Stenographisches Protokoll

30. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 7., und Donnerstag, 8. Juni 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

30. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 7., und Donnerstag, 8. Juni 2000

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 7. Juni 2000: 9.01 – 24.00 Uhr

Donnerstag, 8. Juni 2000: 0.00 – 0.07 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 123/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000), und über den Antrag 131/A der Abgeordneten Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 117/A der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Schauspielergesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Sonderunterstützungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000), und Bericht über den Antrag 130/A der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Schauspielergesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000), und über den An


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 2

trag 19/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitsverhältnisgesetz (AVHG) geschaffen wird, die Gewerbeordnung 1994, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden sowie das Arbeiter-Abfertigungsgesetz aufgehoben wird

4. Punkt: Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung

5. Punkt: Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 165/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 138/A der Abgeordneten Dr. Gerhart Bruckmann, Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) geändert wird

9. Punkt: Internationales Kaffee-Übereinkommen von 1994 sowie Resolution Nummer 384 betreffend Verlängerung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1994

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Auszeichnung von Preisen (Preisauszeichnungsgesetz – PrAG) und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden

11. Punkt: Bericht über den Antrag 156/A der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, das Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 und das Weingesetz 1999 geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2000), und Bericht über den Entschließungsantrag 30/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Förderungsrichtlinie für Entschädigungen nach § 33f Abs. 6 Wasserrechtsgesetz

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Biozid-Produkte-Gesetz erlassen wird sowie das Lebensmittelgesetz 1975 und das Chemikaliengesetz 1996 geändert werden

14. Punkt: Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal

15. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen Zentrum für Migrationspolitikentwicklung (ICMPD) über den Amtssitz des Internationalen Zentrums für Migrationspolitikentwicklung samt Annex


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 3

16. Punkt: Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit samt Anhängen und Schlussakte

17. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft samt Anhang

18. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend den Militärdienst der Doppelbürger samt Anhang

19. Punkt: Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Haschemitischen Königreich Jordanien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Endbesteuerungsgesetz (Bundesverfassungsgesetz), das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Finanzstrafgesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden

22. Punkt: Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Anteilen im Rahmen der allgemeinen Kapitalerhöhung der Inter-Amerikanischen Investitionsgesellschaft (IIC)

23. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wählerevidenzgesetz, das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalratswahlordnung) sowie das Bundesgesetz über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament (Europa-Wählerevidenzgesetz) geändert werden (116/A)

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 15

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 518/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 35

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 134

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 134

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 136

Dr. Helene Partik-Pablé 138

Erwin Hornek 140

Karl Öllinger 141

Mag. Karl Schlögl 143

Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Dr. Harald Ofner, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Mag. Terezija Stoisits und Genossen, die dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 127/A der Ab


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 4

geordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, gesetzte Frist bis 1. Dezember 2000 zu erstrecken – Annahme 35, 270

Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über das Sozialrechts-Änderungsgesetz in 181 d. B. gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 4. Juli 2000 zu setzen 35

Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über das Pensionsreformgesetz 2000 in 175 d. B. gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 4. Juli 2000 zu setzen 35

Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 188/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und das Bundesbezügegesetz geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 4. Juli 2000 zu setzen 35

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG über diese drei Fristsetzungsanträge 36

Redner:

Heidrun Silhavy 145

Ing. Peter Westenthaler 147

Dr. Andreas Khol 148

Karl Öllinger 149

Annemarie Reitsamer 151

Annahme der drei Fristsetzungsanträge 152

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 36

Wortmeldungen im Zusammenhang mit der Redezeitbeschränkung:

Dr. Andreas Khol 37, 38

Peter Schieder 37

Dr. Alexander Van der Bellen 37, 38

Verlangen auf Durchführung von namentlichen Abstimmungen 78, 154

Unterbrechungen der Sitzung 79, 155

Wortmeldungen der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Dr. Alexander Van der Bellen betreffend Filmaufnahmen im Plenarsaal 144, 144

Feststellung des Präsidenten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn betreffend die oben erwähnten Filmaufnahmen 149

Fragestunde (4.)

Finanzen 15

Dr. Kurt Heindl (37/M); Edith Haller, Jakob Auer, Dr. Alexander Van der Bellen

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (31/M); Mag. Werner Kogler, Anna Huber, Mag. Gilbert Trattner


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 5

Mag. Werner Kogler (35/M); Ing. Kurt Gartlehner, Mag. Herbert Haupt, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll

Hermann Böhacker (29/M); Mag. Cordula Frieser, Mag. Werner Kogler

Mag. Karl Schlögl (33/M); Helmut Haigermoser, Ernst Fink, Dr. Gabriela Moser

Mag. Dr. Josef Trinkl (32/M); Helmut Haigermoser

Mag. Werner Kogler (36/M); Mag. Maria Kubitschek, Mag. Reinhard Firlinger, Mag. Dr. Josef Trinkl

Ausschüsse

Zuweisungen 33, 270

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 123/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000), und über den Antrag 131/A der Abgeordneten Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000) (187 d. B.) 36

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 117/A der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (188 d. B.) 37

Redner:

Heidrun Silhavy 39

Mag. Herbert Haupt 44

Karl Öllinger 47

Mag. Karin Hakl 50

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigungen) 53, 77

Annemarie Reitsamer 53

Sigisbert Dolinschek 56

Theresia Haidlmayr 57

Mag. Dr. Josef Trinkl 59

Annemarie Reitsamer (tatsächliche Berichtigung) 61

Dr. Elisabeth Pittermann 61

Bundesministerin Dr. Elisabeth Sickl 64, 73

Mag. Rüdiger Schender 66

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 67

Karl Donabauer 69

Helmut Dietachmayr 71

Norbert Staffaneller 72

Dr. Gerhart Bruckmann 74

Dr. Gottfried Feurstein 75

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 77


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend eine geschlechtsneutrale Neuregelung des Pensionsalters bei der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit – Ablehnung 55, 80

Annahme des Gesetzentwurfes in 187 d. B. (namentliche Abstimmung) 78

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 188 d. B. 80

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 188 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend umfassende Überprüfung der Zweckmäßigkeit kostenloser Schutzimpfungen für bestimmte Gruppen von Freiwilligen und einzelne Berufsgruppen (E 13) 80

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (91 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Schauspielergesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Sonderunterstützungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000), und über den Antrag 130/A der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Schauspielergesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000), und über den Antrag 19/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitsverhältnisgesetz (AVHG) geschaffen wird, die Gewerbeordnung 1994, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden sowie das Arbeiter-Abfertigungsgesetz aufgehoben wird (189 d. B.) 80

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (21 d. B.): Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (190 d. B.) 81

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (39 d. B.): Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (191 d. B.) 81

Berichterstatterin: Ridi Steibl 81

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (94 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (192 d. B.) 81


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 7

Redner:

Friedrich Verzetnitsch 82

Mag. Herbert Haupt 114

Karl Öllinger 116

Ridi Steibl 118

Franz Riepl 119

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 121

Norbert Staffaneller 121

Theresia Haidlmayr 122

Dr. Reinhold Mitterlehner 124

Sophie Bauer 125

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 126

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigungen) 128, 132

Sigisbert Dolinschek 128

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 130

Gabriele Heinisch-Hosek 130

Edeltraud Gatterer 132

Bernd Brugger 153

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 189 und 192 d. B. (namentliche Abstimmung) 154

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 21 und 39 d. B. 157

Antrag auf Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG – Annahme 133, 157

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 165/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (193 d. B.) 157

Redner:

Annemarie Reitsamer 158

Ing. Peter Westenthaler 159

Karl Öllinger 162, 169

Mag. Walter Tancsits 163

Helmut Dietachmayr 164

Reinhart Gaugg 166

Rudolf Edlinger (tatsächliche Berichtigung) 167

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 167

Friedrich Verzetnitsch 168

Helmut Dietachmayr (tatsächliche Berichtigung) 169

Annahme des Gesetzentwurfes in 193 d. B. 170

8. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 138/A der Abgeordneten Dr. Gerhart Bruckmann, Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) geändert wird (151 d. B.) 170

Redner:

Annemarie Reitsamer 170

Edith Haller 172

Dieter Brosz 173

Dr. Gerhart Bruckmann 175

Dr. Ilse Mertel 177

Dr. Harald Ofner 178


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 8

Bundesministerin Dr. Elisabeth Sickl 179

Ridi Steibl 180

Reinhart Gaugg 181

Franz Riepl 181

Annahme des Gesetzentwurfes in 151 d. B. 182

9. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (95 d. B.): Internationales Kaffee-Übereinkommen von 1994 sowie Resolution Nummer 384 betreffend Verlängerung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1994 (147 d. B.) 184

Redner:

Inge Jäger 184

Helmut Haigermoser 185

Erwin Hornek 187

Genehmigung des Staatsvertrages in 95 d. B. 187

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 188

10. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (97 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Auszeichnung von Preisen (Preisauszeichnungsgesetz – PrAG) und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (148 d. B.) 188

Redner:

Kurt Eder 188

Helmut Haigermoser 189

Mag. Johann Maier 190

Dr. Reinhold Mitterlehner 192

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 193

Dr. Evelin Lichtenberger 194

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 195

Walter Murauer 196

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 196

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 197

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Festsetzung einer Preisauszeichnungsverpflichtung für Wechselstuben – Ablehnung 191, 198

Annahme des Gesetzentwurfes in 148 d. B. 198

11. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 156/A der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert wird (149 d. B.) 198

Redner:

Dr. Evelin Lichtenberger 199

Kurt Eder 199

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 200

Dr. Gottfried Feurstein 200

Annahme des Gesetzentwurfes in 149 d. B. 201

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (107 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutz


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 9

gesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, das Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 und das Weingesetz 1999 geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2000), und über den Entschließungsantrag 30/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Förderungsrichtlinie für Entschädigungen nach § 33f Abs. 6 Wasserrechtsgesetz (150 d. B.) 201

Redner:

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 201

Anna Elisabeth Aumayr 202

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 204, 219

Jakob Auer 207

Katharina Pfeffer 208

Jakob Pistotnig 209

Dr. Gabriela Moser 210

Rudolf Schwarzböck 212

Rainer Wimmer 213

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 215

Franz Hornegger 217

Ludmilla Parfuss 218

Franz Kampichler 219

Anton Knerzl 220

Johannes Zweytick 221

Robert Wenitsch 222

Georg Schwarzenberger 223

Heinz Gradwohl 225

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Heinz Gradwohl und Genossen betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen – Ablehnung 206, 228

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen betreffend Agrarrechtsänderungsgesetz 2000 – Ablehnung 226, 228

Annahme des Gesetzentwurfes in 150 d. B. 227

13. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (52 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Biozid-Produkte-Gesetz erlassen wird sowie das Lebensmittelgesetz 1975 und das Chemikaliengesetz 1996 geändert werden (121 d. B.) 228

Redner:

Mag. Ulrike Sima 228

Mag. Karl Schweitzer 230

Dr. Eva Glawischnig 231

Karlheinz Kopf 232

Rainer Wimmer 233

Ing. Gerhard Fallent 234

Anton Heinzl 235

Dr. Gabriela Moser 235

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 236

Ing. Erwin Kaipel 237

Annahme des Gesetzentwurfes in 121 d. B. 238


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 10

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (50 d. B.): Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal (128 d. B.) 239

15. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (56 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen Zentrum für Migrationspolitikentwicklung (ICMPD) über den Amtssitz des Internationalen Zentrums für Migrationspolitikentwicklung samt Annex (129 d. B.) 239

16. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (79 d. B.): Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit samt Anhängen und Schlussakte (130 d. B.) 239

Berichterstatter: Dr. Gerhart Bruckmann 240

17. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (63 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft samt Anhang (131 d. B.) 239

18. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (75 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend den Militärdienst der Doppelbürger samt Anhang (132 d. B.) 239

19. Punkt: Regierungsvorlage: Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Haschemitischen Königreich Jordanien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte (85 d. B.) 239

(Gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

Redner:

Peter Schieder 240

Dr. Gerhard Kurzmann 241

Matthias Ellmauer 242

Dr. Peter Pilz 244

Dr. Josef Cap 246

Inge Jäger 248

Mag. Walter Posch 249

Dr. Martin Graf 251

Mag. Karl Schweitzer 252

Karl Öllinger 253

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 254

Dr. Alfred Gusenbauer 255

Mag. Gilbert Trattner 255

Genehmigung der sechs Staatsverträge in 50, 56, 79, 63, 75 und 85 d. B. 256

Beschlussfassungen im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG betreffend 50, 79 und 85 d. B. 256


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 11

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (57 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (157 d. B.) 257

21. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (58 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Endbesteuerungsgesetz (Bundesverfassungsgesetz), das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Finanzstrafgesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden (158 d. B.) 257

Redner:

Dr. Kurt Heindl 257

Hermann Böhacker 260

Dr. Alexander Van der Bellen 261

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 263

Marianne Hagenhofer 264

Mag. Gilbert Trattner 264

Anna Huber 265

Jakob Auer 265

Hans Müller 266

Mag. Reinhard Firlinger 267

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 267

Dr. Christof Zernatto 268

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 157 und 158 d. B. 268

22. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (105 d. B.): Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Anteilen im Rahmen der allgemeinen Kapitalerhöhung der Inter-Amerikanischen Investitionsgesellschaft (IIC) (159 d. B.) 269

Annahme des Gesetzentwurfes in 159 d. B. 269

23. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wählerevidenzgesetz, das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalratswahlordnung) sowie das Bundesgesetz über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament (Europa-Wählerevidenzgesetz) geändert werden (116/A) 269

Redner:

Dieter Brosz 269

Zuweisung des Antrages 116/A an den Verfassungsausschuss 270

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 33

88: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über soziale Sicherheit

89: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über soziale Sicherheit


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 12

112: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über soziale Sicherheit

176: Dienstrechts-Novelle 2000

179: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird

180: Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert wird

184: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

195: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, aufgehoben wird

Anträge der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landwirtschaftsgesetz geändert wird (191/A)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen betreffend Maßnahmen zur Reduzierung des Pestizidverbrauchs (192/A) (E)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen (193/A) (E)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen betreffend Forschungsschwerpunkt für die Herstellung von biologischem Saatgut (194/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Preisauszeichnung (195/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Lieferverzug (196/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend kundenfreundlichere Geschäftsbedingungen (197/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Rücktrittsrecht (198/A) (E)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen betreffend Anpassungen des Forstrechts an die naturschutzfachlichen Erfordernisse (199/A) (E)

Anton Leikam und Genossen betreffend zusätzliche 1 000 Planposten für die Sicherheitsexekutive (200/A) (E)

Helmut Dietachmayr, Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (201/A)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Abschaffung der §§ 188 und 248 StGB – Herabwürdigung religiöser Lehren sowie des Staates und seiner Symbole (202/A)

Helmut Haigermoser, Dkfm. Dr. Günter Puttinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz geändert wird (203/A)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Rettung der österreichischen Nebenbahnen (204/A) (E)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 13

Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Umsetzung der Abschlusserklärung der Delegation aller neun Landtage zur Verhinderung grenznaher Atomkraftwerke vom 9. Mai 2000 (205/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Schlussoffensive gegen den Fertigbau des AKW Temelin (206/A) (E)

Doris Bures und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsumentenschutzgesetz geändert wird (207/A)

Dkfm. Dr. Günter Puttinger, Helmut Haigermoser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (208/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Walter Posch und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Förderung der Volksgruppenradios (920/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Qualitätssicherung und Lebensmittelkontrolle im biologischen Landbau (921/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Qualitätssicherung und Lebensmittelkontrolle im biologischen Landbau (922/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Übertragung der Bundesliegenschaften an die BIG (923/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Skinhead-Szene" in Bruck/Mur (924/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend BVD-Virus (925/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Europäisches Netz für die außergerichtliche Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (EEJ-NET) (926/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bericht des Rechnungshofes über die österreichische Galerie Belvedere (927/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Subventionsvergaben von Seiten des Staatssekretariats für Kunst- und Medienkoordination (928/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Ennsnahe Trasse" (929/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Skinhead-Szene" in Bruck/Mur (930/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Sicherung des Waldes als Erholungsgebiet (931/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Ennsnahe Trasse" (932/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausgestaltung des Ministerbüros (933/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 14

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Personalabbau bei der Post (934/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Einstellung von Nebenbahnen in Oberösterreich (935/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Gebühren- und Steuererhöhungen, die insbesondere Menschen mit geringem Einkommen (die "kleinen Leute") belasten (936/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch den Präsidenten des Rechnungshofes in der Causa Österreichische Galerie (937/J)

Inge Jäger und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einladung von DissidentInnen und BürgerrechtlerInnen zum Festakt anlässlich des 25. Jahrestages der KSZE-Schlussakte (938/J)

Inge Jäger und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Personalabbau bei der Post (939/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "World Sports Award of the Century" (940/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend "World Sports Award of the Century" (941/J)

Dr. Gottfried Feurstein und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Rücktritt von Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka im Verwaltungsrat der EU-Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (942/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Nicht-Einhaltung des Fahrverbotes für Lastkraftfahrzeuge (943/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Theaterkartenverkauf – Schülerabonnements – Verwendung der Rabatte (Abschläge) durch LehrerInnen (944/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (612/AB zu 583/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (613/AB zu 614/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (614/AB zu 616/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (615/AB zu 601/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen (616/AB zu 609/J)

 


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 15

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Ich eröffne die 30. Sitzung des Nationalrates in dieser Gesetzgebungsperiode.

Als verhindert gemeldet sind der Dritte Präsident Dr. Fasslabend sowie die Abgeordneten Amon, Ing. Gerhard Bauer, Mag. Lunacek, Platter, Parnigoni, Mag. Prammer und Nürnberger.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde. Ich beginne jetzt – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Finanzen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Heindl. – Bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 16

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl
(SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

37/M

Welche Ziele verfolgen Sie in den laufenden Finanzausgleichs-Verhandlungen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Neben dem Bereich des Finanzausgleichs im engeren Sinn stehen auf Grund der zeitlich mit dem Finanzausgleichsgesetz 1997 befristeten Regelungen jedenfalls auch die Krankenanstaltenfinanzierung und die Wohnbauförderung zur Diskussion.

Die Finanzausgleichspartner haben sich anlässlich der ersten beiden Verhandlungsrunden auch einvernehmlich auf einen Fragenkatalog geeinigt, der bei den Finanzausgleichs-Verhandlungen zur Sprache gebracht werden soll. Aus den bisherigen Erfahrungen mit dem Vollzug der Finanzausgleichsgesetze hat sich gezeigt, dass es stets in jenen Bereichen zu Schwierigkeiten gekommen ist, in denen es im Verantwortungsbereich der Gebietskörperschaften Überschneidungen gegeben hat. Typisches Beispiel, das uns allen bekannt ist: Landeslehrer. Daher ist eines der vordringlichsten Ziele bei den Verhandlungen auch die Zusammenführung der Aufgabenverantwortung mit der Ausgabenverantwortung.

Weiteres gesamtstaatliches Ziel muss es sicherlich sein, auch in den Finanzausgleichs-Verhandlungen Grundlagen für die Sanierung des Staatshaushaltes zu schaffen. Ich habe immer betont: Wenn man versucht, Einsparungen vorzunehmen, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, dann ist nicht nur der Bund gefordert, sondern alle Gebietskörperschaften, also auch Länder, Städte und Gemeinden. Und daher werden der Beitrag von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verpflichtend und ein weiterer Konsolidierungsbeitrag der Länder, Städte und Gemeinden das Ziel meiner Person in den Finanzausgleichs-Verhandlungen sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Bundesminister! Wie war die Reaktion der Ländervertreter im Zusammenhang mit der von Ihnen in Aussicht gestellten Neukonzipierung der Wohnbauförderung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Wir befinden uns in dieser Frage in einem Verhandlungsprozess, und die Wohnbauförderung stand expressis verbis bisher noch nicht auf der Tagesordnung. Das heißt, es hat bis jetzt konkret noch keine inhaltliche Diskussion mit den Gebietskörperschaften zu diesem Punkt gegeben. Wir haben Konsens dahin gehend erzielt, dass dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt wird. Ich habe meine Vorstellungen bereits artikuliert, und ich würde einmal sagen, es gibt eine gewisse Abwarteposition bei den Ländern, Städten und Gemeinden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haller, bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Guten Morgen, Herr Bundesminister! In Zeiten wie diesen kommt seitens der Länder und Gemeinden den Finanzausgleichs-Verhandlungen natürlich ein besonders großer Stellenwert zu.

Herr Bundesminister! Wie groß ist das Finanzierungsvolumen, das bei den laufenden Finanzausgleichs-Verhandlungen für das Jahr 2001 zur Debatte steht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Guten Morgen, Frau Abgeordnete! Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die Zahlungen des Bundes an die Länder und Gemeinden einschließlich der Ertragsanteile betrugen nach dem vorläufigen Erfolg 1999 insgesamt 279 Milliarden Schilling. Dem gegenüber betrug der vorläufige Abgabenerfolg des Bundes, ausschließliche und gemeinschaftliche Bundesabgaben, rund 670 Milliarden Schilling. Das bedeutet also, dass etwa 42 Prozent des Bruttoabgabenertrages des Bundes an die Länder und Gemeinden fließen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Auer, bitte.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die Vorschläge des Gemeindebundes betreffend die Abschaffung des ungerechten abgestuften Bevölkerungsschlüssels? (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Offensichtlich gibt es eine gewisse Sympathie für diesen Vorschlag des Gemeindebundes. Wir haben uns – Städtebund, Gemeindebund, Länder- und Bundesvertreter – konsensual darauf geeinigt, dass diese Frage neben anderen, zum Beispiel: horizontaler Finanzausgleich, auf die Tagesordnung der Finanzausgleichs-Verhandlungen gesetzt wird.

Ich sage ganz offen: Natürlich ist es sinnvoll und auch notwendig, eine historisch entwickelte Verteilung der Abgabenerträge zu hinterfragen und zu versuchen, ob man konsensual zu einer Neubewertung und Neudefinition kommen kann. Ich gestehe aber gleichzeitig ein, dass ich versuchen werde, zwar als Verhandlungspartner am Tisch zu sitzen, aber mich nicht unbedingt darauf einzulassen, Entscheidungen in die eine oder andere Richtung herbeizuführen, weil ich – durchaus berechtigt, denke ich – befürchte, dann als Dritter, nämlich als Zahler, übrig zu bleiben. Und ich bitte um Verständnis dafür, dass das bei der derzeitigen Situation der Bundesfinanzen nicht meine Zielsetzung sein kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen, bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 17

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen
(Grüne): Herr Bundesminister! In welchen Bereichen erwarten Sie noch heuer einen Abschluss der Verhandlungen, sodass es für das Jahr 2001 budgetrelevant ist – oder denken Sie daran, dass der Finanzausgleich um ein Jahr verlängert wird, so wie es ja bisher schon mehrfach der Fall war?


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 18

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Verlängerung des Finanzausgleiches ist nicht mein Ziel. Ich habe den Verhandlungspartnern in der letzten Verhandlungsrunde und schon früher öfters erörtert, dass es mir darum geht, diesen Finanzausgleich für die nächsten vier Jahre neu zu verhandeln. Das heißt, ich werde von meiner Seite alles daran setzen, um hier zu konkreten Ergebnissen zu kommen, sowohl was die Krankenanstaltenfinanzierung, die Landeslehrer als auch die Wohnbauförderungsproblematik, in Summe sozusagen das Gesamtkompendium Finanzausgleich anlangt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Wir kommen zur 2. Frage. Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Stummvoll um Präsentation dieser Frage.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Finanzminister! Meine Frage lautet:

31/M

Sind die zur Anonymität vorgesehenen Maßnahmen ausreichend zur Erfüllung der internationalen Vorgaben, zum Beispiel im Hinblick auf FATF und EuGH?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Garantieren kann das sicherlich niemand, auch nicht ich in meiner Funktion als Finanzminister. Ich darf aber sagen, dass wir sowohl durch den Schlussantrag des Generalanwaltes im EuGH-Verfahren als auch durch informelle Reaktionen auf die Aufbesserung des ersten Paketes, das ja offensichtlich nicht ausgereicht hat, nunmehr mehr als deutliche Ansatzpunkte dafür haben, dass das vorliegende Maßnahmenpaket sowohl die EU-rechtlichen Vorgaben zufrieden stellend erfüllt als auch die FATF-Auflagen erfüllen kann.

Berücksichtigen muss man allerdings, dass Österreich leider Gottes auf Grund der doch jahrelangen Verzögerungstaktik – bereits seit 1989 wurden wir von der FATF mehrmals sehr eindringlich aufgefordert, und es hat bereits ein bedingt auflösender Ausschluss von der FATF stattgefunden – die anderen 27 Mitglieder der FATF erst davon überzeugen muss, dass Österreich ein wirklich ernsthaftes Interesse an der Lösung dieser Frage in dem Sinn hat, dass internationale Standards zur Bekämpfung der Geldwäsche und anderer krimineller Aktivitäten in diesem Zusammenhang auch von Österreich erfüllt werden sollen.

Ich gehe davon aus, dass uns das mit dem heute Abend noch zur Diskussion stehenden Vorschlag gelingen wird. Alle informellen Reaktionen weisen darauf hin.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Finanzminister! Wir haben in Österreich seit vielen Jahrzehnten eine sehr hohe Sparkultur und eine ausgezeichnete Spargesinnung der Bevölkerung. Auf der anderen Seite müssen wir auch am internationalen Kampf gegen die Geldwäsche teilnehmen. Es geht hier also darum, Balance zu halten zwischen Erhaltung der hohen Sparkultur einerseits und Teilnahme am internationalen Kampf gegen die Geldwäsche andererseits.

Sind Sie der Auffassung, dass wir mir mit diesem Paket, das wir heute beschließen werden, diese Balance gefunden haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Ich stimme dieser Zielsetzung zu: Es geht um die Balance, und es war wirklich das vordringliche Bemühen auch in mehreren Verhandlungsrunden mit Bankenvertretern, mit unserem Paket diese Balance zu realisieren. Ich bitte Sie zu bedenken, dass wir eine 200 000-S-Grenze eingezogen haben; eine Grenze, die doch sehr weitgehend ist, wenn man berücksichtigt, was andere Länder hier an Regelungen vorsehen.

In Deutschland beispielsweise gibt es diese Konstruktion des österreichischen Sparbuches mit einer Grenze von 3 000 D-Mark, in Italien mit einer Grenze von 140 000 S, und in anderen Ländern ist mir eine solche Konstruktion nicht bekannt. Wir haben also versucht, mit der 200 000-S-Grenze 21 Millionen von etwa 24 Millionen Sparbüchern aus dieser Regelung auszunehmen, weil wir so wie Sie – unterstelle ich – der Überzeugung sind, dass sich diese Sparbücher ja nicht zur Geldwäsche eignen. Insofern konnten die Beibehaltung der österreichischen Sparkultur einerseits und das Erfüllen der internationalen Auflagen zur Bekämpfung der Geldwäsche andererseits bestmöglich, so denke ich, in Übereinstimmung gebracht werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Finanzminister! Teilen Sie die Befürchtung, dass die Übergangsfristen, wie sie nunmehr bis 2002 vorgesehen sind, neuerlich vom EuGH als zu lang beanstandet werden könnten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Diese Befürchtung teile ich nicht, weil vor dem Hintergrund der europäischen Forderungen und der Forderungen der Kommission ja auch unbefristete "Eisberglösungen", was die Wertpapierkonten betrifft, diskutiert worden sind. Wir haben den Versuch gemacht, sowohl bei den Sparbüchern als auch bei den Wertpapierdepots diese Regelung mit 30. Juni 2002 zu beenden. Ich denke, dass das ein sehr kurzer Übergangszeitraum ist, der, so hoffe ich, sowohl die Kommission als auch den Europäischen Gerichtshof und die FATF zufrieden stellen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Huber, bitte.

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Bundesminister! Es ist ja geplant, für endbesteuerte Sparbücher bis zu dieser Frist – 30. Juni 2002 – keine Schenkungssteuer einzuheben.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister, aus welchen Gründen – wir meinen, unter Außerachtlassung der sozialen Symmetrie – hier keine Obergrenze bei den Beträgen eingezogen worden ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Zum Ersten darf ich, was die Schenkungssteuer betrifft, ausführen, dass es uns ein Anliegen ist, möglichst viele der betroffenen Sparer in Österreich möglichst frühzeitig zur Identifikation ihrer Sparbücher zu veranlassen, sie dazu zu bewegen, bis 30. Juni 2002 die Möglichkeit der Identifikation zu nützen, damit man dann, wenn man beispielsweise über 200 000 S auf seinem Sparbuch hat, nicht zu einer weitergehenden Identifikation veranlasst werden muss. Das soll ein Incentive sein, um möglichst schnell zu identifizieren.

Zu Ihrer Frage nach der sozialen Symmetrie. – Ich denke, diese Diskussion kann man natürlich immer führen, und ich hoffe, wir stimmen dahin gehend überein, dass eine bewährte österreichische Tradition, beispielsweise: Großmutter schenkt dem Enkerl ein Sparbuch, auch wirklich von steuerlichen Sanktionen unbehelligt bleiben sollte; in Anlehnung an eine Regelung, die bei der Erbschaftssteuer schon vor längerer Zeit gefunden wurde, übrigens hier auch ohne eine betragsmäßige Grenze, wozu auch Ihre Fraktion damals die Zustimmung gegeben hat.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 19

Unsere Sorge bezüglich eines betragsmäßigen Limits war ganz einfach, dass Kapital Österreich verlassen könnte und wir insofern österreichische Interessen, auch was die 25 Prozent Kapitalertragsteuer betrifft, schädigen könnten. Jeder Mann/jede Frau, der/die 2, 3 Millionen Schilling auf seinem/ihrem Sparbuch hat und diese verschenken will, könnte sich veranlasst sehen, eben wegen der Schenkungssteuer, ins Ausland zu gehen und dort zu schenken und damit an den österreichischen Steuergesetzen vorbei zu agieren. Insofern hätten wir Kapital im Ausland, hätten nichts von einer Kapitalertragsteuer im Inland, und damit wäre der Republik genauso wenig gedient. Es war daher, glaube ich, eine Frage der Vernunft, diese Regelung zu treffen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Trattner, bitte.

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Finanzminister! Warum muss die Abhebung von anonymen Sparbüchern nach dem 30.6.2002 der Polizei gemeldet werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es ist Ihnen wie mir und manchen Sparern, denke ich, genauso wenig willkommen, dass das veranlasst werden muss. Wir haben aber auch hier versucht, eine möglichst entgegenkommende Regelung zu finden, zumal ja die FATF den ersten Lösungsvorschlag, den wir im Ministerrat beschlossen haben, abgelehnt und dann mehrere Auflagen definiert hat, die dazu geeignet sind, den Ausschluss aus der FATF rückgängig zu machen.

Ein Vorschlag der FATF war, dass man für Sparer nach einer nicht erfolgten Identifikation bis zu diesem Datum – 30. Juni 2002 –, sofern die Einlage über 200 000 S ausmacht – diese Grenze ist mir wesentlich, sie wurde von uns eingeführt –, eine Fondslösung vorsieht. Das heißt, die zu diesem Zeitpunkt nicht identifizierten Sparbücher sollten in einen österreichweiten Fonds überwiesen werden. Das hätte durchaus Ähnlichkeit mit einer stillen Enteignung gehabt; etwas, was der österreichischen Bevölkerung und den Sparern gegenüber nicht vertreten werden kann.

Daher haben wir versucht, mit der 200 000-S-Grenze 21 Millionen Sparbücher und damit mehr als 90 Prozent der Sparbücher überhaupt von dieser Regelung auszunehmen. Jene Sparer, die diese Grenze überschreiten und von heute beziehungsweise 1. November an bis 30. Juni 2002, also in mehr als zwei Jahren, nicht einmal den Weg zur Bank finden, um zu identifizieren, müssen dann eine verschärfte Kontrolle in Kauf nehmen. Besteht hier der Verdacht auf Geldwäsche oder nicht?, das wird dann kontrolliert, und wenn das ausgeschlossen werden kann, dann kann die Auszahlung der Sparguthaben erfolgen.

Aber es war eine aus der Sicht der FATF unumgängliche Maßnahme, damit wir den Ausschluss verhindern können. Der Ausschluss – ich denke, das ist uns allen bewusst – hätte dazu geführt, dass der Bankenplatz, der Finanzplatz Österreich massiv belastet worden wäre, dass das Rating sowohl der Republik als auch der Banken in Gefahr geraten wäre und dass wir auf die schwarze Liste jener Länder gesetzt worden wären, die nicht gegen Geldwäsche ankämpfen. Das kann nicht österreichisches Interesse sein.

Ich glaube, dass die Balance: Beibehaltung der Sparkultur einerseits und Erfüllung internationaler Anforderungen andererseits, sehr gut gelungen ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir das Thema Anonymität erledigt.

Die 3. Frage bitte ich Herrn Abgeordneten Kogler zu formulieren. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Geschätzter Herr Minister! Wie lassen sich Ihrer Meinung nach die Vorschläge des Internationalen Währungsfonds, das strukturelle Budgetdefizit bis zum Jahr 2002 auf null zu reduzieren – diesem Vorschlag haben Sie sich ja angeschlossen –, mit den im Koalitionsübereinkommen vereinbarten Maßnahmen zur Familienförderung, Stichwort: Karenzgeld für alle, zur Landwirtschaftsförderung und zur Finanzierung und Dotierung des Bundesheeres, Stichwort: Abfangjägerfinanzierung, vereinbaren?


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 20

Die schriftlich vorliegende Anfrage hat folgenden Wortlaut:

35/M

Durch welche Maßnahmen lässt sich der Vorschlag des Internationalen Währungsfonds, das strukturelle Budgetdefizit bis zum Jahre 2003 zu beseitigen, mit den im Koalitionsübereinkommen festgelegten zusätzlichen Ausgaben für Familien ("Karenzgeld für alle"), die Landwirtschaft und das Bundesheer vereinbaren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass die Bundesregierung sich mit dem gegenwärtigen österreichischen Stabilitätsprogramm für die Jahre 2000 bis 2003 verpflichtet hat, den Pfad des Stabilitätsprogramms 1998 fortzusetzen und das Defizit des Bundes bis zum Jahre 2003 auf 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, jenes des Gesamtstaates auf 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu reduzieren.

Mittlerweile ist klar und hat sich auf europäischer Ebene sehr deutlich herausentwickelt, dass die Konjunktur wesentlich besser läuft, dass ein Großteil der europäischen Mitgliedsstaaten die Stabilitätsziele von 2002 auf 2001 vorziehen möchte. Insofern ist auch Österreich dazu aufgefordert, eine deutlichere Defizitabsenkung rascher als geplant vorzunehmen.

Ich darf Sie aber dahin gehend korrigieren, dass ich mich nicht dazu bekannt habe, zumindest nicht bisher, mich dem Vorschlag des Internationalen Währungsfonds anzuschließen, dass man 2003 auf null steht. Ich habe in Luxemburg bei der Tagung des Euro-11 und des ECOFIN gesagt, es werde das österreichische Ziel sein, deutlicher, rascher, ehrgeiziger zu konsolidieren und zumindest deutsches Niveau – die Deutschen wären dann die Letzten in Europa, was die Konsolidierung betrifft – zu erreichen, was bedeuten würde: 2003 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Also close to balance or surplus in einer Definition 0 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Sie fragen: Wie lassen sich diese Ziele mit den im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen vereinen? – Es ist unsere Intention, und wir arbeiten sehr massiv daran, ein Gesamtpaket zu schnüren, das die Ausgaben auf Bundesseite sehr, sehr deutlich reduzieren soll.

Erster Punkt: Strukturreformen, Beispiel Pensionsreform, Beispiel Verwaltungsreform. Diese sind auch öffentlich diskutiert worden und sollen Dynamiken bei den öffentlichen Ausgaben deutlich brechen helfen.

Zweiter Punkt: Aufgabenreform. Es gibt den Regierungsbeschluss, dass bis zu diesem Monat von jedem Kollegen/jeder Kollegin Aufgaben präsentiert werden sollen, die sich traditionell in Österreich entwickelt haben, für die wir aber keine Rechtfertigung deshalb mehr sehen, weil sie der Bevölkerung keinen Nutzen bringen. Das heißt: Welche Aufgaben können wegfallen, damit wir auch hier Ausgaben einsparen können?

Dritter Punkt: Welche Ausgliederungen und Privatisierungen können wir vornehmen, welche Bereiche, die bisher in der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen worden sind, können privatwirtschaftlich verwaltet werden oder mit einer budgetären Deckelung, wiederum mit der Zielsetzung, Ausgaben einzusparen, versehen werden?

Vierter Punkt: Wir versuchen, ein Schuldenrückzahlungsprogramm zu entwickeln, das dazu führen soll, die Finanzschuld Österreichs und damit die Zinsen, die mit etwa 100 Milliarden Schilling doch sehr beträchtlich sind, zu reduzieren. Wenn es gelänge, in dieser Legislaturperiode beispielsweise 200 Milliarden Schilling an Schulden zurückzuzahlen – bei einer Verzinsung von 5,5 Prozent sind das knappe 10 Milliarden Schilling, die wir bei den Zinsen einsparen könnten –, wäre das auch eine wesentliche Entlastung.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 21

Fünfter Punkt: Finanzausgleichs-Verhandlungen; heute bereits angesprochen. Für mich gilt: Sparen ist nicht nur Sache des Bundes, nicht nur von uns, sondern aller Gebietskörperschaften. Daher muss auch von dieser Seite ein sehr deutlicher Beitrag kommen.

Darüber hinaus könnte man jetzt über eine Redefinition von Standards diskutieren, die auch dazu führen können, Ausgaben auf Bundesseite zurückzudrängen.

Ich werde also zuallererst über die Aufgaben- und Ausgabenseite nachdenken, versuchen, hier zu sehr, sehr deutlichen Einsparungen zu kommen und damit neues Potential für neue Aufgaben, die Sie angesprochen haben, zu gewinnen – ob für eine Familienoffensive seitens der Bundesregierung, wie es etwa mit dem Kindergeld geplant ist, oder für andere Bereiche wie die Landwirtschaft oder das Bundesheer.

Inwiefern das gelingen wird, kann ich – ich bitte um Verständnis dafür – heute nicht endgültig sagen, weil das Budget für das Jahr 2000, wie Sie wissen, erst vor kurzem hier im Hohen Haus beschlossen worden ist, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir sehr, sehr deutliche Effekte auf der Ausgabenseite erreichen werden, damit wir auf der anderen Seite wesentliche Vorhaben der Bundesregierung finanzieren können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage, wie ich annehme. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Finanzminister! Das Verständnis kann ich durchaus entgegenbringen. Allerdings die Ausgabenseite zu betrachten und die Frage der Abfangjägerfinanzierung links liegen zu lassen, das möchte ich denn doch nicht dulden und diese Frage wiederholen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, ich habe das nicht verstanden. Sie wiederholen die Frage?

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich wiederhole einen Teil der Frage und verstehe das als meine zweite Frage, nämlich: wie die Abfangjägerfinanzierung, die im Regierungsübereinkommen vorgesehen ist, stattfinden soll.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 22

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Nochmals: Wir versuchen alles, um auf der Ausgabenseite Reduktionen vorzunehmen, bisherige Aufgaben wegfallen zu lassen, damit wir uns neue Aufgaben auch leisten können, wie beispielsweise Familienoffensive Kindergeld, wie beispielsweise landwirtschaftliche Maßnahmen, wie beispielsweise Abfangjäger. Hier ist auch über eine Finanzierung zu diskutieren, die auch längerfristig erfolgen kann.

Ich darf Ihnen auch sagen: Was mich als Finanzminister natürlich sehr freut, ist, dass im Regierungsübereinkommen auch ein wesentlicher Eckpunkt der Budgetpolitik festgeschrieben ist, der da lautet: Neue zusätzliche budgetäre Ausgaben sind durch konkrete Gegenfinanzierungen der einzelnen Ressorts zu bedecken.

Das ist ein gewisser Ausweg, der dem Finanzminister immer übrig bleibt. Die nächsten Monate werden zeigen, in welchen Bereichen wir die Diskussion zu führen haben werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner, bitte.

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie am "Tag der Unfairness" – wir werden heute die Urlaubsaliquotierung beschließen beziehungsweise diese Koalitionsregierung wird das beschließen –: Glauben Sie, dass nach diesem Umverteilungspaket, das jetzt geschnürt wurde und zu Lasten der Arbeitnehmer geht, durch die nächste Belastungswelle – die Sie sichtlich planen, zumal wir in der Zeitung lesen können: "Grasser droht mit zweitem Sparpaket" – die soziale Treffsicherheit wenigstens in diesem Bereich erhöht wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bin Ihnen dankbar für die Frage. Es soll dem Finanzminister nichts Schlimmeres passieren, als in die Situation des Jahres 2000 kommen zu dürfen, wo die Bevölkerung einen Nettokaufkraftgewinn von 21 bis 23 Milliarden Schilling hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie wissen, dass wir eine Steuerreform in Kraft setzten beziehungsweise finanzieren durften, die die Koalition vor uns beschlossen hat, die der Bevölkerung 16 bis 18 Milliarden Schilling an Entlastung bringt sowie ein Familienpaket, das 12 Milliarden Schilling mehr bringt. Ich war daher, das darf ich auch heute noch einmal sagen, sehr erstaunt, dass man es angesichts dieser Faktenlage schafft, auf Grund der Einsparungsmaßnahmen auf der anderen Seite im Ausmaß von 7 Milliarden Schilling, was notwendig war, um die Konsolidierungsziele wie vorgeschrieben zu erreichen, von Belastung und von sozialer Asymmetrie zu sprechen. Sie wissen genauso gut wie ich – ich habe es oft genug vorgerechnet –, dass gerade die unteren 20 Prozent der Einkommenspyramide im Jahre 2000 wesentliche Profiteure der österreichischen Finanz- und Budgetpolitik sind. Beispielsweise hat eine allein erziehende Mutter mit einem Kind bei 18 000 S brutto über das Jahr gerechnet in etwa 9 000 S netto mehr in der Brieftasche. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Dass es uns gelingt, das, was wir heuer vorexerziert haben, auch in den nächsten Jahren fortzusetzen, ist ein Wunsch, den jeder Finanzminister hat, den man allerdings nicht immer erfüllen kann, aber 21 Milliarden Schilling netto mehr bedeutet nicht Verschiebung einer sozialen Symmetrie, bedeutet nicht Umverteilung von unten nach oben, wie Sie sagen; ich sage: von oben nach unten. Insofern ist das ein ganz, ganz wesentlicher Beitrag für die existenziell Schwächeren, für die sozial schwächere Bevölkerung, für die Mehrkinderfamilien, für diejenigen, die am Existenzminimum leben.

Wenn es uns gelingt, soziale Gerechtigkeit zu verstärken, soziale Gerechtigkeit neu zu definieren und einen Beitrag dafür zu leisten, dass nicht wie in der Vergangenheit 37 Prozent der österreichischen Transferleistungen an die unteren 20 Prozent der Einkommenspyramide gehen – in anderen Ländern sind es mehr als 50 Prozent –, wenn es uns gelingt, hier eine grundlegende Reform zustande zu bringen, dann, denke ich, haben wir mehr erreicht, als in den letzten 30 Jahren Sozialpolitik zustande gebracht wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser  – in Richtung des Abg. Ing. Gartlehner –: Das musst du in deinem Wahlkreis weitererzählen! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haupt, bitte.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie im Zusammenhang mit dem Vorwurf, den Herr Kollege Kogler formuliert hat, dass ungerechtfertigte Geschenke an die Landwirtschaft getätigt werden, die im Regierungsübereinkommen vorgesehene Senkung des Dieselpreises für die Landwirte auf das Niveau der Heizölpreise?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Im Grundsatz gibt es natürlich das Bekenntnis im Regierungsübereinkommen zu dieser Absenkung der Mineralölsteuer für Dieselöl auf das Niveau von Heizöl extra leicht. Ich muss aber sagen, dass auch mit der Steuerreform eine Entlastung der Landwirtschaft in der Größenordnung von 1,2 Milliarden Schilling bereits geschehen ist. Insofern sind weitere Zugeständnisse im Steuerbereich sicherlich vor dem Hintergrund der budgetären Möglichkeiten zu beurteilen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Finanzminister! Wir sind sehr froh, dass Sie die Budgetkonsolidierung so ernst und so energisch in Angriff nehmen. Sie haben dabei auch das Vertrauen der Mehrheit der beiden Regierungsfraktionen hier in diesem Hohen Haus.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 23

Die einzige Frage, die ich zusätzlich habe, ist: Haben Sie den Eindruck, dass diese Spargesinnung – wobei "sparen" von Ihnen definiert wird als "Steuermittel effizient einsetzen" und nicht "sparen zu Lasten des Bürgers" –, die Sie hier signalisieren und ernsthaft in Angriff nehmen, auch bei den anderen Finanzausgleichspartnern vorherrscht, weil wir letztlich ja ein gemeinsames Konsolidierungsziel haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich danke nochmals für das Vertrauen der Mehrheit des Hohen Hauses zu meiner Finanz- und Budgetpolitik. Zum anderen hoffe ich natürlich auch die Minderheit davon überzeugen zu können, dass wir eine richtungweisende Finanzpolitik machen (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Frage der Spargesinnung. – Werter Herr Abgeordneter! Ich muss ganz offen sagen, ich habe weder auf Seiten der Länder noch der Städte und Gemeinden in den Finanzausgleichs-Verhandlungen erkennen können, dass man hier wirklich bereit ist zu sagen: Wir versuchen in die Strukturen der jeweiligen Haushalte hineinzugehen und ernsthaft ein Paket mitzutragen, das wir – und das kann ich für alle Regierungskollegen und -kolleginnen sagen – durchaus schmerzhaft bereits im Jahre 2000 mit Ausgabenkürzungen in der Größenordnung von 14 Milliarden Schilling zustande zu bringen versucht haben.

Es ist mir dies also ein riesiges Anliegen, und ich ersuche Sie alle, meine Damen und Herren Abgeordneten des Hohen Hauses, dieser Gesinnung und diesem Bewusstsein von der Notwendigkeit des Sparens und des Sanierens unseres Haushaltes einen entsprechenden Platz einzuräumen. Ich denke, wenn wir hier den europäischen Vergleich sehen, dann ist es unsere gemeinsame Verantwortung, in dieser Legislaturperiode eine Sanierung des Staatshaushaltes und der öffentlichen Finanzen zu erreichen. Ein saniertes Budget heißt nämlich, dass wir hervorragende gesamtwirtschaftliche Daten auch in die Zukunft fortschreiben können. Wir können uns jetzt über eine Arbeitslosenrate von 3,3 Prozent freuen, die in den letzten Jahren in dieser Republik noch nie so niedrig war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Eine gute Regierung!)

Konsolidierte Finanzen zu haben, meine Damen und Herren, heißt, Voraussetzungen für Vollbeschäftigung und für niedrige Inflation, sprich hohe Geldwertstabilität, und damit für die Erhaltung – und wenn möglich noch Verbesserung – des Lebensstandards der Österreicherinnen und Österreicher zu haben. Das aber wird uns nur dann gelingen, wenn diese Spargesinnung, diese Bereitschaft, Strukturreformen, Aufgabenreformen durchzuführen, nicht nur auf Bundesseite, sondern auch auf Seiten der Länder, der Städte und Gemeinden gelebt wird. Ich denke, wenn wir alle Botschafter in diese Richtung sind und versuchen, Bewusstsein zu erzeugen, das heute noch nicht vorhanden ist, dann wird uns die Erreichung dieses ehrgeizigen Zieles auch gelingen. (Abg. Mag. Trattner: Endlich ein guter Finanzminister!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

29/M

Wodurch ist die Entpolitisierung des neuen Aufsichtsrates der ÖIAG sichergestellt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister. (Abg. Öllinger: Durch die "Hochzeitsgesetze"!)

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Gemäß dem ÖIAG-Gesetz 2000, das hier im Hohen Hause beschlossen wurde, ist die Entpolitisierung des Aufsichtsrates der ÖIAG durch einen neuen Bestellmechanismus insofern sichergestellt, als nach einer Erstbestellung auf Vorschlag der Bundesregierung zukünftige Bestellun


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 24

gen durch den Aufsichtsrat selbst zu erfolgen haben. Wir haben in der Hauptversammlung der ÖIAG am 17. Mai 2000 den Aufsichtsrat bestellt. Ihm gehören neben fünf von der Bundes-Arbeiterkammer nominierten Aufsichtsratsmitgliedern zehn Mitglieder an, die von der Kapitalseite bestellt worden sind. Das sind Unternehmerpersönlichkeiten, die in Summe für in etwa 3 000 Milliarden Schilling Umsatz in ihren Unternehmen – das ist mehr als das österreichische Bruttoinlandsprodukt – stehen. Das sind Unternehmer, die zusammen für etwa 650 000 Mitarbeiter stehen und damit einfach in ihrem jeweiligen Unternehmen, in ihrer privatwirtschaftlichen Laufbahn und Karriere gezeigt haben, dass sie zu wirtschaften verstehen, dass sie es verstehen, Wertschöpfung zu kreieren, und auch in der Lage sind, sehr vorbildlich Verantwortung für Mitarbeiter auszuüben.

Insofern waren einerseits der Bestellmechanismus wie im Gesetz vorgesehen und andererseits ein freiwilliges Bekenntnis, die Aufsichtsräte über einen Headhunter zu objektivieren, dazu angetan, eine wirkliche Entpolitisierung des Aufsichtsrates zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Es ist ja durchaus erfreulich, dass es zu dieser Entpolitisierung im Aufsichtsrat gekommen ist, und ich glaube, es ist dies in allen Fachkreisen sehr begrüßt worden. Trotzdem gab es seitens der Opposition immer wieder entsprechende Kritik an der Neubestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in der ÖIAG. Meine Zusatzfrage: Wie wurde der Vorschlag zur Neunominierung von Aufsichtsratsmitgliedern in der ÖIAG in der Bundesregierung vorbereitet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben, ohne dass dazu eine gesetzliche Verpflichtung besteht, zur Erstellung des Vorschlages der Bundesregierung und zur Gewährleistung der Objektivität in möglichst hohem Ausmaß die Unterstützung eines Personalberatungsunternehmens eingeholt, das eine Auswahlliste von geeigneten Kandidaten erstellen sollte. Das Bundesministerium für Finanzen hat ein der ÖNORM A 2050 entsprechendes Verfahren zur Einholung von Angeboten von Personalberatungsunternehmen durchgeführt. Nach Prüfung sämtlicher eingegangener Angebote wurde Egon Zehnder International im Hinblick auf die spezifische Aufgabenstellung in technischer und wirtschaftlicher Gesamtsicht als Bestbieter qualifiziert und mit der Durchführung eines professionellen und objektiven Verfahrens zur Erstellung einer entsprechenden Auswahlliste von geeigneten Aufsichtsratskandidaten beauftragt.

Wir haben in einem ersten Vorschlag in etwa 40 auf internationaler Ebene ausgewählte Kandidaten bekommen. Diese wurden in einem ersten Screening auf etwa 20, in einem zweiten Screening auf etwa 14 reduziert, aus denen dann mein Vorschlag an die Bundesregierung erstellt worden ist.

Wenn ich daran denke, dass es gelungen ist, einen Professor Hubbert, Vorstandsmitglied von DaimlerChrysler, oder einen Dr. Achleitner, Finanzvorstand der Allianz, nach Österreich in Aufsichtsräte zu bekommen, dann dürfen wir uns mit Recht darüber freuen, dass uns hier etwas gelungen ist, was in der Geschichte der verstaatlichten Industrie noch nie und meines Wissens bisher auch in keinem anderen Aufsichtsrat in Österreich gelungen ist, und dass wir hier einen Aufsichtsrat haben, der über jeden Zweifel erhaben ist und damit auch Garant dafür sein wird, dass die Verwirklichung der Zielsetzung der Bundesregierung, unserer gemeinsamen Zielsetzung – nämlich die Privatisierung im Interesse der österreichischen Wirtschaft, des Industriestandortes und der Beschäftigten wie beschlossen voranzutreiben und umzusetzen –, auch tatsächlich gelingen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Frieser, bitte.

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Bundesminister! Die Bestellung von Aufsichtsräten ist ja nicht eine Frage der politischen Herkunft, sondern der Sachkompetenz. Sie


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 25

haben vorhin ausgeführt, dass nunmehr sachkompetente Aufsichtsräte in die ÖIAG bestellt wurden. Welche Vorteile bringt nun diese Bestellung für die ÖIAG?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich gehe davon aus, dass, wie Sie selbst angesprochen haben, Unternehmerpersönlichkeiten, die für so viele Mitarbeiter Verantwortung tragen, die so viel an Wertschöpfung in ihren Unternehmen zu verantworten haben und das richtungweisend tun – mit jährlichen Steigerungen der Umsätze, mit jährlichen Steigerungen der Beschäftigungszahlen –, wohl bestmöglich dafür geeignet sind, die sachlichen Zielvorstellungen, die mit dem Gesetz einerseits und dem Privatisierungsauftrag der österreichischen Bundesregierung andererseits ergangen sind, auch umzusetzen.

Es ist ein sehr ehrgeiziges Programm, in dieser Legislaturperiode die österreichische Telekom, die Austria Tabak, die restlichen Anteile des Flughafens, die Postsparkasse, das Dorotheum, die Printmedia AG und einige andere kleinere Unternehmen im öffentlichen Besitz einer Privatisierung zuzuführen – einer Privatisierung, die so verstanden sein soll, dass die Interessen der Beschäftigten in diesen Unternehmen bestmöglich wahrgenommen werden. Das heißt, dass die bestehenden Arbeitsplätze gesichert werden sollen, dass, wenn es geht, Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass in den nächsten Jahren neue Arbeitsplätze ermöglicht werden können, dass Investitionen in diese Unternehmen ermöglicht werden können und dass damit der Industriestandort Österreich gesichert wird, österreichische Interessen gewahrt werden, und das heißt auf der anderen Seite auch, dass ein größtmöglicher Ertrag für die Republik erzielt wird. Auch das muss unser Ziel sein: 82 Milliarden Schilling an Altschulden, die es in der ÖIAG gibt, entsprechend rückzahlen zu können, damit diese 82 Milliarden Schilling nicht in das Budget zurückfallen und wir wiederum Steuer- und Abgabenerhöhungen durchführen und die Bevölkerung belasten müssen, um diese Altschulden zurückzuzahlen.

Ich denke also: Die Wahrung österreichischer Interessen, die Interessen der Beschäftigten, die Rückzahlung der Altschulden und eine aktive und gestaltende Strategie für den Industriestandort – das werden diese Persönlichkeiten als Unternehmerpersönlichkeiten, als solche, die der Privatwirtschaft verpflichtet sind und sich in keiner Weise von irgendjemandem für private beziehungsweise für politische Zwecke werden vereinnahmen lassen, gewährleisten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Da Kollege Böhacker schon darauf hingewiesen hat, dass es Vorwürfe dahin gehend gibt, dass, was die Postenbesetzung im Allgemeinen, aber jene des ÖIAG-Aufsichtsrates im Besonderen betrifft, eine rot-schwarze durch eine blau-schwarze Vorgangsweise ersetzt worden ist (Abg. Böhacker signalisiert durch ein Handzeichen Widerspruch – Abg. Dr. Martin Graf: Das hat er nicht gesagt!), drängt sich geradezu die Zusatzfrage auf, wie Sie diesem konkretisierten Vorwurf der Freunderlwirtschaft in diesem Bereich begegnen, zumal Ihr Parteifreund Prinzhorn seinerseits wiederum Freunde im ÖIAG-Aufsichtsrat findet. (Ruf bei den Freiheitlichen: Frage?!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf um etwas ersuchen – ich weiß, dass das nicht leicht ist und dass sich das politisch nicht aufdrängt –, nämlich darum, dass wir es einmal zustande bringen, einen in manchen Fällen österreichischen Pessimismus, bei dem man immer weiß, warum es nicht funktioniert, und bei dem man an noch so sachlich und mit dem Versuch der Objektivität vorbereiteten Vorgängen immer Kritik üben kann, umzudrehen und auch zu sagen: Wir können uns freuen, wir können stolz darauf sein, dass sich ein Professor Hubbert, ein Dr. Achleitner, ein Dr. Heinzel, allesamt Persönlichkeiten, die mit der Politik nichts am Hut haben, sondern die ihren Beitrag in diesem Aufsichtsrat leisten – einen idealistischen Beitrag, darf ich sagen, weil sie es alle nicht notwendig hätten, in diesem Aufsichtsrat zu agieren –, für Österreich, für den österreichischen Steuerzahler, für die österreichische Bevölkerung zur Verfügung gestellt haben. Ich denke, wir können


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 26

froh darüber sein, dass uns das gelungen ist, und stolz auf diese Besetzung des Aufsichtsrates sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zum 5. Thema.

Ich bitte Herrn Abgeordneten Mag. Schlögl, die Frage Nr. 33 zu formulieren.

Abgeordneter Mag. Karl Schlögl (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

33/M

Planen Sie im Zuge der laufenden Finanzausgleichsverhandlungen die Abschaffung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels vorzuschlagen?

Und wann wollen Sie die Finanzausgleichsverhandlungen abschließen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich konnte früher schon ausführen, dass es gemeinsam im Konsens möglich war, die Frage des abgestuften Bevölkerungsschlüssels, neben einigen anderen Themen wie beispielsweise auch dem horizontalen Finanzausgleich, auf die Tagesordnung der Finanzausgleichsverhandlungen zu setzen. Es wird dies natürlich eine Frage von hoher Sensibilität sein, weil die Umverteilung bestehender finanzieller Ressourcen immer die Konsequenz einer Neuregelung mit einschließt. Ich habe meine Position beschrieben, und diese wird sicherlich eine vorsichtige sein, um hier nicht selbst dann in die Rolle des Mittelbeschaffers derjenigen zu kommen, die hier sozusagen in Zukunft Mindereinnahmen zu erwarten haben.

Wann werden wir den Finanzausgleich abschließen? – Das ist, wie Sie sicherlich wissen, eine schwierige Frage, weil Finanzausgleichsverhandlungen oft auch ein gewisses traditionelles Procedere verlangen. Wir werden die gesamte Themenliste im August einmal mit den Partnern durchverhandelt haben, haben aber gleichzeitig einen Fahrplan, der bis Dezember geht, vereinbart. Meine Hoffnung ist natürlich, die Verhandlungen so rasch wie möglich abschließen zu können; mein politischer Realismus sagt mir aber, dass es, da es um essentielle, wichtige Fragen nicht zuletzt der Mittelverteilung an alle Gebietskörperschaften geht, doch eher etwas länger als kürzer dauern wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schlögl (SPÖ): Herr Bundesminister! Die Gemeinden und Städte sind unbestritten ein wichtiger Konjunkturmotor. Mehr als die Hälfte aller öffentlichen Investitionen werden von den Gemeinden getätigt.

Was werden Sie tun, um die Finanzkraft der Gemeinden auch in Zukunft zu stärken und zu garantieren, dass die Gemeinden genügend Finanzmittel für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich stimme mit Ihnen überein, dass Städte und Gemeinden die größten öffentlichen Investoren sind und insofern jedes Jahr aufs Neue einen ganz wichtigen Beitrag zur Beschäftigung, vor allem auch im Rahmen der Bauwirtschaft, leisten.

Was die Verteilung und die Entwicklung der Einnahmen- und auch der Abgabensteigerungen in den letzten Jahren betrifft, so darf ich darauf verweisen, dass wir im Zeitraum 1992 bis 1998 jährlich durchschnittliche Steigerungen von 3,5 Prozent bei den Einnahmen der Gemeinden und der Städte zu verzeichnen hatten. Insofern gehe ich davon aus, dass den Gemeinden ausreichende finanzielle Mittel zur Bewältigung ihrer Aufgaben zur Verfügung stehen, bin aber auch in dieser Frage immer für eine konstruktive Debatte offen. Ich füge aber gleichzeitig hinzu, dass


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 27

meines Erachtens dann, wenn wir dieses Bewusstsein des Sparens, der Aufgaben- und der Strukturreformen diskutieren, auch die Gemeinden und die Städte einen Beitrag zu leisten haben.

Sie waren ja nicht nur Minister, sondern Sie sind auch Bürgermeister und wissen daher besser als ich, dass wir so manches Mal ein gewisses "Kirchturmdenken" haben und die eine Gemeinde das will, was die andere auch schon hat, ob das nun Bäder sind oder ob das sehr wichtige Einrichtungen sind wie beispielsweise die Feuerwehr, wo man manchmal auch zu viel, also mehr, als notwendig ist, tun kann – bei aller Bewahrung und Wertschätzung des Idealismus. Ich denke, es gibt ein großes Einsparungspotential, wenn auch der Wille zur Zusammenarbeit und zur gesamtstaatlichen Betrachtung vorhanden ist.

Insofern sehe ich die Bewältigung der Aufgaben durch die bestehenden finanziellen Mittel für gesichert und hoffe auf der anderen Seite, dass wir hier auch einen Beitrag zur Erreichung der gesamtstaatlichen Ziele der Konsolidierung unseres Haushaltes erlangen werden.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 28

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haigermoser, bitte.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Bundesminister! In Sachen gerechterer Finanzausgleich hat die alte Koalition ja bekanntermaßen versagt. Daher haben wir darüber zu debattieren, wie hier Gerechtigkeit geschaffen wird. Während die einen Gemeinden in Geld schwimmen, was unter anderem auch durch eine verkorkste Raumordnung der Länder verursacht ist, sind die anderen Gemeinden quasi an der Armutsgrenze gelandet.

Daher die Frage: Halten Sie die Überlegungen, die dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel zu Grunde liegen, dass nämlich von der Aufgabenverantwortung her die Zuteilung höherer Ertragsanteile an einwohnerstarke Gemeinden gegenüber Gemeinden mit geringerer Bevölkerung gerechtfertigt ist, noch für zeitgemäß und noch quasi für ein Umsetzungsziel?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Im Finanzverfassungsgesetz 1948, das ja die verfassungsrechtliche Grundlage für jedes Finanzausgleichsgesetz bildet, ist der Grundsatz der ausgewogenen Lastenverteilung festgelegt. Dieser Grundsatz besagt im Wesentlichen, dass die finanzausgleichsrechtlichen Regelungen jeweils in Übereinstimmung mit der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften zu erfolgen haben.

Von dieser Grundforderung an jeden Finanzausgleich ausgehend, wird der Aufgabenbereich, den größere Gemeinden gegenüber kleineren Orten zu erfüllen haben, einerseits durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein; andererseits gebe ich Ihnen Recht, dass es sinnvoll und notwendig ist, historisch entwickelte Verteilungen der Finanzen, der öffentlichen Abgaben neu zu diskutieren und hoffentlich auch konsensual zu einer neuen Übereinkunft zu kommen.

Ich darf aber auch darauf hinweisen, dass es bereits in der Vergangenheit immer wieder Veränderungen in den Finanzausgleichsverhandlungen gegeben hat. So hat man beispielsweise im Finanzausgleichsgesetz 1985 den untersten Vervielfältiger für Gemeinden mit höchstens 1 000 Einwohnern beseitigt und damit diese Kleingemeinden denen mit einer Einwohnerzahl von 1 001 bis 10 000 Einwohnern gleichgestellt. Das brachte eine maßgebliche finanzielle Besserstellung gegenüber der alten Regelung. Man hat im Finanzausgleichsgesetz 1993 beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel einen jährlichen Sockelbetrag von 102,3 S je Einwohner eingeführt, der ebenfalls für die kleinen Gemeinden eine finanzielle Besserstellung zu Lasten der großen Gemeinden bedeutete.

Diese Regelungen der Vergangenheit, durch die es möglich war, erste Schritte zu tun, um die finanzielle Leistungsfähigkeit der kleineren Gemeinden zu stärken, könnte man daher, so der Wille bei allen Partnern vorhanden ist, auch in der Zukunft fortsetzen und hier zu einer Neudefinition kommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Fink, bitte.

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich rede auch nicht von den Gemeinden, die in Geld schwimmen, sondern von den ländlichen Gemeinden, die kein Geld haben, die zu wenig Geld haben. Die Aufgaben dieser Gemeinden haben sich ja sehr ausgeweitet, auch was die Errichtung der Gemeindestraßen oder deren Instandhaltung oder die Abwasserentsorgung betrifft.

Meine Frage, Herr Finanzminister: Gibt es vom Gemeindebund bereits Vorschläge, wie die Finanzkraft der kleinen Gemeinden erhöht werden kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es gibt natürlich vom Gemeindebund mehrfach Vorschläge, die auch im Ländermemorandum, das mir übergeben worden ist, dargestellt sind. Wir haben uns auf Grund dieser Vorschläge des Gemeindebundes auch darauf geeinigt, die Tagesordnung der Finanzausgleichsverhandlungen entsprechend zu ergänzen. Ich darf aber natürlich sagen: Alle Vorschläge, die eingebracht worden sind, führen zu einer Verteilung des bisherigen Finanzvolumens zu Lasten eines Partners und zu Gunsten anderer Partner, vor allem der von Ihnen angesprochenen Gemeinden mit geringerer finanzieller Ausstattung.

Insofern ist es eine Frage großer Sensibilität, die uns allen bewusst ist. Wenn Sie ansprechen, dass es mehr an Aufgaben und damit auch mehr an Ausgaben für die Gemeinden gibt, dann, so denke ich, müssen wir uns alle auch vor Augen führen, dass natürlich auch die Standards, die wir festgelegt haben, die auch hier im Hohen Haus festgelegt worden sind, zu immer mehr an Ausgaben auf Gemeindeebene geführt haben. Insofern wäre es meines Erachtens in manchen Bereichen durchaus auch überlegenswert, sich diese Standards noch einmal anzusehen: Ist es bei größtmöglicher notwendiger Aufgabenerfüllung für die Bevölkerung nicht vielleicht doch möglich, manche Grenzkostenbereiche zu vermeiden, wo man mit einem ungeheuren Mehr an Mitteleinsatz nur ganz, ganz kleine Verbesserungen für die Bevölkerung erreichen kann? – Das ist kein Vorschlag, der von Gemeindeseite gekommen ist, aber ich glaube, dass man über solche Dinge offen nachdenken sollte, um durch Aufgabenreform, durch Strukturreform, durch Standardneudefinition mehr Potential und mehr Spielraum für alle erreichen zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Nicht nur unter Experten ist es ein offenes Geheimnis, dass bei den Finanzausgleichsverhandlungen der vergangenen Jahre immer die Länder die Gewinner waren und dass diese Finanzausgleichsverhandlungen auf Kosten vor allem auch der kleinen Gemeinden gingen. (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!) Nun soll eine Umverteilung zu Gunsten dieser kleinen Gemeinden erfolgen, aber zu Lasten der größeren Städte. Dieser abgestufte Bevölkerungsschlüssel, der bis jetzt galt, soll ja nach Ihren Aussagen diskutiert werden, und das trifft die größeren Städte. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Die größeren Städte aber haben größere kulturpolitische Aufgaben, größere verkehrspolitische Aufgaben, und sie haben auch sozialpolitische und gesundheitspolitische Aufgaben. (Abg. Aumayr: Stellen Sie einmal eine Frage!)

Meine Frage: Wie wollen Sie gewährleisten, dass die Finanzkraft der größeren Städte nicht zu stark unter den neuen Verhandlungen leidet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Das wird die Verantwortung aller Finanzausgleichspartner sein, und ich kann Ihnen versichern, dass nach dem, was ich bisher kennen gelernt habe, jede Gebietskörperschaft selbst ihr eigener und bester Vertreter ist. Ich gehe also davon aus, dass die Städte niemals einer Regelung


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 29

zustimmen werden, die sie sozusagen unbotmäßig und über das Maß hinaus belasten würde, sodass sie ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen könnten.

Aber man hat in der Vergangenheit anhand der zwei Beispiele, die ich zitiert habe, gesehen, dass man 1985 und 1993 die Finanzkraft der Gemeinden, der kleinen Gemeinden, verbessern konnte und eine Neudefinition im Finanzausgleich möglich war.

Ich bin daher einmal zuversichtlich, dass wir diese Quadratur des Kreises im Konsens insofern bereinigen können, als auf der einen Seite den kleinen Gemeinden etwas gedient sein kann und wird und auf der anderen Seite die Länder nicht als Gewinner, sondern auch als Solidaritätspartner des Bundes in den Konsolidierungsbemühungen aussteigen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit kommen wir zum 6. Thema, der Neuordnung des Punzierungswesens.

Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Trinkl um die Formulierung seiner Frage.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Danke, Herr Präsident! – Herr Finanzminister! Meine Frage lautet:

32/M

Welche Ziele werden mit der Neuordnung des Punzierungswesens verfolgt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 30

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Neuordnung des Punzierungswesens ist ein Beispiel einer Aufgabenreform, bei der, so wie alle anderen Kolleginnen und Kollegen, natürlich auch wir im Finanzressort bemüht sind zu fragen: Welche Aufgaben hat man historisch erfüllt, und was davon müssen wir nicht unbedingt in die Zukunft fortführen?

Daher soll die Punzierungstätigkeit mit Lizenz in die Eigenpunzierung übertragen werden. Die staatliche Tätigkeit soll auf die Nachschautätigkeit, also auf die Überprüfung der Tätigkeit der dann lizenzierten Punzierer, reduziert werden. Dieses Vorhaben entspricht, darf ich sagen, auch Wünschen der Wirtschaft, die schon seit vielen Jahren formuliert werden.

Für jene Erzeuger, die auf Grund einer Konzession beziehungsweise Lizenz ihre Edelmetallgegenstände selbst punzieren können, ergeben sich auf Grund des Wegfalls von Wegezeiten zum Punzierungsamt Zeit- und auch Kostenersparnisse. Ich denke, dass das einfach eine wirkliche Notwendigkeit ist, bei uns, so wie in den meisten anderen europäischen Ländern auch, zu sagen: Das ist keine staatliche, das ist keine öffentliche Funktion. Wir beschränken uns auf das Festlegen klarer, nachvollziehbarer Spielregeln und versuchen, ein Kontrollwesen zu etablieren, das auch den Konsumenten ihre schützenswerten Interessen absichert.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage, wie ich annehme? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Finanzminister! Sie haben schon erwähnt, dass der Wegfall der obligatorischen Punzierung durch das Punzierungsamt ein lang gehegter Wunsch der Wirtschaft war. Letztendlich geht es auch darum, der Wirtschaft durch Verwaltungsvereinfachung bessere Rahmenbedingungen einzuräumen.

Nun war aber der Hauptzweck der seinerzeitigen obligatorischen Punzierung der Konsumentenschutz. Ich darf Sie daher fragen, Herr Minister: Bleibt durch die geplante Organisationsänderung im Rahmen der Punzierung dieser Konsumentenschutz auch entsprechend gewahrt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Selbstverständlich, Herr Abgeordneter! Es war das eine Frage, die wir natürlich im Auge hatten. Es ist enorm wichtig, auch da dem Konsumenten nach wie vor Sicherheit zu geben, und daher bleibt die obligatorische Punzierungspflicht natürlich erhalten. Das heißt: Alle Edelmetallgegenstände unterliegen vor dem Verkauf nach wie vor der Punzierungspflicht. Die Lizenznehmer müssen vor Erhalt ihrer Lizenz zur Punzierung angemessene Anforderungen erfüllen, was auch laufend überprüft wird. Die Wahrung des Konsumentenschutzes wird also sichergestellt sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haigermoser, bitte.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Auch bei dieser Neuordnung des Punzierungswesens handelt es sich um eine Entbürokratisierung. Die neue Koalition hat es in kürzester Zeit geschafft, das, was in der alten überhaupt nicht gelungen ist, über die Bühne, über die Rampe zu bringen. Auch darin wird eine positive Tätigkeit dieser Koalition sichtbar: Reformbereitschaft allenthalben.

Die Einnahmen aus der bisherigen Punzierungstätigkeit entfallen bekanntermaßen. Die Nachschautätigkeit ist, wie Sie angeführt haben, aus Konsumentenschutzgründen notwendig. Daher meine Frage: Entsteht durch diese Umgruppierung, durch diese Neuordnung eine budgetäre Mehrbelastung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es entsteht dadurch keine budgetäre Mehrbelastung. Zum einen wird die Erteilung der Konzession oder Lizenz zur Punzierung eigener beziehungsweise auch fremder Edelmetallgegenstände kostenpflichtig gestaltet werden. Dadurch müssen also jedenfalls die Kosten der staatlichen Kontrolltätigkeit gedeckt sein. Zum anderen darf ich sagen, dass das Hauptpunzierungs- und Probieramt in den letzten Jahren Verluste gemacht hat. Insofern handelt es sich dabei also um einen doppelt positiven Effekt, weil auch diese Verluste wegfallen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Das muss ein Irrtum sein. Ich habe keine Zusatzfrage angemeldet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich kann es Ihnen schwarz auf weiß beweisen. Aber Sie sind nicht verpflichtet, eine Zusatzfrage zu stellen.

