letztendlich auch alle Europäer:innen – wünschen, ist, in Sicherheit und in Frieden und in Freiheit leben zu können, ihre Kin­der in Wohlstand großziehen zu können und auch in einen gesicherten Ruhe­stand übertreten zu können. Diese Sicherheit ist ein Anliegen, das uns, glaube ich, eint. Diese Sicherheit vermittelt zu bekommen, das erwarten sich die Menschen. Maßnahmen zu ergreifen, die diese Sicherheit zum Ausdruck brin­gen, ist dringend erforderlich.

Wir haben uns gestern im EU-Ausschuss des österreichischen Bundesrates sehr intensiv mit den Fragen der illegalen Migration, des Schlepperunwesens, des gemeinsamen Binnenmarktes auseinandergesetzt und wir haben natürlich auch die Erweiterung dieses Binnenmarktes um jene Länder, die im Raum stehen, sehr intensiv diskutiert. Wenn wir diesen Binnenmarkt erweitern und die maximalen Freiheiten dieses Binnenmarktes – den freien Personenverkehr, den freien Warenverkehr, den freien Dienstleistungsverkehr – nutzen wollen, dann müssen wir auch ein professionelles Außengrenzschutzmanagement an den Tag legen.


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Deswegen bin ich Herrn Bundeskanzler Nehammer, dem Herrn Innenminister und auch Frau Bundesministerin Edtstadler sehr dankbar dafür, dass sie in Fragen der Schengenerweiterung klar aufgezeigt haben, dass wir natürlich wol­len, dass Rumänien und Bulgarien ebenso wie Kroatien Mitglied in diesem Schengenraum werden, dass es aber für Österreich und die Sicherheitsbedürf­nisse der österreichischen Bevölkerung unabdingbar ist, dass es auch ei­nen professionellen Außengrenzschutz gibt und dass der Fünf-Punkte-Plan, der vom Bundeskanzler vorgeschlagen worden ist, auch auf europäischer Ebe­ne Gehör findet. (Beifall bei der ÖVP.)

Uns gegenüber hat gestern im EU-Ausschuss der Vertreter des Innenministe­riums klar zum Ausdruck gebracht, dass diese fünf Punkte auf europäi­scher Ebene intensiv diskutiert werden. Ich bin zuversichtlich, dass man hier eine gemeinsame Lösung finden kann – auch deshalb, weil es für die österreichi­sche Wirtschaft, aber auch für viele Pflegebedürftige im Lande wichtig ist, dass wir hier eine klare gemeinsame Linie haben und dass der Schengenraum entsprechend effizient funktioniert, und zwar im Interesse der beitrittswilligen Länder, aber auch im Interesse der österreichischen Bevölkerung.

Wenn ich über die Sehnsucht nach Sicherheit spreche, dann weise ich darauf hin, dass es auch Sicherheitsbedürfnisse für die Wirtschaft gibt. Wir wollen eine Reindustrialisierung der europäischen Wirtschaft, wir wollen die Industrie auch entlang der Wertschöpfungsketten entsprechend stärken. Nicht zuletzt die Pandemie hat uns gezeigt, dass es hier große Defizite gibt. Wir müssen die Digitalisierung in Europa vorantreiben und wir müssen letztendlich auch die Ein­bindung in die Verkehrswege intensivieren. Ich würde mich sehr freuen, wenn es gelingt, Österreich im Rahmen der transeuropäischen Netze nicht nur im baltisch-adriatischen Korridor entlang der Ost-West-Verbindung einzu­binden, sondern auch entlang der Nord-Süd-Verbindung. Wie ich höre, gibt es hier auf europäischer Ebene auch entsprechende Bemühungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich über die Sicherheit der Wirtschaft rede, rede ich auch davon, dass es multilaterale Handelsabkommen geben muss


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und geben soll. Die sind auch für die österreichische Industrie und die österreichische Wirtschaft und damit für die Arbeitsplätze bei uns im Lande wichtig, und wir sollten rasch danach trachten, diese multilateralen Han­delsabkommen auch voranzutreiben.

Nicht vergessen werden soll, wenn es um das Thema der Sicherheit geht, auch die Lage auf anderen Kontinenten. Ich verweise nur auf den EU-Afrika-Gipfel und die Situation in Afrika, wo wir auch ganz besondere Interessen haben.

Wenn es um Sicherheit geht, geht es auch um Sicherheit im Vorhof Europas, damit ist die Erweiterung der Europäischen Union gemeint. Denken Sie an den Westbalkan, denken Sie an die Anliegen der Ukraine, auch an die Anliegen Georgiens und Moldawiens! Auch da wird es notwendig sein, auf der einen Seite die Länder des westlichen Balkans weiter in ihren Prozessen zu unterstützen, um eines Tages einen Beitritt zur Europäischen Union zu ermöglichen, aber auf der anderen Seite auch Ländern wie der Ukraine, Georgien und Mol­dawien zu zeigen, dass sie in Europa willkommen sind.


Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesrat, ich bitte um den Schlusssatz. – Danke schön.


Bundesrat Mag. Christian Buchmann (fortsetzend): Jawohl, Frau Präsidentin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 2022 war das Europäische Jahr der Jugend, 2023 wird das Europäische Jahr der Skills. Wenn wir unsere ge­meinsamen Skills nutzen, um uns für Europa und die Menschen in Europa ein­zusetzen, dann braucht uns um die Zukunft nicht bange zu werden. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

9.31


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte schön, Herr Bundesrat.



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09.31.21

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Mit­glieder des Europäischen Parlaments! Zuerst möchte ich als Fraktionsvorsitzen­der unserer Präsidentin Korinna Schumann zu dieser außergewöhnlich erfolgreichen und spannenden Präsidentschaft des Bundesrates gratulieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Und auch dazu, dass sie zwei Dinge ganz klar in den Vordergrund gerückt hat: zum Ersten die Notwendigkeit der Daseinsvorsorge gerade in Zeiten wie diesen und zum Zweiten die Bedeutung kommunaler Dienstleistungen. Das ist, glaube ich etwas, das wir gerade in einer Zeit der Krise wie jetzt sehen.

Nun zur Aktuellen Stunde: Mein Vorredner hat schon die multiplen Krisen angesprochen. Das heißt, was es derzeit gibt, sind viele übereinander lagernde Krisen, und zwar solche, bei denen wir manchmal die eine Krise zur Bewälti­gung der anderen Krise angehen müssen – eine unglaubliche Herausforderung. Dann kommen noch Dinge dazu, die wir auch selbst mitverschuldet haben. Kollege Buchmann hat das so nonchalant angesprochen, aber dieses völlig aus der Luft gegriffene Veto gegen den Schengenbeitritt Bulgariens und Rumä­niens ist (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder) einzig und allein der Niederösterreichwahl geschuldet (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl) und hat nichts, aber gar nichts mit der Sache zu tun. (Bundesrat Kornhäusl: Sie wissen es ja!)

Ja, Kollege Kornhäusl, es ist so. Denn von 2016 (Ruf bei der ÖVP: Wie der Schelm denkt!) – einfach einmal zuhören! – bis 2020 wurden sowohl Kroatien als auch Bulgarien als auch Rumänien genauestens überprüft. Die Kommission macht keinen Vorschlag aus Jux und Tollerei – das sind dann eher die Reaktionen unserer Regierung. Jetzt kommt noch dazu, lieber Herr Kornhäusl: Fragen Sie einmal die Mitglieder des Europäischen Parlaments von Ihrer Fraktion, von den Grünen, von den NEOS und von den Sozialdemokraten! (Zwischenruf des


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Bundesrates Kornhäusl.) Die haben nämlich alle dafür gestimmt, dass Bulgarien und Rumänien aufgenommen werden.

Wir sind sehr wohl dankbar, dass rumänische Frauen hier 24-Stunden-Pflege machen, aber dass wir, wenn es einmal darum geht, nicht – nicht! – die Hand zu reichen bereit sind, ist ein unglaublicher Affront. Was wir schon auch gese­hen haben: Die Einberufung von Botschaftern und so weiter sind schon Folgen, die wir jetzt in dieser Zeit der vielen Krisen absolut nicht notwendig haben.

Was wir auch schweren Herzens irgendwie durchkämpfen müssen, ist der Um­gang mit anderen Mitgliedstaaten wie Ungarn. Immer wieder Blockade­drohungen: 18 Milliarden Euro Hilfsprogramm: Blockadedrohung; Blockade der globalen Mindeststeuer; der Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens: jetzt kein Ja, auch da warten wir wiederum auf das nächste Jahr – und das bei all die­sen Rechtsstaatlichkeitsverstößen im Land, bei diesem hohen Level an Korruption, das ist sehr bedauerlich. (Bundesrat Steiner: Wie heißt die Präsidentin von den Sozialisten? Korruption, gell!)

Lieber Kollege Steiner, du hast ja viele Möglichkeiten, nur: Der Unterschied (Bundesrat Steiner: Wie heißt sie?) in diesem Fall, dem Fall Kaili, ist, dass man nicht wie eine Regierungspartei auf Urteile wartet, sondern dass gehandelt wurde. Wenn sozusagen die EU durch Korruption - - (MEP Mayer: In flagranti ...!) – Komm, jetzt gib ein bisschen eine Ruh’, sei einfach ein bisschen still! (Weiterer Zwi­schenruf des MEPs Mayer. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wenn sozusagen die EU durch Korruption von innen angegriffen wird, ist das extrem bedauerlich. Ich bin sehr froh (Bundesrat Steiner: Deshalb sollten wir uns, was Ungarn betrifft, ...!), dass die Parlamentspräsidentin die richtigen Worte dafür gefunden hat. Ja, das Ausmaß der Korruption in Ungarn stellt, glau­be ich, alles in Europa in den Schatten. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Bun­desrät:innen der FPÖ. – MEP Mayer: ... Sozialisten verbieten das noch! – Rufe bei der FPÖ: Und Österreich?) – Das wissen wir, das wissen wir. (Bundesrat Steiner: Österreich nicht! Mit der Regierung! – Ruf: Gebt eine Ruhe!)


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Nein, nein! Schau, er hat bei jeder Sitzung diese Notwendigkeit, sich ein bisschen emotional zu erleichtern (Bundesrat Steiner: Danke!), und das soll man ihm auch einräumen. Das ist so dem Zillertal geschuldet. (Bundesrat Steiner: Wa­rum? – Rufe bei der FPÖ: He! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.) Du willst ja, dass man dich sieht und dass man dich hört. Also, liebe Ziller­taler und Zillertalerinnen, jetzt habt ihr den Christoph Steiner gehört! (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Gehen wir zu etwas ganz anderem! Kollege Buchmann hat auch den unfassbaren Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die Notwendigkeit der Solidarität und der Hilfeleistungen angesprochen. Da hat die EU einen Rechtsmechanismus in Kraft gesetzt, dass Menschen auf der Flucht – es sind hauptsächlich Frau­en, Mütter mit ihren Kindern – nicht in das Asylverfahren müssen, sondern dass wir da großzügige Formen der Solidarität walten lassen. Das unterstreicht auch die österreichische Bevölkerung, dass sie dazu bereit ist.

Wichtig ist auch die Bekämpfung der Teuerung und der Inflation, die es derzeit gibt. Umso wichtiger sind Maßnahmen wie, dass es endlich zu einem echten Preisdeckel im Bereich der Energie und zu gemeinsamen Einkäufen kommt. All das gehört dazu, denn gerade diese Inflation in Europa können wir nur gemeinsam – die Nationalstaaten gemeinsam mit der Europäischen Union – bekämpfen.

Dann gibt es die allerallergrößten Probleme, das sind der Klimawandel und die Energiekrise. Hinsichtlich Klimawandel hat jetzt die Europäische Union noch einmal mit Nachdruck die Ziele erhöht, die wir einzuhalten haben und die wir einhalten müssen, weil das sonst auf Dauer extrem teuer wird. Wir haben nur diesen, es gibt keinen , wir müssen den Klimawandel jetzt und wirk­sam bekämpfen. Bei der Energiekrise kommt es dazu, dass wir die fossile Energie aus Europa so weit verbannen, dass es erneuerbare Energie, grüne Energie und eine nachhaltige Energienutzung gibt.


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Ein letztes Wort noch: Es gibt so viele Krisen, aber wir sollten – wir werden, glaube ich, heute auch einen gemeinsamen Entschließungsantrag dazu machen – nicht die mutigen Frauen und die Jugend aller Gesellschaftsschichten im Iran vergessen, die uns in den letzten Wochen – wie soll ich sagen? – jegliche Achtung abverlangt haben. Wir werden heute auch im Bundesrat ein ge­meinsames Zeichen dafür setzen und darüber bin ich froh. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

9.39


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort ist Herr Bundesrat Hübner gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


09.39.48

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehr­te Damen und Herren! Frau Ministerin! Lieber Kollege und Vorredner Schennach! Wir machen einen Rückblick auf die Europäische Union oder Ös­terreich in der Europäischen Union im letzten Jahr. Der Rückblick sollte so passieren, dass wir uns anschauen, was geschehen und was nicht geschehen ist, und nicht, dass wir davon reden, dass wir über Dinge reden müssen. Reden tun wir seit zehn, zwölf, 20 Jahren über verschiedene Dinge, passieren tut nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne werde ich mir erlauben, kurz die Leistungen der Europäischen Union – nicht die Leistungen Europas, sondern der Bürokratie, die die Europäische Union bewegt – darzustellen.

Fangen wir mit der Masseneinwanderung an: Das ist ja kein neues Phänomen, das ist ein Phänomen, das jetzt wieder, sagen wir einmal, über die Stränge schlägt, das uns zu überwältigen droht, ein Phänomen, mit dem wir seit 20, 30 Jahren befasst sind. Die Europäische Union und ihre Institutionen haben alles getan, damit dieses Phänomen dramatischer, schlimmer wird, und es wurden alle Möglichkeiten, es zu unterbinden, hintangestellt. Das betrifft


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zum einen die Aktionen im Mittelmeer, die die Flotten der europäischen Mitgliedsländer übernehmen mussten, wo sie zur größten Schlepperorganisation in der europäischen Geschichte geworden ist, wo mit Mitteln, auf Kosten und unter den Organisationsstrukturen der EU Hunderttausende Leute aus Nordafrika nach Europa gebracht worden sind.

Das geht munter so weiter: Die Europäische Union, die die Möglichkeit hat, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht gegen Länder wie Marokko, wenn sie will, innerhalb von 24 Stunden alles durchzusetzen, hat es bis heute nicht fer­tiggebracht oder nicht fertigbringen wollen, ein Rücknahmeabkommen mit die­sem Staat abzuschließen, das es den Europäern ermöglicht, ohne Proble­me kriminelle Staatsbürger dieses Landes abzuschieben oder zurückzubringen – bis heute nicht. Kollege Schennach, das ist keine Sache, die nur das Ziller­tal interessiert, sondern das ist eine Sache, die auch Innsbruck und ganz Tirol interessiert – und ganz Europa. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt ein einziges Beispiel, wo das Grenzmanagement funktioniert hat, ich habe es schon mehrfach gesagt: Das ist die Abwehr der versuchten Erpressung Europas durch Weißrussland im vergangenen Jahr, als Polen ohne Hilfe der EU und gegen die Linien und Aufträge der EU die Grenzen geschützt und uns vor einer neuen Masseneinwanderungsroute bewahrt hat. Da hat Polen sicher­gestellt, dass keine EU-Beamten und keine Frontex-Leute an die Grenze herankommen, Frau Minister.

Kommen wir zum größten Friedensprojekt der Geschichte – ja, so nennt sich die Europäische Union. Jetzt ist die Bewährungsprobe da, es herrscht seit fast einem Jahr Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Bis heute habe ich nicht eine einzige Initiative der Europäischen Union gesehen, diesen Krieg zu beenden oder wenigstens einen Waffenstillstand zu vermitteln. (Beifall bei der FPÖ.)

Was hat ein Friedensprojekt denn sonst zu tun, außer Frieden zu schaffen, Frieden zu erhalten, Frieden wiederherzustellen oder zumindest die Waffen zum Schweigen zu bringen? Den Krieg anzufachen und nur davon zu reden: Ein


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Staat muss unterstützt werden!, Es muss einen militärischen Erfolg geben!, Der Aggressor muss bestraft werden!, und das Ganze mit einer Sanktionspolitik zu garnieren, die wir alle über das Energiepreischaos auszubaden haben, unter dem wir alle leiden, das ist wohl kein Friedensprojekt.

Von der Inflation will ich gar nicht reden, ich glaube, das erübrigt sich; von den Strompreisen und dem sogenannten Meritordersystem, das ja letztendlich auch eine Idee der europäischen Institutionen ist, ebenfalls nicht. Wo ist die Initiative auf europäischer Ebene, von diesem sogenannten Merit­ordersystem abzugehen? Wir müssen den Preis des teuersten Anbieters zahlen, das heißt, wer das teuerste Anbot macht, der bestimmt, was der Konsu­ment letztendlich für Strom zu zahlen hat – ein irres System! Ja, Herr Kollege (in Richtung Bundesrat Köck), da brauchen Sie gar nicht zu schauen, so funktio­niert das Meritordersystem! Wenn es zehn Anbote gibt – vom billigsten an bis zum teuersten wird gekauft –, müssen alle den Preis, der für das teuerste Angebot zu zahlen ist, zahlen. Das ist ein System, das für die Energieversorger natürlich sehr praktisch ist, damit werden auf unserem Rücken Milliarden­gewinne gemacht. Geschehen ist nichts.

Vom 750 Milliarden Euro schweren sogenannten Wiederaufbaufonds, zu dem die Ministerin schweigt, will ich gar nicht reden. Es ist ja das größte Deba­kel (Beifall bei der FPÖ), dass Österreich in einem solchen Fall den Leuten den Eindruck vermittelt, dass da etwas Vernünftiges geschieht. Da werden die Haushaltsregeln ausgehebelt, indem sich die EU auf dem Kapitalmarkt 750 Milliarden Euro ausborgt. Wir haften dafür und bekommen von unserem Haftungsanteil in der Höhe von 21, 22 Milliarden Euro – je nachdem, wie man das genau berechnet – letztendlich 3 Milliarden Euro. Wir katapultieren 18 Milliarden Euro sozusagen beim Fenster raus. Das muss eine Europa­ministerin meiner Ansicht nach ansprechen, denn eine Europaministerin heißt zwar Europaministerin, aber nicht deshalb, weil sie Propagandistin der
EU-Institutionen ist, sondern weil sie die Interessen Österreichs – des Landes,


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von dem sie bezahlt wird – in der Europäischen Union vertritt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: So sollte es sein!)

Deswegen erwarte ich mir da auch klare Worte. Das betrifft auch Dinge wie die angebliche Zukunftskonferenz. Da erwarte ich mir, dass man sagt: Wir sind nicht in einer kommunistischen Räterepublik, wo man sich 800 Leute aussucht, die einem das bestätigen, was man selber will, sondern wir sind in einer Demokratie, in der das Volk durch Wahlen entscheidet! Wenn das nicht ge­schieht, sondern Strukturen einer Räterepublik herangezogen werden – schön verbrämt als Zukunftskonferenz –, dann erwarte ich mir, dass der Minister sagt: Da hat nicht das Volk entschieden, sondern da hat sich die Kommission selbst ein Volk geschaffen und das bestätigen lassen, was sie will! – Das alles fehlt. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss, Kollege (in Richtung Bundesrat Schennach), noch einmal zu Ungarn. (Bundesrat Schennach: Zu mir? – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) – Ich schaue Sie an, es ist ja Ihre große Sache. (Bundesrat Schennach: Es dür­fen ein paar nicht schauen!) Es ist besonders interessant, weil wir von den euro­päischen Werten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und so weiter reden. (Bundesrätin Zwazl: Das ist auch wichtig!) Da gibt es ein Land, das gegen gewisse Dinge verstößt, die der EU-Nomenklatura wichtig sind – das sind immer andere Dinge, jetzt ist es angeblich gerade die Korruption –: Da kommt in der Präambel der Verfassung der liebe Gott vor – ui, da hat es schon gestaubt –, dann gab es eine Reform der obersten Gerichte, mit der die alten kommunisti­schen Kader entmachtet wurden – ui, da hat es gestaubt, das durfte man gar nicht, da sind sehr viele Bürgerliche hineingefallen –, und dann hat es Umbenennungen von Plätzen und dergleichen gegeben. Das ist ja nicht der erste Anlauf: Jedes Mal wurde mit dem Einzigen gedroht, mit dem die EU drohen kann, mit der Finanzkeule.

Jetzt ist ihnen eingefallen: Es werden 7 Milliarden Euro strafweise zurückbehal­ten, weil Ungarn angeblich so korrupt ist. Ja, Ungarn ist ein korruptes Land, aber nicht nur Ungarn ist korrupt, auch viele andere Länder in der Europäischen


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Union sind korrupt. Ich will sie nicht nennen. (Rufe bei der FPÖ: Nieder­österreich!) – Von Österreich rede ich gar nicht, ich will nicht unser eigenes Land schlecht darstellen, aber schauen Sie sich einmal den Bericht von Transparency International an, da gibt es zumindest zwei Länder, die deutlich schlechter als Ungarn dastehen.

Das ist wurscht, über diese Länder wird kein Wort verloren. Es wird über den Süden Italiens kein Wort verloren, es wird über das Europäische Parla­ment natürlich kein Wort verloren. All das wird vermieden. Diejenigen, die jetzt wegen Korruption in Haft sitzen, sind die Wortführer der Sanktionen gegen Ungarn wegen angeblicher Korruption gewesen. Da erwarte ich mir, dass eine Europaministerin eines demokratischen Staates sagt: Da wird Geld, das von uns stammt, da wird eine Macht, die von uns an die Kommission und an die europäischen Institutionen delegiert wurde, missbraucht, um die Demo­kratie in einem anderen Land auszuhebeln. – Nichts anderes ist das! (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesrat, ich ersuche Sie um Ihren Schlusssatz.


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Da geht es darum – das ist mein letzter Satz –, dass einem die Entscheidung der Bevölkerung eines Landes bei Wahlen und die daraus resultierende Regierung nicht passt, und darum will man sie finanziell abstrafen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.48


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreu­der. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.48.25

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Ich möchte mich im Namen der grünen Fraktion – und auch als Wiener, das muss ich dazusa­gen – natürlich auch ganz herzlich für Ihre Präsidentschaft bedanken. Ich freue mich auch schon auf das Burgenland im nächsten halben Jahr, aber davor


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freue ich mich auf Europa in dieser Europastunde des Bundesrates. Ich freue mich wahnsinnig, dass Europaabgeordnete von vier Fraktionen heute hier sind, weil – das muss man auch immer wieder betonen – das Europaparlament unser Parlament ist, und deswegen ist ein Austausch immer wichtig. Die­ser Austausch wird im Bundesrat besonders gepflegt, auch dank des EU-Aus­schusses. Dass wir eine Europastunde haben, halte ich für wunderbar. Auch an Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler): Herzlich willkommen, Frau Ministerin!

Was bedeutet Europa eigentlich? – Da hat wahrscheinlich jeder und jede eine eigene Geschichte zu erzählen. Bekanntlich bin ich ja ein gebürtiger Nie­derländer, der hier in Österreich aufgewachsen ist. Selbstverständlich habe ich daher zu Europa eine persönliche Beziehung. Ich habe noch dazu in eine rumänische Familie hineingeheiratet – dazu komme ich später noch. Meine Per­spektive ist durchaus eine sehr grenzüberschreitende, aber trotzdem eine, bei der ich mir keine Grenzen wünsche.

Für mich ist Europa vor allem eine Erinnerung an früher und ein Wissen über das Jetzt. Ich kann mich noch erinnern, als wir mit unserer Schulklasse in der Hauptschule – damals hieß sie noch so, heute also neue Mittelschule – eine Wanderung entlang des Nordkammwaldwegs gemacht haben. Ich weiß nicht, wer diesen Weg kennt, er führt entlang der tschechisch-oberösterrei­chischen Grenze von Aigen-Schlägl bis Freistadt. (Bundesrat Schennach: Genau! Oberösterreich!)

Als ich damals dort gegangen bin, war da Stacheldraht, waren da Zäune, waren da Wachtürme und Niemandsland. Es war eine Grenze, eine befestigte Grenze, und ich habe mir damals als junger 14-jähriger – Mann kann man noch nicht sagen –, als 14-Jähriger gedacht: Ich hätte gern ein Europa ohne Mauern, ich hätte gern ein Europa, in dem es keine Mauern mehr gibt. Ich hätte gern ein Europa, in dem es keine Zäune mehr gibt. Ich hätte gern ein Euro­pa, das weltoffen ist und das seinen Nachbarinnen und Nachbarn die Hand reicht.


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Ich habe den Wunsch nach diesem Europa bis heute, immer noch, das ist mir wirklich wichtig.

Ich gehöre noch dieser Generation an, die sich daran erinnern kann, dass die Großeltern gegeneinander Krieg geführt haben, in Europa. Zu sagen, das Friedensprojekt Europa sei kein wichtiges oder sei keines, wie es mein Vorredner gesagt hat: Dem muss man mit aller Entschiedenheit widersprechen, denn Europa ist das größte Friedensprojekt weltweit! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich werde auch nicht müde, diese Tatsache, wenn wir in der Demokratiewerk­statt hier im Parlament – im Übrigen eine tolle Einrichtung – mit der Ju­gend sprechen, in den Vordergrund zu rücken. Das ist so ein wichtiges Thema für sie, gerade jetzt, wo sie sehen, wie nahe Krieg, ein Krieg in Europa, sein kann. Umso wichtiger ist es, genau diese Aufgabe Europas in den Vordergrund zu rücken: Es ist ein Friedensprojekt, einzigartig in dieser Welt und für vie­le auf anderen Kontinenten ein Vorbild, das muss man auch dazusagen. Und zu unserer Generation: Es gibt keine Generation davor auf diesem Kontinent, die so lange Frieden gehabt hat. Es gab immer irgendwo in Europa Krieg.

Natürlich ist Europa eine demokratische Institution und man muss auch kriti­sieren. Dafür ist das Europaparlament ja auch berühmt, dort gibt es ja hef­tige Debatten zu vielen Themen, und man kann auch mit vielen Entwicklungen der Europäischen Union nicht einverstanden sein. Man kann Forderungen aufstellen, was nicht passt – das ist ja das Tolle an diesem Europa, dass es eben auf diesen demokratischen Grundwerten beruht, und es ist deswegen auch diese Rechtsstaatlichkeit, die dazu führt, dass Korruption innerhalb Europas aufgedeckt wird. (MEP Mayer: Das war doch ... Zufall!) Das beweist eigentlich auch, dass Europa funktioniert, weil wir eine freie Presse haben, weil wir eine Rechtsstaatlichkeit haben. Es sind die Diktaturen, wo Korruption unter den Teppich gekehrt und nicht öffentlich wird. (Bundesrätin Hahn: Das täte ich nicht unterschreiben ...! ORF Niederösterreich ...!) Ich bin froh, dass das öffentlich wird und dass man das auch juristisch verfolgt.


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Im Übrigen können wir natürlich auch hier in Österreich dazu einen Beitrag leisten, und wir sind ja derzeit auf einem guten Weg, was das Antikor­ruptionsgesetz und das Informationsfreiheitsgesetz betrifft. Auch das sind natürlich dann auf nationalstaatlicher Ebene ganz wichtige Instrumen­te, um Korruption vorzubeugen.

Wir haben aufgrund der Aktualität natürlich hier schon über Schengen gespro­chen, sowohl gestern im EU-Ausschuss als logischerweise auch heute in dieser Aktuellen Europastunde. Ich habe schon gesagt, wie es mir als jungem Menschen gegangen ist, als ich den Eisernen Vorhang entlanggegangen bin, und dass ich in eine rumänische Familie hineingeheiratet habe. Die meisten mei­ner Verwandten, also die rumänischen Verwandten, die ich habe und die übrigens überwiegend in der Steiermark wohnen, sind mittlerweile österrei­chische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Viele sind politisch gar nicht unbedingt in meiner Nähe, sondern sind vielmehr Wählerinnen und Wähler an­derer Parteien. Und viele jener, die aus Rumänien kommen und hier arbei­ten – die unsere Baustellen sichern, die unsere Pflegekräfte sind, die 24-Stun­den-Betreuung machen –, fühlen sich tatsächlich missachtet. Ich finde, es ist ein ganz wichtiges Zeichen, auch dieser Community gegenüber zu sagen: Nein, wir missachten euch nicht!

Österreich ist der zweitgrößte Investor in Rumänien! Die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Rumänien und Österreich sind enorm. Österreich müsste eigentlich ein vitales Interesse an guten Beziehungen zu Rumänien und Bulgarien haben. (Bundesrat Schennach: Ja, aber ihr seid in der Regierung, lie­ber Freund! Sag es der ÖVP!) Auch in Bulgarien sind wir die zweitwichtigsten Investoren.

Deswegen möchte ich auch hier sagen: Rumänien hat einen Prozess gehabt, und schon 2011 wurde von der Kommission festgestellt, dass es die Schengen­kriterien erfüllt. 2022 haben wir festgestellt, dass es die Schengenkrite­rien erfüllt, und es ist schon ein Gebot der Fairness, nicht in der letzten Minute


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die Spielregeln zu ändern, die man Jahre gehabt hat. Da würde ich appel­lieren, sich an die Spielregeln zu halten und Rumänien und Bulgarien so rasch als möglich eine Perspektive zu geben, weil das auch in österreichischem Interesse ist.

Europa ist wie gesagt für mich ein Friedensprojekt, und ich finde, es ist wichtig, dass wir an diesem Projekt gemeinsam, demokratisch und rechtsstaatlich und unter Einhaltung aller Menschenrechte arbeiten. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.56


Präsidentin Korinna Schumann: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundes­ministerin Edtstadler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


9.56.15

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Abgeordnete zum Europäischen Parlament! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Hohes Haus! Schön, dass Sie sich heute anlässlich dieser letzten Sitzung im Jahr 2022 mit Europa beschäftigen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die Einladung zu dieser historischen Sitzung bedanken, nämlich der letzten in diesem Ausweichquartier.

Erlauben Sie mir zu Beginn auch eine Anmerkung. Bundesrat Steiner ist jetzt nicht anwesend, aber ich habe sehr wohl verstanden, was die Frau Bun­desratspräsidentin mir nahegelegt hat, dass sie mich gebeten hat, mich an die Redezeiten zu halten. Ich werde das tunlichst einhalten, auch ich möchte, dass alle zu Wort kommen. Ich möchte aber schon auch darauf verweisen, dass es sehr vieles gibt, worüber man sprechen muss, wenn wir heute über Euro­pa sprechen. Vielleicht werde ich mich ja dann am Schluss nicht zu Wort melden, je nachdem, wie die Diskussion verläuft.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass sich ein turbulentes Jahr dem Ende zuneigt. Es ist schon ange­sprochen worden: Wir haben die Pandemie noch immer nicht ganz überwunden, seit dem 24. Februar tobt ein schrecklicher Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, und wir in Österreich, in Europa, ich möchte sagen, in weiten Teilen der Welt haben mit den Folgen zu kämpfen. Denken Sie an Inflation, an Teue­rung, an die Notwendigkeit der Diversifizierung von Energiequellen, der Sicher­stellung von Energie in diesem Land und in Europa, auch in dem Bewusst­sein, dass die Ukraine eine der größten Kornkammern nicht nur Europas ist, son­dern das auch eine große Auswirkung auf viele Länder Nordafrikas hat und somit auch die Nahrungsmittelsicherheit at stake ist, wenn ich das auf Englisch ausdrücken darf!

Die Wandlungen im Bereich Digitalisierung, aber auch im Zugang, was den Schutz unseres Klimas betrifft, sind von eklatanter Bedeutung. Und ja, auch das ist schon angesprochen worden: Es ist ein großes Budget von 750 Milliarden Euro post Covid diesen Themen gewidmet, und ich möchte auch festhalten, dass es der Initiative Österreichs geschuldet ist, dass wahre Milestones erreicht werden müssen, von allen Staaten der Europäischen Union, wenn sie diese Gel­der abholen. (Beifall bei der ÖVP.)

Und ja, da ist dann auch noch ein Thema, das uns alle beschäftigt, und dieses Thema heißt Migration. Österreich hat es geschafft, insbesondere in der letzten Woche, das Thema ganz oben auf die Agenda der Europäischen Union zu bekommen. Warum? – Weil wir enorm betroffen sind. Ich weiß, dass einige von Ihnen das wahrscheinlich noch ansprechen werden. Es wird immer gesagt: Na ja, das hat damit zu tun, dass wir hier in Österreich von irgendetwas ablenken oder abzulenken versuchen wollen, auch als ÖVP. – Ich möchte Ihnen sagen, dass das nicht der Fall ist, denn ich brauche weder eine Landtagswahl in Nieder­österreich noch irgendwelche Umfragewerte, um zu erkennen, dass bei ei-


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ner Anzahl von 100 000 Asylwerberinnen und Asylwerbern in Österreich, von de­nen 75 Prozent zum ersten Mal hier registriert werden, dieses Thema jetzt auf der Agenda der Europäischen Union stehen muss. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine Frage der Sicherheit, nicht nur für Österreich, sondern für alle Unionsbürgerinnen und -bürger. Wir müs­sen uns eingestehen, dass es kein europäisches Asylsystem gibt, das funktioniert. Wir haben es seit 2015 nicht geschafft, eines zu etablieren. Dublin III ist totes Recht, es wird von vielen nicht angewandt, und jetzt haben wir die Situa­tion, dass wir auch einen Schengenraum haben, den wir – zu einem Zeit­punkt, zu dem die Sicherheit der Europäerinnen und Europäer nicht gewährleis­tet ist – nicht erweitern können.

Ich habe eine Vision, und diese Vision heißt: ein Europa ohne Grenzen nach in­nen. Die Bedingung dafür ist aber, dass der Außengrenzschutz funktioniert, denn: Was ist denn die Aufgabe eines souveränen Staates? – Die Aufga­be ist, die Hoheitsmacht über sein Hoheitsgebiet zu haben, zu wissen, wer ein und aus geht. Die Europäische Union ist eine Gemeinschaft von souverä­nen Staaten, und daher ist jede Außengrenze der Europäischen Union auch unsere Grenze, und wir müssen uns solidarisch zeigen und denen, die es brauchen, auch Unterstützung geben.

Der freie Waren- und Personenverkehr ist wohl eine der größten Errungen­schaften, die wir in der Europäischen Union haben, und jeder soll diese Errungenschaft auch leben können, aber vorher, bevor wir ein System erweitern, braucht es den Außengrenzschutz.

Ich möchte das in aller Deutlichkeit auch hier sagen: Das Nein zur Erweiterung jetzt um Rumänien und Bulgarien, was Schengen betrifft, ist nicht gegen die­se beiden Staaten gerichtet, sondern gegen ein nicht funktionierendes System. Wir müssen dieses zuerst reparieren, bevor wir es ausweiten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Erlauben Sie mir auch ein paar Sätze zu den Zahlen, die hier auch immer wieder im Gespräch sind. Was wir sicher wissen, ist die Zahl der Aufgriffe in Öster­reich, und was wir auch wissen, ist, dass das System lückenhaft ist, denn anders könnte es nicht erklärbar sein, dass wir auch durch intensive Arbeiten im Innenministerium – durch Handyauswertungen, durch Befragung von Migrantin­nen und Migranten, aber auch von Schleppern, die gefasst werden – wissen, dass es hier natürlich eine hohe Dunkelziffer gibt.

Wenn immer wieder nach konkreten Zahlen gefragt wird, dann muss man natürlich sagen: Was ist einer Dunkelziffer immanent? – Sie liegt im Dunkeln und sie ist schwer bezifferbar. Daher müssen wir uns auf jene Zahlen konzentrie­ren, die wir haben, und die sind Grund genug, das Thema auch auf europäischer Ebene auf die Tagesordnung zu bringen. Und das – das möchte ich noch ein­mal festhalten –ist gelungen: Es wird Anfang Februar bereits einen Sonderrat der Staats- und Regierungschefs geben. Es sind von den fünf Forderungen Ös­terreichs, die schon angesprochen worden sind, bereits zwei in Aktionspläne der Europäischen Kommission aufgenommen worden. Es geht darum, dass wir ein ganzes Bündel an Maßnahmen brauchen, und ja, es geht auch darum, dass eine Maßnahme in diesem Bündel physische Barrieren sein müssen, wobei wir den Ländern an der Außengrenze Unterstützung in finanzieller Hinsicht, aber auch personell bei der Überwachung der dort schon bestehenden Zäune – und das möchte ich auch sagen – gewährleisten müssen, um uns, die Bürger:innen Europas und auch Österreichs, zu schützen und zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum habe ich die Hoffnung, dass es jetzt gelingen kann, auf europäischer Ebene auch tatsächlich Lösungen zu etablieren? – Erstens, weil der Leidensdruck bei vielen entsprechend groß ist, zweitens, weil auch der Wunsch, Schengen zu erweitern, da ist und nach­vollziehbar ist, drittens, weil wir jetzt mit Schweden auch eine Ratspräsident­schaft vor uns haben, einem Land, das leidgeprüft, aber auch sehr erfah­ren ist, was die Thematik der Migration betrifft, und zum Vierten, weil endlich Ehrlichkeit in die Debatte kommt, weil wir uns nicht wegducken können,


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indem wir proeuropäisch betonen und uns überbieten mit Aussagen, wie gut wir darin sind, sondern die Fakten sehen müssen und entsprechend darauf reagieren. Deshalb glaube ich, dass jetzt der Zeitpunkt ein günstiger ist, um da tatsächlich Lösungen auf den Weg zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen den Schleppern die Geschäftsgrundlage entziehen und denen helfen, die tatsächlich ein Recht auf Asyl haben, und nicht denen, die stark genug sind, finanzstark genug sind oder auch in ihrer Heimat alles verkauft haben und sich dann lange genug hier halten können, sodass sie im Endeffekt irgend­wann hier geduldet werden.

Wenn wir hier Gerechtigkeit walten lassen wollen, dann brauchen wir zwei Dinge: Ordnung an der Grenze, damit wir hier auch Humanität gewähr­leisten können und damit auch so etwas wie die Europäische Men­schenrechtskonvention hier eingehalten werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gäbe noch sehr viele andere The­men zu besprechen, die in Europa im Moment ganz weit oben auf der Agenda stehen müssen. Ich möchte aber damit schließen, dass auch aus meiner Sicht Europa das größte Friedensprojekt aller Zeiten ist, und spätestens seit dem 24. Februar ist das kein Dogma mehr, das irgendwo in den Geschichts­büchern vorkommt und mit dem die Jugend ohnehin und auch wir nichts anfangen können, weil wir Gott sei Dank nie Krieg erlebt haben, sondern es ist zur Realität geworden.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle gesegnete Weihnachten wünschen und auch die Möglichkeit, sich im Kreise Ihrer Lieben energetisch aufzuladen. Ich möchte diese Gelegenheit aber auch zum Anlass nehmen, Sie zu bitten, bei aller Notwendigkeit der demokratischen Diskussion, der Auseinandersetzung und manchmal offenbar auch der unvermeidlichen parteipolitischen Unter- und Angriffe darüber nachzudenken, dass nichts von Wert ist ohne Frieden.


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In diesem Sinne: Schöne Weihnachten, und gestalten wir Europa so, dass es eine bessere Zukunft für uns alle und für die nachfolgenden Generationen in sich birgt! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.05


Präsidentin Korinna Schumann: Danke, Frau Bundesministerin.

Als erstes Mitglied des Europäischen Parlaments zu Wort gemeldet ist Christian Sagartz. – Bitte.


10.06.03

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Christian Sagartz, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Als der Nationalrat und der Bundesrat in die Hofburg als Aus­weichquartier eingezogen sind, da waren die Welt und Europa anders, und ich kann Ihnen versichern – wir spüren das alle selber, viele von Ihnen sind ja auch kommunalpolitisch und in Vereinen ehrenamtlich tätig –, die Men­schen sind verunsichert. Die Jahre der Pandemie, ein Krieg, Inflation, Energiepreise, die dahingaloppieren, und eine Migrationskrise, die man beim Wort nennen muss, haben dazu geführt, dass Europa anders geworden ist.

Das spüren wir natürlich auch in der Zustimmung, denn, Hand aufs Herz, die europäischen Institutionen haben nicht jenen Stellenwert, erfahren nicht jene begeisterte Zustimmung, die man vielleicht erhoffen könnte, wenn man sich ansieht, welche Hilfsmaßnahmen, welche Pakete – einige sind heute schon genannt worden – geschnürt wurden, um den Entwicklungen entgegenzuwirken. Wir haben das auch in Österreich getan – ich denke da an die Hilfspakete für die Gemeinden, für die Wirtschaft, für die privaten Haushalte. Trotzdem trifft bei all diesen Maßnahmen eines in gleicher Weise zu: Wenn die Betroffenen, die Bürgerinnen und Bürger nicht das Gefühl haben, die politischen Verant­wortungsträger tun das in ihrem Interesse, dann bleibt die Zustimmung aus und die Verunsicherung wird größer.


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Eines habe ich gemerkt – ich war bis vor Kurzem Mitglied eines Gemeinderates, seit über 20 Jahren, ich war vorher im Burgenländischen Landtag, aber das eine ist immer gleich –: Wenn das Gefühl der Nähe nicht da ist, wenn die Men­schen nicht das Gefühl haben, die Politik, die wir betreiben, egal in welcher Institution, dient ihnen, dann ist das alles sehr weit weg. Und glauben Sie mir, wenn man erst in ein Flugzeug steigen muss, um seinen Europaabgeordne­ten besuchen zu können und mitzuerleben, was er tut, dann ist diese Entfernung natürlich umso größer.

Da kann man jetzt sagen, es ist alles sehr kompliziert und das ist alles sehr weit weg, oder man kann diese Gedanken, diese Ideen in die Gemeinden brin­gen. Ich möchte Ihnen abseits der großen globalen Krisen und Probleme, die Kollege Buchmann, glaube ich, gut auf den Punkt gebracht hat und jetzt die Frau Minister noch verdeutlicht hat, vielleicht ein wenig skizzieren, dass wir als Mandatarinnen und Mandatare auch eine Aufgabe haben, da entgegenzuwirken, nämlich ganz konkret.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir haben diese Institution der Europa-Gemein­deräte. In meinem Heimatbundesland, im Burgenland, ist das sehr ausge­prägt. Viele Gemeinderäte nutzen diese Möglichkeit, dass sie ehrenamtlich einen Gemeinderat für diese Aufgabe benennen, und der arbeitet dann im kleinen, ganz bescheidenen, überschaubaren Bereich – aber umso wichtiger, nämlich in der unmittelbaren Nähe zu denen, die man ja überzeugen möchte – an dem einen oder anderen Projekt.

Wir haben Leader, ein riesiges Erfolgsprojekt, in vielen Bundesländern. Das liegt halt immer daran, wie sehr die lokalen Akteure das ernst nehmen, aber seien wir ganz offen und ehrlich: Das ist eine Möglichkeit, wie man europäische Gelder ganz maßgeschneidert regional im kleinen Rahmen nutzen kann (Bundesrat Spanring: Maßgeschneidert, so wie die Cofag!) und versuchen kann, hier entgegen­zuwirken. (Bundesrat Steiner: Ja, so wie die Cofag: maßgeschneidert!) Regional­förderungen sind ein wesentliches Instrument. Wenn wir sie aber nicht greifbar


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machen, den Menschen erklären, dann haben sie auch keinen Wert, egal ob das Geld aus Brüssel oder aus Wien kommt.

Der dritte Punkt, den ich anmerken möchte, ist: Wir haben halt auch eine Verantwortung, glaube ich, gegenüber Schülerinnen und Schülern. Ich hatte im jetzt ablaufenden Jahr über 300 Gäste, insbesondere viele Schüler aus mei­nem Heimatbundesland, und eines kann ich Ihnen sagen: Es ist schwierig, in ei­ner Dreiviertelstunde, Stunde jungen, teils pubertierenden Menschen zu erklären, welchen Wert diese Institution Europäisches Parlament, Europäische Union haben soll, aber die Tatsache, dass wir nicht mehr an einem Eisernen Vorhang leben, dass wir in der Mitte Europas angekommen sind und dass dieser Krieg in der Ukraine uns wieder vor Augen führt, dass das alles andere als selbstverständlich ist, führt uns allen und auch den Jugendlichen vor Augen, dass es etwas mehr geben muss als neun Millionen Österreicher, als 450 Millionen Europäer. Wir brauchen Partner.

Ich möchte an dieser Stelle ganz offen sagen: Ich begrüße alle Initiativen der Bundesregierung, insbesondere der Europaministerin unseres Bundes­kanzlers, diese Partnerschaft mit unseren Nachbarländern zu stärken. Als Bur­genländer – in unmittelbarer Nähe zur Slowakei, zu Ungarn und zu Slowe­nien – sind mir diese Partnerschaft und die gemeinsamen Projekte, die hier mög­lich sind, natürlich besonders wichtig, nicht nur in Sicherheitsfragen.

Ganz besonders wichtig ist der Westbalkan, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Möglichkeit haben, die Frau Präsidentin hat das heu­te so nett formuliert, „über den Tellerrand zu schauen“, dann sehen Sie: Deutschland ist ums Eck, aber auch Podgorica oder Prishtina und Zagreb sind nicht so weit weg, wie wir glauben, und die Menschen dort erwarten sich von Europa eine Zukunftsperspektive. Wir als Österreicher haben da eine riesige Chance, nicht nur wirtschaftlich, da sind wir bereits vertreten. Schauen Sie sich die Städte an, wer dort Werbung macht, wer im Bankensektor, bei der Tele­kommunikation, im Bauwesen und in vielen Bereichen dort federführend ist! Da hat Österreich hervorragend gearbeitet.


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Eines möchte ich abschließend noch sagen: Im Bereich der Schüler ist eine Gruppe, die vor allem auch Vizepräsidenten Bernhard Hirczy ein wichtiges Anlie­gen ist, noch nicht erwähnt worden. Wir haben es geschafft, dass viele Schü­lerinnen und Schüler, Studierende in Europa diese Möglichkeit, ins Aus­land zu gehen, nutzen. Schaffen wir das doch auch bei Lehrlingen! Unsere duale Ausbildung ist es uns wert, da noch mehr zu investieren. Versuchen wir es, auch Lehrlingen dieses Über-den-Tellerrand-Schauen zu ermöglichen! Das wäre für mich eine ganz wichtige Initiative. Da möchte ich gemeinsam mit Ihnen noch etwas erreichen. Ich glaube, das wäre es wert, da unterstützend einzugrei­fen, um Lehrlinge hinaus in andere europäische Länder zu bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen nur eines sagen: Europa lebt von der Personifizierung des Zusammenhalts, dass Menschen zueinan­derstehen, Menschen zueinanderfinden und gemeinsame Projekte haben. Es gibt Fraktionen, nicht nur im Europäischen Parlament, sondern auch hier in die­sem Haus, die immer das Trennende voranstellen – es mag sein, dass das in der tagtäglichen Auseinandersetzung zwischen Opposition und Regierungspar­teien tagtägliches Geschäft ist; ich selbst komme aus einem Bundesland, wo ich in der Opposition bin –, aber eines möchte ich Ihnen sagen: Europa ist stark geworden, weil man sich am Ende darauf besonnen hat, dass es gemein­same Werte und Projekte gibt, für die es zu kämpfen gilt. Das sollte man nicht aus den Augen verlieren, das ist unser gemeinsamer Auftrag. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.12


Präsidentin Korinna Schumann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Europäischen Parlaments Andreas Schieder. – Bitte.


10.13.00

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Liebe Kol­leginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament! Weil heute hier das


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Ausweichquartier angesprochen wurde: Es freut mich, hier bei der letzten offi­ziellen Sitzung des österreichischen Parlaments im Ausweichquartier zu sein. Ich kann mich noch sehr gut an den Umzug hierher erinnern, damals als Nationalratsabgeordneter und Klubobmann, und man hat sich eigentlich schwer vorstellen können, wie das alles hier in diesem Saal funktionieren wird. Es ist aber gut, dass das österreichische Parlament wieder hergerichtet ist und man wieder rückübersiedeln kann, denn letztlich ist die Hofburg ja auch ein imperiales Gebäude und das Imperiale ist ja nicht die Sache des Parlaments und der Bürgerkammer, sondern das ist das eigene parlamentarische Haus.

Nun aber zum Thema Zeitenwende: Olaf Scholz hat diesen Begriff in seiner markanten Rede geprägt. Es geht letztlich gerade in diesen schwierigen Zeiten darum, wie wir unsere Freiheit, unsere Demokratie und unseren Wohlstand, unseren sozialen Wohlstand schützen, ausbauen und gestalten können. Der Überfall Putins auf die Ukraine im Februar dieses Jahres hat die gesamte Situation geändert, weil nämlich die oft beklagte Fadheit der Diplomatie, wo man das Gefühl hat, in endlosen Konferenzen geht eigentlich nur sehr wenig wei­ter, von der Hitze eines heißen Krieges abgelöst wurde, der uns vor Augen führt, wie brutal Kriege sein können. Diese Mär von maßgeschneiderten militäri­schen Angriffen, die sofort alle Fragen regeln, hat sich nicht bewahrheitet. Es stellt sich heraus, dass dort Menschenrechtsverbrechen, Massenvergewaltigungen, Kindesentführungen, Verwüstung, Attacken auf zivile Einrichtungen, von Spitä­lern bis hin zu Wohnhäusern, auf der Tagesordnung stehen. Auch der Ein­satz von Giftgas wird nicht ausgeschlossen und die atomare Gefahr schwebt über uns allen.

Das alles ist nicht nur eine Sache, die mit dem 24. Februar begonnen hat, son­dern wenn wir ehrlich sind, haben wir auch schon davor an Russlands Desinformationsangriffen gemerkt, dass der Hauptfeind von Putins Russland jetzt, in der Situation, zwar die Ukraine und die Bevölkerung dort sind, aber in Wahrheit das westliche Lebensmodell, die Demokratie und die Freiheit


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der Menschen an sich darstellen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rät:innen Himmer, Huber und Schreuder.)

Man muss auch präzise immer wieder betonen, dass es Putin ist, der diesen Krieg führt. Es sind nicht die Russinnen und Russen, denn Tausende, Zigtausende Russinnen und Russen sind sofort auf die Straße gegangen, haben gegen diesen Krieg demonstriert. Das Traurige in diesem Zusammenhang ist, dass diese ebenfalls einen sehr hohen Preis zahlen, weil ja fast jeder, der op­positionelle Gedanken hat, der demokratische, freiheitliche Gedanken hat, dort ebenfalls von Putins Schergen eingesperrt wird.

Neben dem Krieg auf europäischem Boden darf man nicht vergessen, dass wir auch andere Krisen zu bewerkstelligen haben. Die Klimaherausforderung ist ebenfalls epochal. Diese bedeutet für die jüngere Generation, dass sie sich natürlich fragt, wie die Lebensumstände auf unserem Planeten in zehn, 20, 30, 40, 50 Jahren denn sein werden. Welche Maßnahmen müssen wir jetzt set­zen – auch wenn sie vielleicht Veränderung und vielleicht sogar schmerzhafte Veränderung bedeuten –, damit das Leben auf unserem Planeten auch in Zukunft noch lebenswert sein wird? Gerade hier spielt die Europäische Union mit dem Green Deal und all den Maßnahmen, die gerade in Ausarbeitung und Beschlussfassung sind, eine entscheidende Rolle.

Ebenfalls spielt dort die Energiefrage mit hinein. Die Energiepreise sind einer­seits durch den Krieg angestachelt, andererseits aber auch durch den Kli­mawandel. Daher müssen wir uns fragen, ob diese Liberalisierung des Marktes, des Energiemarktes überhaupt die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft gibt, denn die Marktlogik: mehr Wettbewerb heißt niedrigere Preise und bessere Qualität, stellt sich jetzt am Energiemarkt als genau das Gegenteil heraus: schlechtere Qualität, keine Versorgungssicherheit und extrem hohe Preise, und das ist nicht das Modell, das wir wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, wenn die Liberalisierung und diese Marktlogik nicht funktionieren, dann muss der Staat oder die Gemeinschaft, am besten die europäische


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Gemeinschaft, eingreifen – das Meritordersystem hinterfragen und neu auf­setzen, die Entkoppelung des Strom- und Gaspreises vorantreiben und natürlich noch viel mehr in erneuerbare Energie investieren.

Ein anderes Thema ist diese Übermacht der Konzerne, der digitalen Konzerne. Übrigens: Elon Musk, wie ich gesehen habe, Best Friend von Sebastian Kurz beim Finale der Fußballweltmeisterschaft in Katar. Das hat mich sehr gewundert, nein, eigentlich hat es mich nicht gewundert, ich habe mich nur geärgert, denn das sind wieder Leute, die gut zusammenpassen, aber beide sind solche, mit denen man sich nicht abgeben sollte. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin
Eder-Gitschthaler: Ja, ja! – Zwischenruf des MEPs Mayer.
– Ah, Kollege Mayer, der Verteidiger von Elon Musk und von Sebastian Kurz, interessant! Willkom­men hier im Hohen Haus! (Neuerlicher Zwischenruf des MEPs Mayer.)

Mir geht es aber darum, dass diese Übermacht der Konzerne durch neue Regeln auch eingeschränkt wird (Ruf bei der ÖVP: Bis jetzt warst eigentlich gut unter­wegs, aber jetzt ... SPÖ-Apparatschik ...! – Bundesrat Himmer: ... selbst der Gusen­bauer!), und dazu notwendig sind der Digital-Services-Act und der Digital-Markets-Act und weitere Regelungen.

Es geht aber auch um den sozialen Zusammenhalt in Europa. Das ist vielleicht ein Thema, das bei eurer Reichshälfte, wie ihr immer sagt, ein bisschen unterbewertet ist (Zwischenruf des Bundesrates Himmer), der soziale Zusammen­halt, die soziale Sicherheit in Europa sind nämlich entscheidend. Dazu ge­hört auch die globale Mindeststeuer, das Lieferkettengesetz, der europäische Mindestlohn und auch die Richtlinie für mehr Frauen in Vorständen und jene für Lohntransparenz. (Beifall bei der SPÖ sowie des MEPs Vana.) Das sind alles Dinge, die am Schluss auch in Österreich die Gesellschaft ein Stück weit voran­bringen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, vielleicht zum Abschluss: Das Europäische Parlament ist die einzige Kammer im europäischen Entscheidungsgefü­ge, die demokratisch, direktdemokratisch von den Wählerinnen und Wählern


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legitimiert wird. Wir, die Abgeordneten zum Europäischen Parlament, stel­len uns diesen Wahlen und haben auch die Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger zu vertreten. Daher ist es besonders ärgerlich und schädlich, dass sich gera­de jetzt bei dieser Korruptionsaffäre, wie man so schön sagt, diesem schändlichen Korruptionsfall, einzelne Abgeordnete und ihre Mitarbeiter über eine NGO von Katar und höchstwahrscheinlich auch von Marokko beste­chen haben lassen, um dort Politik zu machen, weil sich das Europäische Parla­ment, wie ich vorhin aufgezählt habe, gemeinsam – es gibt ja dort weder Opposition noch Regierungsfraktionen, sondern jeder Abgeordnete, jede Abge­ordnete arbeitet für die Zukunftsfragen –für so viele wichtige Fragen einsetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren, Europa ist wohl, wenn man sich die Welt so anschaut, der beste Platz, wo man hingeboren werden will, wenn man es sich aussuchen könnte, und es ist der beste Platz, wo man auf dieser Welt leben kann. Ist es aber der beste Platz, den ich mir vorstellen kann, den wir uns vorstellen können? – Nein, Europa könnte noch ein viel, viel besserer Platz sein, und daran gilt es gemeinsam auch in Zukunft zu arbeiten. – Alles Gute für Ihre weitere Arbeit! (Beifall bei der SPÖ, des Bundesrates Arlamovsky sowie des MEPs Vana.)

10.21


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Europäi­schen Parlaments Georg Mayer. – Bitte.


10.21.24

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätztes Hohes Haus! Ich freue mich immer, wenn ich hier sein darf. Ich glaube, es das erste Mal, dass ich im Bundesrat bin. Wir hatten eine Enquete vor zwei oder drei Monaten, aber jetzt ist es unheimlich wichtig, auch in der Länderkammer zu sein.

Sie wissen ja vielleicht, es gibt auch in der Steiermark ein Rederecht für Europa­abgeordnete, es gibt in Salzburg ein Rederecht. (Bundesrat Schennach: Und


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Wien! Wien nicht vergessen!) Das ist auch deswegen wichtig, damit wir die The­men transportieren, damit Sie auch einmal hautnah und zeitnah mitbe­kommen, was denn so alles passiert.

Wir haben heute schon viele Themen gehört, es ist eine mannigfaltige Themen­lage. Es ist der Gaspreisdeckel, der am Montag beschlossen wurde, ein völ­lig untaugliches Mittel, um in den Markt einzugreifen. Über die Asylthematik hat die Frau Ministerin schon sehr lange gesprochen. 120 000 werden es heuer am Ende des Jahres sein. Das ist eine Steigerung von 200 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. Es dürfte in Österreich eigentlich ja keiner dieser Men­schen um Asyl ansuchen, denn es gilt eigentlich die Dublin-III-Verordnung, die aber nicht angewendet wird. Wie so oft auf Ebene der Europäischen Uni­on gibt es zwar ein Recht, es wird aber nicht angewendet. Für mich als Juristen ist das natürlich etwas, was mich zutiefst betroffen macht – abgesehen von diesen menschlichen Debakeln, die dahinterstehen.

Damit kommen wir auch schon zum Angriffskrieg von Putin in der Ukraine. Auch diese menschliche Ebene ist zu betrachten, und das werden wir auch immer tun. Auf der anderen Seite sage ich ganz deutlich: Das ist nicht unser Krieg, geschätzte Kollegen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Steiner.)

Dann haben wir noch den Green Deal. Das ist natürlich immer so ein Steckenpferd der Grünen und der Schwarzen, denn die EVP lässt sich ja im Europaparlament von der linken Mehrheit am Nasenring durch das Ple­num ziehen. Dieser Green Deal ist eher ein greenes Debakel, sage ich immer, das ist ein greenes Desaster, er ist de facto gescheitert. Das Verbot der Verbrennungsmotoren bis 2035! Es sind hocheffektive Motoren, du weißt es. AVL in Graz entwickelt Verbrennungsmotoren, die kaum mehr umwelt­schädlich sind – aber nein, es gibt auch keine Alternative. Was vonseiten der Kommission gefördert wird, ist die E-Mobilität, ein völlig irrsinniger Anlauf zum Harakiri für unsere gesamte Wirtschaft in Europa. In der Steiermark haben


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wir Zulieferbetriebe, die 70 000 Menschen Arbeitsplätze geben, aber nein, wir laufen in diese Falle der E-Mobilität hinein. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Energiepreise galoppieren in die Höhe. Es sind grüne Regierungen, hier bei uns, aber auch in Deutschland, die Atomkraftwerke wieder anschalten. Grü­ne Regierungsmitglieder schalten Atomkraftwerke an, grüne Regierungs­mitglieder hier in Ihrer Bundesregierung schalten Kohlekraftwerke wieder an. Das ist also die Politik, die Sie uns seit Jahren vorbeten und die moralisch so gut von Ihnen bewertet wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sind viele der Faktoren, die wir nur wenig beeinflussen können, und ich bin ungern der Apologet der Apokalypse (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), aber das sind Dinge, die, wie ich denke, noch in Richtungen gehen können, die wir uns alle nicht wünschen werden und können.

Und jetzt kommen wir – es ist bemerkenswert, finde ich – zu diesem Katar­skandal im Europäischen Parlament. Kollege Schieder musste es zumindest kurz ansprechen. Das ist kein Katarskandal, das ist ein Skandal der internationa­len Sozialisten im Europaparlament, geschätzte Kollegen! (Beifall bei der FPÖ.) Und das betrifft nicht nur eine Abgeordnete mit Mitarbeitern, geschätzter Kollege Schieder, das betrifft zahlreiche Abgeordnete, ehemalige Abgeord­nete und Mitarbeiter in dieser S&D-Fraktion, die hier Geld genommen haben und korrupt sind. Das muss man auch so deutlich sagen. Ich denke, das sollten Sie auch so deutlich sagen, Kollege Schieder. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.)

Da gibt es natürlich jetzt diesen Spin, dass man sagt, das ist ein Angriff auf die Europäische Union. Ganz im Gegenteil: Ihre Fraktion greift die Europäi­sche Union an, und zwar auf die schäbigste Art und Weise, indem mit Geldsä­cken hantiert wird – von wem auch immer. Ist es Katar? – Wir wissen es nicht. Ist es Marokko? Das ist der Hintergrund dieses Skandals. (Bun­desrat Schachner: Denkt einmal an Ibiza! – Bundesrätin Grimling: Ja, denkt einmal an Ibiza! Ihr braucht nicht so herumreden da!) Ihre Fraktion ist höchst korrupt,


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und nach österreichischem Strafrecht gehört diese Fraktion aufgelöst, weil es eine verbrecherische Organisation ist. So weit würde ich sogar gehen. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.  Bundesrätin Grimling: Ihr seid die Saubermänner! Ibiza! Ich brauche nur Ibiza nehmen! Aber die Saubermänner stehen da, Herr Mayer! Ja, Herr Mayer, die Saubermänner sind da! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

So weit würde ich gehen und ich würde nicht wieder mit dem Finger zeigen, denn die Sozialisten bei uns im Haus sind die Ersten, die mit dem Finger auf uns gezeigt haben und die gesagt haben, oh, die nehmen ja Geld von Putin, die nehmen ja Geld von Russland! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was ist denn jetzt? Was sehen wir? – Die sozialistische Fraktion nimmt so ziemlich von jedem Geld, der es ihr anbietet, und ich wage zu behaupten (Bundesrätin Grimling: Ja, ja, die Saubermänner sind da!), dass das nicht die einzige Fraktion ist, die von diesem S&D-Geld betroffen sein wird. Das wird noch weitere Kreise ziehen. (Bundesrätin Grimling: So eine Frechheit! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Vielleicht wissen das viele von Ihnen nicht: Es ist genau die Fraktion, die, wenn wir einen Bericht zur Abstimmung in einem Ausschuss haben, das Aus­schusslokal verlässt, weil wir so böse Rechte und so menschenfeindlich sind. (Bundesrat Novak: Seid ihr aber!) Das ist diese Fraktion, die immer mit dem moralischen Zeigefinger dasteht, wenn es um uns geht. (Bundesrat Novak: Ja, seid ihr ja!)

Jetzt kommt dann noch die oberste Chuzpe dieser ganzen Geschichte (Bun­desrätin Grimling: Chuzpe, ja!): Da geht es um einen ehemaligen italieni­schen S&D-Abgeordneten, der das alles über eine Menschenrechtsorganisation eingeschleust hat. Das ist natürlich überhaupt das Beste an dieser gesam­ten Geschichte. Menschenrechte sind euch wichtig, ich denke, die Taschenrechner sind euch wichtiger. Darum geht es euch. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kommen wir zu Ungarn: Was höre ich seit fast zehn Jahren zu Ungarn? Wie böse diese Ungarn sind, weil dort eine Regierung sitzt, die natürlich


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dem politischen Mainstream nicht passt. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Was höre ich da? – Die sind korrupt, und die Förderungen werden eingestellt.

Und was erleben wir jetzt? Geschätzte Kollegen, das ist ja jetzt nicht irgend­etwas, das ist ja eine Geschichte, die verfilmt werden wird. Da bin ich mir sicher. Es passen alle Dinge zusammen: eine attraktive Abgeordnete, die sozialisti­sche Fraktion, die sich die Menschenrechte auf die Fahnen schreibt (Bundesrat Novak: ... selber ein Sumpf ...!), am Ende aber mit der Tasche voller Geld nach Hause geht. Das wird verfilmt werden.

Die Ungarn werden ständig bei uns angegriffen, und jetzt sieht man, wo die Korruption tatsächlich sitzt. (Bundesrat Novak: Ja, ja! – Heiterkeit der Bundesrätin Grimling.) Sie sitzt in den Reihen der S&D-Fraktion, die Jahr und Tag den Leu­ten erzählt, wie gut sie nicht sind (Bundesrat Schennach: Scherzkeks!) und wie sehr ihnen die Menschenrechte nicht am Herzen liegen. (Bundesrätin Hahn: Ich sage nur Chatprotokolle!) Hauptsächlich geht es euch um eure eigenen Rechte, das haben wir alles jetzt mittlerweile gesehen. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrätin Hahn: Ibiza haben wir vergessen, ja?!)

Geschätzte Kollegen, weil es so wichtig ist, muss es einfach noch einmal gesagt werden: Das ist der größte Skandal in der Geschichte der Europäischen Uni­on. Das muss uns klar sein. (Bundesrat Novak: Der größte Skandal ist der Ibizaskandal! – Bundesrätin Hahn: Ibiza! Gedächtnisverlust? – Bundesrat Novak: ... Ge­dächtnisverlust!) Es ist euch ja so wichtig, dass die Europäische Union ein Friedensprojekt ist. Das ist euch unheimlich wichtig, aber damit habt ihr vor al­lem bei den Menschen im Land und in Europa einen Schaden angerichtet, der de facto nicht wiedergutzumachen ist. So sieht die Sache aus. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Und tschüss! – Bundesrätin Hahn: Wer im Glas­haus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)


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10.28


Präsidentin Korinna Schumann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Europäischen Parlaments Monika Vana. – Bitte.


10.28.43

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesratspräsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Europa­parlament! Es ist als Grüne immer eine Herausforderung, nach der FPÖ zu reden. (Bundesrätin Grimling: Das glaube ich!) Wir kennen das auch aus dem Europaparlament. Dort haben wir allerdings nur 1 bis 2 Minuten Rede­zeit. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich bin also sehr dankbar, heute hier zu sein. Die 8 Minuten sind für mich Luxus. (Bundesrat Steiner: Ein total guter Konter! Sen­sationell gut!)

Ich muss sagen, es ist auch deshalb eine Herausforderung, weil es in allen Debatten, aber insbesondere in der Europadebatte, der FPÖ ja nie um Lösungen geht. Ich habe heute hier keinen einzigen Lösungsvorschlag von der FPÖ ge­hört, sondern einfach immer nur antieuropäische Stimmungsmache. Die FPÖ hat irgendwie noch nie daran gedacht – zumindest habe ich es noch nie erlebt –, was ein gemeinsames Europa auch von uns an Solidarität fordert, son­dern will immer nur politisches Kleingeld auf Kosten des Zusammenhalts in Österreich und Europa wechseln. Das ist nicht gut, das ist auch für das Parlament nicht gut. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. Bundesrat Steiner: Das sieht der Bürger weit anders!)

Ich möchte mich für die Einladung in den Bundesrat sehr herzlich bedanken, noch dazu zu einer solch denkwürdigen Sitzung, nämlich der letzten Sitzung hier in diesem Haus; und auch alles Gute für Sie, Frau Bundesratspräsidentin. Vie­len Dank auch für die Hervorhebung der öffentlichen Dienstleistungen und deren Bedeutung. Ich war ja auch einmal Kommunalpolitikerin in Wien, und das ist auch ein Thema, das uns verbindet. Ich denke, gerade diese Europa­stunden helfen dabei, wie meine Vorredner und Vorrednerinnen auch gesagt ha­ben, Europapolitik zwischen den verschiedenen Ebenen zu verbinden – wir haben ja auch das Rederecht im Nationalrat und in Landtagen –, also EU-Ebene,


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national, regional und die Städte, denn es geht ja um die Auswirkungen un­serer Entscheidungen auf die Bürger und Bürgerinnen, die wir alle gemeinsam vertreten. Deshalb ist dies ein unerlässlicher Austausch, insbesondere in Zeiten von Krisen. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Das Thema der heutigen Europastunde „Die EU in herausfordernden Zeiten“ geht uns alle etwas an, nicht nur die EU-Ebene, im Gegenteil, die Krisen – sie wurden schon genannt: Covid, Krieg, Klima- und Sozialkrise, Energie und Teuerung – fordern uns gemeinsam, und wir müssen gemeinsam darauf schauen, dass sie sich nicht zu einer Demokratiekrise auswachsen. Gemeinsamkeit ist auch das Fundament, auf dem die EU gegründet wurde – Gemeinsamkeit und Solidarität. (Bundesrat Steiner: Es ist aber keine Einbahnstraße!) Deshalb kann ich als grüne Abgeordnete immer wieder nur betonen: Rein nationale Ant­worten bringen uns nicht weiter, nationale Alleingänge lösen keine Probleme. Was wir brauchen, sind europäische Lösungen, damit die EU gerade jetzt ihrem Anspruch der politischen Union und auch ihrem Anspruch des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nachkommen kann.

Die EU wurde als Friedensprojekt gegründet und hat gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern ein Wohlstandsversprechen abgegeben. Ich möchte diesbezüglich gleich zur aktuellen Diskussion über die Schengenerweite­rung Stellung nehmen: Heute vor genau 15 Jahren, am 21. Dezember 2007, sind neun Mitgliedstaaten der Union Mitglieder des Schengenraums geworden. Ich denke, das ist ein denkwürdiger Tag, und ich bedauere, dass der Dezember 2022 in dieser Hinsicht leider nicht als positives Beispiel in die EU-Geschichte ein­gehen wird.

Ich möchte ganz persönlich sagen, dass ich die gute Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner in vielen Fragen, auch in europapolitischen Fragen, sehr schätze (Bundesrat Steiner – erheitert –: Das ist brutal gut!), aber dieser Schritt ist bedauerlich und wir Grüne tragen ihn nicht mit; er ist nicht richtig. Schengen


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ist eine große Errungenschaft (Bundesrat Spanring: Schengen Sie sich!) und ist zen­tral für die Reisefreiheit der Bürgerinnen und Bürger und damit auch ein Aus­druck des Friedensprojekts, des Friedens und der Freiheit in Europa.

Rumänien und Bulgarien erfüllen seit Jahren alle Auflagen, und ich denke, Vetopolitik ist generell problematisch in Europa, denn am Beispiel von Viktor Orbán, der die EU regelmäßig erpresst, sieht man, was Blockadepolitik anrichtet. Das Beispiel Schengen, aber auch das Beispiel Ungarn, das heute schon ge­nannt wurde, zeigen eines, nämlich dass die Einstimmigkeit im EU-Rat endlich fallen muss. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Wir brauchen gerade jetzt, auch angesichts der Krisen, Zusammenhalt in Europa, eine starke, solidarische EU und eine handlungsfähige EU. (Bundesrat Schennach: Hat er gesagt!)

Gleichzeitig möchte ich zum Thema Mauern an der EU-Außengrenze etwas festhalten und die frühere Gouverneurin von Arizona, eines Grenzstaa­tes zu Mexiko, wo es ja auch um Mauern ging, zitieren. Sie sagte: Zeige mir einen 50 Fuß hohen Grenzzaun und ich zeige dir eine 51 Fuß hohe Leiter, um die­sen zu überwinden. – Zitatende.

Ich denke, das stimmt – ganz simpel. Mauern lösen keine Probleme. Das Fallen von Mauern ist die Erfolgsgeschichte der Europäischen Union (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky), so wie die Grund- und Menschenrechte, die es kompromisslos zu verteidigen gilt. Ich denke, ja, die Europäische Union ist ein Schutzschild und soll ein Schutz­schild sein (MEP Mayer: Das ist wichtig, unheimlich wichtig!), und zwar ein Schutzschild für Freiheit, für Gleichstellung, für Sicherheit und Recht. Die EU muss Freedomzone bleiben. Wir als Europaparlament haben die EU im Zusammenhang mit LGBTIQ-Rechten zur Freedomzone ausgerufen, aber natürlich auch im Zusammenhang mit allen Grund- und Menschenrechten, und so müssen und sollen wir es auch an der EU-Außengrenze halten.


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Ordnung und Humanität, beides ist möglich und muss möglich sein. Deshalb sind die Grünen – das ist jetzt nicht neu – für ein solidarisches gemeinsames
EU-Asyl- und Migrationssystem mit fairen Aufnahmequoten für Flüchtlinge, für Grundversorgung, für Zugang zum Arbeitsmarkt, selbstverständlich für Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention mit legalen Fluchtwe­gen nach Europa – keine Festung Europa, das ist nicht unsere Vision.

Wir leben in herausfordernden Zeiten, so ist der Titel dieser Europastunde, und deshalb nehme ich natürlich auch Stellung – ich sage das ganz bewusst – zum Skandal in unserem Europaparlament. Glauben Sie mir, als Europaabgeord­nete hat mich der jüngste Korruptionsskandal natürlich zutiefst erschüttert, wie uns alle, und er erfordert lückenlose Aufklärung, harte Sanktionen und starke Präventivmaßnahmen. Korruption bedeutet nicht nur einen Schaden für die betreffende Institution, nein, sie bedeutet einen schweren Vertrau­ensverlust bei den Bürgerinnen und Bürgern und zerstört die Demokratie an sich. Ich verhehle nicht, es ist umso bitterer, als das Europaparlament das Thema Rechtsstaatlichkeit zum Beispiel gegen Ungarn und Polen auf seine Fahnen heftet und beim Rechtsstaatsmechanismus hart bleibt und EU-Förderungen zu­rückhält. Das ist ein großer Schritt, den wir nicht hoch genug einschätzen können.

Der Korruptionsskandal wiegt aber auch umso schwerer und bitterer, als die EU in den letzten Jahren ermutigende und positive Beispiele wirklichen europäischen Krisenmanagements und über die Grenzen der EU hinauswach­sende Solidarität gezeigt hat: bei den Sanktionen gegen Russland, bei der Unterstützung für die Ukrainer:innen mit Hilfspaketen – ich selbst bin im Regio­nalausschuss tätig und war beim Schnüren dieser Fast-Care-Pakete und an­derer auch dabei –, während Covid mit der gemeinsamen Impfstoffbeschaffung (Bundesrat Ofner: Das ist ganz super gewesen, da haben wir heute noch Millio­nen Impfdosen!), mit dem Wiederaufbaufonds, der Milliarden schwer ist, mit dem Green Deal, einem Man-on-the-Moon-Moment, wie ihn die Kommissions-


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präsidentin genannt hat, mit dem Klima- und Sozialfonds, der erst jüngst geschaf­fen wurde, aber auch mit dem EU-Mindestlohn und mit mehreren Gleich­stellungsrichtlinien – das ist heute schon erwähnt worden.

All das sind Meilensteine, und ich denke, gerade auch der Blick über den Ärmelkanal in das von den Brexitverwerfungen gebeutelte Großbritannien zeigt uns ganz deutlich, dass das gemeinsame Europa die Lösung und nicht das Problem darstellt.

Es braucht aber – das sage ich auch abschließend, aber das haben wir Grüne seit dem EU-Beitritt immer gesagt – nicht nur mehr EU, sondern natürlich auch eine andere EU. Wie diese andere EU gehen kann, haben uns die Bürgerinnen und Bürger mit der Konferenz zur Zukunft Europas, die heuer am 9. Mai zu Ende gegangen ist, mit sehr beeindruckenden Ergebnissen gezeigt – ich war selber Mitglied des Plenums –: mehr direkte Demokratie, Aufwertung der lokalen Ebene, Aufwertung des Europäischen Parlaments mit einem Initiativrecht und eine echte europäische Sozialunion.

Ich denke, das ist ein Gebot der Stunde: europaweite soziale Mindeststandards. Fast ein Viertel der europäischen Bevölkerung lebt an der Armutsgrenze – das ist viel, das ist eine starke Zahl: Ein Viertel ist armutsgefährdet! Der EU-Min­destlohn war der erste Schritt, aber nun braucht es mehr, nämlich das europaweite Mindesteinkommen. Das war übrigens die stärkste Forderung der Bürgerinnen und Bürger in der Konferenz zur Zukunft Europas. Es ist nun unsere gemeinsame Aufgabe, die Ergebnisse dieser Zukunftskonferenz auf allen Ebenen umzusetzen, nicht nur auf der europäischen mit Vertragsänderun­gen und einem Konvent, sondern auch auf der nationalen, aber auch auf der lo­kalen und regionalen Ebene. Es gibt da etliche gute Forderungen, zum Bei­spiel die EU-Gemeinderät:inneninitiative, die wir von Österreich quasi auf die EU-Ebene exportiert haben. Das ist eine gute Initiative. Und damit möch­te ich schließen: mehr Politik, weniger Populismus! Die EU in herausfordernden


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Zeiten geht uns alle an, arbeiten wir gemeinsam an einem besseren und stärkeren Europa! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.38


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Abgeordnete.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit der weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Europastunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


10.38.26

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause, die Sie sich für diese heutige Europastunde interessieren: Europa in herausfordernden Zeiten! – Europa wurde von Politikern mit Weit­blick und entsprechendem Verständnis für Frieden gegründet. Erinnern Sie sich zurück: Vor 1945 lagen sich Deutsche und Franzosen noch am Schlachtfeld gegenüber, einige Monate später begannen sie Verhandlungen zu führen.

Wir sind nun gemeinsam auf dem Spielfeld Europa, und dieses Spielfeld Europa fordert uns tagtäglich. Es hat uns vor 70 Jahren gefordert und es wird uns in Zukunft fordern. Daher ist es wichtig, zuerst in die Vergangenheit zu schauen, damit wir wissen, woher wir kommen, damit wir unseren Standpunkt bestim­men können, um dann zu wissen, wohin wir hoffentlich in Frieden gehen werden.

Europa musste viele Krisen durchmachen, vom Tschechienkonflikt über den Ungarnkonflikt bis hinauf zu der Banken- und Finanzkrise, die nicht von Europa ausgelöst wurde, sondern von den USA gekommen ist. Europa hat es bewäl­tigt – mit einer schlechten Prognose, und trotzdem ist Europa besser dagestanden als vor der Krise und besser aus dieser Krise herausgekommen.


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Der Arabische Frühling hat uns in Europa beschäftigt: Auch da hat Europa vieles gemeistert, nicht alles gemeistert. Der Arabische Frühling wurde auch nicht von Europa ausgelöst, sondern durch den Umbruch in Nordafrika. Ja, sogar ein Schiff im Sueskanal hat uns eine große Krise bereitet, und diese Krise hätte uns eigentlich schon darauf vorbereiten müssen, was als Nächstes auf uns zukommt. Wir haben gesehen: Weder im Energiebereich noch im Techno­logiebereich noch im Lebensmittelbereich gibt es ausreichend Vorsorge und Sicherheit, als dass wir hier in Europa von Lebensmittelversorgungssicher­heit oder Energieversorgungssicherheit sprechen könnten.

Der internationale Handel wird uns auch in Zukunft fordern, denn China wird oder ist schon einer der größten Player am Weltmarkt, Afrika ist mit einer Population von über einer Milliarde Menschen entsprechend gewachsen. Wenn wir zurückschauen: Bei der Gründung der Europäischen Union waren wir nicht einmal drei Milliarden Menschen – jetzt gehen wir auf neun Milliarden Menschen zu. Diese Herausforderungen werden uns im Bereich des Kli­mas treffen, diese Herausforderungen werden uns im Bereich der Völkerwande­rung treffen, die wir ja jetzt schon spüren.

Was daher wichtig sein wird – wie auch schon meine Vorredner gesagt haben –, ist der Bereich des Schengenabkommens, das uns viel bringt, das insbeson­dere der Jugend viel bringt, ob es das Erasmusprogramm für Studierende, das Lehrlingsprogramm oder die Euroskills, bei denen Österreich immer her­vorragend abschneidet, sind. Wichtig sind aber auch das Thema Europol, die hervorragende Zusammenarbeit gegen die Kriminalität, die Währungs­union, die Reisefreiheit, all das sind Punkte, positive Erscheinungen des Schen­genabkommens. Wir müssen aber im Hinblick auf den Schengenraum auch daran denken, dass die Außengrenzen irgendwo zu sichern sind, und diese He­rausforderung müssen wir angehen, wie auch schon die Frau Bundesmi­nister gesagt hat. Wir werden weder bei Bulgarien noch bei Rumänien dagegen sein, dass sie dem Schengenraum beitreten, wir müssen aber schauen, dass wir in Europa Sicherheit schaffen, dass die Außengrenzen gesichert sind. Europa


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ist einfach ein Ort, an den die Menschen gerne ziehen, weil bei uns bis vor Kurzem auf dem ganzen Kontinent Frieden geherrscht hat.

Der Frieden, das friedliche Zusammenleben der Menschen in Europa, wird auch in Zukunft die Herausforderung sein, und da spielen insbesondere auch die sozialen Medien eine Rolle, denn Manipulation wird über die sozialen Medien, teilweise auch über andere Medien gespielt, in denen wir Informationen erhalten, die einseitig sind. – Wir müssen das Gesamte betrachten.

Ich glaube, Europa wird auch diese Krise des Ukrainekrieges überstehen. Wir werden aus diesem Krieg wahrscheinlich gemeinsam stärker hervorge­hen. Wir müssen aber auch auf Russland zugehen, denn es wird keinen Frieden geben, ohne dass Friedensgespräche geführt werden, denn die Friedens­gespräche sind die Voraussetzung dafür, dass in späterer Folge wieder Frieden in Europa herrschen wird.

Ich bin sicher, dass es in Europa auch in Zukunft Politiker wie die Gründungs­väter der Europäischen Union geben wird, dass die Europäische Union in Zukunft bestehen und sich weiterentwickeln wird. Daher danke ich für die Europastunde und wünsche unserem Europa – auch für die Zukunft und für die jungen Menschen –, dass es sich weiterentwickelt, dass der Prozess der Europäischen Union in eine positive Richtung geht.

In diesem Sinne noch einmal ein herzliches Dankeschön für die hervorragende Diskussion in diesem Plenum. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.43


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Gross­mann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.43.40

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Mitglieder des Europäischen Parlaments! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Vor allem liebe Zuseherinnen, Zuseher, die Sie heute unsere


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Debatte zur Aktuellen Europastunde mitverfolgen! „Die EU in herausfor­dernden Zeiten“ – ja, aber vor allem die Menschen in Europa haben Tag für Tag große Herausforderungen zu bewältigen und wissen nicht mehr, wie sie ihren Alltag finanzieren und bestreiten sollen.

Das ist die große Herausforderung, der wir uns stellen müssen: Krieg auf Kon­tinentaleuropa mit allen Folgewirkungen, dem menschlichen Leid, der Teuerungswelle, die nicht nur auf diesen Krieg zurückgeht, sondern sich schon vorher abgezeichnet hat. Die Rede von Kollegen Tiefnig hat gezeigt, dass da sehr wohl auch Problembewusstsein vorhanden ist. Ja, es hat sich schon vor­her abgezeichnet, dass es Angebots- und Lieferengpässe gibt, und über­haupt, dass ein Marktversagen festzustellen war, und da braucht es entspre­chende Lösungen, konsequente Lösungen, der sich auch die Konservativen und die Nationalisten in Europa nicht länger verschließen dürfen.

Wir müssen uns in Europa der Energie- und Klimakrise stellen, wie das auch schon Abgeordneter Schieder angesprochen hat, aber auch dem Phänomen, dass Arm und Reich immer mehr auseinanderdriften und sich einfach viele, viele Menschen nicht mehr vertreten, einfach abgehängt fühlen.

Kollegin Vana – es freut mich, dass ich sie heute kennenlernen durfte – hat in ihrer Rede die große Armutsgefährdung angesprochen. Das ist eine im­mense Herausforderung, auch wenn es darum geht, das Vertrauen der Men­schen wiederzugewinnen. Die Menschen fühlen sich nicht mehr vertreten – in einer Union oder von Staaten, von denen sie das Gefühl haben, die verstehen sie nicht mehr, die erkennen ihre Probleme nicht mehr.

Leider ist die Vertrauenskrise in Österreich besonders groß, weil, wie wir aus vielerlei Untersuchungen wissen, die Menschen auch dieser Bundesregie­rung immer weniger vertrauen, und dieses Misstrauen schwappt auf alle demokratischen Institutionen in Österreich und eben auch in Europa über. Durch das peinliche Auftreten, das wirklich mehr als peinliche Auftreten des Kanzlers im Europäischen Rat – nicht nur im heute schon besprochenen Fall,


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das ist ja schon am laufenden Band so – wird dieser Vertrauensverlust wei­ter vorangetrieben und nicht nur die EU, sondern auch Österreich geschwächt, und das gerade jetzt, da es ein starkes Österreich in einem starken Europa bräuchte.

Die multiplen Krisen, auf die es gesamteuropäische Lösungen braucht und dringend braucht, bringen schonungslos die Schwachstellen des Systems zutage: Das sind zum Beispiel Abhängigkeiten, die entstanden sind, weil die Produk­tion auch von lebensnotwendigsten Produkten, wie Medizinprodukten, in Billig­lohnländer auf anderen Kontinenten verlagert wurde. Es muss gelingen, die Produktion vieler lebensnotwendiger Produkte wieder nach Europa zu holen, begleitet von Forschung und Entwicklung, damit wir uns in Europa selbst versorgen können. Diese Produkte müssen unter Wahrung sozialer und ökologi­scher Standards produziert werden, und bei Importen muss gewährleistet sein, dass die jedenfalls unter Wahrung ökologischer und sozialer Mindeststan­dards hergestellt wurden, denn sonst können wir unsere eigenen Standards auch nicht mehr aufrechterhalten und fördern weltweit Umweltverbrechen und Menschenrechtsverletzungen.

Wir müssen endlich die Marktmacht Europas von an die 500 Millionen Menschen nutzen, und da braucht es dringend ein strenges Lieferkettengesetz, das derzeit in Verhandlung ist, aber von den Konservativen, auch von Öster­reich aus, blockiert und verwässert wird, wie auch andere wichtige Gesetze zum Arbeitnehmer:innenschutz. Wir haben erst gestern über die Richtlinie zum Schutz von sogenannter Plattformarbeit diskutiert, weil länderübergreifend im­mer mehr fragwürdige Beschäftigungspraktiken – Scheinselbstständig­keiten – einreißen, und da braucht es europäische Antworten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich ersuche Sie dringend, da von der Bremse zu steigen und von Nationalismen abzusehen und diese Antworten auch zuzulassen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.49



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Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. –Bitte, Herr Bundesrat.


10.49.17

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Der Titel der heutigen Europastunde „Die EU in herausfordern­den Zeiten“ hat mich etwas zum Nachdenken gebracht. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Löst diese EU die Probleme oder ist nicht oftmals genau diese EU selbst das Problem? (Beifall bei der FPÖ.)

Leben wir nicht deshalb in solch herausfordernden Zeiten, weil diese Europäi­sche Union in der Form wenig bis nichts auf die Reihe bringt? Wir sollen einer EU vertrauen, die sämtliche Versprechen, die uns vor der Mitgliedschaft gegeben wurden, gebrochen hat, und zwar nicht ein Mal, sondern wirk­lich unzählige Male. Ich sage nur: Kein Land in der EU wird die Schulden anderer übernehmen oder dafür haften müssen. Spätestens seit dem ESM und der Milliardenhilfe für Griechenland und der Bankenrettung wissen wir aber, dass es anders ist. Brüssel hat da ganz klar gelogen und auch versagt.

Weiters: Der Euro wird eine harte und stabile Währung sein. Viele Staaten wa­ren in Wahrheit gar nicht bereit, den Euro zu nehmen, und haben ihn trotz­dem bekommen, leiden bis heute darunter, und diese ziehen uns alle mit hinun­ter. Auch da hat Brüssel glatt versagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Europäische Union kann und wird keine eigenen Schulden aufnehmen – und hat dafür 2021 unter dem Decknamen Next Generation EU gleich 750 Mil­liarden bis 810 Milliarden Euro und mehr aufgenommen, und jetzt will die EU für das nächste Jahr schon wieder neue Schulden aufnehmen. Der klingende Namen dafür heißt Souveränitätsfonds, und auch da hat Brüssel ganz glatt gelo­gen und versagt. Übrigens: Passender als Souveränitätsfonds wäre das Wort Solidaritätsfonds, dann hätten nämlich bei vielen gleich die Alarmglocken


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geläutet, denn Solidarität ist ja das Schlagwort, mit dem wir in dieser Pan­demie in die Impfung hineingetrieben und auch hineingelogen wurden (Bundesrat Schennach: Nein, jetzt kommen wir zur Impfung!), denn die völlig unverhältnis­mäßige, evidenzlose, überzogene und – wie wir inzwischen auch bestä­tigt wissen – falsche Coronapolitik hat ja in Brüssel ihren Ausgang gehabt. (Bun­desrat Schennach: Gibt es noch etwas anderes auch?) Auch da hat die EU ganz klar versagt. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Asylpolitik zeigt die Europäische Union ihr wahres Gesicht. Gesetze sind der EU nur dann wichtig, wenn es den Eliten in der EU passt. Wir haben das heute schon gehört, die Frau Minister selbst hat es gesagt, das Dublinüber­einkommen ist totes Recht, aber dafür will die EU auf der anderen Seite verpflichtende Verteilungsquoten innerhalb der Europäischen Union. Meine Damen und Herren, das ist ein Regieren gegen die eigene Bevölkerung. Und auch da versagt die Europäische Union komplett. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Schennach: Ja!)

Ganz aktuell: der Korruptionsskandal. Der Korruptionsskandal ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Jährlich verschwinden innerhalb der EU Milliarden, und nie­manden interessiert es, wie es scheint. Und die schöne Griechin Eva Kaili ist ja nur eine Ablenkung von dem, was dort alles an Korruption noch so vor sich geht. Da erkennt man dann die Parallelen der Europäischen Union zur ÖVP in Österreich.

Apropos – an dieser Stelle liebe Grüße an Ursula von der Leyen –: Haben Sie die SMS mit dem CEO von Pfizer schon gefunden? Auch das würde mich interessieren. Ich sage ja, all das, was da passiert, ist eigentlich unfassbar.

Medial ziemlich unbeachtet blieb ein weiterer Skandal, nämlich ein Riesen­skandal, der ans Tageslicht gekommen ist, an dem bis zu 9 000 Firmen beteiligt sind. Dabei wurden jährlich circa 50 Milliarden Euro in der EU, ja, heraus­gezogen, wie auch immer. Dieses sogenannte Mehrwertsteuerkarussell ist ein


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System, das erst durch die Europäische Union selbst möglich gewor­den ist, und auch da hat Brüssel ganz klar versagt.

Zehntausende Lobbyisten, die ihre Interessen in Brüssel durchsetzen wollen, eine Sanktionspolitik, die uns in Europa mehr schadet als Putin, Waffen­lieferungen in die Ukraine, damit der Krieg recht lange dauert und das mensch­liche Leid verlängert wird, und die Zerstörung der kompletten Infrastruktur, nur damit wir dann mit Steuermilliarden der europäischen Steuerzahler den Wie­deraufbau finanzieren können. – Ein herzliches Dankeschön übrigens an Viktor Orbán für das Veto. (Beifall bei der FPÖ.)

Hauptsache, die EU macht gefällige Politik für Amerika – koste es, was es wolle. Auch da versagt Brüssel. – Und diese Aufzählungen könnte ich ewig weiter­führen.

Diese Europäische Union stellt ihre eigenen Interessen immer weit über jene der Mitgliedstaaten. Gemeinsame Wirtschaftspolitik ja, Zentralstaat EU nein, und darum sage ich: mehr Österreich und weniger Brüssel. (Beifall bei der FPÖ.)

10.54


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.54.37

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Eigentlich wollte ich nicht, aber es ist schon schwer auszuhalten. (Bundesrat Steiner: Aber das geht sich schon aus für deine Gage! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich frage mich immer wieder: Was machen FPÖ-Abgeordnete eigentlich im Europäischen Parlament, wenn es einfach nur darum geht, selbiges zu zerstören? Das verstehe ich nicht. Ich kann nur sagen: Das Europäische Parlament ist keine Plattform für rechtsradikalen Nationalismus, das gehört dort nicht hin. (Beifall bei den Grünen. – Ruf: Bravo, Adi! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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So ziemlich alle großen Herausforderungen (Bundesrat Steiner: Was hat er jetzt gesagt? – Bundesrat Spanring: Unfassbar!) und Krisen sind nämlich nur ge­meinsam und solidarisch zu bewältigen; ganz bestimmt nicht national – und schon gar nicht von einem so kleinen Land wie Österreich. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Warum sagt denn der Präsident da nichts dazu? Gibt es dafür keinen Ordnungsruf, Herr Präsident? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Solidarität, um das noch einmal zu erklären, bedeutet, den Fokus auf Interessen im Sinne des Gemeinsamen, des Gemeinwohls und der Gemeinschaft höher zu bewerten als nationale Einzelinteressen, denn nur dann kann eine Gemeinschaft letztlich auch funktionieren. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr seid die Radikalen ...!) Und ich denke, das ist ja eigentlich etwas, was wir auch täglich selbst erfahren. Nur dann, wenn wir gemeinsam denken, geht es uns dann auch selber gut. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Geh, lach ein bisserl!)

Europa ist unser gemeinsamer Lebensraum, mit sehr ähnlichen kulturellen Prägungen, und es ist auch ein Raum, der wirtschaftlich extrem stark ineinander verflochten ist. Ich erinnere: 70 Prozent – 70 Prozent! – des Außenhandels Österreichs findet innerhalb der EU statt. Der Europäische Wirtschaftsraum ist also einfach eine Überlebensfrage für uns. (Bundesrat Schennach: Ja eh!) Und schon allein deshalb ist vieles am besten auf europäischer Ebene geregelt, jedenfalls in Grundsätzen, vieles wird auch in Grundsätzen geregelt, und innerhalb dieser ist Platz genug für nationale Ausprägungen und Schwerpunkt­setzungen. Und ein Beispiel dafür, das ist ganz jung, ist die Autoindustrie, die mit zahllosen Zulieferern vernetzt ist, auch in Österreich. Eine Transforma­tion, eine große Transformation der Antriebstechnologie, wie sie jetzt an­steht, mit der Vorgabe, 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge zuzulassen, braucht unabdingbar einen gemeinsamen Rahmen, so etwas kann ein Staat für sich allein schlicht und einfach nicht machen.

Eine besonders große Herausforderung ist das Ziel, Europa bis 2050 in einen klimaneutralen Kontinent zu transformieren. Und das ist absolut kein Selbstzweck, sondern es ist eine Notwendigkeit und es ist auch eine historische


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Verantwortung, aufgrund der bisher freigesetzten Emissionen seitens der Europäischen Union und der Länder in Europa. Es ist auch eine Verantwortung gegenüber der Zukunft, gegenüber kommenden Generationen, die ein Recht darauf haben, auf diesem wunderbaren Planeten auch noch gut leben zu können; eine sehr vornehme Aufgabe, die die Europäische Union da hat.

Mit dem Green Deal (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, mit eurem Green Deal wird die Inflation ...!) hat die Kommission wirklich einen globalen und ambitio­nierten Meilenstein gesetzt. Richtig wurde erkannt, dass die EU mit ihren Mit­gliedstaaten hier international ein Vorreiter werden kann, mit den dafür notwendigen technologischen Entwicklungen, Innovationen, die in der Folge die Konkurrenzfähigkeit stärken und natürlich auch die Beschäftigung in Euro­pa sichern. Und das geht nur gemeinsam.

Damit solch eine Transformation funktioniert, brauchen wir europaweit vernetzte Strukturen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Sind jetzt nicht schon 5 Minuten vorbei?), etwa was den Ausbau regional vorhandener Energieerzeugungs­potenziale betrifft, was Stromnetze betrifft, was in Zukunft Wasserstoffnetze betrifft, den Ausbau europaweiter Schienennetze, den Ausbau von Spei­chern, Implementierung von Ladesystemen, E-Mobilität und so weiter; das könn­te man lange fortsetzen.

Ein Beispiel für eine wirtschaftspolitische Begleitmaßnahme von ganz großer Be­deutung, die nur im europäischen Maßstab möglich ist, ist das Vorhaben, ein CO2-Grenzausgleichssystem zu installieren. Das ist essenziell, nämlich für die ganze europäische Wirtschaft, auch für die österreichische übrigens, siehe Voest und andere Industriebetriebe, und da ist ja gerade in der vergangenen Wo­che ein großer Durchbruch gelungen.

Ebenso verständigen konnte man sich am vergangenen Wochenende auf den im Green Deal angekündigten Klima-Sozialfonds mit 86 Milliarden Euro zum sozialen Ausgleich. Das ist für die soziale Absicherung in der Phase des Über­gangs wirklich wichtig, und so etwas geht halt nur in Europa.


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Österreich befindet sich bekannterweise im geografischen Herzen Europas und profitiert auch ganz besonders von der Europäischen Union und von ihren Erweiterungsschritten. Das nicht zu sehen, da muss man wirklich auf beiden Au­gen blind sein.

Wir sind aus vielerlei Gründen gut beraten, uns mit dem Blick auf die großen Herausforderungen solidarisch im Sinne des Ganzen in der EU einzu­setzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.59


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als nächster und letzter Mandatar dazu zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bun­desrat.


10.59.54

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der ersten Dezemberwoche mussten wir einmal mehr zusehen, wie Viktor Orbán die gesamte Europäische Union erpresste, als er mit seinem Veto die Mil­liardenhilfe für die Ukraine blockiert hat. Zu Recht hat sich Österreich darüber beschwert. Am 8. Dezember gab es dann ein weiteres Veto im Innenminis­terrat der EU, allerdings nicht von Ungarn, sondern von Österreich, nämlich ge­gen den Schengenbeitritt von Rumänien und Bulgarien.

Beide Länder erfüllen seit über zehn Jahren alle diesbezüglichen Kriterien, trotzdem macht sich der ÖVP-Innenminister zum Handlanger von Populisten und Blendern, indem er den europäischen Grundpfeiler der Personen­freizügigkeit mit einer aufgeblasenen Migrationsdebatte vermischt, die von ÖVP-internen Skandalen ablenken soll und die der niederösterreichi­schen Volkspartei Aufwind im laufenden Wahlkampf geben und schlechte Umfragewerte kaschieren soll. Anders ist nicht zu erklären, warum einer Erweiterung mit Kroatien zugestimmt werden konnte, nicht aber einer solchen mit Rumänien und Bulgarien.


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Die ins Treffen geführte sogenannte Balkanroute verläuft vor allem aus Griechenland – wohlgemerkt einem Schengenstaat – über den Westbalkan an den beiden betroffenen Staaten vorbei. Außerdem liegt die Ursache für die aktuell hohe Ankunftszahl von Migrantinnen und Migranten in Österreich einerseits an Serbiens Möglichkeit der visafreien Einreise für ausge­wählte Nationalitäten – das ist ein Resultat der Verbrüderung des serbischen Präsidenten Vucić mit Wladimir Putin, der die EU damit destabilisieren
möchte –, andererseits winkt Ungarn Geflüchtete und Migranten auf seinem Staatsgebiet einfach rechtswidrig nach Österreich weiter. (Bundesrat Schennach: Ja, hast du mit der FPÖ abgesprochen!)

2022 gab es in Ungarn bekanntlich ganze 50 Asylanträge, während Österreich bis heute an die 100 000 Menschen registriert hat, von denen – das muss man auch dazusagen – allerdings der Großteil ohnehin nicht in Österreich bleibt. Rumänien und Bulgarien sind hier nicht signifikant involviert. (Bundesrat Schennach: Richtig!) Das hat auch der Migrationsexperte Gerald Knaus in der „ZiB 2“ sehr schlüssig erläutert. Er hat übrigens auch einen weiteren interessanten Ansatz gebracht: dass es mittelfristig das Ziel sein sollte, den ganzen Balkan in den Schengenraum aufzunehmen – das ist ja auch für
Nicht-EU-Staaten möglich, wie man an der Schweiz, Norwegen und Island sieht –, das würde nämlich die Außengrenze verkleinern und damit die Maßnahmen an der kleinen Außengrenze konzentrieren können. (Bundesrat Schennach: Richtig!)

Mit dem Schengenveto schießt uns die Bundesregierung einmal mehr ins europapolitische Aus. Nicht nur beschneidet sie damit im Alleingang die Freiheiten von EU-Bürgerinnen und -Bürgern, sie geht auch auf Kuschelkurs mit Orbán und Vucić und steht im Endeffekt isoliert da – und der Schaden bleibt. (Beifall der Bundesräte Obrecht und Schennach.)

Der rumänische Botschafter wurde aus Wien zurückgerufen, rumänische Unternehmen rufen bereits zum Boykott gegen die österreichische Wirtschaft


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auf. Das ist neben dem peinlichen und antieuropäischen Beigeschmack in­sofern nicht unerheblich, als Österreich der zweitgrößte ausländische Investor in Rumänien ist. Nicht nur der Ruf Österreichs leidet also, sondern unsere Unter­nehmen werden dafür den Preis zahlen.

Besonders eindrücklich dabei ist – neben der Kritik aus dem Ausland; insbe­sondere hat sich die deutsche Außenministerin über die europapolitisch und geopolitisch falsche Entscheidung empört –, es stellt sich sogar die ÖVP-Delegation im Europaparlament offen gegen das Vorgehen der Bundesregierung.

Frau Bundesminister, Sie haben zugegeben, die Kritik richtet sich in Wirklichkeit gegen das nicht funktionierende Dublin-III-System; auch der Großteil der Maßnahmen in diesem Fünf-Punkte-Paket betrifft das Dublinsystem. Aber wer verhindert unter anderem eine Reform des Dublinsystems? – Das ist die österreichische Bundesregierung (Bundesrat Schennach: Genau!), die gut damit leben kann, dass die Randstaaten der EU verantwortlich bleiben sollen. (Bundesministerin Edtstadler: Ganz im Gegenteil!) Sie sprechen sich auch gegen die Verteilung von Migrant:innen und Flüchtlingen aus. (Zwischenruf des Bundes­rates Buchmann.) Dieses Junktim mit dem Dublinsystem und der Schengenerwei­terung ist unzulässig.

Alles in allem ist das ein weiterer unrühmlicher Moment der österreichischen Bundesregierung, der beweist – was auch wir NEOS schon lange so drin­gend fordern –: Das Einstimmigkeitsprinzip und damit die Möglichkeit einzelner Mitgliedstaaten, die gesamte Union im Alleingang zu blockieren, muss schleunigst fallen. Bis es so weit ist, bleibt nur auf ein Weihnachtswunder zu hoffen: dass die Bundesregierung angesichts der internationalen Schmach noch zur Besinnung kommt und ihr orbáneskes Veto zurückzieht. – Danke sehr. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

11.04


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich darf die Gelegenheit nützen und viele junge Gäste auf unserer Besuchergalerie recht herzlich hier im Hohen Haus be­grüßen! (Allgemeiner Beifall.) Heute noch hier und künftig dann im historischen


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Parlamentsgebäude freuen wir uns natürlich immer über interessierte Zu­hörerinnen und Zuhörer.

Ich bedanke mich für die Redebeiträge in der Aktuellen Stunde, auch bei unseren Gästen aus dem Europaparlament, und darf nach dem Aufruf aller zu Wort Gemeldeten festhalten: Die Aktuelle Europastunde ist beendet.

11.05.21Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten An­fragebeantwortungen verweise ich auf die bereits gestern im Saal verteilte Mitteilung der 948. und der 949. Sitzung des Bundesrates gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll die­ser Sitzung angeschlossen wird.

Weiters eingelangt ist die Anfragebeantwortung durch die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić auf die schriftliche Anfrage der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mögliche sexuelle Übergriffe im Grazer Kindergarten Schönbrunngasse“ und die

Anfragebeantwortung durch den Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner auf die schriftliche Anfrage der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „möglicher sexueller Übergriffe im Grazer Kindergarten Schönbrunngasse“.

Ebenso weise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung bereits gestern im Saal verteilte Mitteilung der 948. und der 949. Sitzung des Bundesrates, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

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(Schriftliche Mitteilung siehe 948. Sitzung des Bundesrates.)

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Vizepräsident Bernhard Hirczy: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüs­sen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Aus­schussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 11 und 12, 13 und 14, 15 und 16 sowie 17 bis 19 jeweils unter einem zu ver­handeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

11.07.111. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (3003/A und 1868 d.B. sowie 11134/BR d.B.)


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2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (2981/A und 1869 d.B. sowie 11135/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um die Berichte, Herr Bundesrat.


11.07.48

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz,
das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


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Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat mehrheitlich beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einwand zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Be­gleitgesetz Vergabe geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat mehrheitlich beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.09.34

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Liebe Österreicher! Ich hätte mich eigentlich gefreut, wenn der Innenminister bei der Debatte über diese Tagesordnungspunkte dagewesen wä­re, aber ja, wir können das sicher mit Ihnen auch behandeln.

20.12.2022: „Familienvater (42) nach brutaler Disco-Attacke hirntot“ –
18-jähriger Syrer schweigt. 19.12.2022: „Vorarlbergerin von 6 Männern verge­waltigt“ – sechs verdächtige Afghanen zeigen sich nicht geständig. 6.12.2022: „Asylbewerber ersticht 14-Jährige und verletzt ihre Freundin schwer“ – der Killer lauert auf dem Schulweg. 28.11.2022: „Brennende Autos, zerstörte Gebäude“ – so wüteten Migranten auf der Straße. 18.11.2022: „Irakische Schlepper feuern bei Verfolgungsjagd auf Polizisten“, „Sie nehmen jetzt auch den Tod von Polizisten in Kauf“. 16.11.2022: „Grenzsturm geht weiter“. 1. November 2022: „Verletzte Polizisten und Cobra-Einsatz“ – 200 Per­sonen und Jugendliche aus Syrien und Afghanistan attackieren und verletzen Polizisten in Linz und Salzburg. 29.10.2022: „Dritte Vergewaltigung in Wien bin­nen weniger Tage“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Liste könnte ich endlos fortsetzen, das waren nicht einmal alle Vorfälle der letzten zwei Monate. Wer ist schuld? Wer ist schuld an diesen tagtäglichen Einzelfällen? – Diese schlicht


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und ergreifend schlechteste Bundesregierung aller Zeiten (Beifall bei der FPÖ), dieser schlechteste Innenminister aller Zeiten haben diesen Wahnsinn in unserem Land zu verantworten, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Es braucht endlich eine Bundesregierung und einen Innenminister, dem die Sicherheit in unserem Land wieder etwas wert ist. Es braucht einen Innenminister, der Grenzen schließt, es braucht einen Innenminister, der dazu bereit ist, Ausreisezentren wieder aufzusperren, und nicht Zeltstädte zu errichten. Es braucht keine neuen Asylunterkünfte in diesem Land. Ich habe aber inzwischen das Gefühl, dass die ÖVP das gar nicht ändern will, sie will diese ungezügelte Zuwanderung gar nicht stoppen.

Da fällt mir ein Bild aus dem Jahr 2015 ein, das ich nicht mehr aus dem Kopf bekomme: Der heutige ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler aus der Steiermark hat sich mit Roten und Grünen in der Herrengasse eingehängt, Kerzerl angezündet und eine Lichterkette für die Menschlichkeit gebildet. Der damalige Landeshauptmann hat uns als „Rattenfänger“ bezeichnet, ist dann am Grenzübergang gestanden und hat gesagt: Mir schlottern die Knie! – Kurze Zeit später ist der erste Wahnsinnige mit seinem Geländewagen in Graz durch die Herrengasse gefahren. Das sind die Auswüchse dieser schwarzen Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn das passiert, wenn wieder einer dieser Einzelfälle passiert, dann hört man nichts von dieser ÖVP. Von den Grünen erwarte ich mir nichts anderes, aber von der ÖVP hätte ich mir etwas anderes erwartet.

Eines kann ich wirklich nicht verstehen: Die Asylaufnahmezentren schießen he­raus wie die Schwammerln, in meinem Heimatbezirk soll jetzt nur wenige Meter von einer Volksschule entfernt das nächste Flüchtlingsheim aufsperren. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ja nicht nur grob fahrläs­sig, das ist ja schon ein bedingter Vorsatz, was diese Bundesregierung da auf­führt. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Bravo! Unglaublich!)


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Sie kennen all diese täglichen Einzelfälle, Sie nehmen das in Kauf. Sie nehmen es in Kauf, dass Hunderttausende Rechtsstaatverweigerer, Terrorexperten und sonstige Massen in dieses Land hereinströmen und die Sicherheit unserer fleißi­gen Österreichern gefährden. Für mich war der Gipfel dieses Totalversa­gens: Ein 14-jähriges Mädchen wird umgebracht. Für zwei Wörter, die ich da­mals in den sozialen Medien gepostet habe – ich habe dazu geschrieben: „Zuwanderung tötet“ –, wurde ich von diesen linkslinken Willkommensklat­schern an den Pranger gestellt. Was hat es gegeben? – Eine Anzeige wegen Ver­hetzung hat es dafür gegeben. Ich bin froh, dass diese Geschichte jetzt Gott sei Dank vom Tisch ist, aber während sie mich angezeigt haben, hat diese Bun­desregierung diesen Menschen 500 Euro Klimabonus ausbezahlt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Bundesregierung hat auf allen Ebenen versagt. Sie hat aber nicht nur versagt, sie gefährdet die Sicherheit unserer Österreicher. Deswegen kann ich nur sagen: Treten Sie zurück, nehmen Sie das ganze schwarz-grüne Konglo­merat, treten Sie zurück! Genug ist genug! (Beifall bei der FPÖ.)

11.15


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Harald Himmer. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.15.59

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich weiß jetzt nicht, was das mit diesem Tagesordnungspunkt zu tun hat (Bundesrat Steiner: Es geht um Leben, wurscht, ob es dir passt oder nicht! Es geht um ermordete Österreicher!), bei dem es an sich um ein Bundesgesetz geht, mit dem das Staatsbürger­schaftsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfah­rensgesetz und das Asylgesetz geändert werden.


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Dabei geht es eigentlich nur darum, dass bestimmte Sonderbestimmungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise um ein halbes Jahr, glaube ich – wenn ich das präzise gelesen habe –, verlängert werden sollen. Ich denke, ja, diese Sonderbestimmungen kann man um ein halbes Jahr verlängern. Es gibt eigentlich keinen Grund, sie dann noch länger beizubehalten, wenn es nicht mehr notwendig ist. Das ist aus meiner Sicht ein völlig unaufregender Tages­ordnungspunkt.

Kollege Leinfellner hat ein Thema angesprochen, das natürlich da ist. Es ist wichtig, und das bestreitet auch niemand, dass wir uns zu dem, was jetzt passiert – dass wir als Republik Österreich im Rahmen des Asylrechts eine Masse von Anträgen bekommen –, überlegen müssen, wie wir damit umge­hen. Das ist auch der Grund, warum es vonseiten der Bundesregierung in Bezug auf die Schengenerweiterung eine entsprechende Position des Bundeskanz­lers und auch der Europaministerin und des Innenministers gegeben hat.

Ich denke, wir müssen den Bogen schaffen, anzuerkennen, dass es diese Problematik gibt. Niemand möchte, dass Österreich von Asylwerbern überrannt wird (Bundesrat Steiner: Aber das passiert!), und niemand möchte, dass Asyl­werber kriminell werden. (Bundesrat Steiner: Auch das gibt es!) Niemand möchte, dass Mädchen etwas angetan wird – das steht doch alles (Bundesrat Stei­ner: Bei den Grünen nicht!) völlig außer Streit.

Eines ist auch klar: Die Menschen in diesem Land haben es natürlich verdient, dass die Politik ihre Sorgen ernst nimmt. Natürlich haben die Menschen in diesem Land auch das Recht, dass sich die Polizei um die Sicherheit kümmert (Bundesrat Steiner: Hoffentlich!) und dass sie in Frieden und in Sicherheit leben können. (Bundesrat Schennach: ... nicht angeschwindelt zu werden!) – Okay, ich weiß jetzt nicht ganz, was Kollege Schennach meint, aber er wird es dann vielleicht selber ausführen.

Was ich auf den Punkt bringen möchte, ist: Wenn wir unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger (Bundesrat Steiner: Mitstreiter!) hier in diesem Land schüt­zen wollen, müssen wir vonseiten der Politik auch gemeinsame Maßnahmen


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setzen. Es nützt uns nichts, wenn wir einzig und allein die Probleme auf­zählen und generelle Vorwürfe gegen Personen und gegen die Politik erheben, die niemandem etwas bringen. (Bundesrat Steiner: Gegen die ÖVP, nicht gegen die Politik!) Das bringt uns überhaupt nichts.

Zu glauben, wenn jetzt Herr Kickl Innenminister wäre, dass sich aus dem Grund - - (Bundesrat Steiner: Er hat es bewiesen! – Bundesrat Krumböck: Dass er es nicht kann!) In der Zeit, in der Herr Kickl Innenminister war (Bundesrätin
Steiner-Wieser: Er hat es bewiesen! – Bundesrat Steiner – eine Abwärtsbewegung deutend –: Und die Asylzahlen!),
hat sich ja auch die Rechtslage nicht geän­dert. (Bundesrat Steiner: Die Frau Minister war seine Sekretärin!) Auch Herr Kickl hat ja in seiner Zeit als Innenminister an der ganzen Frage, wie sich Asyl­recht darstellt, nichts geändert. Das kann man ja nachher ausführen, nach mir spricht noch Kollege Hübner, der kann ja vielleicht sagen, was Kollege Kickl am Asylrecht geändert hat und was jetzt eigentlich - - (Bundesrat Steiner: Er hat es angewandt! Er hat es rechtskonform angewandt, das bestehende!) – Ja, okay.

Auf den Punkt gebracht: Bei diesem Tagesordnungspunkt – es ist ein völlig un­aufregender Tagesordnungspunkt, Kollege Leinfellner ist nicht auf den Ta­gesordnungspunkt eingegangen – geht es eigentlich um die Verlängerung dieser Maßnahmen. Dem kann man in jedem Fall zustimmen, aber man kann natür­lich hier herauskommen und über alles reden. Davon hat Kollege Lein­fellner auch Gebrauch gemacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

11.21


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.21.56

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Himmer, wie hast du gesagt: Es ist an und für sich ein nicht aufregender Tagesordnungspunkt. – Es kann sein,


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dass er dich nicht aufregt, aber mich persönlich regt er genauso auf wie Kol­legen Leinfellner. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: ... Sprache beruhigend, langsamer unterwegs!) – Jetzt werde ich dir, von der Sprache beruhigend, wenn du willst, erzählen, warum das so aufregend ist. (Bundesrat Schennach: Gleich zwei Kontraredner! – Bundesrat Novak: Weil ihr mit den Flüchtlingen Stimmung macht, ganz einfach!) – Ja, ist gut. (Bundesrätin Hahn: Politisches Klein­geld!) Also, wir kriegen von der SPÖ immer die besten und sachlichsten Kommentare, deswegen höre ich da immer gern hin und unterbreche dafür mei­nen Redefluss. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grim­ling: ... Dr. Hübner jetzt als Redner haben!)

Wir novellieren, nachdem uns die Frau Ministerin hier selbst eingestanden hat, dass Dublin II totes Recht ist (Bundesministerin Edtstadler: Nein!), das also wie in einer - - (Rufe bei der SPÖ: Dublin III!) – Entschuldigung, Dublin III, dass Dublin III totes Recht ist, damit ist Dublin II natürlich auch totes Recht. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Insoweit war die Aussage richtig, aber sie war nicht umfassend genug. Da das totes Recht ist, da sich sozusagen jeder aussu­chen kann, wo er Asyl begehrt, da es de facto keine sicheren Drittstaaten mehr gibt, gibt es Leute, die durch fünf, sechs Länder reisen, wo ihnen keinerlei Verfolgung droht, wo Asylverfahren nach internationalen Standards möglich sind. Die gehen da durch und kommen nach Österreich.

Zufälligerweise haben wir pro Kopf ja bei Weitem die höchste Zahl an Asylwer­bern. Bis jetzt haben wir 109 000 oder 111 000, bis zum heutigen Tag. Es ist schon richtig, was Kollege Mayer gesagt hat: Nur 20 000 werden bis 31.12. erwartet – ein Wahnsinn, wenn man davon ausgeht, dass selbst Deutsch­land, das auch ein Supermagnet für Asylwerber ist, nicht viel mehr als 200 000 Anträge hat.

Das zeigt: Hier im Lande Österreich ist einiges wirklich faul. Österreich ist zu einem Magnet für die illegale Einwanderung unter dem Vorwand des Asyls geworden. Österreich zeigt sich absolut unfähig, dagegen irgendetwas zu tun (Beifall bei der FPÖ), schreit nach internationalen Lösungen, nach der


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EU, wohl wissend, dass dort nichts geschieht, weil seit 20 Jahren nichts gesche­hen ist! Jetzt gibt es wieder eine Ratssitzung, da wird irgendetwas blumig verabschiedet werden, und dann heißt es: Jetzt kann sich etwas ändern und wir können unser Veto gegen den Schengenbeitritt von Bulgarien und Rumä­nien aufheben.

So, jetzt haben wir hier drei Gesetzesänderungen. Da denkt man, Staatsbür­gerschaftsgesetz, Asylgesetz, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – da könnte ja etwas passieren. Da könnte man Lehren aus jahrelangen Erfahrun­gen damit ziehen, dass wir in Europa der Supermagnet für Asylwerber sind. Das Einzige, was in diesen Gesetzen aber geändert wird, ist, dass nichts geändert wird, beziehungsweise dass Ausnahmebestimmungen, die coronabedingt sind, verlängert werden. Also wir beschließen jetzt zum Beispiel die Verlänge­rung der Möglichkeit, als neuer österreichischer Staatsbürger das Gelöbnis nicht mehr mündlich, sondern schriftlich abzulegen, per E-Mail. Wenn man einen Daueraufenthaltstitel in Österreich hat, aus welchen Gründen auch immer, kann man jetzt bis zu 24 Monate, also zwei Jahre, aus Österreich weg sein, ohne sich überhaupt nur abzumelden. Bisher musste man es ja melden, begründen. Co­ronabedingt ist das weitgehend gefallen, und jetzt ist die Grenze bei 24 Mo­naten, also wenn man 24 Monate weg ist, erlischt der Titel dann doch noch.

Diese Dinge werden verlängert, unter dem Vorwand: Die Coronapandemie tobt ja immer noch. – Kein Mensch glaubt doch ernstlich, dass es in den nächsten sechs Monaten weitere sogenannte Lockdowns – oder wie die Einsperrereien immer heißen – oder Betretungsverbote geben wird! Niemand! Auch die Ministerin glaubt das nicht, von den Ärzten und von der WHO ganz abgesehen. Trotzdem werden diese Bestimmungen verlängert, und das ist die einzige Antwort, die Österreich auf dieses Masseneinwanderungschaos zu geben bereit ist – wobei Österreich nicht der Österreicher ist, sondern der Öster­reicher nolens volens vertreten durch die österreichische Bundesregierung.

Lieber Kollege Himmer, dass man sich darüber etwas erregt, sollte dir wohl klar sein! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Um das geht es ja nicht!) – Ich


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sage das ja nur, weil du die Erregung nicht verstanden hast. (Bundesrat Himmer: Es hat ja niemand behauptet, dass diese Gesetze die Gegenmaßnahmen für die beschriebenen Probleme sind!) – Nein, aber eine Situation wie die jetzige, dass einem bei diesen Gesetzen nichts anderes einfällt (Bundesrat Himmer: Das kann man aber bei jedem anderen Gesetz dann auch sagen! Das kannst du beim Schulunterrichtsgesetz dann auch sagen!), als die Coronamaßnahmen zu verlängern, das – wirst du selber sagen – ist eigentlich im ÖVP-Sprech ein Skan­dal. Das kann man nicht anders sagen.

Jetzt zur Sache Kickl: Natürlich hat er die Gesetze nicht geändert, weil das mit der ÖVP nicht möglich war (Zwischenrufe bei der ÖVP), weil es nicht die Auf­gabe und die Kompetenz des Innenministers ist, die Gesetze zu ändern (Bun­desrat Schennach: Dafür hat er die Pferde bekommen!) und weil es dazu einer Zu­stimmung der ÖVP bedurft hätte, die nicht zu erlangen war (Bundesrat Him­mer: Er hat aber auch keinen Vorschlag für eine Gesetzesänderung gemacht!), aber er hat in den nur 16 oder 17 Monaten, in denen er die Möglichkeit gehabt hat, etwas zu tun, tatsächlich die bestehenden Gesetze anzuwenden begonnen und Ausreisezentren statt Aufnahmezentren geschaffen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Grimling und Himmer.)