Wir kommen zum 7. Thema, zur Anfrage des Abgeordneten Mag. Werner Kogler an den Herrn Bundesminister für Finanzen betreffend Einsparungspotential. – Ich bitte um die Formulierung der Frage.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke schön, Herr Präsident! – Herr Finanzminister! Meine Frage lautet:

36/M

Welches Einsparungspotential kann im Bereich der Wohnbauförderung durch eine strenge Bindung an soziale und ökologische Vergabekriterien erzielt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung gehört seit 1988 in Gesetzgebung und Vollziehung zu den ausschließlichen Kompetenzen der Länder. Auch wenn die Finanzierung der Wohnbauförderung schon wegen ihres großen Anteils an den Ausgaben sicherlich, wie bereits betont, auch Thema der laufenden Finanzausgleichsverhandlungen sein wird, erscheint


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 31

es mir aber nicht angebracht zu sein, die Länder, die verfassungsrechtlich zurzeit dafür zuständig sind, hinsichtlich der Art und Weise, wie sie diese Mittel der Wohnbauförderung gestionieren, zu bevormunden, solange die Mittel zweckgebunden entsprechend eingesetzt werden.

Das heißt, man sollte die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung berücksichtigen und sollte auch im Sinne der Subsidiarität durchaus davon ausgehen, dass die Länder selbst am besten wissen, wo die Prioritäten zu setzen sind – wir haben unterschiedliche Voraussetzungen in den einzelnen Ländern, auch was den Wohnungs- und den Sanierungsbedarf betrifft –, und dass sie selbst besser als der Bund in der Lage sein werden, Prioritäten so zu setzen, wie das eben aus Sicht des Landes und seiner Bevölkerung notwendig ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Diesmal ja. – Herr Finanzminister! Die allerorts diagnostizierte Einsparmöglichkeit im Bereich der Wohnbauförderung wird ja von niemandem bestritten, und auch gerade von Ihnen nicht.

Bis wann, glauben Sie, kann es, unbeschadet der verfassungsrechtlichen Situation, in der Sache selbst Änderungen geben, sodass wenigstens in diesem Bereich einmal Einsparungen im Ausgabenbereich getroffen werden können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Im Grundsatz gebe ich Ihnen insofern Recht, als man, wenn man sich die Frage stellt, was tatsächlich an Bedarf vorhanden und damit auch an Wohnbauförderungsmitteln notwendig ist, berücksichtigen muss, dass die Zahl der österreichischen Bevölkerung seit 1995 um weniger als 10 000 pro Jahr zugenommen hat, während es in den Jahren davor eine deutlich stärkere Zuwanderung und eine größere Steigerung der österreichischen Bevölkerungszahl gegeben hat.

Im internationalen Vergleich haben wir in Österreich – dies ist ein zweites Argument – in etwa 455 Wohnungen je 1 000 Einwohner. Das liegt im europäischen Vergleich absolut über dem Durchschnitt. Darüber hinaus haben wir einen Förderungsanteil an der gesamten Wohnbaufinanzierung, der im internationalen Vergleich ebenfalls besonders hoch liegt.

Ich geben Ihnen daher vollkommen Recht darin, dass wir da ein größeres Einsparungspotential haben. Das wurde von mir auch den Ländern gegenüber ausgeführt. Wir haben heute in etwa 24 Milliarden Schilling in der zweckgebundenen Gebarung, etwa 9 Milliarden Schilling in der nicht zweckgebundenen, sprich frei verfügbaren Gebarung der Länder. Meine Hoffnung ist, dass wir da doch sehr deutlich reduzieren können, um auf der Ausgabenseite einen wesentlichen Beitrag leisten zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Kubitschek, bitte.

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Herr Minister! Sie sehen einen Mangel an sozialer Treffsicherheit bei der Wohnbauförderung. Da die Kriterien von den Ländern bestimmt werden, stellt sich ganz konkret die Frage, in welchen Bundesländern Sie diesen Mangel sehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Das ist natürlich unterschiedlich jeweils nach den Regelungen einzelner Länder zu beurteilen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich Ihnen jetzt nicht sozusagen die soziale Treffsicherheit je nach Bundesland vor Augen führen kann. Ich bin aber persönlich der Überzeugung, dass die Wohnbauförderung in Summe sicherlich nicht so sozial ausgelegt ist, dass sie vor allem den unteren 20 Prozent der Einkommenspyramide zugute kommt. Wir wissen, dass da in unterschiedlichem Maße, je nach Festlegungen der Einkommenskategorien, doch auch Bevölkerungsteile in den Genuss der Wohnbauförderung kommen, angesichts derer man, wenn man


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 32

mehr soziale Gerechtigkeit haben will, sagen kann: Da sollte man eine Neudefinition der Kriterien vornehmen.

Ich bin der Überzeugung, dass das auch Gegenstand unserer Diskussionen mit den Ländern sein wird. Wir werden daher von unserer Seite aus den Ländern auch einen Vorschlag dahin gehend unterbreiten, wie man eine diesbezügliche Regelung gestalten sollte, damit man auch in diesem Bereich Einsparungen auf der einen Seite und mehr soziale Treffsicherheit auf der anderen Seite realisieren kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Firlinger, bitte.

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es herrscht unter Experten schon jetzt eine intensive Auseinandersetzung nicht nur hinsichtlich der sozialen Treffsicherheit des Wohnbauförderungssystems, sondern auch hinsichtlich ökonomischer Effizienz des Gesamtsystems.

Ich darf daher an Sie die Frage richten: Teilen Sie die Meinung diverser Studien, in welchen das derzeitige Wohnbauförderungssystem als teuer und ineffizient bezeichnet wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Ich teile die Meinung verschiedener Experten – ob das Herr Kramer vom Wirtschaftsforschungsinstitut ist oder Herr Felderer vom Institut für Höhere Studien oder andere Experten sind –, dass das derzeitige System der Wohnbauförderung sicherlich nicht die größtmögliche Effizienz und Zielgenauigkeit hat. Insofern ist eine Reform notwendig, und ich hoffe, dass die Länder bereit sind, auf der einen Seite Einsparungsmöglichkeiten zu sehen und auf der anderen Seite gemäß der Gepflogenheit, die in den letzten Jahren durchaus stattgefunden hat, die Zweckbindung zu wahren. Diese war einmal wesentlich stärker. Man hat dann versucht, einen Teil aus der Zweckbindung herauszuschälen. Dabei ging es um eine Größenordnung von 9 Milliarden Schilling. Das geschah mit einer enormen Dynamik, und jetzt ist natürlich der Wunsch der Länder vorhanden, Wohnbauförderungsmittel, die man nicht für den Wohnbau einsetzen muss, zweckentfremdet zu verwenden, weil die Situation auf dem Wohnungsmarkt dies zulassen würde. Es wurden nämlich in Spitzenzeiten ungefähr 60 000 Wohnungen pro Jahr gebaut, und zurzeit sind es etwa 40 000 Wohnungen, die auch langfristig ausreichen, um den Wohnungsbedarf unserer Bevölkerung sicherzustellen.

Das heißt, da gibt es ein entsprechendes Potential, und ich hoffe, dass die Länder bereit sind, da positiv mitzuwirken.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Trinkl, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Finanzminister! Diese Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, mit dem Steuergeld der Bürger sorgsam umzugehen, das heißt, einen effizienten Einsatz der Mittel sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Welchen Stellenwert hat die Wohnbauförderung im Zusammenhang mit dem Stabilitätsprogramm der Bundesregierung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung der Frage, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass das Stabilitätsprogramm einen Beitrag der Länder, Städte und Gemeinden in der Höhe von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zur Erreichung der Maastricht-Ziele vorsieht. Spezielle Aussagen über die Wohnbauförderungspolitik der Länder finden sich nicht im Stabilitätsprogramm.

Ich darf im Sinne meiner vorherigen Ausführungen ergänzen: Natürlich ist es ein großes Potential, dass es da gibt. Wenn man einerseits die Notwendigkeit des Wohnbaus sieht und anderer


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 33

seits die dafür eingesetzten Mittel in Betracht zieht, so kann man dafür sein, aus diesem Titel einen wesentlichen Beitrag zum Stabilitätsprogramm beziehungsweise zur Erreichung dieser 0,5 Prozent oder eines Betrages darüber hinaus zu leisten. (Beifall des Abg. Dr. Stummvoll. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Fragestunde ist damit beendet.

Ich danke dem Herrn Finanzminister.

Zwei Fragen sind unerledigt geblieben. Diese werden voraussichtlich in der nächsten Fragestunde zum Aufruf gelangen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 612/AB bis 616/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Dienstrechts-Novelle 2000 (176 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (179 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert wird (180 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (184 der Beilagen),

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, aufgehoben wird (195 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über soziale Sicherheit (88 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über soziale Sicherheit (89 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über soziale Sicherheit (112 der Beilagen),

Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 – SRÄG 2000 (181 der Beilagen);

Bautenausschuss:

Antrag 179/A (E) der Abgeordneten Doris Bures und Genossen betreffend eine zeitgemäße Reform des Hausbesorgergesetzes;


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 34

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz geändert wird (173 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen auf dem Gebiete der Währung im Zusammenhang mit der Ausgabe der Euro-Banknoten und -Münzen erlassen werden (Eurogesetz) und das Scheidemünzengesetz 1988 und das Nationalbankgesetz 1984 geändert werden (174 der Beilagen),

Antrag 185/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geändert wird,

Antrag 186/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird,

Antrag 187/A der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (182 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird (183 der Beilagen),

Antrag 182/A der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger, Dr. Erwin Rasinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169, geändert wird,

Antrag 184/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Lebensmittelverzeichnis;

Gleichbehandlungsausschuss:

Antrag 183/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Bericht der Bundesregierung über frauendiskriminierende Regelungen in Rahmenverträgen beziehungsweise allgemeine Geschäftsbedingungen der Versicherungswirtschaft;

Justizausschuss:

Antrag 189/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz geändert wird,

Antrag 190/A der Abgeordneten Doris Bures und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz geändert wird;

Ausschuss für Menschenrechte:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (127 der Beilagen);

Umweltausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz und das Wasserrechtsgesetz geändert werden (AWG-Novelle Deponien) (178 der Beilagen),

Antrag 177/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend einen österreichischen Klimaschutzmaßnahmenplan zur Erreichung des Kyoto-Ziels;

Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Mediengesetz geändert wird (98 der Beilagen),

Pensionsreformgesetz 2000 (175 der Beilagen),


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 35

Antrag 180/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über den Fonds für freiwillige Leistungen der Republik Österreich an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes (Versöhnungsfonds-Gesetz),

Antrag 188/A der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, und das Bundesbezügegesetz – BBG, BGBl. I Nr. 64/1997, geändert werden;

Verkehrsausschuss:

Antrag 178/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek und Genossen zur Erhaltung der Nebenbahnen;

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 181/A der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Dr. Martin Graf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird.

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 518/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 518/AB der Anfrage 486/J der Abgeordneten Dr. Petrovic betreffend autonome Polizisten durch den Herrn Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Diese Kurzdebatte wird nach § 57a der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, spätestens aber um 15 Uhr stattfinden.

Fristerstreckungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Ofner, Dr. Fekter und Mag. Stoisits beantragt haben, die dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag der Abgeordneten Posch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, Antrag 127/A, gesetzte Frist bis zum 1. Dezember des heurigen Jahres zu erstrecken.

Da zu diesem Fristsetzungsantrag die Durchführung einer Debatte nicht verlangt wurde, wird die Abstimmung über denselben nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung erfolgen.

Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler beantragt haben, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über das Sozialrechts-Änderungsgesetz in 181 der Beilagen eine Frist bis zum 4. Juli 2000 zu setzen.

Außerdem haben die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler beantragt, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über das Pensionsreformgesetz 2000 in 175 der Beilagen eine Frist bis zum 4. Juli 2000 zu setzen.

Schließlich haben die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler beantragt, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über das Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und das Bundesbezügegesetz geändert werden, 188/A, ebenfalls eine Frist bis zum 4. Juli 2000 zu setzen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 36

Es liegt in diesem Zusammenhang das von fünf Abgeordneten nach § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diese Fristsetzungsanträge durchzuführen.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen diesen Anträgen gibt, werde ich ohne Präjudiz so vorgehen, dass ich das Wort "eine" nicht nur als unbestimmten Artikel, sondern als Zahlwort betrachten werde, das heißt, dass eine gemeinsame Debatte über diese Anträge durchgeführt wird.

Diese Debatte wird im Anschluss an die Debatte über die Anfragebeantwortung stattfinden.

Die Abstimmung über die Fristsetzungsanträge wird getrennt erfolgen, und zwar logischerweise nach Schluss der darüber erfolgten Debatte.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte im Zuge der heutigen Tagesordnung zu den Punkten 1 und 2, 3 bis 6, 14 bis 19 sowie 20 und 21 jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich teile mit, dass in der Präsidialkonferenz Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt wurde: Es ist für die Punkte 1 bis 7 eine Redezeit von 5 "Wiener Stunden" und für die Punkte 8 bis 23 ebenfalls eine Redezeit von 5 "Wiener Stunden", in Summe somit eine Tagesblockzeit von 10 "Wiener Stunden" vorgeschlagen. Es ergeben sich für jeden dieser beiden 5-Stunden-Blöcke folgende Redezeiten: SPÖ 98 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 73 Minuten und Grüne 58 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Ich frage: Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest: Das ist einstimmig so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 123/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000), und

über den Antrag 131/A der Abgeordneten Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000) (187 der Beilagen)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 37

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 117/A der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (188 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der heutigen Tagesordnung. Die Debatte darüber wird unter einem durchgeführt.

Herr Abgeordneter Khol wünscht das Wort zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.

10.08

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sie haben verkündet, dass es zweimal fünf Stunden Blockredezeit gibt. Ich gehe davon aus, dass man jene Zeit, die man in den ersten fünf Stunden nicht verbraucht hat, in den zweiten fünf Stunden konsumieren kann, denn wir haben gesagt, dass es keine formelle Teilung gibt. Das ist das Ergebnis einer Übereinkunft in der Präsidiale. Aber wir können das nachher regeln.

10.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich glaube, dass es keinen Einwand dagegen gibt, dass eine Fraktion, die im ersten 5-Stunden-Block ihre Redezeit nicht ausschöpft, diese im zweiten 5-Stunden-Block verwenden kann. Es geht ja nur darum, dass wir zwei Gruppen von Debatten haben. – Bitte, Kollege Schieder.

10.09

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich weiß nicht, wie es ausgemacht ist, man müsste sich das Präsidialprotokoll anschauen. Aber wenn das so ist, dass man ohnehin aufrechnen kann, dann verstehe ich nicht, warum man zweimal fünf Stunden und nicht gleich zehn Stunden beschließt, denn dann ist es ohnedies wieder eine Gesamtredezeit.

10.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Schieder! Sofern ich mich richtig an die Präsidialkonferenz erinnere, ist das deshalb so gemacht worden, dass für den Fall, dass es um 15 Uhr eine Dringliche Anfrage gibt, der erste Block jedenfalls beendet ist. Das heißt, die fünf Stunden Blockzeit sind quasi eine Höchstgrenze der Debatte. Wenn aber die erste Debatte schon nach vier Stunden zu Ende geht, dann kann ich nur annehmen, dass es im Interesse aller vier Fraktionen ist, wenn sie für den zweiten Themenbereich sechs Stunden Redezeit zur Verfügung haben. Die strengere Regelung würde eigentlich die Redezeit insgesamt stärker begrenzen als die lockerere Regelung, die darin besteht, dass man jene Redezeit, die im ersten 5-Stunden-Block nicht verbraucht wird, im zweiten 5-Stunden-Block verbrauchen kann.

Kollege Schieder, ist das okay? (Abg. Schieder: Okay!)

Gibt es bei den Grünen auch einen Konsens? – Herr Abgeordneter Van der Bellen, bitte.

10.10

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich verstehe das jetzt nicht ganz, Herr Präsident. Wir haben in der Präsidiale eine Zweiteilung des Tages ausgemacht, und zwar jeweils rund fünf Stunden. Ich verstehe den Hintergrund nicht: Wollen sich ÖVP und FPÖ in der ersten Debatte gar nicht zu Wort melden und alles in die zweite Debatte verlagern? Warum wollen Sie das überhaupt?

Man könnte umgekehrt auch sagen, dass es in unserem Interesse läge, sehr viel mehr Zeit im ersten 5-Stunden-Block zu verwenden und dafür im zweiten Block auf diese Redezeit zu verzichten. Das wäre sehr in unserem Interesse.

10.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Van der Bellen! Mir sind beide Regelungen recht. Ich stelle fest: Der Grund dieser Einigung war, zu verhindern, dass die erste Debatte über die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 38

15-Uhr-Grenze hinaus geht, und zu erreichen, dass die zweite Debatte quasi zu einer vernünftigen Zeit beginnt und dass nicht durch eine allfällige Dringliche überhaupt erst um 18 Uhr mit dem zweiten Themenblock begonnen wird.

Dieses Ziel erreichen wir. Es ist nur die Frage, ob wir dann, wenn die erste Debatte rascher vonstatten geht, sagen: Wir freuen uns alle gemeinsam, denn es wird heute eben nicht 10 Stunden diskutiert, sondern nur 9 oder 8,5 Stunden!, oder ob die Fraktionen wünschen, dann, wenn die Debatte über den ersten Block früher zu Ende geht, für den zweiten Block mehr Redezeit zur Verfügung zu haben.

Der erste Block darf nicht länger als 5 Stunden dauern, er kann aber auch kürzer als 5 Stunden dauern. Es ist nur die simple Frage zu entscheiden: Ist dann, wenn der erste Block nur 4 Stunden dauert, die Zeit verfallen, oder kann diese Zeit für den zweiten Block in Anspruch genommen werden? – Bitte, Herr Professor Van der Bellen.

10.12

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Aber es gibt, Herr Präsident, meines Wissens keine Dringliche, also kann die Unterbrechung um 15 Uhr für den Einsatz allfälliger anderer parlamentarischer Instrumente nur kurz sein. Aber wenn die Regierungsparteien ihren Anteil an den 5 Stunden am Vormittag nicht ausnützen wollen, dann nehmen wir diese restliche Zeit gerne für uns in Anspruch, und zwar so, dass wir dann mit unseren Minuten auf die 5 Stunden kommen und dafür am Nachmittag kürzer reden. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. (Beifall bei den Grünen.)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Hohe Haus sieht jetzt, welch komplizierten Probleme in der Präsidialsitzung debattiert werden und wie gut es ist, dass wir das normalerweise in der Präsidiale tun. – Bitte, Herr Kollege Khol.

10.13

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir haben das in der Präsidiale deswegen so vereinbart, weil ja eine Blockredezeit von 5 Stunden in der Geschäftsordnung gar nicht vorgesehen ist. Wir haben einen Kompromiss geschlossen: Wir wollten nämlich jenen Punkt, der heute als Punkt 2 verhandelt wird, als Punkt 1 verhandelt haben. Wir haben den Grünen gesagt: Okay, ihr wollt diesen Punkt als Punkt 1 verhandelt haben, das könnt ihr so haben, aber wir wollen, dass die ersten drei Sozialpunkte bis 15 Uhr erledigt werden, und wir wollen, dass die Gesamtredezeit von 10 Stunden so verteilt werden kann, wie jede Fraktion es will, denn wir haben sehr viele Abgeordnete und nur eine sehr knappe Redezeit.

Aber wenn das nicht geht, dann werden wir in Zukunft in der Präsidiale entweder noch sorgfältiger protokollieren oder derartige Kompromisse nicht mehr schließen.

10.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wir machen jetzt Folgendes: Wir fangen jetzt mit der Debatte an, denn sonst werden wir schon aus diesem Grund bis 15 Uhr nicht fertig, und um 13 Uhr erlaube ich mir – und inzwischen kann ich noch bilaterale Gespräche führen – mitzuteilen, ob folgende simple Sache entschieden wird: Entweder es bleibt dabei: erster Block 5 Stunden, auch wenn er kürzer sein sollte, und zweiter Block 5 Stunden und nicht länger, oder als Variante: Jene Fraktion, die im ersten Block Redezeit einspart, darf diese im zweiten Block verwenden.

Diskutieren wir das jetzt nicht weiter, sondern beginnen wir mit der Debatte und entscheiden wir diese Frage bis 13 Uhr. Einverstanden? (Es wird kein Einwand erhoben.) – Gut.

Ein Wunsch nach Berichterstattung wurde nicht geäußert.

Erste Rednerin hiezu ist Frau Abgeordnete Silhavy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 39

10.15

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Der soeben getätigte Beitrag des Herrn Klubobmannes Khol hat gezeigt, welche Wertigkeit die ÖVP den vorliegenden Gesetzesmaterien, die meiner Meinung nach so wichtig und von elementarer Bedeutung für die Menschen unseres Landes sind, beimisst. Es geht nämlich um die simple Frage, ob man für den Sozial-Block vielleicht weniger Redezeit in Anspruch nehmen kann, dafür aber für den anderen Block mehr. Ich muss sagen: Das spricht Bände, und die Bevölkerung wird das auch entsprechend einschätzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die heute zur Beschlussfassung vorliegende Materie zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetz beweist einmal mehr den kaltschnäuzigen Umgang von Blau-Schwarz mit den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen dieses Landes. Unter Täuschung des Willens der Wähler und Wählerinnen hat Blau-Schwarz ein gut ausgestattetes Haus Österreich übernommen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Der Garten wurde von uns bestellt durch Steuerreform, Familienpaket und durch Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter Führung von Sozialministerin Hostasch. (Abg. Aumayr: Hoch verschuldet!)

Verschuldet ist gut gesagt, aber Sie haben Gegenwerte! Jetzt passen Sie auf, wie Sie mit diesen Gegenwerten umgehen! Sie wollen die Früchte, die wir gesät haben, nun ernten, und während sich die Menschen in diesem Land noch über diese Früchte freuen, haben Sie nichts anderes zu tun, als einzelne Zimmer auszuräumen, damit Sie andere Zimmer prunkvoll ausstatten können. Das ist Ihr Umgang mit dem Haus Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Was heißt das im konkreten Fall in Bezug auf die vorliegende Gesetzesmaterie? – Ohne Skrupel gegenüber jeglichen rechtlichen Bedenken fährt diese Koalition einen Kurs gegen jene Menschen, die im Laufe ihres Arbeitslebens ihre Gesundheit eingebüßt haben.

Meine Damen und Herren! Es ist hier die Rede von 7 000 Frauen und Männern, die, weil sie eben nicht mehr gesund sind, nicht einmal mehr die Hälfte ihres Einkommens aus ihrer Erwerbstätigkeit erzielen können. Beinhart ignoriert diese blau-schwarze Koalition die Lebenssituation dieser Männer und Frauen. Diese Regierung macht aus Pensionisten kaltschnäuzig Arbeitslose.

Durch diese Koalition ist für die Arbeitnehmerinnen und für die Arbeitnehmer unseres Landes der heutige Tag zum Zahltag geworden. Auf Kosten kranker Menschen werden 4,5 Milliarden Schilling nach oben umverteilt.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben alle Bedenken der Expertinnen und Experten ignoriert. Es steht in Ihrer eigenen Regierungsvorlage: 4,5 Milliarden Schilling ersparen Sie sich auf Kosten der kranken Menschen in diesem Land, die, weil sie ihre Gesundheit bei der Arbeit eingebüßt haben, nicht mehr in der Lage sind, aus ihrer Arbeitsfähigkeit ein ganzes Einkommen zu erzielen. Das ist Ihre politische Einstellung!

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben auch alle Expertenbedenken ignoriert: alles, was wir im Ausschuss gehört haben, alles, was wir beim Hearing gehört haben, und alles, was im Begutachtungsverfahren eingewendet wurde. Das Einzige, was sie gemacht haben, ist ein bisschen Makulatur. Und weil wir uns das so nicht bieten lassen können, bringe ich hiermit einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Reitsamer und GenossInnen ein.

Dieser Abänderungsantrag bedingt eine zur Gänze veränderte Fassung des Antrages 123/A, und damit wollen wir genau den Ergebnissen des Begutachtungsverfahrens, aber auch jenen des ExpertInnen-Hearings Rechnung tragen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf nur zwei Punkte eingehen.

Erster Punkt: Berücksichtigung der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues. Da der Antrag in schriftlicher Form vorliegt, brauche ich nicht näher darauf einzugehen. Ich möchte nur auf einen Druckfehler hinweisen: Es heißt natürlich "Bergbau", es gehört ein "g" eingefügt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 40

Wir sind der Meinung, dass wir mit unserem Antrag die Rahmenbedingungen für die Menschen, die im Bergbau arbeiten, entsprechend berücksichtigen und auch eine entsprechende fachliche Qualität garantieren können.

Nun zum zweiten Punkt. Das haben Sie sich, meine Damen und Herren von Blau-Schwarz, ja besonders schlau ausgedacht: Zur Entsendung in die Sozialversicherungsgremien ziehen Sie den Bundesseniorenbeirat heran, weil Sie sich denken, mit einem der blau-schwarzen Koalition gefälligen Gremium kann man dann nach parteipolitischen Aspekten entsenden.

Wozu, meine Damen und Herren, haben wir einen Bundesseniorenrat? Nach unserem Vorschlag soll der Bundesseniorenrat frei entscheiden, wen er in die betreffenden Gremien entsenden will.

Meine Damen und Herren! Zum Schwerpunkt dieser Materie, nämlich zu Ihrer überfallsartigen Abschaffung der frühzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, wird meine Kollegin Annemarie Reitsamer einen Entschließungsantrag entsprechenden Inhalts einbringen. Dieser Antrag ermöglicht Ihnen einen Weg, die Problematik dieser Alterspension fair zu lösen und nicht so, wie Sie es mit Ihrer Vorlage vorhaben. Statt streichen, kürzen und drüberfahren wollen wir eine faire Lösung, die folgendermaßen aussehen soll: Wir wollen den Menschen, die Hilfe brauchen, diese auch angedeihen lassen, und wir wollen den Menschen, die auf den Vertrauensschutz in unserem Lande auch weiterhin vertrauen wollen, dies auch ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Gestern haben Sie uns hier demonstriert, dass Sie den Bruch des Belastungsstopps vollführen. Heute demonstrieren Sie mit diesen Vorlagen nicht nur den Bruch des Belastungsstopps, sondern kommen mit einer gigantischen neuen Belastungslawine auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes zu.

Diese Belastungslawine wirkt bedrohlich für die Menschen dieses Landes, und diese Belastungslawine bedeutet eines: Wenn man den so oft von Ihnen strapazierten kleinen Leuten schaden will, wenn man alles zu Lasten dieser Menschen machen will, dann geht man genau so vor, wie Blau-Schwarz es tut. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie cashen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab, und zwar allein durch die Abschaffung dieser Pensionsform 4,5 Milliarden Schilling, wie ich es schon gesagt habe. Es würde mich interessieren, welchen Vorteil ein Unternehmen wie zum Beispiel die Lannacher Heilmittelwerke – ich nehme an, die Lannacher Heilmittelwerke sind Ihnen ein Begriff (Ruf bei der SPÖ: Minister Bartenstein!); genau, Herr Minister Bartenstein hängt damit irgendwie zusammen – zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erzielt. Mich würde das interessieren, denn damit – und Herr Minister Bartenstein hat es ja im Sozialausschuss selbst zugegeben – wird kein einziger neuer Arbeitsplatz geschaffen, und damit kann man auch keine Arbeitsplätze sichern.

In Wahrheit geht es darum, von unten nach oben umzuverteilen. Das ist Zweck Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Mit dieser Politik – und dessen sollten Sie sich, meine Damen und Herren von der Koalition, schon bewusst sein – gefährden Sie die sozialen Grundfesten dieses Staates, die wir Ihnen so gut und so wohlgestalt übergeben haben. Ich bitte Sie zu bedenken, welches soziale Risiko Sie mit Ihrer Politik eingehen. Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie unseren Anträgen zu! (Beifall bei der SPÖ.)

10.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der schriftliche Antrag, den Frau Abgeordnete Silhavy in den Hauptpunkten erläutert hat, wird verteilt werden, weil er sehr umfangreich ist. Er steht mit zur Verhandlung.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 41

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Annemarie Reitsamer und GenossInnen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 187 der Beilagen über den Antrag 123/A der Beilagen der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000) geändert wird

Begründung

Durch den gegenständlichen Abänderungsantrag soll eine in Gänze abgeänderte Fassung des Antrages 123/A der Beilagen (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000) hergestellt werden, die den Ergebnissen der Ausschussbegutachtung und dem Ergebnis des Expertenhearings Rechnung trägt. Es wird daher der gesamte Text des Antrages samt Titel und Eingang zur Gänze wie folgt abgeändert:

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 2/2000, wird wie folgt geändert:

1. Im § 421 Abs. 1 wird nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:

"Die Entsendung erfolgt auf Grund eines Beschlusses des allgemeinen Vertretungskörpers (Hauptversammlung, Generalversammlung, Kammertag) der jeweiligen Interessenvertretung."

2. Nach § 421 Abs. 1 werden folgende Abs. 1a und 1b angefügt:

"(1a) Bei der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen und der Versicherungsanstalt des Österreichischen Berbaues sind die Versicherungsvertreter aus der Gruppe der Dienstnehmer nach dem Ergebnis der Betriebsratswahlen (Personalvertretungswahlen) von der Bundesarbeitskammer zu entsenden. Für die Entsendung der Versicherungsvertreter aus der Gruppe der Dienstgeber hat die Wirtschaftskammer Österreichs das Ergebnis der Kammerwahlen der zuständigen Fachverbände zu berücksichtigen."

"(1b) Bei den Betriebskrankenkassen sind die Versicherungsvertreter aus der Gruppe der Dienstnehmer von der Bundesarbeitskammer nach dem Ergebnis der jeweiligen Betriebsratswahl zu entsenden. Für die Entsendung der Versicherungsvertreter aus der Gruppe der Dienstgeber ist die Wirtschaftskammer Österreichs zuständig."


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 42

3. § 440 Abs. 3 erster Satz lautet:

"Der Beirat kann unter Bedachtnahme auf die Aufgaben des Hauptverbandes in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung seine Anhörung verlangen, Anträge stellen und Stellungnahmen abgeben."

4. § 440a Abs. 3 lautet:

"(3) Der beim Hauptverband errichtete Beirat setzt sich zusammen

1. aus einem Vorsitzenden und zwei Vorsitzenden-Stellvertretern, die vom Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen auf Vorschlag der im Bundesseniorenrat vertretenen Seniorenorganisationen (§ 3 des Bundes-Seniorengesetzes, BGBl. I Nr. 84/1998) zu entsenden sind, und

2. aus den Vorsitzenden der Beiräte jener Versicherungsträger, die in der Verbandskonferenz (§ 441 Abs. 2) vertreten sind."

5. Im § 453 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 5 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 6 wird angefügt:

"6. über die Teilnahme von Mitgliedern der Beiräte an den Sitzungen der Landesstellenausschüsse und der Ausschüsse des Vorstandes mit beratender Stimme."

6. Nach § 585 wird folgender § 586 samt Überschrift angefügt:

"Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. xxx

§ 586. § 421 Abs. 1, § 440 Abs. 3, § 440a Abs. 3 und § 453 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 tritt mit ... 2000 in Kraft.

Artikel 2

Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes

Das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 560/1978, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 2/2000, wird wie folgt geändert:

1. Im § 198 Abs. 1 wird nach dem Ausdruck "von den sachlich zuständigen gesetzlichen beruflichen Vertretungen der nach diesem Bundesgesetz Versicherten" der Ausdruck "auf Grund eines Kammertagsbeschlusses" eingefügt.

2. § 213 Abs. 3 erster Satz lautet:

"Der Beirat kann unter Bedachtnahme auf die Aufgaben des Versicherungsträgers in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung seine Anhörung verlangen, Anträge stellen und Stellungnahmen abgeben."

3. § 214b lautet (Bestellung der Beiratsmitglieder

...

4. Nach § 283 wird folgender § 284 samt Überschrift angefügt:

"Schlussbestimmungen zu Art. 2 des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. xxx

§ 284. § 198 Abs. 1, § 213 Abs. 3 und § 214b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 treten mit ... 2000 in Kraft".


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 43

Artikel 3

Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes

Das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 559/1978, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 2/2000, wird wie folgt geändert:

1. Im § 186 Abs. 1 wird nach dem Ausdruck "von den örtlich und sachlich zuständigen gesetzlichen beruflichen Vertretungen der nach diesem Bundesgesetz Versicherten" der Ausdruck "auf Grund eines Beschlusses der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs" eingefügt.

2. § 201 Abs. 3 erster Satz lautet:

"Der Beirat kann unter Bedachtnahme auf die Aufgaben des Versicherungsträgers in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung seine Anhörung verlangen, Anträge stellen und Stellungnahmen abgeben."

3. § 202b lautet (Bestellung der Beiratsmitglieder...

...

4. Nach § 273 wird folgender § 274 samt Überschrift angefügt:

"Schlussbestimmungen zu Art. 3 des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. xxx

§ 274. § 186 Abs. 1, § 201 Abs. 3 und 202b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 treten mit ... 2000 in Kraft."

Artikel 4

Änderung des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes

Das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 174/1999, wird wie folgt geändert:

1. § 149a Abs. 3 erster Satz lautet:

"Der Beirat kann unter Bedachtnahme auf die Aufgaben des Versicherungsträgers in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung seine Anhörung verlangen, Anträge stellen und Stellungnahmen abgeben."

2. § 149d lautet (Bestellung der Beiratsmitglieder

...

3. Nach § 193 wird folgender § 194 samt Überschrift angefügt:

"Schlussbestimmungen zu Art. 4 des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. xxx

§ 194. § 149a Abs. 3 und § 149d in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 treten mit ... 2000 in Kraft."


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 44

Erläuterungen

Zu § 421 Abs. 1, 1a und 1b ASVG, § 198 Abs. 1 GSVG und § 186 Abs. 1 BSVG:

Durch die vorgeschlagenen Änderungen soll eindeutig festgelegt werden, dass der Entsendung von Versicherungsvertretern in die Verwaltungskörper der Sozialversicherungsträger eine demokratiepolitische Legitimation zugrunde liegt. Die maßgeblichen Einwendungen der Betriebskrankenkassen, der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues als Ergebnis der gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR durchgeführten Einladung zur schriftlichen Äußerung haben diese Anpassungen notwendig gemacht. Durch diese Abänderungen spiegelt sich insbesondere das Wahlergebnis zu den Vertretungsorganen der ArbeitnehmerInnen in der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger wider.

Zu § 440 Abs. 3 ASVG, § 213 Abs. 3, § 214b GSVG, § 201 Abs. 3, § 202b BSVG, § 149a Abs. 3 und § 149d B-KUVG:

Die Stellung des Beirates soll in Richtung auf allgemeinere Stellungnahmemöglichkeiten verstärkt werden. Die Mitglieder des Beirates sollen unter Berufung auf den Bundesseniorenrat bestellt werden.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Haupt. – Bitte.

10.23

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister für Finanzen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte vorerst folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Feurstein und Kollegen zum Antrag der Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Feurstein betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 – SVÄG 2000) in der Fassung 187 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. In Artikel 1 Z 28 wird im § 587 Abs. 2 nach "421 Abs. 6" der Beistrich durch das Wort "und" ersetzt, die Worte "und § 587 Abs. 4" entfallen.

2. In Artikel 1 Z 28 lautet der Abs. 4 des § 587:

"(4) Auf männliche Versicherte, die nach dem 22. Mai 1943 geboren wurden und die die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (vorzeitige Knappschaftsalterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit) nach dem 22. Mai 2000 beantragt haben, ist § 253d (§ 276d) nicht mehr anzuwenden."

3. In Artikel 2 Z 19 wird in § 284 Abs. 2 nach "131c" der Beistrich durch das Wort "und" ersetzt, die Worte "und § 284 Abs. 4" entfallen.

4. In Artikel 2 Z 19 lautet der Abs. 4 des § 284:

"(4) Auf männliche Versicherte, die nach dem 22. Mai 1943 geboren wurden und die die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem 22. Mai 2000 beantragt haben, ist § 131c nicht mehr anzuwenden.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 45

5. In Artikel 3 Z 20 wird in § 274 Abs. 2 nach "122c" der Beistrich durch das Wort "und" ersetzt, die Worte "und § 274 Abs. 4" entfallen.

6. In Artikel 3 Z 20 lautet der Abs. 4 des § 274:

"(4) Auf männliche Versicherte, die nach dem 22. Mai 1943 geboren wurden und die die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem 22. Mai 2000 beantragt haben, ist § 122c nicht mehr anzuwenden.

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Silhavy hat uns ihre Positionen, die sie im Sozialausschuss für die sozialdemokratische Fraktion erörtert hat, auch heute hier vom Rednerpult aus mitgeteilt.

Sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy! Das von Ihnen so gut bestellte Haus – das muss klar und deutlich gesagt werden – hat 1 650 Milliarden Schilling Schulden.

Zum Zweiten, sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy – das verschweigen Sie der Öffentlichkeit immer und davon wollen Sie auch heute nichts wissen, diesbezüglich haben Sie ein selektives Erinnerungsvermögen –: Es hat der Europäische Rat in Amsterdam am 17. Juni 1997 unter Teilnahme Ihrer Damen und Herren von der Bundesregierung für das Jahr 2002 eine Nulltangente sowohl für das Budget des Bundes, der Länder und der Gemeinden als auch für den Bereich der Sozialversicherungen ratifiziert, unterschrieben und vereinbart.

Es sind daher, sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy, die von Ihnen, von der Arbeiterkammer und vom Gewerkschaftsbund ins Treffen geführten Argumente, dass die Pensionsreform jetzt um zwei Jahre zu früh kommt, klar und deutlich von der Hand zu weisen. Sie hätten entweder im Europäischen Rat in Amsterdam, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, diese Nulltangente für das Budget, einschließlich der Sozialversicherung, für 2002 nicht vereinbaren dürfen, oder Sie müssen sich heute, wenn Sie fair sind, auch gegenüber der Öffentlichkeit daran erinnern, was Sie 1997 in Amsterdam vereinbart haben.

Der blaue Brief von der Europäischen Union und all jene Dinge, die zur Kontrolle des Budgetsystems eingesetzt werden und in aller Deutlichkeit zweimal gekommen sind, sind ja vom Herrn Finanzminister Edlinger klar vorgetragen worden. Die restlichen Punkte sind in der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben worden, sie sind aber selbstverständlich mit Bestandteil dieses Beschlusses. Diese Dokumente sind für jeden, der sich dafür interessiert, unter der Nummer C 236/1 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften klarerweise publiziert.

Ich möchte Ihnen sagen, Frau Kollegin Silhavy, dass damit eines der wichtigsten Argumente, das Sie immer verwenden, dass es dabei nämlich ausschließlich ums Budgetstopfen zugunsten der Budgets 2000/2001 geht, schlicht und einfach falsch ist. (Abg. Silhavy: Es geht um Umverteilung, es geht nicht ums Budgetstopfen!) Sie werden sich der politischen Verantwortung, die Sie in Ihrer Führung der Bundesregierung von 1995 bis 1999 gehabt haben, nicht entschlagen können. (Abg. Silhavy: Sie nehmen dem einen und geben dem anderen! Das ist sozial ungerecht!) Wir werden dafür sogen, dass die Österreicher erfahren, was Sie vereinbart haben, welche Rahmenbedingungen Sie vereinbart haben und aus welchen Gründen diese Bundesregierung gezwungen ist, Sparkonzepte auch im Bereich der Pensionen jetzt vorgezogen umzusetzen.

Ich darf Ihnen noch eines klar sagen: Sie haben Ihr Haus so wohlbestallt, dass Sie, obwohl Sie gewusst haben, dass die Getränkesteuer aufgehoben wird, keine Vereinbarungen getroffen haben, um dieses Problem in entsprechender Form zu lösen und zu erledigen. Wer in Ihrer Koalition die Schuld daran hat, das können Sie mit Ihrem ehemaligen Koalitionspartner ausstreiten. Tatsache ist, dass keine Lösung dafür vorgelegen ist.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 46

Sie haben auch gewusst, dass die vorzeitige Alterspension angefochten wird. Auch Ihre Experten in der Bundesregierung – der Schriftverkehr mit Frau Bundesminister Hostasch mit Datum vom Jänner dieses Jahres liegt ja noch vor und zeigt dies klar – waren der gleichen Meinung wie wir. Ein Erkenntnis hat bestätigt, dass das ungleiche Antrittsalter zwischen Männern und Frauen von 55 Jahren und von 57 Jahren schlicht und einfach EU-verfassungswidrig ist.

Sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy! Sie wissen ganz genau, wie es bei der Frühpension, bei der vorzeitigen Pension für Männer ist. Da geht es nur um Männer, auch wenn Sie immer wieder die Frauen bei dieser Lösung mit ins Spiel bringen wollen. 20 000 Personen haben diese Pensionsregelung in Anspruch genommen, davon 1 900 Frauen, der Rest Männer. Und nun wären zwei Jahrgänge von Männern auf Grund des Erkenntnisses noch berechtigt, in Frühpension zu gehen. Das macht allein im heurigen Jahr 1 Milliarde Schilling zusätzliche Kosten aus. Auf die gesamte Laufzeit dieser Frühpensionsregelung bis zum 60. Lebensjahr gerechnet ist mit 10 Milliarden Schilling an zusätzlichen Kosten aus diesem Titel zu rechnen.

Das sollten Sie den Damen und Herren Österreicherinnen und Österreichern sagen, und Sie sollten den Österreicherinnen und Österreichern auch sagen, dass diese Bundesregierung durchaus fair war, dass wir nämlich im Bereiche der Invaliditätspensionen entsprechende Vorkehrungen getroffen haben (Abg. Silhavy: Ihre eigenen Experten haben gesagt, das ist Makulatur!), dass etwa ein Drittel bis 50 Prozent der Menschen, die unter der heutigen Judikatur keinen Zugang zur Invaliditätspension haben, als kranke Menschen in Zukunft diesen Zugang zur Invaliditätspension leichter bekommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Bundesregierung macht sich Sorgen um die Menschen (Abg. Silhavy: Deshalb gehen Sie so mit den Menschen um!), die tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sind, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden und eine entsprechende Beschäftigung zu bekommen.

Frau Kollegin Silhavy, schauen Sie sich die gestern publizierten Arbeitsmarktdaten des Jahres 2000 an: Wir haben auch in der interessanten Gruppe der Arbeitnehmer zwischen 50 und 60 Jahren 12,3 Prozent Steigerung der Beschäftigung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Das ist ein Verdienst der Frau Bundesministerin Hostasch!)

Wir glauben daher, dass durch die Rahmenbedingungen, die Sie hier immer nur als Umverteilung von unten nach oben titulieren, endlich auch der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt wird und dass das nunmehr durchaus auch für die relevante Arbeitnehmergruppe der 50- bis 60-Jährigen zum Tragen kommt, die jetzt im gleichen Ausmaß wieder in Beschäftigung kommen wie die jungen Menschen in diesem Lande. Die Jungen weisen 12,1 Prozent Verbesserung, die Menschen zwischen 50 und 60 Jahren 12,3 Prozent Verbesserung allein in den letzten Arbeitsmarktdaten auf.

Sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy! Ich sage es Ihnen auch klar und deutlich: Wir haben noch ein Problem bei den Menschen über 60 Jahren. Das wird in dieser Bundesregierung nicht übersehen, aber wir haben nicht vor, so wie Sie, wie die Wiener Arbeiterkammer und Teile des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, eine Politik zu machen, die allein auf die Menschen zwischen 55 und 57 Jahren ausgerichtet ist, und zwar ausschließlich auf jene! (Abg. Verzetnitsch: Überhaupt nicht! – Abg. Silhavy: Wir machen eine Politik für alle Menschen!) Wir werden eine Pensionspolitik machen, die alle Generationen umfasst und die auch den jungen Menschen, die heute in die Schule gehen oder gerade ihr Berufsleben begonnen haben, eine Garantie geben wird, dass sie auch nach 2020, nach 2030 eine entsprechende Pension bekommen werden, die im Verhältnis zu dem Realeinkommen während ihres Berufslebens die zweithöchste Ersatzrate im gesamten EU-Raum bietet, nämlich eine von 78 Prozent. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Silhavy: Sie tun alles dazu, dass es nicht so sein wird!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das alles sollten Sie auch den Menschen draußen sagen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 47

Ich bin mir selbstverständlich dessen bewusst, Frau Kollegin Silhavy, dass es für jemanden, der sich auf die entsprechenden Pensionsregelungen eingestellt hat, der vorgehabt hat, in etwa einem Jahr, in eineinhalb Jahren in Pension zu gehen, durchaus keine leichte Angelegenheit ist, ein Jahr oder eineinhalb Jahre länger arbeiten zu müssen. Aber, sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy, ich glaube, dass auch diesen Menschen und den Österreicherinnen und Österreichern generell die Sicherheit, in der Pension nicht auf jenes Niveau hinunterzufallen, das Ihre sozialdemokratischen Freunde in Europa den Menschen garantieren – nämlich 40 Prozent ihres Erwerbseinkommens wie in England oder 68 Prozent ihres Erwerbseinkommens wie in Schweden (Abg. Silhavy: Herr Kollege Haupt! Wir gehen von der Situation in Österreich aus!)  – das wert sein wird, dass sie zwar heute die bittere Pille schlucken, aber vielleicht in einem Jahr oder einem halben oder einem dreiviertel Jahr erkennen werden, wer tatsächlich die Freunde der arbeitenden Menschen in diesem Land sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das sind jene, die langfristig dieses Sozialsystem auf zukunftsträchtigere und bessere Beine stellen, und nicht jene, die aus klassischem Opportunismus und aus Populismus heraus heute eine Politik machen, die das verhindern soll, was langfristig für alle in diesem Staate gut ist: für die Jungen, weil sie ihre Beitragsleistungen in entsprechender Form leisten können (Abg. Silhavy: Ja, zahlen dürfen sie, Herr Kollege Haupt!), und für die Alten, weil sie auch in Zukunft einen entsprechenden Anteil am Wirtschaftswachstum haben werden.

Es wird Ihnen das ganze Zwischenrufen nichts nützen, Frau Kollegin Silhavy. Lautstärke ist kein gutes Argument. (Abg. Edlinger: Da haben Sie Recht!) Gute Argumente, Frau Kollegin Silhavy, waren in Ihrer Rede leider nicht zu hören. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Feurstein ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.  – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Zwischenrufe vom eigenen Platz aus! Nicht von der ersten Reihe!)

10.35

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Klubobmann Khol, ich kann mich erinnern, dass auch Sie manchmal aus der ersten Reihe dazwischenrufen. (Abg. Dr. Khol: Das ist mein Platz! – Abg. Ing. Westenthaler: Keine Polemik vom Rednerpult!)

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Werter Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Haupt hat davon gesprochen, diese Bundesregierung mache sich Sorgen. Ich möchte das Motto leicht variieren und sagen: Diese Bundesregierung macht Sorgen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ihre Sorgen möchte ich haben!) Sie macht deshalb Sorgen, weil sie es bis jetzt verabsäumt hat, ihre Ziele im Bereich der Pensionsreform auch nur andeutungsweise offen zu legen, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie machen der Bevölkerung nur Angst!)

Diese Bundesregierung agiert im Bereich der Pensionen nach dem Motto "Geschwindigkeit statt Gerechtigkeit". Es geht nur darum, die Reformen möglichst schnell durchzuziehen, es geht nur darum, in einem möglichst raschen Tempo mit nicht erkennbaren Inhalten zu agieren und so zu tun, als ob hier tatsächlich die Jüngeren noch geschützt würden.

Fragen Sie sich, meine Damen und Herren, doch wirklich einmal, ob diese Pensionsreform tatsächlich die letzte ist – Herr Abgeordneter Feurstein sagt, nein, nein, wir müssen laufend reformieren, während die Frau Sozialministerin sagt, das ist die letzte in dieser Legislaturperiode –, fragen Sie sich doch einmal, ob Sie mit dieser Pensionsreform tatsächlich Vertrauen der jüngeren Generation in dieses Pensionssystem erzeugt haben und erzeugen können! Fragen Sie sich doch einmal, ob Sie mit dieser Pensionsreform tatsächlich die Gerechtigkeit zwischen denen, die noch im Erwerbsleben oder vor dem Eintritt ins Erwerbsleben stehen, und den schon Pensionierten herstellen! Stellen Sie sich doch diese grundsätzlichen Fragen!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 48

Fragen Sie sich, ob es Ihnen mit dieser Pensionsreform auch nur annähernd gelingt, innerhalb der bereits Pensionierten so etwas wie einen Ausgleich zwischen denen, die gar keine oder wenig Pension haben, und denen, die hohe Pensionen haben, herzustellen! Stellen Sie sich doch diese grundsätzlichen Fragen, ob es möglich ist, mit dieser Pensionsreform für die Frauen, die auch mit dieser Pensionsreform und gerade mit der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wieder die Benachteiligten sind, mehr Gerechtigkeit im Pensionssystem zu schaffen.

Sie kennen die Antwort darauf. Sie wissen, Sie schaffen sie nicht. Sie machen Tempo – das stimmt –, aber Sie machen keine erkennbaren gerechten, vernünftigen Inhalte. Und das ist das erste Problem. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie machen eine zynische Sozialpolitik, und ich werde versuchen, Ihnen das auch zu erklären.

Als zum ersten Mal – und darum trifft es sich gut, Herr Wirtschafts- und Arbeitsminister, dass Sie hier sitzen – das Programm "Integra" vorgestellt wurde, konnte man sich noch denken, da gehe es um Ankündigungspolitik. Inzwischen, nachdem das Programm "Integra" angelaufen ist, wissen wir, dass genau das eintritt, wovor wir immer gewarnt haben: dass die, die jetzt nicht in Pension gehen dürfen, in den Arbeitsdienst geschickt werden.

Da gibt es schon die ersten praktischen Beispiele, ich kann sie Ihnen nennen: Ein 53-jähriger Mann, seit fünf Jahren arbeitslos, Bandscheibenschaden, wird über das AMS in das Programm "Integra" zum Roten Kreuz vermittelt. Gemeinnützige Dienste. Da kann man nur sagen: Gott sei Dank wird er nicht zum "Hundstrümmerl-Räumen", wozu ihn Kollege Khol und sonstige Politiker der ÖVP einteilen wollen, verpflichtet. Aber wenn Sie kein Problem darin sehen, Herr Minister Bartenstein, dass man einen 53-jährigen Mann, der fünf Jahre arbeitslos war, der sich während dieser Zeit der Arbeitslosigkeit allen Fortbildungsmaßnahmen unterzogen hat, der immer wieder abgelehnt wurde, weil er alt ist, der immer wieder abgelehnt wurde, weil er überqualifiziert ist, der zuletzt auch deswegen abgelehnt wird, weil er krank ist, in den Arbeitsdienst schickt, anstatt ihm die vorzeitige Alterspension zu ermöglichen, anstatt ihm sonst irgendwelche Angebote zu offerieren, die auf seine individuelle und soziale Situation hin orientiert sind. Wenn Sie da kein Problem sehen, dann sind Sie fehl am Platz. (Beifall bei den Grünen.) Dann sind Sie fehl am Platz als Vertreter einer Bundesregierung, die sich erklärtermaßen doch irgendwo das Ziel gesetzt hat, für soziale Gerechtigkeit einzutreten. Ich kann mich noch erinnern an die vollmundigen Ankündigungen, die der Herr Bundeskanzler bei der Regierungserklärung abgegeben hat.

Frau Bundesministerin! Wenn Sie, wie noch vor wenigen Tagen, sagen: Nein, nein, diese Pensionsreform beinhaltet nur sozial gerechte Maßnahmen, das passt schon!, und wenige Tage darauf erklären: Zumindest in dieser Legislaturperiode wird es keine weiteren Grauslichkeiten mehr geben!, dann erklären Sie damit ja auch, dass diese Pensionsreform Grauslichkeiten enthält. (Abg. Dr. Feurstein: Nehmen Sie das Wort "Grauslichkeiten" zurück! Das sind keine Grauslichkeiten!) Und genau so ist es, meine Damen und Herren!

Im Verbund mit anderen Maßnahmen – und ich spreche nur vom kleinen Ausschnitt der Pensionsreform, den wir heute hier diskutieren – ist es besonders grauslich, wenn älteren Menschen, die krank sind, die abgelehnt werden, weil sie überqualifiziert sind, die mehrere Jahre arbeitslos sind, die keine Möglichkeit mehr haben, am Arbeitsmarkt irgendwo unterzukommen, auch noch diese Möglichkeit zumindest wesentlich erschwert wird.

Sie wissen auch, meine Damen und Herren, dass die Ersatzmaßnahmen, die Sie im Bereich der Invaliditätspension vorgesehen haben und mit denen Sie gerne herumwacheln, für diese Menschen keine Verbesserung ihrer Situation darstellen. Die Verweisung auf andere zumutbare Arbeitsplätze, worüber es ja offensichtlich im Sozialausschuss einen Dissens zwischen ÖVP und FPÖ gegeben hat, findet sich nach wie vor drinnen.

Aber das ist noch immer nicht das Wesentliche. Der Kern – und das ist so schwer zu beschreiben – dieser Änderung ist: Es geht um die einfachen, unqualifizierten Menschen, die beruflich


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 49

tätig sind, die abgerackert sind und die Sie jetzt, weil sie krank geworden sind, auch noch bestrafen.

Über vieles kann man diskutieren bei den Pensionen – ich habe ja schon versucht, einige Ziele darzulegen –, man sollte sich auch die Zeit nehmen, darüber zu diskutieren, denn ein Problem dieser Pensionsreformen in den letzten Jahren war doch, dass wir uns nie Zeit genommen haben. Das war schon unter der alten Regierung so. Zehn Pensionsreformen in 10 bis 15 Jahren – halten Sie das noch irgendwie für angemessen und erträglich in dem Sinn, dass hier auch Verlässlichkeit geschaffen wird? – Nein! Wir beschließen allein am heutigen Tag zwei oder drei ASVG-Novellierungen – allein am heutigen Tag! – in unterschiedlichen Kapiteln. (Abg. Silhavy: Gestern auch schon!)

Ja, halten Sie das noch für vertretbar? Meinen Sie, dass dieses ASVG tatsächlich noch eine Richtschnur ist für das, was sich im sozialpolitischen Bereich, im Pensionsbereich, im Krankenversicherungsbereich darstellen lässt? Halten Sie das ASVG wirklich noch für ein Gesetz, das administrierbar ist, das von den Menschen auch noch als solches erkannt werden kann in seinen wichtigsten Leitlinien? – Nein, das ist unmöglich! Das wissen Sie alle ganz genau, das wissen alle Experten, und selbst die Experten wissen ja nicht mehr genau, wohin das mit dem ASVG gehen soll.

Aber die wesentlichen Fragen greifen Sie nicht an. Sie versuchen, einzelne Gruppen und gerade die, die es am bittersten nötig haben, zu schädigen, zur Kasse zu bitten beziehungsweise zu bestrafen. Und das ist der Kern dieser Pensionsreform.

Wir könnten darüber diskutieren, dass wir Maßnahmen im Pensionsbereich auch sozial ausgewogen treffen. Ja bitte, warum wird immer nur darüber diskutiert, dass die Jüngeren benachteiligt werden durch die Pensionsreform, warum wird nicht auch darüber diskutiert, wie man Gerechtigkeit zwischen den Generationen schaffen kann? (Abg. Dr. Feurstein: Auch darüber wird geredet!) Es sollen keine Eingriffe in das Leistungsrecht erfolgen, aber warum wird nicht über steuerliche Maßnahmen diskutiert, Herr Abgeordneter Feurstein, mit denen man auch bei den Pensionisten, bei denen, die 40 000, 50 000 oder 60 000 S aus einer, zwei, drei, vier oder fünf Pensionen erhalten, etwas mehr Gerechtigkeit schaffen könnte? (Abg. Dr. Feurstein: Das kommt schon! – Abg. Steibl: Das kommt schon!) Warum wird darüber nicht diskutiert?

Warum wird nicht über den Pensionistenabsetzbetrag diskutiert? Da verweigern Sie sich jetzt schon zwei Jahre lang, in denen wir Ihnen bei jeder Pensionsdebatte zu erklären versuchen: Der Pensionistenabsetzbetrag ist in seiner konkreten Ausgestaltung ein Paradebeispiel für soziale Ungerechtigkeit innerhalb des Pensionssystems. (Beifall bei den Grünen.) Da findet man auf Seiten der Regierungskoalition keinen, der ein Ohrwaschel rührt. Das überhören Sie.

Versuchen Sie doch, diese Maßnahmen erstens tatsächlich zu formulieren und zweitens in der Öffentlichkeit zu diskutieren, so wie das in anderen Ländern auch üblich ist! Ich nehme jetzt nicht nur das Beispiel Deutschland, wo eine öffentliche Debatte, eine ausführliche öffentliche Debatte über die Pensionsreform stattfindet. Mir gefällt das Beispiel Schweiz noch viel besser, wo es im Bereich der Alters- und Hinterbliebenenversorgung seit den dreißiger Jahren insgesamt zwölf Reformen gegeben hat. Wir halten beim ASVG bei der 58. Novelle seit 1955! Das sind aber nur die gezählten Novellierungen, bei den ungezählten halten wir bei 130, meine Damen und Herren.

Das ist nicht die Art und Weise, wie man mit sozialer Sicherheit, mit sozialer Pensionsversicherung umgehen kann. Das ist nicht die Art und Weise, wie man Vertrauen in soziale Altersversorgung erzeugt. Das ist nicht die Art und Weise, wie man mit diesen Menschen umgehen kann. Sie reden über Zahlen, aber nicht über die Menschen, die es betrifft. Da hilft auch keine Debatte über das Budget. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Eine Anmerkung noch zum Bereich der Wahl innerhalb der Sozialversicherungsträger: Auch das ist ein Beispiel für eine Reform, wie sie nicht stattfinden darf, wie der alte rot-schwarze Proporz zwischen den Sozialpartnern durch einen blau-schwarzen Majorz


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 50

in diesem Bereich ersetzt werden sollte. Dass es nicht ganz so ausgegangen ist, Herr Kollege Feurstein, das liegt im Resultat der Arbeiterkammerwahlen begründet.

Aber um auf das Wesentliche zu kommen: Erklären Sie den Menschen, warum im Bereich der Unfallversicherung eine Drittelparität gegeben ist, erklären Sie den Menschen, warum es in anderen Bereichen eine Halbparität gibt, erklären Sie, warum in anderen Sozialversicherungen eine Dreiviertelparität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herrscht! Erklären Sie diese Unterschiede! Sie können sie nicht mehr erklären. Trotzdem knüpft Ihre Reform genau an diesem Punkt an, weil Sie sich ausgerechnet haben: Wenn wir das jetzt anders machen, dann könnte sich das für eine blau-schwarze Mehrheit ausgehen.

Sie haben sich, Gott sei Dank, etwas verrechnet, Herr Kollege Feurstein, weil Sie die Ergebnisse der Arbeiterkammerwahlen nicht mitbedacht haben. (Zwischenruf des Abg. Großruck.  – Abg. Steibl: Das Arbeiterkammerwahlergebnis kam durch falsche Propaganda zustande!) Aber das grundsätzliche Problem, wie man in diesem Bereich tatsächlich nicht Versicherungs-, sondern Versichertenvertreter mit demokratischer Legitimation schaffen könnte, wenn man das Prinzip der Selbstverwaltung ernst nimmt – und auch das wäre infrage zu stellen, ob Sie das noch ernst nehmen wollen –, diese grundsätzliche Frage sind Sie in keiner Weise angegangen. Sie ersetzen nur den Proporz durch den Majorz, und Sie versuchen, Rot-Schwarz in diesem Bereich oder eine deutliche rote Mehrheit durch eine blau-schwarze Änderungsmehrheit zu ersetzen.

Und das ist fatal, meine Damen und Herren! Das hilft den Menschen, den Versicherten nicht, das hilft den Versicherungen noch weniger. Sie ruinieren in Ihrem eigenen machtpolitischen Interesse diesen ganzen Apparat der Sozialversicherungen und unterstellen die Sozialversicherungen – und das wollen Sie damit ja erreichen – Ihrer Kuratel.

Das kann nicht die Antwort auf die dringenden Probleme im Bereich der Sozialpolitik sein. Denken Sie auch etwas an die Menschen! (Beifall bei den Grünen.)

10.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Die Uhr ist auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

10.49

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Schülerinnen und Schüler! Ich bin jetzt 32 Jahre alt, und schon seit meiner eigenen Schulzeit ist die Pensionsdiskussion immer ein Thema in der Politik gewesen, und, Herr Öllinger, ich kann Ihnen auch erklären, warum. Wenn man nämlich einer dynamischen Bevölkerungsentwicklung mit einem statischen System begegnet, sind eben immer wieder Anpassungen erforderlich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist logisch, weil die Lebenserwartung der Österreicherinnen und Österreicher eine der höchsten der Welt ist und weiter steigt, weil unsere Ausbildung immer besser wird, aber auch immer länger dauert, weil die Geburtenrate sinkt und die Leute auch immer gesünder älter werden. (Abg. Dr. Leiner: Gott sei Dank!)

Dank eines der besten Pensionssysteme der Welt sind in Österreich die Pensionen im Vergleich zum Erwerbseinkommen außerdem so hoch wie nirgendwo sonst auf der Welt. Aber die Pensionen, deren Höhe uns auch im Alter die Sicherung des Lebensstandards gewährleistet, die es uns ermöglichen, dass wir in der Pension reisen können, unseren Hobbys nachgehen können, den Ruhestand wirklich aktiv genießen können, die müssen auch bezahlt werden.

Und bezahlt werden sie immer von den Aktiven, immer von den Jungen, immer von denen, die arbeiten, die die Pensionsbeiträge zahlen. Aus diesem Pensionstopf werden nicht die eigenen, sondern immer die laufenden Pensionen finanziert. Und weil die Pensionsbeiträge dafür schon lange nicht mehr reichen, zahlt auch noch jeder einzelne Steuerzahler. Und dieser Steueranteil


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 51

würde, würde man nicht gegensteuern, auch explodieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn 1970 ein 20-Jähriger, der heute 50 ist, zu arbeiten begonnen hat, dann musste er davon ausgehen, dass er etwas länger als bis zu seinem 61. Lebensjahr arbeitet. Das war nämlich damals das Alter, mit dem man durchschnittlich in Pension gegangen ist. Heute gehen die Österreicher durchschnittlich mit 57 Jahren in Pension und sind damit die jüngsten Pensionisten in ganz Europa. (Abg. Dietachmayr: Warum?) Und derselbe heute 50-Jährige wird in 30 Jahren, mit 80, Gott sei Dank immer noch seine Pension genießen können, weil die Lebenserwartung auf weit über 80 Jahre steigt. (Abg. Dietachmayr: Sagen Sie dazu, warum das so ist!)

Aber dann, wenn er 80 ist, wird die Geburtenrate nur noch ein Fünftel von heute betragen, weil seine Enkel und Urenkel weniger Kinder bekommen. (Abg. Verzetnitsch: Warum schauen Sie immer nach oben!) Und wenn heute zwei Erwerbstätige die Pensionsbeiträge für einen Pensionisten bezahlen, dann wird jeder Einzelne ... (Abg. Grabner: Ich habe geglaubt, Sie reden zum Plenum!) Nein, ich rede auch mit den Schülern da oben, nicht nur mit dem Plenum! Dann wird nämlich jeder Einzelne von den Schülern da oben und jeder von deren Enkeln alleine die Pensionsbeiträge für einen Pensionisten bezahlen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Frau Kollegin Hakl! Vielleicht interessiert die Schüler auch, ob Sie überhaupt davon betroffen sind!) Das ist dann die doppelte Belastung von heute, und deswegen muss man gegensteuern, Frau Kollegin. Es gibt nämlich keine Experten – weder in Österreich noch in Europa –, die sagen, dass der Generationenvertrag, den wir aufrechterhalten wollen, so hält, wenn man ihn nicht verändert, Frau Kollegin. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nichts zu tun wäre einfach. Die Regierung könnte sich nämlich einfach zurücklehnen und sagen, wir lassen die Pensionsreform, wir verärgern jetzt niemanden damit, dass er länger arbeiten muss. Damit verärgern wir einfach keinen Wähler. Aber je später man etwas tut, umso schärfer müssen dann die Maßnahmen sein. Das wissen wir, und deswegen ist es unsere Verantwortung, jetzt die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe in der letzten Zeit sehr viele Diskussionen mit sehr vielen Jugendlichen und auch mit Leuten in meinem Alter und ein bisschen älteren geführt, und man hat richtig gespürt, dass es auch diese Leute sehr interessiert, nicht nur die, die kurz vor der Pension stehen. Und wissen Sie, was die alle sagen? Die sagen: Ich werde sowieso fast keine Pension mehr bekommen, aber ich werde dafür bis 70 arbeiten müssen! (Abg. Silhavy: Weil sie Angst haben vor Ihrer Politik! – Abg. Grabner: Nur, wenn Sie dann noch in der Regierung sind! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Das heißt, dass das Vertrauen unserer Jugend in dieses Pensionssystem jetzt schon angeknackst ist (Abg. Silhavy: Ja, dank Ihrer Politik!) und dass es wirklich an der Zeit ist, dafür zu sorgen, dass die jungen Leute in Österreich auch wieder darauf vertrauen dürfen, dass sie einmal eine gesicherte Alterspension haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie reden, wenn Sie von Vertrauen reden, Frau Silhavy, nur von demjenigen, der, wenn er jetzt mit 1. Oktober in Pension gehen wollte, erst ab 1. Dezember in Pension gehen kann. (Abg. Silhavy: Ich habe heute gar nicht vom 1. Oktober gesprochen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich möchte in Diskussionen mit den Jungen sagen können: Wir stellen die Weichen jetzt, und wir tun das auch, wenn die ÖBB streiken. Wir stellen diese Weichen jetzt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und wer behauptet, es müsse nichts passieren, handelt verantwortungslos gegenüber der Jugend und auch gegenüber einem 50-Jährigen, der in 20 oder 30 Jahren auch noch seine Alterspension gesichert haben möchte.

Meine Damen und Herren! Es ist dringend notwendig, das System anzupassen. (Abg. Silhavy: Wo machen Sie denn irgendetwas Strukturelles, Frau Kollegin?) Es ist nämlich darauf ausgelegt, dass die Frauen mit 60 und die Männer mit 65 Jahren, also mit dem Regelpensionsalter, in


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 52

Pension gehen. 41 Prozent der Österreicher gehen aber zu früh, nämlich vor diesem Alter, in Frühpension (Abg. Silhavy: Weil sie vielleicht krank sind, weil sie vielleicht keine Arbeit haben!), und nur 14 Prozent arbeiten so lange, wie sie eigentlich müssten, damit das System funktioniert. Und das ist nicht gerecht, weil es massiv auf Kosten der nächsten Generationen, auf Kosten der Jugend geht.

Deswegen muss das Alter, mit dem die Menschen zu arbeiten aufhören, dem gesetzlichen Pensionsalter angeglichen werden. Deshalb wird die Altersgrenze für den Antritt der vorzeitigen Alterspension, die deswegen so heißt, weil jemand eben vor der Zeit in Pension geht, schrittweise um 18 Monate angehoben. Diejenigen, die jetzt eineinhalb Jahre länger arbeiten müssen, profitieren selbst ganz genauso wie die Jugend von diesem Reformschritt (Zwischenruf der Abg. Silhavy  – Abg. Kiss – in Richtung der Abg. Silhavy –: Halten Sie sich zurück, Frau Kollegin! Das ist ja unerträglich!), denn das gibt ihnen die Sicherheit, in 20 Jahren auch noch eine Pension zu beziehen, mit der sie einen gesicherten, angemessenen Ruhestand genießen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Jugend ist in jedem Fall dazu bereit, länger zu arbeiten, und das ist uns auch bewusst. Allerdings fehlt den Jugendlichen das Verständnis für Ungerechtigkeiten. Ein Beispiel: Zwei Mitschüler haben gleichzeitig eine Lehre begonnen, beide, sagen wir, als Elektriker. Der eine war bei der Bahn, der andere war in einem privaten Unternehmen. Der eine, der bei der Bahn war, kann jetzt mit 53 Jahren in Pension gehen (Abg. Kiss: Unglaublich!), der andere in Zukunft mit 61,5 Jahren. 8,5 Jahre später! Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Unglaublich! Und dafür kämpft der Edler auch noch!)

Und jetzt muss mir ein ÖBB-Gewerkschafter erklären, dass das sogar einen Bahnstreik rechtfertigt, nämlich einen Streik für den, der bei der Bahn war, nicht für den anderen. Das versteht kein Mensch! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die fangen jetzt an zu streiken, Frau Kollegin. Deshalb wird nämlich auch die Anhebung für alle Berufsgruppen kommen und kommen müssen. (Abg. Edler: Reden Sie von Ihrem Sondervertrag! Davon reden Sie nicht!)

Meine Damen und Herren! Österreich hat Gott sei Dank eine ausgezeichnete Gesundheitsversorgung, die zu unserer steigenden Lebenserwartung beiträgt. Sie trägt auch dazu bei, dass die Leute immer aktiver alt werden können. Die Zahl der Invaliditätspensionen liegt in Österreich nämlich ganz genau im europäischen Durchschnitt. Die Österreicher sind also nicht kränker als andere. Trotzdem steigt in Österreich ab 55 Jahren bei Frauen und bei Männern die krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit sprunghaft an und liegt weit über dem internationalen Durchschnitt. (Abg. Silhavy: Was schließen Sie daraus?)

Die Deutschen, von denen immerhin noch 28 Prozent der 60 bis 65-Jährigen arbeiten, müssen das System ändern. Umso mehr müssen wir in Österreich, wo in diesem Alter nur noch 19 Prozent der Menschen erwerbstätig sind, entsprechende Maßnahmen ergreifen. Das hängt ganz offensichtlich damit zusammen, dass es in Österreich die Möglichkeit gibt, wegen geminderter Arbeitsfähigkeit in Frühpension zu gehen, während in anderen Ländern Europas die Menschen eine ihrem Gesundheitszustand eher entsprechende Arbeit annehmen. In Pension zu gehen ist bei uns einfach, deswegen wird es getan, und das ist der Grund, warum jetzt diese Art der vorzeitigen Alterspension entfällt.

Meine Damen und Herren! Für mich ist es immer schlimm – und es ist schlimm –, wenn ein älterer Arbeitnehmer, der lang seine Leistung erbracht hat, keinen Arbeitsplatz findet. Da ist es ganz egal, ob das nur deswegen der Fall ist, weil er alt ist oder noch zusätzlich wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. In jedem Fall muss ihm geholfen werden. Aus diesem Grund wird jetzt zum einen der Bezug des Arbeitslosengeldes verlängert (Abg. Verzetnitsch: Sehr sozial!), und jeder, der aus gesundheitlichen Gründen keine zumutbare Arbeit findet und der die ursprünglichen Voraussetzungen für die nunmehr abzuschaffende Pensionsform erfüllt, kann jetzt in Invaliditätspension gehen. Die bleibt auch sonst völlig unverändert aufrecht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 53

Es gibt weitere Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer, nämlich einen besseren Rechtsschutz, Ausdehnung des Kündigungsschutzes, Erweiterung der Möglichkeiten für die Altersteilzeit – wenn ich Kreuzweh habe und nur mehr vier Stunden sitzen muss, macht das, Frau Silhavy, auch einen riesigen Unterschied –, Anrechnung von fünf Jahren an Kindererziehungszeiten. (Abg. Silhavy: Was sagen Sie dann zu der heutigen Gesetzesvorlage, Frau Kollegin?)