Es würde mir ja schon ein bisschen Weihnachtsfreude bereiten, wenn sich die Frau Minister oder der zuständige Innenminister zumindest in diese Rich­tung bewegen würden, aber wir sitzen heute zusammen und tun nichts anderes, als die Coronamaßnahmen im Staatsbürgerschafts- und im Niederlassungs­gesetz zu verlängern und zu beklagen: Wir sind im rechtsfreien Raum, das Recht, das uns eigentlich schützen sollte, ist totes Recht! – Also das kann man wohl nicht akzeptieren, und dass wir gegen solche Scheinpolitik stimmen, ist wohl klar.

Im Übrigen: Wenn es gewünscht ist, dass man das Gelöbnis als Staatsbürger künftig per E-Mail oder SMS ablegen soll, dann ändert bitte die Gesetze und schreibt das hinein und sagt, dass ihr das wollt, das reicht uns vollkommen;


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aber macht nicht weitere sechs Monate das Coronatheater! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.28


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.28.45

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren, die uns zu Hause via ORF III sozusagen live zugeschaltet sind – herzlich willkommen im Bundes­rat! Zum vorliegenden Gesetzentwurf muss man sagen: Ja, die Covid-Pandemie hat es natürlich auch notwendig gemacht, dass man diverse Sonderregelun­gen trifft, gerade auch im Bereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes, des Asylge­setzes. Wir haben es heute schon gehört, das muss ich, glaube ich, nicht noch einmal näher ausführen.

Sollen also etliche dieser Sonderregelungen, die sich als durchaus sinnvoll erwiesen haben, noch einmal verlängert werden? Diese neuerliche Verlängerung wird letztendlich unsere Zustimmung erhalten, noch einmal unsere Zustim­mung erhalten. Warum sage ich das? – Ich denke, es wäre langsam an der Zeit, sich zu überlegen, was sich davon tatsächlich so bewährt hat, dass es ins Dauerrecht übernommen werden kann und soll. Man hat gehört, das soll passie­ren, aber im Ausschuss ist uns nicht konkret beantwortet worden, welche Regelungen das dann genau sein sollen.

Entweder gibt es dazu also, entgegen der Ankündigung, doch noch keinen wirklich konkreten Plan oder es wird im stillen Kämmerlein ausgemacht – wer weiß das schon so genau? Aber wie auch immer: Wir erwarten da ein­mal mehr ganz konkrete Taten nach den Worten, die wir immer wieder hören.

Ich möchte auch ein paar Worte zur Asylthematik ganz generell verlieren: zum einen weil ich es – da muss ich der FPÖ zumindest zu einem kleinen Teil recht geben – schade finde, dass wir heute keine Gelegenheit haben, hier


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auch mit dem Herrn Innenminister über diese Thematik zu debattieren; und zum anderen, weil ich den Eindruck habe, dass es einige Aspekte gibt, die ganz, ganz dringend behandelt und ausgesprochen werden müssen.

In Wahrheit ist es eigentlich völlig unerheblich, wer auf der Regierungsbank Platz nimmt, die Antworten der Regierungsmitglieder sind ohnehin dieselben (Bun­desrat Buchmann: Weil sie gut sind! – weiterer Ruf bei der ÖVP: Gott sei Dank!), wie wir in den vergangenen Wochen immer wieder gehört und bestätigt be­kommen haben. (Bundesrat Bader: Wenn du dir deine eigene Wahrheit konstruieren willst!) – Herr Kollege, Sie können mir zuerst zuhören und sich dann auch noch zu Wort melden, wenn Sie das für notwendig erachten. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Bader.)

Wissen Sie, was ich absolut bedenklich finde? – Immer dann, wenn es für die ÖVP – aktuell eben für die ÖVP in Niederösterreich – gerade eng wird, wenn es irgendwo neue Chatprotokolle gibt, wenn mutmaßliche Korruptionsvorwürfe im Raum stehen (Ruf bei der ÖVP: Aber immer nur Vorwürfe! Immer nur mut­maßlich!), wenn von mutmaßlichem Postenschacher die Rede ist, wenn man, wie in den vergangenen Tagen, dort und da liest und hört, dass auch in der me­dialen Berichterstattung zugunsten der Volkspartei interveniert wird – ja, so et­was gibt es durchaus (Rufe bei der ÖVP: In Wien wird das anders sein! Da fällt einem nur Wien ein! Das Burgenland auch!) –, dann kommt die Volkspartei daher und zettelt ganz schnell eine Asyldebatte an. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP gibt es also neuerdings mit freiheitlichem Spin, die Volkspartei als die neuen Freiheitlichen. Zieht euch warm an, FPÖ, ihr kriegt offensichtlich Konkurrenz (Bundesrat Spanring: Nein, bitte!), denn jetzt gibt es auf einmal Blau statt Blau-Gelb, weil es gerade in den Wahlkampf passt!

Stichwort Zelte: Da werden jetzt also, sozusagen ganz hysterisch, Zeltstädte in Österreich aufgebaut, weil es der Herr Innenminister, der dafür zuständig wäre, in Wahrheit nicht schafft, dass alle Bundesländer ihre Quoten erfüllen und


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wir daher Unterbringungsmöglichkeiten brauchen. (Bundesrat Schennach: Bis auf zwei!) – Zwei von neun Bundesländern schaffen es, sieben tun das nicht.

Und wie – natürlich unter Anführungszeichen – „angenehm“ das bei den ak­tuellen Temperaturen unter null ist, kann sich die Volkspartei ganz offensichtlich nicht vorstellen. Ich würde vorschlagen, Sie versuchen einmal zwei bis drei Wochen lang bei den aktuell winterlichen Bedingungen einen Urlaub im unbe­heizten Zelt zu verbringen (Bundesrat Himmer: Wieso Urlaub?), so lange sind Flüchtlinge dort nämlich offensichtlich untergebracht: im Durchschnitt zwei bis drei Wochen. Wobei der Herr Innenminister ja dauernd betont, es sei eigent­lich gar keine Unterbringung, das sei ja nur eine Registrierung. Seien Sie mir nicht böse: Den Menschen dort ist es relativ wurscht, wie man es nennt.

Unterm Strich ist es eine menschliche Tragödie, die sich da abspielt. Und unterm Strich muss man sagen, dass der Herr Innenminister seiner Aufgabe da nicht nachkommt. Ganz aktuell ist natürlich auch die Situation im Erstaufnahme­zentrum in Traiskirchen. Erst vor wenigen Wochen gab es in den Medien einen ganz dramatischen Bericht von Herrn Bürgermeister Andi Babler (Bundesrat Preineder: Bla, bla!), in dem es heißt:

„Wir haben in den vergangene Wochen 700 obdachlose Menschen versorgt – Menschen, die vom System obdachlos gemacht wurden“, klagt der Traiskirchner Bürgermeister. Und weiters heißt es: „Die geflüchteten Menschen werden quer durch Österreich geschickt, landen dann spät abends in Traiskirchen. Das Lager sei heillos überfüllt, weil niemand die Menschen auf andere Bundes­länder verteilt.“ Und er „sieht in dem Problem politisches Kalkül – es geht um 4.000 Menschen, die in der Grundversorgung sind. Nicht viele für ein Land wie Österreich. Babler sparte dabei nicht mit scharfer Kritik an der Vor­gehensweise der Bundesregierung. ‚Wie man heute sieht, ist das ein gewünschtes Thema, um von anderen Sachen abzulenken, die der ÖVP nicht gut zu Gesicht stehen‘“ und vieles anderes mehr.


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An dieser Stelle möchte ich ein großes Danke an alle Freiwilligen und Ehrenamtlichen richten, die sich nach wie vor so toll in der Flüchtlingshilfe engagieren (Beifall bei der SPÖ) und die alles tun, um gerade den Familien, den Kindern, wie sie auch in Traiskirchen untergebracht sind, die neben den eh schon tragischen Fluchtursachen jetzt noch zusätzlich solche unmenschlichen Zu­stände ertragen müssen, weiterhin zu helfen. Danke dafür!

Stichwort Kommunikation mit betroffenen Gemeinden: Nicht selten berichten Bürgermeister, dass sie, was die Zelte in ihren Gemeinden betrifft, vor vollendete Tatsachen gestellt werden, dass der Minister im Vorfeld nie das Ge­spräch gesucht hat. Die Gemeinde Kindberg ist dafür ein Beispiel. Dass die Bevölkerung verunsichert ist, weil man sie vor vollendete Tatsachen stellt, ist dann natürlich auch keine große Überraschung.

Stichwort Grenzzäune: Ich kann mich noch gut daran erinnern, als einer Ihrer Kanzler – er hat, glaube ich, Kurz geheißen (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na!) – die Mittelmeerroute geschlossen hat und, ich glaube, die Balkanroute und vieles andere auch (Bundesrat Preineder: Weißt du es oder glaubst du es?), aber jetzt brauchen wir plötzlich Zäune. Also ich kenne mich langsam nicht mehr aus. Erst vor wenigen Tagen und auch heute in der Aktuellen Stunde haben (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) Sie ja selbst bestätigt, dass diese Zäune unbedingt notwendig sind.

Wenn man aber nur ein bisschen weiter über die österreichische Grenze hinaus schaut, stellt man fest, dass es solche Zäune an den Grenzen ja längst gibt, zum Beispiel zwischen Ungarn und Serbien, und dass diese noch dazu unter Strom stehen. Dennoch kommen nach wie vor Menschen, noch dazu unregistriert, nach Österreich, und was noch erschwerend hinzukommt: Das Schleppergeschäft floriert weiterhin, und das wünschen wir uns alle nicht. Die Zahlen sprechen leider für sich: 98 Prozent aller Aufgriffe erfolgen im Osten, sprich im Burgenland, wohin die Menschen über Ungarn kommen. Das heißt, die Zäune wirken nicht, sie funktionieren nicht. Die Menschen kommen trotzdem zu uns nach Österreich und suchen hier Schutz. (Ruf bei der ÖVP:


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42 Kilometer Zaun ...!) Ich frage mich, was als Nächstes kommt: eine Mauer à la Trump? So viel zum Friedensprojekt EU – ich glaube, davon haben wir heute schon etwas gehört –, so viel zur Solidarität innerhalb der EU.

Ich frage mich aber auch: Wo ist der Herr Bundeskanzler, der sich ja sonst eher hemdsärmelig darstellen lässt und sich sonst auch gerne wichtigmacht? (Bundesrat Buchmann: Hallo! – Bundesrat Preineder: Und was machen Sie gerade, Frau Kollegin? Machen Sie sich nicht gerade wichtig?) Wieso werden nicht längst multilaterale Gespräche auf gesamter EU-Ebene geführt? Wieso werden keine Gespräche mit dem Kollegen Orbán geführt, mit dem, so dachte ich, die ÖVP ja ohnehin auf Du und Du ist? (Bundesrat Bader: Wo ist denn dein Lösungsvorschlag?)

Wenn man das alles zusammenzählt, stellt man fest: Man will die Asylproblematik gar nicht lösen, ganz im Gegenteil, man will sie am Köcheln halten und damit politisches Kleingeld wechseln (Beifall bei der SPÖ), um – ganz besonders jetzt, vor der Landtagswahl in Niederösterreich – von unange­nehmen Themen abzulenken. (Bundesrat Bader – erheitert –: Was ist denn deine Idee? Vorschläge! – Bundesrätin Grimling: Warum? Ihr seid in der Regierung!) Was mich sehr bestürzt, ist, dass die Grünen da mitmachen, das ist völlig unverständlich.

Dass man sich vielleicht Gedanken über die Fluchtursachen macht, und schaut, wie man diese lösen kann: Fehlanzeige! Dass man schaut, dass man straf­fällig gewordene Asylwerber auch tatsächlich abschiebt: Fehlanzeige! (Bundesrä­tin Schartel: Das ist ja ganz neu von der SPÖ!) Dass man darauf achtet, dass Flüchtlinge, die sich nicht aus Jux und Tollerei auf den Weg machen, menschlich untergebracht und staatlich gut versorgt werden: Fehlanzeige! (Bundesrat Preineder: Asylanten aufnehmen, aber nicht Flüchtlinge!) Menschenrechte, Kinder­rechte sind für die ÖVP nach eigenen Aussagen ja sowieso nicht in Stein gemeißelt und ich könnte diese Liste noch weiter fortsetzen.


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Abschließend: Man hat mir einmal erklärt – das ist aber zugegebenermaßen schon länger her –, dass die ÖVP das Christlich-Soziale in ihren Wurzeln habe. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, das stimmt auch! – Bundesrätin Grim­ling: Wo?) Dafür gilt offensichtlich und ganz bestimmt die Unschuldsvermutung. Vielleicht kann man sich ja zu Weihnachten wieder auf diese Werte besin­nen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Super! – Bundesrat Bader: Christlich-sozial ...!)

11.38


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.38.21

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ver­ehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Im Zuge der Coronapandemie war es notwendig, persönliche Kontakte zu minimieren, und somit waren auch Behördengänge, Treffen und Zusammen­künfte von Gremien oft nicht möglich. Auch in diesem Winter sind wir ein weiteres Mal aufgerufen, noch wachsam und achtsam zu sein, und aus diesem Grund werden heute noch einige Gesetze, die in diesem Bereich eine Vereinfachung bringen, in die Verlängerung geführt.

Ich rede jetzt bewusst zu den Gesetzesänderungen – meine Vorredner:innen haben die Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten ja etwas anders ge­nutzt – und ich kläre damit jetzt auch ein paar Mysterien auf, weil sich die in­teressierte Zuseherin oder der interessierte Zuseher bestimmt schon fragen, was sich hinter diesen zwei Tagesordnungspunkten verbirgt. (Heiterkeit des Bundesrates Himmer.)

Es geht, das wurde schon angesprochen, um die Verlängerung im Bereich der Covid-Sonderregelung in der Vollziehung des Fremdenrechtes bis zum 30. Juni beziehungsweise bis September 2023.


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So kann das mündliche Gelöbnis bei der Staatsbürgerschaftsverleihung durch eine schriftliche Übermittlung ersetzt werden, und es gibt keinen automatischen Verlust des Daueraufenthaltstitels EU, wenn ein Inhaber nicht rechtzei­tig mitteilt, dass er sich aufgrund berücksichtigungswürdiger Gründe länger als zwölf Monate nicht im Inland aufhält.

Verlängerungs- und Zweckänderungsanträge nach dem NAG können bei Ein­schränkung der Bewegungsfreiheit oder des zwischenmenschlichen Kon­taktes aufgrund von Covid-19 auch postalisch oder elektronisch bei der Behörde eingebracht werden. Das halte ich für eine ganz wichtige Sache.

Unbegleitete Minderjährige sollen nach der Asylantragstellung im Fall etwaiger Covid-19 bedingter Schließung von Erstaufnahmestellen in Zukunft in Außenstellen der Regionaldirektionen verbracht werden können.

Verlängerungsanträge gemäß § 57 Asylgesetz können postalisch und elektro­nisch bei der Behörde eingebracht werden, und bei Stattgebung des Antrages ist eine Zustellung zu eigenen Handen möglich.

Mit diesen Verlängerungen in den Gesetzen sind wir weiter für den Ernstfall ge­wappnet und stellen den Behörden hiermit auch das notwendige Hand­werkszeug zur Verfügung.

Im zweiten Tagesordnungspunkt werden heute Covid-19-Sonderregelungen im B-VG, im Vergabeverfahren und im verwaltungsbehördlichen Verfahren bis Juni 2023 verlängert. Dazu gehört die Möglichkeit, dass die Bundesregierung per Videokonferenz beziehungsweise per Umlaufbeschluss Beschlüsse fasst. Ebenso wird die Möglichkeit, dass Gemeinderatsbeschlüsse bei außergewöhn­lichen Umständen per Videokonferenz beziehungsweise auch per Um­laufbeschluss gefasst werden, verlängert. Ja, wir verlängern noch einmal, weil wir gelernt haben, achtsam und vor allem vorausschauend zu sein. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)


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Es wurde heute schon von Kollegin Hahn angesprochen: Einige dieser Regelungen sollten auch ins Dauerrecht übernommen werden, denn es hat sich gezeigt, dass sie in der Praxis Vereinfachungen bringen, gut umsetzbar und sinnvoll sind.

Jetzt – und das ist mir heute wirklich wichtig – möchte ich etwas zur Situation im Iran sagen. Im Iran ist am 8.12.2022 erstmals ein Todesurteil gegen einen Demonstranten im Zusammenhang mit den fast drei Monate anhaltenden Pro­testen gegen die Staatsführung vollstreckt worden. In den vergangenen Wochen wurden im Iran bereits elf Todesurteile gegen Demonstrant:innen ver­hängt. Im iranischen Parlament forderten die 277 Abgeordneten harte Ur­teile bis hin zur Todesstrafe für die Tausenden inhaftierten Protestteilnehmer:in­nen. Nur China richtet mehr Menschen hin. (Zwischenruf der Bundesrätin
Steiner-Wieser.)
Der Iran ist laut Amnesty International regelmäßig eines der Länder, die die meisten Todesurteile verhängen und auch vollstrecken.

Bei den aktuellen Protesten im Land wurden nach Einschätzung von Menschenrechtlern seit Mitte September mindestens 470 Demonstrant:innen getötet und mehr als 18 000 Demonstrant:innen verhaftet. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Diese Entwicklung und der Umgang der iranischen Behörden mit den Protestierenden sind schockierend und inakzeptabel.

Der Iran wird seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von Protesten erschüttert. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wer es vielleicht in den Medien nicht so mitbekommen hat: Die 22-Jährige war kurz nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei wegen eines nicht ordnungs­gemäß getragenen Kopftuches gestorben. Aktivisten werfen der Polizei vor, die junge Frau misshandelt zu haben. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Kopftuchver­bot! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Gestern haben 183 österreichische Mandatar:innen die Patenschaften für 183 im Iran inhaftierte und zum Teil zum Tode verurteilte Aktivist:innen


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übernommen. Ich habe die Patenschaft für diesen jungen Mann über­nommen (ein Plakat mit dem Bild eines jungen Mannes in die Höhe haltend), und auch meine Kolleg:innen haben sich bereit erklärt, Patenschaften zu übernehmen. Das ist ein wichtiges und notwendiges Zeichen, um die Menschen, die für Demokratie und Freiheit kämpfen, zu unterstützen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Darum bringe ich an dieser Stelle einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen hier im Bundesrat ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Karl Bader, Stefan Schennach, Dr. Johannes Hübner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Eintreten gegen die Todesstrafe im Zusammenhang mit den Protes­ten im Iran“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird ersucht, bilateral und gemeinsam im Verbund mit den EU Partnern gegenüber dem Iran weiterhin für einen ge­waltfreien Umgang“

(Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser)

„mit den Demonstrantinnen und Demonstranten einzutreten, sowie sich dafür einzusetzen, dass Hinrichtungen im Zusammenhang mit den Protesten im Iran gestoppt und bestehende Todesurteile für nichtig erklärt werden.“

(Bundesrätin Steiner-Wieser: Was ist mit ...?)


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„Des Weiteren wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich weiterhin für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran und weltweit einzusetzen.“

*****

Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.45


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Der von den Bundesräten Karl Bader, Stefan Schennach, Dr. Johannes Hübner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kol­legen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Eintreten gegen die Todesstrafe im Zusammenhang mit den Protesten im Iran“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Karoline Edt­stadler. – Bitte, Frau Bundesminister.


11.46.22

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Zuseher:innen auf der Galerie! Hohes Haus! Ich habe eigentlich er­wartet, dass bei fünf gemeldeten Rednern zu diesen beiden Tagesord­nungspunkten, die ja relativ technisch sind, bereits alles gesagt ist, aber ich habe jetzt doch die Notwendigkeit gesehen, mich hier zu Wort zu melden, insbesondere deshalb, weil ich am Beginn der Aktuellen Europastunde von Bundesrat Steiner zur Disziplin gemahnt worden bin, was die zeitliche Komponente meiner Rede betrifft, und Bundesrat Leinfellner hat sich jetzt beim 1. und 2. Tagesordnungspunkt durch totale Disziplinlosigkeit ausgezeichnet (Beifall bei ÖVP und Grünen – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner), indem er die Tagesordnung vollkommen ignoriert, auch überhaupt nichts zum The­ma ausgeführt hat. An der Sache geht das komplett vorbei. (Bundesrat Leinfellner: Ich weiß schon, dass ihr die Probleme nicht hören wollt!)


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Ich muss ganz ehrlich gestehen, es wundert mich eh nicht, weil die FPÖ nur ein Thema hat. Das ist die Migration (Bundesrat Spanring: Ihr habt nur die Kor­ruption! So teilt sich das schön auf!), und das ist auch immer wieder offenbar der Anlass dafür, dass Sie versuchen, Öl ins Feuer zu gießen. Dabei übersehen Sie völlig – oder vielleicht sehen Sie es schon, und deshalb regt es Sie so auf –, dass der Bundeskanzler und der Innenminister alles daran setzen (Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring), dass es eben in diesem Land Ordnung und Sicherheit gibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie haben ja ein Thema angesprochen, das ein sehr wesentliches ist und – das darf ich Ihnen auch in aller Deutlichkeit sagen – das mir als ehemaliger Strafrichterin sehr am Herzen liegt. Es ist ein Faktum, dass in diesem Land immer wieder schreckliche Verbrechen begangen werden, die durch nichts wie­dergutzumachen sind (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), aber Gott sei Dank leben wir in einem Rechtsstaat und haben wir ein funktionierendes Justizsystem. Egal, ob diese Verbrechen von Migranten, von Asylwerbern, von illegalen oder anerkannten, von Österreicherinnen oder Österreichern be­gangen werden: Es braucht rasche Aufklärung und eine strenge Sanktionierung. (Bundesrat Spanring: Prävention wäre besser!)

In dem einem Fall, den Sie angesprochen haben, ist das passiert, und deshalb sage ich Ihnen noch einmal: Der Bundesminister für Inneres, den ich heu­te vertreten darf, und zwar gesetzeskonform und geschäftsordnungskonform, setzt alles daran, das auch zu tun. Also ich sehe nicht, wo Sie die Punkte ab­holen wollen, die Sie versucht haben, mit Ihrer Äußerung abzuholen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)

Ich darf aber auch ein Zweites sagen: Ich wundere mich schon auch immer wie­der über manche Aussagen, die aus den Reihen der SPÖ kommen. Ich mei­ne, man kennt sich nicht aus. Während im Sommer die Parteivorsitzende noch völlig abstreitet, dass es überhaupt so etwas wie ein Asylproblem gibt, ist es jetzt so, dass sie sich doch gegen Schengen ausspricht. (Bundesrätin Hahn: Das


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Problem wäre nicht da, wenn ihr es lösen würdet! Ihr seid in der Regierung! Ihr seid in der Verantwortung ...!) Die Äußerungen hier sind andere.

Frau Bundesrätin Hahn, ich muss Ihnen sagen, Sie können sich gerne kritisch zu meinen Ausführungen äußern. Ich würde Sie nur bitten, dass Sie mich richtig zitieren. Ich habe zu keinem Zeitpunkt bestritten – ganz im Gegenteil –, dass es Zäune gibt, sondern ich habe gesagt, es wird diese physischen Barrieren als eine von vielen Maßnahmen auch brauchen, und die müssen effizient sein, denn sonst helfen sie nicht. (Bundesrätin Hahn: Ja, aber das sind sie offensichtlich nicht! Das sind sie offensichtlich nicht!)

Also insofern sind wir da auf dem Weg, indem wir auch in Europa eine Debatte angestoßen haben, wo diese Dinge jetzt ganz oben auf der Agenda stehen. Dazu möchte ich auch sagen, dass der Koalitionspartner völlig recht hat. Ich darf hier Klubobfrau Sigi Maurer zitieren, die von der Notwendigkeit gespro­chen hat, „Ordnung und Humanität“ walten zu lassen. Das braucht es. (Bundes­rätin Hahn: Fragen Sie einmal in Traiskirchen ...!) Es braucht die Gewissheit für die Bürgerinnen und Bürger, dass sie sich auf den Rechtsstaat verlassen kön­nen, und Rechtsstaat bedeutet, dass Menschenrechte auch gewahrt werden und dass die Einhaltung von Gesetzen auch gewährleistet werden kann. Dafür braucht es die Maßnahmen, die wir auf europäischer Ebene jetzt auch zu Recht laut einfordern. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundes­rates Leinfellner.)

Dann noch zur Sache, die Sie hoffentlich hier beschließen, indem Sie keinen Einspruch erheben: Da geht es darum, dass die Coronazahlen mittlerweile stabil sind. Ich sage aber auch ganz deutlich (Bundesrätin Steiner-Wieser: Corona ist vorbei!): Vorsicht ist besser als Nachsicht! Wir wollen hier diese Sonderbestimmungen zu Covid-19 noch einmal um ein halbes Jahr verlängern – auch, um dann in dieser Zeit zu entscheiden, welche Bestimmungen wir ins Dauerrecht übernehmen, welche sich bewährt haben.


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Ein Beispiel dafür möchte ich nennen: dass die Ministerratssitzungen, aber auch Gemeinderatssitzungen per Videokonferenz abgehalten werden können. Wir hoffen alle, dass das nicht mehr notwendig ist. Ich bin auch ein Freund von persönlichen Zusammenkünften, sich in die Augen zu schauen, sich auf glei­cher Augenhöhe zu begegnen und die Dinge auszudiskutieren. (Bundes­rätin Steiner-Wieser: Das tut ja die ÖVP nicht!) Es gibt auch Möglichkeiten für Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtliche Verfahren, dass zum Beispiel dann Verhandlungen digital beziehungsweise hybrid durchgeführt werden können. Da gibt es Wünsche aus der Verwaltung, manches ins Dauerrecht zu übernehmen, und das halte ich für gut und richtig.

Ich glaube aber auch, dass, wenn wir uns nun noch ein halbes Jahr überlegen, was davon übernommen wird und was man sozusagen nach dieser Zeit der Covid-Phase wieder ausscheiden kann, das gut und richtig ist und dazu beiträgt, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken. Insofern hoffe ich, dass Sie keinen Einspruch gegen diese beiden Punkte erheben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.51


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Novak: Natürlich!) – Bitte, Herr Bundesrat Steiner. (Zwischenruf bei der FPÖ.)


11.51.48

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Frau Ministerin! (Ruf bei der ÖVP: Bundesministerin!) Nur einmal zur Aufklärung: Sie haben von der Ministerbank aus nicht zu beurteilen, was Bundesräte wie und wann zu welchem Tagesordnungspunkt sagen (Beifall bei der FPÖ), denn es gilt gott­lob in Österreich immer noch das freie Rederecht. (Bundesrat Schreuder: Und wir dürfen sagen, dass wir eure Wortmeldungen ... finden!) Sie als Minister sind Gast in diesem Hohen Haus und nicht Bundesräte (Beifall bei der FPÖ) und die


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Sitzung hat allein der vorsitzführende Präsident oder Vizepräsident zu leiten. Wenn ein Kollege von uns hier im Saal von Morden spricht, die von ille­galen, legalen oder wie auch immer gearteten Migranten an Österreichern begangen werden, dann ist das sein verdammt noch einmal gutes Recht, auch wenn Sie es aufgrund Ihres Versagens nicht hören wollen, verdammt noch einmal! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein 42-jähriger Familienvater wurde gestern von einem Syrer so auf den Kopf geschlagen, dass er hirntot ist. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Ein Fa­milienvater! Haben das unsere Österreicher verdient? – Nein, das ha­ben sie nicht! Verdammt noch einmal, dann reden wir hier darüber, über genau solche Sachen! (Beifall bei der FPÖ.) Was war mit dem Fall Leonie? Was ist passiert? Sie reden vom Recht auf Leben! Hat dieser 42-jährige Familienvater kein Recht auf Leben? Hat Leonie kein Recht auf Leben? Natürlich haben die auch ein Recht auf Leben, Frau Minister! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbe­merkung von Bundesministerin Edtstadler.)

Nun zu Ihrer Doppelmoral: Da sind normalerweise die Grünen Weltmeister, aber ihr von der ÖVP steht dem kaum nach. Was den Iran betrifft, da herrscht ein Kopftuchzwang. Worum geht es denn den Frauen im Iran, die frei sein wol­len? Die wollen das Kopftuch nicht mehr tragen und werden eingesperrt (Bundesrätin Miesenberger: Aber nicht nur! Da geht’s um viele andere Dinge auch noch!), wenn sie ohne Kopftuch auf die Straße gehen. Es ist gut und recht, dass wir ein Zeichen aus Österreich setzen. Wir haben aber einen Bundespräsi­denten, der sich vor nicht einmal fünf oder sechs Jahren hingestellt hat und gesagt hat: Wir werden aus Solidarität alle Kopftuch tragen müssen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) So schauen die grünen Vorstellungen aus! So schauen sie aus, Frau Ministerin! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Doppelmoral hier im Saal: Da stellt sich die Grüne heraus und redet, wie schlimm das im Iran ist. Kein einziges Wort verliert sie zu den umge­brachten Österreicher:innen – Kindern, so wie Leonie, die von Ihren ins Land gebrachten Migranten umgebracht werden. Nicht ein Wort war Ihnen das


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wert! Das ist ein Skandal – ein Skandal! (Beifall bei der FPÖ.) Hören Sie auf mit Ihrer Doppelmoral, egal, ob von Regierungsbank oder Schwarz-Grün, das ist nämlich traurig und unglaublich! (Anhaltender Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

11.54


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... Mund aufmacht, ist der Herr Steiner!)


11.55.22

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gut, dass sich die freiheitliche Fraktion wieder beruhigt hat – aber bei diesem Tagesord­nungspunkt diese Kraftmeierei hier aufzuführen, vom Rednerpult zu schreien?! (Bundesrat Steiner: Österreicher werden umgebracht!) – Herr Kollege Steiner! (Bundesrätin Kaltenegger: Wie ein kleines Kind!) Hier draußen zu stehen und bei diesem Thema zu schreien, ist wirklich unerträglich und ist nicht notwendig. (Bundesrat Steiner: Das ist ein wichtiges Thema, das ist ein wich­tiges Thema!) Wenn du schon behauptest, dass die Frau Ministerin nicht dafür zuständig sei, welche Worte hier gesagt werden können oder was zum Tagesordnungspunkt passt oder nicht – ich kann das und ich kann das auch beurteilen. (Bundesrat Steiner: Nein, kannst es nicht!)

Ich sage ganz einfach klar und deutlich: Die Frau Bundesministerin hat schon recht gehabt: Der Redebeitrag des Kollegen Leinfellner hat mit dem gegenständlichen Verhandlungspunkt überhaupt nichts zu tun gehabt (Beifall bei der ÖVP), Herr Kollege Harry Himmer hat darauf hingewiesen. – Das ist eine Sache.

Die zweite Sache ist: Hier im Saal wird nichts verniedlicht, und daher brauchen wir diese Kraftmeierei und die Kraftprotzerei der Freiheitlichen hier herin­nen überhaupt nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Leinfellner: Das beurteilt die ÖVP Niederösterreich! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

11.56



BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 103

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächster zu Wort gelangt Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.57.08

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Lieber Christoph Steiner, bei allem oppositionellen Verständnis (Bundesrat Spanring: Na, du hast kein oppositionelles Verständnis! Du bist lieber in der Regierung!) möch­te ich nur festhalten: Das ist ein Missbrauch bedauerlicher Opfer wie der jungen Leonie. (Ruf bei der FPÖ: Ist das jetzt ein Missbrauch?! – Bundesrat Steiner: Das ist ein Missbrauch?) Ihr missbraucht hier Fälle! (Bundesrat Steiner: Ja, bist du wahnsinnig?! – Ruf bei der FPÖ: Irre!) – Ja, ihr missbraucht diese Fälle, um euren Rassismus auszurollen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Stei­ner: Ja, bist du wahnsinnig?!) – Jetzt halt einmal ganz kurz den Rand! Wahn­sinnig bin nicht ich, wahnsinnig ist der Missbrauch von bedauerlichen Einzelfäl­len. Das ist der Wahnsinn! (Bundesrat Steiner: Einzelfälle?! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Das Nächste: Ich glaube, Kollege Himmer hat gesagt, die Bevölkerung hat ein Recht auf Sicherheit. Habe ich richtig zitiert? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr kommt mir nicht mehr, wenn es um Femizide geht! Ihr kommt mir nicht mehr, wenn es um Femizide geht!) – Ja, ist okay, ich spreche jetzt gerade mit Kollegen Himmer, ja? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja!) Okay?! (Heiterkeit des Bundesrates Himmer. – Ruf bei der ÖVP: Hör einmal mit deiner Keiferei auf!)

Kollege Himmer! Die Bevölkerung hat aber nicht nur ein Recht auf Sicherheit, sondern auch auf die Wahrheit. Du hast über Schengen gesprochen. Die Wahrheit ist, die Freunde dieser lautstarken Truppe (Bundesrat Himmer: Ich glaub, es kommt jetzt ganz sicher nur deine Wahrheit, deine Wahrheit!) hin­ter dir erfüllen die Arbeit nicht, nämlich Orbán und seine Regierung erfüllen die Arbeit nicht, die sie machen sollten: Es gibt keine Registrierung. (Bundesrat


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Spanring: ... die Ungarn sind zufrieden!) – 50 Personen wurden registriert! (Bundes­rat Spanring: Aber in Ungarn sind sie zufrieden!)

Das sind eure Freunde – das ist euer Modell –: die, die auf der Autobahn nur dastehen und nach Österreich durchwinken, und nicht das tun, was sie tun sollten. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser. – Bundesrat Spanring – auf dem Weg zum Präsidium –: Alle aufnehmen! Die ganze Welt in Europa aufnehmen! Das ist das Ziel der SPÖ! Ihr seid ja Traumtänzer!) Deshalb muss man sagen: Ungarn und Orbán erfüllen nicht die Aufgabe der Registrierung. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Bitte? (Bundesrat Spanring: Damit wir euch dann wählen können!) – Ja, er kann es nur bestätigen. Ah so, er geht hinauf auf den Hochsitz. Er überprüft die Debatte nun von oben. (Heiterkeit des Redners.)

In dem Sinne: Bitte hört auf, bedauerliche Einzelfälle, insbesondere vor Weihnachten, zu missbrauchen! Bleiben wir bei dem, was wir diskutieren sollen! Veranstalten wir aber nicht so eine Schreierei und so einen Missbrauch, wie er vor wenigen Minuten hier am Rednerpult passiert ist! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.59


Vizepräsident Günther Novak (den Vorsitz übernehmend): Ich wollte gerade sagen: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Nächster Redner: Herr Bundesrat Hübner. – Ich bitte um Ihre Ausführungen und vielleicht wieder um ein bissel Beruhigung und Sachlichkeit hier im Parlament, das wäre notwendig. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


12.00.19

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Also das kann ich Ihnen zusagen, dass es ruhig und sachlich zugeht. – Lieber Kollege da links, von der SPÖ, lieber Kollege Schennach, du findest viele Sachen besonders lustig. (Bundesrat Schennach: Lustig? – Bundesrätin Schumann: Was, lustig?) – Ja, du findest


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viele Sachen immer besonders lustig. Ich weiß nicht, warum du deinen Rede­beitrag – wobei es um wirklich tragische und katastrophale Todesfälle durch Gewalt geht (Ruf bei der SPÖ: Da war er nicht lustig! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) mit einem Gelächter darüber beendest, dass einer (in Rich­tung Präsidium weisend) hinaufgeht. Das verstehe ich schon gar nicht. (Bundesrat Schennach: Der Mann hinter dir!) Das zeigt, wie ernst du deinen Moralismus meinst. (Beifall bei der FPÖ.)

Wieso ist es – und das möchte ich wissen –, wenn Todesfälle, wenn Mordfälle, wenn Gewalttaten, die nicht ins eigene ideologische Spektrum passen - - (Bundesrat Schreuder: Wir lehnen hier alle Gewalt ab! Alle!) – Hör zu! Hör zu! (Bun­desrat Schreuder: Wir alle lehnen Gewalt ab!) – Ja, ja, ja, mit dem Mund, aber, lieber Kollege, du redest genauso mit gespaltener Zunge – um es mit Karl May zu sagen (Bundesrat Schreuder: Nein, das ist eine Unterstellung!) – wie die Frau Ministerin, würde ich sagen.

Nimm die Frau Ministerin her (in Richtung Bundesministerin Edtstadler), die uns vorhin in ihren Ausführungen in der Aktuellen Europastunde gesagt hat: Wichtigstes Element eines Staates ist, dass er kontrolliert, wer in ihn einreist, dass er seine Grenzen definiert. Wichtigstes Element eines Staates, sonst gibt es keinen Rechtsstaat! (Bundesrat Schreuder: Ja, genau, red vom Mikrofon weg, dann hören dich die Zuschauer nicht! – Bundesrat Schennach: Die Dolmetscher hö­ren nichts!) Das erklärt sie uns vorhin. Und jetzt? – Na ja, wir werden schau­en!, und: Wir werden machen! (Bundesministerin Edtstadler: Ja!)

Wenn es darum geht, die Grenzen Österreichs zu schützen, wenn es darum geht, das Dublin-III-Abkommen durchzusetzen, wenn es darum geht, Scheinasylan­ten abzuwehren: Was machen Sie? – Gar nichts! Gar nichts, gar nichts, gar nichts! Nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

Das Einzige – à la Schennach –: Ja, Orbán! (Zwischenbemerkung von Bundes­ministerin Edtstadler.) – Ja, ich habe zugehört. Verbal machen Sie vieles. Verbal


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macht auch Kollege Schennach vieles. Kollege Schennach findet zum Bei­spiel heraus: Schuld, dass die Migranten alle nach Österreich kommen wollen, ist Orbán! (Bundesrat Schennach: Was ist schuld?) Ja, Orbán ist schuld, er erfüllt seine Pflicht nicht. (Bundesrat Schennach: Ja sicher, er tut ja nichts!)

In Ungarn sind bis jetzt 49 Asylanträge gestellt worden. (Bundesrat Schennach: Weil der Rest durchgewachelt wird! Und der Häuptling Gespaltene Zunge heißt Steiner!) Es geht nicht um das Registrieren: 49 Asylanträge im ganzen Jahr, weil die Leute wissen, dass es in Ungarn ein realistisches Asylverfahren gibt, bei dem geschaut wird, ob der wirklich individuell, persönlich politisch verfolgt wird oder ob er in Europa einwandert (Bundesrat Köck: Weil es kein Geld gibt! – weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ); weil sie genau wissen, dass es dann, wenn er eine abgelehnte Asylakte hat, für ihn ungemütlich wird, dass es dann keine Klimabonusse und Ähnliches gibt, sondern dass er in ein Lager kommt und tatsächlich abgeschoben wird.

All das, so weiß man als Asylwerber und als Schlepper, passiert in Österreich nicht, und genau aus diesen Gründen haben wir die Misere, die wir heute haben. Wenn man dann nur darüber lacht oder Rassismus - - (Bundesministerin Edt­stadler: Es lacht ja keiner!) – Na, Sie nicht, aber (in Richtung Bundesrat Schennach) er! Wenn man nur darüber lacht und das lustig oder eine rassistische Ent­gleisung findet, sagt das etwas aus. – Wie haben Sie gesagt? – Man verwendet die Missbrauchsfälle, „um“ den „Rassismus“ auszuleben. (Ruf bei der FPÖ: Pfui! – Bundesrätin Schumann: Nein, hat er nicht gesagt! – Bundesrat Schennach: Die Opfer werden missbraucht!) Wortwörtlich haben Sie gesagt: „Um“ den „Rassismus“ auszuleben. (Rufe bei der SPÖ: Das tun Sie ja! Das tun Sie gerade!)

Wenn man das so abtut, lieber Kollege Schennach, wenn man das so ab­tut – „um“ den „Rassismus“ auszuleben, wie er sagt (Bundesrat Gross: Hetzer!) –, dann sagt das, wer der wirkliche Hetzer ist! (Bundesrat Schennach: Ihr! Es gibt da irgendwo einen Spiegel, da können Sie reinschauen! – Weitere Zwischen­rufe bei SPÖ und Grünen.)


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Wenn er jemanden, der die Opfer erwähnt, der die katastrophalen Sicherheits­lücken, die es gibt, der das Eingehen und Einknicken des Rechtsstaates vor einer illegalen Migrantenwelle anspricht – ich rede einmal nur von anspricht –, als einen bezeichnet, der seinen Rassismus auslebt, dann zeigt das auf der einen Seite, wie weit Sie von der Realität entfernt sind (Bundesrat Schennach: Ja! Natürlich!), auf der anderen Seite, dass Sie bereit sind, alles zu tun und jeden Begriff zu verwenden, um eine Sachdiskussion über diese katastrophale Sache zu verhindern (Heiterkeit bei der SPÖ – Bundesrätin Grimling: Eine Sachdiskus­sion? – Bundesrat Schennach: Das war der Steiner: sachlich ...! Großartig!), und dass Sie drittens verschiedene Grundlagen der Demokratie – es tut mir leid, dass ich das sagen muss – noch nicht gelernt haben.

Eine wesentliche Grundlage ist es, über Sachfragen wie den Zusammenbruch unseres Rechtsstaates angesichts der Migrantenwelle zu reden und dass man so etwas nicht mit Totschlagargumenten und dem ewigen Rassismusgefasel abtun kann. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

12.04


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Steiner-Wieser. – Bitte.


12.05.12

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich hier im Hohen Haus von Herrn Bundesrat Schennach von den Sozialdemokraten höre, dass Frauen­morde, dass ein Mord an einer Frau, an einem jungen Mädchen ein bedauerlicher Einzelfall ist, dann finde ich das mehr als beschämend: Ich finde es einfach geschmacklos und pietätlos. Dieses junge Mädchen, diese Frauen könnten heute noch leben. Geschmacklos, pietätlos! – Schämen Sie sich! Schämt euch! (Beifall bei der FPÖ.)

Eure Doppelbödigkeit allgemein ist nicht mehr auszuhalten. (Bundesrätin Grimling: Eure auch nicht!) Da werden Frauen, mutige Frauen im Iran, weil sie den


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Kopftuchzwang ablehnen – weil er ein Zeichen der Unterdrückung ist –, weil sie ihr Kopftuch abnehmen, verfolgt – und wir setzen kein Zeichen hier in Öster­reich und sagen: Aus Solidarität mit diesen mutigen Frauen im Iran führen wir hier in Österreich ein Kopftuchverbot ein!? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Wir stellen einen gemeinsamen Antrag! – Bundesrat Schennach: Das haben sie nicht mitgekriegt! – Ruf bei der ÖVP: Es gibt einen Allparteienantrag, Frau Kollegin ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kopftuchtragen ist ein Zeichen der Unterdrückung. Es ist ein Zeichen der Unter­drückung, aber auch das passt ja ins Bild, wenn man die Frau Minister hier sieht. (Ruf bei der ÖVP: Was ist denn da los?) Vor einem Jahr hat die Frau Minister noch gesagt, dass wir Ungeimpften uns ab 1. Februar zu Unrecht in diesem Land befinden, aber jeden Tag lässt man 500 Illegale ungetestet, nicht überprüft über unsere Grenzen marschieren. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Was soll das jetzt?)

In der Zeitung steht man aber groß da! In der Zeitung haben wir schon vor zwei, drei Tagen gesehen: Wen wir über unsere Grenzen lassen oder nicht, das entscheiden wir! – Ja, Herrschaftszeiten, dann machen Sie es! Schützen Sie die Grenzen! Schließen Sie die Grenzen! Setzen Sie Zeichen! (Beifall bei der FPÖ.)

Vor allen Dingen erwarte ich mir bitte von den Grünen, dass ihr vielleicht einmal irgendein Foto von einer jungen, mutigen Frau abbilden lasst. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wer schreit, hat nicht recht!)

12.07


Vizepräsident Günther Novak: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schreuder. –Bitte, Herr Kollege.


12.07.49

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich finde, das ist bedauerlich, weil wir jetzt einen gemeinsamen Antrag aller Parteien geschafft haben, um die Gräueltaten im Iran gemeinsam hier zum Thema zu machen


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(Bundesrat Schennach: Das hat sie nicht mitbekommen!), und diese Einstimmigkeit war uns im Vorfeld auch wichtig. Umso bedauerlicher finde ich, dass wir diese jetzt verlassen, und hier – wahrscheinlich weil das Fernsehen da ist – ein Schaukampf veranstaltet wird. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es gibt nämlich sehr vieles, was uns da eint. Was uns eint, ist auch der Gedanke, dass jedes Verbrechen gegen Leib, Leben und so weiter verfolgt werden muss (Bundesrätin Steiner-Wieser: Einzelfälle!) – ganz egal, wer das Opfer ist und ganz egal, wer der Täter oder die Täterin ist. (Beifall bei den Grünen, bei Bun­desrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Das werden wir immer denken, aber es ist tatsächlich so – und da hat Kollege Schennach ja recht –: Wenn ein furchtbares Verbrechen zum Anlass genommen wird, alle, die dieselbe Herkunft wie der Täter haben, zu instrumentalisieren und zu behaupten, dass wir ein Problem mit der gesamten Bevölkerungsgruppe haben, dann ist das nicht redlich. Das ist rassistisch, da hat er recht. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Eines möchte ich auch sagen: Ich war ja auch sehr, sehr lange im Wiener Ge­meinderat, und damals hat die FPÖ immer plakatiert, dass viel zu wenige gut Deutsch können. Dann haben wir sehr viele Maßnahmen beschlossen, und die FPÖ hat immer dagegengestimmt – das ist etwas, worüber man sich dann immer wundert. (Bundesrat Schennach: Ja, weil sie nicht so gut Deutsch kann!) Ich glaube, Sie wollen auch gar nicht. Das ist das, was ich dann nie verstehe, weil es einfach ein Widerspruch ist. (Bundesrat Schennach: Die Deutschfehler auf FPÖ-Plakaten sind Legende!)

Wir sind ja nicht weltfremd (Ruf bei der FPÖ: Na ja!), wir wissen durchaus, wo es Probleme gibt. Wir wissen, jede Kommunalpolitikerin und jeder Kommu­nalpolitiker kennt die Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, wobei es oft soziale Probleme sind und gar nicht irgendwelche Fragen von Herkunft


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oder dergleichen. Das sind Chancenfragen, das sind Bildungsfragen. Wir wissen, welche Herausforderungen wir haben und wie schwierig das manchmal ist.

Eines finde ich aber unredlich: ganze Bevölkerungsgruppen zu kriminalisieren, die nichts dafür können. Das möchte ich hier zurückweisen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.10


12.10.25

Vizepräsident Günther Novak: Nach einem Blick in die Runde: Weitere Wort­meldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätz ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staats­bürgerschaftsgesetz 1985 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Stefan Schennach, Dr. Johannes Hübner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Eintreten gegen die Todesstrafe im Zusammenhang mit den Protesten im Iran“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschlie­ßungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.


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Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (361/E-BR/2022)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes und bedarf daher der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglie­der und einer mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mit­glieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unter­liegt – keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zwei­drittelmehrheit fest.


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12.13.453. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsge­setz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienst­rechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pensionsgesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Rechts­praktikantengesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Bundesgesetz über die Leistung eines besonderen Erstattungsbetra­ges anlässlich der Aufnahme in ein Dienstverhältnis zum Fürstentum Liechten­stein als Richter oder Staatsanwalt, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das Bundes-Sportförderungsgesetz 2017, das Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 und das Zustellgesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2022) (1793 d.B. und 1865 d.B. sowie 11136/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den
Bericht.


12.14.22

Berichterstatter Marco Schreuder: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbe­dienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Lan-


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deslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrperso­nengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrperso­nengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, die Reise­gebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundes-Bedienste­tenschutzgesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Gerichtsorganisa­tionsgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Bundesgesetz über die Leistung eines besonderen Erstattungsbetrages anlässlich der Aufnahme in ein Dienstver­hältnis zum Fürstentum Liechtenstein als Richter oder Staatsanwalt, das Bundes­pensionsamtübertragungs-Gesetz, das Bundes-Sportförderungsgesetz 2017, das Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 und das Zustellgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Danke für den Bericht.

Ich begrüße Herrn Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport Mag. Werner Kogler bei uns im Plenum. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte.


12.16.25

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Vizepräsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Saal! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Man braucht sich in


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Österreich ja nur nach den Jahreszeiten zu orientieren: Wenn von den Bäu­men die Blätter fallen und der herannahende raue Wintermonat Dezember ins Land zieht, treffen sich in traditioneller Art und Weise in den unterschiedlichsten Verhandlungs- und Besprechungsräumlichkeiten die Vertreterinnen und Ver­treter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, vulgo Unternehmer und Ge­werkschafter, also die Sozialpartner. (Bundesrätin Schumann: Na die treffen sich im Frühjahr auch, ...! Es gibt Frühjahrs...!)

Gelernte Österreicher kennen dieses schon zu einem Ritual gewordenen Zeremoniell. (Ruf bei der SPÖ: Keine Ahnung ...!) Die meisten kennen nicht das genaue Verhandlungsergebnis, aber die strategische Vorgangsweise und den Stil: Konfliktvermeidung ist ausgeschlossen, man hat ja schließlich eine Klientel zu vertreten. Durchsetzung ist verletzend, hat ein Sieger- und Verliererimage – wer will schon als Verlierer aus der Arena gehen? Laisser-faire, schleifen lassen, gilt vor allem nicht als verantwortungsvoll und wird auch als Führungsschwäche ausgelegt. Also wird man sich wieder für die altbewährte Form, den Kompro­miss, entscheiden: Man trifft sich in der Mitte.

Nicht die inhaltlichen Ergebnisse waren in den verschiedensten Gremien überraschend, sondern wie die einzelnen Interessengruppierungen miteinander umgegangen sind, wie ernsthaft ihnen das Ergebnis für die Betroffenen oder die eigene Eitelkeit wichtig waren.

Wie wirklich konstruktive und sachliche Verhandlungen aus- und durchgeführt werden können, zeigten der Herr Vizekanzler und der Vorsitzende der Gewerkschaft öffentlicher Dienst Norbert Schnedl. Das sollte als Lehrbeispiel auch an der Otto-Möbes Akademie oder an sonstigen Institutionen der Gewerkschaft öfter gezeigt werden. Klüger und gescheiter kann man immer werden, hat auch jemand von der linken Reichshälfte einmal gesagt. So macht man also professionelle Gehaltsverhandlungen.

Künstliches Gepoltere, permanente Streikdrohungen und deren Umsetzungen am Beispiel der ÖBB sind verantwortungslos und zeugen eigentlich von rück­sichtslosem Machtgehabe und von Machtgier. (Beifall bei der ÖVP.)


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Was hat sich bloß der Vorsitzende der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerk­schaft Vida, Roman Hebenstreik, pardon, Hebenstreit (Heiterkeit bei der ÖVP) – der Name ist anscheinend gleichzeitig Programm –, gedacht, als er zur Stilllegung aller Zugverbindungen in ganz Österreich aufgerufen hat? (Bundesrätin Grimling: Wir sind bei der 2. Dienstrechts-Novelle! – Bundesrat Schen­nach: Macht und Gier war das am Anfang?) Was hat er sich gedacht, als er Ärzte, Kranken- und Heimpfleger, Pädagogen, Schüler und Schülerinnen, Sicher­heitsorgane, Polizei, Bundesheer et cetera an der pünktlichen, pflichtbe­wussten Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert hat? (Bundesrat Schennach: Aha!)

Er hat an sich gedacht. Er hat aus persönlichen Gründen mit der zu erwartenden Medienpräsenz hinsichtlich seiner weiteren Gewerkschaftskarriere speku­liert. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schmid.) Das ist letztklassig! Das ist letztklassig und wurde sogar von ÖBB-Generaldirektor Andreas Matthä (Bundesrätin Grimling: Wir sind bei der 2. Dienstrechts-Novelle!) – Sie brauchen nur zuzuhören; die Wahrheit tut weh, der Schmerz ist ver­ständlich –, übrigens ein Mitglied der SPÖ, scharf verurteilt. (Bundesrat Schmid: Das ist eine Frechheit!) Vielleicht könnte das Christkind dem Herrn Vorsit­zenden der Gewerkschaft zu Weihnachten eine Eisenbahn schenken, die kann er stoppen (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP), da kann er tun und lassen, was er will – aber nicht pflichtbewusste Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber von ihrer Arbeit abhalten!

Nun aber zum Positiven, und das gibt es Gott sei Dank ja auch: Ich darf festhalten, dass mit der 2. Dienstrechts-Novelle in diesem Jahr ein wirklich großer Wurf gelungen ist. Der Gehaltsabschluss ist mit 7,32 Prozent im Schnitt – die Bandbreite geht ja von 7,15 bis 9,41 Prozent – wirklich ordentlich aus­gefallen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das deckt zum einen eine Abgeltung der Leistungen der öffentlich Bediensteten ab, und zum anderen ist das in Zeiten der Teuerung natürlich auch ein wich­tiges Signal, das gesetzt wird. Gerade aufgrund der bevorstehenden Pensionie-


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rungswelle ist dies ein wichtiger Schritt, um den Nachwuchs, um die Jün­geren in allen Bereichen, in denen wir im öffentlichen Dienst Nachwuchsproble­me haben – wir sprechen de facto von allen Bereichen –, zu sichern. Dies ge­lingt mit dieser Novelle.

Wir müssen mittelfristig und langfristig ganz allgemein – wir haben das in der Steiermark unter dem damaligen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes schon umgesetzt, sein Nach­folger, Mag. Christian, ah, Christopher Drexler (Bundesrätin Grossmann: Kennen Sie ihn nicht so gut, gell?), setzt dieses Erfolgsmodell dort fort und modifi­ziert dieses – für die Jüngeren höhere und attraktivere Einstiegsgehälter gewähr­leisten.

Stellt man sich die Frage: Was beschäftigt die jungen Menschen?, sieht man: Es stehen in erster Linie Wohnen, Eigentum schaffen, Familiengründung an oberster Stelle. Es ist daher klar, dass es gerade in Zeiten wie diesen durch die weltweite Krisenentwicklung darum gehen muss, die Lebensverdienst­kurve etwas auszuschwenken, sodass auch jüngere Menschen höhere Gehälter bekommen können.

Wesentliche Punkte sind auch die Erweiterung des Benachteiligungs­schutzes und des Kündigungsschutzes sowie die Gleichstellung von Teilzeitbe­schäftigten mit Vollzeitbeschäftigten, wenn es darum geht, Mehrleistun­gen abzugelten. Das war bis jetzt in dieser Form nicht möglich und wird mit die­ser Novelle auch entsprechend angepasst.

Auch im Bereich der Exekutive, im Bereich der Justizwache und des Bundes­heeres werden Verbesserungen geschaffen. Eine Nachschärfung beim Bundesheer sowohl bei Chargen als auch bei der Funktionszulage der Unter­offiziere wird hier folgen, daran wird noch gearbeitet.

Die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, sei es auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene, stellen vielfach unter Beweis, dass sie in wichtigen Bereichen


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wie Gesundheit, Sicherheit, Bildung und vielen anderen gesetzlichen Ad­ministrationen erfolgreich tätig sind, stehen sie in manchen Bereichen auch pri­vatwirtschaftlicher Konkurrenz gegenüber, ohne diese scheuen zu müssen. Wir können auf unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst stolz sein, denn noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik hat der öffentliche Dienst seine Verlässlichkeit, seine Schlagkraft, seine Kompetenz und seine Wichtigkeit so zeigen können und müssen wie in der jetzigen welt­umspannenden Krisenzeit.

Schöne vorweihnachtliche Wünsche, ein steirisches Glückauf! (Beifall bei der ÖVP.)

12.23


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Elisabeth Grimling. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.24.04

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich möchte gleich am Anfang sagen: Ich möchte über die 2. Dienstrechts-Novelle sprechen und nicht ein Hickhack herbeiführen.

Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der Überbegriff Bundesdienstrecht umfasst alle Regelungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundesdienstes. Es bildet daher den recht­lichen Rahmen für die Tätigkeit beim Bund. Der Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichert die Kontinuität der Bundesverwaltung, trotz der ständi­gen Mehrbelastungen durch Personalabbau, Nichtnachbesetzungen von frei werdenden Planstellen, Aufnahmestopps und völliger Zurücknahme des öf­fentlich-rechtlichen zugunsten des privatrechtlichen Dienstverhältnisses.

Trotz vieler dringend erforderlicher Maßnahmen im öffentlichen Dienst herrschte seitens der Bundesregierung durch Monate hindurch völliger Still­stand. Man kann daher endlich – ich möchte fast sagen: in freudiger Erre­gung (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ) – dem vorliegenden umfangreichen


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Gesetzesvorhaben entgegenblicken, mit dem ein immenser Nachholbedarf an längst fälligen Regelungen für die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Verwaltung auf den Weg gebracht werden soll.

Dieses Gesetzeswerk, das die schlichte Bezeichnung 2. Dienstrechts-Novel­le 2022 trägt, beinhaltet in Wirklichkeit die Novellierung von nicht weniger als 24 Bundesgesetzen, die entweder ausschließlich oder auch nur mitumfas­send  den Bundesdienst betreffen. Ich habe schon wiederholt moniert, dass die­se Verschachtelung, auch wenn dies eine legitime legistische Methode ist, zu einer unübersichtlichen Informationslage führt und bei jenen, die in den je­weiligen Personalabteilungen für die Vollziehung zuständig sind, auf erheblichen Unwillen stößt. Auch für den Bundesrat sind solche Sammelnovellen verfas­sungsrechtlich bedenklich, da wir nur zur Gänze Einspruch erheben oder zustim­men können, was die verfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechte des Bun­desrates beschneidet. – Das ist nun einmal so, ich will mich aber mit dem positi­ven Inhalt befassen.

Was bringt das Gesetzeswerk also Neues? – Neben zahlreichen Detailmaß­nahmen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist zusätzlich eine Erhöhung der Einstiegsgehälter sehr wichtig. Diese waren bisher im Vergleich zur Privat­wirtschaft nur teilweise konkurrenzfähig. Die Erhöhung ist daher insbesondere für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger mit Berufserfahrung sehr wich­tig. Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger in den Bundesdienst werden auch während der Grundausbildung das ihrer Verwendung entspre­chende Grundgehalt bekommen. Ebenfalls steigen werden die Grundgehälter für Polizeischülerinnen und Polizeischüler, Aspirantinnen und Aspiranten in der Justizwache und Militärpersonen auf Zeit.

Etwas unklar erscheint mir das Projekt, wonach langjährige Führungskräfte, die ihre Leitungsposition abgeben wollen, weiterhin als Fachexpertinnen beziehungsweise als Fachexperten zur Verfügung stehen können. Sie sollen di­rekt einer Sektionsleitung, einer Gruppenleitung oder auch einem General-


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sekretär oder einer Generalsekretärin unterstellt werden. Dies ist für mich inso­weit fragwürdig, weil man dahinter die Absicht vermuten könnte, bei einem allfälligen Regierungs- oder Ressortchefwechsel für bestimmte Funktionen einen politischen Fortbestand zu sichern.

Dass in der Umsetzung von EU-Richtlinien oft Nachholbedarf besteht, darf ich als bekannt voraussetzen. Mit entsprechender Verzögerung wird nun­mehr die Ausweitung der Informationspflichten des Dienstgebers über wesent­liche Rechte und Pflichten betreffend das Dienstverhältnis in Form einer Mitteilung an Beamtinnen und Beamte beziehungsweise im Dienstvertrag für vertragliche Bedienstete in das Dienstrecht übernommen. Die Informa­tionspflicht umfasst präzise Angaben über das Ausmaß der Wochendienstzeit und des Erholungsurlaubes, die Bezüge samt Nebengebühren, den zustän­digen Sozialversicherungsträger, die Modalitäten der Grundausbildung, etwaige Befristungen und weitere für das Dienstverhältnis wesentliche Punkte.

Hierzu gehören die sinnvolle Erweiterung des Anspruchs auf Pflegefreistellung sowie ein Ausbau des Benachteiligungs- und Kündigungsschutzes. Positiv ist die neue Bestimmung zu sehen, wonach Beschäftigte nicht aufgrund der Re­duzierung ihrer Wochenarbeitszeit zur Betreuung eines Kindes, wegen einer zulässigen Nebenbeschäftigung oder aufgrund der Inanspruchnahme von Pflegezeit, Pflegefreistellung, Frühkarenzurlaub und Telearbeit benachtei­ligt beziehungsweise gekündigt werden dürfen.

Aus der Vielzahl weiterer Neuregelungen möchte ich noch jene Bestimmungen hervorheben, die allgemein und nicht nur für bestimmte Bedienstetengrup­pen gelten.

Anspruch auf Pflegefreistellung besteht hinkünftig auch, wenn die erkrankte oder verunglückte Person ohne Erfüllung des Kriteriums eines nahen An­gehörigen mit dem betreffenden Bediensteten im gemeinsamen Haushalt lebt.


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Im Disziplinarrecht sind unter anderem Anpassungen bei der Bemessung von Geldbußen und Geldstrafen, bei den Verjährungsbestimmungen sowie bei der Übernahme von Verfahrenskosten geplant.

Für die einheitliche elektronische Zustellung von Bescheiden und anderen Do­kumenten wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen.

Hinsichtlich der bei 25 und 40 Dienstjahren gewährten Jubiläumszuwendung wird klargestellt, dass sich deren Höhe nach der mit Ablauf der Dienstzeit erreichten besoldungsrechtlichen Stellung richtet.

Bei Gleitzeitdienstplänen kann in Hinkunft von der Festlegung der Blockzeit abgesehen werden.

Bei Dienstreisen sollen ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Aufträge für Dienstreisen sollen nur dann erteilt werden dürfen, wenn der Zweck durch nichts anderes, etwa durch Webmeetings, erreicht werden kann. Zudem werden verschiedene Anreize für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für not­wendige Dienstreisen und für den Arbeitsweg geschaffen.

Neu ist ferner die Einbindung eines Personalsenats bei der Bestellung der Spitzenpositionen des Obersten Gerichtshofes; wünschenswert wä­re die Objektivierung der Besetzung aber auch für andere rechtsstaatliche Einrichtungen, wie zum Beispiel den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof.

Für alle Bundesbediensteten besonders wichtig ist aber die Umsetzung des Gehaltsabkommens mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst über die Gehaltsregelung für 2023 vom 23. November 2022. Die Gehälter werden staffelwirksam – zwischen 9,41 Prozent und 7,15 Prozent – erhöht, aber mindestens um 170 Euro. Die Erhöhung der Zulagen beträgt 7,32 Prozent.

Ich darf mich, und damit bin ich jetzt schon beim Schluss, bei allen öffentlich Bediensteten – ob es, wie es mein Vorredner gesagt hat, bei Bund, Land,


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Gemeinde, Bezirk ist – herzlich für ihr Engagement bedanken, für ihr immerwäh­rendes Zurverfügungstehen für die Bevölkerung und wünsche allen ein schönes Fest, einen guten Rutsch ins Jahr 2023 – bitte nicht ausrutschen, son­dern gut hinüberkommen –, und ich wünsche mir, dass ihr Engagement weiter bestehen bleibt.

Im Hinblick auf all das, was ich gesagt habe, wird unsere Fraktion dieser Dienst­rechts-Novelle ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.34


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.35.03

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Vizekanzler! Werte Kollegen im Bundesrat! (Bundesrätin Zwazl: Kolle­ginnen gibt es auch!) Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Die Redezeit werde ich heute nicht einhalten können, das Thema ist einfach zu wichtig. Ich werde ein bisschen überziehen. (Bundesrätin Kittl: Ja, dann ist ja die Geschäftsordnung ...! – Ruf bei der ÖVP: Aber sich hin­stellen in der Früh und deppert reden, gell? – Ruf bei der ÖVP: Ihr seid ja wirklich ...!)

Ich möchte etwas ansprechen, weil der ORF heute einmal nach langer Zeit wieder hier ist: Ich muss wirklich eines sagen: Erstens einmal hat es lan­ge gedauert, bis er wieder einmal hierhergekommen ist. Und zweitens haben wir gestern eine Sitzung von 14 Uhr bis 22 Uhr gehabt und haben heute eine ganztägige Sitzung, und der ORF schafft es gerade einmal, dass er heute von 9 bis 13 Uhr anwesend ist. (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.) Also, meine Damen und Herren, da sehe ich den Bildungsauftrag des öffentlich-recht­lichen Fernsehens nicht erfüllt. (Bundesrat Kornhäusl: Besser, wenn er nicht da ist! Er ist erfüllt!) Das ist übrigens keine Kritik an den Kameraleuten, weil die ihre Arbeit sehr gut machen, die Kritik richtet sich natürlich an die Füh­rung im ORF. (Beifall bei der FPÖ.)


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Warum ist es so wichtig, dass der ORF alle Sitzungen überträgt? – Damit wirklich all das, was alle Mitglieder des Bundesrates aller Fraktionen hier sagen, un­gefiltert zur Bevölkerung kommt, weil wir ja wissen – wir haben vorige Woche das, was wir immer schon geahnt haben, leider schmerzlich bestätigt be­kommen –, dass es in Niederösterreich eine Landeshauptfrau gibt, die den Lan­deschef des ORF zu sich holt und ihm sagt, was zu berichten ist, und der setzt das dann grauslicherweise auch noch um. Und ich gehe einmal davon aus, es wird im Bund und in anderen Ländern nicht viel anders sein. (Beifall bei der FPÖ.)

So, nun zur Dienstrechts-Novelle: Der Gehaltsabschluss – eine Erhöhung von im Schnitt 7,32 Prozent – ist annehmbar, aber aufgrund der aktuellen Teue­rung, die sich ständig über 10 Prozent bewegt, reden wir trotzdem von einem Realverlust, auch das muss wirklich allen klar sein.

Wir Freiheitliche werden gegen diese Dienstrechts-Novelle 2022 keinen Ein­spruch erheben – aber nicht, weil wir die Gehaltsanpassung so großartig finden, sondern, weil eben einige andere freiheitliche Forderungen hier zumin­dest zum Teil umgesetzt wurden. Wichtig sind für uns die höheren Ein­stiegsgehälter und die höheren Überstundenzuschläge. Das ist eine längst über­fällige Maßnahme aufgrund der immer akuter werdenden Unterbesetzung in allen Bereichen im öffentlichen Dienst.

Es ist ganz einfach notwendig, dass der Staat als Dienstgeber in vielen Bereichen attraktiver wird, um der Konkurrenz, und da rede ich von der Privatwirt­schaft, ganz einfach Paroli bieten zu können. Dass damit Dienstjunge endlich höhere Einstiegsgehälter bekommen, ist wichtig und richtig, aber ich sage Ihnen eines, Herr Vizekanzler: Das allein wird wahrscheinlich nicht reichen. Etwas, das vor vielen Jahren noch undenkbar gewesen wäre, passiert jetzt näm­lich regelmäßig: Neben der natürlichen Pensionierungswelle, die jetzt die Babyboomer-Generation betrifft und so schon fast nicht ausgeglichen werden kann, gibt es jetzt immer öfter Beamte und Vertragsbedienstete, die ganz einfach kündigen und in die Privatwirtschaft wechseln – und nicht nur, weil man


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dort oftmals besser verdient, sondern auch, weil die Arbeitsbedingungen, unter anderem wegen fehlendem Personal, mit der Zeit einfach uner­träglich werden.

Das können wir quer durch alle Sparten im öffentlichen Dienst beobachten: Polizei, Justizwache, Bundesheer, Pflege und viele, viele Bereiche mehr. Bereiche oder Berufe, die früher hoch begehrt waren, sind es heute nicht mehr, und es ist aufgrund allgemein schlechter Rahmenbedingungen schwer, Personal da­für zu finden.

Ich habe jetzt im November und Dezember einige Justizanstalten, einige Kasernen, auch Polizeiposten besucht, und überall dort, wo die Unzufriedenheit am größten war, war es leicht, einen gemeinsamen Nenner zu finden, und das war wirklich Personalknappheit, also fehlendes Personal. Und warum? – Weil dadurch immer mehr Aufgaben, immer mehr Aufwand auf immer weniger Bedienstete abgewälzt wird, und da, Herr Vizekanzler, ist wirklich drin­gender Handlungsbedarf gegeben, denn das ist eine Abwärtsspirale.

Die Bediensteten, die noch da sind, müssen jetzt Überstunden leisten und Zusatzdienste machen, freie Tage gibt es so gut wie keine mehr, und das hält der Körper ganz einfach auf Dauer nicht aus. Was ist die Folge? – Zusätzlich gehen diese Beamten dann auch noch in Krankenstand, und das spitzt die Situa­tion noch weiter zu.

Fehlendes Personal bedeutet aber auch einen schlechteren Service und auch weniger Sicherheit, und das kann und darf es bitte nicht sein. Da sind wir wieder bei dem, was wir heute schon mehrere Male angesprochen haben: Wir sind doch angeblich ein so reiches Land – Herr Vizekanzler, handeln Sie bitte jetzt! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt, der zur Verbesserung beitragen würde, wäre echte Wertschätzung – echte Wertschätzung für unsere öffentlich Bediensteten, die diese auch verdienen. Da schaue ich jetzt einmal ganz bewusst die NEOS


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an, die, denke ich, bis heute noch nicht verstanden haben (Zwischenruf bei der FPÖ), was wir an unseren Beamten, den öffentlich Bediensteten und Ver­tragsbediensteten haben und was die in den unterschiedlichen Bereichen alles leisten. Ich will Ihnen nur eines sagen – Sie (in Richtung Bundesrat Arla­movsky) können schon lachen –: Die heutige Sitzung würde gar nicht stattfinden, wenn wir die nicht hätten. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich schaue dabei auch ganz bewusst die ÖVP an, weil halt Ihre Politik der leeren Versprechungen wenig hilfreich ist. Was meine ich damit? – Ein Beispiel: Ich sage nur Pflegebonus. 2 000 Euro wurden versprochen, und jetzt kommt man drauf, das bekommen erstens wieder nicht alle in der Pflege und das müssen zweitens viele jetzt noch nachträglich versteuern und Sozialversicherung dafür zahlen. Da bleiben unterm Strich 800, 900 Euro übrig. Ich sage Ihnen eines: Da fühlt man sich zu Recht gepflanzt, und das ist demotivierend. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Punkt – den hat Kollege Schwindsackl kurz angesprochen –, der hoffentlich bald verbessert wird und mit dem wir sehr unzufrieden sind, betrifft ein­mal das Bundesheer. Da spiegelt das vorliegende Ergebnis die angekündigte Wertschätzung, die versprochene Wertschätzung der Leistungsträger beim Bundesheer wirklich nicht in vollem Umfang wider. Die Funktionsgrup­pen 3 und 4 sind völlig unberücksichtigt geblieben. Ebenfalls wurde beim Grundgehalt keine Harmonisierung vollzogen. Eine zeitgemäße und faire Bezah­lung der Unteroffiziere sieht anders aus und ist auch längst überfällig.

Ein weiterer Punkt, den wir Freiheitliche kritisieren, betrifft ebenfalls die fehlende Fairness gegenüber den Jungen. Im BDG steht in § 11 Abs. 2: „Die De­finitivstellung wird durch eine Beeinträchtigung der persönlichen Eignung des Beamten nicht gehindert, wenn diese Beeinträchtigung auf Grund eines Dienstunfalles eingetreten ist, den der Beamte nach einer Dauer des pro­visorischen Dienstverhältnisses von vier Jahren erlitten hat.“


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Meine Damen und Herren, was bedeutet das in der Praxis? – Natürlich sind es zum Beispiel bei der Polizei, bei der Justizwache, beim Militär gerade die Jungen, die, wenn es um brenzlige Einsätze geht, ganz vorne dabei sind. Somit sind die natürlich auch überdurchschnittlich oft einer höheren Gefahr aus­gesetzt. Dann verstehe ich nicht, was diese vier Jahre sollen. Wenn sich der Be­amte im ersten, zweiten oder dritten Jahr aufgrund eines Einsatzes für den Staat schwer verletzt, dann hat er Pech gehabt und wird nicht definitiv gestellt, aber nach dem vierten Jahr schon. Das ist in unseren Augen ein völliger Un­sinn, komplett unfair und auch eine Geringschätzung der jungen Kollegen. Des­halb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Fairness für exekutivdienstleistende öffentlich Bedienstete“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport sowie der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, durch welche sichergestellt wird, dass eine Beeinträchtigung auf Grund eines Dienstunfalls in Ausübung exekutivdienstlicher Pflichten – unabhängig von der Dauer des provisorischen Dienstverhältnisses – kein Hindernis für die Definitivstellung darstellt.“

*****

Ich hoffe auf breite Zustimmung.

Ich habe noch ein Anliegen – weil Weihnachten ist, darf man sich ja etwas wünschen –: Es geht um eine solidarische Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker und Topmanager in Zeiten, in denen sich viele Landsleute das Leben ganz ein-


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fach nicht mehr leisten können, sie jeden Euro zweimal oder noch öfter umdre­hen müssen. In solchen Zeiten, meine Damen und Herren, kann es doch nicht sein, dass Bundespräsident Van der Bellen sich eine monatliche Gehaltser­höhung in der Höhe von 1 350 Euro und Bundeskanzler Nehammer eine monatliche Erhöhung von 1 200 Euro gönnen. Was soll das, meine Damen und Herren? (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das ist ein Betrag, den viele Menschen nicht einmal als Einkommen oder als Pension haben, den diese Herrschaften jetzt als Erhöhung dazube­kommen sollen. Das kann in so einer Zeit nicht sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Vizekanzler – Sie sind heute hier –, auch Sie würde es betreffen, Sie würden eine Erhöhung von immerhin 1 050 Euro monatlich erhalten. Jetzt seien wir doch ehrlich, Herr Vizekanzler: Ganz nüchtern betrachtet werden Sie ja mit 20 000 Euro im Monat das Auslangen finden, es müssen nicht unbedingt 21 000 Euro sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Solidarische Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker und Top-Manager“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorla­ge vorzulegen, die eine Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker zum Inhalt hat. Dazu soll die in § 2 Abs. 2 Bundesbezügegesetz vorgesehene Anpassung des Ausgangsbetrages gemäß § 3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre bis 31. Dezember 2022 für die in § 3 Abs. 1 Z 1 bis 17 Bundesbezügegesetz genannten Organe ent­fallen. Ferner sollen höchstrangige öffentlich-rechtlich Bedienstete und Manager


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im staatsnahen Bereich ebenso zur solidarischen Nulllohnrunde verpflichtet werden.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich denke, das ist fair. Jetzt können Sie von der Regierung auch einmal echte Solidarität zeigen.

Abschließend habe ich noch einen Punkt, den ich hier ansprechen will: Es geht mir um die eingeführte Schwerarbeiterregelung für die Justizwache. Das war wirklich gut gemeint, doch leider ist sie wirklich schlecht gemacht und schürt – ich habe mit vielen Kollegen gesprochen – nur Neid, Missgunst und Unzufriedenheit.

Sie können mir glauben, dass der Beruf des Justizwachebeamten ein sehr fordernder ist, einerseits die ständige Gefahr, andererseits haben sie dort drinnen sehr selten positive Erlebnisse in der Arbeit. Ebenso sind die Arbeitsbedingungen in den Gefängnissen, wie Sie sich denken können, nicht ideal (Bundesrätin Kittl: Wie schaut es mit der Geschäftsordnung und der Redezeit aus?), und dazu kommen auch noch die gesundheitsschädlichen Schicht- und Wechseldienste.

Bei der Ausarbeitung Ihrer Regelung sind Ihnen vor allem zwei Systemfeh­ler passiert, die schnellstmöglich behoben werden müssen. (Bundesrä­tin Schumann: Nur so lange, bis die Übertragung weg ist!) Einerseits werden Kran­kenstände ab dem 30. Tag nicht berücksichtigt. Kollegen, die jetzt beispiels­weise einen schweren Dienstunfall – ich denke da jetzt einmal an die Einsatzgruppe im Zuge einer Absonderung – oder eine schwere Erkrankung haben und gerechtfertigt nicht arbeiten können, werden somit zusätz­lich schlechtergestellt. Sie müssen die Zeit als 60-Jährige nachholen und länger Dienst verrichten.


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Andererseits werden Arbeitsplätze im ständigen Insassenkontakt – das ist der zweite Punkt –, zum Beispiel die Aufnahme, die Entlassung, das Depot, das Ordnungsstrafreferat und viele mehr, nicht analog berücksichtigt, sondern von der neuen Schwerarbeiterregelung faktisch ausgeschlossen. Das ist das, was ich am Anfang gesagt habe: Da entsteht Unmut.

Was noch passiert: Man wird ganz einfach für gewisse Bereiche kein Personal mehr finden. Das ist ja auch klar. Warum soll man sich auf einen Arbeits­platz bewerben, bei dem man genauso Insassenkontakt wie alle anderen hat, der andere aber wegen der Schwerarbeiterregelung fünf Jahre früher in Pen­sion gehen darf? (Bundesrätin Schumann: Pflegekräfte auch nicht!) Sie werden da­für keine Personen mehr finden. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines muss ich hier noch sagen: Entweder ist man Justizwachebeamter oder nicht. Was da passiert, ist wieder eine Spaltung, ein Auseinanderdividieren. Als Justizwachebeamter ist man Exekutivbeamter, und als Exekutivbeamter ist es nun einmal so, dass man jederzeit – no na net – mit einem Insassen zusam­menkommen kann, egal in welchem Bereich man eingeteilt ist, besonders im Nachtdienst, aber besonders auch in der Einsatzgruppe, die da überhaupt nicht berücksichtigt wurde.

Dahin gehend hat unser Nationalratsabgeordneter Christian Lausch einen Ent­schließungsantrag eingebracht, von dem ich hoffe, dass Sie ihn positiv behandeln werden. So, wie es jetzt geregelt ist, gibt es viele Ausnahmen, bei denen Justizwachebeamte keinen Anspruch auf die Schwerarbeiterregelung haben, da­bei müsste es genau umgekehrt sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Zusammengefasst: Die Dienstrechts-Novelle bringt keine Verschlechterung. Das ist auch der Grund, warum wir heute zustimmen werden. Hätte man mehr auf freiheitliche Forderungen gehört und würde man diese umsetzen, wäre das Ergebnis natürlich deutlich besser.


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Zu einigen Zwischenrufen und dem, was am Anfang wieder wegen der Redezeit war, möchte ich sagen: Es gibt eine ganz klare Regelung, und ich werde sie Ihnen gerne noch einmal erklären, denn Ihnen muss man Dinge anscheinend öf­ter erklären, bevor Sie sie verstehen. (Bundesrätin Zwazl: Willst du uns schul­meistern? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das haben jetzt Sie gesagt, Frau Kollegin, aber vielleicht ist es so, wenn ich es Ihnen mehrmals erkläre, dass sie es dann verstehen. Sie können auch einfach aufpassen, aber ich kann es Ihnen auch aufschreiben und per Mail zuschicken, dann können Sie es öfter durchlesen. (Bundesrätin Schumann: Net so! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auf alle Fälle ist es so: Wir haben hier keine Redezeitbeschränkung. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrat Köck: Du hast die Gscheitheit mit dem Löffel gefressen!) Worum es in der Früh gegangen ist, was Kollege Steiner ange­sprochen hat, ist die Fairness, weil wir die Aktuelle Stunde nach 2 Stunden abbrechen müssen. Dann wäre es, wenn sich die Frau Ministerin nicht daran ge­halten hätte, so, dass der eine oder andere Kollege nicht mehr drange­kommen wäre. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.) Das wäre Ihnen natürlich wurscht, so wie es Ihnen auch wurscht ist, dass der ORF selten hier herinnen ist, weil Sie sich ganz einfach die Berichterstattung kaufen, oder Sie von der Regierung (Zwischenruf bei den Grünen) zitieren einfach die Chefs vom ORF zu sich und lassen nur das berichten, was Ihnen passt. – Das ist nicht unser Zugang zu Demokratie und Politik. (Beifall bei der FPÖ.)

12.52


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsan­trag betreffend „Fairness für exekutivdienstleistende öffentlich Bedienstete“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zum Zweiten: Der von den Bundesräten Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Solidarische


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Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker und Top-Manager“ ist genügend unterstützt und steht demnach auch mit in Verhandlung.

12.52.42Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Vizepräsident Günther Novak: Eingelangt ist ein Schreiben des Minister­ratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. am 21. Dezember 2022, also heu­te, in Montenegro bei gleichzeitiger Beauftragung von Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. mit seiner Vertretung.

12.53.05Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet – er steht schon bereit – ist Herr Kollege Marco Schreuder. – Bitte.


12.53.12

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte sagen, ich mache es ein bisschen kürzer – denn auch ich kenne die Geschäfts­ordnung ganz gut –, dadurch kann man auch wieder Zeit einsparen, und das werde ich jetzt tun.

Eine Sache möchte ich schon sagen: Ich habe selbst als jemand von der Grünen Wirtschaft in der Wirtschaftskammer schon einige Kollektivvertragsver­handlungen erlebt, und ich finde – das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen –, die Sozialpartnerschaft leistet einen ganz wesentlichen Beitrag zum sozialen Frieden in Österreich, und das ist gut so. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Wir haben auch gerade einen Kollektivvertragsabschluss bei der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation erreicht. Da gibt es nur in Wien


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einen Kollektivvertrag, da bin ich ein bisschen stolz darauf. Die anderen Bun­desländer haben ihn leider noch nicht. Ein Thema zieht sich durch, sowohl in der privatwirtschaftlichen Diskussion bei Kollektivvertragsverhandlungen als auch – wie wir jetzt in der Dienstrechts-Novelle sehen – im öffentlichen Bereich: der Fachkräftemangel. Der Engpass, die Schwierigkeit, Personal zu fin­den, zieht sich überall durch und ist überall ein ganz wesentliches Thema. Da stellt sich in einer Dienstrechts-Novelle eine ganz besondere Herausforde­rung. Man muss diesen Job auch für junge Leute attraktiv machen. Vieles von dem, was Kollege Spanring gesagt hat, ist durchaus richtig. Das muss man auch mitnehmen: Wie gestaltet man den Bundesdienst auch für junge Leute attraktiv? Das ist eine ganz wichtige Frage, egal ob das bei der Justiz­wache oder in anderen Bereichen wie der Polizei und so weiter ist.

Da gibt es durchaus ein sehr altes, verstaubtes Bild von Beamten und Beamtinnen, das aber schon sehr lange nicht mehr stimmt. Beamtinnen und Beamten versehen ihren Dienst auf sehr moderne Art und Weise und leisten tagtäglich hervorragende Arbeit für die Republik, für die Bürgerinnen und Bürger. Ich denke, wir sollten uns tatsächlich bei all diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz, ganz herzlich bedanken. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Die Herbstnovelle des Dienstrechts setzt einen entscheidenden Schwerpunkt aufgrund dieser Rahmenbedingungen, die ich gerade genannt habe, näm­lich deutlich höhere Anfangsgehälter. Die sind ganz entscheidend für die Attrak­tivierung des öffentliches Dienstes, eben genau für Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger, für Menschen, die sich für diesen Beruf interessieren, also beispielsweise für die jungen Richteramtsanwärter und -anwärterinnen, die Polizeischüler und -schülerinnen, die Justizwacheaspiranten und -aspiran­tinnen. Auch in der Landesverteidigung gibt es für Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger Erhöhungen.


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Was uns aus grüner Sicht noch ganz wichtig ist: Mit dieser Dienstrechts-Novelle kommt es auch zur Einführung eines sehr offenen, transparenten Verfah­rens für die Besetzung des Präsidenten oder der Präsidentin des Obersten Ge­richtshofes durch die Einbindung eines Personalsenates. Das ist auch eine sehr, sehr wichtige Neuerung in dieser Dienstrechts-Novelle. Es war übrigens eine Forderung – Kollege Schennach wird das bestätigen können – der EU und des Europarates, dass man das einführt. Es ist sehr schön und sehr richtig, dass wir mit dieser Dienstrechts-Novelle mehr Transparenz in Personalfragen der Justiz umsetzen. Übrigens werden auch bei den Richter­amtsanwärterinnen und -anwärtern transparentere Regeln angewandt. Das darf zukünftig gerne auch in weiteren Bereichen weitergeführt werden.

Die Gehälter des öffentlichen Dienstes, wurde schon gesagt, werden zwischen 7,15 Prozent bei den hohen Bezügen und 9,41 Prozent bei den niedrige­ren Einkommen erhöht. Auch da ist es sehr schön, dass es eine Staffelung gibt, damit diese Schere, die oft auseinandergeht, gerade in den schwierigen Zeiten der Teuerung, die wir derzeit haben, zusammenbleibt.

Ich finde, es ist eine gute Dienstrechts-Novelle geworden. Wir stimmen ihr ger­ne zu. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.57


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Präsidentin.


12.57.47

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Zuallererst: Das ist wirklich eine ausgezeichnete Dienstrechts-Novelle. Sie ist zukunftsweisend. Viele Dinge, die zugrunde gelegt sind, werden oder sollen Vorbild für die Umsetzung in der Privatwirt­schaft sein. Die Leistungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst können gar nicht hoch genug geschätzt werden.


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Nun aber zur Rede des Herrn Bundesrates Schwindsackl (Bundesrat Schwind­sackl: Die war super! – Bundesrat Köck: Die war super, ja!): Wenn man von etwas redet, sollte man auch Bescheid wissen (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­rät:innen der FPÖ), denn nicht nur, wenn die Blätter von den Bäumen fallen, sondern auch, wenn im Frühling die Knospen sprießen, gibt es Lohnverhandlun­gen (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der Grünen), denn es gibt auch eine Früh­jahrslohnrunde. Es erstaunt mich, dass das bei Ihnen nicht bekannt ist, denn im Endeffekt sind Sie ja ÖAAB-Funktionär gewesen – aber das sei Ihnen unbe­nommen. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Ganz ehrlich, wenn man eine derartige Angriffsattacke auf die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitneh­merbewegung führt, dann sollte man schon gut informiert sein.

Es ist klar, dass wir über alle Gewerkschaftsgrenzen hinweg solidarisch sind, wenn es darum geht, bessere Kollektivvertragsabschlüsse für die Beschäftigten in allen Branchen zu erreichen. Das ist die Qualität der Gewerkschaftsarbeit: die Solidarität über alle Grenzen der Gewerkschaften hinweg. Gerade jetzt, wo es so wichtig war, für die Beschäftigten möglichst viel ins Geldbörsel zu kriegen, weil die Teuerung sie so derartig belastet, war es noch einmal wichtiger, Solidarität zu zeigen (Bundesrat Schwindsackl: Oder zu streiken!) – auch mit den Beschäftigten bei der Bahn, absolut, keine Frage.

Es hat einen ÖGB-Vorstandsbeschluss gegeben, dass wir Streikmaßnahmen für richtig halten. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Die Gewerk­schaftsbewegung überlegt sehr genau: Welche Kampfmaßnahmen in diesem großen Strauß der Möglichkeiten des Widerstands und des Kampfes für gute Abschlüsse wählen wir und welche nehmen wir? (Bundesrat Köck: Der SPÖ-Manager hat nichts davon!) Der Streik ist das allerletzte Mittel, wenn es nicht mehr anders geht. (Beifall bei der SPÖ.) Wenn sich eine Gewerkschaft dazu entschließt, dieses Mittel zu ergreifen, dann stehen alle anderen Gewerk­schaften genauso solidarisch zu ihr, wie wir mit dem öffentlichen Dienst solidarisch stehen, wie wir mit dem Handel solidarisch stehen, und mit allen anderen Branchen auch. Nur so kann gut verhandelt werden, nur


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so können gute Abschlüsse erzielt werden. Fakt ist nämlich schon: Kein Arbeit­gebervertreter gibt gerne mehr her, kein Arbeitgebervertreter sagt: Bitte schön, wir geben euch noch 1 Prozent drauf, wir geben euch bessere Arbeits­bedingungen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Köck: Aber ja, da gibt es einige! – Bundesrat Preineder: Sicher, wenn die Arbeitskräfte knapp sind, schon! – Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Das muss leider erkämpft werden – im Herbst, wenn die Blätter von den Bäumen fallen, aber auch im Frühling, wenn die Knospen sprießen. So ist es!

Wenn man einen Angriff auf die Arbeitnehmer:innenvertretung fährt, gerade von ÖAAB-Seite, dann muss man sich sehr gut überlegen, warum man das macht und wie man das macht. Gewerkschaftsarbeit heißt Solidarität, denn wir kön­nen nur etwas weiterbringen, wenn wir viele hinter uns haben – für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich. Bitte, Herr Schwindsackl, schreiben Sie sich das ins Stammbuch! Wirklich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenrufe der Bundesräte Köck und Schwindsackl.)

13.00


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. (Ruf bei der ÖVP: Doch! – Bundesrat Schachner hebt die Hand. – Bundesrat Schwindsackl: Eine Berichtigung!) – Doch.

Zuerst Herr Schachner, dann Herr Schwindsackl. – Kollege Schachner, bitte. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt geht das wieder los!)


13.01.17

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Na, es geht nicht los, aber ein paar Sachen muss man einfach berichtigen. Kollegin Korinna Schumann hat bereits einiges berichtigt.

Damit du dich auskennst, lieber Ernstl, wie so ein Streik zustande kommt: Man fragt alle Mitglieder und alle, die im Betrieb beschäftigt sind, ob sie zu einem Streik stehen oder nicht. Das macht nicht nur einer – der Streithansl vielleicht, ein Vorsitzender oder sonst irgendwer. Hebenstreit muss genauso ins


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ÖGB-Präsidium gehen und fragen, ob der Streik genehmigt wird oder nicht. Er kann aber nur dann hingehen, wenn alle Mitglieder hinter ihm stehen und sa­gen: Wir wollen das! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage dir, worum es da gegangen ist: Wenn man vom Gegenüber Almosen kriegt, wenn man kein Ende sieht und nichts mehr geht, dann fängt man einmal mit Betriebsversammlungen an. Man befragt die Leute im Rahmen einer Mitgliederbefragung, und die sagen dann: Okay, wir gehen bis zum Äußersten, damit wir anständig bezahlt werden!

Ich finde, der Lohnabschluss, der da gemacht worden ist, ist ordentlich. Es gibt ja da Leute, die 1 300 Euro verdienen; da kann man nicht hergehen und sagen: Okay, wir sind mit 5 oder 6 Prozent zufrieden! – Das geht einfach nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Glaube es mir, ich finde es unfair, wenn du dich hier herausstellst und über einen Menschen matschkerst, den du wahrscheinlich nicht einmal persönlich kennst. Du sagst, er ist ein Streithansl oder sonst irgendetwas. Roman Heben­streit macht ordentliche Gewerkschaftsarbeit, er ist 17, 18 Stunden am Tag unterwegs. Merk dir das! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.)

13.02


Vizepräsident Günther Novak: So, Herr Schwindsackl: tatsächliche Berichtigung oder Rede? (Bundesrat Schwindsackl: Zur Berichtigung!) – Eine tatsächliche Berichtigung, bitte. (Ruf bei der FPÖ: Mach einfach eine Wortmeldung!)


13.03.03

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, eine tatsächliche Berichtigung! – Es ist das Zuhören natürlich wahnsinnig schwierig, vor allem, wenn man nicht das hört, was man gerne hören möchte. (Ruf bei der FPÖ: Was ist das? – Die Bundesrät:innen Steiner und
Steiner-Wieser: Das ist eine Rede! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich habe eindeutig gesagt, dass die - - (Bundesrat Steiner: Das ist keine Berichti­gung! – Bundesrat Schennach: Was wird berichtigt? – Bundesrätin Steiner-Wieser:  Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) – Es wird berichtigt, dass die Ar­beitgeber und die Arbeitnehmer sich treffen. Es ist egal, zu welcher Jahres­zeit (Bundesrat Schennach: Noch immer keine! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Nicht einmal das ...!), Sie können auch sagen, im Sommer (Bundesrätin Grimling: Im Frühjahr!), es ist mir vollkommen egal. Auf alle Fälle spielt die Sozialpartnerschaft und auch die Arbeit der Gewerkschaft eine sehr wichtige Rolle – da braucht man nur zuzuhören. Als ehemaliger und immer noch ÖAAB-Funktionär weiß ich klarerweise schon, worum es geht. Ich möchte auch klarstellen, dass ein Streik wirklich die letzte Maßnahme ist. (Bundesrat Steiner: Das ist eine Rede, Herr Kollege!)

Ein Vorsitzender kann es schon auch so auf die Schiene bringen – im wahrsten Sinne des Wortes –, dass es nicht zu einem Streik kommt. (Bundesrätin
Steiner-Wieser: Das ist eine Rede!)
Also einfach nur zu sagen, der Vorsitzende hat sich diesbezüglich - - (Bundesrat Steiner: Das werden wir nicht mehr erlernen, wie eine tatsächliche Berichtigung geht! – Bundesrätin Grimling: Das ist eine Rede, Herr Kollege! – Bundesrat Schennach: Herr Präsident, das ist keine tatsächli­che Berichtigung! – Bundesrat Köck: Das ist bei euch auch immer so!)

13.04


13.04.05

Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege Schwindsackl, eine tatsächliche Be­richtigung schaut anders aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Ich möchte Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić bei uns im Plenum begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Fairness für exe­kutivdienstleistende öffentlich Bedienstete“ vor. Ich lasse über diesen Entschlie­ßungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminder­heit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Solidarische Null­lohnrunde für Spitzenpolitiker und Top-Manager“ vor. Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsan­trag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist abgelehnt.

13.06.094. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts des Plurinationalen Staats Bolivien und des Beitritts Jamaikas zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (1758 d.B. und 1848 d.B. sowie 11148/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den 


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Bericht.


13.06.49

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich bringe den Bericht über die Verhandlungen des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts des Plurinationalen Staats Boli­vien und des Beitritts Jamaikas zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss des Bundesrates stellt nach Beratung der Vorlage am 19.12. den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


13.07.38

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesrätin Neurauter.

Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist - - (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wer hat nicht aufgezeigt? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Einstimmigkeit!) – Das war nicht einstimmig. Tut mir leid, aber die freiheitliche Fraktion hat vergessen, aufzuzeigen. (Bundesrat Schennach: Weil sie bei der Kindesentführung nicht mitma­chen! – Ruf bei der ÖVP: Schlechte Fraktionsführung!) – Das ist die Stimmen­mehrheit, der Antrag ist angenommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)


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13.08.315. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Strafregisterge­setz 1968 geändert werden (Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022) (1789 d.B. und 1849 d.B. sowie 11149/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen zu Punkt 5 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


13.08.57

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Vizepräsident! Frau Bundesminis­terin! Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Be­richt über die Verhandlungen des Justizausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Strafregistergesetz 1968 geändert werden.

Eine menschenrechtskonforme und zugleich auch ressourcenbewusste Moder­nisierung des Maßnahmenrechts setzt sich der gegenständliche Beschluss zum Ziel. Der Beschluss liegt als Maßnahmenvollzugsanpassungsge­setz 2022 laut Erläuterungen nach Vorarbeiten in den vergangenen Legislatur­perioden vor, die auch ein eigenständiges Maßnahmenvollzugsgesetz ein­schließen.

Der vollständige Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte, Frau Bundesrätin.



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13.10.26

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schade, dass jetzt, da der ORF weg ist, die Saalflucht eingesetzt hat, aber schön, dass Sie hier sind. (Beifall der Bundesrätin Schumann.)

Dem Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz, so wie es hier vorliegt, kann man aus mehreren Gründen nicht zustimmen, das stelle ich gleich voran. Allen voran muss man sich fragen: Wo ist der Sicherheitsgewinn? Dieser ist näm­lich nicht erkennbar, für mich nicht und auch für viele Expertinnen und Experten nicht, wie sich auch aus dem Begutachtungsverfahren ergeben hat.

Sie, Frau Ministerin, haben mit diesem Gesetz im Vorfeld ja auch den Anspruch verbunden, adäquat auf den schrecklichen Terroranschlag in Wien im Jah­re 2020 zu reagieren und die Konsequenzen daraus zu ziehen – sozusagen eine Anlassgesetzgebung. Übrigens: Anlassgesetzgebung wurde von den Grü­nen ja immer vehement kritisiert, als sie noch eine starke Oppositionspartei wa­ren. (Bundesrätin Kittl: Das ist keine Anlassgesetzgebung!) Verfassungsrecht­lich bedenklich: So habe ich noch die Stimme des Kollegen Steinhauser – so hat er, glaube ich, geheißen – im Ohr. Jetzt, mit den Grünen als, sage ich ein­mal, schwache Regierungspartei, gibt es so eine Anlassgesetzgebung. Leider ist aber nicht einmal diese Anlassgesetzgebung gelungen, denn mit diesem Ge­setz, wie es hier vorliegt, hätten Sie das Attentat nicht verhindern können. Zu ver­hindern wäre es gewesen, wenn die Behörden im Verantwortungsbereich des damaligen Innenministers und heutigen Bundeskanzlers einfach ihre Arbeit gemacht und auf die Hinweise der slowakischen Behörden gehört hätten. Es war reines Behördenversagen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir haben auch noch in Erinnerung: Da hat es ja nach der Tat einen heftigen Disput zwischen den Ressorts, zwischen den Ressortleitungen gegeben. Mit diesem Gesetz versuchen Sie anscheinend, den Koalitionsfrieden zu retten, indem Sie den Handlungsbedarf in sozusagen fast nacheilendem Gehor­sam aufseiten des Justizressorts eingestehen. (Bundesministerin Zadić schüttelt


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den Kopf.) Der damalige Innenminister und heutige Regierungschef ist da irgendwie fein aus der Sache raus.

Die eingesetzte Untersuchungskommission, die sogenannte Zerbes-Kommission, hat sich den Fall ja genau angesehen und hat viele, viele wertvolle Empfeh­lungen herausgearbeitet. Nur das, was heute hier vorliegt, war nicht dabei. Auch in den Stellungnahmen von Richter:innenvereinigung, Strafrechtsprofessor:in­nen und Rechtsanwaltskammer wird der Entwurf sehr kritisch gesehen.

Was hier vorgelegt wird, ist ein Placebo, auch im Hinblick auf die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der Österreich ja im Jahre 2008 beigetreten ist. Menschen, das ist auch die Quintes­senz aus dieser Konvention, dürfen nicht nur wegen einer psychischen Er­krankung zwangsuntergebracht werden, es muss zusätzlich noch Selbst- oder Fremdgefährdung gegeben sein, und es muss – das ist das Wichtigste – etwas mit den Menschen passieren, es muss eine Therapie stattfinden. Das ist aber nicht Inhalt dieses Entwurfes.

Das soll, das haben wir in der Ausschussberatung auch zutage gebracht, in einem zweiten Teil folgen (Bundesrat Schennach: So Gott will!) – ja genau! Genau: So Gott will, hat der Beamte, der uns da sehr kompetent Auskunft gegeben hat, gesagt. (Bundesrat Schennach – erheitert –: Da haben wir Zweifel gehabt!) So Gott will – ja, da kann man drauf vertrauen oder auch nicht. Dieser Gesetzes­beschluss ist einfach unvollständig und damit nicht zustimmungsfähig.

Berichterstatter Kollege Schwindsackl – er ist jetzt nicht da – hat einleitend da­von gesprochen, dass dieses Gesetz ressourcenbewusst sein solle. Es stellt sich also die Ressourcenfrage. Nur: Wenn man sich die Ressourcenfrage anschaut, muss man sich fragen: Für wen sich stellt diese Ressourcenfrage?

Wir haben immer mehr Menschen im Maßnahmenvollzug, und laut Expert:innen gehören zwei Drittel davon nicht dorthin. Ungefähr 1 500 sind im Maßnah­menvollzug, und in Ermangelung von Bundesspezialanstalten – diese heißen jetzt


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nicht mehr Anstalten, sondern tragen künftig den schön klingenden Na­men forensisch-therapeutische Zentren; wie auch immer, es gibt zu wenige sol­cher Zentren in Österreich – sind sehr viele dieser Menschen als Konse­quenz eben in öffentlichen Krankenanstalten untergebracht.

Jetzt stellt sich die Ressourcenfrage: Für wen? – Es stellt sich die Ressourcen­frage für den Bund, der vielleicht davon profitieren kann, aber zulasten der Länder und vor allem zulasten der Patient:innen, der anderen Patientinnen und Patienten. Wir wissen, das Gesundheitssystem kracht eh schon an allen Ecken und Enden. Da haben auch Gesundheitslandesrätinnen und Gesund­heitslandesräte schon entsprechend scharf reagiert.

Wir wissen auch nicht, wie sich die Erweiterung des § 23 StGB auswirkt. Die Bestimmung, die bisher auf gefährliche Rückfallstäter hätte angewandt wer­den können – eine Person ist derzeit nach dieser Bestimmung im Maßnah­menvollzug (Bundesrat Schennach: In ganz Österreich! Eine Person!), in ganz Öster­reich eine Person –, wird jetzt auf terroristische Straftäter ausgeweitet, das heißt, die kommen da jetzt noch dazu. Wir wissen noch nicht, wie sich diese Er­weiterung auswirkt und wo letztendlich dann diese Menschen landen werden.

Da ist also einfach so vieles unausgegoren, unvollständig, unüberlegt, obwohl – das muss ich auch dazusagen, Sie und die Regierungsfraktionen werden das aber wahrscheinlich eh noch ausgiebig zelebrieren und feiern – auch einige Ver­besserungen anzuerkennen sind: begriffliche Veränderungen – es wird einiges an Begrifflichkeiten modernisiert – und zum Teil auch Verbesserungen im Jugendstrafrecht. Da muss man aber bitte darauf Wert legen, dass Jugendliche entsprechend untergebracht werden und dass vor allem eine Therapie und eine Resozialisierung stattfinden, in entsprechend jugendgerechten Einrichtun­gen, sodass wirklich eine Verbesserung eintritt und nicht sozusagen eine Karriere im Gefängnis bevorsteht. Darauf ist größter Wert zu legen, auch im Sinne der Kinderrechte.


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Insgesamt also: kein Sicherheitsgewinn, unausgegoren und leider nicht zustimmungsfähig. Bitte setzen Sie endlich die Empfehlungen der Expertinnen und Experten im Bereich der Tourismus- - – Entschuldigung!–, der Ter­rorismusprävention und des Opferschutzes um! (Bundesrat Schreuder  erhei­tert –: Ich finde Tourismusprävention manchmal auch nicht falsch!) Da ist vieles, vieles zu tun, weniger im Justizministerium, mehr im Innenministerium und vor allem sehr viel im Vollzug. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

13.19


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte sehr.


13.19.13

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Justizministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und vor den Bildschirmen! Ich danke Frau Kollegin Grossmann, meiner Vorrednerin, fast, denn alles, was Sie sich wünschen und was auch angeschaut werden soll, wird gerade angeschaut – ich bin mir sicher, Frau Justizminis­terin Zadić wird das nachher noch genauer ausführen.

Ich danke an dieser Stelle auch der Tatkraft der Justizministerin, die nämlich heute mit einem Teil der Reform eine Modernisierung, eine menschen­rechtskonforme Modernisierung, im Maßnahmenvollzug für Rechtsbrecher:innen mit schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störungen macht.

Nach zig Jahren werden nun endlich Maßnahmen gesetzt, damit Menschen mit geringen Vergehen nicht auf unbestimmte Zeit in einer geschlossenen An­stalt landen. – Ja, und diese Anstalten heißen forensisch-therapeutische Zentren, und es ist gut so, dass diese Umbenennung stattgefunden hat, nämlich auch gesetzlich stattgefunden hat, und dass man jetzt auch nicht mehr von geistig abnormen Rechtsbrecher:innen, abartigen Rechtsbrecher:innen oder eben Anstalten spricht.


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Die Einweisungsbedingungen in diese Zentren werden heute verschärft und sie werden nur mehr auf jene Personen anwendbar sein, die eine echte Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Wer sind diese Personen? – Es sind Rechtsbrecher:innen mit starken psychischen Störungen, die schwere Kör­perverletzungen, Sexualdelikte oder Taten, die mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, begangen haben und – das ist wichtig – ein Straf­delikt mit schweren Folgen mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder bege­hen werden. Das sind viele Voraussetzungen, die da vorliegen müssen, um in den Maßnahmenvollzug zu kommen.

Das heißt aber, auch bei Delikten mit einer Strafdrohung von weniger als drei Jahren muss natürlich auch eine fachgerechte Behandlung in den ande­ren strafrechtlichen Unterbringungen durchgeführt werden, und dass das nicht immer so ist, wissen wir, weiß das Justizministerium, und genau deswegen wird das Thema auch angegangen.

Ein weiterer, auch schon lange notwendiger Reformschritt – die Frau Kollegin hat es angesprochen – ist, dass Jugendliche mit psychischen Störungen nun endlich auch wie Jugendliche behandelt werden und nicht wie Erwachsene. Sie sollen erst ab einer Strafdrohung von zehn Jahren in den Maßnahmen­vollzug kommen, und eine spezielle jugendpsychiatrische Sachverständige muss dem Verfahren zugezogen werden.

Wichtig ist bei all dem: Der Maßnahmenvollzug muss Ultima Ratio sein, nicht nur aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern – das ha­ben wir heute auch schon gehört – aufgrund der UN-Behindertenrechtskonven­tion, denn ja, auch eine psychische Erkrankung ist eine Behinderung, und diese muss extra und genau geprüft werden. Das wird sie zum Beispiel dadurch, dass Betreuer:innen, die diese Personen vorher schon gekannt haben, in die Verhandlungen mit einbezogen werden, dass Sachverständige bei den Ver­handlungen dabei sein müssen und dass die Verteidiger:innen auch dabei sein müssen. Eine wichtige Neuerung ist diesbezüglich auch, dass innerhalb eines Jahres die Sinnhaftigkeit der Unterbringung im Maßnahmenvollzug nicht nur


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wie bisher geprüft, sondern auch entschieden werden muss. Das ist ein großer Unterschied zu vorher.

Ja, es wird zu Recht kritisiert, es bedarf besserer und mehr forensisch-therapeu­tischer Zentren, ja, es bedarf auch mehr Budget für das Personal zur Betreu­ung und Behandlung von Rechtsbrecher:innen mit schweren psychischen Störungen, und ja, das erfordern auch die stark gestiegenen Unterbringungszah­len. Die gute Nachricht ist aber, das wurde und wird jetzt unter einer grü­nen Justizministerin angegangen.

„Gestern“ – unter Anführungszeichen – hat sie auch das Budget für mehr Personal für eine fachgerechte Behandlung und Betreuung der Untergebrachten verhandelt, heute legt sie uns strengere Einweisungskriterien für den Maßnahmenvollzug vor und morgen – und das ist das, was auch gefordert wurde und was auch getan wird; nicht so Gott will, sondern was auch wirklich ge­tan wird –, das heißt 2023, gibt es eine zweite Reform, in der es um den verbesserten Rechtsschutz im Maßnahmenvollzug gehen wird. Nach fünf Jahren wird das alles auch unter Einbeziehung von Opferschutzeinrich­tungen evaluiert.

Das alles ist richtig, das alles ist wichtig und lange überfällig, und ich finde, da könnten sich die Kritiker:innen gerne selbst an der Nase nehmen, da nicht früher gehandelt zu haben.

Eines ist mir noch wichtig, zum Maßnahmenvollzug zu sagen: Es geht dabei, ja, um die öffentliche Sicherheit, aber im Vordergrund des Maßnahmenvoll­zugs – und nicht nur im Maßnahmenvollzug, auch bei der sonstigen Inhaftie­rung – steht, dass Rechtsbrecher:innen resozialisiert werden, um wieder Teil der Gesellschaft sein zu können. Um das zu erreichen, braucht es viel Zeit, es braucht viel Aufmerksamkeit, es braucht viele Mittel und viel Personal für die Betreuung, und es braucht auch neue Konzepte – und genau das steht auf der Agenda der Justizministerin.


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Ich ziehe hier auch meinen – vielleicht nur imaginären – Hut vor den Menschen, die mit Straftäter:innen arbeiten. Es ist eine sehr herausfordernde und nicht immer von Erfolg gekrönte Arbeit, aber sie ist immens wichtig für eine auf Menschenrechten basierende Gesellschaft, die so gut es geht integrieren und nicht ausschließen will. Mein herzliches und großes Danke für ihre Arbeit! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Abschließend noch zu einer Neuerung, die schon länger – und das ist der Punkt – diskutiert wurde und daher keine Anlassgesetzgebung ist, aber jetzt ins Gesetz mit aufgenommen wurde – und dieser Punkt wird, wie es scheint, auch von manchen, von denen man es nicht gewohnt ist, bewusst falsch verstan­den und vor allem falsch bezeichnet, daher erkläre ich es jetzt –: Es geht um die Aufnahme von Terrordelikten in den Maßnahmenvollzug.

Es handelt sich dabei nicht um eine präventive Sicherungshaft, bei der aufgrund eines bloßen Terrorverdachts eine präventive Wegsperrung ohne Gerichts­verfahren, wie es unter Schwarz-Blau angedacht war, erfolgt, sondern es geht um eine klar geregelte, menschenrechtskonforme Maßnahme bei verur­teilten Terrorist:innen. Verurteilte Terrorist:innen sollen nun eben ähnlich wie gefährliche Rückfallstäter:innen behandelt werden und nach Verbüßung der Haftstrafe im Maßnahmenvollzug untergebracht werden, wenn das von Amts wegen als notwendig erkannt wird.

Was notwendig ist, regelt das Gesetz: Notwendig ist es dann, wenn die Anlasstat ein Terrordelikt ist, es zu einer Verurteilung zu mindestens eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe kam, wenn zusätzlich eine schwere Vortat begangen wurde und wenn befürchtet wird, dass weitere schwere Taten begangen werden. Erst wenn diese drei Voraussetzungen – Terrordelikt, zusätzliche schwere Vortat, Be­fürchtung der Wiederholungstat – vorliegen, können wegen Terrordelikten Verurteilte im Maßnahmenvollzug untergebracht werden.

Das ist etwas ganz anderes als eine Sicherungshaft! Ich unterstelle jenen, die da eine Sicherungshaft sehen, eine populistische Verdrehung oder schlichtweg


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Unkenntnis des Gesetzesvorschlags. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:in­nen der ÖVP.)

Alles in allem freue ich mich, dass die Justizministerin die nun schon lange im Raum stehende Reform des Maßnahmenvollzugs angegangen ist und wei­ter betreiben wird. Es ist eine herausfordernde, aber wichtige Aufgabe, die auf Reintegration und nicht auf Segregation abzielt. Und ja, da müssen wir viel­leicht auch früher in der Kausalkette ansetzen, nämlich indem wir Menschen ein sicheres, chancengleiches Leben ermöglichen, das von der ersten Sekunde des Lebens in Österreich an frei von Gewalt und Ausschluss ist. Dann würden wohl so einige psychische Störungen oder schwere Rechtsbrüche verhin­dert werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

13.28


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.28.33

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer! Liebe Österreicher! Zu meinen Vorrednern (Bundesrätin Kittl: Vorredner:innen, würde ich sagen!): Auch wenn ich Frau Kollegin Grossmann bei vielen Dingen recht geben kann, eines ist auf jeden Fall keine Verbesserung, nämlich Begrifflichkeiten zu moder­nisieren, wie du gesagt hast, oder wie es Kollegin Kittl auch gesagt hat: dass es gut so ist, diese Begrifflichkeiten zu verändern. (Bundesrätin Kittl: Sie wollen weiter stigmatisieren! Besser weiter stigmatisieren!) – Dich hört niemand da herau­ßen, wenn du da reinschreist, auch im Fernsehen nicht. (Bundesrätin Kittl: Ist mir wurscht, aber es ist trotzdem so!) Mich interessiert es auch nicht wirklich, das muss ich dir auch sagen.

Nach diesen ganzen sprachlichen Verboten, die uns diese linkslinke Ideologie schon auferlegt hat (Bundesrätin Kittl: Besser stigmatisieren, gell?!), beginnt man jetzt auch noch, diese völlig gestörten, verrückten, abnormalen Mörder


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nicht mehr beim Namen zu nennen. Das bedeutet aber auch, auch wenn ihr das nicht hören wollt, dass dieser kenianische Eisenstangenmörder am Brun­nenmarkt jetzt nicht mehr in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbre­cher sitzt, sondern in einem forensisch-therapeutischen Zentrum. Dort hätte er vorher hingehört, jetzt ist er in dieser Anstalt für geistig abnorme Rechts­brecher genau richtig aufgehoben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Diesen ganzen Verrückten wird jetzt auch nicht mehr eine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung diagnostiziert, sondern eine geistige oder seelische - - – ich muss mich korrigieren: wird jetzt nicht mehr eine geistige oder seelische Abartigkeit diagnostiziert, sondern eine psychische Störung.

Diese ganze Kuscheljustiz bekommt damit ja eine völlig neue Bedeutung. Man nennt die Dinge nicht mehr beim Namen. Man schützt inzwischen schon mehr die Täter – nämlich mit Begrifflichkeiten –, als man die Opfer schützt. Ich glaube, mit dieser Verharmlosung werden wir unser Land nicht sicherer machen. Da passt der Klimabonus für Häftlinge noch gut dazu.

Wir haben noch viele weitere Probleme, die angesprochen werden müssen. Der Schildertausch alleine wird nicht ausreichen, um mehr Platz in den Anstal­ten, die heute schon überfüllt sind, zu schaffen. Die Justizanstalten sind überfordert, weil bauliche Maßnahmen notwendig wären, aber auch weil das Personal an allen Ecken und Enden fehlt. Es braucht eigene Anstalten, mehr Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, es reicht eben nicht aus, den Personaleinsatzplan mit dem Organisationsplan zu vergleichen und dann zu sagen, wir haben einen Befül­lungsgrad von 95 Prozent oder von 97 Prozent, wenn schlicht und ergrei­fend der Organisationsplan schon nicht ausreichend ist und es in all den Anstalten an Personal fehlt. Da muss man da nachjustieren und die Or­ganisationspläne dementsprechend adaptieren, damit dort ausreichend Personal vorhanden ist.


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Was passiert heute? – Nahezu wöchentlich liest man von einem verletzten Justizwachebeamten, was vermeidbar ist, nämlich genau dann vermeidbar ist, wenn ausreichend Personal zur Verfügung steht. In diesem Bereich müss­ten Sie für Adaptierungen sorgen, aber nicht mit irgendeiner Verhunzung von Begrifflichkeiten.

Auch eine Anmerkung zur Schwerarbeiterregelung, die mir persönlich schon ein Anliegen ist und die Kollege Spanring heute schon angesprochen hat: Wird einer dieser Justizwachebeamten im Dienst verletzt und ist dann mehr als 30 Ta­ge im Krankenstand, dann rechnen wir ihm das bei der Zeit nicht mehr an! Dann kann er das nachdienen, oder wie immer man dazu sagt, weil er bei mehr als 30 Tagen einfach aus diesem System herausgerechnet wird. – Das ist völlig untauglich bei der Schwerarbeiterregelung und vor allem in diesen Einsatz­organisationen.

Wenn wir schon bei Einsatzorganisationen sind: Ich kann auch nicht verstehen, warum man da die Einsatzgruppe nicht berücksichtigt. Diese Kollegen ha­ben tagtäglich mit diesen Dingen zu tun, sind tagtäglich der Gefahr ausgesetzt, verletzt zu werden. Warum hat man die da nicht berücksichtigt?

Das sind Dinge, die Sie hätten angreifen sollen. Die sprachliche Verhunzung hilft uns in diesem Bereich ebenso wenig wie damals bei der Bundeshymne. Sie hilft uns ebenso wenig wie die Genderei in diesem Land. Ich sage, wir müssen die Opfer schützen, nicht die Täter. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wäre an der Zeit, da in die Gänge zu kommen und die Dinge dort anzupacken, wo es wirklich notwendig ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)


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13.33


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Klara Neurauter. – Bitte.


13.33.59

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher und Zuhörer! Dieses Gesetzesvorhaben ist ein sehr wesentlicher Schritt, um den Maßnahmenvollzug ins 21. Jahrhundert zu heben.

Im System unseres Strafrechts gibt es ein wesentliches Prinzip: dass derjenige, der gegen die Strafgesetze verstößt, sich dafür vor Gericht zu verantwor­ten hat. Wenn die Person dann verurteilt wird, dann verhängt das Gericht eine angemessene Strafe. Das Strafrecht steht aber dort an, wo aufgrund von psychischen Erkrankungen oder Störungen einer Person dieses Unrecht nicht vorgeworfen werden kann. Genau dort soll der Maßnahmenvollzug eingreifen.

Diese Menschen sind nämlich gefährlich, und sie sind auch behandlungsbedürf­tig, um diese Gefahr zu reduzieren und um ihre Gesundheit wiederherzu­stellen. Deshalb gibt es den Maßnahmenvollzug. Die ursprüngliche Idee damals war ja, dass Straftäter, die nicht verurteilt werden können, oder auch schuld­fähige Straftäter, die aufgrund ihrer Erkrankung weiterhin gefährlich sind, in Ein­richtungen untergebracht werden, in denen sie ihrem Krankheitsbild ent­sprechend behandelt und betreut werden können, aber immer mit dem Ziel, sie letztlich wieder in die Gesellschaft eingliedern zu können, sofern dies mög­lich ist. Das war damals schon richtig gedacht, aber es entspricht natür­lich, so wie es seinerzeit formuliert wurde oder aufgrund der gültigen Bestim­mungen, wie sie derzeit gehandhabt werden, nicht mehr dem, was wir jetzt über die Behandlung von und über den Umgang mit Menschen mit psychischen Er­krankungen wissen.

Einerseits ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass nicht Menschen in den Maß­nahmenvollzug kommen, die dort nicht hingehören, die in eine normale Krankenanstalt gehören, die dort behandelt werden müssen. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, dass diejenigen, die dort arbeiten, die mit diesen Menschen umgehen, die richtigen Methoden und Möglichkeiten zur Ver­fügung haben, seien es die Bediensteten der Justizwache oder seien es die


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sozialen oder ärztlichen Dienste. Das wird dann der zweite Schritt der Reform werden.

Ein Meilenstein dieser Reform sind aber eigene Regelungen für Jugendliche. Das Strafrecht unterscheidet ja schon seit Jahrzehnten zwischen Jugendlichen und Erwachsenen, aber im Maßnahmenvollzugsgesetz gab es diese Unterschei­dung nicht. Jugendliche wurden wie Erwachsene behandelt und vielleicht wegen einer Rauferei, weil sie psychisch krank sind, potenziell lebenslang einge­sperrt. Genau das ändert sich jetzt, denn es wurden wirkliche Sonderrege­lungen für Jugendliche beschlossen.

Zu den Regelungen des Maßnahmenvollzugs für Terroristen möchte ich auf Folgendes hinweisen: Das ist ein Sonderfall der bereits bestehenden Maßnahmenvollzugsform für gefährliche Rückfallstäter nach dem bestehenden § 23 StGB. Damit können wegen eines Terrordelikts bereits verurteilte Per­sonen unter strengen und klar geregelten Voraussetzungen, ähnlich wie eben bereits gefährliche Rückfallstäter, untergebracht werden. Es handelt sich dabei nicht um eine präventive Maßnahme, wie schon meine Vorrednerin gesagt hat. Es handelt sich tatsächlich im jeweiligen Fall um eine Person, die be­reits verurteilt wurde und die noch einmal verurteilt wird. Die Anlasstat muss ein Terrordelikt sein. Gott sei Dank haben wir derzeit in Österreich nur eine Per­son, auf die diese Umstände zutreffen.

Zusammenfassend kann man also sagen: Die Regelungen, die jetzt geschaffen wurden, stellen den Maßnahmenvollzug auf eine vollkommen neue Basis, indem die Zugangsbestimmungen neu geregelt werden, und zwar so, dass sicherge­stellt ist, dass dort niemand mehr landet, der dort nicht hingehört, und dass sicher­gestellt ist, dass regelmäßig überprüft wird, ob die Personen dort noch sein müssen.

Das, was nun gemacht wird, geht in eine sehr richtige und wichtige Richtung. Es geht dabei um den Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen,


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es geht aber auch – ganz wichtig – um den Schutz aller Mitarbeiter in den jewei­ligen Stellen, und es geht in Wirklichkeit auch um den Schutz der Bevölke­rung. Deshalb ist es wichtig, diesen Schritt zu tun. – Klatscht niemand? (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) – Das war jetzt echt das Beste. (Bundesrat Preineder: Das brauchst du ja nur zu sagen!)