Meine Damen und Herren! Die Pensionen werden auch nicht gekürzt! Diese Bundesregierung verfolgt mit der Pensionsreform vor allem zwei Ziele: einen fairen Ausgleich zwischen den Generationen zu schaffen und die gesetzlichen Pensionen langfristig, also generationenübergreifend, zu sichern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Es besteht Konsens zwischen allen vier Fraktionen, dass man die Vereinbarung, die ich heute früh bekannt gegeben habe, so interpretiert, dass, wenn die Redezeit im ersten Diskussionsblock nicht ausgenützt wird, sie im zweiten Diskussionsblock zur Verfügung steht. Dem haben alle Fraktionen zugestimmt, obwohl es nicht so im Präsidialprotokoll steht. Wir werden es aber so handhaben.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.01

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Schülerinnen und Schüler! Frau Abgeordnete Hakl hat soeben in ihrer Rede festgestellt (Abg. Schwarzenberger: Gut geredet!), dass im Gegensatz zu Österreich, wo viele Menschen, die vor Erreichung der Altersgrenze erwerbsunfähig werden, in Pension gehen können, in anderen Ländern ein besserer Weg gegangen werde, indem diese Menschen eine ihrem Alter entsprechende Arbeit annehmen.

Ich berichtige tatsächlich: Wahr ist, dass sie bei uns die Chance hatten, in Pension zu gehen, und dass in den anderen Ländern die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch ist wie in Österreich – unter anderem auch deshalb, weil es diese Arbeitsplätze nicht gibt, Frau Kollegin! (Beifall bei der SPÖ.)

11.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.02

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nachdem sich Herr Kollege Haupt heute so klassenkämpferisch gegenüber meiner Kollegin Silhavy gegeben hat, möchte ich eines klarstellen: Er hat die 1 620 Milliarden Schilling Schulden angesprochen, hat dabei aber vergessen – das haben Sie sich jetzt selbst zuzuschreiben, dass ich das heute wiederholen muss –, dass in den letzten 30 Jahren 510 Milliarden Schilling Zuschüsse an die Pensionsversicherung der Bauern und der Selbständigen und 17 Milliarden Zuschüsse an die Bauernkrankenkasse geflossen sind (Abg. Schwarzenberger: Noch mehr an die Eisenbahner!), welche die einzige Krankenkasse ist, die überhaupt Bundeszuschüsse bekommt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grabner: Hört! Hört!)

Schauen wir uns die Entwicklung der Staatsschulden an: Zwischen 1970 und 1983, also in der Zeit der SPÖ-Alleinregierung, waren es 369 Milliarden Schilling. (Abg. Schwarzenberger: 43 Milliarden an die Eisenbahner!) – Herr Kollege Schwarzenberger! Auch wenn Sie noch so schreien, Ihre Argumente werden trotzdem nicht besser. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: 43 Milliarden allein an die Eisenbahner!)

In der Zeit der Koalition mit der ÖVP waren es 1 110 Milliarden Schilling. Das macht in der Zeit unserer Alleinregierung – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – im Schnitt 1,7 Prozent und in


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 54

der Zeit, als wir mit Ihnen eine Regierung gebildet haben, 2,6 Prozent aus. Sie haben sich also alle Errungenschaften für die Arbeitnehmer sehr teuer für Ihre Klientelpolitik abkaufen lassen. Das sei hier einmal klargestellt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Hakl hat sich sehr intensiv mit der Pensionsreform auseinander gesetzt. Das heutige Thema ist das Sozialversicherungsänderungsgesetz, und den einzigen Zusammenhang, den es bei der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit gibt, ist, dass das ASVG geändert wird.

Meine Damen und Herren! Sie haben sich die Frage: Warum gehen die Menschen so früh in Pension? nicht gestellt. Sie gehen aus Krankheitsgründen in Pension. Sie sind ausgepowert oder haben keine Arbeit, denn ein Großteil geht aus der Arbeitslosigkeit in Pension. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie schaffen diese Pensionsform jetzt mit einem Federstrich ab. Zuerst nennen Sie das Datum 1. Juli. Das haben Sie damit begründet, dass wir das mit 1. Oktober sowieso abgeschafft hätten, also könnten die Menschen darauf vorbereitet sein. Sie wollten sich nur ... (Abg. Prinz: Edlinger wollte zwei Jahre dazu! So schaut es aus!) – Aber gar nicht. (Abg. Prinz: Aber sicher!) Sie haben gar keine Ahnung, von welcher Pensionsform Sie reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wollten diese Abschaffung nur an einer Begutachtung vorbeimanövrieren. Jetzt kommt es wegen des EuGH-Urteiles gar rückwirkend mit 23. Mai. Sie haben Rechtssicherheit abgeschafft und Rechtsunsicherheit hervorgerufen, meine Damen und Herren! Sie haben keine Gespräche mit den Interessenvertretungen geführt. Die Ausschussbegutachtung war bei Einbringung Ihres Abänderungsantrages bereits abgeschlossen, und das Experten-Hearing – dazu möchte ich mich nicht weiter äußern – ist so gelaufen, wie es von meiner Kollegin Silhavy bereits angesprochen wurde. Eigentlich hat es nicht viel bewirkt, es ist ein bisschen Makulatur.

Wenn Sie jetzt die Verbesserung des Berufsschutzes für über 57-Jährige hochloben, dann sage ich Ihnen: Es sind zehn Jahre, vorher waren es zwölf Jahre innerhalb der letzten 15 Jahre, um in die Invaliditätspension gehen zu können. Meine Damen und Herren! Sogar diese Regierung erwartet sich, dass die Hälfte der Betroffenen arbeitslos sein wird. Was sagen Sie dazu?

Der Arbeitslosenanteil an den Zugängen betrug schon bisher 27,45 Prozent. Das bedeutet 2 800 arbeitslose Männer pro Jahr, 1 400 werden jetzt viereinhalb Jahre später in Pension gehen können. Vielleicht lassen Sie sich folgendes Beispiel auf der Zunge zergehen:

Ein 56-jähriger Hilfsarbeiter, verheiratet, seine Frau hat ein Einkommen in der Höhe von unter 17 931 S netto, arbeitet seit seinem 15. Lebensjahr, erreicht mit 57 Jahren 42 Versicherungsjahre, hätte eine Bemessungsgrundlage von 20 000 S und hat auf Grund seiner Tätigkeit am Bau ein schweres Bandscheibenleiden. – Herr Kollege Feurstein! Sie schauen schon sehr betroffen, diese Maßnahmen, so wage ich zu behaupten, schmerzen Sie. Nach geltendem Recht könnte er jetzt in die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit gehen. Diese Alterspension haben Sie jetzt aber rückwirkend abgeschafft. Er wird also im Krankenstand gekündigt und ist arbeitslos. Auf Grund seines Alters und seines Zustandes bekommt er keine Arbeit mehr. Sein Schicksal ist nun viereinhalb Jahre lang Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. (Zwischenrufe bei der SPÖ in Richtung ÖVP.)

Aber das ist noch nicht genug: Sie nehmen ihm noch jede Menge Geld weg. Hätte er nämlich in Pension gehen können, hätte er in diesen viereinhalb Jahren 932 000 S bekommen. (Abg. Prinz: Das könnte einem Eisenbahner nicht passieren!) So bekommt er etwa 470 000 S. Allein bei diesem einzelnen, tragischen Beispiel beträgt der Verlust 460 000 S.

Streichen, kürzen, drüberfahren, meine Damen und Herren, das ist Ihre Devise! (Beifall bei der SPÖ.)

Ungelernte Arbeiter am Bau, im Verkehr, in der Metallbranche, im Reinigungsgewerbe werden zu 55 Prozent durchs Netz fallen. Da gibt es viele Unklarheiten. Was heißt "zumutbare Veränderungen"? – Heißt das, wenn ich einen schweren Lungenschaden habe und die Firma jetzt


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 55

eine verbesserte Absaugung hat, dass ich dann bis zum frühzeitigen Tod dort weiterarbeiten kann, obwohl ich kaum Luft bekomme?

Geht es um genau die gleiche oder um gleichartige Tätigkeiten? Was passiert mit Rekordarbeitern und -arbeiterinnen? (Abg. Neudeck: Was heißt "Rekordarbeiter"?) – Akkord, Entschuldigung, ich habe mich versprochen. Das passiert Ihnen auch manchmal, nur machen wir deshalb kein solches Theater. Aber das bin ich gewöhnt. (Beifall bei der SPÖ.)

Erreicht hat diese Bundesregierung heute jedenfalls eines: dass ihr niemand mehr vertraut. Sie haben mit einem Federstrich jede Form von Vertrauensschutz abgeschafft.

Ich darf noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Annemarie Reitsamer und GenossInnen betreffend eine geschlechtsneutrale Neuregelung des Pensionsalters bei der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen eine Regierungsvorlage für eine geschlechtsneutrale Neuregelung des Pensionsalters bei der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit vorzulegen, die nach folgenden Grundsätzen ausgestaltet ist:

Für Männer und Frauen gilt ab dem 55. Lebensjahr eine Rücksichtnahme auf die bisher ausgeübte Tätigkeit, indem eine Verweisung nur mehr auf vergleichbare Tätigkeiten erfolgen kann, und

ab dem 57. Lebensjahr soll ebenfalls für beide Geschlechter eine eingeengte Verweisung auf die zuvor ausgeübte Tätigkeit maßgeblich sein."

*****

Stimmen Sie diesem Antrag zu! Machen Sie nicht Pensionisten zu Arbeitslosen, denn es kann und darf nicht sein, meine Damen und Herren, dass auf Kosten kranker Menschen 4,5 Milliarden Schilling nach oben umverteilt werden. Sie sichern nicht die Pensionen, Sie stellen sie in Frage. Sie stopfen Budgetlöcher, die Sie vorher aufgerissen haben, indem Sie von unten nach oben umverteilen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das eigentliche Thema ist das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz. Die Koalition gibt vor, die Selbstverwaltung stärken zu wollen. Wahr ist vielmehr, dass die gesetzliche Sozialversicherung damit deutlich verpolitisiert wird – und das nach 50 Jahren guter Verwaltungspraxis. Sie vergessen das, wie Sie alles vergessen, was unter Ihrer Regierungsbeteiligung passiert ist. Die 52. ASVG-Novelle ist eine sehr wesentliche Reform. Es gäbe keinen Handlungsbedarf beim Bestellungsmodus der Versichertenvertreter. – Herr Kollege Öllinger hat schon gesagt, was der Zweck dieser Dinge ist. Ich will mich hier darüber nicht verbreitern, denn die Arbeiterkammerwahl-Ergebnisse haben ohnehin ein Übriges getan.

Es waren bis dato die Gestaltungs- und Kompromissfähigkeit gewährleistet. Sie sagen selbst, dass die Anwendung des d'hondtschen Systems eine interimistische Lösung ist. Das klingt gut, aber dieses System bedeutet eigentlich die Umrechnung von Stimmen in Mandate. Ich habe noch nie gehört, dass es um die Umrechnung von Mandatsergebnissen in weitere Mandate geht. Das ist eine doppelgleisige Anwendung, ist völlig neu und auch nicht nachvollziehbar. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein. )

Es gibt entscheidende Gutachten, Herr Kollege Feurstein! Der Kreis der Mitglieder und Wahlberechtigten im ersten Selbstverwaltungsträger, in den Kammern, ist nicht identisch mit dem Kreis der Angehörigen des zweiten Selbstverwaltungsträgers der Versicherten. Daher gab es einen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 56

Abänderungsantrag mit Sonderregelungen für die Versicherungsanstalt der Eisenbahner und der Betriebskrankenkassen. Das ist auch ein bisschen Makulatur, und im Übrigen hätten Sie das überhaupt unterlassen können. Auf der Dienstnehmerseite sind nämlich die Wahlberechtigten nicht gleich die Leistungsberechtigten. Sie haben die freien Dienstnehmer, die neuen Selbständigen, die große Anzahl der Pensionisten und die Vertragsbediensteten im B-KUVG vergessen.

Angedacht sind dann in weiterer Folge Urwahlen. In Deutschland gibt es das. Trotzdem führt nur ein halbes Prozent der Sozialversicherungsträger diese Urwahlen durch, die anderen Träger machen so genannte Friedenswahlen. Sie setzen also die Versichertenvertreter sinnvollerweise wieder ein. Die Folgen Ihres Vorgehens sind ein Kostenfaktor und die Schwächung der Legitimität der Organe der Selbstverwaltung. Der Antrag ist ein starres Modell eines fraktionellen, parteipolitischen Proporzes. Da die Freiheitlichen immer für die Abschaffung des Proporzes eingetreten sind, frage ich mich: Wo sind hier Ihre Warnungen? – Aber wahrscheinlich rechnen Sie sich selbst etwas aus. (Beifall bei der SPÖ.)

11.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben von Frau Abgeordneter Reitsamer verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Reitsamer und Genossen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.14

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Reitsamer! Wenn Sie sagen, dass sich die Freiheitlichen immer dafür eingesetzt haben, dass der Proporz abgeschafft wird, so kann ich Ihnen versichern, dass wir auch heute noch dazu stehen und das auch weiter so handhaben werden. Dass Reformen notwendig sind, darüber sind wir uns alle in diesem Hause einig, egal, ob von den Regierungsfraktionen oder der Opposition.

Frau Kollegin Silhavy hat vom gutbestallten Haus Österreich gesprochen. Aber in jedem gutbestallten Haus muss es mit der Zeit Erneuerungen geben. Es gibt immer wieder andere Materialien, mit denen man die einzelnen Räume auffrischt und gestaltet. Einmal sind Tapeten modern, dann sind Tapeten wieder unmodern, und dann macht man es eben anders. – Kollege Zweytick! So ist es halt, du als Bürgermeister weißt das.

Eine Reform ist notwendig, nachdem in den Jahren 1993 und 1997 Teilschritte gesetzt worden sind, über deren Sinnhaftigkeit sich diskutieren lässt. Es war auf jeden Fall ein Flickwerk. Die demographische Entwicklung sagt uns allerdings, dass wir hier weiterarbeiten müssen, und im Prinzip bezieht sich diese Pensionsreform auch wieder auf die Studien Rürup und so weiter aus den Jahren 1995 und 1997, welche die seinerzeitige Sozialministerin Hostasch in Auftrag gegeben hat.

Auch die sozialdemokratische Fraktion in diesem Haus hat sehr wohl erkannt, dass es einen Reformbedarf gibt, nur der Mut zu einer grundsätzlichen Veränderung hat immer wieder gefehlt.

Der Europäische Gerichtshof hat jetzt die Regelung des unterschiedlichen Zugangsalters zur vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit mit 23. Mai 2000 aufgehoben, also dass Frauen mit 55 Jahren und Männer mit 57 Jahren in die frühzeitige Alterspension gehen können. Die Zahl der Anträge hat sich natürlich jetzt gesteigert, weil viele Männer die Chance wahrgenommen haben, diesbezügliche Anträge zu stellen. Das ist jetzt unterbunden worden, denn das würde auch den budgetären Rahmen sprengen. Diese Form der frühzeitigen Alterspension haben jährlich 2 800 Männer und 560 Frauen genützt. Die Hälfte davon – das muss man auch dazu sagen –, also zirka 1 000, werden bewilligt. Das heißt also, diese Menschen können in die Invaliditätspension gehen, es ändert sich nichts Gravierendes hiebei.

Bei der etappenweisen Anhebung des Frühpensionsalters um eineinhalb Jahre handelt es sich um folgende Maßnahme: Wenn man sich das Arbeitskräftepotenzial der Aktiven ansieht, so er


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 57

kennt man, dass bis zum Jahre 2010 228 000 zusätzliche Arbeitskräfte bei den über 45-Jährigen entstehen werden, um den Rückgang der 265 000 unselbständig Beschäftigten bei den unter 45-Jährigen auszugleichen. Das wird die österreichische Wirtschaft auch brauchen, und ich bin überzeugt davon, dass in den nächsten zwei, drei Jahren die Wirtschaft immer mehr darauf zurückgreifen wird. Anhand der letzten Statistik ersehen wir, dass immer mehr über 50-Jährige eingestellt werden, weil diese gebraucht werden. Dazu beitragen wird auch diese Maßnahme, die jetzt beschlossen wird, weil sie die Einstellung der über 55-Jährigen forciert, indem die Dienstgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung wegfallen. Der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer hat ebenfalls eine entlastende Wirkung, und der Anspruch auf Arbeitslosengeld wird ebenfalls von einem Jahr auf eineinhalb Jahre verlängert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Wichtigste dabei ist, dass die Konjunktur anzieht, dass Vollbeschäftigung gegeben ist, also alle Menschen in Österreich eine Beschäftigung haben und dadurch auch der Generationenvertrag gesichert ist. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft können wir nicht brauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist heute schon angesprochen worden, dass es uneinsichtig ist, wenn jemand mit 35 Versicherungsjahren und im 53. Lebensjahr in Pension geht, wie das zur Zeit bei den Eisenbahnern der Fall ist. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Ich gebe natürlich gerne zu, dass die Eisenbahner einen erhöhten Beitrag bezahlen, einen viel höheren als andere, aber das ist nicht das Gelbe vom Ei. Das versteht kein Mensch, dass der eine früher in Pension geht als der andere. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Kollegin Hakl hat heute auch schon angeschnitten, dass ein Elektriker, der bei der Bahn beschäftigt ist, früher in Pension gehen kann als ein Elektriker, der in einem anderen Betrieb beschäftigt ist. Dasselbe gilt auch für den Busfahrer, der bei der Bahn fährt, und jenem, der bei der Post fährt. Da gibt es Unterschiede, und das geht nicht. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Wir brauchen Gerechtigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Es muss Gerechtigkeit geben zwischen den einzelnen Gruppen der Arbeitnehmer und den Generationen. Das ist wichtig für den öffentlichen Dienst, bei den ASVG-Versicherten, bei den Selbständigen und bei den Bauern. Auch da muss ich sagen, dass die Eigenfinanzierungen bei den Bauern und bei den Selbstständigen angehoben werden müssen, denn auch das werden wir nicht bezahlen können. Dort muss ein Schritt in diese Richtung gesetzt werden.

Die ehemalige Bundesministerin Hostasch hat noch im Jänner gemeint, die Schaffung von Gleichwertigkeiten stärke das Vertrauen in das System. Sie hat Recht, genau in diese Richtung müssen wir arbeiten, genau dort hin müssen wir kommen. Wir haben jetzt eine Hackler-Regelung geschaffen, sodass auch jene, die lange im Erwerbsleben gestanden sind und 45 Beitragsjahre haben, mit 60 Jahren in Pension gehen können und ihnen ein Jahr Zivildienst oder Bundesheerdienst angerechnet wird. Genauso haben die Frauen mit 40 Beitragsjahren und mit dem 55. Lebensjahr die Möglichkeit, zusätzlich noch fünf Beitragsjahre als Kindererziehungszeiten angerechnet zu bekommen, sodass sie früher in Pension gehen können. Dafür haben wir gesorgt.

Folgendes möchte ich noch kurz sagen, obwohl meine Redezeit schon abgelaufen ist, Frau Kollegin Reitsamer, Frau Kollegin Silhavy, werte Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratischen Partei und der Grünen, denn eines verstehe ich nicht: Die Pensionsproblematik kennen wir alle, sie ist in Österreich und in Deutschland gleich. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Die SPD in Deutschland macht genau das, was unsere Bundesregierung jetzt vollzieht, und ich verstehe nicht, dass Sie das nicht einsehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.21

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte, bevor ich zum eigentlichen Thema meiner Rede komme, zuerst ein


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 58

mal auf die Ausführungen von Frau Mag. Hakl eingehen. (Abg. Steibl: Eine gute Rede hat sie gehalten, die junge Dame!) Ihre Rede, die sie heute vorgetragen hat, muss – anders kann ich es nicht bewerten – von einem unverbesserlichen Egoisten geschrieben worden sein. (Abg. Steibl: Das geht zu weit! Entschuldigung!) Ich glaube nicht, dass dieser Egoismus (Abg. Steibl: Wir sind freie Abgeordnete, und wir dürfen unsere Meinung kundtun!), den Frau Hakl hier heute vorgetragen hat, von ihr persönlich stammt. Das glaube ich ganz einfach nicht. Das traue ich ihr nicht zu. (Abg. Dr. Puttinger: Weil sie an die Jugend gedacht hat, oder warum? Weil sie an die Jugend gedacht hat?)

Wenn Frau Hakl davon spricht, dass man an die Jugend denken muss (Abg. Schwarzenberger: Ist das etwas Schlechtes? – Abg. Dr. Puttinger: Ja!), dass auch sie in Zukunft eine Pension haben soll, dann bin ich damit einverstanden. Aber ich glaube, dass die jugendlichen Menschen gegenüber älteren Menschen so viel Solidarität haben, dass sie nicht mit grinsendem Gesicht zuschauen, wie ihre Eltern, die 35 Jahre lang gerackert haben, psychisch und physisch fertig sind und nicht mehr arbeiten können, am Ende ihrer Berufslaufbahn in die Arbeitslosigkeit geschickt werden, weil es nicht mehr möglich ist, dass sie in die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit gehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Stummvoll: Das ist so ein Unsinn! – Abg. Dr. Puttinger: Das ist ein Unsinn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das traue ich den jungen Menschen, die hier oben sitzen, ganz einfach nicht zu (Abg. Neudeck: Ganz Österreich arbeitet im Bergwerk!), dass sie diesen Egoismus gegenüber ihren Eltern und ihren Angehörigen haben. Die Jugendlichen sind nicht so schlecht, wie sie von Ihnen dargestellt werden. (Abg. Steibl: Das ist ein Widerspruch! – Abg. Dr. Puttinger: Das ist das Gegenteil! – Abg. Neudeck: Haben Sie bei der Rede zugehört?) Die Jugendlichen haben Solidarität gegenüber älteren Menschen, und diese Solidarität schätze ich an jungen Menschen. (Abg. Neudeck: Hört! Hört!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jungen Menschen da oben werden eines – und das mit Recht – nicht verstehen: Warum Sie eine Politik betreiben, die die Reichen begünstigt, die die Unternehmer begünstigt und die Gewinne vervielfacht, ohne dass sie an ArbeitnehmerInnen weitergegeben werden. Die Jugendlichen oben auf der Galerie werden nicht verstehen, warum Sie heute nicht bereit sind, auf Kosten der jungen Generation Gewinne zu versteuern. (Abg. Prinz: Die werden Sie nicht verstehen, was Sie sagen! – Abg. Dr. Puttinger: So etwas habe ich noch nie gehört!)

Es ist nicht mehr zu rechtfertigen, warum es Mehrfachpensionen gibt, die bei 200 000 bis 300 000 S und mehr liegen. Das müssen Sie den jungen Menschen in Österreich erklären, warum Sie dieses System noch immer verteidigen und krampfhaft aufrecht erhalten. (Abg. Schwarzenberger: Das schaffen wir ab! – Abg. Dr. Puttinger: Das schaffen wir jetzt ab!) Da haben Sie Erklärungsbedarf. Das wollen die jungen Menschen von Ihnen wissen. Aber dazu haben Sie nichts zu sagen, weil das genau jene trifft – dazu gehören "sie", die jetzt nicht in diesen Reihen sitzen –, die es sich gerichtet haben (Abg. Steibl: Das geht zu weit!) und die im Alter eine ansehnliche Pension bekommen werden, eine Pension, von der Jugendliche nur träumen können, wenn sie älter sind. (Abg. Neudeck: Ich bekomme die gleiche Pension wie Sie, wenn überhaupt! – Abg. Silhavy  – in Richtung des Abg. Neudeck –: Sie bekommen wahrscheinlich keine Pension mehr, weil Sie schaffen sie ab! – Abg. Neudeck: Wenn man es sich nicht leisten kann, muss man es abschaffen!)

Aber nun zu den Änderungen der Pensionsreform: Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich frage Sie: Was soll ein Mensch, der zwischen 50 und 60 Jahre alt, körperlich kaputt ist und seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, in Zukunft tun? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Invaliditätspension!) – Sie sprechen von Qualifizierungsmaßnahmen, die Sie dieser Personengruppe anbieten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist Ihnen nicht klar – das hätten Sie auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre doch wissen müssen, da Sie als ÖVP jahrelang in der Regierung waren –, dass es nicht sinnvoll ist, einen Zuckerbäcker, der ohne Arbeit ist, zum Mechaniker auszubilden und den arbeitslosen Mechaniker zum Zuckerbäcker? – Beide werden, auch wenn sie sich ein zweites Berufswissen angeeignet haben, nach wie vor arbeitslos bleiben. Sie können nicht verlangen, dass sich Menschen mit 55 Jahren


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 59

hinsetzen und zwei Jahre lang eine Ausbildung machen, damit sie dann mit 57,5 Jahren beziehungsweise mit 61,5 Jahren in Pension gehen können. Das ist nicht zumutbar, und das bringt diesen Menschen auch nichts mehr.

Ich denke, diese Menschen – es sind vor allem ArbeitnehmerInnen aus ungelernten Berufen – haben ganz einfach ein Recht darauf, wenn sie körperlich und psychisch geschunden sind, dass man ihnen eine Pension gibt und sie nicht zum Bittsteller der Nation qualifiziert, indem man sie zum Arbeitsamt schickt und später, wenn sie keine Notstandshilfe mehr beziehen, zum Sozialamt. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Sie wissen genau so gut wie ich, dass 57 Prozent jener Menschen, die jetzt wegen geminderter Erwerbsfähigkeit in Pension gehen konnten, Arbeiter, ungelernte Arbeiter sind und dass diese 57 Prozent aus der Arbeitslosigkeit kamen und jetzt in Pension gehen konnten. In Zukunft wird es so sein, dass die Arbeitslosigkeit steigt, weil es nämlich diese Pension nicht mehr gibt. Es gibt Berechnungen, wonach bereits im Jahre 2003 fast 700 Millionen Schilling aufgewendet werden müssen, um dieses finanzielle Loch von Nichterwerbstätigkeit und ohne Anspruch auf Pension zu stopfen. Im Jahre 2005 werden es 960 Millionen Schilling sein, und es werden 7 000 Personen davon betroffen sein. Aber das ist Ihnen anscheinend völlig Wurscht. Anders kann ich es nicht bewerten, denn sonst würden Sie nicht diese soziale Kälte haben und Menschen, die jahrelang gearbeitet haben, kurz vor ihrem Pensionsantritt vor das Nichts stellen.

Ihre Änderung im § 255, bei der es darum geht, dass im Unternehmen unter Umständen eine zumutbare andere Tätigkeit für den Dienstnehmer gesucht und gefunden werden soll, hat zum Ziel, meine Damen und Herren, dass es bei einer Änderung der Tätigkeit wahrscheinlich auch zu einer Änderung des Einkommens kommen wird. Die Kurve dieses Einkommens wird aber nicht nach oben gehen, sondern nach unten. (Abg. Neudeck: Das ist eine boshafte Behauptung! – Abg. Silhavy: Sie sind realitätsfern, Herr Kollege, wenn Sie sagen, das ist eine boshafte Behauptung! – Abg. Neudeck: Sie sehen immer nur Ihre Realität!) Diese Tatsache, dass das das Ergebnis von so genannten anderen Tätigkeiten sein wird, wurde im Ausschuss beim Hearing von allen Experten – wenn schon nicht bestätigt, dann zumindest nicht widerlegt. Diese Entwicklung ist wirklich eine traurige.

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben es geschafft, dass die soziale Kälte in Österreich, die es schon gibt, noch größer wird und junge gegen alte Menschen ausgespielt werden. Das ist unfair. Das haben sich Österreich und seine BürgerInnen nicht verdient, dass Sie die Schere so auseinander klaffen lassen und Jung gegen Alt aufhetzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Trinkl zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Jugend, liebe Zuhörer auf der Galerie! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition: Haben Sie Kinder? (Abg. Silhavy: Ja!) Eigene Kinder? Enkelkinder? (Abg. Silhavy: Auch!) Keine?

Wenn ja, dann verstehe ich eines nicht: Dann verstehe ich nicht Ihre Argumentation, warum Sie sich hier so vehement gegen jede Änderung des Pensionssystems stellen. (Abg. Dr. Petrovic: ... Mütter? – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dann verstehe ich diese Argumentation nicht, Frau Petrovic! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dabei wissen Sie so gut wie wir: Österreich hat eines der besten Pensionssysteme der Welt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) In keinem anderen Land sind die gesetzlichen Pensionen im Verhältnis zum aktiven Einkommen höher als bei uns. Daher muss man selbstverständlich ... (Abg. Brix: ... Strafverfahren!) Herr Kollege Brix, hören Sie zu! – Daher muss man selbstverständlich ein solches System laufend an die geänderten Verhältnisse anpassen, vor allem dann,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 60

wenn die Menschen erfreulicherweise immer älter werden, wenn aber zweitens die Leute auch immer früher in Pension gehen.

Das wissen Sie, das wissen Ihre Experten, und das weiß auch Ihr sehr geschätzter Ex-Finanzminister Edlinger. Von ihm kam ja der Vorschlag, das Antrittsalter um zwei Jahre zu erhöhen. (Abg. Reitsamer: Ohne Abschläge!) Doch plötzlich ist alles ganz anders, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Sophie Bauer. ) Sie sprechen nur noch von wohlerworbenen Rechten Ihrer eigenen Generation, Sie bemühen ständig den Vertrauensschutz. Ich frage Sie: Vertrauensschutz für wen? (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Worauf sollen sich die Jungen – Ihre Kinder, unsere Kinder – noch verlassen? Worauf sollen sie vertrauen?

Sie blockieren notwendige Reformen, weil es Ihnen darauf ankommt, Totalopposition, Fundamentalopposition zu betreiben. Doch das wird Ihnen nicht gelingen. (Abg. Dr. Mertel: Sprechblasen! Eine Sprechblase sind Sie!) Es wird Ihnen in dieser Frage genauso gehen wie in vielen anderen Fragen, sei es beim Finanzhaushalt (Abg. Dr. Mertel: Sie sind eine Sprechblase!), wo Ihr Umgang mit unserem Geld dazu geführt hat, dass wir heute zu den höchst verschuldeten Ländern Europas gehören (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer ), oder sei es Ihre Haltung zu den Maßnahmen der EU-14. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Diese Haltung ist es, die uns immer noch die Probleme im Ausland verursacht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Genau so ist es!)

Aber vielleicht geht es Ihnen heute nur deshalb so schlecht, weil Sie gestern bei der Dringlichen wieder einmal einen Flop erzielt haben. Mit tut das Leid. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Doch nehmen Sie bitte eines zur Kenntnis: Die Menschen draußen verstehen Ihre Haltungen nicht mehr. (Abg. Silhavy: Für uns gibt es keine "Menschen draußen"! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sagen Ihnen auch die Meinungsumfragen der letzten Wochen eindeutig. Aber verstehen Sie bitte, dass ich Sie deshalb nicht bemitleide; das ist Ihre eigene Schuld! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Apropos gut bestelltes Haus, Frau Silhavy: 1,7 Milliarden Schilling an Schulden haben wir übernommen, das haben Sie heute schon gehört. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Eines darf ich Ihnen sagen. (Abg. Dr. Mertel: Sprechblasen!) Auch Ihnen, Frau Kollegin Mertel, darf ich eines sagen: Vermögensteuerpflichtig war dieser Übergang nicht, denn für überschuldete Gegenstände fällt keine Vermögensteuer an. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zweitens: Lesen Sie bitte über die Arbeitsmarktlage des Monats Mai nach. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Lesen Sie, warum diese Ergebnisse so erfreulich sind: plus 1,2 Prozent bei den Beschäftigten, minus 13 Prozent bei den Arbeitslosen, minus 12 Prozent bei den jugendlichen Arbeitslosen. Warum sind diese Ergebnisse so erfreulich? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ich werde es Ihnen sagen: weil die Betriebe, weil die Menschen in diesem Land Vertrauen zu dieser Regierung haben. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Menschen verstehen auch nicht das Säbelrasseln der Gewerkschaften. Man scheue nicht davor zurück, mit der Straße Druck zu machen, sagt die ÖBB-Gewerkschaft. (Abg. Dr. Mertel: Welche Menschen meinen Sie?) Herr Haberzettl sollte darauf achten, seine Leute nicht auf die Straße zu bringen, sondern seine Leute dazu zu bringen (Abg. Schwarzenberger: Auf die Schiene zu bringen!), aus der Bundesbahn ein leistungsfähiges, effizientes, zukunftsorientiertes Unternehmen zu machen. Dann hätte er keine Probleme mehr! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wer sich heute gegen Reformen stellt und diese nach Möglichkeit zu verhindern sucht, wie etwa die Vorsitzende des Sozialausschusses durch den Versuch in der ersten Sitzung, die Geschäftsordnung im Sinne einer parteiischen Geschäftsführung auszulegen, der schadet nicht der Regierung (Abg. Reitsamer: Welchen Blödsinn ...?), sondern der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 61

schadet den jungen Menschen in diesem Land – vielleicht sogar Ihren eigenen! (Abg. Reitsamer: Ich habe die Sitzung unterbrechen müssen, weil ein Antrag zu beraten war!)

Wir nehmen die Herausforderungen der Zukunft an. Als der EuGH das unterschiedliche Antrittsalter für die Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit aufgehoben hat, haben wir sofort geschaltet. Wir haben heute eine Vorlage auf dem Tisch, womit wir großen Schaden für das österreichische Pensionssystem verhindern können. Ebenso haben wir heute Begleitmaßnahmen als Vorlage im Hohes Haus, damit jene Gruppen, die uns besonders am Herzen liegen, entsprechend abgefedert werden. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wollen diese Bundesregierung an Taten messen. Die Bundesregierung ist nunmehr 130 Tage im Amt. In dieser Zeit sind eine Reihe von Reformen eingeleitet worden, und vieles ist nach 130 Tagen bereits umgesetzt. Allein gestern haben wir hier im Hohen Hause Beschlüsse zu 33 Tagesordnungspunkten gefasst, und heute sind es nicht viel weniger. Wir sind stolz auf diese Bilanz.

Wir laden Sie daher ein: Messen Sie uns an unseren Taten! (Abg. Dr. Mertel: Das sind Worte! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Messen Sie die Regierung an ihren Taten, und Sie werden zu dem gleichen Ergebnis kommen wie die Mehrheit der Menschen in diesem Land: Diese Bundesregierung ist gut für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Reitsamer zu Wort gemeldet.

Bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen.

11.37

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Kollege Trinkl hat mir parteiische Ausschussführung vorgeworfen (Abg. Schwarzenberger: Das sollte nicht sein!), weil ich von dem geschäftsordnungsmäßigen Recht, eine Sitzung zu unterbrechen, Gebrauch gemacht habe.

Ich habe die Sitzung deshalb unterbrochen – und ich habe dies im Ausschuss auch begründet –, weil ein kurz vorher übergebener Abänderungsantrag, der erstmals die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit vorgesehen hat, von uns durchgelesen und beraten werden musste. Das war der einzige Grund.

Ich glaube nicht, dass es da angemessen ist, mir parteiische Ausschussführung vorzuwerfen (Abg. Steibl: Es hat aber eine Diskussion gegeben!)  – noch dazu, da Frau Bundesministerin Sickl hier mit uns einer Meinung ist, dass die Ausschussführung alles andere als parteiisch gewesen wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

11.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.38

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Gleich eingangs, weil Sie gefragt haben, wer wie viele Kinder hat: Ich habe drei Kinder (Abg. Dobnigg: Bravo!), war die ganz Zeit voll berufstätig und habe keine Karenzzeit in Anspruch genommen, auch kein erhöhtes Karenzgeld, obwohl meine Kinder unehelich geboren waren, weil ich damals mit dem Kindesvater nicht verheiratet war. (Abg. Steibl: Wie viele Katzen und Hunde?)

Wir könnten in den Biographien, die es von uns gibt, auch alle privaten Details angeben. Bis jetzt weiß ich nur, wer die Studienabbrecher sind. Aber wir könnten auch sagen, wer geschieden ist, wer ledig ist, wer wie viele Kinder hat, von wem er die Kinder hat und wie er sie geboren hat, wenn Sie wollen. Wir können alles offen legen: das transparente Parlament! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 62

Nun zu Ihrer Bemerkung wegen der Sanktionen der EU-14: Solche Äußerungen wie jene vom vorigen Wochenende sind nicht gerade günstig. Wir gehen bei Gott nicht Österreich vernadern. Aber es hören und lesen das sehr viele, und sie sind entsetzt. Diejenigen, die in diesem Lande leben, haben sich leider schon an diese Töne gewöhnt, sodass sie nicht einmal mehr besonders erschüttert darüber sind. Das ist die Realität. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pilz. )

Heute beschließen die Regierungsparteien massive Verschlechterungen für schwache Bevölkerungsgruppen, wie Kranke, ausgepowerte Arbeiter, Frauen, Menschen, die nach vielen Jahren Arbeit nicht mehr können und die auch kein Dienstgeber mehr haben will. Mit diesem Gesetzesbeschluss werden Schwache schwer belastet und manche in ein Nichts befördert.

Zum Unterschied von der Regierung, die uns – wie jetzt mein Vorredner – so gern als "Fundamentalopposition" beschimpft, wenn wir uns ihr nicht unterwerfen, spreche ich nicht von einer Fundamentalregierung. Diese Regierung tut eben, was ihr beliebt. (Abg. Dr. Mertel: Abkassieren und drüberfahren!) Sie holt für ihre Klientel Geld von Schwächeren. Das Ganze nennt sie dann den "notwendigen Druck zum Sparen".

Kein Mensch leugnet, dass Sparmaßnahmen nötig sind. Aber wer will das Karenzgeld für alle? Wer Steueramnestie für Unternehmer? Welches Ministerium hat das Budget am stärksten überschritten? Wer beschließt Regelungen als "Aktion Fairness" und nimmt dabei Angestellten wie Arbeitern viel? – Soziale Ausgewogenheit ist wohl ein Fremdwort für Sie. Sie machen eine beinharte Politik für Wohlhabende und Starke. Über die anderen wird drübergefahren! Sie haben auf Grund ... (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Jetzt habt ihr sie erschreckt!) Nein, ich bin nicht so leicht zu erschrecken, geben Sie sich keiner Illusion hin!

Sie haben auf Grund Ihrer Verhandlungsführung die parlamentarische Mehrheit, und Sie nützen sie für Ihre Zwecke. Der Meinungswandel Ihrer Fraktion gegen Ihre frühere Klientel ist offensichtlich. Das war auch im Sozialausschuss sehr auffallend: Es waren viele Sozialausschussmitglieder Ihrer Fraktion nicht dabei. Sie sprechen auch heute nicht. Keine einzige Frau von Ihrer Fraktion spricht zu diesem Paket. Auch der Abgeordnete Gaugg spricht erst beim dritten Tagesordnungspunkt. Das ist mir aufgefallen.

Ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir früher die Opposition "Fundamental-Opposition" genannt hätten. Wie schwach fühlen Sie sich, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass Sie so dringend unserer Unterstützung bedürfen? – Sie lehnten es ab, mit Arbeitnehmervertretern ernstlich zu verhandeln, und Sie verbreiteten, wie wir erfahren haben, auch Unwahrheiten.

Wir konnten uns in den Expertengesprächen über die finanziellen Auswirkungen dieser Pensionsabschaffung informieren. Der Schutz für ungelernte Arbeiter wird verschlechtert. In den letzten 15 Jahren müssen sie nicht mehr sechs, sondern zehn Jahre in ihrem Letztberuf gearbeitet haben. In früheren Reden sagte ich, dass wir für diese Bevölkerungsgruppe mehr tun müssen. Ihnen Verschlechterungen als Erfolge zu verkaufen ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe.

Juridisch halte ich diese kurzfristige Änderung für bedenklich. Ein Vertrauensschutz ist nicht gegeben. Da Herr Professor Mazal im Expertenhearing die unterschiedlichen medizinischen Gutachten angesprochen hat, kann ich dieses Kompliment an die Juristen zurückgeben. Jedes Gutachten ist in gewissem Sinne subjektiv, eine absolute Objektivität gibt es nicht. Ich kenne auch die medizinischen Gutachten für die Pensionen in der Ärztekammer. Da stehen einem manchmal die Haare zu Berge!

Wer immer ein Gutachten in Auftrag gibt, wird eines erhalten, das seinen Intentionen entspricht. Er sucht sich auch den entsprechenden Gutachter aus. Wir wissen um diese Mechanismen. Der Bevölkerung streuen wir Sand in die Augen und erzählen etwas von Objektivität.

Eine Entscheidung des EuGH so zu deuten, dass man diese Pension sofort aufhebt, hat einen ganz besonderen Charme. Es zeigt sich, wie gerade von der Kanzlerpartei die christliche Nächstenliebe gegen die Schwachen gelebt wird. (Beifall bei der SPÖ.) Für Sie sind diese


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 63

Menschen anonym: gescheiterte Tachinierer in der sozialen Hängematte. In meinem Beruf sehe ich diese Menschen. Ich sehe sie, ich sehe ihre Verzweiflung, ich sehe ihre Armut.

Wir haben Programme, die ein Einsparungspotenzial erbringen, aber in sozial gerechter Verteilung, und nicht so, dass die Schwächeren für die Benefizien der Oberen bezahlen. Bei Pensionsreformen wären auch die Steuerleistungen zu berücksichtigen. Es gibt Pensionsträger, die mehr an Steuerzuschuss brauchen als die anderen. Das wird hier auch nicht berücksichtigt.

Man muss berücksichtigen, wie lange die Menschen in der Invaliditätspension bleiben. Ich erinnere wieder einmal an die Lehrer, die oft sehr jung in die Frühpension gegangen sind, sehr häufig als Opfer von schweren Bergunfällen. Offensichtlich sind die Lehrer eher wegen psychischer Leiden in die Frühpension gegangen als wegen körperlicher, sonst hätten sie nicht in die Berge gehen können.

Ich möchte aber noch eines sagen. Wir alle hier herinnen könnten von der durchschnittlichen Pension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit sicher nicht leben – Sie nicht, ich nicht, wir alle nicht. Gönnen wir es denen, seien wir stolz, dass es Menschen gibt, die so bescheiden sein können, damit zu leben!

Und weil wir in der nächsten Sitzung die Spreizung bei den Witwenpensionen im ASVG haben werden: Wie wird dann die Ministerwitwe einmal in ihrer Pension gespreizt werden? Bekommt sie ihren vollen Anteil, oder hat sie auch das Limit von 20 000 S? (Abg. Donabauer: Genauso!) Wie wird es da mit der Gleichheit sein? (Abg. Dr. Feurstein: Genau gleich!)  – Ich frage ja nur. Ich habe das bis jetzt nicht gefunden. (Abg. Schwarzenberger: Genau gleich! Auch ein Primaria-Ehepaar wird gleich behandelt!)

Ja, eh, ich habe eine ASVG-Pension! Ich konnte, wie gesagt, auch hier nicht großartig sagen: Ich habe nicht für die alte Lösung votiert. Ich konnte doch gar nicht votieren, weil die meisten nicht votieren konnten. Die einen waren drinnen, und die anderen waren draußen. Es waren nur sehr wenige Abgeordnete, die votieren konnten. Da war es dann der Überdrüber-Schmäh, zu sagen: Ich habe nicht dafür votiert. – Na, ich habe auch nicht votiert. Ich hätte aber – das gebe ich hier ehrlich zu – für die bessere Lösung votiert, wenn ich es hätte tun können. Heute kann ich mich für etwas berühmen, wessen ich nicht zu rühmen bin.

Glaubensgemeinschaften haben unlängst einmal sehr die soziale Kälte beklagt. Das war ein Mai-Lüfterl gegen das, was jetzt kommt! Ich bin nicht für das Schüren von Generationskonflikten und genauso gegen das Schüren von Konflikten zwischen Menschen verschiedener Herkunft. Die Entsolidarisierung der Gesellschaft nimmt bedrohliche Formen an. Das sollten wir verhindern! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum zweiten Teil, der Besetzung der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsanstalten: Es geht Ihnen nicht um Demokratisierung. Sie wollen die Sozialdemokraten draußen haben, und Sie wollen hineingehen. Das sollte man ehrlich zugeben. Selbstverwaltungen vor Ende der Funktionsperiode durch die Aufsichtsbehörde abzusetzen, ist sowohl demokratiepolitisch bedenklich als auch, wie wir aus den vielen Stellungnahmen erfahren haben, verfassungsrechtlich bedenklich.

Wir in unserer Partei haben immer unsere demokratische Haltung bewiesen. Wir haben niemals gegen andere in aggressiver Form agiert. Wir haben niemals Menschen Freiheit oder Leben genommen. Darauf bin ich sehr stolz! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Das glaube ich nicht!) Na, das glaube ich schon!

Bei Ihren Änderungen für die Selbstverwaltungen streben Sie auch nicht die Gleichheit an. Sie nehmen die Beamtenversicherung aus, Sie nehmen aber auch anderes aus. In einer Stellungnahme ist gesagt worden, man sollte den Steuerzahler dort berücksichtigen, wo er besonders stark zuzahlt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 64

Diese Regierungsvorlage bedeutet eine eklatante Verschlechterung für die Schwachen in diesem Land. Demokratiepolitisch und verfassungsrechtlich ist sie bedenklich. Sie erhält daher nicht unsere Zustimmung.

Versuchen Sie auch nicht, auf demokratisch gewählte Abgeordnete Druck auszuüben, indem Sie immer von Fundamentalopposition reden! Der Spott und der Hohn, der in der letzten Zeit hier im Plenum immer wieder zu hören war, ist geschmack- und taktlos. Das fällt auf diejenigen zurück, die es ausüben, besonders dann, wenn sie so gerne von Krankheiten anderer Abgeordneter sprechen.

Wir stehen zur Bevölkerung. Wir stehen zu den Jungen, zur Sicherung ihrer Zukunft und zur Sicherung der Existenz der Alten. Wir stehen zu unserem Land. Wir lieben es, und wir werden es immer und überall vertreten. Da wir kritisch und verantwortungsbewusst sind, werden wir auch anderen Tagesordnungspunkten zustimmen. (Abg. Neudeck: Schade, dass Gusenbauer nicht da ist! Er hätte das hören sollen!) Aber diesem unsozialen und rechtlich bedenklichen Antrag stimmen wir sicherlich nicht zu! (Beifall bei der SPÖ.)

11.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Dr. Sickl. – Bitte, Frau Minister.

11.48

Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Sozialversicherungs-Änderungsgesetz stehen zwei Themen auf der Tagesordnung, nämlich einerseits die Demokratisierung der Gremien der Sozialversicherungsträger und andererseits die nötige Reaktion der Politik auf das EuGH-Urteil vom 23. Mai dieses Jahres. Bei beiden Themen beweist diese Regierung, diese Koalition einerseits ihr ausgeprägtes Demokratiebewusstsein, aber andererseits auch ihr hohes Verantwortungsbewusstsein gerade für die sozial Schwachen und ihr hohes Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Steuerzahler. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Sozialversicherung ist eine besonders wichtige Institution zur Gewährleistung der sozialen Sicherheit und zur solidarischen Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger im Krankheitsfall, bei Unfall und im Pensionsfall. Es muss ein wichtiges Anliegen der Politik sein, hier sinnvolle Reformen durchzuführen.

Das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz sieht eine Demokratisierung in der Zusammensetzung der Gremien der Sozialversicherungsträger vor und ist daher ein längst fälliger Schritt, der eine unhaltbare Situation abschafft, die es bisher gegeben hat, dass nämlich die Präsidenten der Interessenvertretungen willkürlich nach eigenem Ermessen diese Gremien zusammengesetzt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das kann in Zukunft nicht mehr passieren, denn in Zukunft ist auf das Ergebnis der demokratischen Wahlen dieser Interessenvertretungen nach dem d’Hondtschen System Rücksicht zu nehmen. Das heißt, es ist ein wichtiger Schritt in Richtung Demokratisierung gesetzt worden.

Besonders wichtig ist auch – das ist ein Zeichen, dass wir tatsächlich für diese Demokratisierung einstehen –, dass gewisse Träger und die Kraft ihrer Strukturen anders beurteilt werden müssen, wie etwa die Sozialversicherungsanstalt der Eisenbahner, wie etwa die Betriebskassen. Man war sensibel genug und hat auch in der gesetzlichen Regelung auf diese einzelne spezielle Situation Rücksicht genommen.

Was für mich wichtig ist, ist auch eine neue Situation der Nichtaktiven in den Gremien der Sozialversicherungsträger. Das sind die Pensionisten, und das sind die Behinderten. Sie haben bisher in diesen Gremien, in den Beiräten relativ schwache Rechte gehabt, und diese sind jetzt gestärkt worden, indem sie in diesen Gremien nicht überstimmt werden können und indem sie selbst ihre Anträge, ihre Anliegen im Vorstand und in der Generalversammlung vorbringen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 65

Das ist meiner Meinung nach ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Rechte für die Senioren und speziell auch für die Behinderten. Ich sehe diesen Schritt im Zusammenhang mit der Installierung des Seniorenbeirates im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen als einen wichtigen Schritt in Richtung lebendige Gestaltung des Generationenvertrages.

Meine Damen und Herren! Wir müssen den Generationenvertrag nicht zu einem Lippenbekenntnis herabwürdigen, sondern wir müssen ihn tatsächlich leben, und wir müssen glaubwürdige Maßnahmen in der Politik, in den gesetzlichen Regelungen setzen, um zu zeigen, dass es uns damit ernst ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum zweiten Thema, zur Reaktion auf das EuGH-Urteil vom 23. Mai dieses Jahres. Da möchte ich doch ein paar Worte betreffend die Pensionsreform ganz generell vorausschicken, weil dies heute sehr oft angesprochen worden ist. Uns geht es darum, dass wir die Finanzierung der Pensionen langfristig sicherstellen. Meine Damen und Herren! Das ist ein Thema, das auch in der EU zunehmend eine wichtige Rolle spielt. Österreich hat auch von der EU eine Empfehlung bekommen, sein Pensionssystem anzupassen und zu sanieren und dem enormen demographischen Wandel, der derzeit stattfindet, Rechnung zu tragen.

Ich möchte betonen, dass diese Pensionsreform, die wir in Kürze beschließen werden, mit sehr großer Sensibilität, mit sehr großer Sozialkompetenz konzipiert wurde, dass die notwendigen Maßnahmen maßvoll sind und dass sie schon in der letzten Legislaturperiode fällig gewesen wären. – Das zur Widerlegung des Arguments, dass diese Pensionsreform rasch und überfallsartig erfolge. Die Reformen, die wir heute vorschlagen, hätten schon in der letzten Legislaturperiode Platz greifen sollen, und daher kann von "rasch" und von einem "Überfall" keine Rede sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn hier von "Grauslichkeiten" die Rede ist, so möchte ich sagen (Abg. Öllinger: Sie selbst haben das gesagt!), diese Pensionsreform enthält überhaupt keine Grauslichkeiten, und es wird auch in Zukunft keine Grauslichkeiten geben. (Abg. Öllinger: Das ist Ihr Zitat!) Es geht darum, dass wir klar machen, dass wir eben keine soziale Kälte Platz greifen lassen, sondern dass wir mit dieser Pensionsreform dem Sozialabbau entgegensteuern, indem wir durch eine langfristige Sicherung der Finanzierbarkeit das soziale Netz verstärken und die Sicherheit gerade für die sozial Schwachen gewährleisten wollen. (Abg. Öllinger: Das haben Sie selbst gesagt, Frau Ministerin!)

Vielleicht kurz zur Vorgeschichte: 1993 hat man eine neue vorzeitige Alterspension eingeführt. Männer und Frauen konnten mit 55 Jahren in Pension gehen, wenn sie in ihrer damaligen Tätigkeit aufgrund gewisser körperlicher Probleme nicht mehr einsatzfähig waren. Das war eine Ausnahme von dem System, und diese Ausnahme ist ausschließlich deshalb geschaffen worden, weil man beschäftigungspolitische Probleme lösen wollte, weil man bei gewissen großen Firmen die finanzielle Situation in den Griff bekommen wollte und die Menschen nicht in die Arbeitslosigkeit, sondern in die Pension geschickt hat – zu Lasten des Steuerzahlers und zu Lasten dieses Systems.

1996 wurde dann das Antrittsalter für Männer auf 57 Jahre angehoben, und das ist EU-widrig. Daher wurde diese Regelung von der EU mit 23. Mai dieses Jahres aufgehoben. Das heißt, ab sofort konnten laut diesem EuGH-Erkenntnis auch Männer mit 55 Jahren in Pension gehen. Wir haben gesehen, dass explosionsartig Anträge von Männern mit 50 Jahren eingelangt sind.

Meine Damen und Herren! Das bedeutet eine unverkraftbare Belastung, eine für das Budget katastrophale Auswirkung. Die Experten haben berechnet, dass das 1 bis 2 Milliarden Schilling im Jahr bedeuten würde. Es gibt auch nicht das Argument des Vertrauensschutzes, denn diese Männer, die nun plötzlich aufgrund des EuGH-Urteils mit 55 Jahren in Pension gehen wollten, konnten sich nicht vorher darauf verlassen, dass das EuGH-Urteil so ausfallen wird. Daher ist es ungerechtfertigt und unfair gegenüber den anderen, dass diese Menschen nun plötzlich in Pension gehen können. Wie gesagt, die Auswirkung auf den Steuerzahler ist einfach nicht verantwortbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 66

An die Stelle dieser Pension, die ohnehin eine Systemwidrigkeit darstellt, ist ein sehr sensibles und kompetentes Auffangnetz getreten, das wortgleich für alle Berufsgruppen, nämlich für die Ungelernten, für die Gelernten, für die Bauern und die Gewerbetreibenden, einen verbesserten Berufsschutz darstellt. Das ist gerade für die Ungelernten, die Bauern und die Gewerbetreibenden eine außerordentliche Verbesserung, denn diesen Berufsschutz, den sie jetzt haben werden, haben sie in der Vergangenheit nicht gehabt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf betonen, dass gerade mit diesem Schritt wieder etwas erfüllt wurde, das schon längst fällig gewesen ist, nämlich der Berufsschutz für die Ungelernten, und das sind die sozial Schwachen. Wenn Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, uns vorwerfen, wir seien sozial nicht kompetent, so bestätigen Sie damit das Gegenteil. Gerade mit dieser Regelung haben wir etwas verwirklicht, was Sie schon längst hätten tun müssen (Zwischenruf der Abg. Silhavy ), wenn Sie tatsächlich für die Ungelernten, für die kleinen Verdiener, für die Bauern, für die Gewerbetreibenden, für die Klein- und Mittelbetriebe hätten eintreten wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte damit sagen, dass die Regierung auch mit diesem zweiten Thema in dem heute zur Debatte stehenden Gesetz, nämlich mit der Realisierung des Urteils des EuGH, das bewiesen hat, das wie ein roter Faden in den letzten drei Monaten durch ihre gesamte Arbeit gegangen ist, nämlich einerseits ein ausgeprägtes Demokratiebewusstsein und andererseits ein Verantwortungsbewusstsein gerade für die sozial Schwachen und für den Staatshaushalt, das heißt, ein Verantwortungsbewusstsein für die Geldbörse unserer Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.58

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Regelungen im Pensionsbereich gehören wohl zu den am meisten diskutierten Neuerungen in den letzten Monaten. Zugleich ist diese Diskussion zum Teil aber auch vor allem von der Opposition äußerst unqualifiziert, unsachlich und wenig zielführend geführt worden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geschätzte Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion! Sie haben wieder einmal bewiesen, dass Sie tatsächlich kein Interesse an sachlichen Lösungen haben, sondern dass Sie Fundamentalopposition betreiben – ich muss es immer wieder wiederholen – und alles schlecht machen, was von Regierungsseite kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Das haben wir schon gehört! Diese Passage haben wir schon gehört! – Abg. Neudeck: Sie sollen es verstehen, nicht nur hören!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben vor einigen Jahren ein EU-rechtswidriges Gesetz beschlossen, das jetzt vom EuGH aufgehoben wurde. Diese Regierungsparteien müssen jetzt Ihre Fehler ausbessern, die Sie vor einigen Jahren gemacht haben. Und das – das kann ich Ihnen versichern – werden sie gut machen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Da haben wir auf Sie gewartet!)

Die Opposition und mit ihr ihre quasi Vorfeldorganisationen, die Arbeiterkammer und der ÖGB, sprechen immer wieder vom Sozialabbau übelster Sorte, von sozialer Kälte, die ins Land hereinbricht, von Belastungen der Kranken und der Alten in unserer Gesellschaft. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Meine Damen und Herren! Für diese Menschen, für die Kranken, für die Alten, für die sozial Schwachen, wird diese Regierung immer da sein. Hören Sie doch endlich auf, Ängste zu schüren. Hören Sie doch auf, unqualifiziert Ängste zu schüren (Beifall bei den Freiheitlichen) und arbeiten Sie doch qualifiziert mit! (Abg. Dr. Mertel: Was tun Sie für sie? Da sein wie ein Damoklesschwert! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Reformschritte, Frau Kollegin,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 67

dieser Bundesregierung sind behutsam, und sie sind sozial gerecht, dessen können Sie sicher sein.

Das eigentliche Problem bei den Pensionen liegt ganz woanders. Pensionen müssen langfristig gesichert werden. Es muss gewährleistet werden, dass auch die Jugend von heute, dass auch meine Generation, unsere Generation, die Mädchen und Burschen, die auf der Galerie sitzen, einmal die Chance haben, eine Pension zu bekommen. Sie wissen ganz genau, dass die jungen Menschen mit dem bestehenden Pensionssystem keine Chance auf eine Pension haben. Sie wissen ganz genau, dass hier ein dringender Handlungsbedarf besteht, dass die Notwendigkeit besteht, im Sinne der Jugend zu handeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie wissen das, meine Damen und Herren! Sagen Sie doch bitte auch diese Wahrheiten immer dazu!

Wenn Sie aus Ihrer verzweifelten Situation einer entmachteten Fundamental-Opposition polemisieren und Angst machen und versuchen (Abg. Öllinger: Wie kann man eine Fundamental-Opposition "entmachten"?), einen Keil zwischen die Generationen zu treiben, wie das Ihre Kollegin, Frau Haidlmayr, gemacht hat, die sich bewusst hingestellt und den Konflikt zwischen Jungen und Alten zu schüren versucht hat, dann muss ich Ihnen sagen, Sie tun das auf dem Rücken der jungen Menschen. Sie können dann diesen jungen Menschen auf der Galerie erklären, warum Sie das machen, warum Sie es verantworten wollen, dass diese jungen Menschen später einmal keine Altersvorsorge haben werden. Auch sie werden dann möglicherweise alt und arm und auf eine Altersvorsorge angewiesen sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir stehen dazu, dass die Pensionen gesichert sind. Es wird keine Eingriffe in bestehende Pensionen geben. Die Reformschritte werden sozial gerecht und abfedernd gesetzt werden. Es geht aber darum, dass Solidarität keine Einbahnstraße sein kann und sein darf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht auch darum, dass Solidarität zwischen den Generationen geübt wird, und das möchten wir gewährleisten. Soziale Gerechtigkeit heißt nämlich auch, die Zukunft der Jugend zu sichern und vorausschauend zu handeln. Das macht diese Regierung, und dafür bedanke ich mich auch im Namen der jüngeren Generation. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.03

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Zur Rechtssicherheit und zur Berechenbarkeit der Maßnahmen dieser Bundesregierung reicht es, glaube ich, aus zu sagen, dass in kürzester Zeit drei ziemlich verschiedene Entwürfe eingelangt sind, dass der Ausschuss deswegen sogar unterbrochen werden musste, und dass sich auch die Bundesregierung bis heute nicht sicher ist, ob diese Regelung tatsächlich standhalten wird. Welche Zumutung das gegenüber der Bevölkerung ist, das überlasse ich Ihrer eigenen Beurteilung. (Beifall bei den Grünen.)

Zu zwei wichtigen Bereichen möchte ich Ihnen etwas zum Nachdenken mitgeben, vielleicht für die nächste Reform, falls doch wieder einmal eine kommt. Es wurde oftmals der Begriff der Solidarität zwischen den Generationen angesprochen und auch das Recht der jüngeren Generationen, Sicherheit in Bezug darauf zu haben, was in einigen Jahrzehnten mit ihrer Altersvorsorge sein wird. Selbstverständlich ist das ein legitimes Anliegen und muss gewahrt werden.

Es ist nur in höchstem Maße überraschend und aus meiner Sicht pure Ideologie, dass Ihnen dazu im Wesentlichen eine – und nur eine! – Maßnahme einfällt, nämlich Strafsanktionen gegen diejenigen, die heute schon in der Nähe der Pension sind, die vielleicht ihre Gesundheit auf Grund einer Mehrfachbelastung, auf Grund ungesunder Arbeitsbedingungen eingebüßt oder beeinträchtigt haben; diese müssen jetzt die Zeche bezahlen. Da fällt es schon auf, dass zwei Bereiche, die ganz wichtig wären, um ein Pensionssystem nachhaltig und gerecht zu stabilisie


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 68

ren, von Ihnen nicht einmal angesprochen und in diesem Zusammenhang überhaupt nicht gesehen werden.

Der eine Bereich heißt "Gesundheit am Arbeitsplatz". Es gibt leider viel zu viele Menschen (Zwischenruf des Abg. Wattaul ), die ihre Gesundheit einbüßen, die Krankheiten des Stütz- und Bewegungsapparates, Herz-Kreislauferkrankungen haben oder Belastungen durch toxische Arbeitsstoffe ausgesetzt sind. Diese Bedingungen sind es, die oftmals dazu führen, dass Menschen nicht bis zum normalen Pensionsalter voll erwerbstätig sein können, dass sie neben dem finanziellen Schaden auch noch das menschliche Leid verkraften müssen. (Beifall bei den Grünen.)

Das sind Maßnahmen, die sehr kurzfristig wirken können, aber das heißt natürlich: volle arbeitsmedizinische Versorgung, Evaluierung der Daten und durchaus auch Unterstützung der Betriebe bei der Einführung von gesunden Arbeitsbedingungen. (Abg. Wattaul: ArbeitnehmerInnenschutzgesetz! Keine Ahnung!) – Dazu nenne ich Ihnen nur eine Zahl, weil Sie jetzt so heftig zwischenrufen:

Wie erklären Sie es denn der österreichischen Bevölkerung, dass die Arbeitsinspektion für alle österreichischen Betriebe von Vorarlberg bis zum Burgenland mit ungefähr 300 Beschäftigten das Auslangen finden muss – 300 Kontrollorgane für alle österreichischen Betriebe zur Unterstützung der Gesundheit auf dem Arbeitsplatz – und dass im Vergleich dazu die Heeresdienste, diese geheimen Staatsdienste, die nicht einmal gegenüber dem Parlament offen gelegt werden, die der Bespitzelung dienen, ungefähr 1 000 Personen beschäftigen? (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Woher wissen Sie das? – Geheim!)

Ich finde, das ist ein krasses Missverhältnis. Das sagt genug über Ihre soziale Einstellung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: In welchem Unternehmen haben Sie gearbeitet?)

Das geht schon auf die vorhergehende Bundesregierung zurück, aber bei Ihnen gibt es nicht den geringsten Ansatz dafür, im Sinne der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und damit auch längerer Beitragszahlungen etwas in die Pensionskassen zu leisten.

Ein zweiter wichtiger Punkt, der vor allem bei der Frau Bundesministerin negativ auffällt, lautet: Frauen. Die Stimme der Frauen in der Bundesregierung ist verloren gegangen. Sie war uns in der Vergangenheit schon zu schwach. Sie konnte sich schon in der Vergangenheit gegenüber den ökonomischen Interessen nicht durchsetzen. Jetzt gibt es diese Stimme nicht mehr. (Bundesministerin Dr. Sickl: Geh! Ist ja nicht wahr! – Abg. Schwarzenberger: Wir haben aber jetzt sehr starke Frauen in der Bundesregierung!)

Frau Bundesministerin! Warum haben Sie dann nichts dazu gesagt, dass von den geplanten Pensionsänderungen oder den heute zu beschließenden Pensionsänderungen die Abstriche, die Einsparungen, die dadurch erzielt werden, nach den Berechnungen von Expertinnen die Frauen wesentlich stärker betreffen werden, und zwar trotz Kindererziehungszeiten? Um 4 Prozent im Durchschnitt werden die Frauenpensionen gemindert werden, aber um 1,5 Prozent die Männerpensionen. Das heißt, es wird ein dreimal so hoher Beitrag der Frauen zur Sanierung des Systems als der der Männer herangezogen, und das vor dem Hintergrund, dass die durchschnittliche Frauenalterspension in Österreich die Hälfte der durchschnittlichen Männerpension beträgt. Das heißt, das ist noch ungerechter. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe von Ihnen dazu nichts gehört. Wo ist die Stimme der Frauen, die überproportional zur Kasse gebeten werden?

Und noch eines: Die Frau Bundesministerin – Sie scheinen es besser zu wissen, Frau Abgeordnete Steibl (Abg. Steibl: Die Stimme von Frau Dohnal hat auch nicht viel bewirkt! Von den Nachfolgerinnen gar nicht zu reden!)  – hat sich in einer Anfragebeantwortung als die "Rechtsnachfolgerin" der Frauenministerin bezeichnet; es spricht jedoch Bände, wenn Sie das nicht so sehen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 69

Meine Damen und Herren! Ein Letztes: Ich nehme Bezug auf eine Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft im Auftrag des Wifi, bei der 4 600 Frauenschicksale untersucht wurden. Das Ergebnis ist eindeutig: Drei Viertel der Frauen wollen berufstätig sein, wollen Beruf und Familie kombinieren, aber diese Bundesregierung lässt sie nicht. Nur etwa 60 Prozent der Frauen stehen im Beruf. (Abg. Steibl: Glauben Sie nicht, dass das eine persönliche Entscheidung ist?) Vor diesem Hintergrund wird die Unterstützung des Bundes zur Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen auf null gestellt – von 600 Millionen auf null! – Bravo, Frau Abgeordnete Steibl! Eine starke Stimme der Frauen in Österreich! (Beifall bei den Grünen.)

Die Studie vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft werden Sie, so nehme ich an, nicht anzweifeln. Der Vergleich mit der derzeitigen Erwerbsquote der Frauen von etwa 60 Prozent zeigt ein enormes, nicht genutztes Potenzial auf: Es wollen etwa 74 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich einem Beruf nachgehen. Sie können es nicht, weil es nicht ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt und weil die Arbeitsbedingungen nicht familiengerecht gestaltet sind.

Lesen Sie diese Statistiken, dann werden Ihnen einerseits die Ergebnisse Ihres Ausschussexperten Schattovits vielleicht auch ein wenig merkwürdig vorkommen, und dann werden auch Sie zum Ergebnis kommen: Die Frauen sind die Verliererinnen dieser Reform, die Frauen bekommen alle Opfer von dieser Bundesregierung aufgelastet, und die Frauen haben eine eigenständige Stimme im Ministerrat leider verloren. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Einem. )

12.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.12

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Hohes Haus! Frau Bundesministerin, Sie haben in sehr gelungener Weise auf die heutige Diskussion Bezug genommen, als Sie meinten, dass wir nicht die Pensionsreform diskutieren – diese Reformdiskussion kommt erst –, sondern dass wir heute ein Sozialversicherungs-Änderungsgesetz diskutieren, in dem wir unter anderem die Entsendung in die Sozialversicherung ändern. Das ist eine, wie ich meine, gute Vorgabe. Es wird in Zukunft auf Grund der Ergebnisse der Wahlen der Interessenvertretungen entsandt. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr.  – Abg. Silhavy: Da müssen Sie bei Ihrer Fraktion Aufklärung leisten!)

Sind die Wahlen für die eine oder andere Gruppe gut, ist die Entsendung entsprechend, und sind sie weniger gut, dann gilt das Spiel der demokratischen Kräfte. Für uns im bäuerlichen Bereich kommt eines noch dazu, nämlich dass wir die Landesstelle Wien auflösen und in die Landesstelle Niederösterreich eingliedern, weil wir glauben, dass diese vernünftige Strukturmaßnahme vertreten werden soll und kann und dass man sich die Dinge nicht von außen aufzwingen lassen, sondern aus der inneren Kraft heraus bewältigen soll. (Abg. Verzetnitsch: Das ist Selbstverwaltung!) – Ja, Herr Präsident, das nehmen wir ernst!

Zweitens: Bei der Pensionsreform des Jahres 1997 haben wir sehr lange darüber diskutiert, ob das unterschiedliche Zugangsalter zur vorzeitigen Alterspension wegen Berufsunfähigkeit, Invalidität oder Erwerbsunfähigkeit für Frauen mit 55 Jahren und für Männer mit 57 Jahren halten wird. Es gab schon damals ernste Bedenken. Nun hat der EuGH dieses aufgehoben und meinte, dass das der Gleichstellungsrichtlinie der Europäischen Union widerspricht.

Nun muss das Parlament gemeinsam mit der Regierung dieses Erkenntnis vollziehen. Es gibt zwei Wege: Wir sagen, es ist so. – Dann können alle Männer mit 55 Jahren in das System hinein. Das wäre für den Einzelnen gut, für die Finanzierung des Gesamtsystems aber eine mittelmäßige Katastrophe. Dem können wir nicht entsprechen. Aus diesem Grund gibt es diesen Abänderungsantrag, in dem wir sagen: Das geht nicht, wir müssen dies offen legen – jeder hat einen anderen Zugang, ich akzeptiere das; wir müssen aber das gemeinsame Ganze sehen –, wir glauben, dass es richtig ist, dass wir heute entscheiden, dass bei Männern jahrgangsbezogen und geburtstagsbezogen eine Zugangssperre verhängt wird und dass Frauen ab


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 70

1. Juli – das gilt für all jene, die nach dem 31. Mai eingereicht haben – in Zukunft auch erst mit 57 Jahren in diese Pensionsform eintreten können.

Bei dieser Diskussion müssen wir aber auch wissen, dass diese Form der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Invalidität ein Konstrukt der Pensionsreform 1993 war. Damals haben wir sie eingeführt, weil man damit nicht zuletzt auch verschiedene Strukturmaßnahmen im halbstaatlichen und staatlichen Bereich umsetzen wollte. (Abg. Verzetnitsch: Kollege Donabauer!) – Herr Präsident! Das war etwas Positives! (Abg. Verzetnitsch: Kollege Donabauer! Stimmt es, dass 60 Prozent der Bauern das in Anspruch nehmen?) – Ja, Herr Präsident! Weil Antragsteller eben krank sind! So wie bei Ihnen! (Abg. Verzetnitsch: Das wollen wir nur festhalten!)

Es stimmt aber auch, Herr Präsident, dass die ... (Abg. Verzetnitsch: 60 Prozent der Bauern! 60 Prozent der Bauern!)  – 98 Prozent der Eisenbahner gehen mit 53 Jahren in Pension! Erklären Sie mir das, Herr Präsident! Erklären Sie mir das! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Der größte Anteil ist der der Bauern!) – Auch von den Eisenbahnern, die in der Verwaltung sind! Herr Präsident! Das ist nicht in Ordnung!

Ich glaube, das österreichische Pensionssystem verdient es nicht, dass wir einander gegenseitig die Dinge aufrechnen (Abg. Verzetnitsch: Allerdings!), sondern verpflichtet uns dazu, dass wir gemeinsam nach vernünftigen Lösungen trachten. Denn ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir einiges ganz klar akzeptieren müssen: Wir haben eine bessere und eine längere Ausbildung – das ist positiv –, wir haben eine kürzere Lebensarbeitszeit – das ist so –, und wir haben auch eine höhere Lebenserwartung – auch das ist positiv –, und angesichts dessen können wir nicht sagen: Das ist so, und das bleibt so. – Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Finanzierung des Systems schwierig wird, weil der Generationenvertrag die Belastung irgendwann einmal nicht mehr verträgt, weil eben die Jungen sagen: Wir sind nicht bereit, überall mitzugehen, einzuzahlen und vielleicht einmal nichts mehr herauszubekommen. – Und deshalb ist Handlungsbedarf gegeben – in unser aller Interesse!

Ich sage noch einmal, ich akzeptiere den unterschiedlichen Zugang, aber ich frage Sie: Was beweinen Sie? Beweinen Sie, dass wir in Österreich im Pensionssystem eine Nettoersatzrate in der Höhe von 80 Prozent haben? – Sie finden kein zweites Land in Europa oder auf dieser Welt mit einer solch hohen Nettoersatzrate! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und jetzt müssen wir anpassen, so wie eben Tony Blair angepasst hat, so wie Herr Schröder anpassen muss – Sie können sich ohnehin genug Beispiele ansehen. Diesen Weg haben auch wir zu gehen, und wir gehen ihn: mit Visionen, mit Engagement, mit der Bereitschaft, dieses System auch zu sichern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Denn wenn wir diese Krankjammerei weiter betreiben, dann machen wir diese gute Einrichtung selbst zum Problem. Es ist auf der anderen Seite der privatwirtschaftliche Sektor sehr im Wachsen. Ich persönlich glaube, dass den Bürgern dieses Landes bis heute und auch in alle Zukunft das gesetzliche Pensionssystem jedenfalls mehr Sicherheit bietet als jedes andere. Das ist der Grund, warum wir engagiert und zukunftsorientiert handeln. Folgen Sie uns! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ein Redner meinte heute, die Bundesregierung macht sich Sorgen, Herr Öllinger meinte, die Bundesregierung macht Sorgen. – Weit daneben, Herr Öllinger! Diese Bundesregierung hat die Kraft vorzusorgen – vorzusorgen für eine Zeit, die sich weiter verändern wird, vorzusorgen, dass jene, die heute Leistungen haben, auch in Zukunft mit diesen Leistungen rechnen können, vorzusorgen, dass jene, die Beiträge zahlen, auch Leistungen dafür erhalten, und vorzusorgen, dass unsere Jugend, unsere Kinder, die Generation, die nach uns kommt, auch noch eine ordentliche, gesicherte Altersvorsorge hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist das Ziel, und dafür arbeiten wir! (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 71

12.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.19

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! In diesem Kapitel, das wir heute behandeln, geht es um ganz wichtige Themen, wie Pensionen, Sozialversicherungen, aber auch um ein anderes wichtiges Thema, nämlich das der Feuerwehren.

Jeder von Ihnen wird eingestehen, dass die Feuerwehren äußerst wichtige Dienste für unsere Gesellschaft leisten – leider werden diese Dienste von manchen nicht entsprechend gewürdigt. Die Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren, der Berufsfeuerwehren und der Betriebsfeuerwehren haben sich in den letzten Jahrzehnten von der klassischen Brandbekämpfung hin zu mehr technischen Einsätzen verlagert. In den letzten Jahren rückte die Feuerwehr mehr als 200 000-mal pro Jahr aus, und von diesen Einsätzen sind ungefähr zwei Drittel technische Einsätze und nur mehr ein Drittel Einsätze zur Brandbekämpfung.

Unter den technischen Hilfeleistungen versteht man beispielsweise auch die Bergung von Unfallopfern aus Autowracks. Bei derartigen Einsätzen kommt der Feuerwehr die Aufgabe der Befreiung von Verletzten aus einer Notlage, der Bergung, der Erstversorgung der Verletzten und der anschließenden Übergabe an die Rettungsorganisationen zu. Und bei dieser ersten Hilfeleistung kommt es natürlich auch zu Körperkontakten mit den Verletzten und kann es auch zu Kontakten mit Körperflüssigkeiten wie Blut, Speichel und anderem kommen. Auch die Gefahr von Schnittverletzungen bei Bergungen aus verbeulten Autos ist gegeben, und daher ist es notwendig, dass die Angehörigen der Feuerwehren in den Geltungsbereich der Berufskrankheitenliste aufgenommen werden.

Das ist eine ganz wesentliche Forderung in diesem Ihnen vorliegenden Antrag, dem aber, wie man merkt, von den Regierungsparteien nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es liegt ein ÖVP/FPÖ-Entschließungsantrag vor, der wieder etwas ganz anderes sagt.

Die Einsatzmannschaften der Feuerwehren sind einem ähnlichen Infektionsrisiko ausgesetzt wie freiwillige Helfer der Rettungsorganisationen, und sie brauchen daher auch eine entsprechende sozialrechtliche Absicherung, die sehr wohl gerechtfertigt wäre. Wenn auch Feuerwehrleute in den Geltungsbereich der Berufskrankheitenliste im ASVG aufgenommen werden, dann können diese auch die kostenlose Schutzimpfung bekommen. Bisher müssen sie das selber bezahlen.

In meinem Antrag habe ich daher gefordert, dass der Berufsschutz im ASVG auf diese rund 310 000 Feuerwehrmänner und -frauen ausgedehnt wird.

Die Regierungsparteien haben, wie schon erwähnt, im Ausschuss einen Entschließungsantrag vorgelegt. Eigenartig ist, dass als Begründung angeführt wird, dass zuerst die Zweckmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit der kostenlosen Schutzimpfung geprüft werden muss. Ich verstehe das überhaupt nicht. Als weitere Begründung wird angegeben, dass auch andere Beschäftigungsgruppen, wie zum Beispiel Angehörige des Sanitätsdienstes, in die Überlegungen einzubeziehen sind.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie wissen wahrscheinlich nicht, dass die Berufskrankheitenlisten des § 177 ASVG bereits die Mitarbeiter von Krankenhäusern, Heil- und Pflegeanstalten erfasst. Also für diese Personengruppe gelten diese Regelungen bereits.

Ihre Angst vor den Kosten der Schutzimpfung ist auch fern jeder Realität, denn nur ungefähr ein Drittel der ausgebildeten Feuerwehrleute ist speziell für technische Einsätze ausgebildet. Daher ist die Anzahl der betreffenden Personen, die diese Schutzimpfung benötigen würden, keinesfalls so hoch, wie Sie angeben.

Die Regierung verliert ihre Glaubwürdigkeit – diesen Vorwurf muss ich Ihnen schon machen –, wenn sie einerseits eine Bürgergesellschaft samt Bürgerdienst fordert und andererseits die Bürger im Krankheitsfall im Stich lässt. Für diese Bürgergesellschaft haben wir mehr vor, denn gerade der Einsatz dieser freiwilligen Kräfte ist für die Gesellschaft sehr, sehr wichtig. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Warum waren Sie immer dagegen? Warum habt ihr es nicht gemacht? 30 Jahre habt ihr Zeit gehabt!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 72

Meine Damen und Herren! Ich verstehe, dass in Zeiten des Sozialabbaues und des Supersparpaketes zu Lasten der Kranken und Armen unsere Forderungen in Ihren Augen kontraproduktiv sind. Wir werden das aber auch den Tausenden freiwilligen Helferinnen und Helfern der Feuerwehren sagen. Wie viel ist Ihnen ein Menschenleben wert? Welchen Stellenwert hat die Tätigkeit der Feuerwehr in Ihren Augen? (Abg. Aumayr: Warum haben Sie es nie geändert? – Abg. Gaugg: Dietachmayr! Nicht gescheit reden! 30 Jahre habt ihr Zeit gehabt!)

Wenn durch die Schutzimpfung auch nur ein Leben gerettet werden kann, dann sind diese Kosten mehr als gerechtfertigt! (Abg. Aumayr: So etwas Scheinheiliges!) Gerade eine Partei, die auf ihre christliche Gesinnung so großen Wert legt, sollte den Schutz des Lebens von Tausenden Staatsbürgern unterstützen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass gerade die Feuerwehren ein Musterbeispiel für die kostenlose Selbsthilfe der Bevölkerung darstellen. (Abg. Gaugg: Warum habt ihr es nicht gemacht? – Abg. Aumayr: Jetzt auf einmal entdecken Sie die Feuerwehren!) Jedem, der von einer Bürgergesellschaft träumt, sollte es Alpträume verursachen, wenn diesen selbstlosen Helfern bei der Vorbeugung und im Krankheitsfall nicht durch unsere Gesellschaft geholfen wird. Wir werden jedenfalls diesen Antrag hier wieder einbringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: 30 Jahre waren euch die Feuerwehren Wurscht!)

12.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Staffaneller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

12.26

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Galerie! In Zeiten der Hochkonjunktur und eines großen Arbeitskräftebedarfs ist es bei Betrachtung unseres Pensionssystems und der enormen Zunahme der Zahl an Anwärtern auf Frühpensionen sowie der leeren Kassen des Staates kaum vertretbar, dass die Regierung untätig zusieht und noch länger mit einer Pensionsreform wartet.

Herr Kollege Öllinger hat gemeint, warum das gerade zu dem jetzigen Zeitpunkt und so schnell geschehen müsse. Die Antwort ist: Jetzt ist eine Pensionsreform leistbar. Diese Regierung führt ja nicht nur die Pensionsreform durch, diese Regierung hat ja auch vor, die Arbeitsplatzsicherheit der Beschäftigten und die Beschäftigung der älteren Dienstnehmer zu forcieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dazu wurde ein Zehnpunkteprogramm ausgearbeitet, welches teilweise, zumindest was das AMS betrifft, bereits in Durchführung ist. Die entsprechenden Punkte sind im Schwerpunktprogramm des AMS enthalten, es wird schon danach gearbeitet.

Es geht in diesem Zehnpunkteprogramm darum – ganz kurz angerissen –, dass der Kündigungsschutz für ältere Dienstnehmer ausgedehnt wird, dass es einen besseren Kündigungsschutz geben wird, dass ein rascher Rechtsschutz für ältere Dienstnehmer eingeführt wird, dass der Ausbau des Altersteilzeitgeldes erfolgt, die Qualifikation älterer Dienstnehmer in besserem Maße als bisher durchgeführt wird, indem laufend Evaluierungen durchgeführt werden und Maßnahmen, die nicht zielführend sind, eingestellt werden. Das hat sich auch geändert.

Es wird eine Ausweitung des Bonus-Malus-Systems geben, und die frühzeitige AMS-Intervention wird für ältere Arbeitnehmer ausgebaut werden. Also man wird nicht warten, bis das Problem auftritt, bis die älteren Arbeitnehmer arbeitslos sind, sondern man wird schon vorher dafür vorsorgen, bevor sie in die Arbeitslosigkeit kommen, dass entsprechend einem Frühwarnsystem für ältere Dienstnehmer etwas unternommen wird, um zu helfen. Vorübergehend wird auch die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ausgedehnt werden.

Das sind eigentlich die wesentlichsten Punkte dieses Programms.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 73

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sicherung der Pensionen auch für die nachkommende Generation ist wohl eine der vordringlichsten Aufgaben, die wir Abgeordneten hier in diesem Hause zu erfüllen haben. Es geht einfach nicht an, dass unsere Generation, dass wir die Ressourcen unserer Kinder und Enkelkinder gnadenlos verbrauchen und ihnen ein lebenswertes Leben in der Zukunft und eine finanzierbare Pension vorenthalten. Auch die nachkommende Generation sollte die Möglichkeit haben, ein finanzierbares Pensionssystem vorzufinden. Dazu sind Reformen notwendig, schnell notwendig, wie die Entwicklung zeigt: Im Jahre 1950 war das Verhältnis Pensionist zu Arbeitenden eins zu drei, derzeit liegt es bei eins zu zwei, und wenn nichts geschieht, wird im Jahre 2030 ein Berufstätiger für einen Pensionisten aufzukommen haben.

Wenn die Entwicklung in Zukunft so weitergeht, werden die Pensionen natürlich nicht mehr finanzierbar sein. Es werden neue Modelle erforderlich sein – ich denke da an das vorgeschlagene Drei-Säulen-Modell.

Es ist in Zukunft auch nicht möglich, dass 35 Prozent der Frühpensionisten in die Invaliditätspension kommen. Da kann irgendetwas nicht stimmen, wenn es in anderen Ländern fünf Prozent sind. Da stimmt am System in Österreich etwas nicht. Auch hier ist entsprechend nachzuregulieren. (Abg. Öllinger: Die Zahlen stimmen aber auch nicht!)

Diese Regierung hat in diesem Programm vor, gerade für die sozial Schwächeren etwas zu tun. Das heißt, die Tätigkeitsfelder werden so beschrieben, dass die sozial Schwächeren endlich die Möglichkeit haben, eine Invaliditätspension zu bekommen, damit sie nicht in den Kreisverkehr ohne Ausgang geschickt werden: vom Arbeitsmarktservice zum Antrag auf Invaliditätspension, dann wieder zurück zum Pensionsvorschuss oder zur Notstandshilfe und wieder zurück zum Antrag auf Invaliditätspension. Mit dem neuen Gesetz wird hier endlich Abhilfe geschaffen. Diesbezüglich hat es große Versäumnisse der letzten Sozialministerin gegeben.

Es wird auch nicht angehen, dass unterschiedliche Systeme in Zukunft weiter bestehen, so krass unterschiedliche, dass zum Beispiel ein Verwaltungsbediensteter bei der Eisenbahn weiterhin mit 53 Jahren in Pension gehen will, und wenn er das nicht kann, dann wird halt gestreikt, und alle anderen Verwaltungsbeamten, die zumindest den gleichen anstrengenden Dienst versehen haben, erst mit 61,5 Jahren in Pension gehen können. Also das kann es doch in Zukunft nicht sein.

Auch in diesem Bereich sind Reformen notwendig, und die Bevölkerung ist darüber entsprechend aufzuklären. Ich glaube, dass sie kein Verständnis dafür hat, wenn in solchen Situationen Streiks durchgeführt werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Dr. Sickl. – Bitte, Frau Minister.

12.32

Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich erlaube mir, doch ganz kurz darauf einzugehen, was Frau Abgeordnete Petrovic vorgebracht hat, denn ich kann es nicht dabei bewenden lassen, dass hier falsche Zahlen sehr einseitig in den Raum gestellt werden.

Sie hat davon gesprochen, wie es um die Rechtssicherheit bestellt ist, weil hier einige Änderungen der Anträge erfolgt sind. Das ist doch das Wesen der politischen Arbeit, dass man in der Diskussion speziell auch auf Argumente des Andersdenkenden eingeht und bereit ist, diesen Rechnung zu tragen. Ich möchte gerade an die Opposition appellieren, zu erkennen, wie klar sich die Koalition dazu bekennt, die Zusammenarbeit mit Ihnen zu suchen, denn der abgeänderte § 255 Abs. 4, in den der Wunsch nach 120 Kalendermonaten statt, wie von uns vorgesehen, 144 Kalendermonaten eingebaut wurde, zeigt doch deutlich unsere Bereitschaft zu konstruktiven Gesprächen, unsere Bereitschaft, Argumente auch von Ihrer Seite aufzunehmen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 74

Wenn hier erwähnt wurde, dass dieser Koalition speziell im Zusammenhang mit der Pensionsreform die Gesundheit nicht am Herzen liege, so darf ich doch einwenden – Herr Präsident Verzetnitsch wird das bestätigen –, dass ich in den Sozialpartnergesprächen auf Präsidenten- und Ministerebene das Angebot gemacht habe, dass wir uns zusammensetzen und gerade in Fragen Gesundheit am Arbeitsplatz, Gesundheit auf dem Weg zur und weg von der Arbeit ein gemeinsames Paket, eine gemeinsame Vorgangsweise entwickeln. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, das soll ja auch der Stil unserer Arbeit sein. Wir wollen uns ja nicht kaputt machen und unsere Energien im gegenseitigen Reibungsverlust verschleißen, sondern wir wollen konstruktiv gemeinsam etwas für unsere Bürgerinnen und Bürger auf die Beine stellen.

Und wenn hier von Frau Abgeordneter Petrovic gesagt wurde, dass die Kranken die Zeche zahlen müssten, so möchte ich das wieder, zum wiederholten Male, zurückweisen. Kranke Menschen werden nach wie vor in die Invaliditätspension gehen können. Durch eine neue Regelung gibt es nun auch einen Berufsschutz, wie es ihn vorher nicht gegeben hat, für Ungelernte, für Bauern und für Gewerbetreibende.

Herr Präsident Verzetnitsch hat gesagt, dass aus dieser vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit besonders die Bauern ihren Nutzen ziehen. – Jawohl, es sollen alle Berufsgruppen gleichmäßig behandelt werden, und dort, wo ungerechtfertigte Vorgangsweisen gegeben waren, soll sich unsere Reform auswirken, sie soll sich auf alle Berufsgruppen auswirken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Frau Abgeordnete Petrovic mit einer ganz einseitigen Darstellung zu sagen versucht hat, dass bei dieser Pensionsreform die Frauen zur Kasse gebeten werden, dann muss ich dem widersprechen. Ich habe mir das sofort ausrechnen lassen, und ich kann Ihnen sagen, dass sich die Pensionsreform gesamtheitlich gesehen gleichmäßig auf Männer und Frauen auswirkt, 50 zu 50, das lässt sich nachvollziehen. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht!) Und das jetzige Thema, das heute zur Debatte steht, bezieht sich zu 75 Prozent auf Männer und nur zu 25 Prozent auf Frauen. Also es stimmt nicht, dass hier die Frauen verstärkt zur Kasse gebeten werden. Beide Geschlechter, Männer und Frauen, werden, wie es ja auch unserer partnerschaftlichen Sicht entspricht, gleichmäßig, 50 zu 50, belastet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.36

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Unser Sozialversicherungssystem beruht auf dem Grundprinzip der Selbstverwaltung. Die Sozialversicherung ist stolz darauf, keine staatliche Institution zu sein, sondern von den Betroffenen, also in traditioneller Sicht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, in Selbstverwaltung geführt zu werden.

Wie ich bereits mehrfach Gelegenheit hatte, von dieser Stelle aus zu betonen, hat sich in den letzten Jahrzehnten die größte demographische Umwälzung der gesamten Menschheitsgeschichte vollzogen, eine Umwälzung, die noch keineswegs zum Abschluss gekommen ist. Während es in früheren Zeiten nur relativ wenige Mitbürger und Mitbürgerinnen waren, die nach einem harten Arbeitsleben noch ein paar Jahre des Ruhestandes "genießen" – unter Anführungszeichen – konnten, vielfach in einem körperlichen Zustand, in dem sie bereits mehr oder weniger betreuungsbedürftig waren, ist die Zahl der über 60-Jährigen in Österreich heute auf 20 Prozent der Gesamtbevölkerung, auf 1,6 Millionen, angestiegen – eine Zahl, die sich in den nächsten 30 Jahren auf 2,7 Millionen, das heißt auf ein Drittel der Gesamtbevölkerung, erhöhen wird. Die Zahl der Pensionisten in Österreich beträgt heute schon rund 2 Millionen.

Hohes Haus! Diese zahlenmäßig mächtige Gruppe war aber bisher von dieser Selbstverwaltung in den Sozialversicherungsträgern ausgeschlossen, obwohl sie nicht nur Leistungsempfänger,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 75

sondern im Bereich der Krankenversicherung auch als Beitragszahler Arbeitnehmern und Arbeitgebern durchaus gleichgewichtig geworden ist.

Es war daher eine jahrelange Forderung der Seniorenvertreter, als deren Sprachrohr nunmehr Seniorenrat und Seniorenkurie auf gesetzlicher Grundlage zur Verfügung stehen, gleichrangig mit einbezogen zu werden. Ehre, wem Ehre gebührt: Es war insbesondere der Obmann des Österreichischen Seniorenbundes Stefan Knafl, der um eine den eingetretenen demographischen Veränderungen Rechnung tragende Aufwertung der Senioren bemüht war. In diesen Bemühungen wurde er loyal unterstützt vom früheren Obmann des Österreichischen Pensionistenverbandes Rudolf Pöder und vom damaligen Obmann des Seniorenringes Matzka.

Es ist mir auch eine Freude, feststellen zu können, dass diese jahrelangen Forderungen nunmehr von dieser Bundesregierung positiv aufgegriffen wurden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte nur festhalten, dass die nunmehr zur Beschlussfassung vorliegende Novelle den Wünschen der Seniorenvertreter noch nicht zur Gänze Rechnung trägt, dass durch diese Novelle aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gesetzt wird, und zwar durch die Einbeziehung von Seniorenvertretern in alle Ausschüsse des Vorstandes und alle Landesstellenausschüsse in beratender Funktion. Das heißt, die Möglichkeit einer Mitsprache, wenngleich noch nicht Mitbestimmung, ist gegeben und kann damit zu einer tatsächlichen Verbesserung der Vertretung der älteren Generation und ihrer Anliegen führen.

Vor allem aber – und das ist ein weiteres Novum – können künftig über den Beirat Anträge an alle Organe gestellt werden, wobei für diese Anträge nur die einfache Mehrheit der Beiratsmitglieder der Pensionisten und der Behinderten erforderlich ist.

Hohes Haus! Wir Senioren haben es in einem langen Leben gelernt, Geduld zu haben, und wir sind Optimisten, mehr noch: Wir sind hartnäckig und zäh. Ich bin zuversichtlich, es noch in dieser Legislaturperiode erleben zu dürfen, und hoffe, auch selbst ein bisschen dazu beitragen zu können, dass erreicht werden kann, dass es zu einer vollen Gleichstellung des dritten Standes, der Senioren, mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern kommt. Konkret heißt das, dass auch den Seniorenvertretern in den Sozialversicherungsträgern Stimm- und Antragsrecht eingeräumt werden wird.

Bis dahin aber freuen wir Senioren uns zunächst einmal über das, was heute zur Beschlussfassung kommen soll. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.41

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren im Plenum! Es ist schon richtig, was die Frau Abgeordnete Hakl gesagt hat: Es geht darum, dass unser Pensionssystem für alle Gruppen zukunftsträchtig und damit glaubhaft gestaltet wird. Und dazu gehört ganz eindeutig, dass es weder Kürzungen bei den Pensionen für die älteren Menschen noch neue Belastungen für die jungen Menschen geben darf. Würden wir solche Wege beschreiten, wären sie falsch, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es gibt eine ganz klare Vorgabe, die wir mit allen SPÖ-Ministerinnen und -Ministern ausgearbeitet und immer befolgt haben: Wir müssen eine Veränderung beim Antrittsalter herbeiführen. Das ist jener Bereich, wo wir Veränderungen vornehmen können. Und es ist notwendig, dass wir auch bei dieser Reform, einer ganz kleinen Reform, zur Beseitigung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit beim Alter Veränderungen herbeiführen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 76

Es ist falsch, was Frau Dr. Petrovic gesagt hat, nämlich dass die Pensionen gekürzt werden – nicht eine! Das ist eine totale Unwahrheit, wenn man das behauptet. Wider besseres Wissen, meine Damen und Herren von den Grünen, behaupten Sie, dass Pensionen gekürzt werden. Das ist nicht richtig. Keine einzige Pension wird gekürzt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist auch falsch, dass die Frauen von dieser Reform, von der Beseitigung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, stärker betroffen wären als die Männer. Die Männer sind stärker davon betroffen, einfach deshalb, weil bisher mehr Männer die vorzeitige Alterspension in Anspruch genommen haben, und zwar wesentlich mehr.

Ich bitte Sie wirklich, meine Damen und Herren von den Grünen: Bringen Sie nicht immer solche Unwahrheiten! Sie schaden sich damit selbst und machen sich unglaubwürdig in Ihrer Argumentation. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Für uns sind bei dieser Reform zwei Punkte ganz wichtig. Erster Punkt: Wichtig sind für uns die kranken Menschen. Wer krank ist und nicht mehr arbeiten kann, soll in die Pension gehen können. Und da stehen zwei Gruppen von arbeitenden Menschen im Vordergrund. Das sind einmal die Bauarbeiter, die oft mit 57, 58 oder 59 Jahren nicht mehr arbeiten können. Es wäre eine Zumutung, wenn man den Bauarbeitern sagen würde, ihr müsst in Zukunft bis 61,5 Jahre arbeiten. Nein, die Bauarbeiter bekommen nicht nur eine Art Berufsschutz, sondern auch eine Art Tätigkeitsschutz. Das ist eine ganz wichtige Sache für die Bauarbeiter. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Eine zweite Gruppe von arbeitenden Menschen ist uns in diesem Zusammenhang wichtig, das sind die Frauen, die Frauen, die in den letzten Jahren lange Zeit arbeitslos sein mussten. Ich nenne jetzt eine Gruppe: Das sind insbesondere die Reinigungsfrauen. Einer Reinigungsfrau, die sehr hart arbeiten muss, können wir auch nicht zumuten, dass sie, wenn sie 57, 58, 59 Jahre alt ist und wenig Versicherungszeiten hat, nicht in die vorzeitige Alterspension gehen kann und somit weiter in der Arbeitslosigkeit oder in der Notstandshilfe oder ohne Beschäftigung gehalten wird. Diese Frauen sollen auch eine Möglichkeit haben, in Pension gehen zu können, wenn sie krank sind.

Und speziell für diese beiden Gruppen haben wir aufgrund des Hearings, meine Damen und Herren von der SPÖ, eine Verbesserung eingeführt. Wir haben gesagt, der Tätigkeitsschutz darf sich nicht auf zwölf Jahre beziehen, sondern er soll sich nur auf zehn Jahre beziehen, so wie uns das der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter empfohlen hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Diese Empfehlung des Herrn Generaldirektors war für uns ganz wichtig, und wir sind auch darauf eingegangen und haben sie berücksichtigt.

Frau Abgeordnete Reitsamer! Ich meine, es war wichtig, dass wir das Hearing gemacht haben. Wir haben das Hearing mittels eines Vierparteienantrages gemeinsam beschlossen, und es war richtig, dass wir diese Materie mit den Experten, mit den Fachleuten noch einmal bearbeitet haben.

Letzter Punkt, meine Damen und Herren: Ganz wichtig sind für uns die älteren Arbeitnehmer, die keinen Arbeitsplatz finden. Ich finde es beinahe unverschämt, dass Abgeordneter Öllinger das neue Projekt "Integra" kritisiert hat. Ich bin überzeugt, die Dame, die er genannt hat, die jetzt beim Roten Kreuz arbeiten kann, ist dankbar, dass man ihr diese Möglichkeit geboten hat, dass sie nun nach jahrelangem Notstandshilfebezug beim Roten Kreuz einen Arbeitsplatz gefunden hat. Genau das ist es, was wir wollen, und das haben wir erreicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir müssen unser Sozialsystem weiter positiv gestalten. Und ich darf sagen, wir haben das bisher sehr gut gemacht, aus meiner Sicht sehr positiv mit den Ministern und den Ministerinnen der SPÖ. Mit der Ministerin Hostasch hatten wir ein gutes Einvernehmen, und ich kann Ihnen sagen, genau so ein ausgezeichnetes Einvernehmen haben wir mit Frau Ministerin Sickl. Ich weise alle Beschuldigungen zurück, die hier geäußert wurden, die Frau Ministerin kümmere sich nicht um


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 77

die Frauen. Das ist falsch, das ist unrichtig, das ist eine Unterstellung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte nach diesen dreieinhalb Monaten der Zusammenarbeit sagen: Die Zusammenarbeit ist ausgezeichnet, und wir werden weitere gute Vorlagen im Sozialbereich vorlegen, die gemeinsam mit Frau Ministerin Sickl und ihrem Ressort ausgearbeitet werden. In diesem Sinne sind wir zuversichtlich, dass wir auch weiterhin positive Arbeit für die Menschen in Österreich leisten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Bitte halten Sie sich an § 58 der Geschäftsordnung und beginnen Sie mit der Wiedergabe des Wortlautes, den Sie zu berichtigen wünschen.

12.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter Feurstein hat behauptet, die Abgeordnete Petrovic hätte in ihrer Rede davon gesprochen, dass durch die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit die Frauen im Besonderen benachteiligt werden.

Ich stelle tatsächlich richtig: Frau Abgeordnete Petrovic hat sich auf das gesamte Novellierungswerk bezogen (Bundesministerin Dr. Sickl: Das ist falsch!), in dem es nicht nur um die Abschaffung der vorzeitigen, sondern auch um erhöhte Altersgrenzen bei der Invaliditätspension geht, und durch diese Erhöhung der Altersgrenzen bei der Invaliditätspension werden Frauen mehr benachteiligt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist falsch, was Sie sagen!)

Die zweite Behauptung, die Herr Abgeordneter Feurstein aufgestellt hat, betrifft meine Wortmeldung. Er hat behauptet, die Dame, die beim "Integra"-Programm beschäftigt werden soll, sei froh über diese Tätigkeit.

Ich stelle tatsächlich richtig: Ich habe nicht von einer Dame, sondern von einem Herrn gesprochen, der seit fünf Jahren arbeitslos ist, der alle Maßnahmen des AMS erfüllt hat und der nicht froh ist, dass er jetzt in einer Einrichtung Tätigkeiten ausüben soll, für die er nicht qualifiziert ist (Abg. Dr. Feurstein: Dann kommt er auch nicht hinein!) und wo er sich fragt, ob es nicht besser wäre, dass Zivildiener an seiner Statt beim Roten Kreuz weiter beschäftigt werden.

12.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. Bitte die Geschäftsordnung zu beachten, Herr Abgeordneter.

12.50

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Feurstein hat vorhin in seiner Rede behauptet – und ich muss in seinem Fall sagen, ganz offensichtlich wider besseres Wissen –, dass von der geplanten Pensionsreform dieser Bundesregierung kein älterer Mensch, kein Pensionist betroffen sei. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Feurstein! Diese Aussage ist sachlich unrichtig. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Richtig ist, dass, wenn Sie einen Pensionssicherungsbeitrag einführen, das zu einer Reduktion der Pensionen führt, und wenn Sie einen Anpassungsfaktor für die Pensionen einführen, der unter der Inflationsrate liegt, führt auch das zu einem realen Kaufkraftverlust. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grabner: Das hat gesessen!)

12.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 78

Wünscht einer der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen damit zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 187 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Silhavy und Genossen einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich ist hinsichtlich der dritten Lesung namentliche Abstimmung verlangt worden.

Ich werde zunächst über den gesamtändernden Antrag und danach über den Gesetzentwurf in der Fassung des erwähnten Abänderungsantrages abstimmen lassen und die dritte Lesung entsprechend dem Verlangen namentlich durchführen.

Die Abgeordneten Silhavy und Genossen haben einen gesamtändernden Abänderungsantrag zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 187 der Beilagen in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Haupt, Dr. Feurstein und Genossen.

Jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit ist er angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen, und ich gehe daher so vor.

Ich werde die Abstimmung mittels Stimmzettel durchführen. Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja" – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise "Nein" – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordnete, die für den Gesetzentwurf auch in dritter Lesung stimmen, "Ja" -Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein" -Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nun die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Reitsamer, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Frau Abgeordnete Haller wird sie später dabei ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Reitsamer beziehungsweise Haller werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 79

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13 Uhr unterbrochen und um 13.22 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf  – ich bitte, Handys nicht im Sitzungssaal zu verwenden! – und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Es wurden 169 Stimmen abgegeben, davon waren "Ja" -Stimmen: 98, "Nein" -Stimmen: 71. Somit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

Die Namen der Abgeordneten werden unter Angabe des Abstimmungsverhaltens, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt, im Stenographischen Protokoll festgehalten werden.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Auer, Aumayr;

Bauer Rosemarie, Baumgartner-Gabitzer, Böhacker, Bösch, Brinek, Bruckmann, Brugger, Burket;

Dolinschek, Donabauer;

Egghart, Ellmauer;

Fallent, Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Fischl, Freund, Frieser;

Gahr, Gatterer, Gaugg, Graf Herbert L., Graf Martin, Grollitsch, Großruck;

Haigermoser, Hakl, Haller, Hartinger, Haupt, Hofmann, Hornegger, Hornek;

Kampichler, Khol, Kiss, Knerzl, Kopf, Kößl, Krüger, Kukacka, Kurzbauer, Kurzmann;

Leiner, Lentsch, Lexer, Loos;

Maderthaner, Mainoni, Miedl, Mikl-Leitner, Mitterlehner, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neudeck;

Ofner, Ortlieb;

Papházy, Partik-Pablé, Pecher, Pistotnig, Povysil, Prinz, Prinzhorn, Pumberger, Puttinger;

Rasinger, Reindl;

Schender, Schoettel-Delacher, Schöggl, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schweisgut, Schweitzer, Sodian, Spindelegger, Staffaneller, Steibl, Stummvoll;

Tancsits, Trattner, Trinkl;

Wattaul, Weinmeier, Wenitsch, Westenthaler, Windholz, Wolfmayr;

Zellot, Zernatto, Zierler, Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Antoni;

Bauer Sophie, Binder, Brix, Brosz, Bures;

Cap;


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 80

Dietachmayr, Dobnigg;

Eder Kurt, Edler Josef, Edlinger, Einem;

Faul, Fischer;

Gaál, Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Grabner, Gradwohl, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heindl, Heinisch-Hosek, Heinzl, Huber;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Keppelmüller, Kiermaier, Kogler, Kostelka, Kubitschek Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Leikam, Lichtenberger;

Maier, Mertel, Moser, Muttonen;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Pendl, Petrovic, Pfeffer, Pirklhuber, Pittermann, Plank, Posch;

Rada, Reheis, Reitsamer, Riepl;

Schasching, Schieder, Schlögl, Schwemlein, Silhavy, Sima;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wimmer, Wittmann, Wurm.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächstes gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy und Genossen betreffend eine geschlechtsneutrale Neuregelung des Pensionsalters bei der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, dass der Entschließungsantrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Schon wieder ohne Gusenbauer! Er kriegt zwei Gehälter, aber bei keiner Abstimmung ist er da! – Abg. Edlinger: Aber er ist nicht auf dem Fußballplatz! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 188 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieder ohne Gusenbauer!)

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Als Nächstes kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 188 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Entschließung eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. (Abg. Ing. Westenthaler: Gusenbauer stimmt nicht mit!)  – Die Entschließung in 188 der Beilagen ist mit Mehrheit angenommen. (E 13.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (91 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Entgelt


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 81

fortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Schauspielergesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Sonderunterstützungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000), und

über den Antrag 130/A der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Schauspielergesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000), und

über den Antrag 19/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitsverhältnisgesetz (AVHG) geschaffen wird, die Gewerbeordnung 1994, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden sowie das Arbeiter-Abfertigungsgesetz aufgehoben wird (189 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (21 der Beilagen): Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (190 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (39 der Beilagen): Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (191 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (94 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (192 der Beilagen)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 82

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir gelangen zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Frau Berichterstatterin wünscht das Wort. – Bitte.

Berichterstatterin Ridi Steibl: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich erlaube mir, eine Druckfehlerberichtigung zum Ausschussbericht 191 der Beilagen zu bringen.

Der Ausschussantrag in 191 der Beilagen hat richtig zu lauten:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (39 der Beilagen), die verfassungsergänzend ist, wird genehmigt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Berichterstatterin.

Am Schluss wird die Abstimmung – wie in solchen Fällen üblich – in der Fassung der Druckfehlerberichtigung erfolgen.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Herr Präsident Verzetnitsch muss jetzt zustimmen, dieser schönen Aktion!)

13.26

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Frau Bundesminister! Wir haben heute über Ihre Regierungsvorlage und über den Abänderungsantrag zur "Aktion Fairness" abzustimmen.

Abgeordneter Trinkl hat heute gemeint: Messt die Regierung an den Taten! – Ich bin der Überzeugung, dass Ihre Fundamental-Mogelpackung den Titel "Aktion Fairness" sicher nicht verdient (Beifall bei der SPÖ), vor allem deswegen nicht verdient, weil das aus meiner Sicht auch eine Beleidigung der mehr als 300 000 Österreicherinnen und Österreicher ist, die in diesem Lande die Forderungen der "Aktion Fairness" tatsächlich unterstützt haben. Sie werden mit dieser Vorlage auch nicht Ihre vollmundigen Versprechungen und Zusagen aufrechterhalten können.

Frau Bundesminister Sickl, die noch anwesend ist, hat vor kurzem Herrn Dumberger von den Bau- und Holzarbeitern versprochen, dass es zu keiner Verschlechterung beim Bauarbeiter-Urlaubsrecht kommt. Herr Abgeordneter Tancsits hat Ähnliches gesagt. Die Abstimmung wird ein Offenbarungseid sein, sie wird zeigen, ob der ÖAAB zum Österreichischen Arbeitsrechtsabbaubund mutiert oder ob er seiner bisherigen Zielsetzung tatsächlich gerecht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nach wie vor wie in einer Lotterie. Man könnte das ja hier fortsetzen: Arbeiter, Angestellter, Arbeiter, Angestellter, weil nicht das Tätigkeitsmerkmal entscheidend ist, sondern einzig und allein die Zuordnung der Unternehmer darüber entscheidet, ob jemand Arbeiter oder Angestellter ist. Ich bezeichne es als unfair, über Fairness zu sprechen, wenn zum Beispiel bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Ihrer Regierungsvorlage und in Ihrem Abänderungsantrag nach wie vor ein Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten aufrechterhalten wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Es ist unfair, meine sehr geehrten Damen und Herren, von Fairness zu reden, wenn bei der Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung nach wie vor Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten gegeben sind. Gleicher Anlassfall – die Bezeichnung ist entscheidend. Nicht die Tätigkeit, nicht irgendein messbares Instrument, sondern der Name entscheidet darüber (Ruf bei den Freiheitlichen: 30 Jahre haben Sie Zeit gehabt!), ob jemand Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung bekommt oder nicht. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Meine Damen und Herren! Wir können gerne darüber reden, wer verhindert hat. Mitglieder der Bundesregierung, die sich heute präsentiert, haben ja auch der vorherigen Bundesregierung angehört. Damals war es ganz interessant zu hören, sowohl vom damaligen Herrn Vizekanzler als auch vom damaligen Herrn Wirtschaftsminister: Änderungen im Zusammenhang mit der "Aktion Fairness" kann es nur dann geben, wenn die Wirtschaftskammer zustimmt. Da gab es kein Drüberfahren. – Jetzt ist das Drüberfahren angesagt! Da interessieren die Argumente nicht, Drüberfahren ist die Parole dieser neuen Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher bin ich überzeugt davon, dass es unfair ist, von Fairness zu reden, wenn in Ihren Anträgen zum Beispiel keine Regelung hinsichtlich der Kündigungsfristen vorgesehen ist. Genauso ist es unfair, von Fairness zu reden, wenn bei den Sonderzahlungen nach wie vor ein Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten besteht. Und besonders unfair finde ich – aber wirtschaftlich ganz interessant – Ihr Vorgehen bei der Gegenfinanzierung.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 83

Wir alle wissen, dass diese "Aktion Fairness" ... (Abg. Dr. Khol: Ihr habt überhaupt nichts zusammengebracht!)  – Sie können ja nicht in der Öffentlichkeit sagen, Kollege Khol (Abg. Dr. Khol: Nichts zusammengebracht!), dass die ÖVP beim letzten Mal dafür war, als wir den Antrag gestellt haben. Sie selbst haben das zwar gesagt, aber hier dagegen gestimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Feurstein und Ing. Westenthaler. )

Aber zurück zum Argument. Uns allen ist bewusst, dass die Entgeltfortzahlung Kosten verursacht – das war nie in Streit gestellt. Es war klar, dass das Kosten verursacht, und wir alle haben uns dazu bekannt, dass dafür ein Ausgleich geschaffen werden muss. Aber Ihr Vorschlag unter dem Titel "Aktion Fairness" lautet folgendermaßen: 1 Milliarde Schilling kostet das, 4 Milliarden Schilling bringt unser Vorschlag, daher wird 1 Milliarde Schilling als kostenneutrale Darstellung aufgewendet, und die übrigen 3 Milliarden, die Lohn bestandteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, geben wir den Unternehmern. – Das nennen Sie Fairness! Sie sagen ja sogar in Ihrem eigenen Entschließungsantrag, dass das zur Lohnnebenkostensenkung dient und daher ein Beitrag für die Unternehmer ist und nichts mit einem Ausgleich zu tun hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht fair! Das ist ein Geschenk, das mit Fairness nichts zu tun hat! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie einmal etwas zur Krankenstandsregelung!)

Ich finde es auch unfair, über Fairness zu reden, wenn man zum Beispiel das Urlaubsrecht der Bauarbeiter verschlechtert. Herr Bundesminister Bartenstein! Ich kann auf Grund Ihrer Interessenlage durchaus verstehen, dass Sie im Ausschuss zum Beispiel gesagt haben (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein ): Das sind Verschlechterungen, die ich vertreten kann. – Ja, aber es gibt ja Berichterstattung auch. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Es wäre schön gewesen, wenn Sie da gewesen wären!) Das sind Verschlechterungen, die ich vertreten kann, haben Sie im Ausschuss gesagt. Ich kann mir das aus Ihrer persönlichen Situation heraus durchaus vorstellen, aber die betroffenen Bauarbeiter sehen das nicht so wie Sie. Sie empfinden das nicht als "Aktion Fairness", sondern als Unfairness. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch unfair – wir hören das ja immer wieder hier im Haus –, uns Fundamental-Opposition vorzuwerfen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist es unfair, wenn er mehr Geld für mehr Krankenstand bekommt? Wo ist es unfair, wenn er länger in Krankenstand gehen kann mit mehr Geld?) Herr Abgeordneter, fair wäre es, würden Sie unserem Abänderungsantrag zustimmen, der verteilt werden wird und der, wie in der Begründung nachzulesen ist, eine totale Gleichstellung zwischen Arbeitern und Angestellten bewirken würde, also die "Aktion Fairness" tatsächlich umsetzen würde.

Stimmen Sie diesem Antrag zu! Er bringt die totale Gleichstellung zwischen Arbeitern und Angestellen, sowohl bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall als auch bei der Entgeltfortzahlung im Dienstverhinderungsfall, bei den Kündigungsfristen, bei der Sonderzahlung, er bringt auch keine Verschlechterung für die Bauabeiter und bringt vor allem eine faire Finanzierung und keine Geschenke. (Abg. Ing. Westenthaler: Und zahlen tut es das Christkind!) Nutzen Sie Ihre Chance, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zeigen Sie, dass Sie bereit sind, Verantwortung zu tragen – dann ist es fair! (Beifall bei der SPÖ.)

13.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, auf den sich der Redner soeben bezogen hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht mit in Verhandlung. Da er sehr umfangreich ist, wird er in schriftlicher Form verteilt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Verzetnitsch und GenossInnen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 189 der Beilagen über die Regierungsvorlage 91 der Beilagen betreffend ein Bundes


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 84

gesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Schauspielergesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Sonderunterstützungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000)

Begründung

Durch den gegenständlichen Abänderungsantrag soll eine in Gänze abgeänderte Fassung der Regierungsvorlage 91 der Beilagen (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000) hergestellt werden, die der vollkommenen Umsetzung der Aktion Fairneß (Anpassung der Rechte der ArbeiterInnen an die der Angestellten) entspricht, die von über 300 000 Österreicherinnen und Österreichern unterstützt wurde. Es wird daher der gesamte Text des Antrages samt Titel und Eingang zur Gänze wie folgt abgeändert:

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitsverhältnisgesetz (AVHG) geschaffen wird, die Gewerbeordnung 1994, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Hausbesorgergesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden, sowie das Arbeiter-Abfertigungsgesetz aufgehoben wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

Arbeitsverhältnisgesetz (AVHG)

Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für alle Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen.

(2) Ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse

1. zu einem Land, einem Gemeindeverband oder einer Gemeinde;

2. zum Bund, auf die dienstrechtliche Vorschriften anzuwenden sind, welche den Inhalt der Arbeitsverhältnisse zwingend regeln;

3. zu Stiftungen, Anstalten oder Fonds, auf die das Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG), BGBl. Nr. 86, gemäß § 1 Abs. 2 VBG sinngemäß anzuwenden ist;

4. auf die das Schauspielergesetz, BGBl. Nr. 441/1922, anzuwenden ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist;

5. auf die das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, BGBl. Nr. 235/1962, anzuwenden ist;

6. auf die das Hausbesorgergesetz, BGBl. Nr. 16/1970, anzuwenden ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist;


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 85

7. auf die das Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, anzuwenden ist.

(3) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Beschäftigungsverhältnisse, auf die das Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr. 105/1961, anzuwenden ist.

§ 2. (1) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Verweise auf andere Bundesgesetze gelten als Verweis auf die jeweils geltende Fassung, soweit in den einzelnen Verweisen nicht auf eine bestimmte Fassung verwiesen wird.

(2) Bei den in diesem Bundesgesetz verwendeten personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag

§ 3. Sofern in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder in Einzelvereinbarungen nicht anderes vereinbart ist, werden Art und Umfang der Arbeitsleistungen sowie das dafür gebührende Entgelt (Bar- und Naturalentgelt) durch den für die betreffende Art des Unternehmens bestehenden Ortsgebrauch bestimmt. In Ermangelung eines solchen sind die den Umständen nach angemessenen Arbeiten und ein angemessenes Entgelt zu leisten.

Truckverbot – Barzahlungsgebot

§ 4. (1) Vereinbarungen, die anstelle von Barentgelt Sachleistungen vorsehen, sind rechtsunwirksam, wenn sie vom Arbeitgeber gegen die Interessen des Arbeitnehmers herbeigeführt werden.

(2) Barentgelt ist zur Gänze auszuzahlen oder zu übermitteln. Werden in Anrechnung auf das Barentgelt Werte oder Sachen in Zahlung gegeben, bleibt dennoch der Anspruch auf Barentgelt aufrecht.

Sonderzahlungen (Remunerationen)

§ 5. (1) Falls der Arbeitnehmer Anspruch auf eine periodische Sonderzahlung (Remuneration) oder auf eine andere besondere Entlohnung hat, gebührt sie ihm, wenngleich das Arbeitsverhältnis vor Fälligkeit des Anspruchs gelöst wird, in dem Betrag, der dem Verhältnis zwischen der Periode, für die die Entlohnung gewährt wird, und der zurückgelegten Dienstzeit entspricht.

(2) Dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeit bei demselben Arbeitgeber wegen Inanspruchnahme der Gleitpension auf ein im § 253c Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, genanntes Ausmaß verhindert wird, gebühren im Kalenderjahr der Umstellung sonstige, insbesondere einmalige Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in dem der Vollzeitbeschäftigung und der Beschäftigung mit verminderter Arbeitszeit entsprechenden Ausmaß im Kalenderjahr.

(3) Abs. 1 und 2 gelten hinsichtlich des Urlaubszuschusses nicht für Arbeitnehmer, die dem Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl. Nr. 414/1972, unterliegen.

Wechselseitige Interessenwahrungspflichten

§ 6. (1) Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben die Verpflichtung, alle im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gebotenen Interessen des jeweils anderen Vertragspartners zu wahren.

(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, auf seine Kosten alle Einrichtungen bezüglich der Arbeitsstätten und Baustellen sowie der Arbeitsmittel herzustellen und zu erhalten, die mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der Arbeitsleistung zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich sind. Der Arbeitgeber hat insbesondere dafür zu sorgen, daß die Arbeitsstätten und Baustellen den Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 86

(3) Wenn dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Wohnräume überlassen werden, müssen die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zu Wohnzwecken geeignet sein.

Anspruch bei Arbeitsverhinderung infolge Krankheit oder Arbeitsunfall

Höhe des fortzuzahlenden Entgelts

§ 7. (1) Ist ein Arbeitnehmer nach Antritt des Arbeitsverhältnisses durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Arbeiten verhindert, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. Beruht die Arbeitsverhinderung jedoch auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung, so verlängert sich die Frist von sechs Wochen um die Dauer dieser Arbeitsverhinderung, höchstens jedoch um zwei Wochen, sofern im folgenden nicht anderes bestimmt ist. Der Anspruch auf das Entgelt beträgt, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre gedauert hat, jedenfalls acht Wochen; es erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn es fünfzehn Jahre, und auf zwölf Wochen, wenn es fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch je weitere vier Wochen behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt.

(2) Tritt innerhalb eines halben Jahres nach Wiederantritt der Arbeit abermals eine Arbeitsverhinderung ein, so hat der Arbeitnehmer für die Zeit der Arbeitsverhinderung, soweit die Gesamtdauer der Verhinderungen die im Abs. 1 bezeichneten Zeiträume übersteigt, Anspruch nur auf die Hälfte des ihm gemäß Abs. 1 gebührenden Entgeltes.

(3) Wird ein Arbeitnehmer, für den die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), BGBl. Nr. 399/1974, gelten, durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Arbeit verhindert, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er – abweichend von den Abs. 1 und 2 – seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung bis zur Dauer von acht Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Bei wiederholten Arbeitsverhinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Arbeitsjahres nur insoweit, als die Dauer des Anspruches nach dem ersten oder zweiten Satz noch nicht erschöpft ist. Ist ein Arbeitnehmer gleichzeitig bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt, so entsteht ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber jenem Arbeitgeber, bei dem die Arbeitsverhinderung im Sinne dieses Absatzes eingetreten ist; gegenüber den anderen Arbeitgebern entstehen Ansprüche nach Abs. 1.

(4) Kur- und Erholungsaufenthalte, Aufenthalte in Heil- und Pflegeanstalten, Rehabilitationszentren und Rekonvaleszentenheimen, die einem Arbeitnehmer, auf den Abs. 3 anzuwenden ist, wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit bewilligt oder angeordnet werden, sind einer Arbeitsverhinderung gemäß Abs. 3 gleichzuhalten.

(5) Beträge, die der Arbeitnehmer für die Zeit der Verhinderung auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Versicherung bezieht, dürfen auf die Geldbezüge nicht angerechnet werden.

§ 8. (1) Das dem Arbeitnehmer gebührende Entgelt darf wegen einer Arbeitsverhinderung für die Anspruchsdauer gemäß § 7 nicht gemindert werden.

(2) Bei Akkord-, Stück- oder Gedinglöhnen, akkordähnlichen oder sonstigen leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten bemißt sich das fortzuzahlende Entgelt nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteter Arbeiten.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 87

(3) Durch Kollektivvertrag im Sinne des § 18 Abs. 4 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974, kann geregelt werden, welche Leistungen des Arbeitgebers als Entgelt nach Abs. 2 anzusehen sind.

Mitteilungs- und Nachweispflicht

§ 9. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, ohne Verzug die Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber anzuzeigen und auf Verlangen des Arbeitgebers, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann, eine Bestätigung der zuständigen Krankenkasse oder eines Amts- oder Gemeindearztes über Ursache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Kommt der Arbeitnehmer diesen Verpflichtungen nicht nach, so verliert er für die Dauer der Säumnis den Anspruch auf das Entgelt.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses während einer Arbeitsverhinderung

§ 10. (1) Wird der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 7 gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet.

(2) Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Fortbezug des Entgeltes (§ 7) erlöschen mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn dieses infolge Ablaufs der Zeit, für die es eingegangen wurde, oder infolge einer früheren Kündigung aufgelöst wird. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer aus einem anderen Grunde als wegen der durch Erkrankung oder Unglücksfall verursachten Arbeitsverhinderung entlassen wird.

Anspruch bei Arbeitsverhinderung aus sonstigen Gründen

§ 11. (1) Der Arbeitnehmer behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Arbeit verhindert wird.

(2) Auch für Arbeitsleistungen, die nicht zustande gekommen sind, gebührt dem Arbeitnehmer das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf der Seite des Arbeitgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

(3) Im übrigen gelten die §§ 8 bis 10.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf

§ 12. (1) Das Arbeitsverhältnis endet mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wurde.

(2) Ein Arbeitsverhältnis auf Probe kann nur für die Höchstdauer eines Monats vereinbart und während dieser Zeit von jedem Vertragsteil jederzeit gelöst werden.

Kündigung

§ 13. (1) Ist das Arbeitsverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.

(2) Mangels einer für den Arbeitnehmer günstigeren Vereinbarung kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 88

Arbeitsjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Arbeitsjahr auf drei, nach dem vollendeten 15. Arbeitsjahr auf vier und nach dem vollendeten 25. Arbeitsjahr auf fünf Monate.

(3) Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die in Abs. 2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, daß die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am letzten Tag eines Kalendermonats endet.

(4) Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem letzten Tag eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Arbeitgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Kündigungsfrist.

(5) Ist das Arbeitsverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbart, so kann es während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden.

(6) Ein für die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre vereinbartes Arbeitsverhältnis kann vom Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden.

§ 14. Für Arbeitnehmer in Saisonbetrieben können Kündigungsfristen und Kündigungstermine durch Kollektivvertrag abweichend von § 13 geregelt werden.

§ 15. (1) Während der Kündigungsfrist sind dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen wöchentlich mindestens acht Arbeitsstunden ohne Schmälerung des Entgeltes freizugeben, bei Kündigung durch den Arbeitnehmer mindestens vier Stunden.

(2) Ansprüche nach Abs. 1 bestehen nicht

1. bei Kündigung durch den Arbeitnehmer wegen Inanspruchnahme einer Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung;

2. bei Kündigung durch den Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung hat, sofern eine Bescheinigung über die vorläufige Krankenversicherung vom Pensionsversicherungsträger ausgestellt wurde.

(3) Abs. 2 gilt nicht bei Kündigung wegen Inanspruchnahme einer Gleitpension gemäß § 253c ASVG.

(4) Durch Kollektivvertrag können abweichende Regelungen getroffen werden.

Abfertigung

§ 16. (1) Hat das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert, so gebührt dem Arbeitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfertigung. Diese beträgt das Zweifache des dem Arbeitnehmer für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührenden Entgeltes und erhöht sich nach fünf Dienstjahren auf das Dreifache, nach zehn Dienstjahren auf das Vierfache, nach fünfzehn Dienstjahren auf das Sechsfache, nach zwanzig Dienstjahren auf das Neunfache und nach fünfundzwanzig Dienstjahren auf das Zwölffache des monatlichen Entgeltes. Alle Zeiten, die der Arbeitnehmer in unmittelbar vorausgegangenen Arbeitsverhältnissen zum selben Arbeitgeber zurückgelegt hat, sind für die Abfertigung zu berücksichtigen; Zeiten eines Lehrverhältnisses jedoch nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis einschließlich der Lehrzeit mindestens sieben Jahre ununterbrochen gedauert hat. Zeiten eines Lehrverhältnisses allein begründen keinen Abfertigungsanspruch.

(2) Bei der Berechnung der Abfertigung ist eine geringfügige Beschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGB 1. Nr.221, dem Eltern- Karenzurlaubsgesetz (EKUG), BGBl.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 89

Nr. 651/1989, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes nicht zu berücksichtigen.

(3) Im Falle der Auflösung eines Unternehmens entfällt die Verpflichtung zur Gewährung einer Abfertigung ganz oder teilweise dann, wenn sich die persönliche Wirtschaftslage des Arbeitgebers derart verschlechtert hat, daß ihm die Erfüllung dieser Verpflichtung zum Teil oder zur Gänze billigerweise nicht zugemutet werden kann.

(4) Wird ein Unternehmen an einen anderen übertragen, so besteht ein Anspruch auf Abfertigung nicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ablehnt, obwohl ihm der Erwerber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen angeboten und sich verpflichtet hat, die bei seinem Vorgänger geleistete Dienstzeit als bei ihm selbst verbracht zu betrachten.

(5) Die Abfertigung wird, soweit sie den Betrag des Dreifachen des Monatsentgeltes nicht übersteigt, mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses fällig; der Rest kann vom vierten Monat an in monatlichen im voraus zahlbaren Teilbeträgen abgestattet werden.

(6) Beträge, die der Arbeitnehmer auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Versicherung bezieht, dürfen in die Abfertigung nur insoweit eingerechnet werden, als sie die gesetzlichen Mindestleistungen übersteigen.

(7) Wird das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers aufgelöst, so beträgt die Abfertigung nur die Hälfte des in Abs. 1 bezeichneten Betrages und gebührt nur den gesetzlichen Erben, zu deren Erhaltung der Erblasser gesetzlich verpflichtet war.

(8) Der Anspruch auf Abfertigung besteht, vorbehaltlich des § 8, nicht, wenn der Arbeitnehmer kündigt, wenn er ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft.

(9) Wird das Arbeitsverhältnis während einer Teilzeitbeschäftigung nach MSchG, EKUG, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften, oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes infolge Kündigung durch den Arbeitgeber, unverschuldete Entlassung, begründeten Austritt oder einvernehmlich beendet, so ist bei Ermittlung des Entgelts (Abs. 1) die frühere Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers zugrunde zu legen.

§ 17. (1) Der Anspruch auf Abfertigung besteht auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis

1. mindestens zehn Jahre ununterbrochen gedauert hat und

a) bei Männern nach Vollendung des 65. Lebensjahres, bei Frauen nach Vollendung des 60. Lebensjahres oder

b) wegen Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder

c) wegen Inanspruchnahme einer Gleitpension aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder

2. wegen Inanspruchnahme einer

a) Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder

b) vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers endet. Die Abfertigung gebührt in den Fällen der Z 1 lit. c auch dann, wenn das Dienstverhältnis mit einem im § 253c ASVG genannten verminderten Arbeitszeitausmaß fortgesetzt wird.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 90

(2) Der Anspruch auf Abfertigung nach Abs. 1 Z 1 lit. c entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber fortgesetzt wird, mit dem Zeitpunkt der Herabsetzung der Arbeitszeit auf ein im § 253c ASVG genanntes Ausmaß. Die Inanspruchnahme der Gleitpension ist hinsichtlich der Abfertigungsansprüche, die auf Normen der kollektiven Rechtsgestaltung beruhen, der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gleichzuhalten. Hat der Arbeitnehmer bei Inanspruchnahme der Gleitpension einen Abfertigungsanspruch im Höchstausmaß der aufgrund Gesetz, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Einzelarbeitsvertrag gebührenden Abfertigung erhalten, so entsteht während des bei demselben Arbeitgeber mit verminderter Arbeitszeit fortgesetzten Arbeitsverhältnisses kein weiterer Abfertigungsanspruch. Sofern der Arbeitnehmer bei Inanspruchnahme einer Gleitpension im Zeitpunkt der Herabsetzung der Arbeitszeit auf ein im § 253c ASVG genanntes Ausmaß eine Abfertigung erhalten hat, sind die bis zu diesem Zeitpunkt zurückgelegten Dienstzeiten für einen weiteren Abfertigungsanspruch nicht zu berücksichtigen.

(3) Eine nach den Abs. 1 und 2 gebührende Abfertigung kann in gleichen monatlichen Teilbeträgen gezahlt werden. Die Zahlung beginnt mit dem auf das Ende des Arbeitsverhältnisses folgenden Monatsersten, bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Inanspruchnahme einer Gleitpension mit dem Monatsersten, welcher der Herabsetzung der Arbeitszeit (Abs. 2 Satz 1) folgt. Eine Rate darf die Hälfte des der Bemessung der Abfertigung zugrunde liegenden Monatsentgeltes nicht unterschreiten.

(4) Arbeitnehmerinnen gebührt – sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen fünf Jahre gedauert hat – die Hälfte der nach § 16 Abs. 1 zustehenden Abfertigung, höchstens jedoch das Dreifache des monatlichen Entgelts, wenn sie

1. nach der Geburt eines lebenden Kindes innerhalb der Schutzfrist (§ 5 Abs. 1 MSchG, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften, oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes) oder

2. nach den Annahme eines Kindes, welches das zweite Lebensjahr noch nicht vollendet hat, an Kindes Statt oder nach Übernahme eines solchen Kindes in unentgeltliche Pflege nach dem MSchG, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes innerhalb von acht Wochen ihren vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis erklären. Bei Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes nach dem MSchG, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes ist der Austritt spätestens drei Monate vor Ende des Karenzurlaubes zu erklären. Zeiten geringfügiger Beschäftigungen nach dem MSchG, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes bleiben für den Abfertigungsanspruch außer Betracht.

(5) Abs. 4 gilt auch für Arbeitnehmer, sofern sie einen Karenzurlaub nach dem EKUG, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes in Anspruch nehmen und ihren vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis spätestens drei Monate vor Ende des Karenzurlaubes erklären.

(6) Eine Abfertigung nach Abs. 4 und 5 gebührt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis während einer Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG, dem EKUG, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers endet. Bei Berechnung des für die Höhe der Abfertigung maßgeblichen Monatsentgeltes ist vom Durchschnitt der in den letzten fünf Jahren geleisteten Arbeitszeit unter Außerachtlassung der Zeiten eines Karenzurlaubes gemäß MSchG, EKUG, gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften oder gleichartigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes auszugehen.

(7) Ein Abfertigungsanspruch gebührt nicht, wenn der Arbeitnehmer seinen Austritt im Sinne des Abs. 5 erklärt, nachdem der gemeinsame Haushalt mit dem Kind aufgehoben oder die überwiegende Betreuung des Kindes beendet wurde.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 91

(8) Im Sinne des § 16 zulässige Vereinbarungen, die eine Anrechnung der Versorgungsleistungen auf Abfertigungsansprüche oder bei Zahlung einer Versorgungsleistung den gänzlichen oder teilweisen Wegfall der Abfertigung vorsehen, gelten auch für Abfertigungsansprüche nach den Abs. 1, 4 und 5. Bei Anwendung des Abs. 3 ruhen jedoch solche Versorgungsleistungen nur für die Monate, für die die Abfertigung gebührt.

(9) Im übrigen gilt § 16 sinngemäß.

§ 18. (1) Die §§ 16 und 17 gelten auch für Arbeitnehmer, die dem Schauspielergesetz oder dem Hausbesorgergesetz unterliegen, nicht jedoch für jene Arbeitnehmer, die dem BUAG unterliegen.

(2) Arbeitnehmern von Eisenbahnen im Sinne des § 11 Z 1 und 2 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. Nr.60, die in der zusätzlichen Pensionsversicherung des Pensionsinstituts der österreichischen Privatbahnen versichert sind, werden zusätzliche Pensionsleistungen, die über die aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gebührenden Leistungen hinausgehen, in die Abfertigung eingerechnet.

(3) Arbeitnehmer in Arbeitskräfteüberlassungsbetrieben (§ 2 Abs. 2 lit. h BUAG) oder in Mischbetrieben (§ 3 BUAG), die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses zu Beschäftigungen herangezogen werden, die abwechselnd dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes und dem des BUAG für den Sachbereich für die Abfertigungsregelung unterliegen, haben unbeschadet der Häufigkeit des Wechsels und der Dauer der Beschäftigungen nach ununterbrochener dreijähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses bei dessen Auflösung Anspruch auf Abfertigung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Dem Arbeitnehmer gebührt von der unter Berücksichtigung der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zustehenden Abfertigung der Anteil, der dem Verhältnis der im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes zurückgelegten Beschäftigungszeiten zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses entspricht.

Tod des Arbeitnehmers

§ 19. (1) Stirbt ein Arbeitnehmer, dem vom Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrages Wohnräume überlassen werden, so ist die Wohnung, wenn der Arbeitnehmer einen eigenen Haushalt führte, binnen eines Monats, sonst binnen 14 Tagen nach dessen Tod zu räumen.

(2) Sind die Angehörigen des verstorbenen Arbeitnehmers, die mit ihm im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, durch die Räumung binnen der Frist des Abs. 1 der Gefahr der Obdachlosigkeit ausgesetzt, so kann das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Wohnung liegt, eine Verlängerung der Räumungsfrist um höchstens zwei Monate bewilligen. Nur unter besonders berücksichtigungswürdigen Umständen darf eine weitere Verlängerung um höchstens einen Monat bewilligt werden.

(3) Der Arbeitgeber kann jedoch die sofortige Räumung eines Teiles der Wohnung verlangen, soweit dies zur Unterbringung des Nachfolgers und seiner Einrichtung erforderlich ist.

Vorzeitige Auflösung

§ 20. Das Arbeitsverhältnis kann, wenn es für bestimmte Zeit eingegangen wurde, vor Ablauf dieser Zeit, sonst aber ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teil gelöst werden, wenn infolge Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 21 oder des § 22 dem anderen Vertragsteil die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist.

Austrittsgründe

§ 21. Als ein wichtiger Grund, der den Arbeitnehmer zum vorzeitigen Austritt berechtigt, ist anzusehen:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 92

1. wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das gebührende Entgelt zum Fälligkeitstermin nicht leistet oder widerrechtlich verkürzt;

2. wenn der Arbeitgeber die ihm zum Schutz des Lebens, der Gesundheit, der persönlichen Integrität oder des eingebrachten Eigentums des Arbeitnehmers gesetzlich obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt;

3. wenn der Arbeitgeber sich im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer oder dessen Angehörigen Tätlichkeiten, erhebliche Ehrverletzungen, gefährliche Drohungen oder ein Verhalten zuschulden kommen läßt, das in gröblicher Weise die persönliche Integrität verletzt, oder sich weigert, den Arbeitnehmer gegen ein solches Verhalten von anderen Arbeitnehmern zu schützen;

4. wenn der Arbeitgeber sonstige wesentliche Vertragspflichten schuldhaft verletzt;

5. wenn der Arbeitnehmer unfähig wird, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen;

6. wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ohne Schaden für seine Gesundheit oder persönliche Integrität nicht fortsetzen kann;

7. wenn der Arbeitgeber sich einer gerichtlich strafbaren Handlung oder Unterlassung schuldig macht, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers berührt.

Entlassungsgründe

§ 22. Als ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, ist anzusehen:

1. wenn der Arbeitnehmer die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag beharrlich gröblich verletzt, insbesondere wenn er ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Arbeitsleistung unterläßt;

2. wenn der Arbeitnehmer sich beharrlich weigert, die sich aus dem Gegenstand der Arbeitsleistung gerechtfertigten Anordnungen des Arbeitgebers zu befolgen;

3. wenn der Arbeitnehmer ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis verrät;

4. wenn der Arbeitnehmer gegen den erklärten Willen des Arbeitgebers und trotz Abmahnung in dem vom Arbeitgeber ausgeübten Geschäftszweig auf eigene oder fremde Rechnung tätig ist und dem Arbeitgeber ein empfindlicher geschäftlicher Nachteil entsteht;

5. wenn der Arbeitnehmer sich im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag von Dritten ohne Wissen oder Willen des Arbeitgebers unberechtigte Vorteile zuwenden läßt;

6. wenn der Arbeitnehmer gegen den erklärten Willen des Arbeitgebers und trotz Abmahnung eine Nebenbeschäftigung ausübt, welche wesentliche, sachlich gerechtfertigte betriebliche Interessen des Arbeitgebers verletzt;

7. wenn der Arbeitnehmer sich im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber, dessen Stellvertreter und deren Angehörige oder anderen Arbeitnehmern Tätlichkeiten, erhebliche Ehrverletzungen, gefährliche Drohungen oder ein Verhalten zuschulden kommen läßt, das in gröblicher Weise die persönliche Integrität verletzt;

8. wenn der Arbeitnehmer sich einer gerichtlich strafbaren Handlung oder Unterlassung schuldig macht, die wesentliche Interessen des Arbeitgebers berührt;


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 93

9. wenn der Arbeitnehmer aus seinem Verschulden durch Abwesenheit während einer den Umständen nach erheblichen Zeit, ausgenommen wegen Krankheit oder Unfall, gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen.

Schadenersatz

§ 23. (1) Wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft, steht dem Arbeitgeber der Anspruch auf Ersatz des ihm verursachten Schadens zu.

(2) Für die schon bewirkten Leistungen, deren Entgelt noch nicht fällig ist, steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf den entsprechenden Teil des Entgeltes nur insoweit zu, als sie nicht durch die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber ihren Wert ganz oder zum größten Teil eingebüßt haben.

§ 24. (1) Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig entläßt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers trifft, behält dieser, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes, seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber hätte verstreichen müssen, unter Einrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

(2) Soweit der in Abs. 1 genannte Zeitraum drei Monate nicht übersteigt, kann der Arbeitnehmer das ganze für diese Zeit gebührende Entgelt ohne Abzug sofort, den Rest zur vereinbarten oder gesetzlichen Zeit fordern. Der Anspruch auf die dem Arbeitnehmer gebührende Abfertigung bleibt unberührt.

§ 25. Trifft beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt.

Frist zur Geltendmachung der Ansprüche

§ 26. (1) Ersatzansprüche wegen vorzeitigen Austritts oder vorzeitiger Entlassung im Sinne der §§ 21 und 22 müssen bei sonstigem Ausschluß binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden.

(2) Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem der Austritt oder die Entlassung stattfand.

Konkurrenzklausel

§ 27. Eine Vereinbarung, durch die der Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird (Konkurrenzklausel), ist nur dann wirksam, wenn

1. der Arbeitnehmer zur Zeit der Vereinbarung volljährig ist,

2. sich die Beschränkung auf die Tätigkeit in dem Geschäftszweig des Arbeitgebers bezieht und den Zeitraum eines Jahres nicht übersteigt, und

3. die Beschränkung nicht nach Gegenstand, Zeit oder Ort und im Verhältnis zu dem geschäftlichen Interesse, das der Arbeitgeber an ihrer Einhaltung hat, eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält.

§ 28. (1) Hat der Arbeitgeber durch schuldhaftes Verhalten dem Arbeitnehmer begründeten Anlaß zum vorzeitigen Austritt oder zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegeben, so kann er


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 94

die durch die Konkurrenzklausel begründeten Rechte gegen den Arbeitnehmer nicht geltend machen.

(2) Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis löst, es sei denn, daß der Arbeitnehmer durch schuldhaftes Verhalten hiezu begründeten Anlaß gegeben oder daß der Arbeitgeber bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses erklärt hat, während der Dauer der Beschränkung dem Arbeitnehmer das ihm zuletzt zukommende Entgelt zu leisten.

(3) Hat der Arbeitnehmer für den Fall des Zuwiderhandelns gegen die Konkurrenzklausel eine Konventionalstrafe versprochen, so kann der Arbeitgeber nur die verwirkte Konventionalstrafe verlangen. Der Anspruch auf Erfüllung oder auf Ersatz eines weiteren Schadens ist ausgeschlossen.

Konventionalstrafen

§ 29. Konventionalstrafen unterliegen dem richterlichen Mäßigungsrecht.

Zeugnis

§ 30. (1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer auf Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und die Art der Arbeitsleistung auszustellen. Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnis, durch die dem Arbeitnehmer die Erlangung einer neuen Stelle erschwert wird, sind unzulässig.

(2) Verlangt der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis, so ist ihm ein solches auf seine Kosten auszustellen.

(3) Zeugnisse des Arbeitnehmers, die sich in der Verwahrung des Arbeitgebers befinden, sind ihm auf Verlangen jederzeit auszufolgen.

Schluß- und Übergangsbestimmungen

Unabdingbarkeit

§ 31. Die Rechte, die dem Arbeitnehmer aufgrund dieses Bundesgesetzes zustehen, können durch den Arbeitsvertrag oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes vorgesehen ist, weder aufgehoben noch beschränkt werden. Die kollektivvertraglichen Regeln gemäß § 14 wirken nur, wenn sie frühestens gleichzeitig mit diesem Bundesgesetz in Kraft treten.

Subsidiäre Geltung des ABGB

§ 32. Insoweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, finden die Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) über den Dienstvertrag (Arbeitsvertrag) auf die in diesem Bundesgesetz geregelten Arbeitsverhältnisse Anwendung.

Weitergelten von Regelungen

§ 33. Bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bestehende für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen in anderen Bundesgesetzen sowie in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Einzelvereinbarungen werden durch dieses Bundesgesetz nicht berührt.

Inkrafttreten

§ 34. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 2000 in Kraft.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 95

Vollziehung

§ 35. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betraut.

Artikel 2

Die Gewerbeordnung, BGBl. Nr. 194/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes BGB1. I Nr. XXX/2000, wird wie folgt geändert:

1. § 376 Z 47 der Gewerbeordnung 1994 entfällt.

2. Dem § 382 wird folgender Abs. 7 angefügt:

"(7) § 376 Z 47 tritt mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft."

Artikel 3

Das Angestelltengesetz, BGBl. Nr. 292/1921, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 502/1993, wird wie folgt geändert:

1. Die §§ 1 bis 3 samt Überschrift lauten:

"Geltungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz gilt für Dienstverhältnisse von Personen, die vorwiegend zur Leistung kaufmännischer oder höherer, nicht kaufmännischer Dienste oder zu Kanzleiarbeiten angestellt sind.

§ 2. (1) Die sich nach diesem Bundesgesetz ergebende arbeitsvertragliche Stellung der Angestellten ist insbesondere maßgeblich für die Gruppenzugehörigkeit im Organisationsrecht nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974, für den persönlichen Wirkungsbereich der Kollektivverträge sowie für die gesetzliche Sozialversicherung.

(2) Insoweit das Arbeitsverhältnisgesetz (AVHG), BGBl. I Nr. XXX/2000, auch für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Personen gilt, gilt ein Verweis auf das Angestelltengesetz in anderen Gesetzen auch als Verweis auf das AVHG.

§ 3. Wird ein Unternehmen von einem öffentlichen Fonds, von einem Land, von einem Bezirk oder von einer Gemeinde betrieben, so unterliegen die in diesem Unternehmen vorwiegend zu kaufmännischen oder zu höheren, nicht kaufmännischen Diensten oder zu Kanzleiarbeiten verwendeten Personen den Bestimmungen dieses Gesetzes nur dann, wenn ihr Dienstverhältnis auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht."

2. § 5 lautet:

,,§ 5. Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf Lehrlinge im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1969, ferner auf Angestellte der Seeschiffahrt und der Eisenbahnen sowie auf Angestellte in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die dem Gutsangestelltengesetz, BGBl. Nr. 538/1923, unterliegen."

3. § 32 lautet:

,,§ 32. Trifft beide Teile ein Verschulden an dem Rücktritt, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt."


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 96

4. § 34 lautet samt Überschrift lautet:

"Frist zur Geltendmachung der Ansprüche

§ 34. (1) Ersatzansprüche wegen Rücktritts vom Vertrag im Sinne des § 31 müssen bei sonstigem Ausschluß binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden.