13.39


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.39.46

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möch­te ganz konkret auf etwas eingehen, das meine Vorrednerin gesagt hat, was ich richtigstellen möchte. Meine Vorrednerin hat gesagt, dass es dabei nicht um Prävention geht. – Das stimmt auf keinen Fall. Es geht ja sowohl bei der Stra­fe als auch bei der vorbeugenden Maßnahme insbesondere um Prävention. (Bundesrat Schennach: Richtig!) Bei der Strafe gibt es, was die Höhe der Strafe be­trifft, general- und spezialpräventive Überlegungen, und bei den vorbeugen­den Maßnahmen geht es ausschließlich um die Prävention. (Beifall der Bundesrätin Lancaster.)

Ich möchte bei diesem Gesetzesvorschlag zwei wesentliche Aspekte heraus­greifen. Als ersten Punkt fange ich einmal mit der Begrifflichkeit an: Abgesehen davon, dass ich auch unterstütze, dass veraltete Bezeichnungen angepasst werden, möchte ich mich einmal auf den Begriff Maßnahmenvollzug konzentrie­ren. Dieser Begriff ist ja nur die halbe Wahrheit. (Bundesrat Schennach: Richtig!) Es geht ja im Wesentlichen nicht um den Vollzug, vor allem bei dieser Novelle nicht vorrangig um den Vollzug der vorbeugenden Maßnahmen, sondern um die Anordnung der vorbeugenden Maßnahmen. Der Vollzug der vorbeugenden Maßnahmen folgt ja erst später, und der Unterschied zwi­schen Strafen in einem Urteil, das mit einem Schuldspruch endet oder einen


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Schuldspruch umfasst, und einer vorbeugenden Maßnahme ist quasi die zeitliche Richtung, die Zeitachse.

Bei der Strafe schaut man sich an: Was ist in der Vergangenheit passiert? Hat jemand etwas getan, was einem Strafgesetz widerspricht, unter welchen Bedingungen und in welchem Zustand? Und wenn der Täter, die Täterin zu­rechnungsfähig und schuldfähig ist, gibt es eine Strafe, wenn nicht, kann es auch keine Strafe, kann es auch keinen Schuldspruch geben.

Es gibt in unserem Strafgesetz sinnvollerweise auch die grundrechtskonforme Möglichkeit, dass auch für diese Personen, die keine Freiheitsstrafe be­kommen, eine andere Art von Freiheitsentzug angeordnet wird. Das ist dann insbesondere von präventiven Überlegungen geprägt, weil es eine vorbeugende Maßnahme ist, die zukünftige oder objektive Straftaten verhindern soll.

Bei der Anordnung der vorbeugenden Maßnahmen ist aber bereits auch etwas zu kritisieren, nämlich was die Qualität der Gutachten betrifft. Für die Anordnung von vorbeugenden Maßnahmen kommt es nicht ausschließlich auf Juristinnen und Juristen an, sondern auf Experten aus anderen wissen­schaftlichen Feldern. Bei diesen Gutachten kommt es darauf an, ob jemand als gefährlich einzustufen ist oder nicht, weil das Grundrecht auf persönliche Freiheit nur eingeschränkt werden darf, wenn das Bedürfnis der Gesellschaft nach Sicherheit in dem Fall überwiegt.

Eine Sachverständige oder ein Sachverständiger, der in dem Fall im We­sentlichen die Entscheidung trifft, ist natürlich auf der sicheren Seite, wenn er im Zweifelsfall oder im Graubereich sagt, es sei eine Unterbringung notwen­dig, es müsse eine vorbeugende Maßnahme angeordnet werden, im Unterschied zu demjenigen, der im Zweifelsfall oder im Graubereich sagt, er empfehle keine vorbeugende Maßnahme. Denn: Wie kann das Gegenteil bewiesen wer­den? – Wenn der Sachverständige keine vorbeugende Maßnahme emp­fiehlt, und dann passiert doch etwas, dann ist klar, dass er einen Fehler gemacht


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hat; im anderen Fall aber nicht, denn wenn jemand untergebracht ist, dann ist es in der Zeit ausgeschlossen.

Bei diesem Gesetzesvorschlag werden aber die Anforderungen an die Gutachten hinuntergeschraubt, und das ist eigentlich das große Problem, denn in Wirklichkeit hätte man sich etwas in die andere Richtung überlegen können. In anderen Ländern gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, dass nicht Einzelper­sonen entscheiden. In der Schweiz ist das der Fall, da gibt es Konsilien, da gibt es halt nicht nur Psychiaterinnen und Psychiater, sondern auch Personen aus dem Bereich der Bewährungshilfe, Strafvollzugspersonal, die da mitreden dürfen. Es wäre auch bei uns möglich gewesen, dass man in diese Richtung Reform­schritte andenkt.

Jetzt zum zweiten Punkt, ich komme quasi von § 21 StGB zu § 23 StGB, die gefährlichen Rückfallstäter: Wir haben gehört, das ist eine Bestimmung, die so selten angewendet wird, wie fast nichts anderes. Es gibt momentan einen gefährlichen Rückfallstäter in ganz Österreich. Es handelt sich sehr wohl um eine Art der Sicherungshaft, die sich Sebastian Kurz seinerzeit ge­wünscht hat.

Wenn man es sich anschaut: Im Begutachtungsverfahren – wir haben es heute auch schon gehört – haben diejenigen Leute, die sich am besten damit aus­kennen, die Richterinnen- und Richtervereinigung, Professoren der Uni Wien, Professoren der Uni Innsbruck, Rechtsanwaltskammer, Strafverteidi­ger:innenvereinigung, diese Novelle allesamt abgelehnt.

Es handelt sich nämlich tatsächlich um eine Anlassgesetzgebung, wenn man die Chronologie dieses Gesetzentwurfes anschaut. Der Name Albert Steinhau­ser ist vorhin schon gefallen, das war der damalige Justizsprecher der Grünen, der sich immer ausdrücklich gegen Anlassgesetzgebung ausgesprochen hat. Es handelt sich um eine Anlassgesetzgebung aufgrund des Anschlags am


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2. November 2020 in Wien. Es wird von den Regierungsparteien sugge­riert, dass, falls die Reform damals schon gegolten hätte, dieses Attentat hätte verhindert werden können.

Das ist aus zwei Gründen falsch. Der erste Grund ist, dass es keine Geset­zeslücke war, die das Attentat erleichtert oder die Durchführung ermöglicht hat, sondern es war ein reines Behördenversagen, weil die slowakischen Behör­den ja die österreichischen schon zuvor auf das, was da im Gange ist, aufmerk­sam gemacht haben.

Die Zerbes-Kommission, deren Name hier auch schon gefallen ist, hat (Bundesrat Schennach: Die hat gute Arbeit geleistet!) – gute Arbeit geleistet, wie Kollege Schennach gerade einwirft – sowohl die Behördentätigkeit vor und nach dem Anschlag als auch die Gesetzeslage analysiert und kommt zum genau ge­genteiligen Schluss als das, was jetzt in diesem Gesetzesvorschlag steht. Im End­bericht der Kommission steht nämlich ausdrücklich, dass es keine Unter­bringung von irgendwelchen Gefährdern braucht.

Das zweite Problem in diesem Zusammenhang ist: Mit Gesetzesbestimmungen, wie sie hier eingeführt werden, hätte man gegen diesen konkreten Atten­täter auch gar keine Handhabe gehabt, weil es für gefährliche Rückfallstäter – die Bestimmung wird jetzt eben auf terroristische Straftaten erweitert – zwei Taten braucht. Es braucht insgesamt drei Komponenten: eine Vortat, eine Anlasstat und eine Prognose. Im konkreten Fall hat es aber keine Vortat gegeben, weil der nur einmal bereits verurteilt war. Wir haben hier den beson­ders skurrilen Fall, dass es eine Anlassgesetzgebung gibt, die die Anlasstat aber nicht einmal verhindert hätte.

Das Ganze ist eine Symbolgesetzgebung in einem sensiblen grundrechtlichen Bereich, und insbesondere bei einer grünen Regierungsbeteiligung hätte man ganz anderes erwartet. – Danke. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

13.48



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Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Zadić. – Bitte.


13.48.44

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Zuseher! Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute diese Regierungsvorlage im Hohen Haus behandeln. Nach 50 Jahren Stillstand holen wir jetzt endlich diesen Maßnahmenvollzug ins 21. Jahr­hundert. Wir machen ihn gerechter, wir machen ihn menschenrechtskonformer und vor allem machen wir ihn treffsicherer. Es ist ein mutiger Schritt die­ser Bundesregierung, endlich diesen Maßnahmenvollzug anzugehen – immer wieder versprochen, jetzt setzen wir es um. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Dass der Maßnahmenvollzug in seinem Kernbestand seit nunmehr fast 50 Jahren unverändert ist, erweist sich insbesondere anhand nationaler und internationaler Entwicklungen als problematisch. Nicht zuletzt wurden wir auch insbesondere deswegen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt.

Genau deswegen braucht es auch diese Reform – um diesen menschen­rechtskonformer zu machen. Ja, wir haben diese Reform in zwei Teilen geplant. Warum zwei Teile? – Weil wir auch gesehen haben, wie schwierig es ist, so eine umfassende Reform auf den Weg zu bringen. Viele vor uns haben das versucht und haben es nicht geschafft, weil es einfach zu umfassend ist, und genau deswegen haben wir die Reform auch aufgeteilt.

Der erste Teil der Reform ist das sogenannte Maßnahmenvollzugsanpassungsge­setz, also jenes, das wir heute behandeln, und das regelt die Einweisungs­voraussetzungen für den Maßnahmenvollzug.

Der zweite Teil, der in manchen Ihrer Reden auch vorgekommen ist, befasst sich damit, wie der Maßnahmenvollzug tatsächlich abzulaufen hat. Wie viel Be-


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treuung und wie viel Behandlung wird den Betroffenen gewährt, und was pas­siert während der Unterbringung? Glauben Sie mir, dieser Teil wird gera­de ausgearbeitet, und wir als Bundesregierung haben uns in einem Ministerratsvortrag darauf verständigt, dass wir das in einem nächsten Schritt – wenn das Fundament heute hoffentlich steht – umsetzen wollen.

Was haben wir bei den Einweisungsvoraussetzungen geändert? Warum ist das jetzt anders und warum ist das jetzt gerechter? – Es ist gerechter, weil jetzt Personen, die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, natürlich auch weiterhin im Maßnahmenvollzug untergebracht werden sollen, gleichzeitig aber jene Personen, die keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, aber besser nach dem Unterbringungsgesetz behandelt werden sollen, eben nicht im Maßnahmenvollzug landen, eben nicht hinter Gitter kommen, wo sie womöglich ihr Leben lang auch eingesperrt bleiben, weil es leider, wie wir wissen – und das ist genau der Grund, warum Österreich auch verurteilt
wurde –, sehr, sehr schwer ist, aus dem Maßnahmenvollzug herauszukommen. Wir haben schon viele Berichte darüber gelesen, dass auch Jugendliche, weil sie während einer Psychose eine gefährliche Drohung ausgesprochen ha­ben, ihr Leben lang hinter Gitter, nämlich in den Maßnahmenvollzug ge­kommen sind. Genau deswegen ist diese Reform auch so treffsicher und so wichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Darüber hinaus: Wer einen Blick in den Gesetzestext wagt, wird sehen, wie veraltet die Sprache darin ist. Wenn man sich das anschaut, dann sieht man, dass darin Dinge wie „geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades“ stehen. Wir wissen alle, das gehört in ein anderes Jahrhundert. Da geht es nicht darum, Sprachpolizei oder sonst irgendetwas zu sein, sondern es geht darum, das in eine moderne Sprache zu holen, und deshalb heißt es jetzt „schwerwie­gende und nachhaltige psychische Störung“.

Genau aus diesem Grund heißt es jetzt auch forensisch-therapeutisches Zentrum, denn es soll ja auch suggerieren, was dort passiert. Die Menschen, die


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psychisch krank sind, brauchen Betreuung, brauchen Therapie, und ge­nau das passiert in einem forensisch-therapeutischen Zentrum.

Die Regelung, die in diesem Gesetzespaket enthalten ist, die auch vielfach kritisiert wurde, möchte ich hier noch einmal erklären, weil ich glaube, dass das medial einfach für sehr, sehr viel Verwirrung gesorgt hat und viele sich auch das Gesetz nicht genau angeschaut haben: Das, was wir für die Terroris­tinnen und Terroristen regeln, ist ein Sonderfall einer bereits bestehen­den Regelung, nämlich der Regelung des § 23 StGB; § 23 StGB regelt den ge­fährlichen Rückfallstäter. Jetzt gibt es eine Untergruppe, nämlich den ge­fährlichen Terroristen, der nun auch nach § 23 eingewiesen werden kann. Die Voraussetzungen für die Einweisung eines gefährlichen Terroristen sind recht hoch. Und, meine Damen und Herren, wenn man sich das anhört, dann muss man sagen: Da möchte man sehr wohl, dass solche Menschen tat­sächlich im Maßnahmenvollzug für gefährliche Rückfallstäter untergebracht sind.

Es muss eine Anlasstat geben, nämlich ein Terrordelikt und eine Verurteilung zu mindestens 18 Monaten Freiheitsstrafe, und 18 Monate Freiheitsstrafe ist nicht ohne in Österreich. Eine schwere Vortat ist erforderlich. Das heißt, die Person muss vorher schon zwölf Monate lang in Haft gewesen sein – zwölf Monate lang in Haft, und diese Haft hat nichts genutzt, weil trotzdem wieder eine Anlasstat begangen wurde, nämlich ein Terrordelikt –, und es muss eine Befürchtung geben, dass weitere solcher Straftaten mit schweren Folgen begangen werden, nämlich weitere terroristische Straftaten. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es in so einem Fall durchaus gerechtfertigt ist, dass wir den § 23 auch für die terroristischen Rückfallstäter eingeführt haben.

Wenn jetzt behauptet wird, dass das eben nicht EMRK-konform ist, dann kann ich Sie beruhigen: Es ist EMRK-konform. Es ist menschenrechtskonform, wir haben uns das ganz genau angeschaut. Jedem, der behauptet, das wäre eine Sicherungshaft, kann ich noch einmal sagen: Eine Sicherungshaft, nämlich


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eine präventive Haft, wäre nicht menschenrechtskonform. Das, was wir hier ein­führen, ist menschenrechtskonform, und dazu stehe ich auch. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Meine Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte, mit der vorliegen­den Regierungsvorlage schaffen wir es endlich, diesen Maßnahmenvollzug ins 21. Jahrhundert zu bringen und den Stillstand in diesem Bereich zu beenden. Wir schaffen damit ein Fundament für einen menschenrechtskonformen Maßnahmenvollzug und für eine sichere Gesellschaft. Das ist ein erster Schritt, das ist mir klar, und es werden auch weitere, notwendige Verbesserungen kommen.

Ich freue mich sehr, dass wir dieses Vorhaben auf den Weg gebracht haben, und ich bitte Sie, dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, zuzustimmen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.55


Vizepräsident Günther Novak: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Mag. Grossmann zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.56.03

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin, Sie haben von „50 Jahren Stillstand“ im Maßnahmenvoll­zugsrecht gesprochen. Das ist nicht richtig und wird durch Ihre eigene Regie­rungsvorlage widerlegt. In den Erläuterungen werden über zwei Seiten die Reformschritte im Maßnahmenvollzugsrecht der letzten 20 Jahre aufgezählt. Bitte lesen Sie Ihre eigene Regierungsvorlage! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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13.56


Vizepräsident Günther Novak: Jetzt hat sich die Frau Bundesministerin noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin. (Bundesrat Schennach: Jetzt gibt es die Berichtigung der Berichtigung!)


13.56.44

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Das Argument ist auch schon im Nationalrat gefallen, danke, dass Sie es noch einmal aufgebracht haben. Es hat keine wesentliche Veränderung des Maßnahmenvollzugs gegeben, die Einweisungsvoraussetzungen sind mehr oder weniger gleich geblieben, die Menschen sind vor 50 Jahren unter den gleichen Voraussetzungen eingewiesen worden wie jetzt. Nun gibt es eine wesentliche Änderung des Maßnah­menvollzugs, nämlich so, wie sie vom Menschenrechtsgerichtshof von uns ge­fordert wird.

Ich bin wirklich froh, dass wir diesen Stillstand beenden. Ja, es hat minimale Änderungen gegeben, die gibt es in jedem Gesetz, aber eine wesentli­che Änderung hat es tatsächlich nicht gegeben. Daher freue ich mich, dass wir das gemeinsam umsetzen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.57


13.57.23

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

13.57.596. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-


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Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (2982/A und 1850 d.B. so­wie 11150/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Markus Stotter. – Ich bitte um den Bericht.


13.58.32

Berichterstatter Markus Stotter, BA: Geschätzter Herr Vizepräsident! Werte Frau Bundesministerin! Ich darf Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz,
das 2. COVID-19-JustizBegleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Ge­setz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Jo­hannes Hübner. – Bitte.


13.59.22

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Minister! Kurz und bündig: Wir werden hier aus Gründen, die schon zu anderen Tagesordnungspunkten erörtert wurden, nicht zustimmen. Es besteht unserer Ansicht nach überhaupt kein Grund mehr, jetzt Covid-Maßnahmen im Gesellschaftsrecht oder auch im Rechtsanwaltsrecht fortzu­schreiben. Diese Maßnahmen gehen davon aus, dass es Lockdowns,


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Ausgangsbeschränkungen und dergleichen gibt und Versammlungen daher nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind.

All das besteht seit gut einem Jahr nicht mehr und ist nicht zu erwarten. Wenn man da Änderungen wie elektronisches Fernabhalten von Versammlungen der Rechtsanwaltskammer oder von GmbHs und AGs haben will, dann soll man es machen. Dann muss man das Für und Wider abwägen, das Ganze in Begut­achtung schicken, und dann soll man sich entscheiden, ob man es will, aber verlängern unter dem Vorwand Covid: sicher nicht. Daher ist unsere Zu­stimmung nicht zu bekommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.00


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.00.28

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und vor den Bildschirmen! Vielleicht nur ganz kurz, weil es jetzt eben von Kollegen Hübner nicht vorgebracht wurde, der erste Satz: Es wird verlängert. Ich würde sagen, die Pandemie ist noch nicht ganz vorbei, deswegen wird das auch verlängert, es geschieht nicht aus Jux und Tollerei. Das Gute dabei ist aber, dass uns das Zeitalter der Digitalisierung die Möglichkeit bietet, manches Ver­fahren oder Treffen zu erleichtern.

Da es eben nicht genannt wurde, sage ich ein bisschen, worum es genau geht. Es geht um die Möglichkeit von Videoverhandlungen in Zivilverfahren, um vir­tuelle Termine in Insolvenz- und Exekutionssachen, um das Weiterbestehen der Möglichkeit, im Strafvollzug besondere Vorkehrungen gegen Covid zu tref­fen, um die Abhaltung virtueller Gesellschafts- und Vereinsversammlungen, um die Ermöglichung der Verlängerung gesellschaftsrechtlicher Einreichfristen, und es geht um ein vereinfachtes Prozedere für Unterhaltsvorschüsse.


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Wie es danach weitergeht, wird gerade genau geprüft, das kommt aber sicher auf das Rechtsgebiet an. Bei Gerichtsverhandlungen ist es auf der einen Seite wohl wichtig, die Beweisvorbringung durch Zeugen so niederschwellig wie möglich zu halten und diese zu Aussagen zu motivieren, um genug Bewei­se zu bekommen. Wir kennen die Problematik aus Gewalt- und Sexualstrafver­fahren, bei denen fast 90 Prozent der Verfahren leider aus Mangel an Be­weisen, und dazu gehören eben auch Aussagen, eingestellt werden und es zu keinen Verurteilungen kommt. Das heißt, da ist es wahrscheinlich sehr wichtig, auf motivierende Aussagen abzustellen. Auf der anderen Seite ist es bei Gerichtsverfahren aber auch wichtig, dass die Richter:innen einen richti­gen Eindruck von der aussagenden Person und deren Glaubwürdigkeit be­kommen. Da kommt es sicher auch auf die persönliche Wahrnehmung an. Daher wird bei den Gerichtsverfahren wohl eine abschließende Regelung vorsich­tig ausfallen.

Anders ist es in den Verwaltungsverfahren, da wird wohl eine Vereinfachung des Verfahrens im Vordergrund stehen. Bei der virtuellen Gesellschafts- und Ver­einsversammlung ist wahrscheinlich auch insgesamt darauf zu achten, dass es immer klare Regelungen braucht, wenn man digital miteinander umgeht. Ja, die digitale Welt bietet viele Möglichkeiten und sie ist oft niederschwel­liger und egalitärer, aber sie fordert uns auch auf – weil es eben ein neues Hand­lungsfeld ist –, dieses Handlungsfeld zu kultivieren und diesbezüglich kluge Regelungen zu treffen.

Genauso ist es bei der Sicherung und den Anträgen von Unterhaltsvorschüssen: Auch das wird genau angeschaut und geprüft, aber wird innerhalb einer grö­ßeren Reform für das Wohl von Kindern behandelt werden müssen. Die Bundes­ministerin für Justiz wird auch da mit Bedacht und mit Expert:innenwissen vorgehen. Es wird aufgenommen, was sich bewährt hat, und verworfen bezie­hungsweise weitergeprüft, was noch unklar ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesräte Bader und Schwindsackl.)

14.03



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Vizepräsident Günther Novak: Danke.

In der Zwischenzeit darf ich auf unserer Galerie die Mitarbeiter der Bezirks­bauernkammer Waidhofen an der Thaya begrüßen. – Herzlich willkommen bei uns im Plenum! (Allgemeiner Beifall.) Wahrscheinlich gehören Sie zu den Letzten, die hier sitzen, weil wir ja heute das letzte Mal eine Sitzung hier in der Hofburg haben.

Nächste Rednerin ist Frau Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte.


14.04.26

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie und liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Die Coronapandemie hat dieses Hohe Haus in den letzten Jahren in bedeutendem Umfang beschäf­tigt. Wir haben uns mit zahlreichen Vorlagen in den verschiedensten Rechtsbereichen, sei es Wirtschafts-, Gesellschafts- oder auch Sozialrecht, beschäftigen müssen. In den letzten Monaten war zwar ein Abklingen der Pandemie erkennbar, und derzeit wird diese von einer grassierenden Grip­pewelle auch überdeckt, dennoch haben wir die Coronapandemie noch nicht völlig überstanden, wie Kollegin Kittl vorhin bereits erwähnt hat.

Kollegin Kittl hat die Maßnahmen bereits im Detail erklärt, daher werde ich jetzt nicht mehr im Detail auf diese eingehen. Nur noch ganz kurz zusammenge­fasst: Die Maßnahmen zielten und zielen darauf ab, mögliche Auswir­kungen durch die Coronapandemie auf den Geschäftsbetrieb der Justiz mög­lichst gering zu halten. Die Verlängerung dieser Maßnahmen um ein hal­bes Jahr kann als Vorsichtsmaßnahme angesehen werden, um auch weiterhin einen geordneten Gerichtsbetrieb sicherzustellen und zu ermöglichen. Ich kann mich diesbezüglich kurz halten: Ich finde diesen Vorschlag sinnvoll und werde daher der Vorlage meine Zustimmung erteilen.


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Gerne möchte ich noch einige generelle Anmerkungen dazu anbringen: Ich bin der Ansicht, dass viele Maßnahmen, die im Zuge der Covid-19-Justiz-Be­gleitgesetze beschlossen worden sind, eine Arbeitserleichterung darstellen be­ziehungsweise der Vereinfachung und Beschleunigung der Justizverfah­ren dienlich sein können. Jede Krise birgt auch eine Chance. Die Coronapande­mie hat uns zu raschen Maßnahmen bewegt, die unter normalen Umstän­den wohl Jahre in Anspruch genommen hätten. Die Möglichkeit, Verhandlungen und Anhörungen auf Einverständnis der Parteien mithilfe digitaler Kommu­nikationsmittel abzuhalten, war eine sinnvolle Maßnahme, die im Sinne der Bür­gerinnen und Bürger getroffen wurde.

In Zeiten des technologischen Fortschritts ist es möglich, viele Dinge digital und virtuell zu erledigen. Gerichtsverhandlungen sind da beispielsweise auch keine Ausnahme. Meiner Ansicht nach wäre es daher ein Gebot der Stunde, dass die entsprechenden Bestimmungen ganz generell auf deren Alltagstauglich­keit auch außerhalb der Coronapandemie geprüft werden. Da es sich dabei um teils weitreichende Eingriffe in die Verfahrensordnungen handelt und es auch Grundrechte tangiert, muss die entsprechende Prüfung natür­lich mit höchster Sorgfalt erfolgen. Ich rege an, dass diese Thematik mit einer gewissen Priorität behandelt und angegangen wird.

Frau Bundesministerin, ich begrüße daher auch Ihre Ambitionen, einige dieser sinnvollen Maßnahmen im Dauerrecht fest zu verankern, denn damit verbessern Sie unser Justizsystem nachhaltig.

Wie ich bereits ausgeführt habe, unterstütze ich die gegenständlichen Gesetzesvorlagen. Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen dazu einladen, diesem Antrag auch zuzustimmen.

Ich wünsche Ihnen allen frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich freue mich schon darauf, gemeinsam mit Ihnen die kommenden He­rausforderungen im neu renovierten Parlament anzupacken. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.08



BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 166

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Eli­sabeth Grossmann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.08.28

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt gefühlt die 20. Verlängerung der Ausnahmebestimmungen, die der Pandemie geschuldet sind. Ich sage, meine Fraktion stimmt jetzt wahrscheinlich das letzte Mal dieser Ausnahmebestimmung zu, weil nicht der Fall eintreten soll, dass ein Pro­visorium sozusagen ewig hinausgezögert wird. Es muss jetzt wirklich end­lich die Entscheidung darüber fallen, was ins Dauerrecht übernommen wird und was eingestellt wird. Ich hoffe also, dass Sie sich in der Regierung endlich finden und da Klartext reden und etwas auf den Weg bringen, damit Rechtssi­cherheit herrscht.

Es ist ja auch die Bestimmung betreffend die Gebührenfreiheit der Unterhalts­vorschussgewährung enthalten, die ganz, ganz wichtig ist. Das könnte ja, ohne zu zögern, ins Dauerrecht übernommen werden. Überhaupt: Wenn wir da von den Unterhaltsvorschussverfahren sprechen, wäre es dringend not­wendig, ein System der Unterhaltssicherung einzuführen. Das wäre ein ganz, ganz wichtiger Beitrag gegen die Kinderarmut in Österreich. Da sollten Sie sich also einen Ruck geben und das möglichst rasch auf Schiene bringen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen auch ein wunderschönes Weihnachtsfest. Alles Gute für das neue Jahr, vor allem Gesundheit! Möge sich die internationale Situation bessern! Alles Gute! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)


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14.10


Vizepräsident Günther Novak: Frau Bundesministerin, Sie gelangen zu Wort. Bitte, Frau Dr. Zadić.


14.10.11

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich wollte nur kurz an dieser Stelle noch einmal anmerken: Mir ist bewusst, dass diese Covid-Verlängerungen durchaus ein Stretch sind. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir daran arbeiten, das ins Dauerrecht zu überführen. Das ist in unserem Sinne, denn es ist ja auch vieles in unserem Leben digitaler gewor­den, und so muss es auch möglich sein, dass wir gewisse Verhandlungen digital abwickeln können. Also wir arbeiten daran, dass wir einige dieser proviso­rischen Maßnahmen ins Dauerrecht überführen.

Da das heute meine letzte Rede in diesem Haus ist, möchte ich Ihnen allen noch ein schönes Weihnachtsfest, ein paar hoffentlich ruhige und erholsame Fei­ertage und einen guten Rutsch wünschen. Ich wünsche uns allen ein ge­sundes 2023. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

14.11


14.11.10

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.11.477. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (2980/A und 1851 d.B. sowie 11164/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 168

Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin wurde mir Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig gemeldet. – Ich bitte um den Bericht.


14.12.08

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Tatsächliche Berichtigung: Berichterstatter! (Heiterkeit des Redners. – Bundesrat Schreuder: So schlimm ist das nicht! Genderfluid!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeld­gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, darum komme ich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage einstim­mig den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Berichterstatter.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.12.53

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher hier bei uns im Parlament! Liebe Zuseher daheim! 94,5 Prozent der Bezieher des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes sind Frauen. Ein Teil davon arbeitet neben dem Kinderbetreuungsgeldbezug auch noch geringfügig dazu, und dieser hohe Frauenanteil zeigt gleichzeitig auch, dass die Väterbeteiligung nach wie vor sehr gering ist. In acht von zehn Partnerschaften gibt es nach wie vor keiner­lei Beteiligung der Väter, was das Thema Karenz anbelangt.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 169

Je mehr ein Mann verdient, desto kürzer fällt die Karenz aus. Je mehr eine Frau verdient, desto länger fällt die Karenz aus. Seit der Einführung des Papa­monats 2017 gehen noch weniger Väter in Karenz. Auch bei der Dauer der Vä­terbeteiligung ist ein kontinuierlicher Trend nach unten bemerkbar, insbe­sondere ab 2010. Das fällt auch mit der Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes zusammen.

Diese Fakten zeigen im Wesentlichen zwei Dinge: Wenn man tatsächlich die Karenzzeiten zwischen den Elternteilen, also zwischen Vater und Mutter, ausgewogener aufteilen möchte, dann braucht es wahrscheinlich auch stärker lenkende Maßnahmen und Anreize, zum Beispiel indem Väter signifikante Teile des Kinderbetreuungsgeldes beziehen müssen, da es sonst verfällt. Island wird dabei oft als Vorbild genannt. Dort gibt es drei Monate für Mütter, drei Monate für Väter und drei Monate zur freien Auswahl. Die Monate, die nicht genommen werden, verfallen. Das Modell in Island hat dort dazu geführt, dass der Anteil von Vätern in Karenz von 30 auf 90 Prozent erhöht wurde.

Der zweite Punkt, den die genannten Fakten zeigen: Der heutige Geset­zesbeschluss, den wir fassen werden, kommt speziell jungen Familien und ganz besonders den Frauen, die gerade eine Familie gegründet haben, zugute. 94,5 Prozent der Bezieher des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes sind nämlich Frauen. Wir erhöhen nun also die Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld von 7 600 Euro auf 7 800 Euro. Damit ist auch eine geringfügige Beschäftigung während der Karenz weiter­hin möglich. Im Sinne einer Gestaltungs- und Wahlmöglichkeit der Familien wer­den wir diesem Gesetz natürlich zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.15


Vizepräsident Günther Novak: Begrüßen bei uns im Plenum darf ich Frau Bundesministerin Dr. Susanne Raab, zuständig für Frauen, Familie, Integration und Medien. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)


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Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.16.00

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin hat es schon ausgeführt: Mit 1. Jänner, also in wenigen Tagen, tritt diese Gesetzesände­rung in Kraft, wenn wir sie heute beschließen. Damit wird eben die Zu­verdienstgrenze beim Bezug des Kinderbetreuungsgeldes erhöht.

Wie gesagt: Bezieher:innen des Kinderbetreuungsgeldes können dann bis zur Geringfügigkeitsgrenze weiterhin dazuverdienen, was einerseits wichtig ist, damit man in dieser Karenzzeit sozusagen den Fuß in der Türe zum Job be­hält und beim Wiedereinstieg in den Job nicht quasi bei null beginnen muss und über den laufenden Betrieb informiert ist. Auf der anderen Seite kann es auch wichtig sein, wenn man tatsächlich möchte oder auch muss, zum Haushaltseinkommen etwas dazuzuverdienen.

Was für mich interessant war: Was wir im Ausschuss vor zwei Tagen erfahren haben, ist, dass das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld mittler­weile von 40 Prozent der Antragsteller:innen in Anspruch genommen wird. Das ist ein deutlicher Zuwachs in den letzten Jahren. Ich kann mich noch daran erinnern, als wir bei 10 Prozent waren, und das ist jetzt kontinuierlich mehr ge­worden. Das heißt, das pauschale Kinderbetreuungsgeld wird aktuell von rund 60 Prozent der Antragsteller:innen in Anspruch genommen. Man muss aber tatsächlich – und da gebe ich meiner Vorrednerin Heike Eder recht – per­manent beobachten: Wie wird das genutzt? Wie kann man dem Ziel der Gleich­stellung von beziehungsweise der gleichen Inanspruchnahme durch Papas und Mamas Rechnung tragen? Wo muss man nachjustieren, um Anrei­ze zu schaffen? Ich glaube, da sind wir uns ganz einig.


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Die Sozialdemokratie wird dieser Gesetzesvorlage heute zustimmen. Allerdings möchte ich heute trotzdem noch einmal den Finger auf eine Wunde legen. Ich weiß, wahrscheinlich werden Sie, Frau Ministerin, und auch Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen es nicht so gerne hören, aber wir beobachten, dass es trotz aller Zuwendungen und Familienleistungen – und die sind ja unbestritten vielfältig, und es sind ja einige – traurige Tatsache ist, dass nach wie vor manche Familien in Österreich in großer Not sind. Wir wissen, das betrifft vor allem Einelternhaushalte, das betrifft vor allem Mehrkindfamilien.

Auch da gibt es verschiedene Grundprobleme, die dahinter liegen. Das eine hat möglicherweise damit zu tun, dass Vollzeitbeschäftigung in Kombination mit Kindern nach wie vor schwierig ist, wenn nicht überall ganzjährige und ganz­tägige Kinderbildungseinrichtungen und Kinderbildungsplätze zur Verfü­gung stehen, und das ist nach wie vor leider nicht der Fall. Es ist auch ein Grund­problem, dass oft die Löhne nicht ausreichen, um damit eine Familie gut ernähren zu können.

Ich möchte einfach darauf hinweisen: Dieser Tatsache muss man sich stellen und überlegen, wie man diese Not dauerhaft lindern kann, wenn das gemeinsame Ziel ist, dass Kinder in unserem Land nicht in Armut aufwachsen sollen. Ich könnte mir vorstellen, dass man da schon einen Konsens herstellen könnte.

Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen das jemals gemacht haben, aber ich habe es in den letzten Monaten zweimal gemacht: Ich habe Familien geholfen, bei diesem Licht-ins-Dunkel-Soforthilfefonds einen Antrag zu stellen – sozusagen als letzte Möglichkeit, in einer wirklichen Notsituation Abhilfe zu schaffen.

Das war einmal, weil eine Familie aufgrund einer Verkettung von unglücklichen Schicksalsschlägen in einen Mietrückstand geraten ist und wir nur mehr die Möglichkeit hatten, diesen Soforthilfefonds in Anspruch zu nehmen. Bei der an­deren Familie ging es ganz konkret darum, dass die Zahlungen für eine Schulsportwoche mit der Reparatur des einen Computers, an dem vier Personen in diesem Haushalt arbeiten mussten, zusammengefallen sind.


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Es sind also oft keine großen Dinge, aber es ist oft eine Verkettung von Ereignissen, die dazu führt, dass Familien in solch eine Notlage geraten, sodass nur noch solche Spenden oder Zuwendungen helfen, und das löst unglaubli­chen Stress aus. Und wenn man solche Dinge dauerhaft abfangen könnte, wür­den wir diesen Eltern, aber auch den Kindern wirklich etwas nachhaltig Gutes tun.

Ich finde, wenn man sich dieser Tatsache stellt, fällt einem kein Zacken aus der Krone, das ist eine Anerkennung von Tatsachen und von Lücken, die ein­fach noch bestehen, und sich dem zu stellen und diese Lücken zu schließen, das könnte eine gemeinsame Aufgabe sein. Wir als Sozialdemokratie wären sehr gerne bereit, hier an Lösungen mitzuwirken. Wir machen auch regelmäßig Vorschläge in diesem Sinne. Ein Vorschlag ist, dass man eben diese Un­terhaltssicherung, die vorher gerade Thema war, endlich umsetzt. Eine andere Maßnahme, die wir immer wieder vorschlagen, ist ein kostenloses war­mes Mittagessen für alle Kinder in Österreich, die in einer Bildungseinrichtung sind (Beifall bei der SPÖ), wie dies in Finnland schon viele Jahre der Fall ist. Ein anderes Beispiel wäre die Einführung einer Kindergrundsicherung, wie sie jetzt unser Nachbarland Deutschland beschlossen hat. Und eine Maßnah­me, die mir sehr am Herzen liegt, ist der Ausbau einer flächendeckenden und über das Jahr dauerhaften Elementarbildung.

Ich glaube schon, dass dieser Rechtsanspruch, den wir immer wieder diskutieren, hier tatsächlich einen Turbo bringen könnte in der Umsetzung, im Ausbau der Einrichtungen, aber auch in der Qualitätsoffensive, die auch dringend not­wendig ist. Es bräuchte 1 Milliarde Euro jährlich, um diesen Bedarf abde­cken zu können; nicht 1 Milliarde, wie sie jetzt über mehrere Jahre beschlossen wurde, sondern tatsächlich pro Jahr, das wissen wir aus unseren Berechnungen.

Diese Ausbildungs- und Ausbauoffensive wäre für die Familien ganz dringend notwendig, um alle Familien gut absichern zu können.


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Das heißt, wir stimmen der Erhöhung der Zuverdienstgrenze heute natürlich zu, aber wir fordern zusätzlich Maßnahmen, um die bestehende Armut, die es tatsächlich in Österreich gibt, nachhaltig abzufedern. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.23


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Andrea Mi­chaela Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.23.16

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Wie gesagt, es geht jetzt bei diesem Tagesordnungspunkt darum, die Zuverdienstgrenze anzuheben, wobei man ja sagen muss: Beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld wird die Grenze deshalb angehoben, weil es sonst allein durch die Tatsache der neuen Gering­fügigkeitsgrenze im nächsten Jahr zu einer Überschreitung käme. Meine Emp­fehlung daher: Man könnte das in Zukunft gleich an die Geringfügigkeits­grenze koppeln, denn in zwei Jahren erhöht ihr es wieder – andernfalls würde das immer valorisiert und man bräuchte nicht jedes Mal eine Gesetzesän­derung zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was man aber auch immer trennen muss: Der Bezug von Kinderbetreuungsgeld hat nichts mit Karenz zu tun. Das heißt, es ist nicht unbedingt Voraussetzung, dass man in Karenz geht, damit man Kinderbetreuungsgeld bekommt.

Jetzt ist es aber so: Wenn ich mich – und das kann ich nur in einem Dienstver­hältnis – für eine Karenz entscheide, dann bin ich vom Arbeitsrechtlichen her sowieso dazu verpflichtet, dass ich maximal geringfügig dazuverdiene. Also diese zwei Dinge bedingen einander.

Worum es mir aber auch geht, ist: Man muss die Wahlmöglichkeit aller Familien gewährleisten, dass sich die Eltern eben entscheiden können, wie und wann sie ihr Kind betreuen. Auch, wenn jetzt schon von 40 Prozent das ein­kommensabhängige Kinderbetreuungsgeld in Anspruch genommen wird, heißt


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das deshalb nicht, dass die Frauen nach einem Jahr wieder zurück ins Berufs­leben kommen, sondern sie beantragen das für zehn Monate und blei­ben in Wirklichkeit dann aber trotzdem auch bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes zu Hause. Und das muss man einmal anerkennen.

Man kann es noch so oft beten, es wird in Österreich immer Familien geben, die der Meinung sind, dass sie ihr Kind lieber selbst betreuen möchten, und das muss bei uns möglich sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Und da komme ich jetzt zur Familienministerin: Meine Kollegin Rosa Ecker hat in der Fragestunde im Nationalrat Sie, Frau Minister, gefragt, welche Konzep­te oder Überlegungen es seitens des Familienministeriums gibt, um jene Familien gleichwertig zu fördern und zu unterstützen, die ihre Kinder nicht sofort in eine Kinderkrippe oder in einen Kindergarten geben. Und Ihre Antwort darauf war: Das ist mit dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes gut abgedeckt.

Mit 14,53 Euro am Tag, sagt die Familienministerin, ist die häusliche Betreuung adäquat, sozusagen gleich gut wie die außerhäusliche abgedeckt. Das, finde ich, ist eigentlich eine Verhöhnung jener Familien, die bereit sind, dem Staat und der Volkswirtschaft Kosten zu ersparen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine zweite Sache, Frau Minister, die mich in Ihrer Fragestunde auch sehr be­troffen gemacht hat: Es waren sehr viele Fragen, auf die Sie die Antwort gegeben haben, obwohl Sie die Familienministerin sind – das hat man sogar im Bundeskanzleramt angesiedelt, weil es angeblich so wichtig ist –, Sie ha­ben also auf fast jede zweite Frage geantwortet: Das liegt nicht in meinem Zu­ständigkeitsbereich, da ist der Minister zuständig, dort ist der Minister zu­ständig. Das kann ich nicht entscheiden.

Dann habe ich mir gedacht: Wenn wir jetzt eine Familienministerin haben, die gerade selber Mutter eines Kindes geworden ist, dann muss das ja vom Engagement her und im Herzen noch viel mehr brennen, und da erwarte ich mir


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dann, dass Sie mit diesen Ministern so verhandeln, dass diese Dinge, die für die Familien so wichtig sind, gelöst werden können. (Beifall bei der FPÖ.)

14.27


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dipl.-
Ing. Dr. Maria Huber. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.27.25

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörende und Zuse­hende! Es ist eigentlich schon sehr viel gesagt worden und ich kann mich in vie­len Dingen meiner Vorrednerin Heike Eder anschließen, aber ein paar Worte - - (Bundesrat Schennach: Der Daniela nicht?) – Teils auch, natürlich, selbstverständlich. Es waren, wie ich glaube, grundsätzlich viele sehr gute Anregungen dabei, das möchte ich hier auch so sagen.

Wir beschließen heute hier, das haben wir schon gehört, einerseits die Erhöhung der Zuverdienstgrenze – im Kontenmodell des Kinderbetreuungsgeldes haben wir das ja schon umgesetzt. Daher ist es jetzt quasi nur folgerichtig, dass wir diese Erhöhung jetzt auch beim einkommensabhängigen Modell beschließen.

Wir haben es schon gehört: 94 Prozent der Menschen in Österreich, die das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld bekommen, sind Frauen. Ich denke auch, das ist 2022 eigentlich schon auch eine sehr ernüchternde Erkenntnis, und es ist noch ein harter und weiter steiniger Weg, den wir hier offensichtlich gemeinsam – wie ich hier durch Ihr Nicken sehe –, frak­tionsübergreifend gehen werden.

Ich hoffe, dass wir diese Zahl im Auge behalten, denn das heißt im Um­kehrschluss auch: Wenn eine Frau eine lange Karenzzeit nimmt, teilweise auch, wenn eine Frau eine kurze Karenzzeit nimmt, heißt das oft, dass die Fa­milienarbeit sehr zu Lasten der Frau geht. Viele steigen dann in Teilzeit idealer­weise wieder in ihren alten Job ein – aber am Ende des Tages ist natürlich


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auch die Altersarmut sehr oft ein Thema, gerade bei Frauen. Und das ist sicher ein Bereich, in dem wir auf jeden Fall Maßnahmen setzen werden müssen.

Eine weitere Änderung, die ich hier auch noch erwähnen möchte, ist die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld – Daniela Gruber-Pruner hat das angesprochen. Das ist gerade für Alleinerziehende oder Personen, deren Partner oder Partnerin ein niedriges Einkommen hat, eine Beihilfe, die diesen Menschen hilft.

Im Jahr 2021 waren das insgesamt 4 292 Personen, die diese Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld bezogen haben. Für diese stellen wir heute sicher, dass diese Beihilfe weiterhin bezogen werden kann, auch wenn ihr Einkommen im Zuge der Inflation steigt. Das ist wirklich eine Maßnahme, mit der wir gezielt armutsgefährdete Familien in Österreich unterstützen. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir diese Maßnahmen heute mit breiter Zustimmung hier im Bun­desrat beschließen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundes­rät:innen der SPÖ.)

14.30


14.30.37

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.31.138. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (2418/A und 1852 d.B. sowie 11165/BR d.B.)



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Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Bericht.


14.31.35

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des National­rates vom 15. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.32.14

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher hier im Parla­ment! Liebe Zuseher daheim! Wenn es etwas gibt, das so ziemlich alle Menschen mit Behinderungen, mich eingeschlossen, hassen, dann sind das die ständi­gen Untersuchungen und Gutachten.

Genau deshalb ist der heutige Beschluss besonders wichtig für alle Familien mit behinderten Kindern, weil er wirklich eine Erleichterung bringt und Arztgänge für Gutachten reduziert werden. Wenn ein Kind eine Behinderung hat, die mehr als 50 Prozent beträgt – das ist zum Beispiel dann, wenn das Kind im Rollstuhl sitzt, wenn ein Arm amputiert ist oder wenn es gehörlos ist –,


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dann kann man einen Behindertenpass beantragen. Hierfür ist eine Untersu­chung, ein Gutachten notwendig. Gleichzeitig kann man auch die erhöh­te Familienbeihilfe beantragen. Bislang war es so, dass für beides ein gesondertes Gutachten notwendig war – das ändert sich ab sofort. Ab sofort reicht es, für die Beantragung des Behindertenpasses und für die erhöhte Familienbeihilfe ein Gutachten zu machen.

Somit bekommen alle Familien mit behinderten Kindern ein kleines Weihnachts­geschenk, das doppelt wirkt, nämlich mehr Geld und weniger Aufwand. Mehr Geld gibt es mit der jährlichen Inflationsanpassung, die wir im November, was die Familienbeihilfe anbelangt, beschlossen haben. Da bekommt nun eine Familie mit einem behinderten Kind bei einer angenommenen Inflation von 2,5 Prozent bis zum 18. Geburtstag 17 287 Euro mehr an Familienbeihilfe.

Mit der heute beschlossenen Verfahrenserleichterung haben Familien mit einem behinderten Kind oder mehreren behinderten Kindern nun weniger Auf­wand, weil wie gesagt nun ein Gutachten ausreichend ist, um sowohl den Behindertenpass als auch die erhöhte Familienbeihilfe zu beantragen. Für dieses kleine Weihnachtsgeschenk, das nun für alle Familien mit behin­derten Kindern unter dem Weihnachtsbaum liegt, sage ich herzlichen Dank.

Ich freue mich auf eine breite Zustimmung, und da dies heute voraussichtlich meine letzte Rede sein wird, wünsche ich euch allen wunderschöne Weihnachten. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

14.34


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Sandra Gerdenitsch. – Bitte.


14.34.49

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Hohen Haus und zu Hause! Wir beschließen heute eine Regelung, die wir Sozialdemokratinnen


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und Sozialdemokraten natürlich begrüßen, bedeutet sie doch, dass das Leben von Familien mit Kindern mit Einschränkungen und besonderen Be­dürfnissen erleichtert wird.

Wir bauen somit finanzielle Belastungen und bürokratische Hürden für Familien mit behinderten Kindern ab. Mit 1. März 2023 wird der Behindertenpass ausreichen, um eine erhebliche Behinderung nachzuweisen. Zusätzliche ärztliche Untersuchungen oder Befunde sind nicht mehr nötig, Sachverständigengut­achten werden automatisch übermittelt und die Betroffenen ersparen sich somit zusätzliche Behördenwege.

Vor über eineinhalb Jahren hat man schon davon gesprochen, für Menschen mit Behinderung One-Stop-Shops einzurichten, also eine zentrale Anlaufstelle, um Leistungen leichter zugänglich zu machen. Es ist mir schon klar, dass das jetzt nicht Ihr Ressort ist, aber vielleicht könnte man darüber nachdenken, das jetzt wirklich umzusetzen.

Ja, es ist ein unbestrittener Fakt, dass Familien mit Kindern vor vielen Heraus­forderungen stehen, ganz besonders merkt man das in den Sommerferien. Wie stemmt man diese neun Wochen Sommerferien? Das ist für Familien mit Kindern, die keine besonderen Bedürfnisse haben, schon eine große He­rausforderung, aber für Familien mit Kindern mit Behinderungen noch eine viel größere Herausforderung.

Man greift auf Hilfen und Angebote zurück, die verfügbar sind: Großeltern, Freundinnen, Freunde, Ferienbetreuungen und Sommercamps. Natürlich sind auch Eltern von Kindern mit Behinderungen immer wieder vor diese He­rausforderungen gestellt, aber da tun sich gewaltige Unterschiede auf. Auch da ist mir bewusst, dass das nicht Ihr Ressort ist, aber sprechen Sie bitte mit Ihrem Kollegen. Großeltern können mit zunehmendem Alter die Pflege von be­einträchtigten Kindern nur mehr bedingt übernehmen, wenn sie nicht so­wieso durch Berufstätigkeit oder eigene Erkrankung die Betreuung nicht übernehmen können.


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Kinder mit Behinderungen ziehen auch nicht mit Freunden oder allein einfach los und unternehmen spannende Dinge, sie brauchen Begleitung, Aufsicht und Betreuung. Sommercamps oder spezielle Betreuungsangebote für beeinträchtig­te Kinder gibt es mittlerweile, allerdings nur einige wenige. Eltern sind auf sich selbst gestellt, diese neun Wochen zu überbrücken. Wie man das mit einer Berufstätigkeit schaffen soll, das ist sowieso die große Frage, und das will eigentlich gar niemand wissen.

Auch Kinder mit Handicap haben aber ein Recht auf Abwechslung in den Ferien, auf spannende, auf lustige Erlebnisse mit Freundinnen und Freunden, ohne immer die Eltern mit dabeizuhaben, aber auch und vor allem die betroffe­nen Eltern brauchen diese Entlastung. (Beifall bei der SPÖ.) 2021 gab es dazu auf Initiative der Kinderfreunde Burgenland und der Familienlandesrätin Daniela Winkler – Sie werden sie sicher kennen – eine Ferienbetreuung für besondere Kinder. 2022 hat sich der Verein Dahuam4Kids mit den Kinder­freunden Burgenland zusammengetan, um ein Angebot in meinem Hei­matbezirk Oberpullendorf zu schaffen.

Wie ich erfahren konnte, waren es geniale fünf Tage für Eltern und für Kinder, und genau so etwas braucht es. Solche Strukturen darf es aber nicht geben, weil es Privatinitiativen gibt oder Pilotprojekte initiiert werden, sondern weil der Staat seine Aufgaben wahrnehmen und eine entsprechende Leistung zur Verfügung stellen muss.

Ein gleichberechtigtes Leben für alle Kinder schaut, zusammengefasst, anders aus. Gerade im Bereich der Kinder und Jugendlichen mit besonderen Be­dürfnissen gibt es Aufholbedarf, denn da heißt es leider noch immer oder oft­mals: von der Sonderschule in die Werkstätte. Das bedeutet dann auch öfter oder längere Arbeitslosigkeit und führt schlussendlich dazu, dass diese Bevölkerungsgruppe stärker von Armut betroffen ist.

Der Umgang mit behinderten Menschen lässt in Österreich generell zu wün­schen übrig, auch werden ihre Grundrechte nicht respektiert. Statt dass man sich


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besser des Ausbaus von Rechtsansprüchen behinderter Menschen an­nimmt, setzt man auf Charityveranstaltungen und somit auf das Wohlwollen von anderen. Behinderte Menschen werden zu Almosenempfängern und ‑empfän­gerinnen degradiert, das ist menschenunwürdig, das wollen wir nicht mehr akzeptieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Erfüllung dieser für Menschen mit Beeinträchtigung wichtigen Leistungen und Aufgaben muss der Sozialstaat finanzieren, es gibt in diesem Bereich also noch viel zu tun.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und alles Gute für 2023. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

14.39


Vizepräsident Günther Novak: Nun hat sich unsere Frau Ministerin MMag. Dr. Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


14.39.43

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Liebe Jugendliche auf der Galerie! Ihr werdet jetzt eine der letzten Gruppen sein, die in diesem Haus empfangen werden. Es ist schön, dass ihr heute hier seid. Ich freue mich immer, wenn man auch die Jugend im Parlament sieht. Das ist ganz wichtig.

Ich durfte heute einen kurzen Blick in die aktuelle Familienstatistik werfen, die uns Aufschluss darüber gibt: Wie schaut es mit den Geburten aus, wie mit den Eheschließungen et cetera? Das Bild, das sich mir gezeichnet hat, ist ein ganz eindeutiges, nämlich dass die Familien in den multiplen Krisen ei­gentlich noch einmal mehr zusammenrücken, dass die Menschen in un­serem Land noch einmal mehr einen Fokus auf das Familienleben legen und dass die Familie in Zeiten wie diesen den Menschen einfach wirklich Halt gibt. Es


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sind mehr Kinder geboren worden, es gibt mehr Eheschließungen, es gibt weni­ger Alleinerziehende – alles positive Elemente, an denen man sieht, wie wichtig die Familie für jeden Einzelnen ist und wie wichtig es ist, dass wir als Politik die Familien ins Zentrum unserer gesamtgesellschaftlichen Politik stellen.

Ich freue mich, dass in diesem Jahr auch einiges gelungen ist, sehr, sehr viel gelungen ist, familienpolitische Meilensteine gelungen sind. Ab 1. Jänner gibt es erstmalig die Valorisierung, also die Anpassung aller Familienleistungen an die Teuerung. Das ist wirklich ein familienpolitischer Meilenstein, der den Fami­lien – beispielsweise einer Familie mit einem kleineren Kind, die noch Kin­derbetreuungsgeld bezieht – bis zu 1 500 Euro mehr im Jahr bringt.

Neben diesen finanziellen Entlastungen oder Bezuschussungen gibt es auch steuerliche Leistungen, die wir massiv erhöhen; so etwa den Familienbonus Plus von 1 500 auf 2 000 Euro.

Wir sind, was die finanziellen Familienleistungen betrifft, in Europa auf Platz drei, diese Vorreiterrolle bauen wir mit dem Maßnahmenpaket für die Familien noch einmal mehr aus, und ich finde, darauf können wir auch stolz sein, denn das sind natürlich auch Ihre Beschlüsse, die Sie hier im Hohen Haus auch mittra­gen und umsetzen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir wollen außerdem natürlich, dass alle Familien jenes Lebensmodell wählen können, das sie möchten. Wir wollen eine echte Wahlfreiheit, wir wollen auch eine Wertschätzung für jene Familien, die die Kinder zu Hause betreuen, selbstverständlich. Wir wollen aber auch, dass Eltern – und jetzt sage ich bewusst: auch die Frauen – entscheiden können, wann sie wieder ins Berufsle­ben einsteigen, und das vielleicht auch früher tun können, als sie es bis jetzt getan haben. Dafür ist es wichtig, dass wir in die Kinderbetreuung inves­tieren. Da ist es nicht nur wichtig, dass wir möglichst viele Plätze schaf­fen, sondern auch, dass wir Maßnahmen treffen, dass Mama und Papa auch ein gutes Gefühl dabei haben, wenn sie ihr Kind in diese Betreuungseinrichtung geben. Das muss eine qualitätsvolle, gute Betreuungseinrichtung sein.


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Deshalb bin ich auch froh, dass es in diesem Jahr gelungen ist, dass wir 1 Milliar­de Euro an Kinderbetreuungsinvestition den Bundesländern und somit wiederum den Gemeinden, die ja für diese Aufgabe zuständig sind, zur Verfü­gung stellen, damit dieser Ausbau besser gelingt, und dass dieses Geld an wichtige Maßnahmen, nämlich an die Flexibilisierung der Öffnungszeiten, damit eine Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung überhaupt mög­lich ist, und eben auch an gewisse Qualitätskriterien gekoppelt ist, weil es auch wichtig ist, wie ich vorhin gesagt habe, dass es nicht einfach ein Betreuungs­platz ist, sondern dass man auch ein gutes Gefühl hat.

Ich bin außerdem froh, dass wir den Mutter-Kind-Pass – jetzt in der Transforma­tion: Eltern-Kind-Pass – angegangen sind, dass wir das Instrument noch erweitern, weil es ja wirklich ein Instrument ist, das auch massiv die Säuglings­sterblichkeit reduziert hat, wenn man das in der Historie betrachtet, und weil es ein Instrument ist, das von den Menschen gut angenommen wird, weil man eine Begleitung haben will, wenn man schwanger ist, und weil man auch willig und bereit ist – man will ja das Beste für das Kind –, dass man diese Schritte geht. Ich freue mich, dass wir jetzt auch neue Elemente einbauen werden, nämlich eine Eltern-Kind-Beratung, dass wir den Eltern gerade in dieser schwierigen Zeit oder in dieser Zeit mit vielen Fragezeichen am Beginn, rund um die Schwangerschaft, nach der Geburt des Kindes auch Fragen beant­worten können, dass wir die Eltern in den Familienberatungsstellen, von denen wir ja 400 haben, beraten können, dass die Eltern dieses Angebot nutzen können und dass wir so eben auch das Kindeswohl nicht nur medizinisch, sondern auch im sozialen Kontext in den Vordergrund stellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

All diese Maßnahmen, die ich Ihnen jetzt genannt habe, sind dieses Jahr erfolgt. Ich möchte mich bei Ihnen allen, natürlich auch beim Koalitionspartner, da­für bedanken, dass das gelungen ist. Ich glaube auch, dass diese Reformen – die vielleicht ein bisschen kleiner zu sein scheinen, nicht diese riesigen Würfe – jene Dinge betreffen, die die Menschen oft ärgern.


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Ich erzähle jetzt ein Beispiel: Viele Eltern haben mir berichtet, es sei eigentlich gemein und ungerecht, dass der Familienzeitbonus, wenn der Papa in den Papamonat geht, dann am Ende wieder vom Kinderbetreuungsgeld abgezogen wird und es sozusagen wieder ein Nullsummenspiel ist. Das haben mir vie­le berichtet, denn alle, die das machen, ärgern sich. Dass wir das jetzt bereinigt haben, halte ich für einen Mehrwert, wenn es um die gleichberechtigte Aufteilung und um die Stärkung der Väterbeteiligung geht.

Ich glaube auch, dass die Menschen einfach entlastet werden, was diese Zetterlwirtschaft betrifft. Das können wir nur durch die Digitalisierung erreichen, dass sie nicht wieder einen Nachweis erbringen müssen und die entspre­chende Stelle diesen Nachweis vielleicht nicht weiterleitet. Durch die Einführung von Fabian, diesem digitalen Familienabwicklungsmodell, kooperieren jetzt alle Stellen, alle Unterlagen werden den Stellen gleichermaßen zur Verfügung gestellt. Es gibt jetzt auch noch Erleichterungen für Familien mit Kindern mit einer Behinderung – auch ganz wichtig, weil man die Zeit, die man dadurch spart, für Qualitytime mit der Familie verwenden kann. Deshalb sind das alles positive Entlastungen. Ich glaube, die Leute haben vielleicht ein Ärgernis weniger und im Idealfall vielleicht eine kleine Freude dabei.

Auch die Anhebung der Zuverdienstgrenze ist etwas, das genau unter diesen As­pekt fällt, dass es einfach möglich ist, dass man nebenbei auch mehr arbeiten kann.

Ich finde, in der Gesamtschau von großen Meilensteinen wie der Valorisierung und auch kleineren Reformen, die den Menschen den Alltag erleichtern, ist in der Familienpolitik in diesem Jahr einiges gelungen. Weihnachten ist ja immer so die Zeit, in der man zurückblickt und ein bisschen Resümee zieht. Ich glaube, es ist in Zeiten der Krise auch absolut notwendig, dass wir die Familien unterstützen. Ich glaube, da ist einiges passiert, und da sind wir sicher noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Wir werden die Familienpolitik auch im nächsten Jahr mit voller Kraft vorantreiben. Die Menschen und die Fami­lien in diesem Land haben es sich verdient, und – wie ich finde – auch Sie hier in


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diesem Saal haben es sich verdient, hoffentlich ein paar geruhsame Feier­tage im Kreise der Familie zu verbringen. Das wünsche ich Ihnen allen, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit im neuen Jahr. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.47


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte sehr.