(2) Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem der Dienstantritt hätte erfolgen sollen."

5. § 42 lautet:

,,§ 42. (1) Insoweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, finden die Vorschriften des Arbeitsverhältnisgesetzes (AVHG), BGBl. I Nr. XXX/2000, und des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) über den Dienstvertrag auf die in diesem Bundesgesetz geregelten Dienstverhältnisse Anwendung.

(2) Unberührt bleiben

1. die Bestimmungen des Journalistengesetzes vom 11. Februar 1920, StGBl. Nr. 88, sofern sie für die Redakteure (Schriftleiter) günstiger sind als die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes;

2. die Bestimmungen des Gehaltskassengesetzes 1959, BGBl. Nr. 254.

(3) Auf Dienstverhinderungen, die vor dem 1. Juli 2000 eingetreten sind, kommen die §§ 8 und 9 Angestelltengesetz idF BGBl. Nr. 502/1993 zur Anwendung."

6. Nach § 42 werden die §§ 43 und 44 samt Überschrift eingefügt:

"Inkrafttreten und Vollziehung

§ 43. (1) Dieses Gesetz tritt mit 1. Juli 1921 in Wirksamkeit. Es findet auf die an diesem Tage bestehenden Dienstverhältnisse auch dann Anwendung, wenn die Kündigung nach Kundmachung des Gesetzes erfolgt ist.

(2)

1. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1 und Art. II dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 883/1992 treten mit 1. Jänner 1993 in Kraft.

2. § 16 und § 23a Abs. 1, 1a und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 335/1993 treten mit 1 Juli 1993 in Kraft.

3. § 6 Abs. 3 und § 40 dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 459/1993 treten gleichzeitig mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum in Kraft.

4. § 22 dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 502/1993 tritt mit 1. August 1993 in Kraft.

5. Die §§ 1 bis 3, 5, 32, 34, 42 und 44 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. 1 Nr. XXX/2000 treten mit 1. Juli 2000 in Kraft.

§ 44. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betraut."

7. § 6 Abs. 3, § 8 Abs. 1 bis 3 und 6 bis 8 sowie die §§ 9, 16, 18 bis 29, 36 bis 39 und 41 sowie die Artikel II, VII, X und XI des Angestelltengesetzes, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 502/1993, werden mit Ablauf des 30. Juni 2000 aufgehoben, soweit in § 42 Abs. 3 des Angestelltengesetzes idF BGBl. I Nr. XXX/2000 nicht anderes bestimmt ist.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 97

Artikel 4

Das Gutsangestelltengesetz, BGBl. Nr. 538/1923, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 502/1993, wird wie folgt geändert:

1. Dem § 2 wird folgender Abs. 3 angefügt:

"(3) Insoweit das Arbeitsverhältnisgesetz (AVHG), BGBl. I Nr. XXX/2000, auch für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Personen gilt, gilt ein Verweis auf das Gutsangestelltengesetz in anderen Gesetzen auch als Verweis auf das AVHG."

2. § 32 lautet:

,,§ 32. Trifft beide Teile ein Verschulden an dem Rücktritt, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt."

3. § 34 samt Überschrift lautet:

"Frist zur Geltendmachung der Ansprüche

§ 34. Ersatzansprüche wegen Rücktrittes vom Vertrag im Sinne des § 31 müssen bei sonstigem Ausschluß binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten, gerichtlich geltend gemacht werden."

4. § 41 lautet:

,,§ 41. (1) Insoweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, finden die Vorschriften des Arbeitsverhältnisgesetzes (AVHG), BGBl. I Nr. XXX/2000, und des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) über den Dienstvertrag auf die in diesem Bundesgesetz geregelten Dienstverhältnisse Anwendung.

(2) Auf Dienstverhinderungen, die vor dem 1. Juli 2000 eingetreten sind, kommen die §§ 8 und 9 Gutsangestelltengesetz idF BGBl. Nr. 502/1993 zur Anwendung."

5. In § 42 wird folgender Abs. 7 angefügt:

"(7) Die §§ 2 Abs. 3, 32, 34, 41 und 43 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2000 treten mit 1. Juli 2000 in Kraft."

6. § 43 lautet

,,§ 43. Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist der Bundesminister Wirtschaft und Arbeit betraut."

7. § 7, § 8 Abs. 1, 2 und 4 bis 6, die §§ 9, 10, 11 Abs. 1 und 2, 13, 16 bis 18, 20 Abs. 2 bis 4, 22 und 22a, 23 Abs. 1 und 2, 24 bis 26, 28, 29 Abs. 1 erster und dritter Satz und Abs. 2, 38 bis 40 des Gutsangestelltengesetzes, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 502/1993, werden mit Ablauf des 30. Juni 2000 aufgehoben, soweit in § 41 Abs. 2 des Gutsangestelltengesetzes idF BGBl. I Nr. XXX/2000 nicht anderes bestimmt ist.

Artikel 5

Das Hausbesorgergesetz, BGBl. Nr. 16/1970, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 833/1992, wird wie folgt geändert:

1. § 14 Abs. 1 wird durch folgende Abs. 1 und Abs. 1a ersetzt:

"(1) Ist der Hausbesorger durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 98

hat, so behält er seinen Anspruch auf das gesamte Entgelt (§§ 7, 12 und 13) bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt.

(1a) Der Hausbesorger behält den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Arbeit verhindert wird."

2. § 14a lautet:

,,§ 14a. Die §§ 7 Abs. 3 zweiter Satz, 8, 9, 10, 31 und 33 des Arbeitsverhältnisgesetzes (AVHG), BGBl. I Nr. XXX/2000 und die §§ 8 bis 19 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), BGBl. Nr. 399/1974, sind anzuwenden."

3. Dem § 30 wird folgender Abs. 4 angefügt:

"(4) Auf Arbeitsverhinderungen gemäß § 14, die vor dem 1. Juli 2000 eingetreten sind, kommt das Hausbesorgergesetz sowie das Entgeltfortzahlungsgesetz in der Fassung vor den Änderungen durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX/2000 zur Anwendung."

4. Nach § 31 Abs. 1a wird folgender Abs. 1b eingefügt:

,,(1b) § 14 Abs. 1 und 1a und § l4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2000 tritt mit 1. Juli 2000 in Kraft."

Artikel 6

Das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, BGBl. Nr. 235/1962, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 502/1993, wird wie folgt geändert:

1. § 10 Abs. 1 lautet:

"(1) Ist der Dienstnehmer nach Antritt des Dienstes durch Krankheit (Unglücksfall) an der Dienstleistung gehindert, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt."

2. § 10 Abs. 6 lautet:

"(6) Der Dienstnehmer behält ferner für längstens eine Woche den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird."

3. § 11a lautet:

,,§ 11a. Die §§ 7 Abs. 3 zweiter Satz, 9, 31 und 33 des Arbeitsverhältnisgesetzes (AVHG), BGBl. I Nr. XXX/2000 und die §§ 8 bis 19 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), BGBl. Nr. 399/1974, sind anzuwenden."

4. § 13 Abs. 2 lautet:

"(2) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es jederzeit durch Kündigung aufgelöst werden. Die Kündigungsfrist beträgt 6 Wochen; sie


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 99

kann durch Vereinbarung nicht unter einen Monat herabgesetzt werden und muß jedenfalls am 15. oder Letzten eines Monats enden."

5. Dem § 25 wird folgender Abs. 4 angefügt:

"(4) Auf Arbeitsverhinderungen gemäß § 10, die vor dem 1. Juli 2000 eingetreten sind, kommt das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz sowie das Entgeltfortzahlungsgesetz in der Fassung vor den Änderungen durch das Bundesgesetz BGBl. 1 Nr. XXX/2000 zur Anwendung."

6. Dem § 27 wird folgender Abs. 7 angefügt:

"(7) § 10 Abs. 1 und 6, § 11a, § 13 Abs. 2 und § 25 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2000 tritt mit 1. Juli 2000 in Kraft."

Artikel 7

Das Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr. 105/1961, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr.836/1992, wird wie folgt geändert:

1. § 25 Abs. 1 lautet:

"(1) Ist ein Heimarbeiter durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Arbeit verhindert, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen seinen Anspruch auf das Entgelt unter den Voraussetzungen und in dem Ausmaß, als eine solche Leistung für die Betriebsarbeiter des betreffenden Erzeugungszweigs durch Gesetz oder Kollektivvertrag vorgesehen ist."

2. Der bisherige § 74 erhält die Absatzbezeichnung ,,(1)"; ihm wird folgender Abs. 2 angefügt:

"(2) § 25 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2000 tritt mit 1. Juli 2000 in Kraft und gilt für Heimarbeitsverhältnisse, die nach dem 30. Juni 2000 (Tag vor dem Inkrafttreten) begründet werden, sowie für vorher begründete Heimarbeitsverhältnisse für die Zeit ab 1. Juli 2000"

Artikel 8

Das Entgeltfortzahlungsgesetz, BGBl. Nr. 399/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. 1 Nr. 112/1998, wird wie folgt geändert:

1. Im Artikel I entfallen die Abschnittsbezeichnungen "Abschnitt 1" und "Abschnitt 2".

2. Artikel I §§ 2 bis 7 samt Überschriften werden aufgehoben.

3. Im Artikel I § 8 Abs. 1 lit. a wird der Ausdruck "Arbeitnehmer nach diesem Bundesgesetz, ausgenommen Personen hinsichtlich eines oder mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse gemäß § 5 Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, gemäß Artikel I Abschnitt 1 § 2 Abs. 1, 2, 3a, 5 und 6" durch den Ausdruck "diesem Bundesgesetz unterliegende Arbeitnehmer, ausgenommen Personen hinsichtlich eines oder mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse gemäß § 5 Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, gemäß § 7 Abs. 1, 3 und 4 des Arbeitsverhältnisgesetzes (AVHG), BGBl. 1 Nr. XXX/2000," ersetzt.

4. Artikel I § 8 Abs. 2 lautet

"(2) Als Pauschalbetrag (Abs. 1 lit. b) sind 27,2 vH des nach § 8 AVHG fortgezahlten Entgelts zu leisten."

5. Im Artikel 1 § 10 Abs. 1 wird der Ausdruck ,,§ 2" durch den Ausdruck ,,§ 7 des AVHG" ersetzt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 100

6. Artikel 1 § 13 Abs. 3 erster Satz lautet

"Unbeschadet des § 16 beträgt die Höhe des Beitrages 2,5 % der allgemeinen Beitragsgrundlage im Sinne des § 44 ASVG."

7. Nach Artikel 1 § 19 wird § 19a samt Überschrift eingefügt:

"Übergangsregelung

§ 19a. Auf Arbeitsverhinderungen, die vor dem 1. Juli 2000 eingetreten sind, kommen die §§ 2 bis 7 in der Fassung vor den Änderungen durch das Bundesgesetz BGBl. 1 Nr. XXX/2000 zur Anwendung."

8. Dem Artikel 1 § 20 werden folgende Abs. 6 und 7 angefügt

"(6) Der Entfall der Abschnittsbezeichnungen sowie Artikel I §§ 8 Abs. 1 lit. a und Abs. 2, 10 Abs. 1, 13 Abs. 3 und § 19a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2000 treten mit 1. Juli 2000 in Kraft.

(7) Die §§ 2 bis 7 samt Überschriften treten mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft."

Artikel 9

Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr.189/1955, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr.68/1999, wird wie folgt geändert:

1. Im § 51 Abs. 1 Z 1 lit. b wird der Ausdruck "7,4 vH" durch den Ausdruck "7,2%" ersetzt.

2. § 51 Abs. 3 lautet

"(3) Unbeschadet des § 53 sind die Beiträge nach Abs. 1 – mit Ausnahme des Beitrages zur Unfallversicherung, der zur Gänze vom Dienstgeber zu entrichten ist – vom Versicherten und seinem Dienstgeber anteilig zu tragen, und zwar wie folgt:

1. In der Krankenversicherung

a) der in Abs. 1 Z 1 lit. b genannten Personen beläuft sich der Beitragsteil

des Versicherten ...................................................................................... auf 3,7 %,

des Dienstgebers ...................................................................................... auf 3,5 %

der allgemeinen Beitragsgrundlage;

b) der übrigen in Abs. 1 Z 1 genannten Personen ist der Beitrag vom Versicherten und vom Dienstgeber jeweils zur Hälfte zu tragen;

2. a) in der Pensionsversicherung der Arbeiter und in der Pensionsversicherung der Angestellten belaufen sich der Beitragsteil des Versicherten und der Beitragsteil des Dienstgebers

jeweils ............................................................................................ auf 9,25 %,

b) in der knappschaftlichen Pensionsversicherung beläuft sich der Beitragsteil

des Versicherten ............................................................................ auf 9,25 %,

des Dienstgebers ............................................................................ auf 14,75 %

der allgemeinen Beitragsgrundlage."


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 101

3. Nach § 583 wird folgender § 584 samt Überschrift angefügt:

,,Schlußbestimmung zu Art. 9 des Bundesgesetzes BGBl. 1 Nr. XXX/2000

§ 584. § 51 Abs. 1 Z 1 lit. b und Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2000 tritt mit 1. Juli 2000 in Kraft."

Artikel 10

Änderung des Insolvenz – Entgeltsicherungsgesetzes

Das Insolvenz – Entgeltsicherungsgesetz, BGBl. Nr. 324/1977, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 73/1999, wird wie folgt geändert:

1. § 12 Abs. 1 Z 4 lautet:

"4. einem Zuschlag zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden Anteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages nach § 2 des Arbeitsmarktpolitik – Finanzierungsgesetzes (AMPFG), BGBl. Nr.315/1994, in Höhe von 0,4 vH. Dieser Zuschlag ist vom Arbeitgeber zu tragen. Die Arbeitgeber von Personen im Sinne des § 1 Abs. 6 haben für diese Personen keinen Zuschlag zum Arbeitgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung zu leisten."

2. Nach § 12 Abs. 1 wird ein § 12 Abs. 1a eingefügt..

"(1a) Der Zuschlag gemäß Abs. 1 Z 4 ist unter Bedachtnahme auf die nach Abs. 1 Z 1 bis 3 dem Insolvenz – Ausfallgeld – Fonds zufließenden Mittel mit Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit neu festzusetzen, wenn nach Maßgabe des Abs. 3 oder Abs. 4 eine Änderung der Höhe des Zuschlags erforderlich ist. Ist eine Erhöhung des Zuschlags über das in Abs. 1 Z 4 festgelegte Ausmaß erforderlich, bedarf diese der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates."

3. Im § 12 Abs. 2 entfallen die Worte "der durch die letzte Verordnung festgelegte".

4. Dem § 17a Abs. 17 wird folgender Abs. 18 angefügt.

"(18) § 12 Abs. 1 Z 4 und Abs. 1a und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. XXX/2000 tritt mit 1. Juli 2000 in Kraft."

Artikel 11

Änderung des Nachtschwerarbeitsgesetzes

Das Nachtschwerarbeitsgesetz, BGBl. Nr. 354/1981, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr.181/1999, wird wie folgt geändert:

1. Art. XIII Abs. 11 lautet:

"(11) Art. XI Abs. 5 ist im Kalenderjahr 2000 nicht anzuwenden."

2. Dem Art. XIV wird folgender Abs. 4 angefügt:

"(4) Der Art. XIII Abs. 11 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. 1 Nr. XXX/2000 tritt mit 1. Juli 2000 in Kraft."


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 102

Artikel 12

Das Landarbeitsgesetz 1984, BGBl. Nr. 287, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 101/1998, wird wie folgt geändert:

Folgender Artikel V wird angefügt:

"Artikel V

(Verfassungsbestimmung)

(1) Auf land- und forstwirtschaftliche Arbeiter kommt das Arbeitsverhältnisgesetz, BGBl. I Nr. XXX/2000, zur Anwendung.

(2) Abs. 1 tritt mit 1. Juli 2000 in Kraft."

Artikel 13

Das Arbeiter – Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 107/1979, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr.335/1993, wird mit Ablauf des 30. Juni 2000 aufgehoben.

Artikel 14

"Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz betreffend den Urlaub und die Abfertigung für Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz 1972 – BUAG) zuletzt geändert durch das BGBL. I Nr. 113/1998 geändert wird."

1. Nach § 4 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

"(1a) Nach 23 Anwartschaftswochen entsteht ein Anspruch auf Urlaub im Ausmaß der Hälfte des Urlaubsanspruches nach Abs.1 (Teilurlaub); dieser erhöht sich kontinuierlich entsprechend den zurückgelegten Beschäftigungszeiten bis zum Ende der Anwartschaftsperiode auf 30 bzw. 36 Werktage."

2. Nach § 7 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

"(1a) Ein Teilurlaub nach § 4 Abs.1a kann ab der 24. Anwartschaftswoche im Ausmaß des entstandenen Urlaubsanspruches verbraucht werden, wobei jeder Teilurlaub 6 Werktage oder ein Vielfaches hievon betragen muss."

Vorblatt

Problem:

Unbefriedigende gesetzliche Regelungen des Arbeitsvertragsrechtes jener Arbeitnehmer, insbesondere der Arbeiter, für die nicht Angestelltenrecht oder sonstige berufsspezifische Regelungen gelten, sondern teilweise die §§ 72 ff GewO 1859, §§ 1151ff ABGB und das EFZG;

zu hohe Lohnnebenkosten.

Ziel:

In Entsprechung der Aktion Fairness materielle Angleichung der Rechtsstellung der Arbeiter an die der Angestellten, insbesondere im Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, soweit die Gleichstellung sachlich gerechtfertigt ist, bei sonstiger Dienstverhinderung und Angleichung der Kündigungsregelungen;


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 103

in Entsprechung der Entschließung des Nationalrates vom 12.6.1997, Nr. 62 A (E) – NR/XX GP, zeitgemäße Neuregelung des Entlassungsrechtes der GewO 1859, in Entsprechung dazu auch des Austrittsrechtes der Arbeitnehmer;

übersichtliche Darstellung des Arbeitsvertragsrechtes für alle Arbeitnehmer.

Lösung:

Schaffung eines Arbeitsverhältnisgesetzes (AVHG) mit einem grundsätzlich weiten Geltungsbereich für alle Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen;

Aufrechterhaltung berufsspezifischer Sonderregelungen;

Modernisierung des Angestelltengesetzes, insbesondere im Geltungsbereich;

gänzliche Aufhebung der veralteten Bestimmungen der GewO 1859; dabei handelt es sich insbesondere um folgende Bestimmungen:

der in § 73 Abs. 1 festgelegte Geltungsbereich, insbesondere Ausdruck "Hilfsarbeiter"; die in § 76 festgelegte Verpflichtung zur "Treue, Folgsamkeit und Achtung" gegenüber dem Gewerbeinhaber; das in § 78 Abs. 1 enthaltene Gebot der Barauszahlung; die in § 82 enthaltenen Entlassungstatbestände wie insbesondere Trunksucht, Verleitung der übrigen Hilfsarbeiter und Hausgenossen zum Ungehorsam sowie das Behaftetsein mit einer abschreckenden Krankheit;

Entlastung der Arbeitgeber durch finanzielle Begleitmaßnahmen in der Sozialversicherung und im IESG;

Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Beitragssenkung.

Alternative:

Beibehaltung des unbefriedigenden Rechtszustandes.

Kosten:

Dem Bund werden durch dieses Gesetz voraussichtlich keine Kosten entstehen, da für gesetzlich nicht besonders geregelte Dienstverhältnisse zum Bund auch bisher üblicherweise die Anwendung des Angestelltengesetzes vereinbart wird. Hinsichtlich der Auswirkungen der Änderungen im Bereich des Entgeltfortzahlungsgesetzes darf auf den allgemeinen Teil der Erläuterungen verwiesen werden.

Vereinbarkeit mit dem EG-Recht:

Hinsichtlich der Angleichung der Rechtsstellung der Arbeiter an die Angestellten gibt es keine rechtlich verbindlichen Normen im EG-Recht.

Begründung

Allgemeiner Teil

Mit der "Aktion Fairneß" weisen die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer auf noch bestehende arbeits- und sozialrechtliche Unterschiede zwischen den Arbeitnehmergruppen hin. Gefordert wird die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten im allgemeinen und als erster Schritt gleiche Entgeltfortzahlung, gleiche Kündigungsfristen (gleiches Beendigungsrecht) und gleiche Regelungen bei Arbeitsverhinderungen im besonderen. Die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten ist nach Ansicht der Initiatoren der Aktion Fairness eine Frage der sozialen Gerechtigkeit in Österreich. Diese Forderungen können durch die im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in den Jahren 1993 bis 1995 durchgeführte Studie "ArbeiterInnen und Angestellte" (Forschungsbericht Nr. 56) begründet und unterstützt werden. Die Autoren weisen allerdings auf die unterschied


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 104

liche Betrachtungsweise zwischen Politik und Wissenschaft hin: "Während in der politischen Diskussion die Perspektive überwiegt, von den im Angestelltengesetz definierten Tätigkeiten ausgehend auf eine (fehlende) sachliche Rechtfertigung unterschiedlicher Beschäftigungsbedingungen zu schließen, geht es in der wissenschaftlichen Betrachtung darum, eine Bestandsaufnahme und Interpretation der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der aktuellen Situation der beiden Arbeitnehmergruppen zu leisten. Die Entstehung der Trennung in ArbeiterInnen und Angestellte, das Aufzeigen der Folgewirkungen und vor allem die Überprüfung klischeehafter Zuschreibungen von Tätigkeiten oder Vor- und Nachteilen in den Regelungen der Dienstverhältnisse stehen dabei im Mittelpunkt." (Seite 6) In diesem Sinne ist die Studie primär als Befund und Bestandsaufnahme der soziologischen und rechtlichen Situation der Arbeiter und der Angestellten zu sehen, die eine Entscheidung für die im Entwurf gewählte Konzeption nahelegt und rechtfertigt. Die unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Bedingungen für ArbeiterInnen und Angestellte sind historisch bedingt. Wie die Studie aufzeigt, waren die Grenzziehungen für die Einbeziehung in den Angestelltenstatus von Anfang an von politischen Entscheidungen geprägt. Gekennzeichnet ist die Grenzziehung einerseits durch die seit Gesetzwerdung des Angestelltengesetzes nicht unumstrittene Tätigkeitsbeschreibung in § 1, andererseits durch die Aufzählung der Unternehmen in § 2; während die nähere Determinierung der Tätigkeitsbeschreibungen, insbesondere der "höheren nicht kaufmännischen Tätigkeiten" der Judikatur überlassen blieb, wurde die Aufzählung der Unternehmen wiederholt verändert bzw. erweitert (siehe auch Art. II des AngG); darüber hinaus wurde die Geltung des Angestelltengesetzes in den verschiedenen Ausgliederungsgesetzen ausdrücklich angeordnet, sodaß eine vollständige Auflistung der Unternehmen aus den mit "Anwendungsbereich" überschriebenen Paragraphen des Angestelltengesetzes nicht mehr ablesbar ist. Trotz der unscharfen Abgrenzungskriterien findet sich die auf das Angestelltenrecht verweisende Trennung von Arbeitern und Angestellten sowohl im Sozialversicherungsrecht als auch im Kollektiv- und Betriebsverfassungsrecht. An dem Befund von Mayer – Maly aus dem Jahr 1970, "daß die soziologischen Grundlagen der alten Unterscheidung noch immer wirksam sind", hat sich hinsichtlich dieser Rechtsmaterien nichts geändert. Dennoch verlangte er schon damals die Prüfling, in welchem Ausmaß nivellierende Eingriffe des Gesetzgebers, insbesondere im Rahmen des Vertragsrechtes sinnvoll erscheinen (vgl. Mayer – Maly, Österreichisches Arbeitsrecht, 1970, S. 59). Bereits in seinem Gutachten für die Kodifikationskommission aus dem Jahr 1969 kommt Mayer-Maly am Ende der rechtsvergleichenden Darstellung des ausländischen Rechts in der Frage der Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten zu dem Schluß, "daß es unerläßlich ist, die Bewertung der Differenzierungsformen und Differenzierungskriterien mit einer Prüfung und Bewertung der an die Unterscheidung zu knüpfenden Rechtsfolgen zu verbinden" (vgl. Mayer – Maly, Arbeiter und Angestellte, Springer-Verlag 1969, S. 37).

Durch die Vereinheitlichung des Urlaubsrechts im Jahr 1976 und durch das Arbeiter – Abfertigungsgesetz im Jahr 1979 hat der Gesetzgeber dem Anliegen der rechtlichen Gleichstellung zwischen Arbeitern und Angestellten ebenso Rechnung getragen, wie in späteren arbeitsvertragsrechtlichen Gesetzen, wie z.B. Betriebspensionsgesetz, Eltern- Karenzurlaubsgesetz, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, die eine einheitliche Geltung für alle – der Regelungskompetenz des Bundes unterliegende – Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen, vorsehen. Im Entgeltfortzahlungsgesetz aus dem Jahr 1974, das für nicht dem Angestelltenrecht unterliegende Arbeitnehmer eine Vereinheitlichung und Verbesserung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Arbeitsunfall auf gesetzlicher Ebene brachte, ist jedoch eine vollständige Angleichung an das Angestelltenrecht nicht erfolgt. Vereinzelt finden sich in Kollektivverträgen Verbesserungen im Vergleich zum EFZG; so wurde z.B. im Metallgewerbe wie auch in der -industrie die Anspruchsdauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall um zwei Wochen verlängert. Verbesserungen im Beendigungsrecht, insbesondere hinsichtlich der Kündigungsfristen, und bei der Entgeltfortzahlung wurden bisher ebenfalls auf kollektivvertraglicher Ebene erzielt; so hat z.B. der Kollektivvertrag für die Metallindustrie vom 20.10.1997, Registerzahl KV 56/1998, die Kündigungsfristen – wenngleich in Wochen ausgedrückt – an jene der Angestellten angeglichen, zusätzlich Kündigungstermine eingeführt und schließlich eine "volle Entgeltfortzahlung" von 15 bis 27 Wochen (je nach Dienstzeit) pro Arbeitsjahr erreicht. Der im Dezember 1998 abgeschlossene Kollektivvertrag der Österreichischen Elektrizitätswirtschaft, Registerzahl KV 315/1997, sieht ebenfalls eine arbeitsrechtliche


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 105

Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten vor. Den Bestrebungen, auf gesetzlicher Ebene ein einheitliches Beendigungsrecht zu schaffen, war – trotz intensiver Beratungen und konkreter Beratungsergebnisse in der Kodifikationskommission – bisher der Erfolg versagt.

Zu Recht wird daher seitens der Interessenvertretung der Arbeitnehmer seit Jahren eine Angleichung der Rechtsstellung der Arbeiter an jene der Angestellten in der Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei sonstigen Arbeitsverhinderungen sowie des Beendigungsrechts, sowohl hinsichtlich der Kündigung als auch der vorzeitigen Beendigung und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, gefordert. Letzteres wird auch durch die Entschließung des Nationalrates vom 12.6.1997, Nr. 62 A (E) – NR/XX GP, unterstützt. Der vorliegende Entwurf sieht daher in Artikel 1 – Arbeitsverhältnisgesetz – die gesetzliche Neuordnung – weitgehend in Anlehnung bzw. durch teilweise Übernahme der Regelungen des Angestelltengesetzes in diesen Bereichen – vor; allerdings werden jene Regelungen im Angestelltenrecht belassen, die als berufsspezifisch anzusehen sind, wie z.B. Provisionen und Gewinnbeteiligung; ebenso bleiben die berufsspezifischen Sonderregelungen des Schauspieler-, Journalisten- oder Hausgehilfen- und Hausangestellten- sowie des Hausbesorgergesetzes unberührt. Aufgehoben wird jedoch § 376 Z 47 der Gewerbeordnung 1994, mit dem bisher die §§ 72 ff GewO 1859 noch aufrecht erhalten wurden. Da die Abfertigungsregelungen, und zwar auch die spezifischen Regelungen des Arbeiter- Abfertigungsgesetzes, als Teil des Beendigungsrechts in das Arbeitsverhältnisgesetz übernommen werden, kann das Arbeiter-Abfertigungsgesetz ebenfalls zur Gänze aufgehoben werden. Im Angestelltengesetz und dementsprechend auch im Gutsangestelltengesetz werden jene Paragraphen ausdrücklich aufgehoben, die sich vereinheitlicht im Arbeitsverhältnisgesetz finden. Da Dienstverhältnisse zu den Gebietskörperschaften aus dem Geltungsbereich des Arbeitsverhältnisgesetzes ausgenommen sind, ergeben sich aus der vorgesehenen Neuregelung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Budgets der Gebietskörperschaften. Finanzielle Auswirkungen:

Bezüglich der im Bereich der Sozialversicherung zur Umsetzung der "Aktion Fairness" zu treffenden finanziellen Begleitmaßnahmen wird auf die Erläuterungen zu den Art. 8 und 9 verwiesen. Die Zuständigkeit des Bundes für diese Neuordnung des Arbeitsvertragsrechts gründet sich auf Artikel 10 Abs. 1 Z 11 B-VG.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Arbeitsverhältnisgesetz):

Zu § 1 (Geltungsbereich):

Der Geltungsbereich des Arbeitsverhältnisgesetzes umfaßt alle Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Somit gelten, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes angeordnet ist, die Bestimmungen des AVHG auch für Angestellte, Gutsangestellte oder Journalisten. Der Geltungsbereich ist abgestimmt mit dem Entgeltfortzahlungsgesetz, dessen arbeitsrechtliche Entgeltfortzahlungsregelungen durch das AVHG abgelösten werden – die Erstattungsregelung verbleibt weiterhin im EFZG für den vom Geltungsbereich des EFZG erfaßten Personenkreis – und mit dem AVRAG, insbesondere auch im Hinblick auf den Dienstzettel. Die Ausnahmen des Abs. 2 beruhen einerseits auf verfassungsrechtlichen Überlegungen (Dienstverhältnisse zu Ländern und Gemeinden) und andererseits darauf, daß für den Bereich des Dienstrechtes eigenständige Regelungen bestehen. Dienstrechtliche Vorschriften im Sinne des Abs. 2 Z 3 können sowohl Gesetze wie Verordnungen sein, nicht jedoch Kollektivverträge.

Durch Abs. 2 Z 4 bis 7 werden die sondergesetzlichen Regelungen für Schauspieler, Hausgehilfen, Hausangestellten und Hausbesorger erhalten, deren sachliche Begründung aus den jeweiligen Berufsbildern abzuleiten ist. Für Lehrlinge gilt weiterhin das Berufsausbildungsgesetz. Die Ausnahmen der Beschäftigungsverhältnisse der Heimarbeiter (Abs. 3) hat deklarativen Charakter, da es sich bei den Heimarbeitern um keine Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes handelt. Soweit Bestimmungen des Angestelltengesetzes materiell – rechtlich unverändert in das AWIG übernommen werden, wird auch künftig die bisherige Judikatur zum Angestelltenge


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 106

setz zur Auslegung der in das AVHG übernommenen Bestimmungen herangezogen werden können.

Zu § 2:

Diese Bestimmung dient der Klarstellung.

Zu § 3 (Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag):

Diese Bestimmung entspricht § 6 Abs. 1 AngG. Demnach bestimmt sich Art und Umfang der Arbeitsleistung sowie das dafür gebührende Entgelt nach dem Ortsgebrauch; in Ermangelung eines solchen sind angemessene Arbeiten und ein angemessenes Entgelt zu leisten, aber nur insoweit im Arbeitsvertrag bzw. in den Normen der kollektivvertraglichen Rechtsgestaltung nicht anderes vereinbart ist. Als Naturalentgelt sind insbesondere Werks – oder Dienstwohnungen zu verstehen.

Da § 2 AVRAG auf alle privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse anzuwenden ist, erübrigt sich die Übernahme von § 6 Abs. 3 AngG. Nach § 2 AVRAG ist dem Arbeitnehmer ein Dienstzettel (schriftliche Aufzeichnung der wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag) unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber auszuhändigen.

Zu § 4 (Truckverbot – Barzahlungsgebot):

Diese Regelung löst die §§ 78 bis 78e Gewerbeordnung 1859 ab und gilt nunmehr nicht nur für Arbeiter, auf die die Gewerbeordnung anzuwenden ist, sondern für alle Arbeitnehmer. Dieses Verbot soll verhindern, daß Arbeitnehmer gezwungen werden, unter Anrechnung auf das Barentgelt Sachen und ähnliches vom Arbeitgeber zu beziehen. Jedoch sind Vereinbarungen, die im Interesse der Arbeitnehmer getroffen werden, rechtswirksam. Angesprochen ist hier lediglich das Barentgelt, Naturallohn (z.B. Dienstwohnung) bleibt von dieser Regelung unberührt.

Zu § 5 (Sonderzahlungen):

Die Aliquotierungsregelung für Sonderzahlungen (Remunerationen) des § 16 Abs. 1 und 2 AngG wird durch diese Regelung übernommen. Es erfolgen nur geringfügige redaktionelle Anpassungen.

Zu § 6 (Wechselseitige Interessenwahrungspflichten):

§ 6 deckt sich – sprachlich modernisiert – mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§18 AngG) und der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers. Diese Bestimmung sieht vor, daß die Parteien des Arbeitsverhältnisses jeweils die Interessen des anderen Vertragspartners zu wahren haben. Zu den Interessen des Arbeitnehmers zählen u.a. der Schutz des Lebens, der Gesundheit und die persönliche Integrität. Im Rahmen der Treuepflicht hat der Arbeitnehmer die betrieblichen Interessen zu wahren und alles zu unterlassen, was die Arbeitgeberinteressen schädigen könnte, wobei sich Art und Umfang der Treuepflicht aus der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb ergibt. Gemäß Abs. 2 ist der Arbeitgeber verpflichtet, für die physische und psychische Integrität des Arbeitnehmers Sorge zu tragen, insbesondere Schutzmaßnahmen gegen Betriebsgefahren vorzusehen.

Zu § 7 (Anspruch bei Arbeitsverhinderung infolge Krankheit oder Arbeitsunfall):

Mit dieser Regelung wird ein zentrales Anliegen der Aktion Fairness verwirklicht, nämlich gleicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung infolge Krankheit (Unglücksfall). Die Abs. 1 und 2 für den Krankheitsfall folgen den bisherigen Regelungen des Angestelltengesetzes (§ 8 Abs. 1 und 2). Demnach hat ein Arbeitnehmer gemäß Abs. 1 bei Krankheit (Unglücksfall) nach Arbeitsantritt, die weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt wird, Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von 6 Wochen. Durch je weitere vier Wochen behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt. Für bisher dem EFZG unterliegende Arbeitnehmer bedeutet dies: Entfall der 14-tägigen Wartefrist und die Verlängerung der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 107

Fortzahlungsdauer auf 6 Wochen bzw. 8 Wochen nach 5 Dienstjahren, 10 Wochen nach 15 Dienstjahren und 12 Wochen nach 25 Dienstjahren. Nach ständiger Judikatur ist § 8 Abs. 1 und 2 AngG auch für Kur – , Erholungsaufenthalte u.ä., die aus Gründen der Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung von einem Sozialversicherungsträger oder anderen zuständigen Stellen bewilligt oder angeordnet wurden, anzuwenden (vgl. OGH vom 20.9.1962, Arb. 7652; LG Wien vom 20. 2. 1964, Arb. 7903). Eine ausdrückliche Regelung, wie sie in § 2 Abs. 2 EFZG enthalten ist, scheint im Hinblick auf die unbestrittene Judikatur im Angestelltenrecht nicht erforderlich. Abs. 2 entspricht § 8 Abs. 2 AngG. Tritt innerhalb eines halben Jahres nach Wiederantritt der Arbeit abermals eine Arbeitsverhinderung ein, so hat der Arbeitnehmer für die Zeit der Arbeitsverhinderung, soweit die Gesamtdauer der Verhinderung die im Abs. 1 bezeichneten Zeiträume übersteigt, Anspruch auf die Hälfte des ihm gemäß Abs. 1 gebührenden Entgelts. Für Angestellte ändert sich auch hinsichtlich Arbeitsunfall und Berufskrankheit nichts durch die Übernahme der bisherigen Regelungen des § 8 Abs. 1 und 2 AngG in das AVHG. Für Arbeitnehmer, die dem EFZG unterliegen, werden durch Abs. 3 und 4 hinsichtlich Arbeitsunfall und Berufskrankheit die Regelungen des § 2 Abs. 5 und 6 EFZG übernommen. Gemäß Abs. 3 behält der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung bis zur Dauer von 8 Wochen. Dieser Anspruch erhöht sich nach 15 Dienstjahren auf 10 Wochen. Ist ein Arbeitnehmer gleichzeitig bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt, so entsteht der bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit auf 8 bzw. 10 Wochen erhöhte Anspruch nur gegenüber jenem Arbeitgeber, bei dem sich der Arbeitsunfall ereignet hat oder in dessen Betrieb die Berufskrankheit entstanden ist. Gegenüber den anderen Arbeitgebern hat der Arbeitnehmer Ansprüche wie im Fall einer Krankheit. Haben Kur – und Erholungsaufenthalte, Aufenthalte in Heil – und Pflegeanstalten, Rehabilitationszentren und Rekonvaleszentenheimen ihre Ursache in einem Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, so gelten gemäß Abs. 4 auch die Entgeltfortzahlungszeiträume des Abs. 3. Diese Bestimmung entspricht § 2 Abs. 6 EFZG. Abs. 5 entspricht § 8 Abs. 7 AngG.

Zu § 8 (Höhe des fortzuzahlenden Entgelts):

Bisher richtet sich die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts für Arbeiter gemäß § 3 EFZG primär nach dem Ausfallprinzip, d.h. es gebührt jenes Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Durch die Bestimmung des Abs. 1 gilt – entsprechend dem bisherigen Angestelltenrecht – vorrangig das Bezugsprinzip, d.h. es gebührt dem Arbeitnehmer das zuletzt geschuldete Entgelt. Da Akkord – , Stück – oder Gedinglöhne usw. starken Schwankungen unterliegen, berechnet sich das fortzuzahlende Entgelt in diesen Fällen nach dem Durchschnittseinkommen der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen (vgl. § 3 Abs. 4 EFZG). Gemäß Abs. 3 erfolgt eine Ermächtigung an den Generalkollektivvertrag zur Konkretisierung des Entgeltbegriffs bei Akkord – , Stück – und Gedinglöhnen.

Zu § 9 (Mitteilungs – und Nachweispflicht):

Diese Bestimmung entspricht § 8 Abs. 8 AngG. Der Arbeitnehmer hat somit ohne Verzug, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber anzuzeigen. Auf Verlangen des Arbeitgebers, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann, ist eine Bestätigung der zuständigen Krankenkasse oder eines Gemeindearztes bzw. Amtsarztes über voraussichtliche Dauer und Ursache vorzulegen. Kommt der Arbeitnehmer seiner Mitteilungs – und Nachweispflicht nicht nach, so verliert er für die Dauer der Säumnis seinen Entgeltanspruch.

Zu § 10 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses während einer Arbeitsverhinderung):

Kündigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung, wird der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder tritt der Arbeitnehmer rechtmäßig aus, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die gesetzliche Dauer bestehen, obwohl das Arbeitsverhältnis früher endet (vgl. § 9 Abs. 1 AngG und § 5 EFZG).

Abs. 2 entspricht § 9 Abs. 3 AngG. Wird das Arbeitsverhältnis von vornherein auf bestimmte Zeit eingegangen, endet es, ohne daß es einer rechtserheblichen Willenserklärung bedarf. In diesem Fall erlischt der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers. Im Fall einer vor Dienstverhinderung


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 108

ausgesprochenen Kündigung erlischt der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Ende der Kündigungsfrist, auch wenn die Dienstverhinderung nach dem Ende der Kündigungsfrist noch andauert. Dieselbe Rechtsfolge tritt ein, wenn das Arbeitsverhältnis durch begründete Entlassung gelöst wird.

Zu § 11 (Anspruch bei Arbeitsverhinderung aus sonstigen Gründen):

Bisher sieht § 11 54b ABGB für Arbeiter, die beim Arbeitgeber bereits 14 Tage beschäftigt sind, vor, daß bei Vorliegen eines anderen wichtigen die Person betreffenden Grundes ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für eine verhältnismäßig kurze, jedoch eine Woche nicht übersteigende Zeit besteht. § 11 54b ABGB ist aber nicht zwingender Natur. Der Anspruch auf Dienstfreistellung aus den "anderen" Gründen ist vielfach in Kollektivverträgen sowohl hinsichtlich der Anführung der Gründe als auch hinsichtlich der jeweiligen Dauer unterschiedlich geregelt und mitunter schwer vergleichbar; ferner ist es nicht immer klar ersichtlich, ob die aufgezählten Gründe als taxativ anzusehen sind oder ob eine bloß demonstrative Aufzählung vorliegt. Durch die Bestimmung des § II Abs. 1, die § 8 Abs. 3 AngG entspricht, behält ein Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch, wenn er durch andere wichtige seine Person betreffenden Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Arbeitsleistung verhindert ist. Da diese Bestimmung zwingend ist (vgl. § 31), haben kollektivvertragliche Regelungen, die für bestimmte Verhinderungsfälle bestimmte entgeltfähige Fristen vorsehen, die Wirkung, daß für die kollektivvertraglichen Zeiträume die Verhinderung gleichsam unwiderleglich vermutet wird. Nach bisheriger Judikatur zum Angestelltengesetz kann bei Vorliegen besonderer Umstände der entgeltpflichtige Zeitraum auch eine Woche übersteigen. Als Richtwert und als übliches Höchstausmaß ist jedoch analog zu § II 54b ABGB wie bisher von einer Entgeltfortzahlung für die Dauer bis zu einer Woche auszugehen. Abs. 2 entspricht § 1155 Abs. 1 ABGB, der im Rahmen des AVHG unabdingbar ist (vgl. § 31). Abs. 3 dient der Klarstellung; im geltenden Angestelltenrecht ergibt sich diese Rechtsfolge aus der Integration der Regelung in § 8 AngG.

Zu den §§ 12 bis 26 (Beendigungsrecht):

Mit diesen Bestimmungen wird der zweite Schwerpunkt der Aktion Fairness, nämlich die Vereinheitlichung des Beendigungsrechts im AVHG verwirklicht. Dieser Teil umfaßt daher nicht nur einheitliche Kündigungsregelungen für alle Arbeitnehmer und einheitliche Bestimmungen über die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern übernimmt auch die Abfertigungsregelungen und die Regelung der Kündigungsentschädigung aus dem Angestelltengesetz. Soweit hier eine materiell – rechtlich unveränderte Übernahme der Angestelltenregelungen, insbesondere hinsichtlich Abfertigung und Kündigungsentschädigung erfolgt, wird auch hier auf die bisherige Judikatur zum Angestelltengesetz im Streitfall zurückgegriffen werden können.

Zu § 12 (Ende durch Zeitablauf):

Diese Bestimmung entspricht § 19 AngG.

Zu § 13 (Kündigung):

§ 13 entspricht weitgehend den §§ 20 und 21 AngG. Die zeitliche Mindestgrenze des § 20 Abs. 1 letzter Satz AngG entfällt aber, d.h. die Kündigungsregelungen gelten für alle Arbeitsverhältnisse, unabhängig von einer zeitlichen Mindestgrenze.

Zu § 14:

Aufgrund der besonderen Gegebenheiten für Arbeitnehmer in Saisonbetrieben können Kündigungsfristen und Kündigungstermine durch Kollektivvertrag abweichend von § 13 geregelt werden.

Zu § 15:

Diese Bestimmung entspricht 22 AngG.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 109

Zu §§ 16 und 17 (Abfertigung):

§§ 23 und 23a AngG werden vollständig übernommen; daher ist das Arbeiter – Abfertigungsgesetz aufzuheben (siehe Artikel 14).

Zu § 18:

Diese Bestimmung sichert Schauspielern im Sinne der OGH – Judikatur die Abfertigung; Abs. 2 und 3 entsprechen § 2 Abs. 2 und 3 ArbAbfG, die für den entsprechenden Personenkreis aufrecht zu erhalten sind.

Zu § 19 (Tod des Arbeitnehmers):

Die Regelung des § 19 entspricht § 24 AngG.

Zu den §§ 20 bis 22 (vorzeitige Auflösung):

Gemäß § 20 kann das Arbeitsverhältnis dann vorzeitig aufgelöst werden, wenn infolge eines wichtigen Grundes im Sinne der §§ 21 oder 22 dem anderen Vertragsteil die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist. Als dogmatischer Hintergrund des Austritts – und Entlassungsrechts wird in Lehre und Rechtsprechung der Grundsatz der Unzumutbarkeit der weiteren Vertragsfortsetzung angesehen (Arb 9863/1980). Danach rechtfertigen nur solche Gründe eine vorzeitige Auflösung, die derart schwerwiegend sind und sich so nachhaltig auf das Arbeitsverhältnis auswirken, daß die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal mehr bis zu einer ordnungsgemäßen Beendigung, z.B. durch Zeitablauf oder Kündigung, zumutbar ist. Das erkennende Gericht hat somit anhand einer umfassenden Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob der im allgemeinen als wichtig einzustufende Grund für eine vorzeitige Beendigung auch im Einzelfall vorliegt. Im Hinblick auf die Entschließung Nr.62 A (E) – NR/XX GP wurden die nicht mehr zeitgemäßen Austritts – und Entlassungsgründe des Angestelltengesetzes bzw. der Gewerbeordnung modernisiert und vereinheitlicht, wobei auch auf die seinerzeitigen Beratungen der Kodifikationskommission zurückgegriffen wurde.

Die Fragen und Probleme, die sich durch die unterschiedlichen Regelungen der Auflösungsgründe im AngG und der GewO ergeben, sollen damit ausgeräumt werden (vgl. z.B. § 82 lit. d GewO und § 27 Z 1 AngG oder § 82 lit. i GewO und § 27 Z 5 AngG). Während im Angestelltengesetz eine demonstrative Aufzählung der Auflösungsgründe vorhanden war, erfolgt in den §§ 21 und 22 nunmehr eine taxative Aufzählung der Auflösungsgründe, wie sie bisher in der Gewerbeordnung gegeben ist.

Zu den §§ 23 bis 25 (Schadenersatz):

§§ 23 und 24 entsprechen den Bestimmungen der §§ 28 und 29 AngG. Trifft Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Verschulden an der vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses, so kann der Richter nach § 25 nach freiem Ermessen entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gewährt wird (vgl. auch § 32 AngG). Dieses Ermessen bezieht sich aber nur auf die Kündigungsentschädigung selbst und nicht auf sonstige Ansprüche, die sich aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben (vgl. Pfeil, WBl. 1999, S. 222).

Zu § 26 (Frist zur Geltendmachung der Ansprüche):

Diese Bestimmung entspricht weitgehend § 34 AngG.

Zu den §§ 27 bis 29 (Konkurrenzklausel):

Unter Berücksichtigung der nicht mehr aktuellen Betragsregelung (120.000 Kronen) unterbleibt die Übernahme des § 36 Abs. 1 AngG; die Schranke der Minderjährigkeit findet unter § 27 Z 1 Berücksichtigung. Die überwiegende Lehre und der OGH befürworten schon derzeit die analoge Anwendung der §§ 36ff AngG auf alle Dienstverhältnisse (vgl. OGH vom 18. 12. 1996, 9 Ob 2259/96). §§ 28 und 29 entsprechen den §§ 37 und 38 AngG.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 110

Zu § 30 (Zeugnis):

Diese Bestimmung entspricht § 39 AngG.

Zu den §§ 31 bis 35 (Schluß – und Übergangsbestimmungen):

Die Undingbarkeit der Bestimmungen des AVHG ergibt sich aus § 31; § 32 weist auf die subsidiäre Geltung des ABGB hin. Günstigere Regelungen, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bestehen, werden gemäß § 33 aufrecht erhalten.

Zu Artikel 2 (Änderung der Gewerbeordnung):

Durch diese Bestimmung werden durch die Aufhebung des § 376 Z 47 GewO 1994 mit Ablauf des 31. Dezember 1999 die §§ 72 bis 96e der GewO 1859 unwirksam.

Zu Artikel 3 (Änderung des Angestelltengesetzes):

Das AngG bleibt weiterhin in Geltung. Allerdings wird der Geltungsbereich neu geregelt und jene Bestimmungen, die im AVHG weitgehend deckungsgleich geregelt sind, respektive ins AVHG übernommen wurden, aufgehoben.

Zu Z 1 (§§ 1 bis 3: Geltungsbereich):

Gemäß § 1 AngG i.d.g.F. sind unter Angestellten jene Arbeitnehmer zu verstehen, die im Geschäftsbetrieb eines Kaufmannes vorwiegend zur Leistung kaufmännischer, höherer nicht kaufmännischer Dienste oder zu Kanzleiarbeiten beschäftigt sind. Ein Arbeitnehmer ist auch dann als Angestellter zu qualifizieren, wenn er die eben genannten Tätigkeiten in Unternehmen (z.B. der GewO unterliegende Unternehmungen, Vereine, Stiftungen, Rechtsanwälte, Ärzte usw.), die in § 2 AngG i.d.g.F. genannt sind, tätig ist. Daneben gilt seit der Novelle 1975 (BGBl. 418) gemäß Art. II AngG i.d.g.F. auch für Arbeitnehmer, die Angestelltentätigkeiten bei Wirtschaftstreuhändern oder bei einem Fonds mit Rechtspersönlichkeit ausüben. Weiters wurde in den verschiedenen Ausgliederungsgesetzen ausdrücklich die Anwendung des Angestelltengesetzes für neu eintretende Arbeitnehmer angeordnet. Für die Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer als Angestellter zu qualifizieren ist, sind in erster Linie die geleisteten Tätigkeiten maßgeblich; die Art der Unternehmung ist zweitrangig. Der Hinweis auf die Kaufmannseigenschaft des Arbeitgebers bzw. die Aufzählung der einzelnen Unternehmen, in denen Angestelltentätigkeit ausgeübt wird, wurde daher nicht in den Entwurf übernommen. Der neue § 2 Abs. 1 weist ausdrücklich darauf hin, daß die Angestellteneigenschaft im Sinne des AngG für die Unterscheidung im ArbVG, im Sozialversicherungsrecht und hinsichtlich der Kollektivverträge maßgeblich ist. Der Abschluß von getrennten Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen für. Arbeitnehmer, die unter das AngG fallen, ist zulässig. Desgleichen können auch weiterhin getrennte Betriebsräte für Angestellte gewählt werden. § 2 Abs. 2 dient der Sicherstellung der Geltung der Bestimmungen des AVHG auch für Angestellte, wenn in anderen Gesetzen ein Verweis auf das AngG enthalten ist.

Der bisherige § 3 AngG ist entsprechend anzupassen (siehe § 3).

Zu Z 2 (§ 5):

Diese Bestimmung entspricht – abgesehen von erforderlichen Anpassungen – § 5 AngG.

Zu Z 3 und 4 (§§ 32 und 34):

Die Bestimmungen enthalten eine redaktionelle Anpassung.

Zu Z 5 (§ 42):

Diese Bestimmung stellt klar, daß die Bestimmungen des AVHG (Art. 1) auch für Dienstverhältnisse der dem AngG unterliegenden Personen gilt. Daneben gelten die Bestimmungen des ABGB über den Dienstvertrag subsidiär. Integriert in die fortlaufende Paragraphenfolge wird der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 111

bisherige Art. VII AngG, wonach das Journalistengesetz und das Gehaltsgesetz unberührt bleiben. Daher kann Art. VII aufgehoben werden.

Zu Z 6 (§§ 43 und 44: Inkrafttreten und Vollziehung):

§ 43 entspricht Art. X AngG; Abs. 2 Z 5 regelt das Inkrafttreten der mit diesem Entwurf erfolgenden Änderungen.

§ 44 entspricht Art. XI AngG, berücksichtigt jedoch die kompetenzrechtlichen Veränderungen auf der Ebene des B – VG bzw. des Bundesministeriengesetzes 1986 i.d.g.F. seit der Gesetzwerdung des AngG. Das B – VG wies in seiner ursprünglichen Fassung dem Bund in Gesetzgebung und Vollziehung das "Zivilrechtswesen", das das Angestelltenrecht mit einschloß, in Art. 10 Abs. 1 Z 6 und das "Arbeiterrecht" in Art. 10 Abs. 1 Z II zu, jedoch mit Ausnahme des Arbeiterrechts sowie Arbeiter – und Angestelltenschutzes, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter handelt (dieses fiel nach Art. 12 Abs. 1 Z 4 B – VG nur hinsichtlich der Grundsatzgesetzgebung in die Bundeskompetenz). Durch die B – VG Novelle 1974 wurde dem Bund in Art. 10 Abs. 1 Z 11 B – VG die Kompetenz für das "Arbeitsrecht" eingeräumt. Der Begriff "Arbeitsrecht" erfaßt insbesondere auch den Arbeitsvertrag aller Angestelltengruppen (vgl. hiezu die EB, 182 der BlgNR 13 GP). Damit wurde das Arbeitsvertragsrecht zur Gänze, also auch für den Angestelltenbereich, aus der Zivilrechtskompetenz herausgelöst (vgl. hiezu auch Klein, Arbeitsrechtsqualifikation und Bundesverfassung, in FS – Weissenberg, 175; Öhlinger, FS – Strasser, 27 ff.; Floretta – Spielbüchler – Strasser, Individualarbeitsrecht, 29 ff.; sowie Thienel, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht, DRdA 1994, 224ff.). Dementsprechend sieht auch Abschnitt D des Teiles 2 der Anlage zu § 2 BMG 1986 i.d.g.F. in der Z 3 eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales hinsichtlich der arbeitsvertragsrechtlichen Sonderregelungen für einzelne Arbeitnehmergruppen vor.

Zu Z 7 (Aufhebung der in das AVHG übernommenen Bestimmungen):

Diese Bestimmungen werden aufgehoben, da die entsprechenden Regelungen im AVHG bzw. AVRAG (§ 2 – Dienstzettel) enthalten sind.

Zu Artikel 4 (Änderung des Gutsangestelltengesetzes):

Zu Z 1 und 7 (Verweis auf das AVHG bzw. Aufhebung im Hinblick auf das AVHG):

Abgesehen von einigen wenigen Bestimmungen, die auf berufsbedingte und daher sachlich notwendige Verschiedenheiten Rücksicht nehmen, folgt das GAngG im Gesetzesaufbau sowie inhaltlich weitgehend dem AngG. An Sonderbestimmungen zu erwähnen wären etwa die §§ 5 und 12 (Regelung der Deputatbezüge), § 14 (Landnutzung) sowie § 35 (Rechnungslegung) GAngG.

Bei Durchsicht der Materialien zum GAngG zeigt sich, daß der Gesetzgeber analog zum AngG im Sinne einer Vereinheitlichung des Arbeitsrechtes bzw. einer sozialpolitischen und systematischen Verbesserung der Rechtsposition der Gutsangestellten stets deren arbeitsrechtliche Stellung an jene der Angestellten im Sinne des AngG angeglichen hat. Daher erscheint es sinnvoll und auch sachlich gerechtfertigt, im Rahmen der Aktion Fairness analog zur Neuregelung bzw. Adaptierung des AngG den Hinweis auf das AVHG auch im GAngG aufzunehmen. Die den AVHG – Regelungen entsprechenden Bestimmungen des GAngG sind daher aufzuheben. Weiter in Geltung bleiben jedoch die für die Berufsgruppe der Gutsangestellten spezifischen, die Eigenart der Dienstverhältnisse in der Land – und Forstwirtschaft berücksichtigenden Regelungen.

Zu Z 2 und 3:

Diese Bestimmungen enthalten redaktionelle Anpassungen.

Zu Z 6 (§ 43 – Vollziehung):

Aufgrund der B – VG – Novelle 1974 und des Bundesministeriengesetzes 1986 liegt die Vollzugskompetenz auch für das GAngG aus dem Titel Arbeitsvertragsrecht ausschließlich beim


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 112

Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (siehe auch Ausführungen zu Art. 4 Z 7 – § 44 AngG).

Zu Artikel 5 und 6 (HBG und HGHAG):

Mit dem vorliegenden Novellenentwurf zum Hausbesorgergesetz sowie zum Hausgehilfen – und Hausangestelltengesetz erfolgen im Rahmen der Aktion Fairness Angleichungen der Rechtsstellung der Hausbesorger, Hausangestellten und Hausgehilfen an die dem Arbeitsverhältnisgesetz unterliegenden Arbeitnehmer. Diesem Zweck folgend wird sowohl für die Hausbesorger und auch für die Hausgehilfen und Hausangestellten die Dauer des Anspruches auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung wegen Krankheit (Unglücksfall) erhöht (vgl. § 14 Abs. 1 HBG und § 10 Abs. 1 HGHAG).

Zu Artikel 7 (Änderung des Heimarbeitsgesetzes):

Zu Z 1 (§ 25 Abs. 1):

Diese Bestimmung enthält die erforderliche Anpassung an die Rechtsstellung der Betriebsarbeiter.

Zu Z 2 (§ 74 Abs. 2):

§ 74 Abs. 2 regelt das Inkrafttreten.

Zu Artikel 8 (Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes):

Zu Z 1 und 2 (Entfall der Abschnittsbezeichnungen und der §§ 2 bis 7)

Die bisherigen Bestimmungen der §§ 2 bis 7 werden aufgehoben (vgl. § 20 Abs. 5), da die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung wegen Krankheit bzw. Arbeitsunfall nunmehr für alle Arbeitnehmer einheitlich im Arbeitsverhältnisgesetz geregelt werden (vgl. EB zu Artikel 1).

Zu Z 3 bis 5 (§§ 8 und 10):

Zitatanpassungen sind in § 8 und in § 10 notwendig. Nach wie vor besteht ein Rückerstattungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Erstattungsfonds nur für Entgeltfortzahlungsansprüche von Arbeitnehmern, die dem Geltungsbereich des EFZG unterliegen; an dieser Rechtslage hat sich nichts geändert.

Zu Z 6 (§13 Abs. 3):

Zum Zweck einer ausgeglichenen Gebarung des Erstattungsfonds wird der derzeit durch Verordnung mit 2,1 % festgesetzte EFZG – Beitragssatz der Arbeitgeber gesetzlich auf 2,5 % erhöht. Die daraus resultierenden Einnahmen werden sich auf etwa ATS 1.200 Mio pro Jahr belaufen. Davon betroffen sind die Dienstgeber von rund 1,2 Millionen Arbeitern. Ausgehend von etwa 12 Millionen Tagen, an denen derzeit pro Jahr Entgeltfortzahlung in Anspruch genommen wird, wird angenommen, daß die materielle Angleichung der Rechtsstellung der Arbeiter an jene der Angestellten im Bereich der Entgeltfortzahlung diese Zahl um etwa 2 Millionen Tage (das sind rund 17 %) erhöht. Umgelegt auf einen Erstattungsbetrag von derzeit rund ATS 7.000 Mio bedeutet dies eine Mehrbelastung der Gebarung des EFZG – Fonds um rund ATS 1.200 Mio.

Zu Artikel 9 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes):

Im Bereich der Sozialversicherung soll als finanzielle Begleitmaßnahme zur Umsetzung der "Aktion Fairneß" der Dienstgeberanteil am Beitrag zur Krankenversicherung der Arbeiter nach dem ASVG gesenkt werden. Derzeit beträgt der Dienstgeberanteil am Krankenversicherungsbeitrag für Arbeiter (inklusive Zusatzbeitrag) 3,95 % der allgemeinen Beitragsgrundlage. Die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 113

Senkung des Beitragssatzes auf 3,75 % bewirkt eine Entlastung der Dienstgeber bzw. Mindereinnahmen für die Krankenversicherung von rund ATS 660 Mio.

Zu Artikel 10 (Änderung des Insolvenz – Entgeltsicherungsgesetzes):

Mit Ende des Jahres 1999 ist mit einer ausgeglichenen Gebarung des Insolvenz – Ausfallgeld – Fonds zu rechnen. Dieser Umstand soll zum Anlaß genommen werden, die Finanzierungsbestimmungen des Fonds auf eine neue Basis zu stellen. Hinsichtlich der gegenwärtigen finanziellen Situation und den Auswirkungen durch die vorgeschlagenen nachstehenden gesetzlichen Änderungen wird auf die finanziellen Erläuterungen verwiesen.

Nach der bisherigen Rechtslage wird der von den Arbeitgebern zu tragende Zuschlag jährlich für das kommende Beitragsjahr mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales festgesetzt; dies auch dann, wenn keine Änderung des Beitragssatzes erfolgt. Die vorgeschlagenen Regelungen hingegen sehen einen fixen Beitragssatz – 0,4 vH – vor, von dessen Höhe nur dann abgegangen werden darf, wenn die finanzielle Lage es erlaubt (also Senkung) bzw. notwendig macht (also Erhöhung). Eine Änderung erfolgt – so wie bisher – mit Verordnung; im Fall einer Erhöhung ist zusätzlich vorgesehen, daß die Verordnung auch der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bedarf Die Kriterien für die Senkung bzw. die Erhöhung des Beitragssatzes werden beibehalten:

Die Senkung des Beitrages hat zu erfolgen, wenn in einem Dreijahreszeitraum – abgelaufenes, laufendes und nächstfolgendes Jahr – sich ein Überschuß von mehr als 20 % des durchschnittlichen Leistungsaufwandes dieser Jahre ergibt. Die Erhöhung greift Platz, wenn der Leistungsaufwand des laufenden Jahres und des nächstfolgenden Jahres unter Bedachtnahme auf die allfällige Rückzahlung von Krediten die Fondseinnahmen übersteigt. In formeller Hinsicht sollen die vorgeschlagenen Änderungen insbesondere durch die entsprechende Adaptierung des § 12 Abs. 1 Z 4 und die Einfügung eines neuen § 12 Abs. 1a erfolgen. Die neuen Bestimmungen sollen ab 1. Juli 2000 in Kraft treten.

Finanzielle Auswirkungen:

Der Schuldenstand des Insolvenz – Ausfallgeld – Fonds betrug Ende 1998 ATS 1,651 Mrd, Ende 1999 ist ein Überschuß von ATS 78 Mio und Ende 2000 ein solcher von ATS 179 Mio zu erwarten. 1998 wurde Insolvenz – Ausfallgeld an Arbeitnehmer in Höhe von ATS 2,913 Mrd ausbezahlt. Für die Jahre 1999 und 2000 wird unter der Voraussetzung eines gleichbleibenden Insolvenzvolumens von gleich hohen Ausgaben ausgegangen. Ab dem Jahr 2000 fallen überdies keine Kreditrückzahlungen mehr an. Durch die vorgeschlagene Beitragssenkung von 0,7 auf 0,4 % ergibt sich für das Jahr 2000 eine Entlastung der Arbeitgeber von ATS 2,1 Mrd (Anmerkung: je 0,1 % Beitrag ist mit Einnahmen von ATS 700 Mio zu rechnen).

Zu Artikel 11 (Änderung des Nachtschwerarbeitsgesetzes):

Zu Z 1 (Art. XIII Abs. 11):

Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, daß die endgültige Festsetzung der Höhe des Nachtschwerarbeits-Beitrages erst im Jahr 2001 erfolgen muß.

Zu Artikel 12 (Änderung des Landarbeitsgesetzes 1984):

Zu Art. V:

Das Ziel der arbeitsvertragsrechtlichen Gleichstellung aller Arbeitnehmergruppen kann nur durch eine Einbeziehung der Land- und Forstarbeiter verwirklicht werden.

Zu Artikel 13 (Aufhebung des Arbeiter – Abfertigungsgesetzes):

Da die Abfertigungsregelungen zusammengefaßt, aber unverändert aus dem AngG und ArbAbfG übernommen werden, wird das ArbAbfG gegenstandslos und ist daher aufzuheben.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 114

Zu Artikel 14 (Änderung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes 1972 – BUAG)

Für Bauarbeiter entsteht ein Urlaubsanspruch – im Unterschied zum Allgemeinen Urlaubsrecht – derzeit erst nach Beschäftigungszeiten von jeweils 46 Anwartschaftswochen (Anwartschaftsperiode). Die vorgesehene Änderung ermöglicht es Bauarbeitern bereits nach 23 Wochen einen Teilurlaub in Anspruch zu nehmen. Durch diese Regelung kann es einerseits Bauarbeitern erleichtert werden, ihren Urlaub früher zu konsumieren. Andererseits kann dieser Urlaubsverbrauch auch im Kalenderjahr beschäftigungsverlängernd wirken. Der Teilurlaubsanspruch ist so gestaltet, dass nach der Hälfte der Anwartschaftsperiode von 46 Anwartschaftswochen, also nach 23 Anwartschaftswochen, der Urlaub im halben Ausmaß des Gesamturlaubsanspruches in einer Anwartschaftsperiode entsteht und kontinuierlich bis zum Ende der Anwartschaftsperiode anwächst.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haupt. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Und wer zahlt es, Herr Präsident Verzetnitsch? Der Weihnachtsmann? – Abg. Verzetnitsch: Wir haben einen Finanzierungsvorschlag vorgelegt, und der ist drinnen! – Abg. Ing. Westenthaler: Kein Wort hat er gesagt zur Verbesserung der Krankenstandsregelung!)

13.33

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die derzeit in Verhandlung stehende Regierungsvorlage, die unter der "Aktion Fairness" hier abgehandelt wird, hat heftige Kritik von Seiten des Kollegen Verzetnitsch hervorgerufen.

Eines möchte ich schon sagen, Herr Kollege Verzetnitsch: Alle Punkte, die Sie unter Unfairness angezogen haben, sind derzeit gültiges Recht. Es ist das derzeit gültiges Recht, das Sie nach Verlassen Ihrer Koalitionsregierung und nach Verlassen der Verhandlungen der Sozialpartner in Österreich bewirkt haben, um das einmal deutlich und klar zu sagen.

Die Bundesregierung, die derzeit im Amt ist, hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass einerseits selbstverständlich eine kostenneutrale Regelung gefunden und andererseits im Interesse auch der arbeitenden Menschen in diesem Lande eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten in dieser Gesetzgebungsperiode lukriert werden soll, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Unser Ansatz war immer, sehr geehrter Kollege Verzetnitsch, dass die Arbeitnehmer in einem Land am besten existieren können und am besten Anteil an der Wirtschaftsentwicklung haben, wenn sie Arbeit haben. Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt geben uns darin Recht, dass die atmosphärischen Angelegenheiten – das ist derzeit noch in Begutachtung –, aber sicher auch die Zuarbeitung von Ihnen und Ihrer Bundesregierung im Sozialbereich etwa durch Beschäftigungsprogramme für junge Menschen, durch hervorragende Stiftungen auch einiges dazu beitragen, den Menschen mehr Arbeit zu geben.

Ich glaube, Sie werden auch zustimmen, dass die Ergebnisse des Arbeitsmarktes vom Mai dieses Jahres für uns alle erfreulich sind. Mit 178 000 Arbeitnehmern, die noch von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sind wir an einem Punkt angelangt, der international als Schwelle zur Vollbeschäftigung gesehen wird. Ich vergesse jedoch nicht, dass wir in Österreich Regionen haben, die noch weit von diesem erfreulichen Ergebnis entfernt sind – in einigen aber ist durchaus wieder Vollbeschäftigung gegeben.

Sie als erfahrener Sozialpartner, Herr Kollege Verzetnitsch, wissen das, was Präsident Benya in Gasthaus-Gesprächen und auch sonst immer wieder gesagt hat: Melken kann man nur eine fette Kuh! Melken kann man nur eine fette Kuh – das ist für die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer eine Entscheidung für die Zukunft. (Abg. Verzetnitsch: Kollege Haupt! Er hat immer gesagt: Füttern Sie die Kuh! Und ich ergänze: Wer ans Melken nicht denkt, schadet der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 115

Kuh!) – Richtig, Herr Kollege! Und wir füttern jetzt die österreichische Wirtschaft durch Absicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich, durch eine entsprechende Verbesserung der Rahmenbedingungen, durch Abbau der Bürokratie und schaffen damit für die Menschen in diesem Staate zusätzliche Arbeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Verzetnitsch! Im Zusammenhang mit jenen Punkten, die heute offen geblieben sind und die auch in dieser Regierungsvorlage den Sozialpartnern zu Verhandlungen zugewiesen werden, nämlich wenn sie vom Kollektivvertrag her beeinsprucht werden können oder noch vom Kollektivvertrag her beeinsprucht sind, sage ich aus meiner Sicht in aller Klarheit: Sie, die Sozialpartner, haben in diesem Bereich die österreichische Tradition immer hochgehalten, und Sie haben auch, wenn ich das richtig sehe, am Verhandlungstisch branchenspezifische Unterschiede gemacht, für jene Branchen, die es sich leisten können, die Umstellungen durchgesetzt und für jene Branchen, die es sich nicht leisten können, entsprechende Arbeitszeit-, aber auch sonstige Modelle umgesetzt, die der Wirtschaft und den Interessen der dort Beschäftigten gut bekommen sind.

Wir haben daher in der "Aktion Fairness" gerade im Interesse der unterschiedlichen Branchen in Österreich diese Punkte im Kollektivvertragsbereich belassen. Auch im Hinblick auf die Umsetzung, sodass in jenen Bereichen, in denen es der Wirtschaft auf Grund der Maßnahmen gut geht, für die Arbeitnehmer am Verhandlungstisch die noch offenen Teile der "Aktion Fairness" schneller umgesetzt werden können und in jenen Bereichen, die noch nicht umsetzungsreif sind, weil sich die Branche in Umstellungsschwierigkeiten befindet, wie etwa Schuhhandel, Schuhindustrie, Textilien, oder erst in einer zarten Aufwärtsentwicklung, vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.

Ich glaube daher, dass die Position der Freiheitlichen Partei diesbezüglich durchaus verantwortungsvoll gegenüber den Arbeitnehmern in Österreich ist, dass darüber hinaus in wichtigen Punkten der "Aktion Fairness" schon jetzt Gleichstellung herbeigeführt wird, was Sie auch nicht bestreiten werden.

Sie wissen, dass ich aus einer Region komme, in der die Bauarbeiter eine wichtige Rolle spielen. Ich habe mit den Bauarbeitern in meiner Region ausführlich diskutiert – in den Kärntner Regionalzeitungen waren auch Fotos davon zu sehen –, und die Bauarbeiter haben mir am Ende der Diskussion zwei Dinge gesagt: dass sie keine Freude haben mit der Verschiebung des zusätzlichen Urlaubsanspruches vom siebenten auf das jeweilige achte Jahr, dass sie andererseits aber akzeptieren und konzedieren, dass sie in der Schaffung des neuen Rechtes, wonach nach 26 Wochen Beschäftigung ein aliquoter Urlaubsanspruch besteht, auch im ersten Beschäftigungsjahr – ein alter Wunsch der Gewerkschafter; wir haben dies durch entsprechende Erläuterungen zum Gesetzestext abgesichert, dass das nicht anders ausgelegt werden kann –, eine Verbesserung sehen, die für sie und ihre Familien die Schlechterstellung aufwiegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrter Kollege Verzetnitsch! Ich glaube, dass man das schon mit einfließen lassen soll. Ich sehe ein, dass es vielleicht den einen oder anderen geben wird, der am Ende seines Arbeitslebens aus diesem Bereich, dem BUAG, aussteigen und in einen anderen Beruf wechseln möchte, etwa in der Verwaltung oder sonstwo, und daher anderer Ansicht ist. Aber insgesamt und global wurde damit für jene, die am Bau beschäftigt sind und die von § 10a und den anderen diesbezüglichen Paragraphen betroffen sind, eine durchaus attraktive Lösung gefunden, die auch im Interesse gerade der Familien und der jüngeren Arbeitnehmer ist.

Sie werden mir wohl auch darin Recht geben, dass für sehr viele Arbeitnehmer am Bau gerade die ersten Bauarbeitsjahre familienbelastend sind – keine Urlaubsmöglichkeiten! –, häufig zur zerrütteten Familiensituation der Bauarbeiter mit beitragen, weil der Lebenspartner in anderen Berufen tätig ist und in dieser Phase Urlaubsansprüche hat, die der Partner im Baubereich nicht hat.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 116

Wir haben es uns nicht leicht gemacht und haben das durchgesetzt. Wir haben damit, glaube ich, in diesem Bereich eine entscheidende Verbesserung im Interesse der Koalitionsregierung für diese "Aktion Fairness" geschaffen.

Sehr geehrter Herr Kollege Verzetnitsch! Ich glaube auch nicht, dass die Arbeitnehmer die Regelungen für den Krankheitsfall, zumindest für die Ersterkrankungen, mit dem Wegfall der vierzehntägigen Wartefrist und all den Dingen gering schätzen. Es sind dies eindeutige und klare Verbesserungen – darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Ich sage auch in aller Offenheit: Die Anpassung der Angestellten von oben nach unten wäre kein Problem gewesen, um in diesem Bereich die "Aktion Fairness" umzusetzen, aber auch Sie wissen, dass die Angleichung von unten nach oben derzeit aus finanziellen Gründen für die Gesamtwirtschaft leider nicht möglich ist. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir da erfolgreich sein werden, aber ich sage auch: Wir sind damit einen Kompromiss eingegangen, der aus freiheitlicher Sicht den Arbeitnehmern in weiten Bereichen entscheidende Verbesserungen bringt und mit der Absicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich insgesamt eine Situation schafft, dass wir langfristig mit mehr Beschäftigung auch wieder mehr Arbeitnehmerrechte in diesem Staat vertreten werden. Die "Kuh" des Herrn Präsidenten Benya ist immer noch die gleiche: die österreichische Volkswirtschaft – und keine andere! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

13.41

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da Kollege Haupt in seinen Ausführungen einmal mehr die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angesprochen hat, lassen Sie mich bitte in einer Vorbemerkung darauf antworten.

Herr Kollege Haupt! Wenn Sie sagen, wir würden uns in Österreich jetzt in Richtung Schwelle zur Vollbeschäftigung entwickeln (Bundesminister Dr. Bartenstein: Dann hat er Recht!), dann verdient das zwei Anmerkungen:

Erste Anmerkung: Daran ist diese Bundesregierung genauso unbeteiligt wie es die vergangene war. Sie alle kennen die Kritik, die wir vorgebracht haben, als sich schon die vorige Bundesregierung in einem Versprechen gerühmt hat, dass 100 000 neue Arbeitsplätze bis zum Jahr 2002 durch die Politik dieser Bundesregierung geschaffen werden. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Was habt ihr konkret beigetragen?) Es gibt entsprechende Prognosen des Wifo, des AMS, die sagen: Diese 100 000 neuen Arbeitsplätze werden geschaffen, ohne dass die Regierung auch nur ein Ohr dafür zu rühren braucht. – Das sei hier noch einmal klargestellt. Dazu braucht es weder Herrn Minister Bartenstein noch die Frau Sozialministerin. Daran sind Sie mit Ihrer Regierungspolitik völlig unbeteiligt. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wer schafft die Arbeitsplätze?)

Über das, was darüber hinausgeht, können wir diskutieren, darüber, was die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des letzten und dieses Jahres bewirkt haben. Das ist die erste Anmerkung.

Die zweite Anmerkung betrifft die Bemerkung: Erreichen der Vollbeschäftigungsschwelle. Herr Abgeordneter Haupt! Weil es ein wichtiger Punkt ist, sei es auch hier nicht unerwähnt: Es gibt und gab auch schon in der Vergangenheit eine intensive volkswirtschaftliche Debatte darüber, wann Vollbeschäftigung gegeben ist. Die Schwelle hinsichtlich Vollbeschäftigung ist bei 3 Prozent Arbeitslosigkeit gegeben – das ist in Österreich eine Erfindung der siebziger Jahre.

In den fünfziger Jahren wurde in Großbritannien Vollbeschäftigung dann als gegeben angesehen – auch in anderen Ländern, nur hatten es die wesentlich schwieriger als Großbritannien –, wenn es 0,5 Prozent Arbeitslosigkeit gab. In den siebziger Jahren – und das macht den entscheidenden Unterschied gegenüber heute aus – waren für Österreich diese 3 Prozent Arbeitslosigkeit die Registerarbeitslosenquote, Herr Abgeordneter Haupt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 117

Die Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent, die Sie jetzt hier anführen, wenn mich nicht alles täuscht (Bundesminister Dr. Bartenstein: 3,3!) – 3,3 Prozent –, betrifft nicht die Registerarbeitslosenquote, bei dieser liegen wir deutlich darüber. Das ist auch der Grund dafür, dass der Herr Wirtschaftsminister die Registerarbeitsquoten viel weniger gerne zitiert. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Nein, wirklich nicht!)

Es wird in der Regel darauf verwiesen, wie hoch die EU-Quote ist, die, wie Sie wissen, ganz anders zusammengesetzt ist, wesentlich leichter der Manipulation ausgesetzt beziehungsweise wesentlich unpräziser ist in den Aussagen über die tatsächlichen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, weil sie von Schätzungen, von Prognosen beziehungsweise von Mikrozensuserhebungen ausgeht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Haupt. )

Es sei hier nur einmal klargestellt: Vollbeschäftigung, das Erreichen oder das Annähern an die Vollbeschäftigung, Herr Kollege Haupt, ist weder auf die Regierung zurückzuführen, noch ist hinlänglich diskutiert worden, was Vollbeschäftigung überhaupt heißt. Sie haben ja selbst die Zahl von absoluten Arbeitslosen genannt.

Lassen Sie mich jetzt aber noch auf das Gesetzeswerk eingehen. So wie die Sozialdemokraten, so wie Sie haben wir in der Vergangenheit verstanden und verstehen wir unter "Aktion Fairness" eine Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, dass endlich diese leidliche Debatte aufhört, wer ein Arbeiter, wer ein Angestellter ist und warum, obwohl Arbeiter in vielen Bereichen dieselben Tätigkeiten ausüben wie in anderen Bereichen oder Betrieben die Angestellten. Haben Sie das mit dieser Reform erreicht? – Nein, Sie haben es nicht erreicht! (Beifall bei den Grünen.)

Das müssen Sie wohl ganz klar und offen sagen, denn es gibt keine Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Das, was Sie unter dem Paket "Aktion Fairness", die die Gewerkschaft ausgerufen hat, zu verkaufen versuchen, ist eine Mogelpackung. Bestenfalls ist es eine Aktion ungleicher Tausch zu Lasten der Arbeitnehmer. Sie, Herr Abgeordneter Haupt, werden wohl mit mir darin übereinstimmen, dass die Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerinnen die Last dieser kleinen Reformen, die Sie durchaus zustande gebracht haben, zahlen müssen. Die müssen dafür bezahlen! Hat das irgendetwas mit Fairness zu tun, Herr Abgeordneter? Ist das wirklich das, was wir uns unter "Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten" vorgestellt haben – dass man sie auch noch ungleich mehr, als sie dafür bekommen, bezahlen lässt? Hat das wirklich etwas mit Fairness zu tun? Verdient dieses Paket daher den Namen? – Nein, meine Damen und Herren, es verdient nicht diesen Namen.

Machen Sie dieses Paket kleiner. Schauen Sie nach, was tatsächlich in diesem Paket enthalten ist, und Sie kommen drauf: Das ist bei einigen Punkten der Entgeltfortzahlung eine Annäherung, aber nicht bei vielen Punkten, nicht einmal im Bereich der Entgeltfortzahlung. Es gibt ganz wesentliche Differenzen zwischen Arbeitern und Angestellten, und das wissen Sie auch, Herr Bundesminister.

Der zweite Bereich, meine Damen und Herren, betrifft das Kündigungs- und Entlassungsrecht. Da möchte ich Ihnen, Herr Bundesminister, schon den Vorhalt machen: Als ich angesprochen habe, einmal mehr in der Debatte im Sozialausschuss, dass beim Entlassungsrecht nach wie vor Bestimmungen aus dem Jahr 1859 aus dem Annex zur Gewerbeordnung Gültigkeit haben im Entlassungsrecht für die Arbeiter im Gewerbe, haben Sie gesagt: Na und? Da ist doch nichts Schlimmes drinnen!

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Haben Sie die Bestimmungen einmal durchgelesen? – Das ist Gutsherrensprache. Ich weiß, Sie sind Schlossbesitzer, aber Sie sind auch ein moderner Industrieller – habe ich mir immer gedacht, Herr Bundesminister. Und Sie werden mit dieser Gesetzessprache Ihre Beziehungen im Betrieb – Sie sind ja nicht Gewerbe, sondern Industrie – wahrscheinlich nicht zu regulieren vermögen.

So stellt etwa das Hantieren mit offener Flamme einen Entlassungstatbestand dar. Weiters ist zu diesem Thema in der Judikatur zu finden: Wenn jemand in Folge einer Krankheit mit einem entstellten Gesicht behaftet ist, dann stellt das einen Entlassungsgrund dar. Lesen Sie die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 118

entsprechende Judikatur dazu! Und die ist gültig, meine Damen und Herren! Und daran wollen Sie nichts ändern? – Hat das irgendetwas mit Fairness zu tun? – Bestimmungen aus dem Jahr 1859!

Meine Damen und Herren! Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erhalten über das, was Sie im Arbeitsrechtsänderungsgesetz festschreiben, kleine Verbesserungen im Bereich der Entgeltfortzahlung, da aber auch nur in einem kleinen Bereich. Die Regierung lässt sie jedoch teuer dafür bezahlen – das ist alles, was man dazu sagen kann. (Beifall bei den Grünen.)

13.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.50

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! "Aktion Fairness" – gleiche Rechte für 1,2 Millionen Arbeiter und Arbeiterinnen.

Arbeiter und Arbeiterinnen sind im Fall eines Krankenstandes schlechter abgesichert. Sie erhalten nur vier Wochen lang ihren Lohn, während Angestellte ihr Gehalt mindestens sechs Wochen weiterhin von ihrem Arbeitgeber bekommen. Ist das fair? – Wir sagen: nein. – Wahlwerbung der SPÖ im Herbst.

Auch wir sagen nein. Und was ist der Regierung gelungen? – Die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfall wurde innerhalb von 100 Tagen erreicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist der SPÖ in 30 Jahren nicht gelungen. (Abg. Verzetnitsch: Das stimmt nicht!)

Arbeiter und Arbeiterinnen sind im Fall einer Kündigung schlechter dran. Das ist über den Kollektivvertrag zu regeln. – Würden wir dies machen und da etwas ändern, würden Sie sagen, dass wir die Kollektivvertragshoheit nicht ernst nehmen. (Abg. Silhavy: Das stimmt nicht einmal im Krankheitsfall! Sogar der Kollege Haupt hat das bestätigt!)

Urlaube verkürzen: Jeder hat Anspruch auf seinen voll erworbenen Urlaub. – Stimmt nicht! Wir sagen nein zu dem, was auf diesem Zettel steht.

Feiertage abschaffen: Wir von der ÖVP sind für den freien Sonntag und wissen diesen Sonntag auch zu schätzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich könnte das auch noch weiter fortsetzen.

Diese Maßnahme hätte zumindest – und das wissen Sie von der nunmehr großen Oppositionspartei – bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode umgesetzt werden können, hätte die SPÖ – und da vor allem die SP-Gewerkschaft – ihre Blockadehaltung aufgegeben. (Abg. Verzetnitsch: Hätten wir die Geschenke gleich hergegeben, nicht?)

ÖGB-Chef Verzetnitsch hat jedoch in Ermangelung anderer politischer Themen – ich habe es schon erwähnt – unserer Meinung nach 1,2 Millionen Arbeiter in Geiselhaft genommen und die Frage der Entgeltfortzahlung als Wahlkampfthema schlichtweg noch vor dem ÖGB-Kongress hineingenommen.

Sogar in den "Salzburger Nachrichten" war am 8. März dieses Jahres zu lesen: Regierung geht verschlamptes Vorhaben an. Arbeiter und Angestellte sollen arbeitsrechtlich endlich gleichgestellt werden. (Abg. Verzetnitsch: Aber was ist das Ergebnis?)

Oder: Erwin Zankel, "Kleine Zeitung", 29. April: Die Benachteiligung der Arbeiter, die in der Regel viel größeren Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt sind als Angestellte, war ein Schandfleck auf dem so glänzenden Wohlfahrtsstaat. – Und weiters: Wenn die Gewerkschaft nun den Vorwurf der Mogelpackung erhebt, muss die Gegenfrage gestellt werden, was die vorherigen Regierungen für die Gleichstellung getan haben. Sich nur die Rosinen herauszupicken war schon immer unmöglich. – Ende des Zitats.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 119

Wir, insbesondere auch der ÖAAB, haben bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit allen Verantwortlichen in der ÖVP und auch Verantwortlichen in der Wirtschaft verhandelt, und wir hätten jederzeit eine umsetzbare Lösung parat gehabt – wir kamen nicht zusammen. Wir haben es aber nunmehr im Regierungsprogramm, es wurde verhandelt, im Sozialausschuss angenommen, und es wäre schön, wenn es heute die Zustimmung von allen geben würde.

So wird eine langjährige – eine langjährige! – Forderung der ÖVP und des ÖAAB eben nunmehr umgesetzt und geht in die Endrunde.

Ja, man kann sogar sagen: Eine schwarze Woche für die Arbeitnehmer! – Angekündigt wurde dieser Slogan am Montag dieser Woche von Präsident Verzetnitsch. (Abg. Verzetnitsch: So ist es!) Er meint damit die Beschlüsse, die unter anderen heute gefasst werden. – Gratuliere, Herr Präsident! Sie haben es zwar anders gemeint, aber die Aussage stimmt punktgenau, oder Sie haben, wie man sagt, den Nagel auf den Kopf getroffen, denn die Schwarzen haben den entscheidenden Schritt für soziale Gerechtigkeit in der Arbeitswelt geschafft! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Trattner.  – Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )

Also haben im sprichwörtlichen Sinn die SPÖ und die Grünen den "Scherben" auf und müssen mit ansehen, wie die nicht-sozialistische Volkspartei im Zusammenwirken mit der FPÖ in Sachen Arbeiterschaft Maßnahmen und Signale setzt. – Nicht von mir erfunden, sondern ein Zitat von Gerhard Leitgeb, 30. April, "täglich Alles". (Abg. Silhavy: Aber die falschen Signale!)

Abschließend möchte ich Folgendes noch sagen: Es wird noch etwas kommen, ein Hit für die Arbeitnehmer: die "Abfertigung neu". – Mit dieser "Abfertigung neu" wird ein System beschlossen werden, in dem die Pensionskasse auch bei Selbstkündigung in einen neuen Job mitgenommen wird. Das würde Mitarbeiter weitaus unabhängiger machen. (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Zusammenfassend: Diese Bundesregierung weiß zu handeln, umzusetzen, um bessere Rahmenbedingungen für die Menschen in unserem Land zu schaffen. Das ist unsere Aufgabe, aber auch die Aufgabe der Opposition – und ich lade Sie ein, unserem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

13.55

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die "Aktion Fairness" wurde von über 300 000 Menschen in unserem Land mit ihrer Unterschrift unterstützt; es ist bereits darauf hingewiesen worden. Ich möchte betonen, dass auch fortschrittliche Unternehmer die Aktion unterstützt haben, immer mehr unterstützt haben: Es gibt Betriebe, wo es nur noch Angestellte gibt, wo man die Klassenunterschiede eliminiert hat, und es gibt Branchen, wo auch durch Kollektivvertrag eine Gleichstellung zu Stande gekommen ist.

Und was erleben wir heute hier im Hohen Hause? – Eine "Aktion Fairness" wird als Erfolg der Regierungsparteien verkauft, in Wirklichkeit jedoch ist diese Gesetzesvorlage die größte sozialpolitische Schwindelpackung, würde ich sagen, der Zweiten Republik, sehr verehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Man verlängert den Entgeltanspruch bei Krankheit für Arbeiter, sagt, das ist die Angleichung, verschweigt aber, dass Arbeiter weiterhin gegenüber Angestellten schlechter gestellt bleiben. – Fairness predigen, Unfairness beschließen; Gerechtigkeit fordern, Ungerechtigkeit zulassen – das ist "Österreich neu regieren", wie wir es erleben. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Abgeordnete Steibl hat gerade gesagt, es komme zu einer Gleichstellung im Krankheitsfall, und diese wurde in 100 Tagen durchgesetzt, dazu Folgendes: Frau Abgeordnete! Lesen Sie das, worüber wir heute abstimmen! Dann werden Sie feststellen, dass das nicht die Gleichstellung ist, dass es zwar ein Schritt nach vorne ist – das gebe ich zu –, dass aber gleichzeitig


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 120

zwei Schritte zurück gemacht werden. Und das nennen Sie Gleichstellung und einen sozialpolitischen Erfolg? – Ich denke, Sie sollten den Gesetzesvorschlag noch einmal lesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gatterer: In welchem Bereich zwei Schritte zurück?)

Arbeiter haben künftig pro Jahr jenen Entgeltanspruch, den Angestellte pro Erkrankung haben – pro Erkrankung! Das hat mit Gleichstellung nichts zu tun. Man schafft theoretisch eine Entgeltfortzahlung bei wichtigen persönlichen Gründen für Arbeiter, sagt wieder: Das ist die Angleichung!, verschweigt aber, dass durch einen Zusatz im ABGB die meisten der über eine Million Arbeiterinnen und Arbeiter weiterhin gegenüber den Angestellten schlechter gestellt bleiben. – Fairness predigen, Unfairness beschließen; Gerechtigkeit fordern, Ungerechtigkeit zulassen. – Das ist "Österreich neu regieren". (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung sagt, man werde sich für eine Angleichung der unterschiedlichen Kündigungsfristen einsetzen, verschweigt aber, dass dies im Entwurf nicht beinhaltet ist. Arbeiter sind daher gegenüber den Angestellten weiterhin schlechter gestellt. – Fairness predigen, Unfairness beschließen; Gerechtigkeit fordern, Ungerechtigkeit zulassen. – Das ist "Österreich neu regieren", sehr verehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Unfairness der Regierungsparteien bewegt Milliarden in unserer Republik! Rund 3 Milliarden gewinnt die Wirtschaft durch die Urlaubsaliquotierung und den Wegfall des Postensuchtages (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein ), und rund 660 Millionen Schilling im Jahr – das sind die Zahlen, Herr Bundesminister Bartenstein, die Sie im Ausschuss genannt haben: rund 660 Millionen Schilling im Jahr – entgehen der Sozialversicherung durch nicht mehr anfallende Beiträge. Dazu kommen noch beträchtliche Steuerausfälle, die mittlerweile nicht einmal mehr den Finanzminister stören.

Für die Arbeiter gibt es keine volle Gleichstellung. Für die Arbeiter und Angestellten kommt es zu einer Verschlechterung des Urlaubs- und Arbeitsrechtes. Die Wirtschaft erspart sich 3 Milliarden Schilling im Jahr an Entgeltzahlungen, und die Sozialversicherungen und das Budget werden dadurch in den nächsten Jahren mit weiteren 3 Milliarden belastet.

All das hat mit der "Aktion Fairness", sehr verehrte Damen und Herren von den österreichischen Gewerkschaften, nichts zu tun! Eine solche Politik lehnen wir Sozialdemokraten ab. (Beifall bei der SPÖ.) Deshalb verlangen wir auch getrennte Abstimmung, damit wir sehen, wer letztendlich wofür ist.

Aber was zählt eigentlich, sehr verehrter Herr Abgeordneter Khol, die Unterschrift des Klubobmannes in der Volkspartei? – Das ist eine sehr spannende Frage. Herr Abgeordneter Khol hat mit Freude und ohne Vorbehalt die "Aktion Fairness" in Tirol unterschrieben. Daran ist heute zu erinnern – hier (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) ist Ihre Original-Unterschrift. Vorbehaltlos treten Sie dafür ein: Ja, auch ich unterstütze mit meiner Unterschrift die "Aktion Fairness", so wie die Gewerkschaften es wollen.

Sie werden bei der Abstimmung gegen Ihre Unterschrift stimmen! Darauf soll hingewiesen werden. (Abg. Dr. Khol: Darum beschließen wir sie heute! Ich bin für die "Aktion Fairness"! Meine Unterschrift zählt!) Zuerst dafür sein und unterschreiben, dann dagegen sein und vergessen, dass man unterschrieben hat. – Das ist das Sittenbild der Österreichischen Volkspartei! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Meine Unterschrift zählt!)

Aber das ist nicht alles. Was zählt bei den Freiheitlichen, von denen jetzt fast niemand mehr im Saal ist, weil das Thema sichtlich nicht interessiert, eigentlich die Unterschrift eines Abgeordneten? – Eine spannende Frage. Ich sage Ihnen: offensichtlich auch nicht sehr viel. Ein bedeutender Abgeordneter der Freiheitlichen hat auch mit Freude und ohne Vorbehalt die "Aktion Fairness" der Gewerkschaften unterschrieben. Ich habe hier seine Original-Unterschrift auf einem Bogen. – Zuerst dafür sein und unterschreiben, dann dagegen sein und vergessen. Das ist auch das Sittenbild der Freiheitlichen Partei Österreichs. (Abg. Silhavy: Wer war das?)

Wie geht es dabei Herrn Abgeordneten Haupt, der hier vor wenigen Minuten gesagt hat, wie sozialpolitisch fortschrittlich die Freiheitliche Partei ist? Er hat unterschrieben – hier (ein Schrift


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 121

stück vorweisend) ist der Beweis! In wenigen Minuten wird er dagegen, gegen seine Unterschrift stimmen, weil er unseren Antrag, der genau das erfüllt, nicht unterstützen wird.

Herr Abgeordneter Haupt! "Wir füttern jetzt die österreichische Wirtschaft" – ein wahres Wort! Die Freiheitlichen füttern jetzt die österreichische Wirtschaft durch Sozialabbau beim Urlaubsrecht – das hat er vergessen dazuzusagen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Das, was Sie von der Volkspartei und von den Freiheitlichen, heute machen, sind – ich habe es schon gesagt – ein Schritt nach vorne und zwei Schritte zurück. Das werden sich die "kleinen" und anständigen Arbeitnehmer in unserem Land sehr gut merken – wir werden dafür sorgen. Der nächste Wahltag kommt bestimmt! (Beifall bei der SPÖ.)

14.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Khol zu Wort gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden und den tatsächlichen Sachverhalt zu referieren.

14.02

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Der zu berichtigende Sachverhalt geht davon aus, dass ich mit Freude und ohne Vorbehalt die "Aktion Fairness" der Gewerkschaft, der ich seit vielen Jahren angehöre, unterschrieben hätte. Das ist richtig. Das habe ich.

Dass ich aber diese Unterschrift nicht honoriert hätte, das ist unrichtig.

Ich bin mit aller Kraft für die "Aktion Fairness" eingetreten und habe mitgewirkt, dass wir sie heute – leider ohne Unterstützung meiner Gewerkschaft – beschließen können. Trotzdem: Glück auf, Kollege Verzetnitsch! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

14.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

14.03

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Besucher auf der Galerie! Der Beitrag meines Vorredners ist an Polemik nicht zu überbieten. Wenn man jahrzehntelang bei der Angleichung der Arbeitsrechtsgesetze für Arbeiter und Angestellte absolut nichts weitergebracht hat und es jetzt auf einmal läuft, dann muss man als Oppositionspartei natürlich reagieren. Wie Sie reagieren, ist allerdings schamlos.

Ich möchte einige Punkte, die das Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 für Arbeiter, insbesondere für ältere Arbeitnehmer, an Verbesserungen bringt, hier aufzeigen.

Die Regierungsvorlage wird eine weitgehende arbeitsrechtliche Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten, insbesondere auch im Bereich der Entgeltfortzahlung infolge von Krankheit, zum Beispiel bei einem Unglücksfall und bei einer Dienstverhinderung aus sonst wichtigen Gründen, bringen.

Neben der materiellen Angleichung der Rechtsstellung von Arbeitern und Angestellten im Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sieht der Entwurf die Urlaubsaliquotierung bei Auflösung eines Dienstverhältnisses vor.

Allen Dienstnehmern wird bei Kündigung durch den Dienstgeber während der Kündigungsfrist auf ihr Verlangen wöchentlich mindestens acht Stunden ohne Schmälerung des Entgeltes frei gegeben. Insgesamt kann diese Freizeit ... (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )  – Sie können später reden, Frau Abgeordnete! (Abg. Sophie Bauer: Mach ich eh!) Insgesamt kann diese Freizeit bis zu 21 Tage betragen, auch zusammenhängend sechs Tage pro Woche.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die 14-tägige Wartefrist beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung infolge von Krankheit für ArbeitnehmerInnen, die den Vorschriften des ABGB, des Haushaltshilfen- und des Heimarbeitsgesetzes unterliegen, soll beseitigt werden. Die betroffenen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 122

Personen werden in Hinkunft Anspruch auf Entgelt bis zu sechs Wochen haben. Bei fünfjähriger Dauer des Dienstverhältnisses erhöht sich die Anspruchsfrist auf acht Wochen, bei 15-jähriger Dauer auf zehn Wochen und bei 25 Jahren ununterbrochener Dienstzeit auf zwölf Wochen.

Mit der Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsfähigkeit sind im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz zum Schutze der Dienstnehmer verschiedene Regelungen vorgesehen, die schon wegen des unterschiedlichen Pensionsanfallsalters für Männer und Frauen sachlich gerechtfertigt sind. Die unterschiedlichen Jahrgangsgrenzen sind vorzunehmen, um bei den Schutzmaßnahmen der pensionsnahen Jahrgänge Zielgenauigkeit zu erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kündigungsschutzmaßnahmen stehen auch in engem Zusammenhang mit den sonstigen Maßnahmen der Pensionsreform. Durch die neuen Bestimmungen erfolgt eine Ausdehnung des allgemeinen Kündigungsschutzes für die älteren Arbeitnehmer in Betrieben, die nicht dem Geltungsbereich des Arbeitsverfassungsgesetzes 1974 angehören. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Kollege, Sie reden nicht zum Thema! Sie haben die falschen Unterlagen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Schutz der jahrgangmäßig definierten älteren Arbeitnehmer, die in einem nicht betriebsratspflichtigen Betrieb beschäftigt sind, ist sinnvoll und notwendig. Die betroffenen Personen können nunmehr ungerechtfertigte Kündigungen bei Gericht einklagen. Es ist besonders wichtig, diese Lücke im bisherigen System des allgemeinen Kündigungsschutzes zu schließen. Dagegen sind Sie natürlich, weil Sie diese Begünstigungen nur dort geben wollen, wo Betriebsräte installiert sind.

Einige Worte zum Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz. In diesem Bereich konnten Verbesserungen durchgeführt werden, indem es endlich möglich ist, dass Bauarbeiter nicht ein ganzes Jahr – konkret: 46 Wochen – warten müssen, bis sie Urlaubsanspruch haben. Sie können bereits nach 26 Wochen, also schon im ersten Jahr ihrer Tätigkeit, Urlaub bekommen, den aliquoten Urlaub. Das ist eine Errungenschaft, die für die betroffenen Bauarbeiter sehr bedeutend ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine Verbesserung für ältere Dienstnehmer soll die vorübergehende Verlängerung der höchstmöglichen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für unmittelbar betroffene ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringen. Die derzeit längste Bezugsdauer von 52 Wochen wird auf 78 Wochen angehoben werden. Diese Regelung soll auch für jene Jahrgänge gelten – bitte, das hat mit Fairness etwas zu tun –, die in der Übergangsphase der Anhebung des Antrittsalters für die vorzeitige Alterspension das 55. Lebensjahr – für Frauen – beziehungsweise das 60. Lebensjahr – für Männer – erreicht haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die Neugestaltung des Frühwarnsystems bietet Fairness für die betroffenen Personen. Es ist mehr als fair, dass die betroffenen Personen schon vor der endgültigen Entlassung oder Freistellung in Betreuung genommen werden können. Das sind Verbesserungen, die sich sehen lassen können. Wenn hier so weiter gearbeitet wird, wird die Regierung auch weiterhin Erfolge bei den Dienstnehmern haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

14.11

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie glaubwürdig die FPÖ und die ÖVP mit ihrer angeblichen "Aktion Fairness" sind, zeigt sich ja schon allein daran, dass nicht einmal 20 Prozent der Abgeordneten der Regierungsparteien bei der ihrer Meinung nach angeblich so wichtigen und fortschrittlichen Debatte im Plenarsaal sitzen. Ich habe es gerade nachgezählt: Es sitzen von 104 Abgeordneten genau 19 da. – Sie müssen von Ihrer Arbeit wirklich überzeugt sein! (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 123

Sie können von Ihrer Arbeit nicht überzeugt sein, wenn Sie nur ein bisschen etwas von Lohnverrechnung verstehen. Es wurde hier gesagt, dass Arbeiter und Angestellte gleichgestellt worden sind. (Abg. Schwarzenberger: Gott sei Dank!) Ich weiß nicht, wovon Sie reden, denn die Praxis zeigt etwas ganz anderes.

Ein Beispiel: Es wird jetzt im Krankheitsfall angeblich – angeblich, Herr Minister – eine Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten geben. (Abg. Schwarzenberger: Nicht angeblich, sondern tatsächlich!) Das entspricht nicht der Realität, Herr Kollege. Wenn Sie einen Funken Ahnung von Personalverrechnung und einen Funken Ahnung von dem Gesetz, das in der Personalverrechnung sozusagen umgesetzt wird, hätten, wüssten Sie, dass ein Angestellter nach einem Krankheitsfall nach sechs Monaten ununterbrochener Beschäftigung, also ohne Krankenstand, einen völlig neuen Anspruch in voller Höhe erwirbt. Beim Arbeiter ist das nicht so. Ein Arbeiter erwirbt diesen Anspruch innerhalb eines Dienstjahres. – Und das nennen Sie Gleichstellung? Wie geht denn das? Da ist Erklärungsbedarf gegeben, Herr Minister. Aber Sie melden sich ja sicher noch zu Wort und werden mir das erklären.

Oder: Gleichstellung in Bezug auf Kündigungsfristen. – Meine Damen und Herren! Nehmen wir zwei Arbeitnehmer: einen Magazineur – Arbeiter – und eine Schreibkraft – Angestellte. Beide sind zehn Jahre im Betrieb. Wollen Sie ernsthaft sagen, dass diese beiden Personen im Kündigungsfall dieselben Kündigungsfristen haben? – Sie sagen es nicht, weil Sie wissen, dass es ohnehin nicht stimmt. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Oder: Es wurde jetzt im Arbeitslosenversicherungsgesetz eine Änderung vorgenommen, wonach arbeitslose Menschen, die im Zeitraum von 25 Jahren 15 Arbeitsjahre erworben haben, einen Anspruch auf 1,5 Jahre Arbeitslosengeld haben. Meine Damen und Herren! Wie schaut das für einen 42-Jährigen aus, der ebenfalls in den letzten 25 Jahren 15 Jahre lang ein Dienstverhältnis gehabt hat? – Dieser arbeitslose Mann oder diese arbeitslose Frau hat nur 52 Wochen Anspruch auf Arbeitslosengeld. – Selbst in der Arbeitslosenversicherung haben Sie die Ungleichstellung weiterhin aufrechterhalten und zusätzlich zementiert.

Oder, sehr geehrte Damen und Herren: Wie halten Sie es denn damit, dass Arbeiter sich Urlaub nicht dann nehmen können, wenn sie in Urlaub gehen wollen, und dass es sehr viele Arbeiter gibt, denen der Urlaub verfällt, wenn sie das Dienstverhältnis beenden? (Abg. Steibl: Stimmt ja alles nicht! Das sind Unterstellungen!) Es gibt praktisch keine Abgeltung mehr für einen entfallenen Urlaub. Angestellte hingegen werden es immer schaffen, ihren Pflichturlaub irgendwann zu konsumieren und nicht verfallen zu lassen – darauf können Sie sich verlassen.

Oder: Entgeltfortzahlungsgesetz. Herr Minister! Der 2,1-prozentige Entgeltfortzahlungsbeitrag, der bisher an den Fonds bezahlt worden ist, läuft mit 1. Oktober 2000 mehr oder weniger aus. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ja!) – Ja. Herr Minister, und jetzt meine Frage: Können Sie mir irgendein Gesetz nennen, das rechtfertigt und in dem steht, was mit dem Geld dann geschieht? – Das weiß kein Mensch, das werden wir dann schon sehen.

Was soll denn das, Herr Minister? – Wenn Sie mit Stichtag 1. Oktober 2000 noch einen Überschuss in diesem Topf haben, dann müssen Sie jetzt, bei dieser Gesetzesänderung, klären, was mit diesem Überschuss zu geschehen hat! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Und das ist jetzt, in diesem Gesetz, festzuschreiben, und im Budgetabschluss für das Jahr 2000 muss dann nachvollziehbar sein, wo das Geld geblieben ist. Aber zu sagen: Jetzt haben wir Geld, aber was wir damit tun, geht euch alle miteinander nichts an, das werden wir uns schon irgendwie intern ausmauscherln!, Herr Minister, das geht nicht.

Sie haben es bewusst verabsäumt, klarzustellen, was mit diesem Überschuss geschieht. Ich weiß auch, warum Sie es nicht in das Gesetz geschrieben haben: Sie wollen damit wieder ein Körberlgeld für Unternehmen schaffen, indem Sie ihnen das Geld zurückzahlen. Sie sind aber noch nie auf die Idee gekommen, dass Sie, wenn Sie Überschüsse im Familienlastenausgleichsfonds hatten, diese Überschüsse an die DienstnehmerInnen, die diese einbezahlt haben, zurückbezahlt haben. Das gilt auch für andere Leistungen, unabhängig davon, ob Töpfe aufgelöst werden oder nicht.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 124

Wenn es Ihre neue Politik ist, dass Sie Geld irgendwo umsatteln, ohne das vorher festzuschreiben, dann frage ich mich, wohin wir bereits gekommen sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

14.18

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Angleichung der Arbeiter an die Angestellten im Krankheitsfall oder im Falle der Dienstverhinderung wird ein wichtiges Anliegen umgesetzt, ein Anliegen, das die SPÖ jahrelang erfolglos umsetzen wollte. Es erfordert daher, Herr Präsident Verzetnitsch, aus Ihrer Sicht vielleicht ein hohes Maß an Abgeklärtheit und auch an Objektivität, um bei dieser neuen Regelung wirklich das Positive zu sehen. – Sie haben es nicht gesehen.

Ich darf aus meiner Sicht einmal die Position des einzelnen Arbeitnehmers beleuchten, die Sie einfach nicht sehen wollen.

Wir haben 1,3 Millionen Arbeiter, die in Zukunft im Bereich der Entgeltfortzahlung Vorteile haben werden. Und die Vorteile rechnen sich – ich bringe Ihnen ein Beispiel – wie folgt:

Ein Arbeitnehmer im vierten Dienstjahr mit einem Bruttogehalt von angenommen 22 000 S hat bei 13 Wochen Krankenstand vor In-Kraft-Treten des ARÄG, also bisher, brutto 51 800 S erhalten. Nach In-Kraft-Treten des ARÄG wird er 58 800 S erhalten, das sind in etwa 7 000 S brutto mehr. Und das ist für Sie eine Kleinigkeit, über die zu reden es sich überhaupt nicht lohnt? – Ich meine: 1,3 Millionen Arbeiter, Arbeitnehmer profitieren in dieser Richtung – eine beachtliche Größenordnung! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Haidlmayr, es ist natürlich klar: An Entgeltfortzahlungsbeitrag wurden bis jetzt von den Unternehmern 2,1 Prozent eingezahlt. Wenn in Zukunft der Arbeiter dem Angestellten gleich gestellt ist, dann ist es natürlich notwendig, dass auch die Abrechnung gleich ist. Das heißt, der EFZG hat keinen Sinn. Daher wird er aufgelöst, und die anhand meines Beispiels dargestellte Summe von rund 7 000 S zahlt der Arbeitgeber direkt. Es ist ganz klar: Das eine muss wegfallen, das andere zahlt er direkt.

Wenn ein Überschuss vorhanden ist, Herr Riepl, dann ist es doch selbstverständlich, dass der moralische Anspruch in Bezug auf diesen Betrag beim Arbeitgeber liegt und nicht irgendwo anders. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Riepl: Was kriegt er da? 14 000 S kriegt er, 7 000 muss er zahlen!)

Herr Präsident Verzetnitsch! Warum haben wir eigentlich Kollektivverträge? Das ist eine wirklich entscheidende Frage, weil Sie sofort sagen werden: Im gesamten Wirtschaftsbereich ist nicht alles gleich, es gibt branchenmäßige Unterschiede.

Frau Haidlmayr – oder Herr Riepl hat das Beispiel vom Bauarbeiter gebracht. Natürlich gibt es in einer Baufirma Angestellte, die längerfristiger disponieren können, und da wird das Baugeschehen anders ablaufen als bei einem Künettenarbeiter. Daher ist es ganz logisch, dass es, wenn man saisonbedingt auf kurzfristige Aufträge hin arbeitet, unterschiedliche Kündigungsfristen gibt.

Daher ist es ganz selbstverständlich, dass ich im Bereich der Kollektivverträge unterschiedlich umsetzen muss. Und daher soll das Kollektivvertragsrecht Kollektivvertragsrecht bleiben. Das ist ein Vorteil, Herr Präsident Verzetnitsch! (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zum letzten Punkt, zum Schauermärchen, im Bereich der Urlaubsaliquotierung werde in einem überschießenden Ausmaß den Arbeitern etwas weggenommen. Ich sage Ihnen Folgendes: Im Regierungsprogramm stehen zwar 4,3 Milliarden Schilling – der Minister wird es nachher darstellen –, tatsächlich wurde aber weniger umgesetzt. Warum wurde weniger umgesetzt? – Weil der konsumierte Urlaub nicht zurückgerechnet wird.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 125

Wir von der Wirtschaft wollen das deswegen nicht, weil wir wissen, dass viele in den Semesterferien und so weiter auf Urlaub fahren, und daher haben wir das akzeptiert. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass die Aliquotierung nur dann entsteht, wenn das Dienstverhältnis aufgelöst wird. Was hat das zur Konsequenz? – Dass die Taktiker, die jetzt bewerkstelligt haben, dass sie zweimal im Jahr den Urlaub erhalten haben, nicht mehr belohnt werden. Daher müssen Sie differenzieren. (Abg. Dietachmayr: 800 000 Dienstverhältnisse werden pro Jahr gewechselt! Heißt das, dass es 800 000 Taktierer gibt? – Schämen Sie sich!)

Meine Damen und Herren! Die eine Gruppe, die Sie vertreten wollen, ist nicht die andere Gruppe. Belohnt wird der Arbeiter im Bereich der Entgeltfortzahlung, und neu geregelt wird der gesamte Bereich, was die Urlaubsaliquotierung anlangt, standortrelevant und wie es auch andere Länder haben. (Abg. Riepl: Sie sollten sich schämen!) Meine Damen und Herren! Muss sich die Regierung schämen, wenn sie im Bereich der Urlaubsaliquotierung für den Standort das realisiert, was im Regierungsprogramm steht und was uns allen, auch den Arbeitnehmern, nützt?

Mein letzter Satz, meine Damen und Herren: Es ist eigentlich beschämend, wenn wir hier nur Größenordnungen aufrechnen: Soundso viel Schilling ja, und soundso viel Schilling passen nicht. Sie sollten eigentlich froh darüber sein – und das ist das absolut Positive bei dieser neuen Regelung –, dass der Prozess der Angleichung der Arbeiter an die Angestellten jetzt eingeleitet ist, dass es diese Klassenunterschiede in Zukunft nicht mehr geben wird. Sie haben das nicht zustande gebracht, die neue Regierung schon. Das ist eine sehr, sehr positive Regelung, der Sie eigentlich zustimmen sollten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

14.23

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Mitterlehner, ich kann mir schon vorstellen, dass Sie hier Vorteile sehen. Sie haben das Gesetz ja so angelegt, dass es für Sie Vorteile bringt, aber nicht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Im Antrag 130/A sind von Seiten der Regierung wesentliche Verschlechterungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgesehen. Für den Laien ist natürlich auf den ersten Blick nicht erkennbar, welche Unfairness sich darin verbirgt. Dazu kommt noch, dass die Abgeordneten von der ÖVP, aber auch von der FPÖ vor Ort bei Veranstaltungen, aber auch über die Medien sagen, dass sie für die Gleichberechtigung und für die Gleichbehandlung eintreten. Die Wahrheit ist, dass es statt Gleichbehandlung und Gleichberechtigung zum Beispiel bei der "Aktion Fairness" eine noch viel größere Aktion der Unfairness gibt.

Meine Damen und Herren! Es werden im Jahr eine Million Arbeitsverhältnisse beendet, und durch die Urlaubsaliquotierung verlieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr drei Milliarden Schilling. Dieses Geld, das den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weggenommen wird, fließt in die Taschen der Arbeitgeber! Also: Streichen, Kürzen, Drüberfahren – aber nur zu Lasten der Schwächeren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Es ist das nicht nur unfair, sondern auch ungerecht und unsozial. Sie sind eine wahre Fundamental-Regierung!

Frau Abgeordnete Hakl von der ÖVP und Herr Dolinschek von der FPÖ haben von zwei Elektrikern gesprochen, davon, dass gleiche Ansprüche gleich und gerecht behandelt werden. Wir brauchen Gerechtigkeit, haben sie gesagt. Und was tun Sie? – Sie verhindern Gerechtigkeit!

Ich sage Ihnen: Zwei Elektriker, der eine 15 Jahre als Arbeiter in einem Betrieb, der andere 15 Jahre als Angestellter im Betrieb – der Arbeiter hat 14 Tage Kündigungszeit, der Angestellte hat 4 Monate Kündigungszeit. Das ist für Sie wohl Gerechtigkeit. Ich sage, das ist sehr große Ungerechtigkeit! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 126

Meine Damen und Herren! Ich denke auch an den Maurer, der seine schwere Arbeit bei allen Witterungsbedingungen sehr pflichtbewusst und genau ausführen muss, ich denke an den Arbeiter im Straßenbau, im Kanalbau, bei den Reinigungsfirmen oder bei der Müllabfuhr und so weiter. All das sind Arbeiten, die zu leisten die meisten von uns nicht in der Lage wären – aus welchen Gründen auch immer. Wir würden in unserem eigenen Schmutz ersticken, hätten wir nicht Menschen, die diese Arbeiten durchführen.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der schwarz-blauen Koalition: Sollen gerade diese Menschen sozialrechtlich benachteiligt werden? Warum soll der Arbeiter dem Angestellten nicht gleichgestellt werden? – Bei einer Befragung von Angestellten haben sich 80 Prozent für eine Gleichbehandlung ausgesprochen.

Ich möchte auch festhalten, dass die angeführten Kündigungsfristen den Unternehmer keinen Schilling kosten. Es kommt nur auf die richtige Personalplanung an.

Wir Sozialdemokraten sind für einen schrittweisen Abbau bestehender Unterschiede bei den arbeitsrechtlichen Grundansprüchen. Es sollen sachlich nicht gerechtfertigte Unterschiede beseitigt werden. Deshalb haben wir den Antrag 19/A eingebracht.

Mit dem Antrag 130/A der blau-schwarzen Koalitionsregierung werden viele Verlierer wenigen Gewinnern gegenüber stehen, denn das Erfolgsmodell der blau-schwarzen Koalition heißt: demontieren und von den Schwächsten abkassieren. Aber das werden wir Sozialdemokraten nicht mittragen! (Beifall bei der SPÖ.)

14.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.29

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Um einer vielleicht nicht babylonischen Sprach-, aber Zahlenverwirrung vorzubeugen: Herr Präsident Verzetnitsch! Sie haben von 4 Milliarden Schilling gesprochen, die die Urlaubsaliquotierung kosten würde, Herr Abgeordneter Riepl von 3 Milliarden, Frau Abgeordnete Bauer wiederum von 3 Milliarden.

Ich darf einerseits fast mit Wehmut festhalten, dass die Sozialpartner-Experten nicht einmal bei diesem Thema in der Lage waren, Zahlen außer Streit zu stellen, und darf Ihnen gleichzeitig sagen, dass, abgesehen davon, dass Präsident Nürnberger, der heute an dieser Debatte bisher leider noch nicht teilnehmen konnte, hier vom Rednerpult ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, er ist krankheitshalber entschuldigt! Das wird immer respektiert.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein (fortsetzend): Bei anderer Gelegenheit hat Präsident Nürnberger schon von 4,5 Milliarden Schilling hier im Hohen Hause gesprochen. – Die Berechnungen meines Hauses haben jedenfalls ergeben – das konnte mit der Kammer außer Streit gestellt werden (Abg. Öllinger: Welche Kammer?)  –, dass die Urlaubsaliquotierung in der jetzt vorliegenden Form 2 Milliarden Schilling bringt und auf der anderen Seite die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Krankheits- und Dienstverhinderungsfall 800 Millionen Schilling kostet. Der Entfall des Postensuchtages bei Selbstkündigung bringt 300 Millionen Schilling.

Saldiert ergibt das 1,5 Milliarden Schilling zugunsten der Arbeitgeber. Das wird der Lohnnebenkostensenkung angerechnet. So ist das im Regierungsprogamm vorgesehen, und dazu stehen wir. – 3 Milliarden, 4 Milliarden, 4,5 Milliarden sind es nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Präsident Verzetnitsch! Sie haben von den Verschlechterungen im Bereich der Bauarbeiter gesprochen. Ich selbst habe zweimal an Besprechungen auch mit Vertretern der Arbeitnehmerseite im Bereich der Gewerkschaft Bau-Holz teilgenommen und eindringlich die Sozialpartner, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aufgefordert, ein entsprechendes Modell vorzulegen, weil


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 127

die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten natürlich auch im Baubereich wesentlich ist. Auf der anderen Seite zieht aber auf Grund der spezifischen Verhältnisse dort die Urlaubsaliquotierung nicht, sodass ein alternatives Modell auszuarbeiten war.

Das ist ein bisschen das Problem. Stillstand kann keine Alternative zur Reformbereitschaft und zur Reformstrategie der Regierung sein. Stillstand, nämlich eine Null-Lösung, können wir nicht akzeptieren. Es wurden uns keine alternativen Lösungen vorgelegt. Daher haben wir diesen Weg gewählt, der, wie ich meine, durchaus maßvoll ist. Auf der einen Seite soll die Anwartschaft für den Urlaub im Bauarbeiterbereich statt nach 46 erst nach 47 Wochen gegeben sein, auf der anderen Seite – und das ist eine alte Forderung der Gewerkschaft Bau-Holz – soll ein aliquoter Urlaubsanspruch schon nach einem halben Jahr in Kraft treten. Darüber habe ich im Ausschuss gesprochen, dazu stehe ich auch. Ich halte das für durchaus angemessen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Öllinger! Es gibt einen einzigen Grund, weswegen ich meine, dass wir uns als Mitglied der Europäischen Union – und das sind wir seit fünf Jahren – zur EU-Arbeitslosenquote bekennen sollten, nämlich damit ein Vergleich möglich ist. Wenn wir die 3,3 Prozent in Österreich in Relation zu den EU-Quoten von durchschnittlich 8,7 Prozent setzen, dann ist das vergleichbar. Sie sehen, wie gut wir hier liegen. Wir liegen hinter Luxemburg und Holland an dritter Stelle. Die Quoten der anderen zwölf EU-Länder sind schlechter als unsere. Wenn wir die von Ihnen als Registerarbeitslosenquote zitierte Quote in Vergleich setzen, fällt der Vergleich für uns relativ schlechter aus – das wollen wir nicht, das können auch Sie nicht wollen. Sie finden diese Quote immer noch angegeben, aber für mich steht jedenfalls die Arbeitslosenquote nach Eurostat Luxemburg im Vordergrund, und das sind 3,3 Prozent. Unsere Arbeitslosenquote ist weiter rückläufig, das ist erfreulich, und wir wollen diese Arbeitsmarktentwicklung weiter begleiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zu der von Ihnen schon verschiedentlich geäußerten Kritik, dass hier die Gewerbeordnung 1859 herangezogen wird. Sie wissen ganz genau, Herr Abgeordneter Öllinger, ich kenne Sie als Sozialexperten, dass das zum Teil totes Recht ist, in der Judikatur overruled worden ist und niemand in Österreich wegen eines entstellten Gesichtes entlassen wurde oder wird. Abgesehen davon darf ich Ihnen mitteilen: Das Angestelltengesetz datiert aus dem Jahre 1921 und das gute ABGB aus den Jahren 1811 und 1812. Das sind gute Gesetze, daher bleiben wir bei diesen Gesetzen, die zum Teil über 100 Jahre alt sind. (Abg. Öllinger: Mir geht es um Menschen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf zwei Punkte möchte ich noch in aller Kürze eingehen, nämlich auf die begleitenden Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer. Das scheint mir bisher ein wenig zu kurz gekommen zu sein. Es ist wichtig, dass wir in Begleitung der Maßnahmen zur Pensionsreform einerseits für ältere Arbeitnehmer die Möglichkeit geschaffen haben, im Sinne einer Übergangsregelung im Fall des Falles Arbeitslosengeld nicht nur 12 Monate lang, sondern 18 Monate in Anspruch zu nehmen. Andererseits werden im Sinne einer Übergangsbestimmung auch für ältere Arbeitnehmer in Kleinbetrieben dieselben Kündigungsschutzbestimmungen, wie sie in größeren Betrieben gelten, zur Anwendung kommen. Sie beschließen heute diese beiden wichtigen Bestimmungen, Begleitmaßnahmen im Begleitpaket für ältere Arbeitnehmer.

Zuletzt zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Haidlmayr und zum Entgeltfortzahlungsfonds. Also wenn es etwas gibt, das ersatzlos gestrichen werden sollte, dann ist das sicher dieser Fonds. Ich bedanke mich im Vorhinein beim Hohen Haus für die Zustimmung zu diesem Vorschlag. Es ist das etwas, was rund 70 Millionen Schilling an jährlichem Aufwand verursacht. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund dafür, dieses "Risiko" – unter Anführungszeichen – der Entgeltfortzahlung für Arbeiter nicht dem Betrieb anzulasten, für Angestellte hat er es sowieso. Das ist auch für kleine Unternehmen durchaus vertretbar. Wir beseitigen hier ein Missverhältnis, das es zwischen Ost- und Westösterreich und zwischen großen und kleinen Unternehmungen gibt. Die Absicht des Hohen Hauses, den Kleinen zu Lasten der Großen zu helfen, ist nämlich von der Realität ins Gegenteil verkehrt worden. Tatsache ist nämlich, dass die Großen aus diesem Fonds in der Vergangenheit relativ mehr zurückbekommen haben als die Kleinen. Im Sinne einer Deregulierung, im Sinne einer Vereinfachung, einer Entbürokratisierung ist das Aus


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 128

laufenlassen des Entgeltfortzahlungsfonds eine sinnvolle Maßnahme im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein bisschen im Schmollwinkel scheint mir insbesondere die sozialdemokratische Opposition bei diesem Thema schon zu stehen, weil eben durchkommt, dass dieses für sie so wichtige Thema, das jahrzehntelang keiner befriedigenden Lösung zugeführt werden konnte, jetzt von dieser Regierung unter Kanzler Schüssel einer Lösung zugeführt wird. (Abg. Riepl: Oh ja!)

Wir behaupten gar nicht, dass wir im Bereich der Kündigungsfristen die Gleichstellung herbeiführen. Das, Herr Kollege Riepl, macht Ihre Gewerkschaft als Kollektivvertragspartner, das wird Herr Präsident Nürnberger in bewährter Art weiter fortführen. Im Bereich der Metallindustrie und in anderen Bereichen ist das schon geschehen. Das wird weiter fortgeführt werden. Volles Vertrauen in die Sozial- als Kollektivvertragspartner.

Für den Fall der Krankheit und Dienstverhinderung macht das der Gesetzgeber. Das ist unsere Aufgabe, die wir heute hier im Hohen Hause erfüllen. Und wenn wir das gemacht haben, dann ist mit dieser Zweiklassengesellschaft, mit der Diskriminierung von 1,2 Millionen Arbeitern Schluss, dann gibt es gleiches Recht, und das ist gut so.

Ein Letztes: Aus meiner Sicht halten die Abgeordneten Khol und Haupt jedenfalls Wort mit dem, was sie unterschrieben haben. Sie haben unterschrieben, dass sie der "Aktion Fairness" zustimmen, dass sie die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten wünschen. Diese beiden Abgeordneten halten Wort, wenn sie heute den Vorschlägen zustimmen. Wie das mit Ihnen ist, Herr Präsident Verzetnitsch, werden wir bei der Abstimmung sehen. (Abg. Verzetnitsch: Unterstützen Sie meinen Antrag!)  – Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Einem zu Wort gemeldet. Ich bitte um den zu berichtigenden und den tatsächlichen Sachverhalt. – Herr Abgeordneter, bitte. (Abg. Schwarzenberger: Schon wieder der Berichtiger vom Dienst!)

14.38

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Verehrte Zuseher auf der Galerie! Herr Bundesminister Bartenstein hat soeben behauptet, dass die Zahl, die Vorsitzender Nürnberger hinsichtlich der Gesamtkosten der so genannten "Aktion Fairness" der Bundesregierung genannt hat, irgendwelche Schätzungen wären und 4,5 Milliarden Schilling betragen hätten.

Richtig ist, Herr Bundesminister, Hohes Haus, dass es sich dabei nicht um irgendwelche Schätzungen handelt, sondern dass auf der Basis von 100 streitanhängigen Fällen in den Arbeiterkammern hochgerechnet wurde, wie hoch diese Kosten tatsächlich sind. Es gibt im Jahr eine Million Kündigungen oder Lösungen von Arbeitsverhältnissen in Österreich, und auf dieser Basis ergibt sich eine Belastung der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von 4,5 Milliarden Schilling (Abg. Dr. Khol: Hochrechnung! Das ist wie ein Meinungsforschungsinstitut! Darauf würde ich mich nicht verlassen!), die andererseits durch die Verbesserung im Bereich der Entgeltfortzahlung von 1,2 Milliarden Schilling teilweise kompensiert wird. Der Nettoeffekt sind 3 Milliarden Schilling an Kosten für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Das war eine Rede!)

14.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

14.39

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Einem ist wohl der Berichtiger vom Dienst. Ich möchte ihm aber sagen: Statistiken sind geduldig, aus Statistiken kann man alles ablesen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 129

Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß hat einmal beispielhaft gesagt: Wenn wir beide auf die Wies’n gehen und du trinkst zwei volle Maß Bier und ich esse zwei Hendl, dann bin ich satt und du bist rauschig. Umgekehrt ist es auch so. Statistiken kann man auslegen, wie man will. Statistisch gesehen hat jeder eine Maß getrunken und ein Hendl gegessen, aber in Wahrheit hat der eine zwei Hendl gegessen und der andere zwei Maß Bier getrunken. Der eine war besoffen, der andere war satt. – Das nur zur Statistik. (Abg. Dr. Khol: Da kann man nichts dagegen sagen! – Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie ein roter Faden zieht sich heute durch die Reden aller Redner der Oppositionsparteien (Zwischenruf des Abg. Riepl ) – Kollege Riepl, auf dich komme ich gleich zu sprechen! –, angefangen vom Herrn ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch über Riepl, Bauer bis zu Öllinger: Unfairness, Mogelpackung, das Beispiel des Elektrikers ist genannt worden. Frau Kollegin Bauer! Seit ich politisch tätig bin, trete ich für einen Ausgleich zwischen Arbeitern und Angestellten ein. Ich habe das Beispiel gebracht, das Frau Kollegin Hakl heute genannt hat, was eben in verschiedenen Institutionen üblich ist. Wir arbeiten daran, dass das endlich angeglichen wird.

Ich gebe Ihnen von der Opposition auch völlig Recht dahin gehend, dass es dieses Mal, also bei dieser Gesetzesvorlage, zu keiner Gleichstellung zwischen Arbeitern und Angestellten kommt. Das ist nicht der Fall, aber es erfolgt eine Angleichung. (Abg. Öllinger: Wer zahlt?) Bei der Entgeltfortzahlung gelten nicht dieselben Rechte für Arbeiter und Angestellte. Das können wir uns derzeit nicht leisten. Daran werden wir aber arbeiten. Und wir werden bestrebt sein, zu erreichen, dass es einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff gibt, dass für die Arbeiter dieselben Rechte gelten wie für die Angestellten, denn eine Regulierung kann für mich nur von unten nach oben erfolgen, aber nicht von oben nach unten. So ist es. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Selbstverständlich!

Frau Kollegin Bauer! Sie sind Gewerkschafterin, Sie sind Betriebsrätin, genauso wie ich Betriebsrat bin. Arbeiten Sie endlich einmal daran, dass zum Beispiel in den Kollektivverträgen aller Branchen für Arbeiter und Angestellte dasselbe Recht gilt! Zum Beispiel bei den Kündigungsfristen der Metaller hat es Herr Nürnberger schon durchgesetzt. Ich komme in diesen Genuss. Die Arbeiter, die in meinem Betrieb arbeiten, haben dieselben Kündigungsrechte wie die Angestellten. Ausgezeichnet! Ich stehe dahinter, ich bin dafür, aber das müsste auch woanders geschehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann gibt es noch die Bereiche, die keinen Kollektivvertrag haben. Dort ist Handlungsbedarf. Dort können Sie beweisen, dass Sie besser sind als die Bundesregierung. (Abg. Öllinger: Dort, wo es keinen Kollektivvertrag gibt?) – Ja eben, dort gehört einer geschaffen! Bitte, Herr Kollege Nürnberger, nicht schlafen, tätig werden! Tätig werden! Nicht dabei einschlafen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe schon gesagt: Bei der Entgeltfortzahlung, bei den Sonderzahlungen, beim Kündigungsschutz und so weiter gilt nicht für alle dasselbe Recht. Wir werden daran arbeiten, das zu vereinheitlichen.

Es ist das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz heute angesprochen worden. Herr Präsident Verzetnitsch, Sie haben gesagt, Frau Bundesministerin Sickl habe erwähnt, es gebe dort keine Verschlechterungen. Aber Sie tun so, als gäbe es nur Verschlechterungen. Das ist nicht der Fall, denn diese Forderungen, die die Gewerkschaft aufgestellt hat, ... (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) – Ja, Frau Bauer, Sie waren schon dran, lassen Sie mich jetzt ausreden!

Es ist ein Urlaubsanspruch ab einem halben Jahr, 26 Wochen, vorgesehen. Sie fordern jetzt in Ihrem Antrag 23 Wochen. Da wäre ich voll dafür, das wäre mir sogar recht. Nur alles ist halt nicht möglich. (Abg. Silhavy: Warum ist das nicht möglich?) Aber seien wir doch froh, dass es nun einmal 26 Wochen sind!

Ich habe mit den Bauarbeitern gesprochen. Diese haben gesagt, darüber wären sie eigentlich sehr froh, weil eben nur zirka 120 000 Bauarbeiter in den Genuss kommen, im ersten Jahr überhaupt einen Urlaub zu konsumieren, denn sonst fallen sie durch den Rost. Die Änderung hinsichtlich der 46 Wochen wollten sie nicht, aber diese Krot muss man dort eben schlucken.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 130

Wenn die Anwartschaft für den vollen Urlaubsanspruch jetzt erst ab der 47. Woche gegeben ist, dann bin ich nicht ganz damit einverstanden, aber diese Krot schlucke ich eben, damit das möglich wird und eben die andere Regelung in Kraft tritt, die für die Bauarbeiter von Vorteil ist. (Abg. Verzetnitsch: Bei mir brauchen Sie keine Krot schlucken, da brauchen Sie nur zustimmen!)

Herr Verzetnitsch! Ihre Partei ist 30 Jahre lang in der Regierung gewesen, da haben Sie das nicht weitergebracht, und in den Kollektivverträgen bringen Sie das auch nicht weiter. Also was soll denn das? Soll ich jetzt Ihrem Antrag zustimmen? Wir haben in der Opposition auch Anträge gestellt. Sie haben gesagt, es ist nicht möglich, derzeit nicht finanzierbar und so weiter. Wir haben jetzt ein Budgetdesaster, das wir erst aufarbeiten müssen. Es ist unser Ziel, Vollbeschäftigung zu erreichen – wir sind auf dem besten Weg –, die Lohnnebenkosten zu senken und die Kaufkraft zu stärken. Die Kuh müssen wir jetzt ordentlich füttern, damit wir sie dann melken können. Das müssen wir einmal aufbauen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten wird immer unser Ziel sein. Ich werde weiter daran arbeiten. Du weißt ganz genau, dass es schon immer mein Anliegen war, auch die Abfertigung bei Selbstkündigung, auch wenn es sich um eine "Abfertigung neu" handelt, etwa in Form einer Betriebspensionsregelung oder in irgendeiner anderen Form, durchzusetzen, damit auf jeden Fall jeder einen Abfertigungsanspruch bekommt. Es soll nicht so sein, dass Gewisse wieder durch den Rost fallen und nicht in den Genuss einer Abfertigung kommen. Die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt muss ebenfalls gewährleistet sein.

Da fällt mir gerade ein, Kollege Öllinger, du hast gesagt, eine Arbeitslosenrate von rund 3 Prozent war irgendwann einmal Vollbeschäftigung – in England war diese bei einem halben Prozent gegeben. Wenn ich nicht 1,5 bis 2 Prozent Arbeitslose habe, funktioniert der Arbeitsmarkt nicht. Wir müssen allerdings die Mobilität fördern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo, Sigi! Das ist ein Arbeitnehmervertreter! Der arbeitet etwas!)

14.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

14.46

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeordneter Dolinschek hat in seinen Ausführungen, an meine Adresse gerichtet, verlangt, ich, der Kollege Nürnberger, solle dort durch Kollektivverträge entsprechende Regelungen schaffen, wo es derzeit keine Kollektivverträge gebe.

Ich stelle tatsächlich richtig, Herr Kollege Dolinschek: Ich bin nicht Kollege Nürnberger, sondern Kollege Öllinger.

Zweitens: Weder Kollege Nürnberger und schon gar nicht ich können dort kollektivvertragliche Regelungen schaffen, wo es derzeit nicht die Kollektivvertragsfähigkeit gibt.

Drittens: Deshalb bin ich und Kollege Nürnberger wahrscheinlich auch der Meinung, dass das durch Gesetz geschehen muss. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Haupt: Das war ein hervorragender Debattenbeitrag! – Abg. Ing. Westenthaler: War das jetzt eine tatsächliche Berichtigung? – Weitere Zwischenrufe.)

14.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

14.47

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Gestatten Sie uns allen einen Themenwechsel. Ich möchte nämlich auf die Regierungsvorlage zum Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung eingehen.

Zunächst möchte ich mich mit einem Beschluss der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation vom Juni 1997 beschäftigen, dessen Inhalt wir heute ratifizieren wollen und


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 131

hoffentlich auch werden. Es geht im Wesentlichen um eine Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation, die als Abänderungsurkunde zur Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation 1997 bezeichnet wird.

Sie wissen, dass derzeit für die Internationale Arbeitskonferenz keine Möglichkeit besteht, angenommene Übereinkommen, die gegenstandslos geworden sind oder keinen nützlichen Beitrag zum Erreichen der Ziele der Organisation mehr leisten, aufzuheben. Dieser unübersichtliche Zustand soll mit der Ratifizierung abgeschafft und dadurch Rechtssicherheit wieder hergestellt werden.

Genauso wie in diesem Bereich, denke ich, sollten wir auch im Bereich der vollständigen Abschaffung der Kinderarbeit vorgehen, indem wir das Internationale Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung heute ebenfalls ratifizieren.

Dieses Übereinkommen Nr. 138 gehört ja auch zu den sieben Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation. Ich darf nur noch einmal Artikel 1 in Erinnerung rufen, wodurch sich jeder Mitgliedstaat verpflichtet, eine innerstaatliche Politik zu verfolgen, die dazu bestimmt ist, die tatsächliche Abschaffung der Kinderarbeit sicherzustellen und das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung oder Arbeit bis auf einen Stand anzuheben, bei dem die volle körperliche und geistige Entwicklung der Jugendlichen gesichert ist, nämlich 15 Jahre. Bezüglich des Alters gibt es allerdings ganz, ganz wenige Ausnahmen.

Mittlerweile sind auch bei uns fast alle bisher bestehenden Ratifikationshindernisse beseitigt, zuletzt – Sie erinnern sich – mit der Novelle zum Landarbeitsgesetz 1998 im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Daher ist diese Ratifizierung richtig und wichtig.

Einen Anpassungsbedarf darf ich doch noch erwähnen. Im Gesetzestext heißt es: "Die zuständige Stelle hat die Tätigkeiten zu bestimmen, bei denen ... eine Beschäftigung oder Arbeit zugelassen werden kann." – Das heißt, im Kinder- und Jugendbeschäftigtengesetz ist sehr wohl geregelt, wie diese leichten Tätigkeiten auszusehen haben, aber noch immer nicht im Landarbeitsgesetz. Da, denke ich, wäre noch Anpassungsbedarf vorhanden.

Zum Landarbeitsgesetz, wenn ich schon beim Thema bin, ist zu sagen, dass wir die Novelle zum Landarbeitsgesetz grundsätzlich begrüßen, da diese im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes Angleichungen vorsieht.

Große Defizite gibt es unserer Meinung nach aber im Bereich der Lehrlinge, wo wir glauben, dass Anpassungen nötig wären, denn es geht um die grundsätzliche Frage: Wann ist denn eine Lehrzeit beendet? Es ist jetzt so, dass Lehrlinge in der Land- und Forstwirtschaft wie auch gewerbliche Lehrlinge ihre Lehrzeit verfrüht beenden können, nämlich bis frühestens zehn Wochen vor Ende der Lehrzeit. Es ist aber so, dass im Bereich der Land- und Forstwirtschaft der Lehrberechtigte damit einverstanden sein muss, trotz bestandener Prüfung damit einverstanden sein muss, dass das Lehrverhältnis vorzeitig endet. Für uns bedeutet das eine Ungleichbehandlung der Lehrlinge in der Land- und Forstwirtschaft im Vergleich zu den Lehrlingen, die unter das Berufsausbildungsgesetz fallen.

Wir haben im Sozialausschuss einen Abänderungsantrag eingebracht, um das Landarbeitsgesetz dahin gehend zu ändern, dass sozusagen das Lehrverhältnis bei Ablegung der Facharbeiterprüfung vor dem Ende der Lehrzeit automatisch mit Ablauf der Woche, in der die Prüfung absolviert wird, endet. Dies wurde von der blau-schwarzen Mehrheit abgelehnt. Kollege Donabauer hat gesagt, es waren einige Lehrlinge bei ihm, die das gar nicht wollen. Natürlich haben auch wir mit Lehrlingsvertretern gesprochen, von denen wir das Gegenteil gehört haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lehrlinge kommen und sagen: Bitte, bitte, ändert das Gesetz nicht, ich hätte gerne mein Lehrlingsgehalt weiter und verzichte auf mein Gesellengehalt! Das können wir uns nicht vorstellen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 132

Ich persönlich finde diese Nichtgleichstellung unfair – um das Wort "unfair" hier auch einmal zu verwenden. Den Änderungen im Landarbeitsgesetz werden wir aber zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Einem zu Wort gemeldet. (Abg. Steibl: Nicht schon wieder! – Abg. Dr. Khol: Die vierte Tatsächliche!)

Bei der vorigen tatsächlichen Berichtigung waren wir im Grenzbereich, ob die Feststellung, dass etwas durch Kollektivvertrag geändert werden kann oder nicht, eine Tatsachenfeststellung oder eine Meinung ist. Ich darf daher ausdrücklich an die Bestimmungen über die tatsächliche Berichtigung erinnern.

Bitte, Herr Abgeordneter Einem, Sie haben das Wort.

14.52

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Khol! Wenn falsche Dinge behauptet werden, dann sollten sie auch richtig gestellt werden, und wenn oft falsche Dinge behauptet werden, dann auch oft. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Dann müssen wir jede SPÖ-Rede berichtigen!)

Herr Abgeordneter Dolinschek hat vorhin zur Begründung dafür, warum bei der von der Regierung jetzt umgesetzten so genannten "Aktion Fairness" den Arbeitnehmern mit 4,5 Milliarden Schilling in die Tasche gegriffen wird, bevor sie 1,2 Milliarden bekommen, behauptet, man hätte sich nicht mehr leisten können. – Diese Tatsachenbehauptung ist unrichtig! (Abg. Schwarzenberger: Das ist eine Meinung! – Abg. Steibl: Das ist keine Berichtigung!) Sie ist sogar glatter wirtschaftspolitischer Unsinn.

Richtig ist, dass Österreich bei den Lohnstückkosten Spitzenreiter ist, was die niedrigen Lohnstückkosten in Europa betrifft, und dass es gar keinen Anlass gegeben hätte, aus Anlass einer Verbesserung für die Arbeitnehmer irgendein Geschenk an die Unternehmer zu machen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ihr biegt die Geschäftsordnung jedes Mal, wie ihr es braucht!)

14.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich muss ehrlich feststellen, Kollege Einem: Was die Frage betrifft, ob sich ein Staat 4,5 Milliarden Schilling leisten kann oder nicht, muss ich sagen: Mein Verständnis von einer tatsächlichen Berichtigung, wie es auch aus dem Ausschussbericht hervorgeht, bezieht sich (Abg. Ing. Westenthaler: Keine Ahnung, der Einem!) auf Tatsachenfeststellungen und nicht auf politische Einschätzungen oder Meinungen, ob sich ein Staat etwas leisten kann oder nicht. Ich darf an alle Kolleginnen und Kollegen, damit das keine fraktionelle Auseinandersetzung ist, die Bitte richten, diesen Gesichtspunkt zu berücksichtigen.

Frau Abgeordnete Gatterer ist die nächste Rednerin. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

14.54

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Hohes Haus! Ich wundere mich über die tatsächlichen Berichtigungen des Ministers Einem. Allein wenn man dieser Debatte folgt, weiß man, warum es bei Ihnen mit der Budgetausweisung und -wahrheit nicht ganz zum Besten bestellt war. (Zwischenruf des Abg. Grabner. )

Ich möchte jetzt nur die Zahlen wiederholen, die von Ihrer Seite allein zur Urlaubsaliquotierung gefallen sind: Präsident Verzetnitsch: 4 Milliarden Schilling; Kollege Riepl: 3 Milliarden; Kollegin Bauer: 3 Milliarden; Berichtigung Ex-Minister Einem: 4,5 Milliarden Schilling laut Nürnberger. Minister Bartenstein spricht von 2 Milliarden. Man kann zwar in einer Debatte seine Rednerliste aufbessern, indem jeder eine andere Zahl sagt und dann ein anderer aus der Fraktion herausgeht, der einmal Minister war, und das dann berichtigt. So kann man im Grunde wirklich die doppelte Redezeit in Anspruch nehmen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 133

Von Ihrer Seite sind zwar die Zahlen nie identisch gewesen, aber man hat schon gemerkt, Sie haben sich etwas überlegt, und zwar werden Sie immer sagen: Unfair! Es ist unfair! (Abg. Grabner: Wir werden noch mehr sagen!)

Sie haben ja immer gesagt: "Aktion Fairness". Ich möchte einmal festhalten: Fair ist ganz sicher, dass mit der Lohnnebenkostensenkung die Chancen auf Arbeitsplätze in Österreich gewahrt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Fair ist auch sicher, dass es mit den begleitenden Maßnahmen einen besseren Schutz für ältere Arbeitnehmer gibt. Fair ist auch, dass es eine Angleichung zwischen Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfall gibt. Fair ist für mich auch, dass es zum Beispiel zu einer Ausdehnung des Kündigungsschutzes auch auf Kleinbetriebe kommt. Ich würde all das als fair empfinden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Für mich persönlich ist es auch fair, wenn man nur so viel Urlaub konsumieren kann, als man auch gearbeitet hat. Ich persönlich weiß, dass man hier etwas wegnimmt, aber ich würde das trotzdem als fair gegenüber den anderen bezeichnen und kann als Abgeordnete sehr gut damit leben.

Aber zur "Aktion Fairness": Ich habe hier einen Brief aus dem Jahre 1995 – Fritz Verzetnitsch, Rudolf Nürnberger –, und zwar geht es da darum, dass es eine branchenübergreifende Unterschriftenaktion gibt, in der alle politischen Ebenen zum Handeln aufgefordert werden. Mit der Sozialministerin sind schon Gespräche im Gange. Als Petition wird es dann an das Parlament weitergeleitet. – Ich muss sagen: Ich bin im Petitionsausschuss, wahrscheinlich ist es nicht dort eingebracht worden, aber es ist immerhin seit 1995 irgendwo in der Schwebe.