14.47.31

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben mir jetzt ein paar Schlagworte gegeben: echte Wahlfreiheit, Wertschätzung für die Eltern für die Erziehung zu Hause und in Kinderbetreuung investieren. Da möchte ich doch ganz gerne, bevor ich zum aktuellen Tagesordnungspunkt komme, ein biss­chen etwas dazu sagen. Von echter Wertschätzung für die Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, kann man mit Blick auf das Kinderbetreuungsgeld bei 14,53 Euro nicht gerade sprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben dieses Thema letzte Woche auch im Salzburger Landtag gehabt, und da waren zwei Schülergruppen anwesend. Es nervt mich eigentlich schon seit Jahren, muss ich sagen, dass wir zwar über Kinder- und Jugendpolitik spre­chen, aber eigentlich niemand oder zumindest die wenigsten tatsächlich mit Kindern und Jugendlichen sprechen. Ich habe dann, als wir beim Thema waren, die zwei Schülergruppen, die Jugendlichen gefragt, was ihnen denn lieber gewesen wäre: die institutionelle Kinderbetreuung oder lieber die Erzie­hung zu Hause, zumindest in den ersten Lebensjahren. Ich kann sagen, Daumen mal Pi: 85 Prozent haben gesagt, es wäre ihnen lieber gewesen, zu Hause bleiben zu können, aber Mama und Papa haben arbeiten gehen müssen, auch alleinerziehende Eltern haben arbeiten gehen müssen. (Bundesrätin Schumann: Genau! Aber in die Schule wollen sie auch nicht gehen, wenn man die Kinder fragt!)


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Daher, Frau Minister, wenn Sie davon reden, in Kinderbetreuung zu investieren, bedenken Sie bitte, dass auch die Kinderbetreuung zu Hause gefördert ge­hört – à la Berndorfer Modell, das ein sehr erfolgreiches Modell ist, und wir Frei­heitliche werden sicherlich nicht müde werden, immer wieder dieses Bern­dorfer Modell als Vorzeigemodell zu präsentieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zum aktuellen Tagesordnungspunkt: Für erheblich behinderte Kinder gibt es zusätzlich zur regulären allgemeinen Familienbeihilfe den Erhöhungszuschlag in der Höhe von 155,90 Euro. Um aber in den Genuss dieses Erhöhungs­zuschlags zu kommen, müssen sich die Betroffenen jährlichen Untersuchungen unterziehen – alles zusätzlich zum Behindertenpass, einen Behindertenpass müssen sie sowieso haben –, muss eine Behinderung im Ausmaß von 50 Prozent vorliegen.

Mit dieser neuen Gesetzesvorlage wird es nun deutliche Erleichterungen geben. Unnötiger Verwaltungsaufwand wird reduziert, und das Verfahren wird vereinfacht und beschleunigt. Die Betroffenen ersparen sich dadurch also die jährlichen Untersuchungen und zusätzliche Behördenwege.

Die Verbesserung ist ja wirklich zu begrüßen, und wir Freiheitlichen werden dem auch zustimmen. Ich möchte aber heute noch ein Thema ansprechen, das uns Freiheitlichen auch sehr am Herzen liegt: Veränderte demografische und ge­sellschaftliche Entwicklungen haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass es immer öfter ältere Eltern oder Großeltern gibt, die kurz vor der Pension oder während der Pension noch für die Unterhaltskosten für schulpflich­tige Kinder aufkommen müssen. Die Finanzierung ist ja nicht gerade billig, wie wir wissen, und macht also einen Zuverdienst in der Pension notwendig. Die Teuerungskrise verschärft das Ganze noch. Die Zuverdienstgrenze gehört daher dringend erhöht.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Befristete Erhöhung der Zuverdienstgrenze im Rahmen der vorzei­tigen Alterspension“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finan­zen, wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende arbeits- und sozialpolitische Forderung im Bereich der Alterspen­sionen unmittelbar umsetzt:

Die Zuverdienstgrenze soll im Rahmen einer vorzeitigen Alterspension von der­zeit 485,85 Euro befristet bis zum 31.12.2024 auf 1.000 Euro erhöht werden.“

*****

Dieser Antrag, genau derselbe, idente Text, wurde übrigens letzte Woche im Tiroler Landtag einstimmig beschlossen. Alle Parteien haben zugestimmt. Ich denke wohl, dass wir hier vom Bundesrat aus ein Zeichen setzen könnten, und es wäre doch vor Weihnachten eine schöne Geschichte, wenn wir hier im Bundesrat gemeinsam etwas tun, um Familien zu entlasten. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)


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14.52


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Marlies Steiner-Wie­ser, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Befristete Erhöhung der Zuverdienstgrenze im Rahmen der vorzeitigen Alterspension“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. –
Bitte, Frau Bundesrätin.


14.52.43

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende! Wir beschließen heute einen leichteren Zugang zur erhöhten Familienbeihilfe für Kinder mit Behinderungen. Worin dieser Zugang besteht, das hat unsere Kollegin, Frau Steiner-Wieser, vorhin schon sehr genau ausgeführt, und dafür danke ich ihr auch. Mit 1. März soll nämlich der Behindertenpass als Nach­weis einer erheblichen Behinderung ausreichen, wodurch zusätzliche ärztliche Untersuchungen oder Befunde nicht mehr nötig sind, damit diese erhöhte Familienbeihilfe in Anspruch genommen werden kann.

Ich will Ihnen auch erklären, warum ich sehr froh bin, dass wir heute diesen Beschluss fassen. Meine eigenen Kinder waren – sehr bewusst – in ei­nem heilpädagogischen Kindergarten, wo Kinder mit Behinderung gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung betreut werden, weil ich wollte, dass die­se gesellschaftliche Vielfalt für sie erlebbar und auch normal wird. Dort habe ich natürlich auch gesehen und erlebt, wie extrem gefordert Eltern mit behin­derten Kindern in ihrem Alltag sind.

Die Betreuung und Unterstützung ihrer Kinder nimmt extrem viel Zeit und Energie in Anspruch, und neben all diesen Aufgaben – Therapien, schulischer Un­terstützung, was auch immer – müssen auch noch sehr viele Behörden­wege erledigt werden, denn, das muss man leider wirklich sagen, ein Kind mit Behinderung in Österreich großzuziehen bedeutet extrem viel Bürokratie. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.) – Danke.

Genau darum beschließen wir heute diese deutliche Vereinfachung und Beschleunigung im Antragsprozess, und es freut mich sehr, dass wir diese Gesetzesänderung hier im Bundesrat einstimmig beschließen, weil das wirklich für rund 91 000 Kinder in Österreich einen Unterschied macht, was wir heute hier mit unserer Zustimmung beschließen. Dafür möchte ich mich bei allen herzlich bedanken. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bun­desrätin Grimling.)

14.55


14.55.06


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Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Befristete Erhöhung der Zuverdienstgrenze im Rahmen der vorzeitigen Alterspension“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsan­trag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

14.56.179. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz, das Hochschulgesetz 2005, das Bildungsdokumentationsgesetz 2020, das IQS-Gesetz, das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz und das Prüfungstaxengesetz geändert werden (1791 d.B. und 1836 d.B. sowie 11151/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Bevor ich um den Bericht bitte, möchte ich Herrn Bundesminister Dr. Martin Polaschek bei uns hier im Plenum begrüßen. – Herzlich willkommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)


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Berichterstatter ist Herr Bundesrat Florian Krumböck. – Ich bitte um den Bericht.


14.56.44

Berichterstatter Florian Krumböck, BA: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz und weitere Gesetze geändert werden sollen, zur Kenntnis bringen. Die wichtigsten Teile liegen Ihnen ja schriftlich vor.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrheitlich den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte.


14.57.40

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Bundeminister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir es bereits im Bericht gehört haben, geht es wieder einmal – das kennen wir auch schon – um die unterschiedlichsten Themen im Bildungsbereich, die in Wahrheit ursächlich nicht viel bis gar nichts miteinander zu tun haben.

Wieder einmal, und auch das kennen wir leider schon, war die Begutach­tungsfrist außergewöhnlich kurz, nämlich zwei statt sechs Wochen, oder noch genauer: exakt sieben Werktage, davon ein Fenstertag, und Herbstferien waren auch gerade. Also damit Expertinnen und Experten profunde Stellung-nahmen hätten abgeben können, war die Zeit wohl doch ein bisschen kurz; aber ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

Tatsächlich ist einiges drinnen, muss man sagen, was diskussionswürdig ist und was wir durchaus kritisch sehen, zunächst einmal was die Erweiterung der


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IKM-plus-Kompetenzmessungen betrifft. Da kann man schon ein bisschen den Eindruck bekommen, in Österreich ist an den Schulen die chronische Testitis ausgebrochen. Unter Minister Faßmann ist ja diese verpflichtende Tes­tung eingeführt worden, auch schon in den Volksschulen, und ausgeweitet worden. Das konkrete Testfenster ist ja gestern erst zu Ende gegangen. Da sollen neben Deutsch, Mathematik und Englisch als Basismodulen jetzt auch noch weitere Kompetenzen abgefragt werden. Da ist konkret die Rede von überfachlichen Kompetenzen und vor allem von motivationalen lernme­thodischen und sozialen Kompetenzen – hört, hört!

Man muss dazusagen, aus meiner Praxis - - (Bundesminister Polaschek spricht mit Vizepräsident Novak.) – Ich warte noch, bis der Herr Minister wieder so weit aufmerksam ist, dass er aus meiner Praxis auch ein bisschen etwas mitbekommt. (Bundesminister Polaschek: Ich kann auch zuhören, ich bin multitaskingfähig! – Ruf bei der ÖVP: Das sind nur Frauen!) – Ah, es freut mich, dass Multitasking mög­lich ist.

An meiner Mittelschule habe ich vor etwa 14 Tagen diese verpflichtende Testung selbst durchgeführt. Ich habe es mit meiner Mathematikklasse – einer 7. Klasse – durchgeführt, und ich muss sagen: Grundsätzlich d’accord, ich bin natürlich damit einverstanden und verstehe auch völlig, dass man eine ge­wisse Menge an statistischen Daten braucht, um dann entsprechende bildungspolitische Maßnahmen ableiten zu können. Alles klar, damit bin ich so weit d’accord.

Ich kann mir eine Beurteilung aber trotzdem nicht ersparen. Ich habe ein bissel den Eindruck, man ist nicht ganz darüber im Bilde, was Pädagoginnen und Pädagogen den ganzen Tag leisten.

Nehmen wir nur die letzten drei Jahre her, die extrem herausfordernd waren – wir wissen ja warum, ich muss das jetzt nicht noch einmal wiederholen –: Jetzt geht es darum, alle Langzeitfolgen, mit denen wir uns wahrscheinlich noch viele Jahre werden beschäftigen müssen, aufzuarbeiten. Es geht darum,


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Lernrückstände aufzuholen, psychosoziale Folgen abzufedern, sich um psychi­sche Probleme zu kümmern und sie dann auch gemeinsam mit den Schüle­rinnen und Schülern aufzuarbeiten. Dazu kommt auch noch die Digitalisierung, die eine weitere große Herausforderung darstellt.

Auch gibt es ja leider nach wie vor eine überbordende Flut an administrativen Tätigkeiten für die Lehrkräfte, aber vor allem natürlich für die Leiterinnen und Leiter der Schulen, und zusätzlich haben wir noch den Lehrer:innenmangel – und wir alle wissen, wovon da die Rede ist. Jetzt soll da offensichtlich dau­ernd irgendwo IKM-getestet werden, wobei ich mich frage: Wie will man soziale Kompetenzen mit einem standardisierten Verfahren wirklich überprüfen, wie will man die Kompetenzen in Bezug auf die Lernmethoden überprüfen? – Na ja, okay.

Der Experte im Ausschuss hat uns jetzt zumindest darauf hingewiesen – und uns auch ein bissel beruhigt, wenn man so möchte –, dass es sich bei diesen moti­vationalen und lernmethodischen Kompetenzen nicht um eine Testung wie in Deutsch, Mathematik oder Englisch handelt, sondern dass es lediglich um den Einsatz von Einschätzungsbögen geht. Mir ist dennoch nicht wirklich klar, welches Ziel damit eigentlich verfolgt wird.

Was mache ich als Lehrerin mit der Information, dass eine Schülerin, ein Schüler nicht ausreichend lernmotiviert ist? Was mache ich, wenn der Einschät­zungsbogen ergibt, dass die lernmethodischen Gegebenheiten nicht förderlich sind, dass es da Nachholbedarf gibt? Bekomme ich als Lehrerin dann auch nur eine einzige Stunde mehr, bekomme ich dadurch mehr finanzielle Ressour­cen? Das kann ich mir schwer vorstellen.

Man kann außerdem schon davon ausgehen, dass die Lehrkräfte in Österreich über mehr als genügend pädagogische Expertise verfügen, um auch ohne einen standardisierten Einschätzungsbogen erkennen zu können, welches Kind unter Umständen Förderbedarf hat und welches nicht.


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Dann heißt es im Gesetzentwurf noch, dass diese Testungen nach Bedarf verpflichtend sind, und ich muss gestehen: Dazu steht bei mir ein großes Frage­zeichen. Wie sieht dieser Bedarf konkret aus? Wann ist dieser Bedarf kon­kret gegeben? Anhand welcher Kriterien soll das bewertet werden? Auch das konnte im Ausschuss nicht beantwortet werden. Das heißt, wir sollen da so eine Art Blackbox beschließen, bei der man eigentlich bis dato gar nicht weiß, was wirklich drinnen steckt. – Sorry, aber das geht sich nicht aus.

Eines muss ich immerhin als positiv hervorheben: Ich habe im Ausschuss die Frage gestellt, wie die Referenzwerte bei den Basismodulen mit den ös­terreichweiten Werten und den Vergleichswerten von Mittelschule und AHS zustande kommen, zumal ja der Durchführungszeitraum, wie ich schon ge­sagt habe, erst gestern zu Ende gegangen ist und für mich einfach nicht klar war, woher dann diese Referenzwerte kommen können. Das hat uns der Exper­te dann dankenswerterweise wirklich noch prompt nachgeliefert. – Vielen Dank dafür, somit ist das für mich auch positiv geklärt.

Ich habe aber noch einen Kritikpunkt, den ich unbedingt anbringen muss, und dieser betrifft die Ausbildungsarchitektur in der Elementarpädagogik, wie sie jetzt beschrieben wird. Aus unserer Sicht ist einfach nicht klar, wie sich Kollegs und Lehrgänge für Quereinsteiger:innen in diese neue Ausbildungsarchitektur tatsächlich einpassen sollen. Für uns geht es da auch um die Frage der facheinschlägigen Berufspraxis, die dann ja im Masterstudium keine Voraussetzung und offensichtlich auch kein wirklich wesentlicher Teil der Ausbildung mehr ist.

Es gibt dann noch eine weitere, für uns völlig ungeklärte Frage zu den so­genannten gruppenführenden Pädagog:innen, von denen im Gesetzentwurf die Rede ist: Wie genau sollen diese in Zukunft in die Entlohnung eingepflegt werden? Bis dato gibt es ja drei unterschiedliche Gruppen von elementarpädago­gischen Mitarbeiter:innen: die sogenannten Helfer:innen, wenn man es so nennen möchte (Bundesrätin Schumann: Assistent:innen!), die Pädagog:innen und die Leiter:innen, und jetzt kommt irgendwo eine zusätzliche Gruppe, eben


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die gruppenführenden Pädagoginnen und Pädagogen, dazu. Das ist ganz klar ei­ne Kompetenzfrage zwischen Bund, Land und Gemeinden, die es unbedingt zu klären gilt, die wir aber offensichtlich, zumindest laut der Information im Aus­schuss, noch nicht geklärt haben. Abgesehen davon wird es dafür natürlich auch finanzielle Ressourcen brauchen.

Unter dem Strich sind das für uns einfach zu viele Kritikpunkte, um unsere Zustimmung erteilen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte meine Rede aber natürlich nicht negativ beschließen, sondern möchte an dieser Stelle meinen Kolleginnen und Kollegen draußen an den Schulen, den Schülerinnen und Schülern, ganz besonders den Schulleiter:in­nen und natürlich auch Ihnen allen frohe Weihnachten wünschen. Mögen die bevorstehenden Feiertage und auch der Jahreswechsel etwas ruhiger wer­den, damit wir das neue Jahr dann auch ruhig und mit neuer Energie an­gehen können!

Zu unserer Präsidentin Korinna Schumann: Da es auch meine letzte Rede in die­sem Jahr ist, möchte ich dir noch abschließend zu deiner wirklich sehr, sehr erfolgreichen und großartigen Präsidentschaft gratulieren. Ich glaube, es hat da einige sensationelle Ergebnisse gegeben, an denen man unbedingt weiter­arbeiten muss. Herzliche Gratulation und vielen Dank für dein Engagement und deinen Einsatz! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Zwazl und Arlamovsky.)

15.06


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.06.05

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuschauer zu Hause! Es geht heute um eine sehr, sehr


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wichtige Novelle. Es geht darum, unsere Kindergärten und unsere Schulen nachhaltig zu stärken und weiterzuentwickeln.

Ja, Frau Kollegin Hahn, wir haben tatsächlich einen Mangel an Elementarpäda­gogen und -pädagoginnen und einen Personalmangel im Lehrerbereich. Aber warum? – Ich sage es Ihnen: Weil unter SPÖ-Verantwortung das Lehramts­studium auf sechs Jahre aufgebläht worden ist. (Bundesrätin Hahn: Und wart ihr da nicht dabei? Wart ihr da nicht in der Regierung?)

Ich bin selber Wirtschaftspädagogin, ich habe neun Semester Pflichtstudium inklusive Praktikum absolviert, und ich sage Ihnen: Auch das hat sicher ausgereicht. (Bundesrätin Hahn: Wart ihr da nicht dabei? Ihr wart doch Mitglieder der Regierung, oder nicht?)

Jetzt aber zum Tagesordnungspunkt: In Österreich werden Kindergartenpäda­gogen und -pädagoginnen grundsätzlich an Bildungsanstalten für Elemen­tarpädagogik ausgebildet. Wir wissen, dass der Großteil von ihnen die Ausbil­dung mit 14 beginnt und dann mit Matura und Berufsberechtigung ab­schließt. (Bundesrätin Hahn: Was hat außerdem das Studium jetzt mit der Elemen­tarpädagogik zu tun? Aber okay!) Ein Teil absolviert jene Kollegs, für die Ma­tura, Berufsreife- oder Studienberechtigungsprüfung Voraussetzung sind. Ab Herbst soll es auch einen Hochschullehrgang für Elementarpädagogik geben, um eben auch den Quereinsteigenden entgegenzukommen.

Das ist ein wichtiger und ein notwendiger Schritt, um die Elementarpädagogik zu stärken und auszubauen und vor allem dem Personalmangel entgegenzuwirken.

Weiters – wir haben es schon gehört – schaffen wir eine Verbesserung der pädagogischen Diagnostik, eben die Grundlage für die stufenweise Einfüh­rung eines weiteren Instruments namens individuelle Kompetenzmessung plus. (Bundesrätin Hahn: Nicht schaffen; haben wir schon!) Ich halte das für ganz wesentlich und danke da auch unserem Herrn Bundesminister. Wir wer-


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den die Kompetenzmessung noch weiter ausbauen, weil sie für eine evidenzba­sierte Bildungspolitik so wichtig ist. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Dann nehmen Sie die Expertise der Pädagog:innen nicht wahr, oder?)

Sie ist auch als Feedbackinstrument für einen guten Unterricht wichtig, aber vor allem auch als Orientierungshilfe für unsere Schüler und Schülerinnen, für die Eltern, für die Lehrenden, damit sie Antworten bekommen auf die Fragen: Wo stehe ich? Wo steht mein Kind? Wo hat es tatsächlich seine Talen­te? (Bundesrätin Hahn: Aber was ist mit der Expertise der Lehrerinnen und Lehrer? Haben die keine Ahnung davon, was sie tun? – Bundesrat Schennach: Nein! Bundesrätin Schumann: Nein, die wissen nichts! – Bundesrat Schennach: Die Lehrer haben meistens überhaupt keine Ahnung!)

Wir haben es ja auch im Unterrichtsausschuss gehört: Ein ganz, ganz wichtiger Vorteil dieser IKM plus ist auch die rasche und umgehende Ergebnisrück­meldung an die Schule und an die Lehrpersonen. (Bundesrätin Hahn: Nicht böse sein, aber wenn ich vier Jahre mit einem Kind arbeite, dann weiß ich ...!) Die Ergebnisse können nämlich noch im selben Schuljahr im Unterricht und an der Schule wirksam werden und genutzt werden. Somit profitieren eben ge­nau die Schüler und Schülerinnen unmittelbar, direkt und ohne Notendruck. Wir schauen, wo Förderbedarf gegeben ist, und geben mit den Fakten dann auch gute Anregungen dazu, wie der Bildungsweg für die jungen Mädchen oder Buben weitergehen kann. (Bundesrätin Hahn: Also ein Lehrer kann das nicht sehen? Die Lehrer haben keine Ahnung?) Dafür wird heute die Grundlage gelegt, und dafür bitte ich auch um Ihre Zustimmung.

Ich komme auf einen weiteren Punkt, zum dem wir vorhin noch nichts gehört haben: Neben dem Regelschulsystem besteht ja auch die Möglichkeit, dass Kinder im häuslichen Unterricht ausgebildet werden. Wir wissen auch, dass aufgrund von Corona leider – das bedauere ich auch als Pädagogin sehr – sehr oft der häusliche Unterricht gewählt wurde. (Bundesrätin Schartel: Wer hat denn zugestimmt?)


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Viele Eltern haben aber dann gesehen, dass Unterricht doch nicht so einfach ist, und damit die Lehrziele einheitlich erfüllt und erreicht werden können, sind sogenannte Externistenprüfungen notwendig. Da kommt es jetzt zu einer Abgel­tung der Mehrbelastungen der Lehrer und Lehrerinnen, die als Prüfer und Prüferinnen sehr stark gefordert waren und sind. Das freut mich. Es freut mich sehr, dass wir heute hier eine Forderung umsetzen können und die Abgel­tung entsprechend erhöht wird. Vielen Dank auch an die Kollegen und Kollegin­nen, die diese wichtigen Prüfungen abnehmen und die Möglichkeit des häuslichen Unterrichts überhaupt erst gewähren!

Meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen, ich schließe mit einem Dank an alle Pädagogen und Pädagoginnen, die tagtäglich unsere Kinder fordern und fördern. Bildung ist Zukunft, und jede Investition in Bildungsmaßnahmen zahlt sich aus. Es gibt nur eines, das auf Dauer teurer als Bildung ist, nämlich keine Bildung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

15.11


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Josef Ofner. – Bitte, Herr Bürgermeister.


15.11.24

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kollegen! Vor allem: Werte Zuschauer vor den Bildschirmen! Also es ist interessant: Mittlerweile ist sogar schon die ÖVP dabei und regt sich über die von ihr selbst mitbeschlossenen Coronamaßnahmen auf. Wir hätten es von Anfang an besser gewusst. Sie hätten nur mit uns mitstimmen müssen, dann wäre das alles nicht passiert. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Preineder.)

Ich darf grundsätzlich einmal vorausschicken, dass wir selbstverständlich der heutigen Gesetzesänderung unsere Zustimmung geben werden. Das hat auch einen besonderen Grund, und der ist natürlich diese individuelle Kompe­tenzmessung, weil Talente und Fähigkeiten unserer Kinder entsprechend


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und vor allem individuell gefördert werden müssen, weil uns die Kinder wichtig sind. Mit diesen Fördermaßnahmen haben wir ja bereits in unserer Regie­rungsbeteiligung begonnen.

Wir wollen keine Schule, in der alle über einen Kamm geschert werden, in der es Situationen gibt, dass die ganze Klasse sich an den Bildungsstandards jener orientiert, die noch nicht einmal der deutschen Sprache mächtig sind, und der Bildungsgrad der jungen Generation letztendlich nach unten nivelliert wird. Daher sind Leistungsstandards entsprechend wichtig. Damit können wir dann möglichst objektiv individuell fördern.

Wo wir schon auch Bedenken haben – da gebe ich Kollegin Hahn entsprechend recht –, ist, wenn wir das Personalproblem in der Elementarpädagogik betrachten. Das wird mit einem Quereinstieg über einen Hochschullehrgang nicht zu kompensieren und zu lösen sein. Die fehlende Berufspraxis ist dabei natürlich ein Aspekt, den man nicht auslassen darf.

Es ist halt in der Realität wahrscheinlich gleich wenig umsetzbar wie die Behebung des Pflegepersonalnotstands im Gesundheitsbereich, wie wir es gestern entsprechend hier dargestellt haben. Es gibt da ähnlich gelagerte Problemstel­lungen.

Wobei ich aber große Befürchtungen hege: wenn weitere Module ausgerollt werden und vielleicht Lehrer dann nach dem Kärntner Genderwahnsinn­modell vorgehen, im Fachdeutsch dann unsere Sprache entsprechend verhunzen und einen Sprachgebrauch zur Anwendung bringen, nur weil sie in voraus­eilendem Gehorsam agieren.

Es gibt ja in Kärnten etwas ganz Besonderes (ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe haltend): Da gibt es seit Kurzem sogar ein eigenes Wörterbuch mit 72 Seiten. Ich werde heute auch noch an einem Beispiel entsprechend skizzieren und darstellen, welche Schwachsinnigkeiten da Ausfluss der Kärntner SPÖ sind, die diesen Leitfaden in der Regierung beschlossen hat.


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Jetzt muss man einmal annehmen, es gibt eine Situation, dass ein Schüler im Gegenstand Deutsch eine Abhandlung in einem normalen Deutsch, so wie wir es alle gelernt haben, anzufertigen hat. Daher habe ich mir einen Aufsatz heraus­gesucht, der das recht gut trifft. Ich darf den jetzt einmal in diesem Deutsch, wie wir es gelernt haben, vortragen:

Nachdem ich als Schüler und Absolvent der vierten Schulstufe meine Prüfungen erfolgreich abgeschlossen habe und vor allem mein Mathematiklehrer mei­ne Leistungen sehr positiv hervorgestrichen hatte, fragte ich meine Mutter und meinen Vater, ob ich gemeinsam mit einem Freund, mit dem ich im vergan­genen Jahr die Schülerbetreuung besuchte, einen Kurzurlaub am Land bei mei­ner Tante und meinem Onkel mütterlicherseits machen dürfte.

Meine Tante und mein Onkel sind Bauern, die nicht nur sehr kundenorientiert den Hof führen und direkt vermarkten, sondern auch landwirtschaftliche Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene anbieten. An besagtem Wochenende war ein Kurs für Anfänger geplant, welcher von einem Doktoranden der Biologie geleitet werden und viele Teilnehmer und Anhänger finden würde.

Meine Eltern erlaubten mir dies und brachten meinen Freund und mich zum Busbahnhof, wo wir gemeinsam mit anderen Fahrgästen die Reise mit dem Bus eines Privatunternehmers antraten. Der Chef der Busfirma lenkte den Bus selbst, und während der Fahrt machten wir uns mit den anderen Fahrgästen be­kannt. Unter ihnen waren ein Lehrling, ein Musiker und Komponist, ein Hausmeister, der auch Feuerwehrmann ist, sowie ein Oberarzt. (Bundesrat Kornhäusl: Was ist denn das? ... Weihnachtsgeschichte!)

Wir waren schon einige Zeit unterwegs, als wir in einen Ort einfuhren, wo gerade eine Passantin versuchte, einen herrenlosen Hund von der Straße einzu­fangen, um ihn vor der Gefahr des Überfahrenwerdens zu bewahren. Der Busfahrer musste sein Fahrzeug daher ziemlich abrupt abbremsen, um einen Un­fall zu vermeiden und vor allem nicht ein am Straßenrand abgestelltes unbe­manntes Fahrzeug zu touchieren. Dies hatte ein Polizist beobachtet und hielt das


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Fahrzeug hernach an, um den Busfahrer zu ersuchen, den Führer­schein vorzuzeigen. Im Zuge der Anhaltung bekundeten alle Fahrgäste, dass der Busfahrer eigentlich der Held des Tages sei und ein Laie mit ziemlicher Sicherheit einen Unfall verursacht hätte. Der Polizist lenkte ein, und wir konnten unsere Fahrt fortsetzen.

Am Ziel angekommen lud uns der Busunternehmer auf ein Getränk beim Bäcker ein. Die Ehefrau des Bäckers, die eigentlich als Tagesmutter arbeitet und als gleichzeitige Unternehmerin de facto Mädchen für alles im Geschäft ist, hatte uns an diesem Tag als Kellnerin geradezu bemuttert. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Während alle Fahrgäste ihren Kaffee genossen, politisierten einige Gäste über das Versagen des Kanzlers und seiner Minister in allen brennenden Fra­gen (Bundesrat Köck: Es hört keiner zu!) und waren sich einig, dass das Land gen­dergerecht an die Wand gefahren werde und dass es Neuwahlen brauche, um vor allem auch der immensen Teuerung und der illegalen Migration Herr zu werden. (Bundesrätin Schumann: Der FPÖ sind die Frauen so was von gleich­gültig! Das ist wirklich eine Schande!)

Plötzlich betrat eine ältere Dame das Café und hinterfragte den vermeintlichen Busunfall, bei welchem der Busfahrer als vermeintlicher Unfalllenker durch den Polizisten ausgemacht worden sei. Der Bäcker meinte, die alte Hexe sei lediglich wieder einmal neugierig und verbreite Gerüchte, worauf ihm seine Frau einen sanften Stoß versetzte. Just in diesem Moment trafen mein Onkel und seine Partnerin ein und brachten mich und meinen Freund auf ihren Bauernhof, wo wir wunderbare Urlaubstage in unserem Heimatland erlebten. – Zitatende. (Bundesrätin Schumann: Welcher Onkel? Der Wahlonkel?)

Wenn es dann geschlechterspezifisch korrekte – unter Anführungszeichen – „Lehrpersonen“ gibt – Frau Hahn hat heute ja schon ausgeführt, wie das korrekt geht –, die dann diesen Kärntner Genderleitfaden auf 72 Seiten entspre­chend zur Umsetzung bringen (neuerlich das Schriftstück in die Höhe haltend),


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dann klingt das natürlich alles ganz anders. Unsere regierende – unter Anführungszeichen – „Landesperson“ – früher hätte man Landesrätin gesagt, aber das ist halt die regierende Landesperson – Schaar hat heute bekundet, dass sie das nicht nur in Kärnten haben möchte, sondern dass das auf ganz Österreich umgelegt werden soll. Das heißt, die Roten wollen diesen Wahnsinn wirklich in ganz Österreich haben. Wir wissen natürlich, dass sie große Unterstützer unter den Roten und Schwarzen haben wird, weil ihr diesen Wahnsinn ja schon seit vielen Jahren mitmacht und wahre Gen­derfreunde geworden seid. (Bundesrätin Schumann: Genau! Ich will eh nicht als Frau angesprochen werden ...!)

Wenn Sie sich jetzt an den Aufsatz von vorhin erinnern, dann darf ich Ihnen jetzt das Beispiel bringen, wie dieser Aufsatz unter Anwendung dieser bescheu­erten Richtlinie (neuerlich das Schriftstück in die Höhe haltend) aussehen würde:

Nachdem ich als Klassenmitglied und den Abschluss innehabende Person der vierten Schulstufe meine Prüfungen erfolgreich abgeschlossen habe und vor allem meine mathematisch qualifizierte Lehrperson meine Leistungen sehr positiv hervorgestrichen hatte, fragte ich meinen einen Elternteil und mei­nen anderen Elternteil, ob ich gemeinsam mit meiner engen Bezugsperson, mit der ich die Betreuung in der schulfreien Zeit besuchte, einen Kurzurlaub bei meiner einen angehörigen Person und meiner anderen angehörigen Person elisabethinenseits machen dürfte.

Meine eine angehörige Person (Bundesrätin Hahn: Du führst dich gerade selbst ad absurdum!) und meine andere angehörige Person sind Landwirtschaft betrei­bende und landwirtschaftlich beschäftigte Personen (Bundesrat Schennach: Liest er jetzt echt ein ... vor?), die nicht nur sehr orientiert am Bedarf der nachfra­genden Personen (Bundesrätin Schumann: Langsamer lesen, sonst versteht man’s nicht, Herr Kollege! – Ruf bei der SPÖ: Langsam!) ihr landwirtschaftliches An­wesen führen und direkt vermarkten (Bundesrat Schennach: Ist ja wurscht, lasst es! – Rufe bei der SPÖ: Langsam!), sondern auch Kurse für Menschen ohne und mit Vorkenntnissen anbieten.


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Na, Entschuldigung, das ist euer Wahnsinn, liebe Leute! (Beifall bei der FPÖ.) Das ist euer Wahnsinn. (Rufe bei der SPÖ: Langsam! – Bundesrat Schennach: Wir wollen ja den Inhalt verstehen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sind die Ausflüsse eures Wahnsinns.

An besagtem Wochenende war ein Kurs für Menschen ohne Vorkenntnisse – ich mache es ein bisschen langsamer, damit Sie das verstehen (Bundesrätin Grim­ling: Ja eben, das wollen wir ja! Bitte!) –, welcher von einer Person im Promotions­verfahren der Biologie geleitet werden und viele teilnehmende und sympa­thisierende Personen finden würde.

Meine beiden Elternteile erlaubten mir dies und brachten meine enge Bezugs­person und mich zum Busbahnhof, wo wir gemeinsam mit anderen ge­gen Entgelt mitreisenden Personen die Fahrt mit dem Bus einer privaten ge­werbetreibenden Person antraten. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Die Leitungs­person der Busfirma lenkte den Bus selbst, und während der Fahrt machten wir uns mit den anderen gegen Entgelt mitreisenden Personen bekannt. (Bundes­rätin Schumann: Das hat aber der Herr Bundesrat schön geschrieben, also ...!) Unter ihnen war eine lernende Person, eine musikausübende (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl) und musikschaffende Person (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann), eine Fachkraft für Gebäudemanagement, die auch Einsatzkraft der Feuerwehr ist, sowie eine ärztliche Führungskraft. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Wir waren schon einige Zeit unterwegs, als wir in einen Ort einfuhren, wo gerade eine vorübergehende Person versuchte (Bundesrätin Kittl: Zur Sache, bitte!), einen personenlosen (Bundesrat Gross: Das hat nichts zu tun mit dem Tagesordnungspunkt!), nicht zuordenbaren Hund von der Straße einzufangen (Beifall bei der FPÖ), um ihn vor der Gefahr des Überfahrenwerdens zu bewahren. (Ruf: ... das Mikrofon abdrehen!) Die Bus führende Person musste ihr Fahr­zeug daher ziemlich abrupt abbremsen, um einen Unfall zu vermeiden (Bundesrä­tin Kittl: Die zeitraubende Person möge sich setzen! – Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen) und vor allem nicht ein am Straßenrand abgestelltes unbemenschtes


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Fahrzeug zu touchieren. (Ruf bei der SPÖ: So einen Text soll man den Simoni­schek lesen lassen! Das ist ...!) Dies hatte eine Polizeikraft beobachtet und hielt das Fahrzeug an, um die Bus führende Person zu ersuchen, die Fahrberechtigung vorzuzeigen. Im Zuge der Anhaltung bekundeten alle gegen Entgelt mitreisenden Personen, dass die Bus führende Person eigentlich die Schlüsselperson des Tages sei (Bundesrat Schreuder: Machst eh kein Hörbuch draus, oder?) und eine fachunkundige Person mit ziemlicher Sicherheit einen Unfall verursacht hät­te. Die Polizeikraft lenkte ein, und wir konnten unsere Fahrt fortsetzen. (Bundesrat Kornhäusl: Lächerlich!)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich darf an die solidarische freiwillige Redezeitbeschränkung und auch Vorlesezeit erinnern. (Beifall bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)


Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Das ist leider Gottes die Sache! Da seid ihr alle dabei, und ich werde euch noch etwas sagen, was die ÖVP gemacht hat, während das beschlossen worden ist.

Am Ziel angekommen, lud uns die gewerbetreibende Person des Busunterneh­mens auf ein Getränk (Bundesrat Kornhäusl: Zur Sache!) – und jetzt kommt es – bei der professionell backenden Person ein. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Die ver­ehelichte Person der professionell backenden Person, die eigentlich als Tageselternteil arbeitet und als gleichzeitig gewerbetreibende Person de facto Mensch (Bundesrätin Schumann: Jene meine Nerven strapazierende Person!) für alles im Geschäft ist, hatte uns an diesem Tag als Servicefachkraft in der Be­dienung gerade fürsorglich umsorgt. (Bundesrat Kornhäusl: Liest uns aus dem Weihnachtsevangelium auch noch vor, oder? Aus dem Weihnachtsevangelium sollst uns noch vorlesen!)

Während alle gegen Entgelt mitreisenden Personen ihren Kaffee genossen, politisierten einige Besuchspersonen über das Versagen der die Regie­rung anführenden Person sowie der regierenden Bundespersonen in allen brennenden Fragen und waren sich einig, dass das Land geschlechterspezifisch


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an die Wand gefahren werde und dass es Neuwahlen brauche, um vor allem auch der immensen Teuerung und der illegalen Migration Mensch zu werden. (Bundesrat Kornhäusl: ... Weihnachtsmütze aufsetzen! – Bun­desrat Schreuder: ... Narrenkappe ...!)

Plötzlich betrat eine ältere Person das Café und hinterfragte den vermeintlichen Busunfall, bei welchem die Bus führende Person als vermeintliche Unrechts­person durch die Polizeikraft ausgemacht worden sei. Die professionell backende Person meinte (Bundesrätin Hahn: Die Märchen erzählende Person möge zum Schluss kommen!), die an Jahren reiche und Zauberkraft innehabende Person sei schon wieder neugierig und verbreite Gerüchte, woraufhin ihr die verehelichte Person einen sanften Stoß versetzte. Just in diesem Moment trafen meine eine angehörige Person und ihr Gegenüber ein und brachten mich und meine enge Bezugsperson auf ihr landwirtschaftliches Anwesen, wo wir wunderbare Urlaubstage in unserem Erstland erlebten. (Beifall bei der FPÖ.)

So, und liebe Freunde von SPÖ, Grün:innen und (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Wir sind keine Freunde, und auch nicht Freund:innen!) ÖVPlern (Bun­desrätin Grimling: Liebe Freunde – wer sind denn deine Freunde?), nun werde ich einmal sagen: Gott sei Dank, Grüne haben wir bei uns in Kärnten keine, aber die ÖVP, wo war die ÖVP? – Beide Landesräte sind ausgefallen. Einer ge­sundheitlich – das kann passieren –, aber der andere hat einmal den Kärntner Fischer Heinzi gemacht und war genau just in diesem Moment, in dem es zur Abstimmung gekommen ist (Bundesrat Schennach: Just!), am Häusl. Er war am Häusl, ja, und hat daher nicht mitstimmen müssen, aber er trägt dies entspre­chend auch mit.

Dass wir genau solche Themen überhaupt in Landesregierungen haben, heißt, dass es dann auch noch der Plan ist, das in ganz Österreich (Bundesrätin Grimling: ... Bürgermeister ... etwas anderes erwartet!) weiter zu verteilen und dann letztendlich auch in unseren Schulen zur Umsetzung zu bringen, weil wir wissen, wie das immer funktioniert. (Bundesrat Schennach: Bitte Kärntner, stellts


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euch zusammen, besprechts das!) Zuerst wird einmal ein Konzept vorge­schlagen (Bundesrätin Grimling: Machen ... bei ihren Sitzungen auch so?), und letztendlich wird es dann auch zur Umsetzung gebracht – und nicht nur in der Ansprache, sondern natürlich auch in den Schulen und unseren Bildungs­einrichtungen.

Das zeigt eines ganz deutlich: Es ist eigentlich völlig egal, ob die Grünen und die Schwarzen regieren – mittlerweile sind ja die Schwarzen schon das Anhäng­sel der Grünen (Bundesrat Schennach: Ah so?) – oder ob die Roten regieren, das Farbenspiel ist immer das Gleiche (Bundesrätin Grimling: Na, die Freiheitlichen sind ..., ja! Blau ist das Beste!), und das ändert am Irrsinn ganz genau gar nichts.

Die Probleme in Österreich sind denen vollkommen wurscht, aber dafür widmet man sich Themen, die in Österreich gar keiner als Problem sieht, und daher freue ich mich, wenn im nächsten Jahr diese Tage kommen werden, an denen wir und vor allem der Wähler diesem Wahnsinn ein Ende bereiten wer­den. Der Tag für die Bundesregierung steht noch nicht fest, aber er steht in Niederösterreich mit 29. Jänner (Bundesrätin Hahn: Ich glaube, diese Person ... Märchen ...!), in Kärnten mit 5. März und in Salzburg mit 23. April fest. Das werden Freudentage sein! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.)

15.26


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte, Frau Bundesrätin, Sie gelangen zu Wort.


15.27.02

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Zwazl und Grimling.) Sehr geehrter Herr Minister! (Bundesrat Spanring: Vorsitzende Person!) Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Zusehende! (Beifall bei den Grünen. – Ruf: Liebe Zuse­hende!) – Genau! Ich glaube, wir sollten wieder zur Tagesordnung zurückfinden


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(Bundesrat Schreuder: Unbedingt!), und vielleicht sollte sich Kollege Ofner einfach die Tagesordnung vorher auch noch einmal ein bissel anschauen, um zu wissen, zu welchen Tagesordnungspunkten wir hier heute sprechen. (Bun­desrat Gross: Du kannst sie auch vorlesen!) – Genau. (Ruf: Na, bitte nicht noch ein­mal ...!)

Meine Vorredner:innen haben schon viele Punkte aus der vorliegenden Sam­melnovelle genannt. Ich möchte eigentlich nur noch auf einen Punkt ein­gehen, weil mir das sehr wichtig ist – nämlich die Elementarpädagogik. Wir ha­ben die Elementarpädagogik zusammen in der grün-schwarzen (Bundes­rat Steiner: Grün-Schwarz! Grün-Schwarz?) Bundesregierung ins Zentrum unserer Bemühungen gerückt. Das ist wichtig und das ist auch richtig. (Zwischen­rufe der Bundesräte Spanring und Ofner.) Warum? – Was dieser Bereich in jedem Fall braucht und was sich die Elementarpädagoginnen und Elementarpä­dagogen in Österreich auch verdient haben, ist mehr Wertschätzung von der Ge­sellschaft, und das kann man auch nicht oft genug sagen.

Der Kindergarten ist die erste Bildungseinrichtung und ein wichtiger Baustein für das weitere Leben. Was in diesem Bereich erschwerend hinzukommt, ist, dass sich die Kompetenzen und Zuständigkeiten beim komplexen Thema Ele­mentarpädagogik auf Bund, Länder und Gemeinden verteilen. Dazu möch­te ich anmerken, dass der Betreuungsschlüssel je nach Bundesland ja auch vari­iert, was in meinen Augen nicht wirklich fair ist. Schließlich sollten alle Kin­der in Österreich das gleiche Recht auf einen besseren Betreuungsschlüssel so­wie alle Erzieherinnen und Erzieher mit derselben Ausbildung die gleichen Arbeitsbedingungen in Österreich vorfinden.

Auf Bundesebene haben wir nur die Zuständigkeit für die Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen – und da, muss ich sagen, drehen wir tatsächlich an jeder Schraube, an der wir drehen können, um die Situation in den Kin­dergärten zu verbessern. Ich möchte hier auch noch einmal kurz auflisten, was diesbezüglich in der Vergangenheit schon gemacht wurde.


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Ich möchte an die 420 neuen Kollegplätze in ganz Österreich und an die Fach­kräftestipendien für alle, die sich diese Ausbildung finanzieren lassen wol­len, erinnern. Im akademischen Bereich erinnere ich beispielsweise an das Mas­terstudium an der Universität Graz und an den neuen Hochschullehrgang für Inklusion. Ich erinnere auch an die schon bestehenden Hochschullehrgänge für Absolventen und Absolventinnen pädagogischer Studien.

Mit dieser Novellierung werden wir heute – wie ich festgestellt habe, mit breiter Zustimmung – auch einen Hochschullehrgang für Absolventinnen und Ab­solventen aller anderen Studienrichtungen beschließen, um es Quer­einsteigerinnen und Quereinsteigern zu ermöglichen, in diesem Berufsfeld tätig zu werden.

Abschließend möchte ich mich wirklich – um auch diese Wertschätzung noch einmal zum Ausdruck zu bringen – bei allen Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen in Österreich für ihre großartige Arbeit, die sie in unseren Kinderbildungseinrichtungen leisten, bedanken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

15.30


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.30.47

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, aber den Aufsatz von Kollegen Ofner kann ich nicht unkommentiert so im Raum stehen lassen (Beifall bei der SPÖ), weil anscheinend im Zuge des bevorstehenden Landtagswahlkampfes in Kärnten die freiheit­lichen Mandatare einen Volksschulkurs mitgemacht und das Aufsatzschreiben gelernt haben. Bei der letzten Enquete hat schon Kollege Angerer einen Aufsatz von Erwin vorgelesen, heute haben wir den Aufsatz von Seppi gekriegt (Heiterkeit bei der SPÖ): alles lieb und nett, am Thema vorbeigegangen.


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Eines möchte ich nur richtigstellen: Lieber Josef, wider besseres Wissen hast du gesagt, dass der Leitfaden in Kärnten gilt. Du weißt ganz genau, dass der Herr Landeshauptmann diesen Leitfaden am 16. Dezember zurückgezogen hat. (Bundesrat Steiner: Das macht es nicht besser!) Er hat gesagt, dass ihm die Polemik zu viel und das Thema zu wichtig ist. Du hast jetzt genau den umgekehr­ten Weg beschritten, du hast das ins Lächerliche gezogen. (Bundesrat Stei­ner: Aber das ist auch lächerlich!) Das Thema ist viel zu wichtig.

Ihr redet ja an allem immer nur vorbei und sucht euch die Würmer heraus, die ihr zum Angeln braucht. Das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

15.32


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Polaschek. – Bitte, Herr Minister.


15.32.36

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Mitglieder des Bundes­rates! Die vorliegende Novelle stellt einen weiteren Schritt zur Professionali­sierung, zur Erweiterung der Vielfalt der Ausbildung, zu Qualitätsverbes­serungen und zur Behebung des Fachkräftemangels im elementarpädagogischen Bereich dar.

Der Zugang zum Beruf der Elementarpädagogin beziehungsweise des Ele­mentarpädagogen für Personen mit einem abgeschlossenen, nicht facheinschlägigen Studium wird hiermit erweitert. Im Rahmen des Hoch­schullehrgangs Quereinstieg Elementarpädagogik an den pädagogi­schen Hochschulen mit einem Umfang von 120 ECTS können jetzt die Quer­einsteigerinnen und Quereinsteiger das notwendige pädagogische Rüst­zeug erwerben, das sie für den Beruf einer gruppenführenden Elementarpä­dagogin oder eines gruppenführenden Elementarpädagogen benötigen. Diese umfassende Ausbildung wird sich in theorie- und praxisorientierte Module gliedern.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 209

Die Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen haben einen enorm wichtigen Job. Sie sind jene Personen, die unsere Kinder begleiten, wenn sie das erste Mal mit dem Bildungssystem in Kontakt kommen. Die beste Aus­bildung für diese Personen im Elementarbereich hat deshalb für mich oberste Priorität.

Darüber hinaus ermöglicht die vorliegende Novelle eine Ausweitung der indi­viduellen Kompetenzmessung plus, kurz IKM plus, als ein wesentliches Element der pädagogischen Diagnostik. Sie hat den Zweck, den Schülerinnen und Schülern, den Erziehungsberechtigten, aber auch den einzelnen Pädagoginnen und Pädagogen wie auch dem Bildungssystem insgesamt ein konkreteres Bild über den Leistungsstand der Kinder zu liefern. Damit wird die Qualität des Unterrichts verbessert, und die individuelle und zielgerichtete Förderung der Schülerinnen und Schüler wird erleichtert.

Zwei weitere wichtige Neuerungen sind die Ermöglichung eines Austausches schülerbezogener Daten zur Teilnahme an der Sommerschule zwischen der Schulbehörde, der Sommerschule und der Stammschule und die Legitimie­rung der Abfrage des Finanzamtes Österreich aus den lokalen Evidenzen zu Zwecken der Prüfung der Berechtigung zum Bezug der Familienbeihilfe. Bei­de Maßnahmen haben zum Ziel, den bürokratischen Aufwand weiter zu reduzieren, und werden zur Erleichterung der Abwicklung wesentlich beitragen.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen im Bildungsbereich tätigen Personen sehr herzlich bedanken: bei all den Lehrerinnen und Lehrern, bei den Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen, bei all den Personen im administrativen Bereich und natürlich auch bei den Kindern und Jugendli­chen. Ich möchte ihnen und Ihnen allen ein schönes Weihnachtsfest und schöne Ferien wünschen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:in­nen der Grünen.)

15.35


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Bundesminister.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 210

Nochmals zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte.


15.35.40

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Vor allem werte Kollegen! (Bundesrat Preineder: ... eh schon lang genug!) Um der Wahr­heit die Ehre zu geben, muss man einfach noch einmal hierher ans Pult, denn es gibt einen Artikel, der heute – am heutigen Tag – in der Kärntner „Woche“ erschienen ist und der, Herr Kollege Appé, das anders darstellt, als du das jetzt gesagt hast. (Ruf bei der SPÖ: Ja genau, was in der Zeitung steht, stimmt ...!)

Das heißt, es gibt ein Interview der Frau Landesrätin Schaar, und ich darf vor­tragen, was sie gesagt hat. Die „Woche“ hat festgestellt: „Ein für den Ver­waltungsdienst als Handlungsanleitung gedachtes ‚Gender-Wörterbuch‘ wurde zurückgezogen. In der Schublade verschwinden soll das Konzept jedoch nicht. Die zuständige Landesrätin Sara Schaar [...] im Gespräch mit der Woche“ – und jetzt kommt’s –: „‚Das ginge ja schon alleine wegen der Rechtslage nicht. Wir werden diesbezüglich einen Brief an das Bundeskanzleramt senden, welches für Fragen der Gleichstellung zuständig ist‘“ (Bundesrätin Hahn: Und?), „,damit alle Behörden zukünftig die gleichen Formulierungen verwenden können.‘“ (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Und?)

15.36


15.36.49

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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15.37.2610. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das OeAD-Gesetz geändert wird (1788 d.B. und 1837 d.B. sowie 11152/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Florian Krumböck. – Ich bitte um den Be­richt, Herr Bundesrat.


15.37.46

Berichterstatter Florian Krumböck, BA: Sehr geehrter Präsident! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das OeAD-Ge­setz geändert wird.

Der Bericht über die Änderungen bei der OeAD-GmbH – bei der Agentur für Bildung und Internationalisierung – liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme deshalb gleich zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


15.38.14

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Wortmeldungen liegen dazu keine vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 212

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.38.4511. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (2965/A und 1819 d.B. sowie 11144/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (3021/A und 1822 d.B. sowie 11145/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 11 und 12, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 11 und 12 ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Ich bitte um die Berichte.


15.39.20

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich darf vor Beginn der Debatte die Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, Frau Susanne Kraus-Winkler, recht herzlich begrü­ßen. – Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitsch­thaler. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.40.58

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuseher, wo auch immer Sie uns jetzt noch zusehen und zuhören! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Verlängerung der Beantragungsfrist für den Langzeitkurzarbeitsbonus – das sind 500 Euro – um weitere sechs Monate. Warum ist das notwen­dig? – Dieses Instrument der Kurzarbeit haben wir in der Coronakrise Gott sei Dank eingeführt. Es hat sehr, sehr gut funktioniert, hat vielen Unternehmen und vielen Arbeitnehmer:innen geholfen, dass sie den Arbeitsplatz behal­ten können und die Unternehmen weiterhin unternehmerisch tätig sein haben können. Es war eine sehr gute Lösung. Wir haben mit 31. Dezember 2021


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176 529 Personen in Kurzarbeit gehabt, die meisten davon in der Gastronomie und Hotellerie. Diese Personengruppe war ja besonders betroffen, denn sie hatten durch die Kurzarbeit keine Möglichkeit, Trinkgelder zu bekommen. Darum war es gut, dass es diese Möglichkeit gegeben hat, damit sie zu­mindest ein Einkommen hatten.

Es gab diesen Bonus. Wir haben das im Ausschuss gehört, Frau Staatssekretärin, und wir haben sehr kompetent Auskunft bekommen. Es gab 82 156 Berech­tigte. Von diesen haben bis jetzt 77 900 diesen Antrag gestellt, ungefähr 4 200 noch nicht. Und um diesen Personen die Möglichkeit zu geben, diese 500 Euro auch noch zu beantragen, brauchen wir heute diesen Gesetzes­beschluss.

Also vielen, vielen Dank an Sie, Frau Staatssekretärin, und auch an Herrn Minis­ter Kocher und natürlich auch an die Sozialpartner, dass wir dieses Kurz­arbeitsmodell so gut auf den Weg gebracht haben. Das hat uns wirklich allen sehr, sehr geholfen.

Im Tagesordnungspunkt 12 geht es um die Verlängerung der Sonderbetreu­ungszeit. Wir verlängern diese bis zum Ende des Schuljahres 2022/23, also in den Sommer hinein. Diese Regelung ist notwendig, weil es nach wie vor Kinder gibt, die coronapositiv sind. Die brauchen die Betreuung der Eltern, und darum ist es notwendig, dass diese für die Betreuung freigestellt werden.

Wir verlängern diese Sonderbetreuung jetzt bereits zum achten Mal, und ich weiß, wir werden heute auch noch hören – wahrscheinlich vom Kolle­gen Obrecht, denn der schaut schon so –, warum wir das nicht ins Regelwerk einführen und warum wir das zum achten Mal so machen. (Bundesrat Schen­nach: Fürchtest dich schon, gell?) Es ist so, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir ja auf die aktuelle Situation reagieren müssen. Man kann nicht einfach irgendetwas tun, sondern wir reagieren dann, wenn es notwendig ist. Und wir finden, dass es jetzt notwendig ist, und ich glaube, da sind wir uns ja einig, dass diese Sonderbetreuungszeit sehr wichtig und gut ist, und darum machen wir


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das heute. Und sollte es notwendig sein, machen wir es halt ein neuntes Mal auch noch. Wir werden das schon gemeinsam hinbringen. Es besteht ja auch noch die Möglichkeit, Pflegeurlaub zu nehmen. Das wissen wir ja auch alle.

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Weihnachten naht, Zeit, um sich etwas zu wünschen. Mein Wunsch ist, Sie kennen das vielleicht schon von mir, eine Kultur des Miteinanders. Schauen wir, dass wir alle zur Ruhe kommen, dass wir im neuen Jahr in unseren neuen Räumlichkeiten, im neuen Bun­desratssaal eine gute und bessere Kultur des Miteinanders haben werden als jetzt! Wir wollen doch alle das Gleiche. Wir sind Parlamentarierinnen, Parlamentarier. Wir arbeiten für die Menschen in den Bundesländern, die uns entsandt haben, wir wollen gemeinsam etwas weiterbringen. Das schaffen wir sicher mit einer guten Kultur des Miteinanders. Das wünsche ich mir, denn es ist Weihnachten, und vielleicht gehen diese Wünsche ja auch in Erfüllung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.45


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte, Herr Bundesrat, Sie sind am Wort.


15.45.39

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Wunsch mei­ner Vorrednerin in ihrer Rede: Ja, das wünsche ich mir auch. Und um vielleicht von meiner Seite auch einmal etwas Besinnliches zu sagen: Ich wünsche Ih­nen vorab frohe Weihnachten, ein besinnliches neues Jahr. Sammeln Sie Kräfte, das werde ich auch machen, vielleicht nicht zur Freude von jedem (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP), aber ich glaube, wir werden schon gut ins neue Jahr starten.

Zum Thema selbst: Auch da will ich vielleicht der Forderung von Kollegen Adi Gross nachkommen, nicht alles immer nur zu verteufeln. Das mache ich


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an der Stelle gar nicht. Die Sonderbetreuungszeiten sind, finde ich, ein gutes Modell. Tatsächlich glaube ich, dass es da kaum Verlierer gibt. Worum geht es konkret? – Wenn ein Dienstnehmer oder eine Dienstnehmerin nicht zur Arbeit kommen kann, weil das Kind aufgrund einer Covid-Restriktion nicht in die Schule gehen kann, dann verliert der Arbeitnehmer nicht seinen Anspruch auf das Entgelt. Auf der anderen Seite bekommt der Arbeitgeber die Entgelt­fortzahlung refundiert. Das ist also eine relativ gute Sache.

Die Kollegin hat es schon erwähnt, das ist mittlerweile die achte Verlängerung, die wir beschließen. Das ist auch mein Kritikpunkt, der wird auch nicht wegzuwischen sein. Beim achten Mal tue ich mir schon ein bisschen schwer, die sachliche Rechtfertigung zu sehen. Beim ersten Mal im Jahr 2020 habe ich es völlig verstanden. Da gab es die sachliche Rechtfertigung. Man hat nicht ge­wusst, wie man damit umgehen soll. Im Jahr 2021 habe ich mich schon ein bisschen schwerer getan. Da haben wir auch etwas gemacht, was in der Gesetzgebung eigentlich ein wenig verpönt ist, denn wir haben es rückwir­kend in Kraft gesetzt, weil wir es im Parlament wieder nur bis zum Som­mer beschlossen haben. Im September sind wir dann draufgekom­men: Verdammt, das Jahr endet nicht im Juni, sondern es geht auch noch weiter. Wir haben es dann in der Oktobersitzung 2021 rückwirkend mit Septem­ber wieder in Kraft gesetzt. Dasselbe haben wir 2022 noch einmal gemacht; wir haben es wieder rückwirkend in Kraft gesetzt. Insofern jetzt einmal viel­leicht nicht als Kritik formuliert, sondern als Wunsch an die Regierung – das ist doch gleich schöner (Bundesrätin Eder-Gitschthaler – die Arme ausbreitend –:
Uh! – Bundesrätin Schumann: Ein Appell!)
 –: Vielleicht könnten wir dieses Mal schon im Juni daran denken, dass das Jahr weitergeht. Und wenn man im Juni auf die Idee kommt, es könnte nötig sein, das zu verlängern, dann wäre es vielleicht gut, dass man das schon zu diesem Zeitpunkt dem Parlament zuführt, sodass man dann schon darüber den Beschluss fassen kann.

Wir hätten dann die Situation, dass wir nicht erst wieder im Oktober, im Novem­ber darüber reden müssen, was wir mit September in Kraft setzen wollen.


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Das ist einfach eine Unart. Im Strafrecht ist es generell nicht erlaubt, und im Zivilrecht sollte man es eigentlich auch nicht machen. Das haben wir nicht notwendig, vor allem auch deswegen nicht, weil es die Pandemie jetzt schon relativ lange gibt.

Zum Zweiten, zur Kurzarbeitshilfe: Auch da wurde schon vortrefflich dargestellt, was da gemacht wird. Auch da gibt es keine Kritik. Der einzige Punkt, den ich immer wieder vorbringen werde, sind die 10 Milliarden Euro, die im Dunkeln liegen. Auch da wieder der Appell – ganz positiv formuliert – an die Bun­desregierung: Holen Sie das doch aus dem Schatten heraus! Es ist ja ein belieb­tes Argument von konservativer Seite: Wer nichts zu verstecken hat, der kann das ja auch preisgeben. Wenn man es bei den Cofag-Förderungen hinbe­kommen hat, dass wir die in die Transparenzdatenbank einspielen, wa­rum machen wir das nicht auch bei der Kurzarbeitshilfe? Ich habe Vermutungen, warum man das nicht tut, aber vielleicht könnte man dem Appell ja nach­kommen. – Vielleicht können Sie das mitnehmen, Frau Staatssekretärin. Es wäre langsam an der Zeit. Die Kurzarbeitshilfen gibt es seit 2020. Wir wissen immer noch nicht, wer diese 10 Milliarden Euro bekommen hat, und es wäre schön, wenn wir das einmal erfahren würden, denn langsam steht einfach der Verdacht im Raum, dass damit Schindluder getrieben worden ist.

So, und damit komme ich auch schon zum Ende meiner Rede. Ich wünsche mir selbst auch etwas – das ist jetzt vielleicht nicht versöhnlich –: Vom Arbeits­minister wünsche ich mir, dass er so bleibt, wie er ist. Ganz ehrlich! Er hat ein großes Projekt gehabt, die Arbeitsmarktreform. Die ist gescheitert, und wenn er weiterhin so ineffektiv bleibt, ist das gut für Österreichs Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ.)


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15.49


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.49.36

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Vizepräsident! Frau Staatssekretärin! Normalerweise müsste ich nach dieser gelungenen Rede eigentlich sagen: Wortmeldung zurückgezogen! (Bundesrat Egger-Kranzin­ger: Nehmen wir! – Bundesrat Schennach: Wir nehmen es an!), aber es geht noch um ein paar andere Dinge.

Zum Tagesordnungspunkt betreffend Kurzarbeitsbonus: Man muss sich das, wie gesagt, damit die Relation vielleicht ein bissl deutlich wird, anschauen. In Summe waren 82 156 Arbeitnehmer berechtigt, diesen sogenannten Kurzar­beitsbonus in Anspruch zu nehmen, bis dato wurden 77 000 Anträge ein­gereicht. Damit auch die restlichen 5 000, die es bis dato aus irgendwelchen Gründen noch nicht geschafft haben, ihren Anspruch nicht verlieren, hat man die Frist verlängert.

Zur Thematik Sonderbetreuungszeit: Wir haben auch immer so wie die SPÖ gesagt, wenn es Dinge gibt, die im Interesse der Kinder, der Eltern sind, dann sollte man nicht immer verlängern, verlängern, verlängern, sondern wenn man bemerkt, dass etwas gut ist, dann sollte man das ins Dauerrecht über­führen. Vor allem, das muss ich auch ehrlich sagen, war die Sonderbetreuungs­zeit sicherlich auch ein gutes Signal, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht, weil es nach wie vor noch Arbeitgeber gibt, die der Meinung sind, dass Eltern schwierige Arbeitnehmer sind, die nicht zu 100 Prozent zur Verfügung stehen, weil sie eben Kinder haben, die krank werden können. Es wäre, finde ich, einmal ein richtiges Signal, zu sa­gen: Wir setzen diese Sonderbetreuungszeit als normales Gesetz um, damit Eltern ihre Kinder betreuen können und Arbeitgeber mitbekommen, es kostet sie nicht mehr, sondern der Staat unterstützt sie dabei. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)


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15.51


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.51.23

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Also bei so vielen hervorragenden Reden und so konstruktiven Appellen habe ich dem gar nicht mehr sehr viel hinzuzufügen. Ich mache es auch wirklich sehr kurz.

Es wurde gesagt, wir verlängern im Rahmen dieses Tagesordnungspunkts 11 die Antragsfrist für den sogenannten Langzeitkurzarbeitsbonus, und wir verlän­gern ihn bis 23. Juni 2023. (Rufe: 30.!) – 30.? Entschuldigung, ja 30. Juni!

Die Kurzarbeit war in der Pandemiekrise, das muss ich schon einmal sagen, si­cher eine der besten Maßnahmen in ganz Europa. Ich bin herumgefahren, in ganz Europa haben sich die Leute das angeschaut und haben gesagt: Hey, wie habt ihr das in Österreich gemacht? – Das war wirklich, wirklich eine ganz tolle Leistung, auch mit der Sozialpartnerschaft, das ist ganz wichtig zu sagen. Ich glaube, da können wir in Österreich auch ziemlich stolz sein, dass wir das so über die Bühne gebracht haben. Wem kam es zugute? – Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Österreichs. Jetzt gibt es tatsächlich immer noch - - (Bundesrat Schennach: Und der Wirtschaft!) – Bitte? (Bundesrat Schennach: Und auch der Wirtschaft!) – Und auch der Wirtschaft, selbstverständlich!

Wir haben jetzt tatsächlich immer noch Unternehmen, die diese Ansprüche nicht geltend gemacht haben. Wir können jetzt eigentlich nur appellieren, das in dieser Frist auch wirklich abzurechnen und geltend zu machen. Deswegen ver­längern wir das ja eigentlich vorwiegend, weil es tatsächlich noch Leute gibt, die das nicht getan haben. Also bitte, mein Appell: Wenn ihr Anrecht darauf habt, dann rechnet das auch ab! Ihr seid herzlich eingeladen, das jetzt im ers­ten Halbjahr 2023 zu tun.

Wir verlängern auch die Sonderbetreuungszeit für coronapositive Kinder, das haben wir schon gesagt, bis Schulschlussende 2023. Im Sinne der Kinder kann man ja auch dagegen nichts haben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.53


15.53.15


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 220

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­marktservicegesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ar­beitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmenmehrheit. Der An­trag ist somit angenommen.

15.54.2113. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (Investitionskontrollgesetz – InvKG) geändert wird (3010/A und 1894 d.B. sowie 11159/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 221

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert werden (3011/A und 1895 d.B. sowie 11160/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 13 und 14, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 13 und 14 ist Frau Bundesrätin Alexandra Platzer. – Ich bitte um die Berichte, Frau Bundesrätin.


15.54.53

Berichterstatterin Alexandra Platzer, MBA: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen geändert wird.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Wirt­schaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert werden.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


15.56.04

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es liegen keine Wortmeldungen dazu vor.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 222

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesord­nungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Inves­titionskontrollgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanz­buchhaltungsgesetz 2014 und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.57.0315. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird (2999/A und 1897 d.B. sowie 11161/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 223

dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elek­trizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird (1898 d.B. sowie 11128/BR d.B. und 11162/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 15 und 16, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 15 und 16 ist Frau Bundesrätin Dr.in Maria Huber. – Ich bitte um die Berichte.


15.57.41

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -orga­nisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 224

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


15.59.04

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ja, ich habe die Worte der türkis-grünen Bundesregierung und von deren Abgeordneten noch im Ohr: Mit dem Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes ist „ein großer Wurf gelungen“.

Prinzipiell, und das wissen alle, die mich kennen, bin ich einer der wenigen Pioniere, die seit dem Jahr 2000 im Bereich erneuerbare Energie und deren Pro­duktion selbst tätig waren und sind, und ich habe Zigtausende Megawatt­stunden schon selbst produziert und eingespeist. Aufgrund dessen sehe ich auch viele Regelungen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes nicht durch die rosa­rote oder schwarz-grüne Brille, wie es die Bundesregierung aber nonstop der Be­völkerung verkauft.

Ich habe generell kein Problem damit – wie vorhin auch schon erwähnt –, die Produktion der erneuerbaren Energien auf vernünftige Art und Weise – Thema Energiepolitik mit Hausverstand – unter Berücksichtigung der Leistbar-


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keit für die Bevölkerung und für die Wirtschaft zu erhöhen, aber leider be­weist diese Bundesregierung tagtäglich mit ihren Entscheidungen im Bereich Energiepolitik: Ja, sie hat ihren Master, aber den Master of Desaster.

Es wundert mich auch nicht, dass sich eine Personengruppe – wobei sich einige davon in jeder Partei wiederfinden, gemeinsam mit der derzeit abwesen­den zuständigen Klimaministerin – von den Klimaterroristen, die sich auf unsere Straßen kleben, die sich damals aber an Bäume gekettet haben, um die Produktion von erneuerbarer Energie zu verhindern, nicht distanzieren. Ich hoffe nur, sie verwenden biologisch abbaubare Kleber, denn man sieht auf Videos, wie sie die Tuben, deren Inhalt wahrscheinlich nicht biologisch abbaubar ist, in den offenen Kanal schmeißen.

Mich hätte es aber sowieso gewundert, wenn Sie sich auf einmal wirklich besonnen hätten, um wirtschaftlich vernünftige Rahmenbedingungen, die für die Bevölkerung eine sichere und leistbare zukunftsorientierte Energiepolitik – und da ist es egal, ob es sich um Wasserkraft oder andere erneuerbare Energie­quellen handelt – bedeutet hätten, umzusetzen.

Diese Bundesregierung betreibt maximal Symptombekämpfung, anstatt die Ur­sache zu behandeln. Es ist eine Fortsetzung der Steuergeldvernichtung, die durch die verfehlte Coronapolitik der schwarz/türkis-grünen Regierung mit rot-rosa Unterstützung begonnen wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun noch kurz zu den Netzkosten: Die Netzkosten werden ab 1.1.2023 für jeden Österreicher um circa 100 Euro im Jahr steigen. Natürlich ist die SPÖ wieder einmal im Liegen umgefallen: Für 25 Euro Reduktion hat die SPÖ die sogenannten Hosen runtergelassen und wird heute wieder die Zweidrit­telmehrheit sichern. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) 75 Euro bezahlt der Kunde direkt und 25 Euro aufgrund des SPÖ-Beschlusses indirekt als Steuerzahler – wir gratulieren zu Ihren Steherqualitäten! (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir Freiheitlichen sind der Meinung, dass das alles nicht notwendig wäre, wenn diese Bundesregierung die Meritorder ändern würde, und die Meritorder kann man auch auf nationaler Ebene ändern, indem man einfach hergeht und sagt, man legt einen Strompreis für den österreichischen Strom, der in Österreich erzeugt wird – großteils aus erneuerbarer Energie: aus Wasserkraft, aus Biomasse oder was auch immer –, fest. Dann hat man einen österrei­chischen Preis, und den Preis für den Strom, der zusätzlich eingekauft wird, teilt man dann auf. Da gibt es ja auch jetzt schon die Organisation, die das bei den Netzverlusten macht – damit sind wir wieder beim selben Thema.

Das wäre überhaupt kein zusätzlicher Aufwand, sondern Sie könnten diesen zusätzlichen Strom einkaufen, und dann hätte man eine österreichische Lösung für ein Aussetzen der Meritorder und man bräuchte nicht 4 Milliarden Euro aus Steuergeldern hin zu den Energiekonzernen querzusubventionieren. Wir kom­men ja heute bei einem der nächsten Tagesordnungspunkte, bei dem es um das Gesetz geht, dass Übergewinne abgeschöpft werden, noch dazu. (Ruf bei der SPÖ: Das ist nicht das Thema heute! – Bundesrätin Hahn: Könnten Sie zur Sa­che sprechen?) Dieses Geld gelangt dann wieder zurück in den Steuertopf, hier wird das Geld des Steuerzahlers im Kreis geschickt, aber auf die von uns Freiheitlichen vorgeschlagene österreichische Lösung geht diese Bundesregie­rung ja gar nicht ein.

Was das Thema des Strompreises insgesamt betrifft, wäre die Strompreisbremse ja eigentlich gar nicht notwendig, weil die sogenannte Grundversorgung im Elwog festgeschrieben ist. Dadurch ist jeder Energieerzeuger verpflichtet, dem Kunden Strom auf Basis des Grundversorgungstarifes zu liefern. Grundversorgungstarif heißt Durchschnittspreis aller Bestandskunden. Die Frei­heitlichen haben im Nationalrat auch die Bundesregierung aufgefordert, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, um überprüfen zu lassen, ob die sei­tens der Strom- und Gashändler und sonstiger Lieferanten verlautbarten Tarife für die Grundversorgung der Höhe nach den Bestimmungen des § 77 ElWOG beziehungsweise des § 124 GWG entsprechen.


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Eine weitere Gesetzesänderung, die wir heute auf der Tagesordnung haben, betrifft eine weitere Änderung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes – dieser werden wir zustimmen. Der wesentliche Inhalt ist – neben Fristverlän­gerungen und Verwaltungsvereinfachungen – die Verlängerung der Be­freiung von der Ökostrompauschale um ein weiteres Jahr.

Wir wissen ja, dass sich das, was der Kunde – sei es jetzt der Haushalt oder das Unternehmen – auf der Stromrechnung hat, im Wesentlichen zu je einem Drittel aus dem Energiepreis – das ist der reine Preis für den Strom, der in den letzten Monaten explodiert ist –, den Netzkosten, die ich ja bereits in mei­ner vorherigen Rede behandelt habe, und den Steuern und Abgaben – also im Wesentlichen der Mehrwertsteuer, hinsichtlich derer wir schon seit Mo­naten fordern, wenigstens die Mehrwertsteuer auf Energie auszusetzen, was nicht passiert ist – zusammensetzt, aber es sind auch noch die Öko­strompauschale und ähnliche Gebühren und Abgaben dabei. Das ist eine kleine Entlastung im Vergleich zu einer richtigen Entlastung, die etwa stattfinden würde, wenn man keine Mehrwertsteuer auf Energie erhebt. Es ist eine kleine Entlastung, aber immerhin eine Entlastung.

Zusammengefasst: Wir stimmen dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zu und stim­men gegen die vorgelegte Änderung des ElWOG 2010. (Beifall bei der FPÖ.)

16.05


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.05.55

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lie­be Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben heute wieder einige Energiethemen auf der Tagesordnung, und daran sieht man auch, dass wirklich an allen Ecken und Enden gearbeitet, an allen Schrauben gedreht wird, um eine Verbes­serung im Energiebereich zu bewirken.


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Wir haben das auch gestern bei der Anfrage sehr ausführlich besprochen, und da durfte ich schon ankündigen, dass es auch noch weitere Maßnahmen geben wird – und da darf ich nur auf die Pressekonferenz von Ministerin Gewessler und Minister Kocher hinweisen, die morgen um 9 Uhr stattfindet, bei der es um weitere Unterstützungen bei hohen Energiekosten und um Energieeffizienz ge­hen wird. (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Was sollen wir denn bei der? Schaut euch morgen die PK an!)

Bei dem Tagesordnungspunkt heute geht es um die Änderung im EAG, da geht es vor allem um die weitere Aussetzung der Erneuerbaren-Förderpauschale auch im Jahr 2023. Damit man sich da etwas vorstellen kann: Es ist eine Größen­ordnung, die bei den Haushalten bis zu einer Höhe von 100 Euro und bei einem Bäcker – nur dass man eine praktische Vorstellung hat – etwa bis zu einer Höhe von 3 000 Euro geht.

Weiters geht es auch wieder um Erleichterungen bei einem Ansuchen betreffend PV-Anlagen bis zu 20 kW, und dabei sieht man auch wieder, dass wirklich auch Anregungen aus der Praxis, die immer wieder eingebracht werden, einge­arbeitet werden, damit etwas einfacher und effizienter wird. Dabei geht es darum, dass in Zukunft bei PV-Anlagen bis zu 20 kW die Förderabwicklungs­stelle mit der Antragsprüfung nicht mehr bis zum Ende des Fördercalls warten muss, und so erfährt der Antragsteller auch viel schneller, ob er eine För­derung bekommt oder nicht. Weiters bleiben die Daten, die einmal einge­geben wurden, auch dort gespeichert und können das nächste Mal gleich wieder verwendet werden. Man kann auch zuerst die PV-Anlage bauen und danach um eine Förderung ansuchen – das ist ebenfalls eine wesentliche Ände­rung in dieser Richtlinie.

Neben der Neuerrichtung von Biomasseanlagen bis 50 kW soll nun auch eine Erweiterung solcher Anlagen mit Investitionszuschüssen förderfähig sein. Das heißt, nicht nur eine Neuanlage ist förderfähig, sondern auch eine Erwei­terung so einer Anlage. Auch das ist eine Erleichterung und eine Verbes­serung. Diese Erleichterungen bringen genau jenen Menschen Verbesserungen,


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die wirklich in diese Energiewende investieren, und ich möchte jedem Ein­zelnen wirklich danken, der so ein Projekt auf sich nimmt und ein Teil dieser Ener­giewende ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bei den Änderungen im ElWOG geht es in erster Linie auch um die Netzge­bühren. Aufgrund des massiven Anstiegs der Großhandelspreise am Strommarkt sind auch die Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie gestiegen, und um die Auswirkungen dieses Preisanstiegs für unsere Konsumenten abzufe­dern, werden die erhöhten Netzgebühren im Ausmaß von 173 Euro pro Me­gawattstunde für die erste Jahreshälfte 2023 mit Bundesmitteln abgedeckt. Da­durch ergibt sich bei einer angenommenen Netzverlustmenge von 3 Tera­wattstunden – das muss man sich vorstellen! – eine Kostenentlastung von rund 260 Millionen Euro.

In einem weiteren Punkt geht es um Regelungen, die die Versorgung von Stromkunden nach dem Marktaustritt regeln sollen. Mit den neuen Regelungen soll eine lückenlose Versorgung der Kunden sichergestellt werden. Das sind sehr, sehr genaue Regelungen, ich werde sie Ihnen aber jetzt ersparen. Wichtig ist aber, dass Sie, geschätzte Damen und Herren, wissen, dass wirklich auf Hochtouren gearbeitet wird, um den Herausforderungen am Strommarkt ge­wachsen zu sein.

Und weil das Jahr bald zu Ende geht, darf auch ich Ihnen ein frohes Weihnachts­fest und einen guten Rutsch wünschen, und ich bedanke mich vor allem bei jenen, denen Stil und Wertschätzung hier im Bundesrat sehr wichtig sind. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.09


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Ich möchte die Gelegenheit nützen, um unsere Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Frau Leonore Gewessler (Zwischenruf bei der FPÖ), bei uns recht herzlich zu begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)


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Als Nächster zu Wort gemeldet und bereits am Rednerpult ist Vizepräsident Günther Novak. – Bitte, Herr Vizepräsident.


16.10.18

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt sind Sie (in Richtung Bundes­ministerin Gewessler) ein bisschen zu spät gekommen, Herr Bernard wollte Ihnen noch etwas sagen (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP), aber vielleicht kommt er noch einmal heraus.

Wie auch immer, ich habe das Gefühl, heute hast du (in Richtung Bundesrat Bernard) irgendwie das Thema verfehlt – es hängt zwar alles zusammen, keine Frage, aber das haben wir gestern bei der Dringlichen Anfrage mehr als besprochen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Nur einen Satz dazu: Jeder auf europäischer und auf österreichischer Ebene will, dass wir das Meritordersystem ändern, aber es wird wahrscheinlich nicht so leicht sein, den Strom vom Gas zu trennen, um dann zu anderen Preisen zu kommen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Weil du gesagt hast, wir sind eigentlich diejenigen, die dagegen sind: Im Gegenteil, wir versuchen das auch in diese Richtung zu ändern. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute geht es im Grunde genommen einmal um das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das EAG, um „Kleinigkeiten“ – unter Anführungszeichen –, die zu ändern sind, administrative Änderungen bei der Beantragung der Fotovoltaikförderung.

Ich habe das, glaube ich, im Ausschuss einmal vorgelesen, das ist wegen dem, was beim vierten Call vorgekommen ist, nämlich dass man nach 1:21 Mi­nuten bis 10 kW einfach rausgefallen ist, und das beim vierten Call für kleine Anlagen bis 10 kW, wenn man es schon zwei- oder dreimal versucht hat. Dann hat man genau bei diesem vierten Call, Frau Bundesministerin, auch noch eine Serverwartung gemacht. Man hat runtergescrollt und ist nicht weiter­gekommen, weil man nach 1:21 Minuten sowieso draußen war. Ganz unten ist


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noch gestanden, dass man die Daten noch einmal eingeben muss, weil ein Ersatzlink dafür da gewesen wäre.

Solche Dinge sollten nicht mehr vorkommen, wobei man bei dieser Gelegenheit schon auch sagen muss, dass bei 10 kW innerhalb dieser Zeit 27 000 Calls gewesen sind – das ist im Grunde genommen in der Größenordnung einer Tera­wattstunde. Das ist natürlich gewaltig. Gott sei Dank ist es so, dass genau das jetzt zu greifen beginnt, was man eigentlich will, dass man in zehn oder 15 Jahren von Gas und Öl und so weiter weg ist. Man ist vor diesen Pro­blemen nicht gefeit – das wollte ich eigentlich nur sagen.

Mir hat Herr Schroll irgendwann einmal geschrieben, dass auch er dazu beigetragen hat. Das sind übrigens, Frau Kollegin Kaltenegger, 35 Euro pro Haushalt, die man sich durch diese Entlastung erspart. Die Ökostrom­pauschale ist für die Stromkunden 2022 und 2023 ausgesetzt worden, damit sich die Haushalte das ersparen, und dafür muss man Danke sagen.

Das war die eine Geschichte, die zweite ist die EIWOG-Geschichte. Ja, keine Frage, wenn jetzt jemand – so wie ein Konzern in der Steiermark – sagt, er muss aufhören, er kann den Strom nicht mehr verkaufen, weil er sonst pleitegeht und dann X-Tausende auf der Straße stehen, dass die aufgefangen werden müs­sen, dass das gesetzlich geregelt ist und dass sie dann wieder mit einem Preis eintreten können, der für diese Kunden vernünftig ist, das sollte auf jeden Fall in der Zukunft gewährleistet sein, weil sie sonst nach acht Wochen irgend­einen Strompreisvertrag annehmen müssen, den sie unter Umständen nicht zah­len können – das ist ja im Grunde genommen auch passiert. Dass diese Kunden in Zukunft in den nächsten drei Monaten zu vernünftigen Preisen über­nommen werden müssen, war, glaube ich, auch ein großes Thema.

Das ist das, was wir heute hier beschließen. Da sind wir selbstverständlich dafür, Frau Kollegin Gitschthaler. Der Wunsch an das Christkind wird nicht aufge­hen, das kann ich Ihnen heute schon sagen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ah geh,


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na!) – Der Grund sitzt links von euch, von dir. (Heiterkeit des Redners. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Ich möchte mich abschließend noch für die eineinhalb Jahre als Vizepräsident recht herzlich bei euch bedanken, für eure Unterstützung – Präsident­schaften habe ich ja einige mitgemacht, unter anderem auch deine (in Richtung Bundesrätin Schwarz-Fuchs), weil ich gerade zu dir schaue, und auch ande­re wie die von meiner Kollegin –, danke dafür. Ich hoffe, ich habe meinen Teil dazu beigetragen. – Schöne Weihnachten und ein gutes neues Jahr! (Beifall bei der SPÖ.)

16.15


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.15.18

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, liebe Leonore! Danke, Günther, für den konstruktiven Beitrag – ich denke, das darf man auch einmal sagen.

Was gibt es Schöneres, als elektrischen Strom – die wichtigste und hoch­wertigste aller Energieformen – aus den Strahlen der Sonne und der Kraft des Windes zu produzieren!? Kraft dieser Eleganz ist der intensive Ausbau der erneuerbaren Energieträger zur Stromerzeugung zuallererst ein Nutzen für den Klimaschutz. Ich habe es schon oft gesagt, und da sind wir uns, hoffe ich, alle einig: Klimaschutz ist nichts weniger als die Sicherung der Überlebensbedin­gungen auf diesem wunderbaren Planeten, vor allem für die nächste Generation – was im Übrigen die jungen Leute auch völlig zu Recht einfordern.

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist eine Bedingung, um uns aus der ungesunden Abhängigkeit von Gas und Öl zu befreien. Jede Wärmepumpe, die installiert wird, ersetzt Gas, braucht dafür aber natürlich Strom. All der


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Strom, den wir erneuerbar produzieren, reduziert das Erfordernis, das mit Gas­kraftwerken zu tun. Das ist ein wichtiger Punkt. Damit ist auch der Öko­stromausbau eine wichtige Bedingung, um mittelfristig die Strompreise auf ein erträgliches Niveau zu bringen, das sich alle leisten können. Demgegen­über werden ja derzeit die Strompreise durch die Kosten der Verstromung von teurem Gas diktiert.

Es zeigt sich, dass es funktioniert. Besonders erfreulich ist, dass so viele Leute mitmachen und investieren. Ihnen gebührt der besondere Dank, denn ohne sie ginge schließlich gar nichts.

Die Nachfrage vor allem nach Fotovoltaik ist wirklich enorm, das hätten wir uns ganz ehrlich nie träumen lassen, als wir vor drei Jahren das Gesetz verhan­delt oder ins Regierungsprogramm geschrieben haben. Die Nachfrage ist derma­ßen enorm, dass die Wirtschaft gar nicht mehr in der Lage ist, diese auch zu befriedigen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Allein heuer werden 2 300 Megawatt PV gefördert – 2 300 Megawatt! Das gibt, um die Zahlen ein bisschen plasti­scher zu machen, bilanziell Strom für – hören Sie bitte gut zu! – 600 000 Haushalte.

Ich verstehe trotzdem auch die Enttäuschung aller, die einen Antrag eingereicht haben und nicht zum Zug gekommen sind, dass sie es noch einmal machen müssen. Das ist mühsam, aber es ist einfach der riesigen Nachfrage geschuldet. Es wurden auch schon mehrfach die Mittel aufgestockt. Ich weiß gar nicht den letzten Stand, aber wir sind irgendwo im Bereich von 250 oder mehr Millio­nen Euro, die allein für die PV zur Verfügung gestellt werden. Auch der Windenergieausbau ist wieder voll angelaufen: Anlagen mit 427 Megawatt werden heuer errichtet, das ist noch einmal Strom für 240 000 Haushalte.

In diesem Speed wird es auch nächstes Jahr weitergehen, davon ist auszugehen. Die Marktprämienverordnung ist ja bereits erlassen, wie Sie wissen, und die Investitionsförderungsverordnung für 2023 ist im finalen Stadium. Wir hoffen, dass sie bald in die Begutachtung gehen kann.


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Trotzdem gibt es natürlich etwas zu verbessern – deswegen sind wir jetzt auch hier; es passieren technische Fehler, man erkennt Dinge, die man anders ma­chen könnte –, und das geschieht mit der vorliegenden weiteren EAG-Novelle. Es gibt Klärungen in der Fördererdifferenzierung, es gibt längere Über­gangsfristen bei Biogasanlagen, um den Betreibern mehr Zeit einzuräumen, es gibt Verbesserungen in der Abwicklung und so weiter.

Wie schon von mir eingangs – und von mehreren – angeschnitten: Wir sind na­türlich mit sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen konfrontiert, die Energiekosten zu reduzieren und staatlich abzufangen. So wird die Ökostrompauschale nächstes Jahr ein weiteres Mal ausgesetzt, in Zu­kunft für drei Jahresperioden. Der Förderbeitrag wird wieder auf null gesetzt, allein das ist übrigens eine halbe Milliarde Euro im Jahr.

In der Konzeption der Netztarife, die routinemäßig durch die Regulierungs­behörde stattfindet, hat sich abgezeichnet, dass das sogenannte Netz­verlustentgelt massiv ansteigt, einfach deswegen, weil die Netzbetreiber die Verlustenergie beschaffen müssen. Diese müssen sie am Markt beschaffen, und die Marktpreise für Strom sind derzeit, wie Sie wissen, exorbitant. Mit einer Ergänzung im ElWOG werden daher geschätzt 60 Prozent der gesamten Erhö­hung in diesem Tarifteil abgefangen. Dafür wird ein Volumen von 260 Mil­lionen Euro bereitgestellt. Das geht direkt über die Netzbetreiber – das ist gut so –, sodass bei den Kunden gleich eine massiv reduzierte Anpassung ankommen wird.

Eine Folge der Preisentwicklung der letzten Monate ist, dass sich einige Strom­händler vom Markt zurückziehen. Sie haben Verträge mit Kunden abge­schlossen zu Preisen, die sie jetzt nicht mehr bedienen können. Sie müssen sich vom Markt verabschieden und kündigen die ganzen Kundenverträge. Das kann für die Betroffenen mitunter fatale Folgen haben, da es derzeit gar nicht so leicht ist, überhaupt noch einen Stromhändler zu finden, der neue Kunden


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zu vertretbaren Preisen aufnimmt. Unter dem Motto – Kollege Novak hat es an­gesprochen –: Niemanden zurücklassen!, wird nun eine Regelung dahin ge­hend geschaffen.

Bei Schwierigkeiten, einen neuen Anbieter zu finden, wird innerhalb von drei Monaten ein Anbieter zugewiesen, der verpflichtet ist, die Leute mit Strom zu vergleichbaren Preisen, wie sie andere Kunden haben, zu versorgen. Ich stehe absolut nicht an, hier der SPÖ einen Dank auszurichten, da sie dafür sehr stark eingetreten ist.

Damit der Ausbau gut weitergeht, braucht es das aktive Mittun von vielen, vor allem auch von den Ländern und Gemeinden, denn ohne Erleichterungen in den Bauordnungen, ohne aktive Ausweisung von Eignungszonen für Wind­energie und Fotovoltaik wird es à la longue nicht klappen. Gemeinsam schaffen wir das ganz bestimmt! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desrät:innen der ÖVP.)

16.21


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desministerin Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Bundesminister.


16.22.07

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Bundes­rät:innen! Ich möchte kurz zu beiden Themen, die wir heute auf der Tagesord­nung haben, Stellung nehmen. Als wir das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz da­mals im Nationalrat und im Bundesrat beschlossen haben, war klar: Das ist das Gesetz, das der Hebel für den Ausbau der Erneuerbaren sein wird. Es war aber auch immer klar: Es wird ein lebendiges Gesetz, es wird ein Gesetz, das immer wieder lernt und auch angepasst werden muss. Deswegen ist es aus meiner Sicht null Überraschung, dass wir jetzt die vierte Novelle dieses Ge­setzes vorliegen haben, um eben wieder dort an Schrauben zu drehen, wo es – wie wir in der Abwicklung sehen – Sinn macht.


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Es gibt eine ganz zentrale Maßnahme in diesem Antrag, nämlich – das ist, glaube ich, in jedem einzelnen Redebeitrag erwähnt worden – die Aussetzung der Erneuerbaren-Förderpauschale im Jahr 2023. Das muss gesetzlich passieren. Der Erneuerbaren-Förderbeitrag ist schon per Verordnung auf null ge­setzt worden, wir schaffen damit auch für nächstes Jahr eine Entlastung für einen durchschnittlichen Haushalt von in Summe 90 Euro. Das kann im Jahr 2023 durch diese Aussetzung sichergestellt werden.

Das ist eine Entlastung für Privatpersonen, das ist auch eine Entlastung für die Unternehmen. Das Beste daran ist: Es wird trotzdem möglich sein, den Re­kord im Ausbau der Erneuerbaren, den wir dieses Jahr verzeichnen – Bundesrat Gross hat schon ein paar beeindruckende Zahlen genannt –, weiterzuführen. Das ist für mich natürlich die zentrale Aufgabe in der aktuellen Energiekrise. Die fossilen Energien haben uns in die Abhängigkeit und in Schwierigkeiten gebracht. Wir müssen da mithilfe der Erneuerbaren raus, und deswegen ist dieses Gesetz so wichtig.

Wir haben in diese vierte Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes weitere technische und redaktionelle Änderungen eingearbeitet. Ich greife drei heraus: Die Investitionszuschüsse für Biomasseanlagen werden auch für die Erweiterungen von Anlagen gewährt. Die Förderabwicklung für Investi­tionszuschüsse für Fotovoltaikanlagen und Wasserkraftanlagen mit Reihung nach Antragszeitpunkt wird vereinfacht, dadurch auch beschleunigt. Ich sage auch gleich noch etwas zum Fördersystem. Außerdem wird auch die Da­tenbereitstellung verbessert, zum Beispiel enthält der Antrag eine Infor­mationspflicht der Netzbetreiber bezüglich der Entfernung einer Biogasanlage zum nächsten Gasanschlusspunkt.

Das sind drei der Änderungen, die in der Praxis ganz konkret für Verbesserungen in der Förderabwicklung sorgen. Das ist aber nicht das Ende der Fahnen­stange, ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen, wir werden weiter daran arbei­ten, das Fördersystem zu optimieren.


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Auch ich wollte mich für die differenzierte Analyse bedanken – bei Bundesrat Novak; ich schaue in seine Richtung, nur damit es auch gesagt ist. (Bundes­rat Schennach: Wir haben es aber fast angenommen!) Wir sehen tatsächlich, dass wir dieses Jahr wirklich ein Ausnahmejahr haben. Wir haben ein absolutes Rekordjahr, sowohl was die Fotovoltaik als auch was die Windkraft betrifft. Mit dem, was wir heuer rein an Fotovoltaikanlagen und Stromspeichern fördern werden, können wir den Stromverbrauch von über 600 000 Haushalten decken. Wir haben das Fördervolumen im Vergleich zum absoluten Rekordjahr 2021 verdreifacht und wir sehen trotzdem: Die Nachfrage ist ungebrochen. Es hat in Österreich nie zuvor einen derartigen Run auf die Fotovoltaik gegeben.

Das ist prinzipiell eine sehr, sehr gute Nachricht, weil wir einfach sehen: Die Menschen sind dabei, sie wollen dabei sein. Wir arbeiten deswegen auch daran, das Fördersystem laufend zu optimieren, sicherzustellen, dass wir Budget nachschießen können, und so weiter. Das führt aber auch – so ehrlich muss man sein – zu Verwerfungen am Markt. Es gibt mittlerweile Betriebe, die Anlagen verkaufen, die noch nicht einmal produziert sind, es gibt Preise am Markt, die teilweise nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Wir müssen also auch schauen, dass wir mit diesem Andrang auch aus Konsumentinnen- und Konsumentenschutzsicht verantwortungsvoll umgehen. Das versuchen wir. Wir arbeiten laufend an der Verbesserung des Fördersystems. Darüber hinaus ist die Dimension des Ausbaus der Fotovoltaik und der Windkraft, die wir dieses Jahr zusammenkriegen, für uns alle wirklich eine großartige Neuigkeit.

Ganz kurz noch zum zweiten Thema, zur ElWOG-Novelle, zu den Netzver­lustentgelten 2023. Es ist, glaube ich, schon sehr viel dazu gesagt worden. Es gibt – Sie wissen, es gab alleine in diesem Jahr nicht zufällig zwölf Ener­gieministerräte in Brüssel – enorme Verwerfungen auf den Energiemärkten und einen enormen Reformbedarf, auch auf europäischer Ebene. Ich habe auch beim letzten Rat wieder eingefordert, die Reform des Strommarktsys­tems endlich anzugehen. Ein Entwurf von der Europäischen Kommission ist für


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Anfang des nächsten Jahres in Aussicht genommen. All das hat Auswir­kungen bis hin zu den Netzverlustentgelten.

Zu den Netzverlustentgelten: Dass Strom für den Netzverlust beschafft werden muss, ist eine physische Notwendigkeit. Es gibt eine Regelung, wie diese Kostentragung vonstattengeht. Die Festlegung der Stromnetzentgelte fällt in die ausschließliche Zuständigkeit einer unabhängigen und weisungsfreien Behör­de, das ist die E-Control, genauer gesagt die Regulierungskommission
der E-Control.

Uns als Bundesregierung war klar, wenn die E-Control die Festsetzung der Netzverlustentgelte vornimmt, ist das für uns ein Handlungsauftrag, um unverhältnismäßige Kostenbelastungen abzumildern; deswegen beinhaltet dieser Antrag auch das Vorhaben, dass wir einen Teil der erhöhten Netzverlustkosten übernehmen, das sind 260 Millionen Euro, rund 60 Prozent der Erhöhung der Netzverlustkosten für Haushalte und für Unternehmen.

Ich darf Sie auch noch erinnern: Per 1. Jänner startet der Netzkostenzuschuss, der sich insbesondere an einkommensschwache Haushalte richtet. Dieser federt noch einmal bis zu 200 Euro der erhöhten Netzkosten direkt ab. Beide Novel­len haben nicht nur Energiewendedynamik, sondern vor allem auch Entlas­tungsdynamik. In diesem Sinne darf ich Sie bitten, diesen Novellen zuzustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

16.29


16.29.08

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Minister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 239

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und der mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mit­glieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unter­liegt, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, ist angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 240

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und der mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mit­glieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, ist angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständli­che Antrag ist unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 241

16.32.4317. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion in Spitzenzeiten (Stromverbrauchsreduktionsgesetz – SVRG) (3022/A und 1816 d.B. sowie 11126/BR d.B. und 11130/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom und ein Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger erlassen werden und das Einkommensteuergesetz geändert wird (3024/A und 1817 d.B. sowie 11127/BR d.B. und 11131/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz – ASVG geändert wird (1818 d.B. sowie 11132/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 17 bis 19, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 17 bis 19 ist Frau Bundesrätin MMag. Elisa­beth Kittl. – Ich bitte um die Berichte.


16.33.46

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Herr Präsident! Herr Minister! Ich bringe den Bericht über die Verhandlungen des Finanzausschusses zu TOP 17, den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion in Spitzenzeiten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 242

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu TOP 18: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom und ein Bundes­gesetz über den Energiekrisenbeitrag für fossile Energieträger erlassen wer­den und das Einkommensteuergesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Präsidentin Schumann übernimmt den Vorsitz.)

TOP 19: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Korinna Schumann: Ich darf Herrn Bundesminister Brunner herzlich im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 243

16.35.29

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich beginne mit dem Tagesordnungspunkt 17. Mit dem Bundesgesetz über Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion in Spitzenzeiten soll ein Teil der EU-Verordnung über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise umgesetzt werden. Die EU-Verordnung sieht vor, dass die Stromnachfrage in Spitzenzeiten zu 5 Prozent gesenkt werden soll, was eine Reduktion des Gasverbrauchs und des Strommarktpreises bewirken soll.

Dass dies eine sehr komplexe Materie ist, hat ganz eindeutig die Diskussion im Ausschuss gezeigt, in dem die Expertin eine halbe Stunde lang versuchte, Licht ins Dunkel für uns zu bringen, was nicht so einfach war.

Zusammengefasst schaut es so aus, dass die Austrian Power Grid ein gewisses Kontingent an Strom für die Spitzenzeiten reserviert und Industriebetriebe sich für diesen Zeitpunkt anmelden können, weniger Strom zu verbrauchen, und diesen dann auch zu einem besseren Preis erhalten. Die Mindestabnah­memenge soll 2 Megawattstunden betragen. Es erfolgt eine Ausschreibung, und 48 Stunden vor Inanspruchnahme des zugestandenen Kontingents kann die Firma verständigt werden, dass sie das auch abnehmen soll.

Auch freiwillige Maßnahmen seitens der Privathaushalte – durch Sparaufrufe und Energieeffizienzmaßnahmen – sollen den Verbrauch in diesen Spitzenzeiten reduzieren, wodurch der Strompreis in etwas niedrigere Höhen gebracht werden soll.

Die Regelung bezüglich der Strompreisreduktion in der EU-Verordnung ist seit 1.12.2022 in Kraft. Seit 6. Oktober 2022 waren diese Regelungen bekannt, eine zeitgerechte Umsetzung inklusive Begutachtung der Begleitgesetzgebung ist leider dennoch unterblieben.

Aufgrund des Zeitdruckes erfolgte nun die Umsetzung an den mit Verfassungs­mehrheit gebundenen Regeln der Elektrizitätswirtschaft vorbei, sie wird


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nun als einfaches Fördergesetz zur Geltung gebracht. Dies führt dazu, dass die Energieregulierungsbehörde E-Control bei der Umsetzung keinerlei Rolle spielt und man den unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber APG nun als För­derstelle verwendet.

Zudem wird das Zustandekommen des Budgetbedarfs von 100 Millionen Euro in keinster Weise erläutert. Das Gesetz sieht lediglich eine in der EU-Verord­nung gebotene Berichterstattung an die EU-Kommission sowie die nicht näher spezifizierte Veröffentlichung eines Berichtes vor. Berichte an das Parla­ment sieht das Gesetz in keinster Art und Weise vor. Insgesamt setzt sich bei diesem Gesetz leider wieder das energiepolitische Flickwerk der Regierung fort.

Zu Tagesordnungspunkt 18: Die Europäische Kommission will mit der Verordnung 1854 vom 6. Oktober 2022 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise auf diese reagieren und möglichst in allen Mitgliedstaaten sogenannte Überschusserlöse bei Strom und fossilen Energie­trägern besteuern.

Dies betrifft in Artikel 1 den Energiekrisenbeitrag-Strom. Das Gesetz tritt mit 1. Dezember 2022 rückwirkend in Kraft. Es besteuert Zufallsgewinne, so­genannte Überschussgewinne, die über einem Marktpreis von 140 Euro pro Me­gawattstunde liegen, vom 1. Dezember 2022 bis 31. Dezember 2023. Die Höhe des Beitrags soll 90 Prozent des Überschusserlöses betragen.

Artikel 2 betrifft den Energiekrisenbeitrag für fossile Energieträger. Auch diesbezüglich tritt das Gesetz mit 31. Dezember 2022 in Kraft, er­fasst die Zufallsgewinne also rückwirkend.

Erhebungszeiträume für die Zufallsgewinne sind das zweite Halbjahr 2022 und das Kalenderjahr 2023. Als Vergleichszeiträume für die Berechnung der Zufallsgewinne sind die Jahre von 2018 bis 2021 vorgesehen. Gerechnet wird auf Basis des steuerpflichtigen Gewinns. Jener Teil des Zufallsgewinns,


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der den jährlichen Durchschnitt der Vergleichszeiträume um 20 Prozent über­steigt, wird steuerpflichtige Bemessungsgrundlage. Damit sind 20 Pro­zent der Gewinnsteigerung steuerbefreit.

Laut Expertin im Ausschuss ist noch nicht klar, wie das Ganze funktionieren soll, weil die Durchführungsverordnungen noch offen sind.

Uns im Bundesrat – als Länderkammer – tun diese Steuern noch auf einer anderen Seite weh: weil die Einnahmen beider Steuern ausschließlich Bundesabgaben sind und den Ländern und den Gemeinden nicht im Zuge von Ertragsanteilen zugutekommen. (Bundesminister Brunner: ... die Zahlen dann eben passen!)

Noch kurz zum Einkommensteuergesetz - - (Bundesminister Brunner: Das ist gut!) – Ja, als Bürgermeister muss ich das schon sagen. (Bundesminister Brunner: Ja, und wer zahlt die Hilfsmaßnahmen?) – Wir haben ja auch erhöhte Kosten!

Ganz kurz zum Einkommensteuergesetz: Da ist es erfreulich, dass die pau­schalierten Reiseaufwendungen für Sportler, Schiedsrichter und Sportbetreuer bei gemeinnützigen Vereinen um ein Drittel erhöht werden. Das begrüßen wir. Beim Tagesordnungspunkt 19 erteilen wir ebenso unsere Zustimmung.

Weil heute hier von diesem Pult aus schon mehrfach Wünsche ans Christkind geäußert wurden, möchte ich auch einen Wunsch ans Christkind bezie­hungsweise an den Herrn Finanzminister richten, der den Pflegebonus betrifft. Wir würden uns freuen, wenn der Herr Finanzminister diesen Pflegebonus doch steuerfrei setzen könnte, da laut dem Bundesminister für Gesundheit dies am Veto des Herrn Finanzministers gescheitert ist.

Ich darf Ihnen allen frohe Weihnachten und als Gesundheitssprecher auch alles Gute wünschen, bleiben Sie gesund! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)


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16.42


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Auer. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.42.27

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Wir behandeln jetzt drei Punkte, mit denen zum einen der Stromverbrauch ein bissel geregelt, zum anderen der Strompreis ein bissel in den Griff bekommen werden soll und auch eine Reiseaufwandspauschale für viele Freiwillige ge­schaffen werden soll.

Zum ersten Punkt, zur Stromverbrauchsreduktion: Da ist eine Vorgabe der EU umzusetzen, mittels derer freiwillig bis zu 5 Prozent des Verbrauches einge­spart werden soll. Der Verbrauch wird über eine längere Zeit festgestellt und danach kann eben auf freiwilliger Basis eingemeldet werden, ob man bei dieser Aktion mitmachen möchte oder nicht. Die Verständigung dafür, ob man mitmachen darf, ob das Angebot angenommen wurde – da kann man praktisch bieten, was man dafür bekommen will, wenn man einspart –, be­kommt man zwei Tage vorher, und dann kann man diese 20 Prozent, die aufgrund des Verbrauches in einem gewissen Zeitraum festgestellt werden, einsparen. Wie gesagt, der Anbieter dieser Maßnahme entscheidet den Preis.

Der nächste Punkt, der Energiekrisenbeitrag für fossile Energieträger und Strom: Diesbezüglich denke ich, dass es gut und richtig ist, dass die Abschöpfung auf überdurchschnittliche Gewinne passiert, denn wenn wir zurückdenken: Die Entstehung der erneuerbaren Energie basiert zum Großteil auf fixen Tari­fen. Es wurden Einspeisetarife fix vorgegeben, damit zum Beispiel Windkraftan­lagen gebaut werden, und natürlich musste auch der Verbraucher mit der Ökostromabgabe seinen Beitrag leisten. Somit ist es gut und richtig, dass ein Ge­winn, der nicht marktkonform ist, der nicht durch marktrelevante Maßnah­men erzeugt wurde, zum Teil abgeschöpft wird. Mit dem Investitionsfreibetrag hat man natürlich auch die Möglichkeit, dass man, wenn man als Betreiber investiert, weniger Steuern bezahlt.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 247

Zum Gas: Unsere Gasspeicher sind – Gott sei Dank! – fast zu 100 Prozent ge­füllt. Mit dieser Annahme können wir auch bei der Stromversorgung die Stabilität im Netz herstellen und somit besteht keine Gefahr einer Unterver­sorgung.

Auch in Deutschland gibt es keinen Gaspreisdeckel, sondern nur Unterstüt­zungszahlungen. Die kommen aber erst im Frühjahr 2023. Bei uns in Österreich werden diese Unterstützungszahlungen bereits ausbezahlt.

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Energiekrisenbeitragspaket: Es sind au­ßergewöhnliche Umstände, die außergewöhnliche Maßnahmen verlangen. Nicht marktbedingte Einflüsse müssen durch die Politik ausgeglichen werden. Die teilweise Abschöpfung ist wie schon gesagt eine Möglichkeit, die gewählt wurde. Ich denke, dass das durchaus vertretbar ist, dass diese Summen, die schon von meinem Kollegen Appé genannt wurden, abgeschöpft werden. Die Beiträge werden natürlich zur Gegenfinanzierung und zur Unterstützung der Bür­gerinnen und Bürger verwendet. Auch das ist eine gute Maßnahme, damit ein Teil der zusätzlichen Kosten abgefedert werden kann.

Die bevorzugte europäische Lösung wäre natürlich jene hinsichtlich der Meritorder gewesen, doch leider ist eine Einigung noch nicht gelungen. Es wird daran gearbeitet. Ich denke, wenn eine Entkoppelung von Strom- und Gaspreis erfolgt, dann ist man dem einen wesentlichen Schritt nähergekommen.

Die Ursachen dieser Preissteigerungen sind künstlich geschaffen worden und müssen wie gesagt von der Politik gerichtet werden. Die Verbrauchsreduk­tion und die teilweise Abgabe von Übergewinnen können nur ein Lösungs­ansatz zur Sicherung der Versorgung und der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger sein.

Die Erhöhung der pauschalen Reiseaufwandsentschädigung rundet die Maß­nahmen gegen Energieverteuerung und Inflation ab, was auch vielen Ehrenamtlichen zum Beispiel im Sport zugutekommt.


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Alles in allem haben wir hier drei Maßnahmen, die einen notwendigen und fairen Beitrag für alle Österreicherinnen und Österreicher zum teilweisen Ausgleich der finanziellen Belastungen, die durch willkürliche Aggressoren und Ag­gressionen hervorgerufen wurden, sicherstellen.

Ich wünsche Ihnen allen schöne Feiertage und Glück im Jahr 2023! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.47


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ber­nard. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.47.24

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich möchte nur kurz darauf replizieren, Frau Bundesminister, was Sie gesagt haben: Biogas, wegen der drei Monate und dann einspeisen und so weiter. – Das ist ja alles recht schön und gut, aber wenn der Biogasanlagenbetreiber zwar einspeisen darf, dann aber zum Beispiel 800 000 Euro investieren muss, weil es circa 800 Meter bis zur Gaseinspeiseleitung sind, bräuchte er auch irgend­einen garantierten Preis, um den er sein Gas einspeisen kann, und davon sind wir leider noch entfernt. Wir würden also auch eine Möglichkeit brauchen, dass man das auch garantiert vorlegen kann.

Ich kenne keinen einzigen Biogasanlagenbetreiber, der irgendwo 800 000 Euro in der Lade hat. Das haben sie nur in der EU draußen – ein paar Damen, die es vielleicht im Schlafzimmer liegen haben. Die Biogasanlagenbetreiber bei uns haben es nicht. Deswegen müssen wir mit Banken arbeiten, dass wir es investieren, und wenn nicht, bräuchten wir ein vernünftiges Gesetz, das bewirkt, dass man einen garantierten Gaspreis bekommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Kollegen Novak: Ich habe mich beim vorigen Tagesordnungspunkt nicht noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich jetzt ja eh noch einmal drankomme. Ich


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weiß nicht, wo die Themenverfehlung liegt, wenn ich die Steherqualitäten der SPÖ beim Umfallen hinsichtlich der Zweidrittelmehrheitsbeschaffung der Bundesregierung bekrittelt habe, und zwar als es darum gegangen ist, dass ihr beim Tagesordnungspunkt 16 zugestimmt habt. Ihr habt zwar errun­gen, dass von den 100 Euro um 25 Euro weniger bezahlt werden müssen, aber im Endeffekt zahlt es wieder jeder Steuerzahler selber – also ihr habt gar nichts errungen, aber umgefallen seid ihr.

Gut, jetzt einmal zum Grundsätzlichen: Bei den zwei zur Abstimmung stehenden Bundesgesetzen lässt sich wie vorher schon erwähnt die Bundesregie­rungshandschrift – made by chaos, made by disaster – natürlich deutlich er­kennen.

Hinsichtlich dieser zwei vorliegenden Gesetze: Ich habe die Experten im Aus­schuss gefragt und aufgefordert, dass sie uns die Handhabung, den Funktionsablauf dieses Stromverbrauchsreduktionsgesetzes erklären sollen, auch dahin gehend, was passiert, wenn zum Beispiel der Bestbieter, der den Stromverbrauchsreduktionszuschlag bekommt, das Angebot nicht einhält. Niemand kennt sich mehr aus und auch sie selber hat sich nicht ausgekannt.

Unter der angestrebten Stromverbrauchsreduktion versteht man die tatsächliche Senkung des Bruttostromverbrauchs in der zu ermittelnden Spitzenzeit gegenüber einem prognostizierten oder erwarteten Bruttostromverbrauch oder die Verlagerung des Stromverbrauchs aus den ermittelten Spitzenzeiten in andere Tagesstunden. Dies ist natürlich verständlich, aber auch die Definition, was man unter Energie aus erneuerbaren Quellen nennt. Es ist klar, dass das Wind, Sonne, Solarthermie, Fotovoltaik, geothermische Energie, Umge­bungsenergie, Gezeiten-, Wellen- und sonstige Meeresenergie, Wasserkraft und Energie aus Biomasse, Deponiegas, Klärgas, Biogas sind. Ich bitte nur, Frau Minister, vielleicht können Sie uns nachher auch noch alle erneuerbaren Gase auflisten, die hier berücksichtigt sind, denn es gibt ja mehrere Definitionen, was erneuerbares Gas ist.


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Die Ermittlung der Spitzenzeiten wird schon ein wenig anspruchsvoller, sie werden ja nach mehreren Verfahren ermittelt. Jetzt kommt es darauf an, ob die Bundesräte daran interessiert sind. Wir wurden ja vorhin immer wieder von euch in dem Sinn dafür geschimpft, dass wir ein bisschen vom Thema abweichen oder Polemik betreiben. Wir können jetzt hergehen und das ganze Gesetz im Detail durchgehen oder wir machen ein Schnellverfahren. Ich glaube, weil Weihnachten ist, machen wir das Schnellverfahren.

Für den gesamten Zeitraum werden tageweise Zeitfenster ermittelt, in de­nen der Bruttostromverbrauch im Zeitraum vom 1. Dezember bis 31. März 2017 bis 2022, ausgenommen Dezember 2022, durchschnittlich am höchsten war. In dem ermittelten Zeitfenster werden Zeitscheiben zu je zwei aufeinan­derfolgenden Stunden ausgeschrieben. Nun kommt es zur Ausschreibung. Da wird es dann interessant, denn in der Ausschreibung werden alle Zeit­scheiben einer Woche zusammengefasst. Jedes Gebot hat eine Stromver­brauchsreduktion von mindestens 2 Megawattstunden je Zeitscheibe zu enthalten. So viel zu Kollegen Auer, der uns im Ausschuss erklären wollte, wenn er in 14 Tagen von 100 Lampen fünf abdreht, dass er das damit ein­gehalten hat: also 2 Megawattstunden je Zeitscheibe.

Ausschreibungen sind mindestens 14 Tage vor der Woche der Erbringung der Stromverbrauchsreduktion durch Veröffentlichung im Internet bekannt zu machen und so weiter. Die Zuschlagserteilung für die rechtzeitig eingelangten ausgeschriebenen Gebote sind aufsteigend nach dem Preis in Euro pro Me-gawattstunde zu reihen. Der Zuschlag kann aber nur für das komplette Gebot er­teilt werden.

Bei signifikanten Abweichungen zwischen der prognostizierten und der nachgewiesenen Stromverbrauchsreduktion kann in den Teilnahmeverträgen gemäß § 16 ein entsprechender Abschlag auf die Vergütung festgelegt werden. Wenn die Stromverbrauchsreduktion weniger als 50 Prozent der Ge­bote beträgt, entspricht dies einer Schlechterfüllung, und dann gibt es


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die Abschläge. Das ist, was die Expertin im Ausschuss vorerst nicht beantworten konnte, was wir dann aber herausgefunden haben.

Nun zum Bundesgesetz betreffend Energiekrisenbeitrag: Da gilt als Bemes­sungsgrundlage für den sogenannten Energiekrisenbeitrag die Summe der monatlichen Überschusserlöse aus Veräußerungen von Strom, die zwischen 1. Dezember 2022 und 31. Dezember 2023 erzielt wurden. Überschusser­löse sind eine positive Differenz zwischen den Markterlösen des Beitragsschuld­ners je Megawattstunde Strom und der Obergrenze für Markterlöse von 140 Euro je Megawattstunde Strom. Liegen die notwendigen direkten Investi­tions- und Betriebskosten der Energieerzeugung über der Obergrenze für Markterlöse, können diese Kosten zuzüglich eines Aufschlags von 20 Prozent der notwendigen direkten Investitions- und Betriebskosten als Obergren­ze für Markterlöse angesetzt werden, sofern der Beitragspflichtige die Voraus­setzungen nachweist. Der Energiekrisenbeitrag beträgt 90 Prozent der Überschusserlöse.

Da hätte ich noch eine kurze Frage dazu – oder könnten wir das vielleicht überdenken? Viele Anlagenbetreiber geben bei der Errichtung an und melden zum Beispiel, dass sie 1,5 oder 1,6 MW produzieren können oder Richtung Ausbau kommen. Jetzt werden sie aber dafür bestraft, wenn sie zum Beispiel nur 800 oder 900 Kilowatt einspeisen. Wie es in der jetzigen Regelung enthalten ist, haben sie trotzdem den Abschlag, weil darin die eingereichte Menge, also die genehmigte Menge steht. Vielleicht kann man das noch überarbeiten, sodass man wirklich danach geht, was die Anlagen selbst einspeisen.

Wir Freiheitliche sind aber gegen diese Gewinnabschöpfung, da wieder nur der eine Krisengewinner vom anderen profitiert. Diese Gewinnabschöpfung der Energiekonzerne hilft wieder nur dem Finanzminister – er sitzt neben uns. Mit einer Abschöpfung der Übergewinne will sich die Bundesregierung bis Ende 2023 je nach Berechnung zwischen circa 2 und 4 Milliarden Euro von den Energiekonzernen holen. Die Kunden haben diesen Konzernen aber diese


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Übergewinne ermöglicht, und jetzt kommt der Finanzminister und holt sich das Geld.

Die leidgeprüften Betroffenen, die Bevölkerung geht in diesem Spiel natürlich wieder einmal leer aus. Es ist auch davon auszugehen, dass das Management der Energiekonzerne schlauer als die österreichische Bundesregierung ist. Die würden wohl die entsprechenden Vorkehrungen in den Bilanzen treffen und nicht allzu viel an Übergewinnen ausweisen.

Der Entwurf der Regierung bietet den Konzernen die Gelegenheit, weniger Übergewinne abliefern zu müssen, wenn sie Investitionen in erneuer­bare Energien nachweisen können. Der einzige wirksame Weg, um den Men­schen in ihrem Überlebenskampf zu helfen, ist die Halbierung oder gänz­liche Streichung der Mehrwertsteuer. Dieser Schritt würde die Energiekunden sofort entlasten.

Die Österreicher warten seit dem Frühjahr auf Entlastungsschritte der Regierung. Die Strompreisbremse, die von der Regierung erst gänzlich abgelehnt, dann für den Herbst angekündigt wurde und nun erst im Dezember kommt, ist nur eine halbherzige Maßnahme, wie so vieles von dieser Bundesregierung, die überwiegend mit sich selbst beschäftigt ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Zusätzlich gibt es in beiden Gesetzen Ermächtigungen für das Bundesmi­nisterium für Finanzen und das Bundesministerium für Klimaschutz, noch weitere nicht in den Gesetzen genannte Investitionen als begünstigte anzuerkennen. Diese müssen aber im Interesse der Energiewende und der Transformation zur Klimaneutralität liegen – so sind sie definiert. Das heißt, welche Beträge dann letztlich als Bemessungsgrundlage für die Abgabe entstehen, ist noch völlig offen und von der Umsetzung dieser Ermächtigungen abhängig.

Dazu kommt, dass die Stromkonzerne nahezu den gesamten Übergewinn des Jahres 2022 behalten können, da die Überschusserlöse erst ab 1. Dezem­ber 2022 gezählt werden. Die Gas- und Ölunternehmen behalten


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auch den Übergewinn eines halben Jahres, da sich der Erhebungszeitraum für diese erst auf das zweite Halbjahr 2022 bezieht. Der OMV zum Beispiel bleiben von 6 Milliarden Euro Übergewinn 5 Milliarden übrig.

Wir Freiheitliche werden nicht müde werden, Seite an Seite mit der Bevölkerung für wieder leistbare Energiekosten zu kämpfen und diese Regierung dazu zu bringen, diese zu gewährleisten. Wenn sie das nicht tut, werden wir uns dafür einsetzen, dass diese Bundesregierung den Weg für Neuwahlen freimacht, damit wir Freiheitliche in Regierungsverantwortung dies auch umsetzen können. Dies gilt für Bund und Land. Am 29. Jänner 2023 haben ja viele Nieder­österreicher die Chance, diesen beschriebenen Weg einzuleiten. (Beifall bei der FPÖ.)

Mir verbleibt abschließend nur noch, jedem Bundesrat und jeder Bundesrätin frohe Weihnachten, einen guten Rutsch und viel Gesundheit zu wünschen und dass wir uns im neuen Jahr wieder im neuen Parlament sehen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.58


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.58.16

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Lieber Magnus, Herr Finanzmi­nister! Ganz ehrlich: Wer hätte sich vor einem Jahr träumen lassen, dass es so etwas geben wird? – Also ich nicht. Der Energiekrisenbeitrag ist tatsächlich ein massiver Eingriff in den Markt und in die Gewinngebarung von Unterneh­men. Ein eklatantes Versagen des Marktes wird offen eingestanden.

Das ist schon etwas Neues, dass solche Maßnahmen überhaupt möglich geworden sind. Tatsächlich ist ein Eingreifen notwendig geworden, wofür die EU mit der Verordnung über Notfallmaßnahmen den Rahmen vorgibt, und dies


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wird nun mit dem zweiteiligen Energiekrisenbeitragsgesetz umgesetzt, und zwar ambitioniert umgesetzt.

Tatsache ist, dass die Krisengewinne oder Zufallsgewinne vieler Energieun­ternehmen in den letzten Monaten fast ins Unermessliche gestiegen sind, während viele Menschen Probleme bekommen haben – das wissen wir alle –, die Energierechnungen zu bezahlen, und der Staat richtigerweise viele Milliarden in die Hand nimmt, um da zu helfen. Das ist eine sozial- und wirtschaftspolitisch unerträgliche Situation, die auch erkannt worden ist. Es wurden und werden Rekordgewinne gemacht, ohne dafür etwas Beson­deres geleistet zu haben. Diese Gewinne würden an Aktionäre ausge­schüttet, die ebenso nichts zu ihrem Zusatzgeld beigetragen haben. Es ist daher nur recht und billig, wenn jetzt die Profiteure der Krise einen Beitrag zur Finanzierung der Maßnahmen leisten, um die Auswirkungen der Krise abzufedern.