Alle unsere Redner haben eingestanden, dass es nicht die letzten Angleichungsschritte sein werden. Aber ich glaube, Sie müssen so fair sein, den guten Willen zu erkennen, dass es wirklich die ersten Schritte in diese Richtung sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bin sehr froh darüber, dass meine Vorrednerin von den Sozialdemokraten doch noch ein weiteres wichtiges Thema angeschnitten hat, das in diesem Zusammenhang diskutiert wird, nämlich das Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung. Ich meine, wir sollten uns nicht nur immer mit den Aktiven befassen, sondern wir müssen auch schauen, wie wir Jugendlichen entsprechende Rahmenbedingungen geben können, indem wir eingreifen. Diese Ratifikation ist im Grunde schon seit einigen Jahren, nämlich seit 1973, offen. Es hat 1975 eine Debatte dazu gegeben. So wie in vielen anderen Bereichen waren Sie auch in diesem Bereich während Ihrer Alleinregierung – die gab es damals – nicht imstande, dieses Internationale Übereinkommen zu ratifizieren. Das müssen Sie zugestehen. 1973 ist das von der IAO beschlossen und dann zur Ratifikation aufgelegt worden. Also Sie können da nicht sagen, die ÖVP habe bei der Landwirtschaft und auch überall sonst behindert, deswegen können wir es erst 27 Jahre später beschließen, sondern damals hätten Sie es noch allein beschließen können. Ich bin sehr froh darüber, dass wir es heute beschließen können und werden.

Ich glaube, man muss in diesem Zusammenhang wirklich auch im Auge behalten, dass es in vielen Ländern der Welt Arbeitstätigkeit und Arbeitspflicht von Kindern aus Armut gibt, dass es aber auch – und die letzten Zahlen zeigen das – in Westeuropa immer mehr Jugendliche gibt, die in Beschäftigung sind, und zwar einfach deswegen, weil sie sagen, ich möchte das Geld für aufwendige, luxuriöse Konsumgüter haben. Ich glaube, wir dürfen das nicht außer Acht lassen.

Ich möchte jetzt noch folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der Abgeordneten Edeltraud Gatterer

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 134

Im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG ist der in der Regierungsvorlage 21 der Beilagen enthaltene Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

*****

(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag der Frau Abgeordneten Edeltraud Gatterer auf spezielle Transformation nach Artikel 50 Abs. 2 der Bundesverfassung ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 518/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wie am Beginn der heutigen Sitzung angekündigt, unterbreche ich jetzt die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 3 bis 6, und wir gelangen jetzt zur Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 518/AB.

Diese Debatte wird zirka eine halbe Stunde dauern. Danach folgt eine weitere halbstündige Kurzdebatte zu den Fristsetzungen samt Abstimmungen im Anschluss daran. Dann setzen wir die jetzige Debatte fort, wobei aber nur mehr ein Redner – vorläufig – nominiert wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Es wird keine weiteren Umreihungen mehr geben!) Gleich danach erfolgen die Abstimmungen; darunter wiederum eine namentliche Abstimmung und auch Abstimmungen über Verfassungsbestimmungen. Ich sage das jetzt nur deshalb, weil das Einläuten relativ kurz dauern wird, da wahrscheinlich nur noch ein Redner zu den Punkten 3 bis 6 sprechen wird.

Was die Kurzdebatte betrifft, ist die Anfragebeantwortung in der Zwischenzeit verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich daher.

Wir gehen in die Debatte ein. Die Redezeit der Erstrednerin zur Begründung beträgt 10 Minuten, jene aller weiteren Redner 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic mit einer Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

15.02

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Innenminister! Hohes Haus! Wir haben diese Anfragebeantwortung des Innenministers zum Gegenstand einer Kurzdebatte gemacht, weil im Rahmen dieser Anfragebeantwortung nachweislich viele Punkte, deren Inhalt offenbar von den amtshandelnden Beamten an den Minister weitergeleitet wurde, so nicht mit der Wahrheit übereinstimmen und weil die Einsatzgruppe, die den Gegenstand der damaligen parlamentarischen Anfrage gebildet hat, mittlerweile für tragische Schlagzeilen gesorgt hat. Auch im aktuellen Fall der Erschießung eines Unbewaffneten, dem die Beteiligung an einem Drogendelikt vorgeworfen wurde, gibt es Umstände in dem Polizeibericht, die offenbar nicht mit der Wahrheit übereinstimmen können. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Mittlerweile hat auch Präsident Stiedl in vorgenanntem Zusammenhang schwere Fehler zugegeben. Herr Bundesminister! Meine Fragen an Sie lauten: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Vorfällen rund um die Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst? Können wir davon ausgehen, dass der derzeitige Probebetrieb nicht verlängert wird beziehungsweise, was ich eigentlich für angemessen hielte, dass dieser Probebetrieb sofort beendet wird? (Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Ich begründe diese Forderung folgendermaßen: Im Fall der Erschießung des der Drogendealerei Beschuldigten Imre B. kann sich der Sachverhalt nicht so ereignet haben, wie er offenbar im Protokoll der Polizei an Sie übermittelt worden ist. Die Fakten stimmen nicht mit den jetzt noch vorhandenen Beweismitteln überein. Es stimmt der Einschusskanal nicht. Die Be


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 135

hauptung, dass sich der Schuss "einfach so" gelöst hat, kann bei diesem Waffentyp nach übereinstimmenden Aussagen von Waffenexperten nicht stimmen. Darüber hinaus stelle ich mir folgende Fragen: Wie kann es in einem Rechtsstaat vorkommen, dass man es seit der Nacht vom 19. auf den 20. Mai unterlassen hat, wichtige Beweismittel zu sichern? Wie kann es sein, dass das Fahrzeug, in dem die verdächtige Person erschossen worden ist, einfach im Freien stehen bleibt, im Regen, dass die Spuren des Schusses – Schmauchspuren – nicht gesichert werden? Wie kann es dazu kommen, dass eine Blutlache, die sich ganz in der Nähe befindet und über die bei den AnrainerInnen durchaus die Vermutung besteht, dass ihre Entstehung im Zusammenhang mit der Verhaftung stehen könnte, nicht gesichert, sondern weggewaschen wird?

Herr Bundesminister! Können Sie sich das alles erklären, und ist Ihnen ein anderer Fall bekannt, in dem man seitens der Exekutive mit einer derartigen Nonchalance zusieht, wie Beweismittel vernichtet werden? Das kann doch wohl keine adäquate Vorgangsweise in einem Rechtsstaat sein.

Es wird aber noch kryptischer, Herr Bundesminister! Präsident Stiedl erklärt, dass der Todesschütze nach dem Vorfall – und das wäre ja menschlich durchaus verständlich – schwer geschockt war. Er behauptet, es sei ein Unglücksfall gewesen. Das Aufstoßen der Autotüre hätte dazu geführt, dass sich dieser Schuss unabsichtlich gelöst hätte. – Wie gesagt, so kann es nicht gewesen sein. Der Verdächtige wurde von hinten erschossen. Er hatte beide Hände am Lenkrad. Es besteht kein Anzeichen dafür, dass die Türe aufgestoßen worden ist, und der Einschusskanal kommt von hinten und nicht von der Seite.

Herr Bundesminister! Wenn der Polizeipräsident erklärt – was ja menschlich verständlich
wäre –, der Todesschütze sei geschockt gewesen, er habe psychologisch betreut werden müssen, verstehe ich nicht, wie sich jetzt herausstellen kann, und zwar ohne dass das gleich von Anfang an gesagt worden wäre, dass dem offenbar nicht so war, dass eben dieser Beamte, der den tödlichen Schuss abgegeben hat – die Umstände werden zu klären sein –, auch derjenige Beamte war, der danach eine Hausdurchsuchung in der Wohnung des Opfers durchgeführt hat. Und es war genau jener Beamte, der die Vernehmungen von Zeugen durchgeführt hat, obwohl das allen internationalen Standards in diesem Zusammenhang widerspricht. Wie kann sich so etwas bei der österreichischen Polizei, und noch dazu bei dieser Einheit, ereignen, von der Sie wissen, dass es auch polizeiintern Kritik gibt? (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Damit komme ich zur verteilten schriftlichen Anfragebeantwortung Ihrerseits. Es überrascht mich schon, Herr Bundesminister, dass Sie offenbar bislang nicht versucht haben, die Darstellungen dieser Sondereinsatzgruppe auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, bevor Sie sie in eine parlamentarische Anfragebeantwortung übernehmen, die Ihre Unterschrift trägt. In diesem Fall liegen die Beweismittel allen Behörden vor. Sie liegen dem Gericht vor. Sie sind Ihnen zugänglich. Und diese Beweismittel, insbesondere auch das Filmmaterial, stimmen überhaupt nicht mit den hier wiedergegebenen Darstellungen überein. Ich frage Sie: Wie kann das sein? – Ich lade auch die Kolleginnen und Kollegen des Hauses ein: Sie können sich gerne im Grünen Klub jenen Film anschauen, der auch den Medien präsentiert wurde, und Sie würden danach auch feststellen, dass der Wahrheitsgehalt dieser Anfragebeantwortung gering ist. (Zwischenruf des Abg. Wattaul. )  – Es gibt manche, die lieber lauter schreien, als sich selber von der Wahrheit ein Bild zu machen. Das ist ein bedauerliches Zeichen für das Niveau der Debatte in diesem Haus. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! In der Anfragebeantwortung wird unter anderem eine von den normalen Gepflogenheiten abweichende Vorgangsweise, nämlich dass man angeblich bei einem Verdächtigen einen gefährlichen Gegenstand, einen Signalstift, gefunden und diesen dann wieder in die Tasche des Verdächtigen zurückgesteckt hat, geschildert. Es ist an sich nicht sonderlich plausibel, warum man so etwas tun sollte. Die Beamten haben Ihnen offenbar mitgeteilt, dass auf der Straße quasi ein Ausnahmezustand herrschte, dass sich diese Amtshandlung unter gefährlichen Umständen ereignet hätte, dass die Beamten von zahlreichen Sympathisanten  (Abg. Dr. Partik-Pablé: Von welcher Anfrage sprechen Sie?)  – ich zitiere aus der Anfragebeant


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 136

wortung, Sie können das auch nachlesen! – umringt gewesen wären. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben vorher von einer anderen geredet!)

Herr Bundesminister! Ich lade Sie ein: Schauen Sie sich den Film an! Die Straße war mit Ausnahme von – Gott sei Dank! – sehr vielen uniformierten Polizisten, einigen Mitgliedern dieser Sondereinsatzgruppe, die teilweise vermummt waren, schwarze Strumpfmasken trugen oder das Gesicht mit Tüchern verhüllt hatten, dem Filmteam und den Personen, die der Amtshandlung unterworfen waren, menschenleer. Es gab keine besonderen Umstände, die eine derartig merkwürdige, aufklärungsbedürftige Vorgangsweise erklärlich gemacht hätten.

Es geht in dieser Anfragebeantwortung noch weiter: Es werden gestützt auf Angaben, die Karl Öllinger und ich im Rahmen einer Pressekonferenz im Grünen Klub in aller Öffentlichkeit gemacht haben, Behauptungen aufgestellt. Bei dieser Pressekonferenz waren offenbar auch Beamte dieser Sondereinsatzgruppe zugegen, nur haben sie leider nicht das Gespräch mit uns gesucht. Sie haben aber den Fernsehapparat im grünen Parlamentsklub fotografiert. Wie Sie sich vorstellen und auch hier überzeugen können, das Fotomaterial ist von schlechter Qualität. (Die Rednerin hält es in die Höhe.) Das schreiben auch die Beamten selbst. Sie schreiben in einem internen ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Auf Grund dieses schlechten Fotomaterials ist ein weiteres Strafverfahren eingeleitet worden, obwohl – Sie können sich davon überzeugen – nichts an dieser Darstellung der Wahrheit entspricht.

Meine Forderung daher: Herr Bundesminister! Bevor die Mehrheit der redlichen Beamten zu Schaden kommt und bevor auch Sie hier mit hineingezogen werden, handeln Sie und lösen Sie diese Einheit auf! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Sie verteidigen die Randalierer! Das ist die Maske der Grünen!)

15.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte.

15.12

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist leider eine betrübliche Tatsache, dass von einer Gott sei Dank nicht sehr großen Gruppe von Staatsbürgern die Arbeit der Polizei schlecht gemacht wird. Ich möchte mich hier in aller Form dagegen verwahren! (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben international einen hervorragenden Ruf; und wenn ich "wir" sage, dann möchte ich mich ehrlich gesagt ganz hinten anstellen. Es sind die Beamtinnen und Beamten und es sind die verantwortlichen, führenden Offiziere, Generäle, Präsidenten und andere Amtsträger, die in den letzten Monaten und darüber hinaus dafür gesorgt haben, dass sich die österreichische Polizei, die österreichische Gendarmerie, die österreichische Exekutive insgesamt weit über Österreich hinaus einen hervorragenden Namen gemacht haben im Umgang mit schwierigen Situationen, im Umgang mit Grenzsituationen für die Sicherheit der Bürger und der Republik. Und dafür gebührt ihnen Dank! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage auch sehr offen: In einem Dienstbetrieb von über 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es leider nicht möglich, schlussendlich dafür zu sorgen, dass kein Fehler passiert. Wer Ihnen das verspricht, wer das zusagt, der verspricht aus meiner Sicht zu viel, der überfordert auch die Möglichkeiten. Das ist insbesondere bei notwendigem repressivem Vorgehen eine schwierige und betrübliche Sache. Es ist aber unsere Aufgabe und unsere Verantwortung, dass wir die Fehlerquellen vermindern, herabsetzen, möglichst auf null setzen: durch eine ordentliche Ausbildung, durch sehr strenge Aufnahmekriterien, durch ständige Schulungen und durch eine sachgerechte, verantwortungsbewusste Führung.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 137

Das macht die Wiener Polizei und das macht die Gendarmerie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verteidige unsere Beamtinnen und Beamten, die sich in Ausübung ihres Dienstes für die Sicherheit auf unseren Straßen, für die Sicherheit der Menschen unter anderem anhören müssen: "Mörder!" "Nazi!" "Schweine!" "Faschisten!"

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das haben diese Beamten nicht verdient, ich verabscheue das, und ich weise das auf das Schärfste zurück! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Beamtinnen und Beamte in Ausübung ihres Amtes müssen sich in voller Lautstärke Parolen anhören wie: "Bullen, Faschisten raus aus der Demo!" "Stapo-Polizisten tragen schwarze Mützen!" "Stapo raus aus unserer Demo!" – Das müssen die Menschen erdulden, die unsere Sicherheit und unsere Republik verteidigen. Ich sehe nicht ein, dass nicht auch das Parlament, eine möglichst große Zahl der Abgeordneten hinter unseren Beamten steht, und ersuche um Ihre Unterstützung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: Warum applaudiert denn niemand bei der SPÖ, nicht einmal der ehemalige Innenminister? – Ruf bei der SPÖ: Khol, gehst du gleich wieder beichten? Du bist doch katholisch! – Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Am Wort ist der Herr Minister!

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser (fortsetzend): Ich möchte Ihnen auch sehr klar die Grundsätze meiner Amtsführung nennen, die Grundsätze, die meiner Ansicht nach die Art und Weise des polizeilichen Handelns bestimmen und Teil der Unternehmenskultur unseres Hauses werden und weiter entwickelt werden sollen. In drei Punkten:

Erstens: Wir waren keine Rambos, wir sind keine Rambos, und wir wollen keine Rambos sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens: Wir gehen nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vor.

Drittens: Wir gehen nach dem Prinzip des Minimaleinsatzes vor.

Das sind unsere grundlegenden Prinzipien, nach denen wir unsere Arbeit gestalten.

Ich darf jetzt sehr konkret zu Ihren Punkten kommen, Frau Abgeordnete. Ich habe heute in der Früh eine Aussendung gelesen, in der Sie verlangen, der Wiener Polizeipräsident soll seinen Hut nehmen. Frau Abgeordnete! Ich muss Ihnen sagen, ich weise diese Aufforderung auf das Schärfste zurück, und ich sage Ihnen auch hier von der Regierungsbank aus: Ich stehe voll hinter dem Wiener Polizeipräsidenten und seinen Beamten! Sie haben auch die Loyalität des Hohen Hauses verdient, weil sie hervorragende Arbeit leisten, und ich bitte Sie auch, dem zu entsprechen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben einige gravierende Vorwürfe erhoben, nämlich ... (Abg. Kiss: Was ist los mit der SPÖ? Solidarisiert ihr euch nicht mit der Exekutive? – Abg. Schieder: Wir lassen uns nicht anschaffen, wann wir applaudieren sollen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei den Personalvertretungswahlen wollt ihr dann aber schon wieder gewinnen! – Abg. Kiss: Das war halt schon noch was anderes, als der Leikam Sicherheitssprecher war! – Abg. Dietachmayr: Kiss, sei stad! – Weitere Rufe und Gegenrufe.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Es ist noch immer der Herr Minister am Wort!

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser (fortsetzend): Danke, Herr Präsident.

Frau Abgeordnete, Sie haben Herrn Polizeipräsidenten Dr. Stiedl vorgeworfen, dass er die Öffentlichkeit nicht richtig informiert hätte. Ich war bei der zur Diskussion stehenden Pressekonferenz nicht anwesend, aber nach den mir verfügbaren Informationen hat der Herr Polizeipräsident mitgeteilt, dass jener Kriminalbeamte, der einen mutmaßlichen Täter nicht vorsätzlich


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 138

erschossen hat, infolge eines möglichen Post-Shooting-Traumas einer psychologischen Betreuung zugeführt werden wird.

Entgegen der Darstellung in einem Artikel des von Ihnen genannten Magazins war diese getätigte Mitteilung richtig. Der Vorgesetzte des Beamten, der über eine entsprechende Ausbildung verfügt, hat eine derartige Betreuung eingeleitet. Es gab ein erstes Betreuungsgespräch. Er hat dem betreffenden Beamten hiebei freigestellt, entweder nach Hause zu gehen oder im Dienst zu verbleiben, um seine Gedanken ordnen zu können. Der Beamte hat es vorgezogen, vom Dienst abzutreten. Der zuständige Psychologe wurde von den Vorgängen in Kenntnis gesetzt. Gegen 10 Uhr desselben Tages ist er wieder bei seiner Dienststelle erschienen und erklärte, dass er sich lieber beschäftigen wolle.

In der von Ihnen zitierten Wochenzeitschrift wird behauptet, dass der Beamte gegen 3 Uhr den einzigen Tatzeugen in eigener Sache einvernommen hätte. Diese Darstellung ist nach den mir zugänglichen Informationen nicht richtig. (Ruf: Erlogen!) Der Beamte war nämlich in der Zeit von 1.40 Uhr bis 4.00 Uhr im Sicherheitsbüro, wo er als Verdächtiger in Richtung fahrlässige Tötung einvernommen wurde. Der genannte Tatzeuge wurde in der Zeit von 9.25 Uhr bis 11.05 Uhr im Sicherheitsbüro zu den von ihm beobachteten Vorgängen einvernommen. Tatsächlich hat der Beamte den angeführten Tatzeugen erstmals um 17.35 Uhr zum Vorhalt des Suchtmittelhandels als Verdächtigen vernommen. In der Niederschrift scheint nicht der geringste Bezug zum Vorfall der Schussabgabe auf. (Abg. Mag. Stoisits: Weil das eine mit dem anderen ja "nichts" zu tun hat!) Nur dies zu den mir zugänglichen Informationen. (Abg. Dr. Petrovic: "Großartig"! ... Rechtsstaat ...! – Abg. Mag. Trattner  – in Richtung der Grünen –: Ihr seid ja "schöne Herzerln"!)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Zu Ihrem zweiten Vorwurf betreffend das Streifen-Konzept, das Sie inkriminieren und dessen sofortige Beendigung Sie fordern. Ich möchte sehr klar sagen, dass dieses Konzept mit 1. Februar 2000, also vier Tage vor meinem Amtsantritt, für sechs Monate in den Probebetrieb gegangen ist. Ich habe – wir hatten schon öfter Gelegenheit, diese Frage zu erörtern – gemeinsam mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit den Auftrag gegeben, dieses Streifen-Konzept zu evaluieren. Und ich erwarte mir zeitgerecht den entsprechenden Bericht dieser Evaluierung, danach werden, so wie das vorgesehen ist, die weiteren Verfügungen folgen.

Ich bitte und ersuche im Sinne des Leitspruches der Wiener Polizei und der Exekutive, nämlich "Sicherheit und Hilfe", dass wir nicht von vornherein und nicht per se die Polizei als einen Gegner, als einen Feind, als jemanden, der Böses will, betrachten – wie ich das manchen Äußerungen entnehme! –, sondern als einen Helfer, als einen Dienstleister, als einen Unterstützer für die Bevölkerung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.24

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Zunächst eine Frage an Sie, Herr Minister: Welchen Wissensvorsprung haben Sie Frau Petrovic gegeben? Sie hat hier nämlich ganz genau geschildert, welche Beweise vernichtet worden sind, welcher Bericht nicht der Wahrheit entspricht, wo wer gesessen ist, was nicht so gewesen sein kann. Ich nehme ja nicht an, dass Frau Petrovic bei allen Vorfällen, die sie in den schriftlichen Anfragen abgefragt hat, dabei war. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Das wäre durchaus möglich! – Abg. Ing. Westenthaler: Die ist häufig vor Ort, wenn so etwas passiert!)

Wie kommt es, dass Frau Petrovic all das so genau weiß? Vielleicht können Sie, Herr Minister, mir das noch erklären.

Im Übrigen hat Frau Petrovic zwar eine Anfragebesprechung verlangt, sie ist dann aber offensichtlich auf eine andere Anfrage eingegangen, denn diejenige, die aufgerufen worden ist, näm


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 139

lich jene betreffend die Demonstrationen, diese Fragen sind von ihr nur gestreift worden. Ich jedoch möchte mich auf diese Anfrage und deren Beantwortung beziehen. Spätestens dann nämlich, wenn man diese Anfragebeantwortung gelesen und den Sachverhalt dargestellt bekommen hat – und ich glaube den Sachverhalt, den der Herr Minister hier geschildert hat, und nicht das, was sich Frau Petrovic aus irgendwelchen obskuren Quellen zusammengesammelt hat –, spätestens zu diesem Zeitpunkt weiß man, dass die Demonstrationen, die es jetzt in Wien gibt, wirklich keine friedlichen Demonstrationen, sondern ganz bestimmt gewalttätige Demonstrationen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Das ist pure Gewalt!)

Für jene, die die Anfragebeantwortung nicht gelesen haben, und vor allem für die Zuschauer möchte ich zitieren, was diese so genannten friedlichen Demonstranten einander alles zugerufen haben: Es hat einen Vermummten gegeben, der hinten gestanden ist und Anweisungen gegeben hat wie etwa: "Schießt’s mit den Raketen auf die Bullen!" "Was habt’s noch zum Schmeißen? Nehmt’s alles, was ihr finden könnt’s! Steine oder Flaschen, Wurscht, was!" "Ihr müsst’s näher ran gehen; sammelt’s die Steine, rennt’s hin!" (Abg. Ing. Westenthaler: Unglaublich! – Abg. Haigermoser  – in Richtung der Grünen –: Das sind Ihre Sympathisanten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier im Parlament haben uns Frau Stoisits und Frau Petrovic immer hoch und heilig versichert, wie friedlich all diese Demonstrationen seien. (Abg. Ing. Westenthaler: Frau Petrovic, sind das Ihre Freunde?) Schlachtrufe, wie ich sie gerade verlesen habe, sind dort gefallen, es waren keine friedlichen Demonstrationen.

Ich verrate Ihnen ja kein Geheimnis, wenn ich sage: Wir haben Ihnen nie geglaubt, dass diese Demonstrationen friedlich sind, denn immerhin hat es zwischen 40 und 50 verletzte Polizisten und 500 angezeigte Sachbeschädigungen gegeben – und eine solche Demonstration ist ganz einfach nicht friedlich, sondern sehr, sehr gewalttätig. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie wollten uns immer scheinheilig einreden, dass Sie nur hinter den friedlichen Demonstrationen stehen. Meine Damen und Herren von den Grünen, ich konzediere Ihnen, dass Sie mit dieser blau-schwarzen Regierung nicht einverstanden sind, ich konzediere Ihnen, dass Sie nicht damit einverstanden sind, dass die Freiheitlichen in der Regierung sind. Aber dass Sie mit Personen, die Gewalt anwenden, die zur Gewalt aufrufen, gemeinsame Sache machen, verstehe ich nicht, das ist mit meinen rechtsstaatlichen Standpunkten nicht vereinbar. Und ich verstehe nicht, wieso es mit Ihren vereinbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Offensichtlich gilt für Sie: Gewalt ist gut – vorausgesetzt, sie kommt nur von Ihren Sympathisanten! Diesem Motto können wir auf keinen Fall etwas abgewinnen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben ein sehr selektives Verhältnis zur Gewalt. Herr Abgeordneter Van der Bellen! Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Sie geben doch in der Öffentlichkeit immer den seriösen Mann, den Professor, der immer auf dem Boden des Rationalen, des Seriösen steht. Warum distanzieren Sie sich nicht von diesen gewalttätigen Demonstrationen? – Sie sympathisieren mit diesen! Und Ihre Aktionen hier im Parlament, Ihre Anfragen haben nur ein Ziel, nämlich die Polizei einzuschüchtern. Sie wollen eine Politik für Ihre Klientel machen, für diese Linken, die auf die Straße demonstrieren gehen, Sachen beschädigen, Polizisten verletzen, mit Steinen werfen, Flaschen sammeln und zur Gewalt aufrufen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, das ist Ihre Politik!

Sie wollen, dass die Demonstranten, die mit Steinen werfen, die gewalttätig sind, in Zukunft unbehelligt von der Polizei weitermachen können. Das ist es, was Sie wollen! Deshalb behaupten Sie, dass die Exekutive alles falsch macht, dass sie Beweismittel vernichtet, sich unrechtmäßig vermummt, deshalb soll auch das SEK aufgelöst werden.

Ich frage Sie: Wie lässt sich das mit Ihrer rechtsstaatlichen Gesinnung vereinbaren? Beantworten Sie mir bitte diese Frage, bevor Sie sich wieder einmal auf den Parlamentarismus, auf den demokratischen Rechtsstaat und auf Ihre Integrität berufen! (Beifall bei den Freiheitlichen und


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 140

der ÖVP. – Abg. Edlinger  – in Richtung des Abg. Dr. Van der Bellen –: Beantworten Sie das, bevor Sie eingesperrt werden!)

15.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Einsperren wollten die Grünen, Frau Stoisits, die Freiheitlichen! – Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Edlinger: Nein! Herr Haider will ihn gerne einsperren! – Abg. Dr. Martin Graf: Die Grünen wollten auch mich ...! – Abg. Haigermoser: Lenken Sie nicht ab, Herr Edlinger! Lassen Sie das Steinewerfen, im Glashaus sitzend! – Abg. Edlinger: Ich werfe keine Steine! – Abg. Haigermoser: Heraus aus dem Glashaus!)

15.30

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! (Unruhe im Saal.) Darf ich um Aufmerksamkeit bitten? Auch wenn Sie meinen, dass es nicht notwendig ist, ich halte es für notwendig, eine sachliche Diskussion darüber zu führen, denn es geht meiner Ansicht nach nicht an, dass man von einem bedauerlichen Fall ausgehend verallgemeinert, das vermischt und dazu noch eine Vorverurteilung vornimmt. Das, so finde ich, ist nicht korrekt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sind Gott sei Dank in der Situation, dass wir in einem sehr sicheren Staat leben. Das muss uns allen bewusst und auch etwas wert sein. Angesichts dieses Versuches, alles zu vermengen, müssen wir korrekt trennen. Wir müssen deshalb so strikt trennen, weil wir Zigtausende Beamte haben, die korrekt ihre Arbeit tun (die Abgeordneten Dr. Petrovic und Dr. Van der Bellen: Ja! Eben!), die in Stresssituationen wie etwa bei den Demonstrationen korrekteste Arbeit geleistet haben (Abg. Haigermoser: Sie von den Grünen schütten die Polizisten immer wieder an!), denn sonst wäre es nicht möglich, dass es beinahe – zumindest meines Wissens – keine verletzten Demonstranten gegeben hat (demonstrativer Beifall bei den Grünen), aber 50 verletzte Exekutivbeamte – das verdient keinen Applaus. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung der Grünen –: Da klatschen Sie nicht!)

Geschätzte Damen und Herren! Wenn nun der Versuch unternommen wird, Personen, die in verdeckter Ermittlung tätig sind, wie dies bei der SEK der Fall ist, in ein unerlaubtes Eck zu drängen, dann muss an dieser Stelle klar und deutlich gesagt werden, dass es nur auf Grund dieser Maßnahmen möglich war, dass die Demonstrationen so diszipliniert über die Bühne gegangen sind, da unser Bundesminister Dr. Strasser allen voran darauf gedrängt hat, dass der Einsatz der Exekutive nur sehr bedacht erfolgt. Wir alle erinnern uns an die Szenen im Fernsehen, in denen die Exekutivbeamten von oben bis unten mit Farbe beschmiert zu sehen waren, mit Steinen beworfen und ins letzte Eck gedrängt wurden – und jetzt sollen wir sie noch für unredlich erklären? – Dagegen wehre ich mich vehement! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Als ehemaliger Zivildiener habe ich ein besonders sensibles Empfinden, wenn es sich um Gewalt handelt. Ich war in meiner Heimatregion einer der Ersten, die klar ein Zeichen gesetzt haben. Gerade deshalb akzeptiere ich aber auch auf keinen Fall Gewalt gegen jene, die unsere Sicherheit schützen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und dass sie dies tun mussten, darf ich mittels eines Auszuges aus dem Polizeibericht zur Kenntnis bringen. Es ist einfach entsetzlich, was darin zu lesen ist – ich zitiere –:

Herr "R. war an der Kreuzung Kärntner Straße – Maysedergasse um 00.05 Uhr vom Beamten mit der Dienstnummer 4349 dabei beobachtet worden, wie er auf einen so genannten Signalstift eine Patrone montierte" – und ein Signalstift ist nicht zum Schreiben da, sondern vermutlich zu ganz anderen Zwecken (Abg. Haigermoser: Das ist ein Wahnsinn! Signalstifte!)  –, "welche er zuvor aus der Innentasche seiner Jacke genommen hatte. Anschließend schoss er diese Patrone in die Luft ab. Sofort nach dem Abfeuern dieser Patrone montierte er eine neue auf seiner Abschussvorrichtung und schoss auch diese wiederum in die Luft ab. Dabei ging er in der Kärntner Straße in Richtung Walfischgasse. Dort angekommen, beschoss er gezielt die in der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 141

Walfischgasse zur Absperrung postierten Polizeibeamten." – Bitte, gezielt mit einer Vorrichtung, die Menschen in hohem Maße verletzen kann! Ich war selbst einmal bei einem derartigen Unfall dabei, allerdings als Helfer.

"Der erste Schuss strich über die Köpfe der Beamten in der Sperrkette hinweg, der zweite Schuss jedoch traf ein Plexiglasschild eines der sichernden Beamten." – Geschätzte Damen und Herren! Was wäre passiert, wenn es dieses Plexiglasschild nicht gegeben hätte? Wie wären dann die Folgen gewesen? (Abg. Haigermoser: Die wollen die Grünen ja abschaffen, diese Schilder!)

"Dies beobachtete der Beamte mit der Dienstnummer 4349 aus einer Entfernung von zirka 15 Metern. Dies konnte er deshalb tun, weil er ebenfalls vermummt war ..." – So wie jener, der den Signalstift verwendete.

"Nach diesen beiden gezielten Schüssen entfernte sich R. in Richtung Maysedergasse. R.s Vermummung bestand aus einer Sturmhaube mit rot umrandeten Sehschlitzen und einem Palästinensertuch. Bei seiner Festnahme trug R. noch immer die selbe Vermummung." – Zitatende.

Geschätzte Damen und Herren! Ist es nicht legitim, dass sich der Staat und somit auch seine Bürger und Bürgerinnen vor derartigen Aggressionen schützt? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Erwin Hornek (fortsetzend): Gerne, Herr Präsident. – Ich fordere Sie alle, geschätzte Damen und Herren, im Sinne eines sicheren Österreichs auf, auch die Aufgabenstellung in diese Richtung wahrzunehmen und Ihren Beitrag zu leisten. Und ich hoffe, Frau Petrovic, Sie werden sich von derartigen Vorgängen selbstverständlich distanzieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Das glaube ich nicht, dass sich die Frau Petrovic distanziert!)

15.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Jetzt kommt der Nächste! Der nächste Sympathisant! – Abg. Haigermoser  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Öllinger –: Bei uns brauchen Sie sich nicht vermummen! Wir kennen Sie!)

15.36

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man vor allem dem Debattenbeitrag der Frau Abgeordneten Partik-Pablé zugehört hat (Abg. Haigermoser: Der hat Ihnen wehgetan!), bekommt man schon manchmal den Eindruck (Abg. Haigermoser: Wo haben Sie denn Ihre Roger-Staub-Mütze ...?), dass für bestimmte Abgeordnete dieses Hauses bereits das Stellen von Fragen ausreicht, den Fragenden zu kriminalisieren (Abg. Haigermoser: Wo haben denn Sie Ihre Schifahrer-Mütze?)  – und das kann es ja wohl nicht sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin bei Ihnen, Herr Innenminister, wenn Sie sagen: Stellen wir uns vor die Exekutive! (Abg. Haigermoser: Na hören Sie doch auf! – Abg. Dr. Martin Graf: Mit dem Signalstift in der Hand?) Sie können aber nicht garantieren, dass alle 30 000 Exekutivbeamten zu allen Zeiten immer korrekt handeln. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser. )  – Ja, und genau deswegen haben wir diese Anfrage gestellt! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihr nehmt ja grundsätzlich an, dass die negativ ...!) Es geht nicht um jene 30 000 Exekutivbeamten, die, wovon ich mich auch selbst überzeugen konnte, korrekt handeln. Wenn Sie das Video sehen, dann wissen Sie, dass vor allem die uniformierten Exekutivbeamten sehr korrekt gehandelt haben. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 142

Es geht nicht um diese 30 000, sondern um ganz bestimmte, konkrete Personen. Lassen wir jetzt einmal die Chiffre SEK weg – Sondereinsatzgruppe Kriminalpolizei –, lassen wir das weg! (Abg. Haigermoser: Das lassen wir nicht weg!) Das wäre eine eigene Diskussion wert, in der man fragen müsste: Was bringt diese Einheit? Sie haben ja eine Evaluierung angekündigt.

Beschäftigen wir uns vielmehr mit einigen der Personen, Herr Bundesminister! Es sind ja immer wieder dieselben Personen (Abg. Haigermoser: Die Öllingers!), die bei Handlungen auch der SEK vorkommen. Es sind dieselben Personen, die schon vor der Bildung der SEK Probleme mit dem Schusswaffengebrauch hatten – um es einmal vorsichtig auszudrücken. Und das ist ja auch der Punkt, Herr Bundesminister, den Sie noch völlig unzureichend beantwortet haben. (Abg. Dr. Martin Graf: Was wollen Sie damit sagen?)

Ich konzediere Ihnen, dass – und das ist Ihre Feststellung – die Abfolge der Ereignisse im Zusammenhang mit der Erschießung des mutmaßlichen Drogenhändlers nicht mit der entsprechenden Darstellung in der heutigen Ausgabe der Zeitschrift "Falter" übereinstimmt. Gut! Aber eine Frage, die nach diesem "Falter"-Bericht offen bleibt, lautet doch auch: Ist es wirklich gut für diesen Exekutivbeamten und für die Polizei insgesamt, dass ein Exekutivbeamter, der gerade einen tödlichen Schusswaffengebrauch hinter sich hat, am nächsten Tag oder am übernächsten Tag, wie es im "Falter" heißt, zu "sensiblen Amtshandlungen" wie auch einer Hausdurchsuchung eingesetzt wird? Ist das wirklich Sinn und Zweck, ist das wirklich das geeignete Mittel, mit dem sich der Beamte, aber auch – und das ist mir in diesem Zusammenhang noch wichtiger – die Polizei mit diesen Umständen zu beschäftigen hat? Das ist eines der Probleme. (Beifall bei den Grünen.)

Aber ich möchte das jetzt gar nicht weiterdiskutieren, Herr Bundesminister – etwa den Einsatz bei den mutmaßlichen Drogendealern –, ich diskutiere das nicht weiter, aber – diese Anmerkung sei mir gestattet, und das war auch Sinn und Zweck der Ausführungen der Frau Abgeordneten Petrovic – Fragen an Sie zu stellen, muss doch möglich sein.

Es sind das Fragen, die im Vorhinein einfach ein ungutes Gefühl erzeugt haben. Wenn nämlich in der Zeitschrift "Falter" sehr plausibel dargestellt wird, dass verschiedene Umstände einfach Angst machen müssen – was ganz konkrete Beamte und nicht alle 30 000 Beamten betrifft –, dann ist das ein Punkt, der eine Diskussion wert ist.

Aber jetzt ganz konkret zu Ihrer Anfragebeantwortung. Die Zeitdifferenz von der Aufgreifung der Vier bis zur Festnahme wurde von den Beamten – und dieser Angabe sind Sie in Ihrer Anfragebeantwortung gefolgt – mit vier Minuten angegeben. Diese Zeitdifferenz stimmt nicht, denn durch das Video ist eine völlig andere Zeitdifferenz erkennbar. Der erste Punkt.

Der zweite Punkt betrifft die Frage 6. In Ihrer Antwort darauf heißt es: "An den Demonstrationen" – also auch an der geschilderten Demonstration! – "haben keine vermummten Polizisten teilgenommen." (Abg. Dr. Petrovic: Das ist falsch!)  – Polizeidirektor Stiedl erklärt hingegen, dass sich bis zu zehn vermummte Polizisten im Block der Autonomen, der zwischen 20 und 50 Personen ausgemacht haben soll, aufgehalten haben. Eine dieser Darstellungen stimmt nicht – egal, welche.

Herr Bundesminister! Wir laden Sie und alle Abgeordneten ein – diese Einladung ergeht schriftlich –, sich das Video über diesen Vorfall, über den Ablauf der Ereignisse anzusehen.

Eine weitere Bemerkung sei mir noch gestattet, sie betrifft einen Zwischenruf des Kollegen Westenthaler. Es wird immer wieder gesagt, dass sich Kollegin Stoisits für Strafen für FPÖ-Abgeordnete bis zu 20 Jahren ausgesprochen hätte. Diese Behauptung stimmt, auch wenn sie immer wiederholt wird, nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bitte den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Wir konnten endlich das Stenographische Protokoll, in dem sich Frau Abgeordnete Stoisits dazu geäußert hat, "ausgraben". Es stammt vom


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 143

6. April 1995 und belegt das Gegenteil: Es geht um die Ausschöpfung des Strafrahmens bei Herrn Hans Jörg Schimanek.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist längst erschöpft.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Es geht darum – und um nichts anderes! (Beifall bei den Grünen.)

15.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Schlögl. – Bitte.

15.42

Abgeordneter Mag. Karl Schlögl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist die Haltung gegenüber der österreichischen Exekutive ganz klar und einfach: Egal, ob als ehemaliger Bundesminister für Inneres, ob als Oppositionsabgeordneter oder als einfacher, normaler Staatsbürger, ich bin sehr dankbar dafür, welch hervorragende Arbeit die österreichischen Beamtinnen und Beamten im Interesse der Sicherheit in diesem Land leisten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und ich weiß auch, dass sich unsere Beamtinnen und Beamten ausschließlich an den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates und an den entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, die wir Abgeordnete ihnen für ihre Arbeit vorgegeben haben, orientieren. (Abg. Dr. Pumberger: Jetzt kommt das "aber"!) Ich wende mich deshalb klar gegen Angriffe auf die Sicherheitsexekutive, egal, von welcher Seite sie kommen, gegen Angriffe, die diese pauschal verurteilen, als rassistisch, fremdenfeindlich oder gar als undemokratisch denunzieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Mühlbachler. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass Menschenrechte, Humanität sowie Rechtsstaatlichkeit und effektive Bekämpfung von Kriminalität sowie bestmöglicher Erhalt der Sicherheit in diesem Lande für die österreichische Exekutive kein Gegensatz sind, sondern – ganz im Gegenteil! – unabdingbare Notwendigkeiten, die untrennbar miteinander verbunden sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Trotzdem müssen wir uns dessen bewusst sein, dass es in der Vergangenheit, dass es in der Gegenwart und – so fürchte ich – auch in der Zukunft individuelle Fehlleistungen von einzelnen Beamtinnen und Beamten gegeben hat und gibt. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Es darf von der politischen, aber auch von der beamteten Führung des Innenministeriums nicht der Fehler gemacht werden, zu versuchen, solche Fehlleistungen zu vertuschen oder zu mauern, sondern da muss sehr konsequent gegen solche einzelne individuelle Fehlleistungen vorgegangen werden, größtmögliche Transparenz herrschen und alles darangesetzt werden, dass diese Fehlleistungen sehr offen aufgezeigt und, was für mich auch sehr wichtig ist, daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.

Das ist in der Vergangenheit so passiert, und ich gehe davon aus und bin guten Mutes, dass das auch in Zukunft so sein wird.

Daher warne ich davor, dass wir diese aktuellen Ereignisse dazu benutzen, parteipolitische Vorteile für die eine oder andere Seite zu ziehen. Wir sollten sehr vorsichtig sein in der Beurteilung, vor allem, weil all diese heutigen Vorwürfe sowohl dienstrechtlich als auch gerichtlich untersucht werden. Ich gehe davon aus, dass es keine pauschalen Vorverurteilungen, aber auch – und das ist für mich sehr wichtig – keinen Pauschalfreispruch im Vorhinein geben darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines erscheint mir auch sehr wichtig zu sein: In der heutigen Debatte ist das Demonstrationsrecht von der einen oder anderen Seite des Öfteren erwähnt worden. Wir alle sollten meiner Ansicht nach sehr stolz darauf sein, dass wir dieses Demonstrationsrecht in Österreich haben, und wir sollten ebenfalls sehr stolz darauf sein, dass


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 144

unsere Vorfahren diese Demonstrationsfreiheit in Österreich erreicht haben. Setzen wir alles daran, dass wir dieses wichtige Gut auch in Zukunft sichern und erhalten! (Beifall bei der SPÖ.)

Die österreichische Exekutive hat dafür ein sehr gutes Know-how entwickelt und auch bei möglichen gewalttätigen Demonstrationen sichergestellt, dass es eine Strategie der Deeskalation gibt – ob nun bei den Demonstrationen gegen die NATO-Aktionen gegen das Milošević-Regime, ob nun im Bereich der Botschaftsbesetzungen anlässlich der Festnahme des Kurdenführers Öcalan oder auch bei den jüngsten Demonstrationen gegen diese Bundesregierung.

Die österreichische Exekutive hat hier auf große Erfahrungen zurückgegriffen und eine sehr bewährte Taktik eingesetzt. Diese Taktik sollte meiner Überzeugung nach auch in Zukunft eingesetzt werden.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehe ich die heutige Debatte unter folgendem Grundsatz: ein klares Bekenntnis zur österreichischen Exekutive, aber auch ein klares Bekenntnis dazu, dass es keine Übergriffe geben darf und dass keine Übergriffe geduldet werden dürfen! – Sollten solche stattfinden, dann bedarf es einer lückenlosen Aufklärung, und Sie, Herr Bundesminister, sind als Chef dieses Ministeriums dafür verantwortlich, dass es eine solche lückenlose Aufklärung gibt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsordnung!)

15.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.48

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich ersuche darum, zu klären, welche Art von Filmaufnahmen jetzt von einem Filmteam im Plenarsaal gemacht worden sind und ob die entsprechenden Bewilligungen dafür vorliegen beziehungsweise dass jetzt offenbar auch Filmaufnahmen von den BesucherInnen auf der Galerie gemacht worden sind.

15.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Ich bin Ihnen schon zuvorgekommen. (Abg. Haigermoser: Da braucht man ihn nicht fragen!) Ich habe bereits Beamte des Hauses ausgeschickt, um das zu klären. (Abg. Dr. Mertel: Er filmt ja schon wieder!)

Bitte, Herr Klubobmann Van der Bellen.

15.48

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich weiß Ihre Initiative zu schätzen, aber wie unschwer an dem roten Licht zu erkennen ist, filmt der Betreffende immer noch. (Abg. Dr. Kostelka  – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Im Augenblick Sie !) Es wäre schon interessant zu wissen, auf welcher Basis das beruht.

15.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Fotoreporter ist vom israelischen Fernsehen und hat eine Genehmigung – angeblich. Auch das werde ich prüfen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Kurze Debatte über drei Fristsetzungsanträge

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu einer weiteren Kurzdebatte. Diese betrifft die Anträge der Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über das Sozialrechtsänderungsgesetz 2000 (181 der Beilagen) (anhaltende Zwischenrufe – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 145

das Glockenzeichen), dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über das Pensionsreformgesetz 2000 (175 der Beilagen) sowie zur Berichterstattung über den Antrag 188/A der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und das Bundesbezügegesetz geändert werden, jeweils eine Frist bis zum 4. Juli zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über die gegenständlichen Fristsetzungsanträge jeweils getrennt stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt.

Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

15.50

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der vorliegende Antrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, für die umfassenden Vorlagen zum Pensionspaket dieser Koalition eine Frist bis 4. Juli dieses Jahres zu setzen, ist eine Fortsetzung der Politik dieser Koalition, nämlich drüberzufahren beim Streichen und Kürzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Aumayr: Diese Rede haben Sie schon gehalten! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Ofner, Mag. Haupt, Haigermoser und Fischl. )

Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Wenn Sie locker mit dem Schicksal von Menschen umgehen, dann ist das Ihr Problem. Uns liegen die Schicksale der Menschen am Herzen, Herr Kollege Haigermoser. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Was ist unter dem Gesichtspunkt dieses Antrages von der mehrfach getätigten, auch öffentlichen Aussage des Bundeskanzlers zu halten, dass Sie zu Gesprächen bereit sind? Was versteht diese Koalition unter konstruktiven Verhandlungen?

Wo finden denn die tatsächlichen strukturellen und strukturstärkenden Maßnahmen, die der ÖGB und die AK vorgeschlagen haben, ihren Niederschlag? Wo haben Sie die kostendeckende Finanzierung der Ersatzzeiten berücksichtigt? (Abg. Haigermoser: Der Verdacht erhärtet sich!)

Warum redet Frau Bundesministerin Sickl schon vom nächsten Pensionspaket, obwohl dieses Paket noch nicht einmal beschlossen ist, meine Damen und Herren? (Abg. Haigermoser: Na Brieferl schreiben wir nicht durch die Gegend!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haigermoser! Wie ernst nehmen Sie denn die Aussagen Ihrer eigenen Regierungsmitglieder, wenn Sie selbst einen Fristsetzungsantrag stellen? – Offensichtlich nicht besonders ernst.

Mit diesem Antrag, meine Damen und Herren von der blau-schwarzen Koalition, beweisen Sie wieder einmal eindeutig, dass Sie an ernsthaften Verhandlungen absolut kein Interesse haben. Kürzen, streichen, drüberfahren – das ist Ihr Motto. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Feurstein! Sie werden mir wohl aus Ihrer langjährigen Tätigkeit im Sozialausschuss und Ihren Erfahrungen mit der Vorsitzführung bestätigen können, dass unsere Ausschussvorsitzende sowohl bei der Erstellung der Tagesordnung als auch bei der Ausschussvorsitzführung immer sehr korrekt vorgegangen ist und umsichtig und objektiv in ihrem Handeln und Tun war. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. )


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 146

Herr Kollege Khol! Sie brauchen gar nicht zu lachen! Auf Sie komme ich auch noch zu sprechen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Da muss er noch mehr lachen! – Abg. Dr. Khol: Da werde ich noch mehr lachen müssen!)

Kollegin Reitsamer ist, und das werden die Menschen, die ernsthaft im Sozialausschuss arbeiten, Herr Kollege Khol, und nicht nur auf Beobachtungsposten für fünf Minuten dort "hineinfliegen", ... (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Ich war dabei!)  – Ja, auf Beobachtungsposten, weil Sie Ihrer eigenen Fraktion offensichtlich nicht getraut haben. (Ah- und Oh-Rufe sowie Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Ich war dabei, wie Sie die Geschäftsordnung ...! Ich war dabei!)

Frau Kollegin Reitsamer ist auf jeden Fall ein Garant dafür, dass diese umfangreiche und sensible Materie, die tief greifende Einschnitte in das Leben von Frauen und Männern vorsieht, geschäftsordnungsgemäß und korrekt, aber auch verantwortungsbewusst in diesem Ausschuss behandelt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Khol, Sie wissen ganz genau, dass Ihre unhaltbaren Unterstellungen, die Sie da getätigt haben (Abg. Dr. Khol: Gibt es auch haltbare Unterstellungen?), nur einen Aspekt haben, nämlich den, dass Sie Angst davor gehabt haben, daran gehindert zu werden, drüberzufahren. Drüberfahren, das ist Ihre Methode, Herr Dr. Khol! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Khol! Oder wollen Sie uns vielleicht wieder – auch das könnte eine Intention dieses Antrages sein – vorbei an Begutachtungen, vorbei an Expertenhearings, vorbei an Leuten, die Meinungen dazu haben, neue Grauslichkeiten in Form von Abänderungsanträgen im letzten Moment auf den Tisch knallen? – Ist das die Intention Ihres Fristsetzungsantrages? Nehmen Sie dazu Stellung! (Abg. Dr. Khol: Na was denn? Mache ich!)  – Im letzten Moment drüberfahren, das wollen Sie.

Herr Kollege Feurstein und Herr Kollege Haupt – Herr Kollege Khol, wenn Sie lange genug im Ausschuss gewesen wären, dann hätten Sie das auch mitbekommen –: Wir haben Ihre Ergänzungswünsche für das Experten- und Expertinnenhearing berücksichtigt, damit wir zu einem Vier-Parteien-Antrag kommen. – Oder will einer dieser Herren dem widersprechen? Wären Sie so lange im Ausschuss geblieben, dann hätten Sie das bestätigen können. (Beifall bei der SPÖ.) Und Sie wissen, dass Ihre Unterstellungen unhaltbar sind.

Genauso ist es auch bei den Punkten, die wir heute diskutieren. Wir haben das alles schon einmal erlebt. Zuerst mussten wir einmal eine Ausschussbegutachtung durchsetzen. Dann gab es diese Ausschussbegutachtung, dann kamen Abänderungsanträge im letzten Moment, am selben Tag, wo wir den ganzen Tag in Ausschüssen waren, Herr Kollege Feurstein. Am Vormittag haben Sie uns den umfassenden Abänderungsantrag hingeknallt, mit dem Sie eine Pensionsform abgeschafft haben! – Das nennen Sie seriösen Umgang mit den Dingen? Das nennen Sie "diskutieren wollen"? Das nennen Sie "ernsthaft verhandeln wollen"? – Das glauben Sie ja wohl selber nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Meine Damen und Herren! Inhaltlich werden wir zu diesem Paket noch diskutieren. Und Sie werden sich nicht davonstehlen können, auch nicht mit Fristsetzungsanträgen! Sie werden Rede und Antwort stehen müssen: darüber, was Sie den Menschen dieses Landes antun wollen. Sie werden dieser Diskussion nicht entgehen können!

Aber mit Ihrem heutigen Fristsetzungsantrag stellen Sie eines unter Beweis, nämlich das Sittenbild dieser Koalition: Angst machen, Druck ausüben, drüberfahren! Daher wird es Sie nicht sehr verwundern, dass wir diesen Fristsetzungsantrag ablehnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Das ist doch Ihre Methode! Das ist doch eure Methode!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 147

15.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Westenthaler. – Bitte.

15.56

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sie haben hier leider ein bisschen die Wahrheit verdreht, nämlich dann, wenn Sie glauben, da wird drübergefahren, und das ist alles so fürchterlich. In Wirklichkeit ist der Grund und die Motivation für diese Fristsetzung etwas ganz anderes.

Wir sind in tiefer Sorge, dass Sie das fortsetzen, was Sie in den letzen Tagen und Wochen hier in diesem Haus begonnen haben: nämlich die Ausübung der Fundamental-Opposition, jetzt auch garniert mit Destruktion, mit Verzögerung, mit Despektierlichkeit gegenüber diesem Hause, wenn zum Beispiel Herr Abgeordneter Gusenbauer an zwei Sitzungstagen im Parlament bei einer ganzen Reihe von Abstimmungen nicht ein einziges Mal mitgestimmt hat. Das macht uns Sorge, dass Sie dieses Haus despektierlich behandeln, dass Sie drüberfahren und die wichtigen Themen wie die Pensionssicherung für die Bevölkerung einfach nicht zulassen wollen. Und das wollen wir ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Unerhört, wie Sie mit der Demokratie umgehen!)

Diese Pensionsmaßnahmen sind Maßnahmen zur Sicherung der Pensionen auch für die jüngeren und mittleren Jahrgänge in Österreich. Und Sie wollen mit Ihrer Fundamentalopposition alles verzögern. Sie haben das auch in den Ausschüssen gezeigt. Frau Abgeordnete Reitsamer hat ja im Ausschuss wirklich vorgelebt, was Sie machen wollen: unterbrechen, verzögern, blockieren, Aussagen nicht zulassen. Und dann ist sie als Ausschussvorsitzende – das ist schon etwas Ungeheuerliches – hergegangen und hat auch noch lautstark Missfallenskundgebungen gegen demokratische Abstimmungsergebnisse von sich gegeben!

Das hat Frau Abgeordnete Reitsamer getan! Nur weil sie in der Minderheit geblieben ist, hat sie es kritisiert! Sie hat kritisiert, dass sie eine Abstimmung verloren hat. Frau Abgeordnete Reitsamer! Das steht Ihnen als Ausschussvorsitzender nicht zu! Das können Sie nicht tun, und das wollen wir auch nicht! Das ist nicht demokratisch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: Unerhört!)

Es ist tatsächlich Gefahr im Verzug auf Grund von parteipolitischen Vorsitzführungen, auf Grund der Tatsache, dass die SPÖ die Geschäftsordnung offenbar nicht kennt, nicht gelernt hat. Das hat man heute bei einigen Redebeiträgen gesehen, bei tatsächlichen Berichtigungen, die keine waren, oder bei der gestrigen Dringlichen Anfrage.

Es war ja interessant: Das war eine Dringliche Anfrage, über die sogar jenseits unserer Grenzen berichtet worden ist, die über die Grenzen hinaus für Aufsehen gesorgt hat – allerdings im positiven Sinn für die Regierungsparteien und im negativen Sinn für Sie.

In der "Neuen Zürcher Zeitung" wird darüber berichtet – im Gegensatz zu österreichischen Zeitungen, in denen die Dringliche gar nicht mehr erwähnt wird, weil die Leute schon die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. (Abg. Schieder: Zur Sache! Zur Sache!)

Hier heißt es – ich zitiere –: "Misserfolg der SPÖ im Nationalrat. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs hat am Dienstag im Nationalrat in Wien eine selbstverschuldete Schlappe erlitten. Die Anfrage missriet der SPÖ zu hilflosem Fuchteln", schreibt die "Neue Zürcher Zeitung". Zu hilflosem Fuchteln! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Eingefahren! – Abg. Silhavy: Angst machen, Druck ausüben, drüberfahren!)

Sie sind wirklich hilflos in diesem Haus. Das beweisen Sie immer wieder, und deshalb sind wir in der Verantwortung. Deshalb sind wir als Regierungsparteien in der Verantwortung, um dafür zu sorgen, dass wichtige, für die Bevölkerung wichtige Zukunftsfragen mittels Fristsetzungen auch durchgesetzt werden und dass Sie das mit Ihren geschäftsordnungsmäßigen Tricks nicht blockieren können! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber Sie brauchen keine Sorge zu haben. Wir haben heute eine Fristsetzung für das Juli-Plenum. Da liegen Wochen dazwischen, in denen wir selbstverständlich weitere Gespräche führen, selbstverständlich diskutieren und die Hand reichen, die viele Gewerkschafter allerdings gleich wieder wegschlagen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 148

Ich habe aber noch einen anderen Verdacht, warum Sie sich so gegen diese Fristsetzung wehren, warum Frau Silhavy und ihre Kollegen sich so massiv dagegen wehren, dass wir heute Fristsetzungsanträge stellen. Darin ist nämlich ein wichtiger Punkt enthalten.

Wir werden nämlich bei diesen Fristsetzungen – das ist ein wichtiger Bereich – auch das Politikerpensions-Antrittsalter erhöhen und die Pensionsbeiträge für die Politiker um 0,8 Prozent erhöhen. Und ich habe so den Verdacht, dass Sie das nicht wollen, dass Sie sich Ihre Privilegien weiter sichern wollen, dass Sie nicht mitgehen wollen mit jenen Maßnahmen, die wir auch für die Bevölkerung setzen, dass Sie mit Zähnen und Klauen an Ihren Politikerpensionen festhalten wollen. Diesen Verdacht habe ich, und Sie haben sich heute auch dementsprechend verraten.

Auch diesen Punkt werden wir in den Fristsetzungen fixieren, damit wir gleiches Recht für alle schaffen, auch für die Politiker. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute kein Präjudiz für irgendeinen Parlamentsfahrplan mit Drüberfahren. Sie sind in den Ausschüssen durch parteipolitische Agitation drübergefahren. (Abg. Silhavy: Haben Sie eine Ahnung, wovon Sie sprechen?)

Wir werden heute eine Fristsetzung beschließen. Wir werden in den nächsten Wochen weitere Beratungen haben, wir werden weiter mit Ihnen sprechen, niemand fährt drüber. Aber wir werden in der Verantwortung vor der österreichischen Bevölkerung jene Maßnahmen setzen, die sicherstellen, dass die Pensionen auch in Zukunft gesichert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Das wird jetzt im israelischen Fernsehen übertragen! – Heiterkeit.)

16.02

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute beantragt, dem Sozialausschuss, dessen Vorsitz von Frau Reitsamer geführt wird, eine Frist von einem Monat einzuräumen, damit er über zwei sehr wichtige Gesetzesvorlagen so berichten kann, dass dieses Hohe Haus in seinen Juli-Plenartagen die Pensionsreform beschließen kann.

Ich gebe zu, dass es im Hinblick auf das schwere Gewicht dieser Vorlagen reiflicher Überlegung bedarf. Diese Vorlagen wurden umfangreich begutachtet, und zwar einen Monat lang. Es hat dann eine Beschlussfassung in der Bundesregierung am 30. Mai gegeben. Das Ergebnis wurde jetzt dem Hohen Haus zugemittelt und zugewiesen, und ich glaube, dass ein Monat ausreichend Zeit ist, um auf der einen Seite mit den Sozialpartnern weiterzuverhandeln, die sehr wichtig sind, und auf der anderen Seite auch in diesem Haus die Beratungen aufzunehmen, um jene Reformen zu machen, die sich die österreichische Bevölkerung von verantwortungsbereiten und verantwortungsbewussten Politikern erwartet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Strategie, einen Ausschussvorsitz dazu zu verwenden, eine Beschlussfassung im Monat Juli zu verhindern, können wir nicht akzeptieren. Wir wollen auch niemanden in Versuchung führen!

Es heißt so schön am Ende des Paternoster, Herr Noldi Grabner, Katholik und so weiter: "Ne nos inducas in tentationem!" – Wir wollen Frau Reitsamer nicht in die Versuchung führen, dass sie dem Druck der Fundamental-Opposition nachgibt und jenes souveräne Recht in Anspruch nimmt, das jede und jeder Ausschussvorsitzende hier hat, nämlich Beratungen ohne Begründung zu unterbrechen und auf einen Tag zu verschieben, der eine zeitgerechte Beschlussfassung nicht mehr möglich macht. (Abg. Silhavy: Vier-Parteien-Antrag! Irgendwer von der ÖVP wird doch ...!)

Ich glaube nur eines: Frau Reitsamer hat uns Anlass gegeben, zu vermuten, dass sie diese milde Stütze, die wir ihr durch den Fristsetzungsantrag anbieten, dass sie diese milde Stütze (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen) für eine gerechte Handhabung der Geschäfts


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 149

ordnung braucht, denn sonst hätte sie nicht bei der Vorlage, die wir heute beschlossen haben – zum Sozialrechts-Änderungsgesetz betreffend die vorzeitige Pension wegen verminderter Erwerbsfähigkeit –, ohne objektive Begründung die Ausschusssitzung zum zweiten Mal unterbrochen! Und wenn wir nicht mit Fristsetzungen gedroht hätten, dann hätten wir heute diese wichtige Reform im Interesse der Jugend unseres Landes, im Interesse der Pensionisten unseres Landes nicht beschließen können. (Abg. Silhavy: Ein Vier-Parteien-Antrag war das! Es gibt in diesem Haus nur vier Parteien! Reden Sie nicht wider besseres Wissen!)

Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Man kann es auch anders sagen: Ein Irrtum wird dann zum Fehler, wenn man in ihm verharrt. – Wir haben uns geirrt, Frau Reitsamer, als wir Sie zur Ausschuss-Vorsitzenden gewählt haben. Wir haben schon geglaubt, Sie werden als Vorsitzende Ihre Parteilichkeit an den Nagel hängen und den Vorsitz objektiv führen. Ich habe mich selbst davon überzeugen können und es auch in der Präsidiale gerügt, dass Sie den Vorsitz nicht unparteiisch führen, sondern die Sitzungsunterbrechung in den Dienst parteipolitischer Ziele der Sozialisten in Österreich stellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und das muss hier und heute gesagt werden. (Abg. Dr. Kostelka: Ungeheuerlich! Das ist Ehrabschneiderei!)

Wir müssen diese Pensionsreform sachgerecht und zeitgerecht ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihre Redezeit ist erschöpft, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (fortsetzend): Wie bitte? Nein, es ist noch Zeit. (Der Redner deutet auf das rote Lämpchen, das zu blinken begonnen hat.)

Wir müssen diese Pensionsreform zeitgerecht beschließen. Wir können sonst jene Budgetziele nicht erreichen, die wir beispielsweise mit Herrn Edlinger in den Regierungsverhandlungen fixiert haben, nämlich die Reduktion des Zuwachses der staatlichen Zuschüsse zu den Pensionen um die Hälfte. (Abg. Edlinger: Die unsoziale Vorgangsweise gehört Ihnen allein, da helfen wir Ihnen nicht! Sie demolieren die Pensionen! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Das ist ein Ziel, und das ist objektiv mit Ihnen vereinbart. Sie haben eine Verlängerung der Arbeitszeit um zwei Jahre vorgeschlagen. Unser Vorschlag lautet auf eineinhalb Jahre. Das ist ein sozialer Vorschlag, das ist ein gerechter Vorschlag. Meine Damen und Herren! Wir werden durch diese Fristsetzung im Interesse der Republik arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Khol! Man hat mir den Bildschirm hier entfernt, und das hat den Schluss zugelassen, dass Ihre Redezeit erschöpft gewesen wäre. Ich bitte um Verzeihung. (Abg. Dr. Khol: Keine Ursache!)

Darüber hinaus zu den Wortmeldungen der Abgeordneten Petrovic und Van der Bellen bezüglich des Besuches des israelischen Community Television: Die beiden Journalisten, die beide einen Ausweis vorgelegt haben, haben eine Genehmigung gehabt, von der Galerie aus zu filmen und entschuldigen sich ausdrücklich dafür, dass sie hier heruntergegangen sind. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn deutet in Richtung des Saaleinganges bei der Journalistenstiege.) Sie sind der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig und entschuldigen sich vor dem Parlament.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

16.08

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist schon auffällig: Seit Kollege Westenthaler dabei erwischt worden ist, wie er während einer Sitzung ein Fußballspiel besucht hat, was er dann anschließend auf eine Pause von einer halben Stunde, eine Parlamentspause reduzieren wollte, seit diesem Zeitpunkt erwähnt Herr Kollege Westenthaler immer wieder die Abwesenheit von anderen Kollegen,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 150

im konkreten Fall von Herrn Gusenbauer. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich war bei allen Abstimmungen dabei! Herr Gusenbauer war bei keiner Abstimmung!)

Ich sage Ihnen: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür, Herr Westenthaler! Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür! (Beifall bei den Grünen.) Ich unterstelle nicht jedem Abgeordneten, der nicht hier anwesend ist, dass er wegen eines Fußballspiels nicht anwesend ist, und das macht doch einen Unterschied aus.

Meine Damen und Herren! Ich habe angesichts der letzten Redebeiträge den Eindruck, dass die FPÖ noch immer nicht in der Regierung angekommen ist. Sie tut so, als ob sie in Opposition wäre, und wird dabei von der ÖVP unterstützt. Das Recht auf eine Fristsetzung kann natürlich von jeder Fraktion gebraucht werden, aber in der klassischen Handhabung ist es ein Minderheitsrecht. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol.  – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Zuerst das Fernsehen vertreiben und dann die Regierung entmündigen!)

Klassisch soll es die Opposition unterstützen in ihrem Bestreben, Punkte auf die Tagesordnung zu bringen, die ansonsten von der Mehrheit nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden würden.

Dritter Punkt. Herr Kollege Khol, an Ihre Adresse, aber auch an die der Vorredner gerichtet: Ich habe die Worte "Obstruktion" und "Destruktion" von Ihrer Seite gehört.

Herr Abgeordneter Khol, Sie waren zwar kurzfristig im Sozialausschuss, um die Disziplin Ihrer Abgeordneten offensichtlich zu überprüfen, haben aber nicht an den entscheidenden Abstimmungen teilgenommen.

Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass die zweite Unterbrechung der Sitzung des Sozialausschusses einstimmig, von allen Parteien also – aber das haben Sie nicht dazu gesagt! –, beschlossen wurde, da es eben sehr gute Gründe dafür gegeben hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie haben von "Obstruktion" gesprochen – Wer obstruiert denn? Ihre eigene Partei?! Sie, Herr Abgeordneter Khol, hätten doch besser bis zum Schluss bleiben sollen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

"Obstruktion"? "Destruktion"? – Ich frage die Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, wie das denn in den letzten Jahren war. Da gab es doch ähnliche Situationen, als eben die damaligen Regierungsparteien so schnell, schnell versucht haben, die Ausschussarbeit mit zahlreichen Zusatz- und Abänderungsanträgen unmöglich zu machen. Und ich kann mich noch daran erinnern, dass die Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, und zwar damals gemeinsam mit uns und dem Liberalen Forum, aus dem Ausschuss ausgezogen und vor die Öffentlichkeit getreten sind, natürlich ebenfalls das Mittel der Sitzungsunterbrechung verlangt und bitte auch erhalten haben.

War das "Obstruktion", meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei – oder nicht doch ein legitimes Mittel wie eben gerade auch im vorliegenden Fall?

Eine Pensionsreform muss doch gründlich vorbereitet werden, Herr Kollege Khol! Man kann es sich doch nicht so einfach machen, da sozusagen drüberzubürsteln! (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Monat ist bitte Zeit! Es wird doch möglich sein, in dieser Zeit ...!)

Ich habe bereits vorhin gesagt: Das Motto dieser Regierung lautet ganz offensichtlich: Geschwindigkeit ersetzt Gerechtigkeit. Das ist offensichtlich Ihr Motto, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Menschen werden aber bald draufkommen, dass das keine Inhalte ersetzen kann!

Wenn man sich heute schon den Luxus geleistet hat, mit zwei oder drei ASVG-Novellierungen dem ASVG wieder zahlreiche, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Novellierungen hinzuzufügen, dann sollte man sich endlich auch einmal dazu bekennen, dass ASVG-Reformen, im Besonderen Pensionsreformen, einer gründlichen Erörterung in der Öffentlichkeit bedürfen. Da sollte man nicht drüberfahren: nicht im Interesse der Betroffenen und auch nicht im Interesse


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 151

derer, die das noch betreffen wird! Da geht es doch bitte um das Interesse der Sicherheit und des Vertrauens in ganz wichtige Gesetze! – Aber gerade das machen Sie, obwohl Sie, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, in der Vergangenheit diejenigen waren, die das, mit uns gemeinsam, am meisten kritisiert haben. Und nur deswegen, weil das jetzt die SPÖ und die Grünen machen – es ist ja offensichtlich für Sie schon der Inbegriff von "Fundamentalopposition", dass man sich das sogar mehrmals traut –, ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Nur deswegen ist also diese Forderung noch nicht unberechtigt!

Das, was Sie machen, ist der Versuch, mit Regierungsmehrheit die Arbeit des Parlaments selbst in die Hand zu nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

16.13

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Khol, es ist fast ein bisschen zu viel der Ehre, wie sehr Sie sich heute mit meiner Ausschussvorsitzführung beschäftigt haben. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Ich habe diese Sitzung des Sozialausschusses unterbrochen, da uns die Abänderungsanträge nur knapp vorher überreicht worden waren. Herr Kollege Feurstein hat mir das dann auch erklärt – und ich habe das zur Kenntnis genommen –, er hatte mir nämlich die Abänderungsanträge bis Dienstag versprochen, konnte sie mir jedoch nicht geben; diese kamen erst am Donnerstag. – Es ist doch unser legitimes Recht, uns Ihre Abänderungsanträge anzuschauen!

Es gab also einen Antrag der Grünen auf Sitzungsunterbrechung, und es gab auch seitens der Sozialdemokraten den Wunsch, die Sitzung zu unterbrechen. Von dieser Möglichkeit habe ich als Ausschussvorsitzende auch Gebrauch gemacht, und zwar habe ich diese Ausschusssitzung genau für zwei Stunden und zehn Minuten unterbrochen, um eben diesen Antrag studieren zu können. (Rufe bei der SPÖ: Khol hört nicht einmal zu!)

In diesen Antrag hineinverpackt war erstmals – und, meine Damen und Herren, das ist doch nicht nichts! – die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Beim anderen Punkt dieser Tagesordnung ging es ja bitte um die Sozialversicherung, um die Entsendung von Versicherten-Vertretern – eine völlig andere Materie also! Ein Zusammenhang ist da ausschließlich durch das ASVG gegeben.

Wir haben uns also diesen Antrag angeschaut und sind dann wieder in den Ausschuss zurückgegangen. Wir haben gebeten gebeten!  –, eine neuerliche Ausschuss-Begutachtung zu machen. Sie von den Regierungsparteien haben jedoch erwidert, damit könnten Sie sich nicht anfreunden, und dann ist eben abgestimmt worden, weil Sie das heute hier im Plenum haben wollten.

Dann gab es folgende Vorgangsweise: Ich habe darüber abstimmen lassen – und wir haben diese Abstimmung verloren. Ich habe auch keine "Missfallensäußerung" gemacht, wohl aber habe ich mich dazu hinreißen lassen, zu sagen: "Leider!" Und dazu stehe ich auch. Ich habe mich bei Herrn Kollegen Feurstein sogar dafür entschuldigt, und zwar im Beisein seines Klubdirektors Zögernitz, dass mir das passiert ist. (Rufe bei der SPÖ: Khol hört nicht einmal zu!) Das war meinerseits ein Ausdruck des Bedauerns, denn ich hätte gerne mit allen Parteien länger über diese Thematik diskutiert, was aber nicht möglich war!

Dann gab es in dieser Sitzung eine einstimmig beschlossene Unterbrechung von 20 Minuten. Wir Sozialdemokraten wollten sozusagen als letzte Lösung ein Expertenhearing haben. Damit –


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 152

das haben mir die Vertreter der Regierungsparteien signalisiert – könnten sie leben; machen wir einen Vier-Parteien-Antrag. Das ist dann auch erfolgt; ein Expertenhearing wurde durchgeführt.

Zum Sozialrechts-Änderungsgesetz. Der Entwurf war vier Wochen in Begutachtung, zugegebenermaßen eine kurze Begutachtungszeit. Wir müssen aber alle ausreichend Zeit haben – und das ist auch unsere Pflicht! –, uns das bis zur nächsten Ausschusssitzung anzuschauen; dann wird die Ausschusssitzung ganz normal abgewickelt werden. Wenn jedoch Sie, Herr Kollege Khol, vorher so ein Tamtam machen, dann muss in mir schon der Verdacht aufkommen, dass vielleicht kurze Zeit, zehn Minuten oder eine halbe Stunde, vor der Ausschusssitzung dann wieder ein umfangreicher Abänderungsantrag von Ihnen einlangt, einer, mit dem nicht nur grammatikalische Änderungen vorgenommen werden, sondern in den vielleicht auch eine zusätzliche Maßnahme hineinverpackt wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das muss man sich natürlich anschauen, denn wozu sonst sollte diese Fristsetzung notwendig sein!