Ergänzend sei gesagt – so viel Fairness muss natürlich sein –, es ist in der Regel keine destruktive Absicht der Energieunternehmen, sondern es ist der Marktlogik geschuldet, dass jetzt solche Gewinne entstanden sind.

Es geht in diesem Gesetz definitiv um mehr als Symbolpolitik: Mit dem – das ist noch gar nicht so erzählt worden – Bundesgesetz über den Energie­krisenbeitrag-Strom werden bei den Energiepreisen für Strom von all dem, was über 14 Cent hinausgeht – denken Sie daran, wo die Energiepreise im Moment sind, die betragen das Mehrfache! –, sage und schreibe 90 Prozent abgeschöpft. Das ist schon etwas, und das ist gut so.

Es gibt Ausnahmen – die sind sehr wichtig – für Technologien, bei denen nachweislich die Gestehungskosten höher sind als diese 14 Cent. Das betrifft vor allem Biomasse, das betrifft Biogas, und dass man das macht, ist natürlich auch richtig.


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Die Regelung ist von ihrer Wirkung her mehr als ein Finanzierungsbeitrag für sozialpolitische Maßnahmen, sie bremst – und das ist ja schon viel und das ist wichtig – auch den Drang, Strompreise quasi künstlich möglichst weit nach oben zu schrauben, denn es bleibt davon nichts übrig, weil 90 Pro­zent abgeschöpft werden.

Der zweite Teil ist die Regelung des Energiekrisenbeitrags für quasi fossile Unternehmen – sehr verkürzt dargestellt –, Produzenten und Händler. Da steht – no na, das kann man ja auch aussprechen – die OMV als größtes Unternehmen sehr stark im Fokus. Bei diesen Unternehmen werden 40 Prozent der durch die Krise entstandenen Mehrgewinne abgeschöpft.

Das mag jetzt auf die Schnelle – es ist im Vorfeld auch von der SPÖ kritisiert worden – in mancher Ohren zu wenig sein. Es ging mir auch so, ich sage es ganz offen, aber ich habe dann auch gelernt, man muss genauer hinschauen, denn die nach diesem Gesetz abzuführenden Gewinne sind in der KÖSt nicht abzugsfähig, also 25 Prozent sind vollumfänglich zu bezahlen. Das heißt, dass diese Gewinne in Summe mit 65 Prozent besteuert werden – das ist schon einmal etwas –, und zwar rückwirkend ab Juli dieses Jahres. Das schöpft übrigens auch den EU-Rahmen aus, und wir sind damit deutlich über den Min­destvorgaben.

Es ist aber auch ein ganz wichtiger Mechanismus eingebaut worden – es wurde schon erwähnt –: Unternehmen, die in dem Zeitraum entsprechend in erneuerbare Energieträger investieren, werden belohnt. Das ist wichtig, denn genau das wollen wir ja, nämlich die Botschaft: He, Leute, steigt aus aus den fossilen Technologien, investiert in Erneuerbare, das lohnt sich und spart Steuern!

Es ist, wie ich meine, sogar damit zu rechnen, dass genau diese Regelung einen weiteren Schub im Ausbau nachhaltiger Technologien bringen wird. Die Befürchtungen, dass die Investitionen in Erneuerbare gebremst werden könn­ten – diese Kritik kam ja von einer Reihe von Unternehmen –, halte ich jedenfalls für zerstreut.


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Die Einnahmen aus diesem Gesetz werden – je nach Preisentwicklung, wir wissen das ja nicht – eine Dimension von 4 Milliarden Euro erreichen, und das ist schon ein Brocken. Das ist etwa die Summe, die vom Staat für die Strompreisbremse, die wirklich sehr, sehr wichtig ist, aufgewendet wird.

Österreich geht da jedenfalls deutlich über die EU-Schwelle hinaus, und ich sage das deswegen so bewusst, weil zu diesem Gesetzentwurf viel Kritik ge­kommen ist. Ich verstehe da jetzt auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ ehrlich gesagt nicht, dass sie da nicht mitgehen. Genau so ein Zu­gang müsste doch eigentlich euch gefallen! Bis vor Kurzem hätten wir alle uns ja nicht einmal im Traum vorstellen können, dass so ein Eingriff in den Markt möglich wird und die Unternehmen so einen Beitrag für den Ausbau Erneuerbarer und für sozialpolitische Aspekte leisten müssen.

Das zweite Gesetz ist das Stromverbrauchsreduktionsgesetz mit dem Ziel, den Stromverbrauch in Spitzenzeiten um 5 Prozent zu senken. Die Details ha­ben wir gehört, die lasse ich jetzt weg. Nur noch: Warum ist das sinnvoll? Wa­rum kann das Strompreise reduzieren? – Das hat unmittelbar mit der in­zwischen in aller Munde befindlichen Meritorderlist zu tun, in der eben die letzte benötigte und somit teuerste Kapazität – weil die Kapazitäten gereiht wer­den – den Preis definiert. Die Preise rauschen gerade in Spitzenzeiten in absurde Höhen, und das Teuerste sind, wir wissen es, die Gaskraftwerke. Wenn jetzt in Spitzenzeiten weniger Energie abgerufen wird, kann das eben die Preise spürbar drücken, indem es quasi runterkippen kann.

Gleichzeitig kann diese Maßnahme die Versorgungssicherheit erhöhen – auch das ist wichtig –, weil Leistungsreserven entstehen, weil Betriebe Leistung reduzieren, die dann woanders zur Verfügung steht, wo es vielleicht Engpässe gibt.

Leicht einsehen kann man hoffentlich, dass das nur auf europäischer Ebene sinnvoll ist, denn diese Ebene definiert eben genau die Preise, und ich bin schon wirklich sehr gespannt, wie das funktionieren wird.


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Auch da, in Analogie zu vorhin: Schade, dass ihr da nicht mitgeht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, weil das wirklich ein spannendes Ins­trument ist, das man einmal ausprobieren muss. Das ist halt noch nicht alles im Detail perfekt, aber die Grundsätze sind ja doch sehr klar, weil das im Grunde ein simples Marktprinzip ist.

Ich ersuche jedenfalls um breite Zustimmung für geschichtsträchtige Maß-nahmen – da bin ich mir sicher, so etwas hatten wir noch nie – und wünsche frohe Weihnachten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rät:innen der ÖVP.)

17.06


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stein­maurer. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.06.13

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseher und Zuseherinnen vor den Bildschirmen, via Internet und auf der Galerie! Es freut mich, dass es eine Erhöhung der pauschalen Reiseauf­wandsentschädigung von derzeit 60 auf 120 Euro beziehungsweise monatlich von maximal 540 auf maximal 720 Euro geben wird. Damit gelingt eine wichtige steuerliche Anpassung, zum Beispiel für Sportler, Trainer, Betreuer und Schiedsrichter im Amateur- und Breitensport.

In Österreich sind 2,1 Millionen Menschen Mitglieder in einem Sportverein. Viele beziehungsweise der Großteil davon arbeitet ehrenamtlich. Laut den Zahlen aus dem Ministerium engagieren sich mehr als 500 000 Menschen ehrenamtlich im Dienste des Breitensports. Es freut mich daher, dass die Diäten erhöht werden. Es ist ein wichtiges Signal an alle ehrenamtlich Tätigen, dass die von ih­nen geleistete Arbeit und ihr Engagement auch finanziell gewürdigt werden.

Wir, die FPÖ-Bundesratsfraktion, begrüßen die Aktualisierung und stimmen der Gesetzesänderung zu.


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Abschließend darf ich euch allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Jahr 2023 wünschen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.07


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Arla­movsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.07.52

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es geht bei diesen Tagesordnungspunkten um drei Gesetzesbeschlüsse, von denen der dritte, TOP 19, ein bisschen ein Fremdkörper ist, nämlich insofern, als dieser in derselben Debatte behandelt wird.

Es handelt sich dabei um die pauschalen Reiseaufwandsentschädigungen, genannt PRAE, im Breitensport. Da geht es darum, dass ehrenamtlich Tätige, vor allem Betreuerinnen und Betreuer im Amateursport, doch eine gewisse Bezahlung bekommen, die steuerfrei ausbezahlt werden kann und die auch keine Sozialversicherungsbeiträge auslöst. Dieser Betrag wird erhöht, das ist gut, und ich glaube, das wird hier einstimmig beschlossen. Ich frage mich nur, warum das in derselben Debatte ist. – (In Richtung Bundesminister Brunner:) Deswe­gen müssen Sie jetzt auch bei dieser Debatte anwesend sein.

Die zwei wesentlichen Punkte in dieser Debatte sind jene zum Thema Energie. Bei diesen stimmen wir auch zu – so wie bereits im Nationalrat auch hier.

Der erste Punkt, Stromverbrauchsreduktionsgesetz, TOP 17, basiert wie TOP 18 auf einer EU-Vorgabe mit einem sehr engen Rahmen, wo wir innerstaatlich eher wenig Gestaltungsspielraum haben. Die Bezeichnung Stromverbrauchsre­duktionsgesetz ist ein bissel irreführend, denn eigentlich geht es im We­sentlichen um eine zeitliche Verlagerung des Stromverbrauchs in die Zeiträume, in denen das Verhältnis von Angebot und Nachfrage von Strom ein besseres ist als zu den Spitzenverbrauchszeiten.


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Die Methode, die gewählt wurde, um den Stromverbrauch in der Spitzenbe­darfszeit zu reduzieren, ist eine gute. Es ist eine marktwirtschaftliche Methode – um das denjenigen entgegenzuhalten, die frohlocken, dass das Mittel gegen Marktversagen mehr staatliche Eingriffe wären. Eine Ausschreibung oder so eine Art Auktionssystem ist eine gute Maßnahme, um das so durchzusetzen.

Das ist halt allerdings eine eher kurz- und mittelfristige Maßnahme. Besser wäre es natürlich, den Stromverbrauch nicht nur zeitlich zu verlagern, sondern insgesamt zu senken, und da wäre vor allem – innerstaatlich noch immer feh­lend – das Energieeffizienzgesetz, auf das wir schon zwei Jahre warten, zu nennen, das das bewirken könnte.

Jetzt noch zu TOP 18, dem sogenannten Energiekrisenbeitrag: Das entspricht im Wesentlichen auch einer EU-Verordnung, die allerdings ein bisschen mehr innerstaatliche Variation oder die Ausschöpfung eines Rahmens ermöglicht. Da sehen wir sehr positiv, dass Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, wie zum Beispiel die Beschränkung auf 90 Prozent der Bemessungsgrundlage und nicht 100. Damit bleibt für die Produzenten ein Anreiz bestehen, bei Stromknapp­heit trotzdem zu verkaufen, bei 100 Prozent gäbe es den nicht. Positiv ist auch der Anreiz, dass in Erneuerbare investiert werden kann beziehungsweise dass da ein unterschiedlicher Tarif anwendbar ist.

Diese europaweit geltende Regelung ist auf jeden Fall besser als ein kontra­produktiver Preisdeckel.

Wir stimmen dem Antrag wie gesagt zu, auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind. Verbesserungsmöglichkeiten hätten wir dahin gehend gesehen, dass die wichtigen Details zu den begünstigten Investitionen schon früher hätten geklärt werden können, da fehlt also noch die Rechts­sicherheit. Unklar ist, warum der Geltungszeitraum über den in der
EU-Verordnung vorgesehenen hinausgeht. Darüber hinaus hat auch zeitlich eine Begutachtung gefehlt, eine Wirkungsfolgenabschätzung gefehlt, weil erst


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eineinhalb Monate nach dem Beschluss auf europäischer Ebene der Gesetzesantrag zu uns gekommen ist.

Zuletzt – und das spricht jetzt nicht gegen unsere Zustimmung zu dem Gesetz –: Da geht es um Krisengewinner, um Zufallsgewinner in der Krise. Da wer­den Krisengewinne staatlich zu einem gewissen Teil abgeschöpft, und die Frage ist, warum das bei der Covid-Pandemie, wo es genauso Krisengewinnerinnen und -gewinner gegeben hat, nicht passiert ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

17.12


Präsidentin Korinna Schumann: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bun­desminister Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


17.12.27

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Ja, es sind außergewöhnliche Zeiten, außer­gewöhnliche Herausforderungen, die wir erleben, und diese verlangen na­türlich auch außergewöhnliche Maßnahmen, und ich darf mich deswegen auf das Energiekrisenbeitragspaket konzentrieren. Auf den anderen Teil wird die Frau Bundesministerin sicher noch eingehen.

Dieses Energiekrisenbeitragspaket ist so eine außergewöhnliche Maßnahme – das wurde in den vorangegangenen Reden auch schon betont –, weil es ein Beitrag ist. Natürlich ist es ein Markteingriff, aber es ist ein Beitrag zur Gegenfinanzierung der Entlastungsmaßnahmen, die wir für die Haus­halte, für die Unternehmen auf den Boden gebracht haben.

Vorhin wurde kritisiert, es sei zu wenig. Wir werden international eher kritisiert, dass das, was wir machen, zu viel ist. Wir sind im europäischen Schnitt weit oben, wir sind pro Kopf gerechnet nach Luxemburg das Mitgliedsland der Europäischen Union, das mit Abstand am meisten gegen die Teuerung macht, sowohl auf Haushaltsebene als auch auf Unternehmensebene. Dazu


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brauche ich beispielsweise nur an den Heizkostenzuschuss in Höhe von 450 Millionen Euro zu denken, den wir letzte Woche präsentiert haben, aber auch andere Dinge, wie beispielsweise die Stromkostenbremse, wurden be­reits erwähnt.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Appé, ja, selbstverständlich ist es eine Bun­desabgabe, weil eben der Bund diese Unterstützungsmaßnahmen macht. Du hast aber vollkommen recht, die Gemeinden darf man nicht im Stich lassen, und deswegen haben wir ja auch in Absprache mit dem Gemeindebund, mit dem Städtebund die Gemeindemilliarde beschlossen, weil wir wissen, dass es in die­sen schwierigen Zeiten selbstverständlich notwendig ist, die Gemeinden auch entsprechend zu unterstützen. Das machen wir sehr gerne mit dieser Ge­meindemilliarde, und das ist auch notwendig.

Jetzt haben wir die Situation, dass viele Firmen im Energiebereich eben durch Zufall aufgrund der steigenden Energiepreise auch gute Geschäfte machen. Auf der anderen Seite haben wir die Situation, dass die Energiepreise für Haus­halte, für Unternehmen, für Betriebe, für die Menschen insgesamt zu einer Belastung geworden sind, und da ist es eben in diesem Zusammenhang auch ei­ne Frage der Fairness, dass der Staat da eingreift – und das sage ich, ob­wohl ich prinzipiell kein Freund von Markteingriffen bin. Es sind aber nun einmal keine normalen Zeiten, in denen wir uns befinden, und daher halte ich so eine Teilabschöpfung dieser Zufallsgewinne für gerechtfertigt. Es wird oft von Übergewinnen gesprochen, und da frage ich mich immer, was Übergewin­ne sind, denn ein Gewinn ist ja nichts Böses; aber es sind halt in die­sem Zusammenhang zufällige Gewinne oder Krisengewinne, wie auch immer man das nennt. Der Hintergrund dafür, das wurde auch schon erwähnt, ist eben eine Verordnung der Europäischen Union, die wir umzusetzen haben.

Wichtig ist, dass man das intelligent umsetzt, deswegen möchte ich schon eines betonen, weil es oft angesprochen wird – auch da sagen die einen, zu viel, und die anderen, zu wenig –: Zentral bei der Umsetzung ist, denke ich schon, dass wir die Investitionsfähigkeit dieser betroffenen Unternehmen weiter


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beibehalten können. Die müssen in die Energiewende, in den Ausbau der Netze, in die Infrastruktur insgesamt, in Speicherkapazitäten und anderes investieren, und das muss diesen Unternehmen natürlich auch weiterhin möglich sein.

Die europäische Ebene wurde angesprochen: Ja, da kann ich Ihnen nur recht geben, das wäre natürlich der Hebel, in die Preisgestaltung auch entsprechend einzugreifen, denn auf nationaler Ebene, lieber Kollege Bernard, macht das natürlich keinen Sinn; also nationale Deckel oder auch Mehrwertsteuer­senkungen werden von allen Expertinnen und Experten ja auch abgelehnt. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Nicht alles, was auf den ersten Blick populär klingt, ist auf den zweiten Blick auch sinnvoll, und ich glaube, das muss man bei diesen Überlegungen auch berücksichtigen.

Ein paar Sätze noch – weil es mir persönlich ein Anliegen ist und es hier auch mitbehandelt wird – zum vorliegenden Gesetzespaket zur Verbesserung für die Sportvereine hinsichtlich der pauschalen Reiseaufwandsentschädigung, die erhöht wird: Ich war viele Jahre im Vorstand eines Sportvereins, eines Tennisklubs, und habe gesehen, wie wichtig es ist, dass die ehrenamtlichen Menschen, die unterstützen, die helfen, die für die Kinder zuständig sind – Schiedsrichter wurden erwähnt und andere –, auch entsprechend abgegolten werden. Ich denke, das ist mit dieser substanziellen Erhöhung der Aufwandsentschädigungen neben vielen anderen Maßnahmen wie Budget­erhöhungen ein wirklicher Meilenstein, die wir hier auf den Weg ge­bracht haben. Das ist, glaube ich, auch ein guter Tag für den Sport und für die dort tätigen Ehrenamtlichen.

Auch ich darf Ihnen und euch allen frohe Weihnachten wünschen, schöne, geruhsame Feiertage und dann natürlich auch einen guten Rutsch und ein erfolgreiches, vor allem aber gesundes neues Jahr 2023. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

17.17


Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.


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Die Frau Bundesministerin hat sich auch noch zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.17.36

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Herr Minister, lieber Magnus! Werte Mitglieder des Bundesrates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf noch zum zweiten Teil, nämlich zum Stromverbrauchsreduktionsge­setz, sprechen. Ich habe jetzt kurz überlegt, ob ich auf die Namensdiskussion ein­steigen soll, aber, ich glaube, die machen wir dann bilateral (in Richtung Bun­desrat Arlamovsky), denn ich glaube, dem Sinne nach sind wir uns einig, dass das, was wir hier beschließen, eine sinnvolle Maßnahme ist.

Worum geht es? – Um eine gezielte Verbrauchsreduktion in den sogenannten Spitzenzeiten, das sind also Stunden, in denen der Stromverbrauch – also wir reden hier exklusiv über Strom, nicht über Grüngas – am höchsten ist, daher sicher – momentan, leider noch – nicht mit Erneuerbaren gedeckt werden kann, weswegen der Strompreis auch sehr hoch ist, da wir zur Bedarfsdeckung Gaskraftwerke brauchen. Deswegen ist dieses Stromverbrauchsreduk­tionsgesetz auch eine Maßnahme, um den Strompreis, der herauskommt, vom Gaspreis zu entkoppeln, denn weniger Gas in der Verstromung bedeutet niedrigere Kosten.

Wie gesagt – ich sage noch einmal, was ich vorhin schon gesagt habe, und das hat auch der Herr Finanzminister gerade gesagt –, der sinnvollste Ort, substanziell ins Preisgefüge am Strommarkt einzugreifen, ist die europäische Ebene. Wir haben vorgestern im Rat der Energieminister und -ministerinnen den Eingriff in den Gasmarkt beschlossen. Der nächste Schritt ist der Strom­markt. Wie gesagt, die Reform des Strommarktdesigns ist für Beginn des nächs­ten Jahres angekündigt.

Wir setzen mit diesem Gesetz, das wir jetzt am Tisch liegen haben – Herr Bundesrat Arlamovsky hat es vorhin auch gesagt, aber ich glaube, auch andere


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Kolleginnen und Kollegen –, dem Stromverbrauchsreduktionsgesetz, einen Teil der vielen EU-Notfallverordnungen in der Energiekrise um, die wir in den letzten Monaten auf den Weg gebracht haben.

Es geht um den Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. März 2023, also um vier Monate, für die wir uns auf EU-Ebene verbindlich verpflichtet haben, 5 Prozent des Stromverbrauchs in diesen Spitzenzeiten zu reduzieren. Die Spitzenzeiten, das sind normalerweise die Zeitfenster werktags von 8 bis 12 Uhr am Vormittag sowie werktags von 17 bis 19 Uhr am frühen Abend. Das sind eben die Stunden, in denen historisch gesehen in Österreich der höchste Stromverbrauch vorherrscht. Anhand von zwei Parametern, nämlich der voraussichtlichen Erzeugung aus erneuerbaren Energien und dem voraussichtlichen Verbrauch, werden dann die genauen Spitzenzeiten in diesen Zeitfenstern dynamisch bestimmt.

Allein aus dieser Erklärung ergibt sich, warum das die APG und nicht die
E-Control macht. Die APG ist der Akteur, dem die Daten zu Erzeugung und Verbrauch vorliegen, der also in der Abwicklung dieser Maßnahme einfach der geeignetste Akteur ist. Deswegen machen wir das über dieses Gesetz, aus keinem anderen Grund, nämlich weil wir einfach jemanden brauchen, der substanziell ein völlig neues Instrument – Bundesrat Gross hat darauf hingewiesen – abwickeln kann.

Bei diesem Instrument geht es jetzt natürlich darum, dass wir da eine Leistung ausschreiben, die monetär abgegolten wird; und das ist natürlich auch in unserem Zugang die zweite Stufe. Die erste Stufe ist, dass wir dieses
auf EU-Ebene verpflichtende Ziel gerne – und wenn es uns möglich ist, unbe­dingt – genau so mit Ihrem, unserem, dem Beitrag der Unternehmer, die freiwillig Strom sparen und das gerade zu den Spitzenzeiten machen, erreichen wollen. Deswegen gibt es auf energie.gv.at auch jeden Tag die Info darü­ber, wann denn die Spitzenzeiten sind, um eben da gezielt einen Beitrag leisten


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zu können. Wenn es uns aber eben mit freiwilligen Maßnahmen nicht ge­lingt, dann schaffen wir mit diesem Gesetz das Instrument, um da mittels einer marktbasierten Maßnahme einen Beitrag leisten zu können.

Wir schreiben also die Leistung Stromverbrauchsreduktion zu Spitzenzeiten aus. Unternehmen können ein Angebot über eine gewisse Menge an Strom le­gen, die sie in dem Zeitfenster dementsprechend weniger verbrauchen können, und in einem wettbewerblichen Verfahren –das ist also eine ganz normale Ausschreibung – wird dann ermittelt, wer diese Leistung zum günstigsten Preis erbringen kann – so einfach, so wirkungsvoll. Da es sich aber um eine Bei­hilfe handelt, muss es beihilfenrechtlich auf EU-Ebene notifiziert werden. Das heißt, wir rechnen im Jänner mit den ersten Ausschreibungen. Im Dezember liegt daher dementsprechend das Hauptaugenmerk auf freiwilligen Einsparungen.

Wir haben mit diesem Gesetz – deshalb sage ich: so sinnvoll – als Zweites ein völlig neues Instrument. Das ist das erste Mal, dass wir in Österreich ein Demand-Response-Instrument, also ein Verbrauchs-Response-Instrument im Strombereich umsetzen. Das ist für uns auch wichtig, denn Sie wissen, wir arbeiten an einer Reform des Strommarktdesigns in Österreich insgesamt, also an einer Neufassung des ElWOG. Aus den Erfahrungen dieses Instru­ments wird sich auch einiges ableiten lassen, denn eines ist sicher: Das Stromsystem der Zukunft ist auf jeden Fall flexibler, und deswegen macht es auch in dieser Hinsicht Sinn, solche Flexibilitätsinstrumente in diesem Zusam­menhang zu testen.

Der budgetäre Rahmen für diese Ausschreibungen beträgt 100 Millionen Euro; das basiert auf einer Abschätzung der AEA, die das Budgetvolumen dazu auch errechnet hat.

Ein Wort noch zum Thema Grüngas, weil es vorhin aufgekommen ist: Sie haben recht, historisch war das Thema Grüngas kein einfaches. Es gab im Vergleich zu anderen Bereichen nie die Investitionssicherheit, die langfristige Sicherheit. Es gab einmal eine Förderung, dann wieder keine, es gab eine Unterstützung und


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dann wieder keine. Das wollen wir mit einem Grüngasgesetz mit Quoten, die auch diese Investitionssicherheit zu einem Teil sicherstellen können, ändern, damit man eben auf etwas bauen kann, wenn man investieren soll. Auf der einen Seite ist also das Grüngasgesetz, und auf der anderen Seite ist die Umrüs­tung für die Einspeisung ins Gasnetz schon im Erneuerbaren-Ausbau-Ge­setz angelegt. Da ist die Verordnung bereits in der koalitionären Abstimmung, also auch da gibt es dann den nächsten Schritt.

Sie sehen, die Energiewende geht Schritt für Schritt voran. Flexibilität und Sparen sind nicht nur ein Krisenbeitrag, sondern auch ein Energiewendebeitrag.

Nach einem sehr, sehr guten Energiewendejahr in einem sehr, sehr schwierigen Energiejahr darf aber auch ich Ihnen zum Schluss meines Redebeitrags hier ein paar erholsame Feiertage wünschen und Sie bitten, viel Energie für das neue Jahr aufzutanken. Ich fürchte, es wird im Energiebereich weiterhin anstren­gend bleiben. Ich glaube, darauf müssen wir uns alle miteinander einstellen, um­so wichtiger sind ein paar Tage zum Auftanken. Deswegen auch von mir: frohe Weihnachten und einen guten Start ins Jahr 2023! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

17.25


17.25.20

Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Stromverbrauchsreduktionsgesetz.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der An­trag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom und ein Bundesgesetz über den Ener­giekrisenbeitrag-fossile Energieträger erlassen werden und das Ein­kommensteuergesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

17.27.0020. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen (Wertpapierfirmengesetz – WPFG) erlassen wird und das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzkonglo­merategesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Invest­mentfondsgesetz 2011, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz und das


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Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 geändert werden (1757 d.B. und 1815 d.B. sowie 11125/BR d.B. und 11133/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Eduard Köck. – Ich bitte um den Bericht.


17.27.25

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen erlassen wird und das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Einlagensiche­rungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhebe


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n.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.28.28

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu Beginn meiner Rede zu­nächst einmal bei dir, Frau Präsidentin, Korinna, bei Günther Novak und natür­lich auch bei Bernhard Hirczy für die umsichtige Durchführung der Präsi­dentschaft bedanken. Das war während der letzten sechs Monate wirklich her­vorragend gemacht. Herzlichen Dank dafür und einen großen Applaus für euch! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Herr Minister, ich möchte nur ganz kurz noch etwas zum letzten Tagesordnungs­punkt erwähnen. Du hast vorhin gesagt, dass man bei den Übergewinnen – und das ist dir sehr schwer über die Lippen gekommen – eventuell eingreifen oder etwas abschöpfen kann. Ich kann mich gut erinnern, vor zwei Monaten ist das relativ zügig gegangen, die CO2-Steuer wurde ab 1. Oktober einge­führt, und heute wird nichts mehr darüber gesagt. Das ist eine massive Belastung für die Bevölkerung gewesen, das darf man nicht unterschätzen, vor allem für jene Menschen, die aus dem ländlichen Raum kommen, jene Men­schen, die wir hier in der Länderkammer eigentlich besonders vertreten – Tiroler, Kärntner, Steirer –, die tagtäglich das Fahrzeug brauchen und dadurch noch viel mehr belastet werden.

Der Sprit kostete damals schon 2 Euro. (Ruf bei der FPÖ: 2,40 Euro! Wo tankst denn du?) Auch für dich, Marco Schreuder, als Wiener wirst du es vielleicht nicht wissen: 2 Euro kostete der Liter Sprit damals schon – momentan 1,80 Euro –, und da hat man noch eines draufgesetzt. Es ist eigentlich für mich unfassbar, dass man in einer Situation, in der es eh schon nicht mehr geht, nochmals eines draufsetzt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt zum Gesetz kommen, das wir besprechen, dem Wertpapierfirmengesetz. Herr Bun­desminister, Ziel dieser Vorlage war es ja, dass man, nachdem man für Finanz­institute und Versicherungen Regulierungsmaßnahmen gesetzt hat, solche auch für Wertpapierfirmen setzt. Das macht durchaus Sinn, das haben wir auch im Nationalrat gesagt, vor allem, wenn man hohe Summen von Kundengel­dern verwaltet oder diese veranlagt werden.


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Es ist zwar jetzt ein national einheitlicher Aufsichtsrahmen geschaffen worden, das ist zu begrüßen, das sagen wir auch ganz klar, allerdings wurde in Wahr­heit ein Minimum einer EU-Richtlinie umgesetzt und man hat die Gele­genheit, unserer Sichtweise nach, leider nicht ganz genutzt, gleich in größerem Rahmen darüber nachzudenken, wo es noch Verbesserungsbedarf gäbe, gerade bezüglich eines weitreichenden Konsumentenschutzes, sodass Anle­gerinnen und Anleger noch besser geschützt wären. Da gibt es einige Vorschläge, die es im Gesamtpaket gegeben hätte, die hat man aber nicht angenommen und in die Richtlinie auch nicht aufgenommen.

Ich nutze die Gelegenheit aber auch, um zu sagen, warum wir heute nicht mitstimmen werden: weil Sie einen Plan hegen und vorantreiben, dass bei Wertpapierspekulationen die KESt abgeschafft werden soll. Dazu gibt es ein klares Nein von unserer Seite als Sozialdemokraten, denn es kann natürlich nicht sein, dass jemand, der mit Aktien spekuliert, viel, viel weniger Steuern zahlt als jemand, der arbeitet. Solange das so ist, wird die Sozialdemokratie bei so etwas nie dabei sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Spekulationen noch zusätzlich zu fördern ist aus unserer Sicht der vollkommen falsche Weg, vor allem in der jetzigen Situation– das muss man sich einmal vergegenwärtigen! Falsch ist es auch, in Zeiten wie diesen zu sagen, na ja, das ist ein Vorsorgemodell – wie Sie es gerne sagen –, die Illusion zu verbreiten, dass die Menschen Geld hätten, um private Vorsorge zu finanzieren, wenn uns klar ist, dass die Menschen teilweise nicht wissen, wie sie jeden Monat mit ihrem Gehalt über die Runden kommen sollen. Oder geht es dabei nur um einen kleinen Personenkreis, dem Sie wieder den Rücken stärken wollen?

Herr Finanzminister, das ist ganz eindeutig unserer Meinung nach eine Klien­telpolitik, die Sie da vorhaben. Das ist nur das Vorschieben eines Deckman­tels, dass Sie sagen, ja, es geht um die Veranlagung, um private Vorsorge­projekte. Diese Illusion, glaube ich, sollten Sie nicht weiter verfolgen. Wir sind klar dagegen. Ich bin auch nicht dafür, dass man immer so tut, als ob die privaten Veranlagungssysteme viel, viel sicherer wären als das staatliche System.


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Wir haben gerade in der Pandemie gesehen, was sicher ist: Das staatli­che System ist sicher, das andere eher nicht. Wir haben ein gutes, ein sehr gutes Vorsorgesystem, unser Pensionssystem ist sehr, sehr gut. (Beifall bei Bun­desrät:innen der SPÖ.) Man sollte sich nicht auf den Markt verlassen, der Markt funktioniert in vielen Dingen nicht und vor allem regelt der Markt verschie­dene Dinge auch nicht. (Bundesrat Preineder: Werden wir staatliche Lebensmittel­preise machen, damit die Bauern gut leben können!) Deshalb werden wir auch nicht zustimmen. Wir werden auch nicht bei so einer Pensionsvorsorge zustimmen, weil sie zu 100 Prozent falsch ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.33


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stille­bacher. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.33.29

Bundesrat Christoph Stillebacher (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bisher sind Wertpapierfirmen vom Gesetzgeber in ihren Aktivitäten relativ eingeschränkt worden. Sie mussten sich im Wesentlichen auf Portfolioverwaltung, Beratung und die Ver­mietung von Kundenaufträgen konzentrieren.

Verboten war, fremde Gelder anzunehmen oder Wertpapiere für andere zu hal­ten. Dafür ist in Österreich eine Bankenkonzession notwendig. In vielen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes haben die Wertpapierdienstleister mehr Handlungsspielraum, weshalb die heimische Branche schon lange eine Nachbesserung forderte.

Auf EU-Ebene wurde bereits im Dezember 2019 ein einheitlicher Aufsichtsrah­men für Wertpapierfirmen beschlossen. Die EU-Richtlinie, die da umge­setzt wird, sorgt dafür, dass Wertpapierfirmen auch selbst Depotgeschäfte betreiben können und selbst Kundengelder entgegennehmen können. Dieses


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Gesetz beendet den Wettbewerbsnachteil heimischer Wertpapier­firmen gegenüber ihrer Konkurrenz aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Heimische Wertpapierfirmen könnten dann mit der entsprechenden Konzession in allen europäischen Mitgliedstaaten sämtliche Dienstleistungen anbieten. Die neuen Rahmenbedingungen würden die Attraktivität des Standortes Österreich deutlich steigern: gleiche Rechte, gleiche Möglichkeit für alle.

Mit dem Wertpapierfirmengesetz, das auf alle konzessionierten Wertpapierfir­men anzuwenden sein wird, soll eine einfache Kategorisierung von Wert­papierfirmen ermöglicht werden, anhand derer unterschiedliche Aufsichtsvor­schriften festgelegt werden, die wiederum auf die spezifischen Risiken der Wertpapierfirmen zugeschnitten sind, wobei in der IFR drei verschiedene Klassen von Wertpapierfirmen definiert werden.

Die notwendige Legitimation wird nicht mir nichts, dir nichts von der FMA ver­geben werden. Diese hat bereits klargestellt, die Konzessions- beziehungs­weise Konzessionserweiterungsanträge in Bezug auf diese möglichen Dienstleis­tungen nach denselben strengen Maßnahmen zu beurteilen, wie sie bereits jetzt für die Banken gelten. Das umfasst die organisatorische und perso­nelle Aufstellung der Wertpapierfirmen ebenso wie die Liquiditäts- und Kapital­anforderungen.

Die Kompetenzausweitung der FMA als zuständige Aufsichtsbehörde nimmt eine zentrale Rolle im Wertpapierfirmengesetz ein. Die FMA soll dazu be­fugt werden, den aufsichtsrechtlichen Status von Wertpapierfirmen sowie deren eingeführte Regeln, Strategien, Verfahren und Mechanismen zu überprüfen und zu bewerten und, falls notwendig, Änderungen im Bereich der internen Un­ternehmensführung und Kontrolle sowie Risikomanagementverfahren zu verlangen.

Weiters soll die FMA gegebenenfalls zusätzlich Eigenmittel- und Liquiditätsan­forderungen vorschreiben können. So soll es Möglichkeiten geben, Koope­rationsvereinbarungen mit anderen EU-Mitgliedern abzuschließen so-


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wie Bestimmungen zum Austausch von Informationen mit anderen EU-Mitglied­staaten oder Drittländern unter Berücksichtigung von Geheimhaltungs­pflichten einzuführen.

Meine Damen und Herren, wir können also zusammenfassen: Mit diesem Gesetz unterstützen wir die kleinen Wertpapierfirmen, machen sie wettbewerbs­fähiger, erhöhen somit die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes, stärken den heimischen Kapitalmarkt und verbessern treffsicher die Aufsichtsan­forderungen und den Anlegerschutz. Ich darf Sie daher um Ihre Zustimmung ersuchen.

Weiters darf ich mich auch in diesem Rahmen für die Aufmerksamkeit bei meiner ersten Rede bedanken und darf Ihnen allen von dieser Stelle aus frohe Weihnachten und einen guten Rutsch wünschen. – Vielen, vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

17.37


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hübner. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.37.35

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Ja, Herr Kollege, auch wenn es Ihre Erstrede war: Also eines tut das Gesetz nicht, es verbessert den Anle­gerschutz sicher nicht (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Sagst du!), weil es bisher den Banken vorbehaltene Dienstleistungen im Finanzsektor nun auch Wertpapierfirmen ermöglicht. Das haben Sie ja anfangs richtig dargestellt, dass wir den Kreis derjenigen, die bankartige Geschäfte im Wertpapierbereich machen können, auf kleine und mittlere Wertpapierfirmen ausdehnen. Das ist natürlich ein Minus im Anlegerschutz, überhaupt keine Frage, denn die Zahl der Anbieter wird tatsächlich sehr, sehr steigen, und je größer die Zahl, des­to größer die Risken.


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Wir werden diesem Gesetz aus zwei Gründen trotzdem zustimmen (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Schön!), nicht nur weil Weihnachten ist und wir milde ge­sinnt sind oder weil das zumindest für heuer meine letzte Rede ist, sondern weil, wie Sie auch erwähnt haben, da eine EU-Richtlinie umgesetzt wird und es na­türlich problematisch ist, wenn wir bei der alten Gesetzeslage bleiben.

Das, was ich als besonders problematisch sehe, ist natürlich, dass es, wie bei jeder Reform, zu einer Flut von neuen Regulierungen und Kategorisierungen und gesetzlichen Bestimmungen führt, die alle wieder bürokratisch verwaltet und – Herr Minister, Sie werden mir da zustimmen – kostenintensiv abgewickelt werden müssen, wenn man da drei Kategorien von Wertpapierhäusern schafft, die jeweils drei verschiedene, im Verhältnis zu den Risken lächerlich geringe Eigenkapitalvorschriften, Stammkapitalvorschriften haben. Das ist ja kein Kapital, das irgendwo zur Sicherstellung der Anleger gebunden ist, sondern das ist Kapital, das formal irgendwann einmal eingezahlt wird, so wie bei einer GmbH, das ja kein Schutzkapital für den Gläubiger ist, sondern eine reine Rechen­position. Um die wird aber viel administrativer Aufwand und Überwachungs­aufwand betrieben.

Also ich sehe diese weitere Riesenbürokratisierung, die Ausdehnung der Spieler auf dem bankähnlichen Geschäftsbereich persönlich sehr, sehr kritisch. Wir stimmen aus den erwähnten Gründen hier aber trotzdem zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.39


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


17.39.45

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und vor den Bildschirmen! Ja, Wertpapierfirmen, die nicht Kreditinstitute sind, bekommen heute ein eigenes Gesetz.


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Das Wertpapierfirmengesetz setzt die EU-Richtlinien um, damit die Regelungen für den Umgang mit Wertpapierfirmen auf dem europäischen Finanzmarkt vereinheitlicht werden können, was für die Übersichtlichkeit gut ist und natürlich auch für den Konsument:innenschutz und vor allem aber, was für die Finanzmarktstabilität notwendig ist, damit der Finanzmarkt gut beobachtet wer­den kann und Gefahren eingedämmt werden können. Das dient vor allem dazu, das Vertrauen in die Geld- und Finanzwirtschaft von den verschiedensten Anlage- und Sparformen bis hin zum Kredit aufrechtzuerhalten, und das ist essenziell für das Funktionieren unserer Wirtschaft.

Dafür wird einerseits bei den Wertpapierfirmen selbst angesetzt, damit diese nicht zu große Risiken eingehen beziehungsweise Risiken ausreichend ge­deckt sind und auch ausreichend gedeckt bleiben, andererseits muss die Finanz­marktaufsicht den Markt und dessen Akteur:innen aber auch gut kennen, um sie zu analysieren und um eingreifen zu können, falls die Finanzmarktstabi­lität in Gefahr ist.

Dazu bekommt die Finanzmarktaufsicht eigene Rechte, wie zum Beispiel Einsicht- und Prüfungsrechte. Die Wertpapierfirmen hingegen müssen einige Pflichten einhalten, wie zum Beispiel Offenlegungspflichten zur Ge­schäftstätigkeit oder aber auch zur Steuerpflichtigkeit von Anleger:innen.

Ein wichtiger Punkt ist ein ausreichend gedecktes Risikomanagement – und wir sahen es am Beispiel der Wien Energie, da war es sehr präsent, wie wichtig solch ein Risikomanagement ist.

Die FMA ist darüber hinaus gesetzlich verpflichtet, auf die hervorragende Expertise der Oesterreichischen Nationalbank zurückzugreifen, um nicht selbst entsprechende Strukturen aufbauen zu müssen. Und da wird – das ist sehr gut – darauf geschaut, dass der Verwaltungsaufwand nicht größer wird und uns auch nicht mehr kostet.


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Das alles dient dazu, die Bewegungen am Finanzmarkt im Auge und unter Kontrolle zu behalten. Es dient der Finanzmarktstabilität und damit natürlich auch dem Anleger:innenschutz.

Noch zwei Worte zur von Kollegen Kovacs erwähnten KESt: Ja, allerdings geht es vielleicht nicht unbedingt um die Spekulation an sich, sondern um die Versteuerung. Und ja, es ist schon eine begünstigte Versteuerung von Gewin­nen, ich traue mich aber hier auch zu sagen – vielleicht ist das sozusagen auch ein kleiner Wunsch an den Finanzminister –, dass die Leute, die spekulieren und schon einen begünstigten Steuersatz von 27,5 Prozent haben, weil es endbesteuert ist, so solidarisch sind und den auch weiter zahlen; ich glaube, auch nach einem Jahr. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Da ich die letzte Rednerin hier bin und eigentlich sehr wehmütig bin, hier diesen Raum zu verlassen – das war mein erster Plenarsaal, ich war noch nie im Parlamentsgebäude –, möchte ich sagen, ich freue mich und hoffe, dass wir uns trotz vieler Unstimmigkeiten, Widrigkeiten und Fechteleien (Bundesrat Novak: Das war das Leben!) im nächsten Jahr im neuen Parlament konstruktiv und hoffentlich in einem besseren Jahr wiedersehen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

17.43


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hirczy. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.43.36

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch noch die Gelegen­heit nützen, um Danke zu sagen, und zwar mit zwei lachenden Augen: einerseits, weil es für mich sechs sehr coole Monate als Vizepräsident waren – ich möchte mich bei allen Beteiligten bedanken, denn die Zusammenarbeit war her­vorragend, egal ob es in der Präsidialsitzung war oder auch bei Sitzungen zwischendurch, und ich möchte diesen Dank natürlich an alle Fraktionen richten.


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Ein Satz ist da gefallen: Natürlich kann man am Rednerpult oder auch in der Präsidiale oder am Präsidium härter sein, im Anschluss daran muss man aber wieder miteinander reden können und gemeinsam nach vorne blicken. (Bun­desrat Steiner zeigt mit der rechten Hand das Daumen-hoch-Zeichen.) – Diesen Satz (in Richtung Bundesrat Steiner) habe ich aufgegriffen. Ich habe jetzt in die Richtung geschaut, ich wollte ihn nicht verraten. Ich denke, das ist der Zugang für das Hohe Haus und so sollten wir weiterarbeiten.

Ich wünsche auch der nächsten Vorsitzführung, dem nächsten Dreierkonglo­merat alles Gute für das nächste Halbjahr, in dem das Burgenland den Vorsitz führen wird – als Burgenländer bin ich jetzt schon stolz darauf, dass wir den Vorsitz innehaben werden.

Ich möchte mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die mir die Treue gehalten haben, und auch Danke für das Verständnis sagen – und das ist das zweite lachende Auge: In der Zeit meiner Vizepräsident­schaft hatte ich auch einen unerwarteten Eingriff, eine Operation, die mich für mehrere Wochen außer Gefecht gesetzt hat . Die Worte, die ich in dieser Zeit bekommen habe, waren alle sehr positiv. Jetzt bin ich wieder hundertpro­zentig gesund und freue mich auf die Aufgaben im neuen historischen Parlament. Packen wir es gemeinsam an!

Frohe Weihnachten, viel Gesundheit und einen guten Rutsch ins neue Jahr! (Allgemeiner Beifall.)

17.44


17.45.04

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist so­mit angenommen.

17.45.2721. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Ein­spruchs gegen den Beitritt der Dominikanischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1664 d.B. und 1767 d.B. sowie 11147/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Krumböck. – Ich bitte um den Bericht.


17.45.53

Berichterstatter Florian Krumböck, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr darüber, den finalen Bericht für 2022 hier im Ausweichquartier bringen zu dürfen, nämlich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2022 betreffend eine Erklärung der Repu­blik Österreich über die Rücknahme des österreichischen Einspruchs gegen den Beitritt der Dominikanischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Die Hintergründe dafür, wie die Dokumentensicherheit in der Dominikanischen Republik nunmehr in einem Ausmaß gewährleistet ist, die eine Rücknahme des österreichischen Einspruchs rechtfertigen, finden Sie im schriftli­chen Bericht.

Ich darf daher ein letztes Mal hier zur Antragsformel kommen:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



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Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzender Stefan Schennach. – Bitte.


17.46.59

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Keine Sorge, ich werde jetzt nicht über die Dominikanische Republik reden, sondern die Fraktionsvorsitzenden haben ausgemacht, dass wir diesen Tagesordnungspunkt hier gemeinsam benützen – der Reihe nach –, um Ihnen allen frohe Weihnachten zu wünschen, entspannende, erhol­same Tage.

Sie wissen, Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen sind mit der Religion immer ein bisschen vorsichtig, aber das betrifft nicht Weihnachten. Wenn man Weihnachten von seinem Ursprung her nimmt, war es der Beginn einer ge­sellschaftlichen und sozialen Revolution. – Ja, das war so.

Erst unlängst habe ich drei Theologinnen und zwei Theologen lange gelauscht, und die haben mir meine Vorstellungen betreffend das Weihnachtsevange­lium  durch Fakecontrol – ziemlich zerstört. Ich bin überrascht, wie genau man das alles heute sagen kann: Quirinius ist 200 Jahre vor Jesus gestorben, Herodes 400 Jahre danach, die Steuerzählung kam erst 600 Jahre danach und die Kirche hat erst 400 Jahre danach mit Weihnachten begonnen – also das ist schon sehr interessant.

Trotzdem: Wir alle haben unsere Kindheitsvorstellungen und unsere Kind­heitserlebnisse, und ich wünsche euch allen vieles davon zurück und einfach eine schöne Zeit. Auch wenn wir jetzt mit Wehmut diesem mittlerweile liebge­wonnenen Saal auf Wiedersehen sagen: Umso schöner ist es, dass wir uns in un­serem alten geliebten Parlament wieder treffen. Frohe Weihnachten! (Allgemeiner Beifall.)

17.49



BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 280

Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzender Marco Schreuder. – Bitte.


17.49.13

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, schön, dass Sie noch hier sind! Als ehemaliger Bundesrat fühlen Sie sich immer noch sehr zugehörig, das finde ich sehr schön. (Bundesrat Steiner: Vielleicht kommt er ja wieder einmal!) Liebe Kolleginnen und Kollegen und diejenigen, die noch zuschauen! Wir alle freuen uns natürlich auf das neue Par­lament, auf das neue alte Parlament oder das alte neue Parlament, je nach­dem, wie man es sehen möchte. Aber auch ich habe diesen Raum hier liebge­wonnen. Wir als kleiner Bundesrat haben ja sehr viel Platz gehabt, das war schon sehr angenehm. Ich werde dadurch auch mit Wehmut aus diesem Haus, aus diesem Raum rausgehen.

Ich habe persönlich auch eine ganz schöne Beziehung zu diesem Raum. Hier wurde ich das allererste Mal bei einer Landesversammlung der Grünen auf eine Liste gewählt. Das ist meine Erinnerung an diesen Raum. Ich hätte niemals daran gedacht, dass ich hier auch einmal ein Parlamentarier sein werde. Ich bin eigentlich jetzt noch überrascht, dass dem so ist.

In diesem Raum haben Breschnew und Jimmy Carter einmal ein Salt-II-Abkom­men unterzeichnet, genau hier. Hier hat Paganini das erste Mal ein Konzert gehabt. Ich finde schon, das ist ein besonderer Raum. Jetzt waren wir hier, und ich möchte mich einfach auch einmal bei der Burghauptmannschaft und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Burg bedanken, dass wir hier sein durften. Das finde ich schon ganz toll.

Ich möchte mich auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion und des Bundesratsdienstes für diesen tollen Support, den wir immer bekommen, ganz herzlich bedanken. (Allgemeiner Beifall.) Wir bleiben uns ja erhalten.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 281

Ich bin gerne im Bundesrat, ich möchte in gar keiner anderen Kammer sein, und ich glaube, es geht ganz vielen so. Ich finde, trotz unserer Härte, die wir manchmal auch haben, sind wir eigentlich sehr freundlich zueinander, und ich finde, das sollten wir auch bleiben. (Bundesrat Gross: Übertreib’s nicht!)

Ich wünsche frohe Weihnachten allen, die feiern, und allen, die vielleicht allein sind, wünsche ich, gerade in einer schwierigen Zeit, auch die Möglichkeit, zu feiern und Anschluss zu finden bei Menschen, die ihnen lieb sind. Ich wün­sche allen Menschen, die Chanukkah oder das Lichterfest feiern, frohe Tage. Und all jene, die vielleicht ein bisschen gottloser feiern, sollten es auch genießen und es schön haben und gut rutschen. Das ist auch wichtig, wir sind ja in einer vielfältigen Gesellschaft.

Rutscht gut rüber, wir sehen uns dann drüben, auf der anderen Seite des Rings. (Allgemeiner Beifall.)

17.51


Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzender Christoph Steiner. – Bitte.


17.51.56

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Keine Sorge, ich werde jetzt keine weihnachtliche Geschichtsstunde machen, ich werde auch nicht meine persönliche Beziehung zu diesem Raum weiter erläutern, es ist ja unser aller gemeinsame Lebenszeit.

Ich möchte mich bei allen Mitarbeitern der Bundesratskanzlei bedanken, bei allen Mitarbeitern des gesamten Parlaments, die uns alle immer rundum perfektest betreuen, das muss man wirklich sagen. Die schauen auch nicht auf irgendeine Parteizugehörigkeit, sondern gehen mit allen hier gleich um, und das ist schon eine Qualität des österreichischen Parlaments, das zeichnet auch die Mitarbeiter dieses Parlaments aus. Dafür ein großes, großes Danke! (Allgemeiner Beifall.) Im Übrigen gehören da auch die Mitarbeiter der Sicherheit dazu.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 282

Wir haben uns vielleicht einen kleinen Neujahrsvorsatz vorgenommen: im neuen Jahr eventuell kürzere Reden zu halten (allgemeiner Beifall sowie Ja-Rufe), aber ihr wisst alle – wartet nur! –, wie das mit den Neujahrsvorsätzen ist. Es ist ja mit dem Wicht nicht anders. Auf jeden Fall freuen wir uns auch auf den Umzug und auf die Zusammenarbeit dann wieder im neuen alten und histori­schen Parlamentsgebäude.

Zwischenmenschlich – das muss man wirklich sagen, da muss man dem Vizepräsidenten wirklich recht geben – haut es in den allerallermeisten Fällen hin. Ideologisch trennen uns oft einmal nicht nur Welten, sondern ganze Universen, aber es ist wichtig, dass es zwischenmenschlich das eine oder andere Mal auch hinhaut.

Ein trauriges Auge habe ich nicht wegen dieses Raumes, den wir jetzt verlassen, sondern ich habe deshalb ein trauriges Auge – ihr wisst es alle, zumindest jene, die während der Umbauphase durch den Vorsitzwechsel auch in der Präsi­diale waren, wir haben das oft bemängelt –, weil ich nicht weiß, wie das drüben im neuen Bundesratssitzungssaal sein wird. Ich schaue mir das dann an – sollten wir wirklich einmal ein Bundesratsmitglied bekommen, das auf einen Rollstuhl angewiesen ist –, wie das funktionieren wird, ob man wirklich barrierefrei an das Rednerpult gelangt. Ich kann mir das nicht vorstellen. Und das wäre eine Riesenschande für das österreichische Parlament, wenn ein Mensch, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, nicht barrierefrei ans Rednerpult gelangen kann. Er muss nämlich dann hinter der Ministerbank fahren, die Minister müssen aufstehen und im blödesten Fall noch die Sessel verschieben. Das wäre ein Skandal und eine Schande, und ich hoffe, dass wir das dann auch ändern werden, wenn dieser Fall wirklich eintritt. (Allgemeiner Beifall.)

Es bleibt noch, stellvertretend für meine Fraktion euch allen für Weih­nachten und für das kommende neue Jahr all das zu wünschen, was ihr auch uns wünschen würdet. – Danke schön. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Das war ja besonders versöhnlich!)

17.54



BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 283

Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Arlamovsky. – Bitte.


17.55.04

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz kurz einleitend zur Sache sprechen, zum Haager Beglaubigungs­übereinkommen (Heiterkeit und Nein-Rufe bei der ÖVP), zwei Sätze dazu, worum es da überhaupt geht, um auch der Geschäftsordnung Genüge zu tun.

Es wird für öffentliche Urkunden aus der Dominikanischen Republik, die in Österreich Behörden vorgelegt werden, eine Vereinfachung getroffen, indem in Zukunft nicht eine dreistufige diplomatische Beglaubigung – ausstellende Behörde des Herkunftsstaates, Außenministerium des Herkunftsstaates, öster­reichische Botschaft, die für den Herkunftsstaat zuständig ist – erforder­lich ist, sondern lediglich eine sogenannte Apostille, die von einer Behörde aus­gestellt wird; als Beispiel dazu: wenn man bei einer Behörde in Österreich eine Geburtsurkunde von dort vorlegt. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Das waren jetzt mehr als zwei Sätze!)

Jetzt zum Allgemeinen: Ich möchte mich bei der Frau Präsidentin, bei den beiden Vizepräsidenten des abgelaufenen Halbjahres für ihre Präsidentschaft bedan­ken. Ich wünsche der kommenden burgenländischen Präsidentschaft und den zwei neu zu wählenden Vizepräsidenten jetzt schon alles Gute.

Ich freue mich darauf, im historischen Parlamentsgebäude den neuen Bundes­ratssitzungssaal – so wie alle – erstmals als Mandatar kennenzulernen, und ich wünsche allen, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Par­lamentsdirektion, bei denen ich mich zu bedanken bisher vergessen habe, frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 284

17.56


Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzender Bader. – Bitte.


17.56.56

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es weihnachtet ja doch schon ein wenig: Ich habe heute Herrn Kollegen Steiner bei seiner Rede vorhin sogar einmal applaudiert. (Bundesrat Steiner: Es geschehen noch Wunder!)

Ein außergewöhnliches Jahr geht für uns alle, vor allem für die Menschen in der Ukraine, zu Ende. Wer hätte am Beginn dieses Jahres, am Neujahrstag, ge­dacht, dass dieses Jahr einen Krieg in Europa bringen wird. Es ist auch ein außer­gewöhnlicher Tag heute hier herinnen, wo wir als Bundesrat die letzte Sit­zung im Ausweichquartier abhalten, wo wir quasi – Kollege Schennach hat es schon vorweggenommen – heute hier zusperren.

Ich habe beides erlebt. Ich gehöre als Obmann der stärksten Fraktion in diesem Haus trotzdem einer Minderheit an, weil ich auch das alte historische Parla­ment schon erleben durfte, fünf Jahre lang. Meine Erinnerungen: Dort waren auch lange Sitzungen, an starken Regentagen wurden mehrere Kübel im Plenarsaal des Bundesrates verteilt, um das Wasser, das über das Dach herein­gekommen ist, aufzufangen.

Jetzt ist dieses Parlament saniert, und jetzt ist es auch wieder das, was es sein soll, als was es von Theophil Hansen auch konzipiert wurde: als Ort der Begegnung, als Ort des Dialogs, als Ort des Diskurses, als Ort der Demokratie. Nicht konzipiert war es, und ist es heute auch nicht, als Ort der persönli­chen Herabwürdigung. Ich denke, dass wir dieses Ende hier würdig begehen können und den Neustart im renovierten Parlamentsgebäude im nächsten Jahr auch für einen Neustart für das Miteinander, den Dialog und den Austausch nützen können. Dazu lade ich alle sehr, sehr herzlich ein.

Herzlichen Dank Ihnen, Frau Präsidentin, und den beiden Vizepräsidenten für dieses halbe Jahr und für die Zusammenarbeit in der Präsidiale, die gut und wirklich ausgezeichnet funktioniert hat. Das ist etwas, das diesen Bundesrat


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 285

auch auszeichnet, dafür können wir dankbar sein. Ich wünsche der neuen Präsidentschaft aus dem Bundesland Burgenland und den neu zu wählenden Vi­zepräsidenten alles Gute.

Besonders bedanke ich mich für die Begleitung durch die Frau Bundesratsdi­rektorin und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses.

Uns allen ein gesegnetes Weihnachtsfest! Ich wünsche, dass Frieden in dieser Welt bald wieder einkehren möge. Das ist ein Wunsch, der uns alle eint. Ich wünsche uns allen Gesundheit und Zufriedenheit für das Jahr 2023. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

17.59


18.00.06

Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.00.2822. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 1. Halbjahr 2023


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 22. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 286

Mit 1. Jänner 2023 geht der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Burgenland über. Gemäß Art. 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ist der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes Herr Bundesrat Günter Kovacs zum Vorsitz berufen. Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsident:innen


Präsidentin Korinna Schumann: Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsident:in­nen durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wählenden Vizepräsidentin beziehungsweise des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Mag. Harald Himmer bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an.)

*****


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 287

Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin be­ziehungsweise des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Andrea Kahofer lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrätin Andrea Kahofer bedankt sich und nimmt die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

*****

Wahl der Schriftführer:innen


Präsidentin Korinna Schumann: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftfüh­rerinnen beziehungsweise der Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner, Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Andreas Arthur Spanring, Sil­vester Gfrerer und Horst Schachner für das 1. Halbjahr 2023 zu Schriftführerin­nen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhellig­keit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 288

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die Bundesrät:innen Mag. Dr. Doris Berger-Grabner, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Andreas Arthur Spanring, Silvester Gfrerer und Horst Schachner nehmen die Wahl dankend an.)

*****

Wahl der Ordner:innen


Präsidentin Korinna Schumann: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordnerin­nen beziehungsweise Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Klara Neurauter, Elisabeth Grimling, Josef Ofner und Claudia Hauschildt-Buschberger für das 1. Halbjahr 2023 zu Ordnerinnen beziehungsweise zu Ordnern des Bundes­rates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die Bundesrät:innen Klara Neurauter, Elisabeth Grimling, Josef Ofner und Claudia Hauschildt-Buschberger nehmen die Wahl dankend an.)

*****

Vielen Dank.


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 289

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich darf nun ganz herzlich dem neu gewählten Vizepräsidenten und der neu ge­wählten Vizepräsidentin gratulieren. Ich darf auch den neu gewählten Schriftführerinnen und Schriftführern, Ordnerinnen und Ordnern gratulieren, und ich darf meinen Dank an die Vizepräsidenten Günther Novak und Bernhard Hirczy für die wirklich ausgezeichnete Zusammenarbeit aussprechen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Ich darf noch einmal dem zukünftigen Bundesratspräsidenten Günter Kovacs, der für das Burgenland nun den Bundesratsvorsitz übernimmt, alles erdenklich Gute wünschen.

Wir erleben jetzt einen historischen Moment. Der Bundesrat beendet nun die letzte Sitzung im Ausweichquartier des Parlaments und bereitet sich auf die Übersiedlung in das neue Parlament vor.

Ich darf allen frohe Weihnachten und erholsame Feiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2023 wünschen.

Mein besonderer Dank in diesem Zusammenhang gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion. – Frau Dr.in Bachmann, vielen Dank! Es sind aber alle Mitarbeiter:innen, die ganz, ganz Besonderes leisten, denn wir sind es nicht, die zum Schluss die Tür zumachen und das Licht abdrehen, sondern es sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das für uns machen. Sie packen zusammen und organisieren die Übersiedlung ins neu sanierte Parlament. Sie können oft nicht ihren gesamten Weihnachtsurlaub nehmen und helfen uns damit, in das neue Parlament zu übersiedeln. Dafür vielen Dank! Dank an das Expedit, Dank an die Reinigung, an die Sicherheit, an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Vielen, vielen Dank! (Anhaltender allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll949. Sitzung, 949. Sitzung des Bundesrats vom 21. Dezember 2022 / Seite 290

18.07.09Einlauf


Präsidentin Korinna Schumann: Abschließend gebe ich noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt eine Anfra­ge, 4069/J-BR/2022, eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 16. Februar 2023, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 14. Februar 2023, 14 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung des Bundesrates ist geschlossen. (Allgemeiner Beifall.)

18.07.58Schluss der Sitzung: 18.07 Uhr

 

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