Sagen Sie mir bitte auch, wann ich in all den Jahren meiner Ausschussführung eine Sitzung unterbrochen habe! Das können Sie mir nicht sehr oft vorwerfen! (Abg. Dr. Khol: Da waren Sie von der SPÖ in der Regierung!) Ich habe also den Verdacht, dass Sie einen Abänderungsantrag einbringen wollen. Und wenn Sie einen solchen einbringen, dann werden wir ja schon beim Querlesen sehen, ob darin etwas Grausliches verpackt ist oder nicht – oder ob es dabei nur um Kleinigkeiten geht. In einem solchen Fall werde ich also von meinen Möglichkeiten als Ausschussvorsitzende Gebrauch machen, was aber noch lange nicht heißt, dass Sie Ihre Fristen nicht einhalten können, denn ich kann sehr wohl abschätzen, Herr Kollege Khol, dass Sie mit Ihrer Mehrheit letztendlich über alles drüberfahren werden. Ob das aber im Interesse der Menschen Österreichs ist, ist natürlich eine andere Frage.

Sie von den Regierungsparteien halten es offensichtlich mit Bert Brecht: "Wenn uns das Volk nicht mehr gefällt, lösen wir es auf und wählen uns ein neues." (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Das Volk ist zunehmend auf unserer Seite!)

16.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die Anträge werde ich getrennt vornehmen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Dr. Kohl, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000, 181 der Beilagen, eine Frist bis zum 4. Juli 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Dr. Khol, dem Verfassungssauschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage Pensionsreform 2000, 175 der Beilagen, eine Frist bis zum 4. Juli 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 188/A der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und das Bundesbezügegesetz geändert werden, eine Frist bis zum 4. Juli 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 153

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 6 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Brugger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

16.20

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich komme aus einem Kleinunternehmen in der Privatwirtschaft und werde Ihnen aus meiner Sicht als Arbeitnehmer über das bisher Geschehene in der Regierungsarbeit berichten; dazu muss ich aber ein wenig ausholen.

Die Zahl der Firmenneugründungen ist im ersten Quartal 2000 um 12 Prozent gegenüber dem letzten Jahr gestiegen, und gleichzeitig ist ein Insolvenzrückgang um rund 16 Prozent für heuer zu verzeichnen – und dies zu einem großen Teil bei Klein- und Mittelbetrieben. Ich erwähne dies deshalb, weil ich überzeugt davon bin, dass dies bereits eine erste positive Reaktion der neuen Regierung ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 30 Jahren bin ich in der Privatwirtschaft beschäftigt und muss daher sagen: Einen solchen finanziellen Niedergang wie unter den sozialdemokratischen Finanzministern und Bundeskanzlern in Serie hat es in Österreich noch nie gegeben. (Abg. Dr. Mertel: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben, Herr Brugger?)

Trotz Sparpaketen ist es der SPÖ gelungen, den Schuldenberg jährlich um jeweils 100 Milliarden Schilling zu erhöhen. Heute haben wir diesbezüglich einen Stand von sagenhaften 1 700 Milliarden Schilling erreicht. Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren: 274 Millionen Schilling pro Tag oder 11,5 Millionen Schilling pro Stunde an Schulden! Das können Sie nehmen wie einen dreieckigen Hut: Egal, wie Sie das drehen und wenden, es ändert sich an dieser Situation im Moment nichts!

In meiner beruflichen Tätigkeit habe ich täglich mit Kalkulationen und Kostenrechnungen zu tun. – Dass Ihre Kalkulation, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten, jeglicher betriebswirtschaftlichen Grundlage entbehrt, ist wohl selbstredend. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um Abhilfe in Bezug auf die vorhin genannten Tatsachen zu schaffen, war es dringend notwendig, eine Sanierung des Staatshaushaltes in Angriff zu nehmen. Und dabei muss auch – so schmerzlich das ist – beim so genannten "kleinen Mann" gespart werden. Hinzuzufügen ist dem aber, dass dabei sehr wohl größtes Augenmerk auf die Verteilung der Belastungen gelegt wird. Trotz aller finanziellen Schwierigkeiten sind wir selbstverständlich bestrebt, sozial verträgliche Ausgewogenheit zu erzielen, das heißt, einnahmenseitig 7 Milliarden Schilling und ausgabenseitig 35 Milliarden Schilling einzusparen.

Etwas, was die Sozialdemokraten in 30 Jahren nicht geschafft haben, macht diese Regierung jetzt möglich, nämlich die Angleichung von Arbeitern und Angestellten. Eine Neuregelung der Abfertigung ist neben der Schaffung von mehr Gerechtigkeit für Arbeitnehmer vor allem auf Grund der wachsenden und notwendigen Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt dringend erforderlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang könnte ich mir zum Beispiel das Mitnehmen des anteiligen Abfertigungsanspruches bei einem neuen Dienstgeber, und zwar auch bei Selbstkündigung, vorstellen, eben als Modell "Abfertigung neu". – Bisher hat vor allem Widerstand seitens der SPÖ und sozialdemokratischer Gewerkschafter die Einführung dieser sinnvollen und für Arbeitnehmer vorteilhaften Regelung verhindert.

Des Weiteren geistern immer noch Gerüchte herum, wonach diese Regierung Eingriffe in die Regelung bezüglich 13. und 14. Monatsgehaltes vornehmen würde. – Dies ist schlicht und


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 154

einfach falsch, entspricht keinesfalls der Realität! (Abg. Dr. Mertel: Geben Sie uns darauf Ihr Ehrenwort, Herr Brugger?)

Richtig ist vielmehr, dass zum Beispiel eine so genannte Musterfamilie, also eine Familie mit zwei Kindern, auf Grund von Mietzinssenkung, Strompreissenkung oder Kindergeld durchschnittlich zirka 10 000 S pro Jahr netto spart. Das verstehen wir unter Entlastung und unter einem messbaren Effekt – und das ist keine Belastung, wie von Ihnen von der linken Seite immer wieder behauptet wird.

Mit der Angleichung der Rechte der Arbeiter im Krankheitsfall an die Rechtslage der Angestellten wird eine jahrzehntelange Ungerechtigkeit beseitigt werden. Das bedeutet für 1,2 Millionen Arbeitnehmer eine wesentliche Verbesserung ihrer Arbeitnehmerrechte. Da nützen auch stapelweise und jahrelange Ankündigungen nichts, da nützen auch fromme Wünsche sozialdemokratischer Gewerkschafter nichts. Da hilft nur etwas: nämlich handeln und umsetzen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen damit zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 in 189 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Verzetnitsch und Genossen einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen der Abgeordneten Riepl und Genossen auf getrennte Abstimmung über die Artikel 6 und 11 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes vor.

Dazu wurde auch namentliche Abstimmung verlangt.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten gesamtändernden Abänderungsantrag, dann über die durch die Verlangen auf namentliche und getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den gesamtändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Verzetnitsch und Genossen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt. (Abg. Verzetnitsch: Das wäre jetzt eine Chance gewesen!)

Wir kommen nunmehr zur getrennten Abstimmung über die Artikel 6 und 11 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Hiezu ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja", das sind die grauen Stimmzettel, beziehungsweise "Nein", das sind die rosafarbenen Stimmzettel.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 155

Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Artikel 6 und 11 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes stimmen, "Ja" - Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein" - Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Reitsamer, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Frau Abgeordnete Haller wird sie später dabei ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Reitsamer beziehungsweise Haller werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Wahlurne.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführerinnen die Stimmenzählung vornehmen.

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 16.33 Uhr unterbrochen und um 16.38 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis wie folgt bekannt:

Abgegebene Stimmen: 166, davon "Ja" -Stimmen: 96, "Nein" -Stimmen: 70.

Artikel 6 und 11 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes sind somit angenommen.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Stimmverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Auer, Aumayr;

Bauer Rosemarie, Baumgartner-Gabitzer, Böhacker, Bösch, Brinek, Bruckmann, Brugger, Burket;

Dolinschek, Donabauer;

Egghart, Ellmauer;

Fallent, Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Fischl Harald, Freund;

Gahr Hermann, Gatterer, Gaugg, Graf Herbert L., Graf Martin, Grollitsch, Großruck;

Haigermoser, Hakl, Haller, Hartinger, Haupt, Hofmann, Hornegger Franz, Hornek Erwin;

Kampichler, Khol, Kiss, Knerzl, Kopf, Kößl, Krüger, Kukacka, Kurzbauer, Kurzmann;

Leiner, Lentsch, Lexer, Loos;

Maderthaner, Mainoni, Miedl, Mikl-Leitner, Mitterlehner, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neudeck;


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 156

Ofner, Ortlieb;

Papházy, Partik-Pablé, Pecher, Pistotnig, Povysil, Prinz, Prinzhorn, Pumberger, Puttinger;

Rasinger, Reindl Hermann;

Schender, Schoettel-Delacher, Schöggl, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schweisgut, Schweitzer, Sodian, Spindelegger, Staffaneller, Steibl, Stummvoll;

Tancsits, Trattner, Trinkl;

Wattaul, Weinmeier, Wenitsch, Westenthaler, Windholz, Wolfmayr;

Zellot, Zernatto, Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Antoni;

Bauer Sophie, Binder, Brix, Brosz, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Dobnigg;

Eder Kurt, Edler Josef, Edlinger, Einem;

Faul, Fischer;

Gaál, Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Grabner, Gradwohl, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heindl Kurt, Heinisch-Hosek, Heinzl, Huber;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Keppelmüller, Kostelka, Kräuter, Kubitschek, Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Leikam, Lichtenberger;

Mertel, Muttonen;

Niederwieser;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Pendl, Petrovic, Pfeffer, Pirklhuber, Pittermann, Plank, Posch;

Rada, Reheis, Reitsamer, Riepl;

Schasching, Schieder, Schlögl, Schwemlein, Silhavy, Sima, Stoisits;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Wimmer, Wittmann, Wurm.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 157

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (Abg. Schwemlein: Das ist die herbeieilende Mehrheit!)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung, in 21 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ferner lasse ich darüber abstimmen, dass der gegenständliche Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluss des Staatsvertrages: Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation, in 39 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Da der vorliegende Staatsvertrag verfassungsergänzend ist, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages die Genehmigung zu erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig und damit angenommen.

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird, samt Titel und Eingang in 192 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 165/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (193 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 158

16.42

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister – er ist leider noch nicht hier! Meine Damen und Herren! Heute geschieht in diesem Hause zwar etwas Einmaliges, ich würde aber trotzdem sagen, dass es keine Sternstunde des Parlamentarismus ist.

Wir beschließen heute Dinge, die bereits geltendes Recht sind, aber offensichtlich – und wir haben es ja in letzter Zeit des Öfteren mit Vergesslichkeit zu tun – sind das Bezügebegrenzungsgesetz, das Arbeiterkammergesetz 1992, die Novelle 1997 zum Arbeiterkammergesetz spurlos an Ihnen vorübergegangen. Das ist besonders für Herrn Kollegen Khol bemerkenswert. Wenn es um Geschäftsordnungstricks geht, kann er sich nämlich auf Jahre zurückerinnern, wenn es aber um die Regierungsbeteiligung der ÖVP geht oder um bereits in der Vergangenheit beschlossene Gesetze, setzt dieses so gute Erinnerungsvermögen auf einmal aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist einmalig und erstmalig, dass es heute hier um ein Organisationsgesetz der Arbeiterkammern geht, aber diesbezüglich kein Kontakt zur Bundesarbeitskammer gesucht wurde. Das steht übrigens auch im Widerspruch zur Präambel Ihrer Regierungserklärung, meine Damen und Herren!

Einmalig und erstmalig ist weiters: Man gibt vor, Privilegien abzubauen, die es aber längst nicht mehr gibt! Auch Herr Bundesminister Bartenstein als oberstes Aufsichtsorgan hat im Sozialausschuss berichtet, dass es keinerlei Beanstandungen bei der Überprüfung gegeben hätte.

Es sind also die Bezüge geregelt, für die Pensionen gibt es jetzt das Pensionskassengesetz, die Abfertigungen wurden abgeschafft. Was bleibt also übrig? – Parteipolitisches Taktieren! In polemischer Art und Weise versucht man, den Menschen zu vermitteln, man hätte Ordnung geschaffen, und zwar dort, wo es keine Ordnung zu schaffen gibt. Man schürt Emotionen und missbraucht die Gesetzgebung für Scheinaktionen. Das ist einmalig!

Ich habe in der Begründung des Abänderungsantrages ein bisschen geschmökert und dort eine weitere Einmaligkeit gefunden: In öffentlichen Erklärungen wird versichert, dass in bestehende Verträge nicht eingegriffen werden soll. In der Begründung des Antrages heißt es allerdings nebulos, und jetzt hören Sie bitte gut zu: "Die bisher abgeschlossenen und in Geltung stehenden Verträge werden entsprechend anzupassen sein."

Faktum ist, dass im Bezügebegrenzungsgesetz beziehungsweise in der Arbeiterkammergesetz-Novelle 1997 die Weitergeltung der bestehenden Verträge durch eine Übergangsbestimmung im Verfassungsrang ausdrücklich angeordnet wurde. Von dieser Verfassungsbestimmung kann durch ein einfaches Gesetz nicht abgegangen werden. – Was also soll diese Bemerkung in der Begründung, meine Damen und Herren?

Ich weiß schon, es geht Ihnen darum, Druck auf die Arbeiterkammern auszuüben. Die Diskussion über die Senkung der Arbeiterkammerumlage schließt sich hier nahtlos an. Aber andere Kammern interessieren Sie offensichtlich nicht. Mit Ihrer neuen Form des Regierens verbreiten Sie Rechtsunsicherheit, und die AK ist wieder mehr gefragt.

Meine Damen und Herren! Die Kammerumlage wird in Frage gestellt?! Dazu möchte ich sagen, dass bei der AK auch von freiheitlichen Funktionären nachgefragt wird. Ich zitiere das "WirtschaftsBlatt" vom 11. April 2000:

"Die Kampagne der FPÖ gegen zu hohe Arbeiterkammerbeiträge bekommt neuen Zündstoff. Konkret geht es um den kostenlosen Rechtsschutz, den freiheitliche Politiker als AK-Mitglieder in Anspruch nehmen, und das obwohl sie gleichzeitig eine 40-prozentige Kürzung der Kammerumlage fordern, jener Umlage, aus der auch der Rechtsschutz finanziert wird." (Abg. Silhavy: Da sieht man wieder die Doppelbödigkeit dieser Politik!)

Es kommt noch dicker, meine Damen und Herren! Ich zitiere weiter: "Zuletzt musste die Arbeiterkammer für Reinhart Gaugg, Nationalratsabgeordneter und Landesobmann der freiheitlichen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 159

Arbeitnehmer, tief in die Tasche greifen. 97 000 S kostete der verlorene Prozess." – Ich sage nicht, worum es ging, das klammere ich aus.

"Gaugg: Die Kammer hat mich schlecht vertreten, sonst hätten wir den Prozess gewonnen! Jedenfalls müsse die AK die Interessen aller ihrer Mitglieder vertreten, auch wenn sie Freiheitliche sind." – Ja, Herr Kollege Gaugg, aber dann sollten Sie deren Finanzierung nicht permanent in Frage stellen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es geht aber noch weiter: Da gibt es einen freiheitlichen Landtagsabgeordneten, Siegfried Jost, und den Keutschacher Bürgermeister Gerhard Oleschko. Auch diese beiden haben ein Verfahren anhängig, das noch nicht abgeschlossen ist. Ich zitiere:

"Oleschko widerspricht seinem Parteifreund Gaugg allerdings, er sagt: AK-Rechtsschutz und -Beratung sind vorbildlich. Auch Siegfried Jost lobt die kostenlose Beratung der AK." – Das nur, damit Sie einmal selber darüber nachdenken, was Sie hier so alles zusammendrehen.

Auch die Ergebnisse der AK-Wahlen sprechen für sich und haben sich für Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, als Bumerang erwiesen. Führen Sie nur weiter Scheingefechte, die Arbeitnehmer dieses Landes werden sie richtig zu deuten wissen! (Beifall bei der SPÖ.)

16.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

16.48

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Wort noch zu Herrn Kollegen Van der Bellen im Zusammenhang mit seiner Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Es ist schon sehr sonderbar, dass gerade ein Vertreter jener Fraktion, nämlich der Grünen, die im In- und Ausland schon öfters dafür eingetreten ist und immer wieder dafür eintritt, Österreich von ausländischen Vertretern, auch von Medien beobachten zu lassen, fordert, dass das israelische Fernsehen (Abg. Dr. Kostelka: Zur Sache!) – ich weiß, dass es Ihnen unangenehm ist – des Saales verwiesen werden soll. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Jetzt gestehe ich ihm zu, dass er das nicht gewusst hat, Herr Kollege Öllinger, aber es wäre doch ein Zeichen des Anstandes, wenn sich Herr Kollege Van der Bellen beim israelischen Fernsehen, das ich namens meiner Fraktion recht herzlich willkommen heißen möchte, dafür entschuldigt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das wäre das Mindeste an Anstand, was ein Professor Van der Bellen hier im Hause auch leisten sollte. Er sollte sich wirklich für diese Entgleisung, für diese voreilige Meldung entschuldigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren führen wir die Diskussion über die Arbeiterkammer, über dort existierende Privilegien, über unverhältnismäßige Bezugszahlungen, Pensionsregelungen, Abfertigungen. All das diskutieren wir. Frau Kollegin Reitsamer hat gesagt, man schüre Emotionen. – Ich gebe Ihnen Recht, Frau Kollegin! Es wurden jahrelang Emotionen geschürt (Abg. Dr. Mertel: Von Ihnen!), nämlich bei der Bevölkerung, die kein Verständnis hat für unverhältnismäßige Bezugszahlungen, für Privilegien, für Pensionen, für Abfertigungen, Aufwandsentschädigungen, die nicht zu rechtfertigen sind.

Wir sagen mit diesem neuen Gesetz auch in Richtung Arbeiterkammer ganz klipp und klar: Der Fasching ist aus! Es kommt jetzt eine Reform, die wir den Menschen auch vor der Wahl versprochen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das setzen wir um, indem wir eine AK-Gesetzesnovelle beschließen, die ein wirklich entscheidender Schritt in Richtung Gerechtigkeit, in Richtung Privilegienabbau, aber auch in Richtung Transparenz und Kontrolle bei den Arbeiterkammern ist. Gleichzeitig – und das ist das Wich


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 160

tige! – schaffen wir auch die dringend notwendige gesetzliche Anpassung an das Bundesbezügegesetz, die nämlich noch nicht durchgeführt worden ist, die Sie beim Beschluss des Bundesbezügegesetzes durchzuführen vergessen haben, wo es keine Rechtssicherheit gegeben hat. Daher ist das ein wichtiger Schritt, auch was die Kammern selbst betrifft. (Abg. Dietachmayr: Das haben wir längst gemacht!)

Ich führe es Ihnen in sechs Punkten vor, Frau Kollegin Reitsamer, weil Sie gesagt haben, es ändere sich nichts beziehungsweise wir ändern da nichts. Sechs Punkte sind da wesentlich.

Erster Punkt: Es wird in Zukunft bei den Funktionsgebühren nicht mehr davon abhängen, was der AK-Vorstand an Funktionsgebühren verhängt, sondern in Hinkunft werden Funktionsgebühren, sofern es welche zu beschließen gibt, in einer eigenen Funktionsgebührenverordnung von der Vollversammlung der Arbeiterkammer festgelegt. Bisher hat das, wie gesagt, der AK-Vorstand gemacht. Darüber hinaus bedarf es einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde, in diesem Fall durch das Bundesministerium. Das ist eine gute Regelung, die nicht nur eine umfassende Information über die Höhe der einzelnen Funktionsgebühren, sondern auch mehr Transparenz und mehr Kontrolle bewirkt.

Zweiter Punkt: Wir haben sichergestellt, dass Arbeiterkammerpräsidenten – um diese ist es ja in der Diskussion hauptsächlich gegangen – in Zukunft keine AK-Pension mehr erhalten können. Da wird immer der Einwand gebracht, das habe man schon mit dem Bundesbezügegesetz geregelt. Das ist zwar richtig, aber es stand noch immer im veralteten Arbeiterkammergesetz, das jetzt reformiert wird. Das mussten wir reparieren. Das Gleiche gilt auch für den dritten Punkt, für die Abfertigungen. Diese wird es in Zukunft ebenfalls nicht mehr geben.

Vierter Punkt: Entscheidend ist auch, dass in Zukunft an Funktionäre der Arbeiterkammer keine pauschalierten Aufwandsentschädigungen mehr gezahlt werden dürfen. Es wird keinen pauschalierten Aufwandsersatz mehr geben. Das war ein Zentrum, ein Hort des Missbrauchs, und das haben wir mit dieser Gesetzesnovelle bereinigt und abgeschafft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der fünfte Punkt – das ist ein sehr wichtiger Punkt, ein Punkt, der eine besondere Skurrilität in der bisherigen Gesetzeslage bewirkt hat – betrifft die Frage der Dienstverträge für Arbeiterkammerpräsidenten. Man muss sich das einmal vorstellen: Bisher war es so, dass sich Arbeiterkammerpräsidenten mit dem Vorstand selbst einen Dienstvertrag ausverhandelt haben, der im Wesentlichen dann irgendwo verborgen geblieben ist. Das heißt, ein AK-Präsident hat in Wirklichkeit mit sich selbst Dienstverträge ausverhandelt, die dann immer Thema von breiten Erörterungen auch in den Medien waren, weil sie nämlich genau jene Privilegien enthalten haben, die wir jahrelang kritisiert haben. Das geht in Zukunft nicht mehr.

In Zukunft werden Verträge einer strengen Kontrolle zu unterziehen sein, und sie können nicht mehr mit dem AK-Vorstand ausgemacht werden, weil es das nicht mehr geben wird. Es wird keine Dienstverträge mehr geben, durch welche all diese Dinge, die wir immer kritisiert haben, wie zusätzliche Bonifikationen, Dienstwagen, Dienstwohnung und so weiter, möglich gemacht werden können. Das wird es nicht mehr geben, weil wir jetzt eine entsprechende Gesetzesänderung beschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Es gibt keine Dienstwohnungen! – Abg. Dr. Mertel: Sagen Sie uns, wer eine Dienstwohnung hat! Lauter Seifenblasen!)

In Zukunft ist daher ausgeschlossen, dass AK-Präsidenten neben den Funktionsgebühren, die hinkünftig einer strengen Kontrolle unterzogen sein werden, weitere Begünstigungen erhalten. Sie erhalten, sofern angemessen, Funktionsgebühren, und auch das nicht vierzehn Mal, sondern nur zwölf Mal, und wiederum hat die Aufsichtsbehörde, das heißt das Bundesministerium, auf die Einhaltung dieser Bestimmungen zu achten.

Sechster Punkt: Nicht nur die Rechte der Aufsichtsbehörde werden ausgeweitet, sondern auch die Aufsichtsbefugnisse des Rechnungshofes.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 161

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier eine AK-Reform vorliegen, eine AK-Novelle, die tatsächlich ein wesentlicher Schritt nach vorne ist und die Schluss macht mit ungerechtfertigten Privilegien und unrechtmäßigen Gehaltszahlungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weil Sie vorhin dargelegt haben, wie das mit den AK-Umlagen ist, sage ich Ihnen Folgendes: Ich habe einen Brief von Herrn Tumpel bekommen, weil ich ja Mitglied der Arbeiterkammer bin. (Abg. Dr. Mertel: Ach so! Mitglied!) In diesem Brief steht meine Mitgliedsnummer, diese habe ich sogar mitgeteilt bekommen. Jetzt weiß ich, dass meine Mitgliedsnummer 5733423 ist. Dieser Brief stammt vom 11. April 2000. Darin schreibt mir Herr Präsident Tumpel ... (Abg. Dr. Mertel: Sie sind Mitglied? Wo sind Sie beruflich tätig?)

Ich frage mich das auch! Ich bin Mitglied laut diesem Brief. Die AK hat meine Adresse. Ich habe mich auch sehr gewundert, dass ich von Herrn Tumpel einen Brief bekommen habe. (Abg. Edlinger: Was haben Sie für einen Nebenjob? Hochinteressant! Sie müssen doch einen Beruf haben! Was tun Sie noch?) Die müssen in der AK einmal ihre Kartei bereinigen. – Herr Tumpel schreibt mir Folgendes:

"Nach jüngsten Medienberichten plant die Bundesregierung eine Senkung der Arbeiterkammerumlage. Das bedeutet" – jetzt gut aufpassen! – "für alle Arbeitnehmer, auch für Sie, eine massive Einschränkung des notwendigen Leistungsangebots in der Arbeitsrechtsberatung, im Rechtsschutz und im Konsumentenschutz."

Herr Tumpel behauptet damit, durch die Kürzungen bei der AK-Umlage würde das geschehen. Ich trete den Gegenbeweis an und bringe Ihnen ein Beispiel betreffend die Arbeiterkammer Niederösterreich, von der mir die Vermögensbilanz 1999 in die Hände gefallen ist. Diese schaut folgendermaßen aus:

Die Arbeiterkammer Niederösterreich besaß im Jahre 1999 ein Kapitalvermögen von 600 Millionen Schilling – ich wiederhole: 600 Millionen Schilling! –, nimmt aber auch die vereinnahmte Kammerumlage in der Höhe von 520 Millionen Schilling ein. Das heißt, die Arbeiterkammer tut etwas, was sie gar nicht dürfte, nämlich sie kumuliert Kapital. Wenn man diese 600 Millionen Schilling aufgliedert, kommt man zu folgenden Beträgen: 270 Millionen Schilling an Aufwendungen für das Personal, also 45 Prozent, aber lediglich – und jetzt kommt der Punkt! – 12,5 Millionen Schilling, also 2 Prozent – ich betone: 2 Prozent! – vom gesamten Kapital der Niederösterreichischen Arbeiterkammer, werden für den so genannten Rechtsschutz und für die Rechtsberatung verwendet. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Angesichts dieser Tatsachen geht der AK-Präsident noch her und macht eine Verunsicherungskampagne und sagt: Wenn wir die AK-Umlage kürzen, dann müssen wir genau diese 2 Prozent, die wir für die Rechtsberatung ausgeben, wegnehmen. – Das ist Angstmache und nicht zu rechtfertigen! Darüber werden wir noch entsprechend diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Sie haben wirklich keine Ahnung!)

Meine Damen und Herren! Nur zum Vergleich, damit Sie es auch wissen: 12,5 Millionen Schilling an Aufwendungen für die Rechtsberatung, aber 26,3 Millionen Schilling für Propagandazwecke. (Abg. Mag. Firlinger: Pfui!) Ich wiederhole: 26,3 Millionen Schilling für die Öffentlichkeitsarbeit im Jahre 1999 – und da war keine AK-Wahl. Ich möchte nicht wissen, wie viel es im heurigen Jahr ist.

Ich darf Ihnen versichern: Wir werden die Arbeiterkammer weiter in die Pflicht nehmen. Wir werden weiterhin – sollte es da wieder Schlupflöcher geben, was natürlich jetzt schwieriger sein wird – entschieden gegen Privilegien und Geldverschwendung und Missbrauch auftreten, denn das ist das Geld der österreichischen Arbeitnehmer. Darum machen wir uns Sorgen, und darüber werden wir weiterhin wachen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Edlinger: Es wäre interessant zu


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 162

wissen, wo Herr Westenthaler noch ein Cash kriegt! Wo ist der noch angestellt? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.58

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eine Aufregung des Abgeordneten Westenthaler kann ich versuchen zu klären, eine Aufregung, die er erlitten hat, als er auf seine Nummer verwiesen hat. Herr Abgeordneter Westenthaler! Die Nummer, die Sie da vorgelesen haben, ist die EDV-Registrierungsnummer, die muss auf jedem EDV-unterstützt verschickten Formular stehen. (Abg. Ing. Westenthaler begibt sich zum Rednerpult und zeigt dem Redner ein Schreiben, mit dem Hinweis: Das ist meine Mitgliedsnummer! Das ist keine EDV-Nummer!)

Herr Abgeordneter Westenthaler! Das Nächste: Wenn Sie – worüber zu diskutieren ist – die Ausgaben für den Rechtsschutz in der Höhe von 2 Prozent im Gesamtzusammenhang der Aufwendungen ausmachen, dann frage ich Sie, Herr Abgeordneter Westenthaler: Wie hoch schätzen Sie den Aufwand, der der Arbeiterkammer durch Ihre Reform jetzt erspart bleiben wird? Ich kann Ihnen auch da eine Zahl nennen. Das sind 0,00 Prozent. Diese Reform ist, was ihren materiellen Wert betrifft, völlig wertlos.

Ich versuche nun, noch auf Details einzugehen, denn Sie haben ja auch einige Details angeführt, Herr Abgeordneter Westenthaler.

Erster Punkt: die Funktionsgebühren. – Auch ich bin dafür, dass die Funktionsgebühren des Präsidenten von der Vollversammlung beschlossen werden. Das halte ich für eine sinnvolle Maßnahme. Aber gibt es da auch nicht eine Selbstverwaltung, die das beschließen könnte? Gibt es da nicht auch die Möglichkeit, dass man – wenn man dieser Meinung ist, und ich bin sehr wohl dieser Meinung – das über Beschlüsse regelt? – Okay!

Kann es möglich sein, Herr Abgeordneter Westenthaler, dass man deswegen, weil bisher die Funktionsgebühr beziehungsweise der freie Dienstvertrag des Präsidenten vom Vorstand beschlossen wurde und in Zukunft von der Vollversammlung beschlossen werden soll, das als eine Reform der Arbeiterkammer verkaufen will? Das kann es doch nicht gewesen sein! Das weiß auch Herr Abgeordneter Khol. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich komme auf die weiteren Punkte, die Sie in der öffentlichen Debatte angeführt haben, zu sprechen. – Da stellen sich die Abgeordneten Khol und Westenthaler vor die Öffentlichkeit hin und sagen, bei den AK-Pensionen gebe es noch einiges aufzuklären und einige Leichen seien da noch im Keller. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Jetzt hat sich herausgestellt, dass der Herr Wirtschaftsminister nach der entsprechenden Prüfung hat feststellen müssen, dass keine Leichen im Keller sind. Punkt eins zu den Pensionen.

Punkt zwei: Sie haben beide erklärt, die Abfertigungsregel müsse abgeschafft werden. Die gibt es aber nicht mehr. Das haben Sie inzwischen auch selbst eingesehen und aus dem Antrag wieder herausgenommen. Aber Herr Abgeordneter Westenthaler hat es jetzt noch als einen Punkt seiner Reform, die er verkündet hat, hier dargebracht. – Es gibt keine Abfertigungen, darum erübrigt sich auch die Debatte darüber.

Ich nenne einen weiteren Punkt: die freien Dienstverträge. – Nun ja, es gilt wie für Punkt eins dasselbe: Ob das jetzt von der Vollversammlung oder vom Vorstand beschlossen wird (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Unterschied!), macht zwar einen Unterschied, aber macht das eine Arbeiterkammerreform aus? (Abg. Ing. Westenthaler: Schon! Vollversammlung sind alle!) Ist es das, was eine Demokratisierung der Arbeiterkammer ausmacht? Herr Abgeordneter Westenthaler, das glauben Sie doch selbst nicht!

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie machen hier eine Reform, deren materieller Gehalt 0,0 Prozent ausmacht, aber Sie stellen sich her und sagen: Wir haben bedeutende Reformen eingeleitet! Also wenn es das nicht gewesen ist, dann ist natürlich die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 163

Frage zu stellen, ... (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Es ist leider nicht bei allen Reformen so, denn etliche der Reformen, Kollege Edlinger, die die Freiheitlichen und die ÖVP beschlossen haben, kosten uns sehr viel Geld und werden uns auch noch sehr viel Geld kosten. Wir sollten auch darüber diskutieren. (Abg. Edlinger: Da haben Sie Recht! Sie haben mich überzeugt!)

Aber jetzt kurz noch zurück zu dieser Reform. Ihr materieller Gehalt beträgt 0,0 Prozent. Worum geht es dabei? – Sie haben gesagt, Sie wollen die Arbeiterkammer in die Pflicht nehmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Für Rechtsschutz nur 2 Prozent!) Ich habe nichts dagegen, dass man mit der Arbeiterkammer in eine sinnvolle Auseinandersetzung über die Demokratisierung tritt. Im Gegenteil! Dafür können Sie mich jederzeit gewinnen. Nur: Das, was Sie als Vorschläge für die Demokratisierung der Arbeiterkammer gebracht haben, hat auch einen materiellen Gehalt von faktisch null.

Das ist nur ein Punkt: die Gebührensache, und das Gremium ist jetzt die Vollversammlung und nicht mehr der Vorstand. – Ich muss sagen: Eine "gewaltige" Reform haben Sie da losgetreten – eine gewaltige Reform mit einem erheblichen öffentlichen Aufwand und Getöse. Jetzt glaube ich auch zu wissen, warum dieses öffentliche Getöse notwendig war. Wohl deshalb, weil Sie vorher erklärt haben, da sei einiges an Beiträgen einzusparen.

Jetzt wissen wir aber, dass das, was diese Reform ausmacht, nicht zu Beitragseinsparungen führen kann, weil das 0,0 Prozent sind. Was bleibt übrig? – Das Getöse. Herr Abgeordneter Khol und Herr Abgeordneter Westenthaler, es bleibt nur mehr das Getöse übrig, das Sie öffentlich inszeniert haben, mit dem Sie aber etwas ganz Bestimmtes erreichen wollten. Das war nämlich der Fingerzeig an die Arbeiterkammer: Wenn ihr nicht aufpasst, dann können wir euch jederzeit wieder und viel stärker als diesmal disziplinieren!

Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass Sie wirklich fast schon die totale Macht über die Selbstverwaltung in der Arbeiterkammer anstreben. (Beifall bei den Grünen.)

17.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Er hat das Wort.

17.03

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Arbeiterkammergesetz-Novelle – eine viel diskutierte Gesetzesmaterie, obwohl es dabei nur um eine Anpassung, um die Schaffung von Rechtssicherheit in Bezug auf das Bundesbezügegesetz geht. Aber ein Punkt dabei ist auch, wie sehr richtig von meinen Vorrednern darauf hingewiesen wurde – und ich glaube, dass das die hier entstandene Aufregung verursacht hat –, die Aufsicht in Form von Aufsichtsgremien, in Form von Rechnungshof und in Form der Aufsichtsbehörde. Das hat auch Herr Abgeordneter Öllinger durchaus richtig erkannt.

Ich sage auch gleich am Anfang Folgendes, weil Frau Kollegin Reitsamer auch auf die Arbeiterkammerwahlen hingewiesen hat: Was rechtens ist – auch in der Verwendung von Mitteln –, entscheiden in diesem Land glücklicherweise nicht Mehrheiten, sondern der Rechnungshof, die zur Aufsicht berufenen Behörden und notfalls die Gerichte. In diesem Sinne halte ich es für günstig, uns gerade hier mit der Arbeiterkammer und ihrer Organisation auseinander zu setzen.

Anpassung an das Bundesbezügegesetz heißt Rechtssicherheit schaffen. Man soll keine Pension geben, die es im Moment nicht gibt. Aber auch da soll man der Versuchung vorbeugen, denn gerade der letzte Arbeiterkammerwahlkampf hat uns drastisch vor Augen geführt, mit welcher Unverschämtheit auf die Mittel der Kammerumlagen zurückgegriffen wird, um parteipolitische Ziele zu verfolgen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Das ist richtig!)

Ich bringe Ihnen einige Beispiele dafür. Ich rede nicht von den Fraktionsmitteln, sondern von jenen dreistelligen Millionenbeträgen, die dafür aufgewendet wurden, um "objektive" Informationen der Arbeiterkammer an die Haushalte zu versenden, zu inserieren und zu plakatieren. Darin stand zu lesen: 32 000 Hausbesorger verlieren ihre Jobs!, oder: Es gibt 20 Prozent Abschläge von den Pensionen!, oder: Für die Einsetzung eines Herzschrittmachers werden


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 164

28 000 S Selbstbehalt verlangt. (Abg. Dr. Mertel: Wenn die Wahrheit geschrieben wird, protestieren Sie gegen die Wahrheit!)

Man hat auch nicht davor zurückgeschreckt, in einer Informationsstelle, in einer Geschäftsstelle der Wiener Gebietskrankenkasse einen solchen Zettel aufzulegen, obwohl man genau wusste, dass dort Arbeitnehmer hinkommen, die vielleicht der deutschen Sprache nicht mächtig sind und das dann für bare Münze halten (Abg. Dr. Mertel: Das ist bare Münze!) und deshalb einen Krankheitsfehler nicht behandeln lassen, sondern vor Angst wieder nach Hause gehen. Ich halte diese Vorgehensweise bei einem Selbstbehalt von 210 S in Wahrheit für einen Skandal! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Sie können sich nicht darüber hinwegschwindeln, dass Sie eine Sozialdemontage durchführen!)

Ich habe das bewusst vorangestellt und bringe jetzt Beispiele für die Anti-Regierungswerbung. Es wurde zum Beispiel in einem Brief an einen Facharbeiter in Oberösterreich Folgendes geschrieben – ich zitiere –:

"Die Regierung hat für qualifizierte Fachkräfte aber nicht viel übrig. Im Falle der Arbeitslosigkeit sind Ihre mühsam erworbenen Qualifikationen nichts mehr wert." – Unterschrieben wurde das vom AK-Direktor und vom AK-Präsidenten. Da steht: "Hubert Wipplinger, am 30. Mai 2000".

Oder – und das halte ich für einen Skandal –: ein Infofax der Arbeiterkammer Niederösterreich an Betriebsräte. (Abg. Edlinger: Würden Sie von Herrn Dinkhauser auch eines vorlesen?) Ich zitiere wieder:

"Es ist daher unbedingt erforderlich, allen Kollegen, die mit einem ablehnenden Bescheid oder mit dem Wunsch auf eine Invaliditäts- beziehungsweise Berufsunfähigkeitspension in ihren Betriebsrat kommen, rasch vor dem 1.6., wenn Sie das 55. Lebensjahr vollendet haben, den Antrag zu stellen." – Zitatende. (Abg. Silhavy: Sie wollen das verschweigen! Sie wollen, dass sie die Rechte der Arbeitnehmer nicht mehr wahrnehmen! Schämen Sie sich!)

Meine Damen und Herren! Bisher weiß ich nur von Betrieben und von staatlichen Betrieben, dass sie Arbeitnehmer in die Pension drängen und aus dem Betrieb hinaus haben wollen. Da macht das aber die Arbeiterkammer Niederösterreich. Das ist ein Zustand, der in Hinkunft – und ich bitte, das auch der Aufsichtsbehörde mitgeben zu dürfen – abzustellen ist. (Abg. Silhavy: Sie wollen die Arbeitnehmerrechte beschränken! Deshalb gehen Sie auf die AK los!) Die Arbeiterkammern sind zur Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer da, und wir sind nicht bereit, diese demokratische Institution aus parteipolitischen Gründen aushöhlen zu lassen. Das sage ich Ihnen als überzeugter Christgewerkschafter und Arbeitnehmervertreter. – Glück auf! (Beifall bei der ÖVP.)

17.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Er hat das Wort.

17.09

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es wäre schon ganz interessant – auch für die Mitglieder dieses Hohen Hauses –, zu wissen, wo der Herr Westenthaler ein arbeiterkammerumlagepflichtiges Dienstverhältnis hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Das will ich ja wissen! Deswegen habe ich ja die Sache hier vorgebracht!) Es wäre eigentlich für uns alle ganz interessant, das zu wissen, daher lade ich Sie ein, hier diesbezüglich eine Offenlegung vorzunehmen.

Wenn Westenthaler arbeiterkammerpflichtig ist, dann stehen ihm natürlich auch die Informationen der AK zur Verfügung. Aber ich muss ihm schon sagen, dass er falsch informiert ist. Es gibt in ganz Österreich keinen einzigen Dienstvertrag für einen Präsidenten, auf Grund dessen er Anspruch auf eine Dienstwohnung hätte! Das hier zu behaupten, können Sie sich ruhig ersparen. Sie sollten wirklich nicht so tun, als gäbe es so etwas. (Abg. Silhavy: Das ist die Politik der FPÖ: Unwahrheiten verbreiten!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 165

Dem Kollegen Tancsits möchte ich sagen, dass es die Pflicht der Arbeiterkammer ist, ihre Mitglieder zu informieren. Und wenn eine Gesetzesänderung ins Haus steht, bei der es Betroffene gibt, dann ist es die Pflicht der Arbeiterkammer, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen, dass sie, wenn sie einen Antrag für eine bestimmte Art der Pension stellen wollen, das nur mehr bis zu einem bestimmten Datum tun können. Ich sehe das als Service für die Mitglieder und nicht so, wie Sie es hier dargestellt haben, als eine unrechte Tat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher noch einmal einige Worte zur AK-Umlage. Ich kann Ihnen dazu als Beispiel ganz genaue Zahlen aus Oberösterreich bringen. Die AK-Umlage beträgt, wie hinlänglich bekannt ist, 0,5 Prozent der Bemessungsgrundlage für die Krankenversicherung. In Oberösterreich zahlt jedes AK-Mitglied durchschnittlich 66 S pro Monat; das sind im Durchschnitt 2,19 S netto pro Tag. (Abg. Gaugg: Wie viel ist das in der Sekunde?)

Die Arbeiterkammer finanziert sich ausschließlich über die Umlage, sie erhält keinerlei sonstige Zuwendungen. Und was ganz wichtig ist: Für jeden Schilling, den die AK-Mitglieder in ihre Kammer einzahlen, fließen 3 S wieder zurück! Allein die Gelder, die die Arbeiterkammer in der Rechtsvertretung gegenüber den Unternehmern für ihre Mitglieder durchsetzt, machen die Kosten mehr als wett.

Ich kann Ihnen dazu schon noch einige Zahlen nennen, Herr Abgeordneter Westenthaler, weil Sie gefragt haben, wie denn das mit den Einnahmen der AK so vor sich gehe. Ich kann Ihnen die genauen Zahlen vom Rechnungsabschluss der Arbeiterkammer in Oberösterreich sagen. (Abg. Ing. Westenthaler: Niederösterreich! Mich interessiert Niederösterreich, nach Oberösterreich habe ich nicht gefragt!) Da gehen zum Beispiel 5 Prozent an die Bundesarbeitskammer, 34 Prozent in den Rechts- und Sozialbereich, 11 Prozent in den Bereich Wirtschaft, Umwelt und Konsumentenschutz, 17 Prozent in den Kultur- und Bildungsbereich, für Informationen und Öffentlichkeitsarbeit werden 10 Prozent aufgewendet, 7 Prozent für Wohnbaudarlehen, Beihilfen und sonstige Vergütungen, und in die Selbstverwaltung gehen ganze 2 Prozent. Also 2 Prozent macht der Anteil der Kosten der Selbstverwaltung aus! (Abg. Ing. Westenthaler: 40 Prozent für Personal!) Für Investitionen, das ist für Gebäudeerhaltungen und Ähnliches, werden 12 Prozent ausgegeben, meine Damen und Herren.

Mehr als 320 000 Beratungen für die Mitglieder wurden allein im Bundesland Oberösterreich in einem Jahr durchgeführt, weiters rund 12 000 Vertretungen, bei denen wiederum 660 Millionen Schilling durch Arbeitsrechtsvertretungen und Insolvenzrechtsschutz direkt an die Mitglieder zurückgeflossen sind. – Wenn das keine Leistungsbilanz ist!

Durch Rechtsberatung und Rechtsvertretung in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen ist ein Wert von 1,1 Milliarden Schilling für die Mitglieder erstritten worden. Ich glaube schon, dass es manchem in diesem Haus nicht sehr Recht ist, wenn die Arbeiterkammer diesbezüglich eine so erfolgreiche Bilanz vorweisen kann. Darum verstehe ich auch, dass es manchem sehr gelegen käme, wenn man diese Institution schwächen würde.

Meine Damen und Herren! Eines muss schon klar sein: Die Arbeiterkammer ist ein Fundament der österreichischen Demokratie und ein wesentlicher Bestandteil des Verfassungs- und Rechtssystems.

Und eines sage ich Ihnen auch noch zum Abschluss: Für uns Sozialdemokraten gilt ein Leitsatz ganz besonders: Solidarität ist die Verantwortung einem Schwächeren gegenüber. Und für die Schwächeren werden wir uns auch in Zukunft einsetzen! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 166

17.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte. (Abg. Dr. Mertel  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Gaugg –: Ich habe gedacht, Sie reden schon zum vorherigen Tagesordnungspunkt! Zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetz haben Sie nichts gesagt!)

17.14

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Interessenvertretungen sind schon notwendig und eine wichtige Einrichtung, aber die Rechbergers sterben nicht aus. Einer davon sitzt hier herinnen als Abgeordneter, und er hat sich vor kurzem von der Rednerliste streichen lassen, nämlich Herr Präsident Verzetnitsch. Er ist genau jenes Beispiel von Arbeitnehmervertreter, der wirklich fernab jeder Realität agiert. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nicht nur, dass er sich zu den prominentesten Einkommensbeziehern Österreichs zählt – ich gratuliere ihm dazu, wie er das alles summiert –, ist es auch erstaunlich, dass Kollege Edlinger sich so vehement bei der Arbeiterkammer einsetzt. Mich würde nur interessieren, ob er von seinem Konsulentenvertrag, den er bei der Bank Austria hat, auch eine Kammerumlage bezahlt oder letztlich die Mitarbeiter der Bank Austria auf Grund seines Konsulentenvertrages vielleicht da und dort eine Zulage nicht mehr bekommen. (Abg. Edlinger: Ich habe keinen Vertrag bei der Bank Austria! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist Ihre Form der Arbeitnehmerpolitik in der Arbeiterkammer. Sie legen immer großen Wert darauf, Arbeiterkammer und ÖGB in einem zu sehen. In Wirklichkeit wird diese Arbeiterkammer in Österreich von der SPÖ dazu missbraucht, gegen die Regierung zu arbeiten und nicht für die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer. Das ist der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie können aber auch, Herr Kollege Verzetnitsch, blendend von Ihren eigenen Privilegien ... (Abg. Silhavy: Haben Sie es den Unternehmern nicht schriftlich gegeben, dass Sie die Interessen der Unternehmer vertreten?!) Horchen Sie einmal zu, Frau Silhavy, auch das ist eine Eigenschaft, das habe ich Ihnen schon ein paar Mal gesagt. (Abg. Silhavy: Sie haben es den Unternehmern schriftlich gegeben, dass Sie deren Interessen vertreten!) Sie sollen da herinnen nicht so viel keppeln, Sie sollten lieber die Interessen der Arbeitnehmer in Österreich vertreten, das ist viel gescheiter! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Das ist eine Frechheit! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Abenteuerlich! (Abg. Dietachmayr: Entschuldigen Sie sich bei der Frau Kollegin!)

Sie, Herr Kollege Verzetnitsch, könnten einmal Ihren Mitarbeitern im ÖGB erklären, warum Sie den Personalstand von 2 000 auf 700 reduzieren wollen. Das ist Ihre Form der Unternehmenspolitik. Und Sie behaupten immer wieder, Kürzungen bei den Einnahmen im Arbeiterkammerbereich würden zu einem Zusammenbruch führen und Ähnliches mehr. Ich sage Ihnen eines: Verzichten Sie auf die parteipolitische Propaganda, und es ist ausreichend Geld vorhanden, um die Interessen Ihrer Mitglieder zu vertreten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Den Hauptpart der politischen Propaganda haben Sie übernommen!) Was ist mit Ihnen los?

Sie haben bei der letzten Arbeiterkammerwahl mit einem Riesenaufwand eine Kampagne gegen die Regierung in Szene gesetzt, und trotzdem haben Sie bei den Arbeiterkammerwahlen nur eine Wahlbeteiligung von nicht einmal 50 Prozent erreicht. Es ist auch von entwaffnender Ehrlichkeit, wenn Herr Abgeordneter Edler hier ans Rednerpult geht und sagt: Bei uns, bei den Eisenbahnern, ist die Welt noch in Ordnung, denn da wählen 90 Prozent die SPÖ. – Dazu sage ich Ihnen: Die wählen nicht aus Überzeugung die SPÖ, sondern deshalb, weil Sie seit Jahren Verunsicherung und Angst unter den Mitarbeitern verbreiten: Wehe, wenn ihr uns nicht wählt, dann seid ihr weg! (Abg. Silhavy: Das ist genau das, was Sie machen!)  – Das ist die Philosophie der SPÖ in den letzten Jahren gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sind schon längst keine Interessenvertretung mehr für die Arbeitnehmer. Eines würden sich die österreichischen Arbeitnehmer wünschen, nämlich jene Privilegien (Abg. Silhavy: Sie haben offen erklärt, dass Sie die Interessen der Unternehmer vertreten! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), die Sie den Präsidenten, den Spitzenangestellten in den Kammern gewähren. Das wäre eine Aufgabe für Sie, das einmal nachzuvollziehen: Da gibt es die Pensionskassen für die Präsidenten, sodass diese dann nach einer zehnjährigen Tätigkeit Nebenpensionen von 100 000 S haben. Alle haben daneben zumindest eine ASVG-Pension, wenn nicht auch eine Politikerpension, wie wir es ja mehrfach bei den Arbeiterkammern erleben. – Das ist der Hauptvorwurf, Herr Präsident Verzetnitsch: Ihre Lebensweise, die Sie vorleben.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 167

Dann gibt es Arbeiterkammerwahlen, und dann gibt es die große Aufregung, warum Klubobmann Westenthaler einen Brief von Herrn Tumpel bekommt. (Abg. Dr. Mertel: Das wollen wir von Ihnen hören!) Das ist das Adressenchaos, das Sie haben. Bei der letzten Wahl wurde es ja bestätigt. Die Adressen ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy.  – Abg. Ing. Westenthaler: Warum bekomme ich dann einen Brief? – Abg. Dr. Mertel: Wie viel verdienen Sie? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Das ist ein Geschnatter. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Was ist denn los?

Ich darf Ihnen nur eines versichern: Sie werden auch in der Kammer für Arbeiter und Angestellte Ihre Rechnung präsentiert bekommen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Warten Sie es ab, liebe Frau Kollegin Mertel! Sie sind ja kein Kammermitglied, Sie sind ja eine Landesbeamtin. Haben Sie die Arbeiterkammer schon ein Mal von innen gesehen? Haben Sie jemals die Interessen der Arbeitnehmer in der freien Privatwirtschaft vertreten? (Abg. Dr. Mertel: Mehr als Sie, aber ich habe kein Geld dafür bekommen!)

Darf ich Ihnen eines sagen und mit auf den Weg geben: Solange es Arbeitnehmervertreter (lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) mit Millionengagen wie Tumpel und Verzetnitsch gibt, verstehe ich auch, dass Herrn Gusenbauer neben seinem Abgeordnetengehalt noch einmal 70 000 S aus der maroden Parteikasse gezahlt werden müssen. – Das ist Ihre Form der Arbeitnehmerpolitik? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich betone noch einmal: Sie lassen es zu – Sie und Ihre Arbeiterkammern! –, dass Hunderttausende österreichische Arbeitnehmer Einkommen am Existenzminimum haben, einen Stundenlohn von 70, 80 S brutto. Das ist Ihre Leistung für die Arbeitnehmer: Spitzengagen für die Präsidenten und keine Interessenvertretung für die Arbeitnehmer! Und da werden wir Sie erwischen.

Wir werden Sie dabei erwischen und dafür sorgen, dass Sie die Kammerumlagen nicht mehr zu 2 Prozent für Rechtsberatung und zu 98 Prozent für Eigeninteressen verwenden, sondern dass Sie letztlich die gezahlten Kammerumlagen für die Interessen der Arbeitnehmer aufbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Herr Abgeordneter Edlinger zu Wort. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

17.19

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Gaugg hat behauptet, ich hätte einen Konsulentenvertrag mit der Bank Austria. – Das ist falsch!

Richtig ist, dass ich keinen Konsulentenvertrag mit der Bank Austria habe. Gaugg behauptet wie immer die Unwahrheit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommt wieder ein Redebeitrag!)

17.20

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gaugg hat behauptet, die AK werde von der SPÖ missbraucht, um gegen die Regierung zu arbeiten, statt für die Interessen der Arbeitnehmer einzutreten. – Dies ist falsch!

Richtig ist vielmehr: Die Arbeiterkammer ist von ihrer ganzen Zweckbestimmung her die Interessenvertretung der arbeitenden Menschen gegenüber dem Staat und hat daher genau diese Interessen gegenüber dem Staat zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 168

Wieder keine tatsächliche Berichtigung! Das ist ein politisches Werturteil! Zum dritten Mal keine tatsächliche Berichtigung!)

17.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich habe vor einer Stunde Auftrag gegeben, dass alle tatsächlichen Berichtigungen des heutigen und gestrigen Tages aus dem Protokoll gesammelt, analysiert und in der nächsten Präsidialsitzung besprochen werden.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Verzetnitsch. (Abg. Ing. Westenthaler: Dreimal Einem falsch! Das war keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Dr. Einem: Oh ja! Das war eine! – Abg. Silhavy  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler –: Sie kennen ja das Arbeiterkammergesetz gar nicht! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

17.22

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wenn Herr Abgeordneter Tancsits hier herausgeht und sagt, die Arbeiterkammerwahlen und vor allem der Wahlkampf hätten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass hier einseitig Parteipolitik gemacht wird (Abg. Mag. Tancsits: Richtig!), dann möchte ich fragen: Kollege Tancsits! Wie viele Briefe, wie viele öffentliche Äußerungen von Ihrem Parteikollegen Dinkhauser brauchen Sie, um klar und deutlich zu sehen, dass es Interessenpolitik ist, die hier aufgezeigt wird? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn Sie sich darüber beschweren, dass die Arbeiterkammer ihrer Informationspflicht nachkommt, dann frage ich Sie: Wie beurteilen Sie denn den Versicherungsverband, der seiner Informationspflicht nachkommt und die Versicherten darauf hinweist, dass die Versicherungssteuer durch diese Bundesregierung erhöht worden ist? (Abg. Dr. Puttinger: Falsch!) Ist das ebenfalls Parteipolitik, oder ist es das Aufzeigen von klaren Interessen, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Na, da quietschen die Reifen jetzt ordentlich!)

Herr Abgeordneter Westenthaler! Ich verstehe die Aufregung nicht. Sie selbst haben einen Brief zitiert. (Abg. Ing. Westenthaler: Warum krieg’ ich so einen Brief? Ich bin nicht Arbeiterkammermitglied!) Ich gehe davon aus, dass Sie ja wissen müssen, dass Sie als Arbeiterkammerpflichtiger nur dann wirklich registriert sind, wenn Sie auf Grund eines Dienstverhältnisses zum Zeitpunkt der Wahlerhebung – die Termine kennen Sie, wenn nicht, können Sie sich beim Kollegen Gaugg erkundigen, der kennt das (Abg. Silhavy: Das ist nicht so sicher!)  – als Arbeitnehmer arbeiterkammerumlagepflichtig waren. Es liegt an Ihnen – ich kann das nicht tun, sonst würde ich den Datenschutz verletzen –, sagen Sie klar und deutlich, was Sie zum Tage der Wahlerhebung an Dienstverhältnissen gehabt haben, sagen Sie, ob Sie ein zusätzliches Einkommen haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Überhaupt nicht! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.) Deklarieren Sie sich, und die Sache ist geklärt! (Abg. Ing. Westenthaler: Warum schicken die mir das zu?) Weil Sie arbeiterkammerumlagepflichtig waren, Herr Kollege. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Mehrfacheinkommen! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Das, was wir heute hier zu diskutieren haben, läuft ja auch unter dem Titel "Österreich neu regieren". Ich persönlich bin der Überzeugung, dass der Antrag der Abgeordneten Khol und Westenthaler in Wirklichkeit dazu dienen soll, Österreich in die Irre zu führen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Bezügeordnung ansprechen, die heute bundesweit geregelt ist, wollen Sie diese Bezügeordnung in Wirklichkeit nach Bundesländern unterschiedlich regeln. (Abg. Dr. Jarolim  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler –: Wie wäre es mit einer Offenlegung? – Abg. Mag. Trattner: Saubermann Jarolim! Seien Sie vorsichtig!) Was soll das an Verbesserung bringen? Da halte ich es doch lieber mit dem, was wir hier im Haus beschlossen haben: Bezügeordnung für das gesamte Bundesgebiet.

Der Herr Bundesminister – ich muss Sie wieder zitieren – ist in dem gegenständlichen Ausschuss gefragt worden, ob es irgendeinen Ansatz gibt, dass in den Arbeiterkammern entgegen den gesetzlichen Regelungen, die vorliegen, vorgegangen wird. Der Herr Bundesminister – so


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 169

wurde mir berichtet – hat dort versichert, dass ihm kein solcher Fall bekannt ist. Trotz Überprüfung ist ihm kein Fall bekannt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das heißt nicht, dass es das nicht gibt!) Sie können ja gleich dazu Stellung nehmen und das auch dementsprechend klarstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Wenn Sie zum Beispiel in Ihrem Antrag eine Neuregelung bei den Pensionen in der Arbeiterkammer wollen, dann frage ich mich, wie Sie es denn eigentlich mit Ihren eigenen Beschlüssen halten. In Wirklichkeit haben wir hier vor drei Jahren mit den Stimmen der ÖVP und gegen die Stimmen der FPÖ einen Antrag beschlossen, der heute noch Gültigkeit hat. Anscheinend wollen Sie jetzt mit dabei sein, deshalb müssen wir es noch einmal abstimmen, obwohl es das geltende Gesetz ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben einen Fehler gemacht! Wir reparieren ihn!)

Dasselbe gilt für die Abfertigungen. Das ist seit 1992 geregelt und ist geltendes Recht. Sie verlangen das neuerlich in Ihrem Antrag. Der Antrag nimmt aber darüber hinaus zu Dingen Stellung, die heute schon geltendes Recht sind.

In Wirklichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben Ihnen die Wählerinnen und Wähler erstens durch eine höhere Wahlbeteiligung und zweitens auch durch ein klares Votum (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Jeder zweite ist nicht hingegangen!)  – durch eine höhere Wahlbeteiligung! – eine entsprechende Antwort gegeben, die klar und deutlich war. Das tut Ihnen weh, und deswegen, aus wahltaktischen Gründen haben Sie diesen Antrag eingebracht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Jeder Zweite ist zu Hause geblieben!)

Aber es ist ja auch bemerkbar, und das zieht sich wie ein blau-schwarzer Faden – mehrheitlich natürlich blau –, wie ein blauer Faden durch Ihre Argumentation: Überall dort, wo es Kritiker Ihrer Politik gibt, machen Sie den Versuch, diese Kritiker mundtot zu machen. Das setzt sich in der Weise fort, dass die Frau Vizekanzlerin zum Beispiel in einem Interview im "NEWS", wo sie wörtlich zitiert wird, die Forderung erhebt, alle Gewerkschafter sollen aus dem Parlament raus.

Kollege Khol! Viel Vergnügen! Wir zwei aus dem Parlament raus! (Abg. Ing. Westenthaler: Alle Präsidenten!) Und das könnte man ja auch in den Reihen der blauen Abgeordneten fortsetzen: Aus dem Parlament raus! – Freie Abgeordnete werden sich auch nicht von der Vizekanzlerin aus dem Parlament hinausdrängen lassen! Wir sind vom Wähler gewählt – und ihm sind wir verpflichtet! (Beifall bei der SPÖ.)

17.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dietachmayr zu Wort gemeldet. (Abg. Ing. Westenthaler: Er berichtigt Verzetnitsch!) Bitte die Redezeit zu beachten!

17.27

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gaugg hat hier gesagt, dass die Arbeiterkammer lediglich 2 Prozent für Rechtsberatung aufwende.

Ich stelle richtig: Dieser Betrag ist nur jener Betrag, der für die direkten Prozesskosten aufgewendet wird. Darin ist nicht beinhaltet, was für den gesamten Personalaufwand der Juristen aufgewendet wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt quietscht es wieder ordentlich!) Ich stelle dem gegenüber, dass 1999 allein in Wien 1,5 Milliarden Schilling für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erstritten wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. Zweite Wortmeldung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.28

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Der Verlauf der Debatte zwingt mich, noch Fragen zu stellen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 170

Herr Abgeordneter Tancsits, Sie haben sich für eine Verstärkung der Aufsichtspflicht über die Arbeiterkammern ausgesprochen, weil sie notwendig sei. Meine Frage an Sie ist ganz bescheiden die: Haben nicht in, glaube ich, sieben Länder-Arbeiterkammern Ihre Kolleginnen und Kollegen vom ÖAAB beziehungsweise FCG in den letzten Jahrzehnten im Rahmen der Kontrolle, die es auch in der Arbeiterkammer gibt, den Vorsitz im Kontrollausschuss innegehabt? Was haben die dort gemacht? Haben die keine Aufsichtspflicht oder Kontrolle ausgeübt? (Abg. Dr. Mertel: Der Herr Tancsits redet mit gespaltener Zunge!)  – Das wäre die bescheidene erste Frage.

Herr Abgeordneter Gaugg! An Sie – damit wir wieder etwas Niveau erreichen – die Frage: Was wollen die Freiheitlichen eigentlich in der Arbeiterkammer? Was wollen die Freiheitlichen? (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) In der Vergangenheit wollten die Freiheitlichen den ÖGB abschaffen. Gut, soll so sein! Machen wir eine eigene Gewerkschaft. – Aber das hat ja nicht so funktioniert. (Abg. Dr. Mertel: Das hat nicht geklappt!) Jetzt geht man über zu dem Konzept, ÖGB und AK zusammenzulegen oder die Agenden des ÖGB in die AK zu integrieren. Und weil das auch nicht so passt beziehungsweise Ihnen, den Freiheitlichen, die Wahlergebnisse nicht so passen, soll jetzt offensichtlich auch die AK generell irgendwie abgeschafft oder minimiert werden.

Da hätte ich einen Vorschlag, und das ist darüber hinausgehend natürlich auch eine Frage: Wollen Sie es nicht gleich so machen, wie Sie es beim Sozialrechts-Änderungsgesetz gemacht haben? – Legen wir einfach die Ergebnisse der Nationalratswahlen um und sagen wir, dass diese auch bindend sind für die Arbeiterkammer, für die Wirtschaftskammer, für alle Gremien der Selbstverwaltung! Dann hätten wir die Selbstverwaltung in dem Sinn geregelt, wie Sie das offensichtlich vorhaben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 193 der Beilagen.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, ein Zeichen geben. – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen ist. (Abg. Dr. Khol: Und Gusenbauer ist wieder nicht da! – Abg. Ing. Westenthaler: Diesmal ist auch Kostelka nicht da! Ein führungsloser Klub!)

Ich nehme sofort die dritte Lesung vor.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

8. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 138/A der Abgeordneten Dr. Gerhart Bruckmann, Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) geändert wird (151 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.31

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Wesentlicher Inhalt der Änderung des Bundes-


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 171

Seniorengesetzes ist, dass der Bundes-Seniorenrat einer gesetzlichen Interessenvertretung gleichgestellt wird.

Das ist eigentlich ein einheitlicher Wunsch aller großen Seniorenvertretungen. Insbesondere Karl Blecha als Präsident des Pensionistenverbandes, der stärksten Seniorenorganisation, hat sich für diese einstimmige Forderung sehr stark gemacht – berechtigterweise, meine Damen und Herren, denn mehr als 2 Millionen Senioren brauchen eine starke Interessenvertretung.

Verwunderlich für die Sozialdemokratie war allerdings, dass sich Herr Präsident Knafl nicht recht durchsetzen konnte und daher die Seniorenagenden jetzt weg vom Bundeskanzleramt und hin zum Sozialministerium kommen sollen. Der Herr Bundeskanzler verabschiedet sich von dieser Verantwortung für eine große Bevölkerungsgruppe, obwohl nach meinen Informationen die Zusicherungen in Richtung des Präsidenten Knafl andere gewesen sind.

Etwas verwunderlich war für uns auch Folgendes: Als die namhaften Vertreter Blecha, Knafl und Gudenus eine gemeinsame Vorbereitungs- und Vorgangsweise beraten wollten, wurde ihnen von unserem Klubobmann bereits ein Antrag vor die Nase gehalten. Man hat mit ihnen das Gespräch nicht gesucht. Der Antrag Bruckmann, Haupt wurde am 27. April eingebracht, und am 3. Mai war das Gespräch. Wahrscheinlich wollte man ihn aus irgendwelchen Gründen an der Sozialdemokratie vorbeijonglieren, um dann draußen zu sagen: Die Sozialdemokraten hätten das nicht mitgetragen. – Sie haben das federführend mitgetragen!

Erstaunlich ist, dass der Seniorensprecher der ÖVP, Herr Kollege Bruckmann, das Gespräch mit Knafl offensichtlich nicht findet. Wir brauchen deshalb hier permanent Abänderungsanträge – gerade heute ist wieder einer gekommen –, um Flüchtigkeitsfehler zu beheben.

Wir haben auch einen Abänderungsantrag eingebracht. Die Seniorenagenden sollen weiterhin Chefsache bleiben. Es geht dabei auch um Förderungsverträge, die mit den Organisationen abgeschlossen wurden. Da bedarf es der Rechtsklarheit. Diese Seniorenanliegen haben allerhöchste Priorität. Ich darf diesen Antrag kurz anreißen; auf dessen Verlesung glaube ich verzichten zu können, weil er inzwischen im Saal verteilt worden ist.

Es handelt sich um einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Annemarie Reitsamer betreffend das Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation. Durch diesen Abänderungsantrag soll eine aktualisierte, den Wünschen der Seniorenorganisationen entsprechende, abgeänderte Fassung des Antrages hergestellt werden.

Diese Lösung wünschen wir uns, meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesem Abänderungsantrag die Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der von der Frau Abgeordneten referierte Antrag liegt schriftlich vor, ist ausreichend unterstützt, wird vervielfältigt, verteilt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel, Annemarie Reitsamer und GenossInnen betreffend Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) zum Bericht des Familienausschusses (151 der Beilagen) über den Antrag 138/A der Abgeordneten Dr. Gerhart Bruckmann, Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) geändert wird

Durch den gegenständlichen Abänderungsantrag soll eine aktualisierte, den Wünschen der Seniorenorganisationen entsprechende, abgeänderte Fassung des Antrages 138/A hergestellt werden. Es wird daher der Text des Antrages samt Titel und Eingang wie folgt abgeändert:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 172

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz), BGBl. I Nr. 84/1998, wird wie folgt geändert:

1. Z 1 § 4 Abs. 1 und Abs. 3 entfallen,

2. Z 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 entfallen,

3. Z 10 § 24 Abs. 2 entfällt,

4. Z 10 § 24 Abs. 4, Abs. 5 und Abs. 6 lauten:

"(4) Der Bundeskanzler ist ermächtigt, mit dem "Österreichischen Seniorenrat" einen Vertrag abzuschließen, nachdem dem "Österreichischen Seniorenrat" gegen angemessenen Kostenersatz die Wahrnehmung folgender Aufgaben im Namen und auf Rechnung des Bundes übertragen werden:

1. die Führung der Bürogeschäfte der Seniorenkurie,

2. die Vergabe von Förderungen gemäß § 19,

3. die Abwicklung und Kontrolle der Förderungen.

(5) Im Vertrag gemäß Abs. 4 ist insbesondere festzulegen:

1. die Durchführung der Kontrolle der Förderungen,

2. der Ersatz der Kosten für die Führung der Bürogeschäfte der Seniorenkurie,

3. die Berichtspflicht an den Bundeskanzler und die Beendigung des Vertrages mit Wegfall der im Abs. 1 angeführten Voraussetzungen beim "Österreichischen Seniorenrat".

(6) Solange dem "Österreichischen Seniorenrat" die Aufgaben gemäß Abs. 4 Z 1 übertragen sind, ist er berechtigt, die Bezeichnung "Geschäftsstelle der Seniorenkurie des beim Bundeskanzleramt eingerichteten Bundesseniorenbeirates" zu führen."

5. § 27 ist folgender Abs. 4 anzufügen:

"Die §§ und 24 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 treten mit 1. April 2000 mit der Maßgabe in Kraft, dass die gemäß § 4 Abs. 2 Z 5 in der Fassung des Bundesgesetzes, Bundesgesetzblatt I Nr. xxx/2000 zu berufenden Beiratsmitglieder binnen drei Monaten gerechnet vom Tag der Kundmachung des gegenständlichen Bundesgesetzes zu bestellen sind und der gemäß § 24 zwischen der Republik Österreich und dem Österreichischen Seniorenrat abgeschlossene Vertrag über die Führung der Bürogeschäfte der Seniorenkurie, die Vergabe von Förderungen gemäß § 19 und die Abwicklung und Kontrolle der Förderungen sowie gemäß § 19 Abs. 4 erlassenen Richtlinien unberührt bleiben."

5. Die Z 12 entfällt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

17.35

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Eines lässt sich sicherlich nicht wegdiskutieren: Wir gehen auf eine alternde Gesellschaft zu, in der immer mehr ältere Menschen immer weniger jüngeren Menschen gegenüberstehen werden. Das ist sicherlich die größte gesellschaftspolitische Her


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 173

ausforderung, die wir in der nächsten Zeit zu bewältigen haben werden, eine Herausforderung an die Gesellschaft, an die Institutionen und auch an den Staat.

Wenn man davon ausgeht, dass bei gleich bleibender Bevölkerungszahl innerhalb von 30 Jahren die Anzahl der Jugendlichen um 20 Prozent zurückgeht, die Anzahl der Erwachsenen bis zu 59 Jahren um 17 Prozent zurückgeht, dafür aber der Anteil der über 60-Jährigen um 67 Prozent ansteigt, dann kann man, glaube ich, die Größe der Herausforderung nachvollziehen.

Ein erster richtungsweisender Schritt ist in Österreich bereits in Form des Bundes-Seniorengesetzes 1998 getan worden. Dem haben auch wir Freiheitliche zugestimmt, obwohl wir damals in Opposition waren. Die Beratung, Information und Betreuung der Senioren wurden dadurch auf der Basis eines Gesetzes abgesichert, auch finanziell abgesichert. Zirka 21 Millionen Schilling stehen derzeit – verteilt durch das Bundeskanzleramt – zur Verfügung.

Wenn heute ein Antrag der Opposition eingebracht wird, diese Förderung wieder in das Bundeskanzleramt zu verlagern, dann muss ich sagen, dass man das Rad einfach wieder zurückdrehen will. Wir drehen das Rad lieber nach vorn und verlagern alle diese Agenden ins Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, wo sie sicherlich am besten angesiedelt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das zweite Ziel des Bundes-Seniorengesetzes 1998 war der Bundes-Seniorenbeirat, der ebenfalls beim Bundeskanzleramt angesiedelt worden war. Dabei hat sich erwiesen, dass die Chefsache, von der Frau Kollegin Reitsamer gesprochen hat, nicht wirklich Chefsache im Interesse der älteren Bevölkerung war. Der Bundes-Seniorenbeirat wurde in dieser ganzen Zeit vom Herrn Bundeskanzler nämlich nur einmal einberufen. Das heißt, er wurde eigentlich schlichtweg ignoriert.

Das wollen wir in Zukunft natürlich nicht mehr haben. Daher ist an dieser Novelle neu, dass der Bundes-Seniorenbeirat nun dort angesiedelt werden soll, wo er hingehört – in dieses neue Ministerium –, und dass er ein aktives Steuerungsinstrument für Seniorenpolitik werden soll, aber nicht ein bloßes Repräsentationsinstrument.

Neu ist auch, dass in Form eines Vereins der Dachverband der Seniorenorganisationen im so genannten "Österreichischen Seniorenrat" eingesetzt werden soll, der mehr als nur eine starke Stimme für die Interessen der älteren Menschen sein soll, und zwar eine gesetzliche Interessenvertretung, die man aus unserer Sicht ruhig als dritte Kammer und eben als Interessenvertretung der älteren Personen – neben den Dienstnehmern und den Wirtschaftstreibenden – bezeichnen könnte.

Dadurch sitzen die Seniorenvertreter nicht mehr vor der Tür, sondern sie sitzen in Verhandlungen, in denen es um ihre Interessen geht, mit am Tisch. Sie können konkret mitbestimmen. Sie haben Sitz und Stimme, wenn es um Seniorenpolitik – zum Beispiel um die Pensionsreform oder um Dinge im Bereich der Sozialversicherungsträger – geht. Sie können Anträge stellen und Stellungnahmen abgeben.

Damit ist Österreich wirklich ein Vorbild im Rahmen der EU. Österreich ist das einzige Land im Rahmen der EU, das in Zukunft über dieses Gesetz verfügen wird. Dazu möchte ich Ihnen, Frau Bundesministerin, sehr herzlich gratulieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Er hat das Wort.

17.40

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Grünen sehen Generationenpolitik durchaus differenziert. Es ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass der Jugendsprecher der Grünen auch zum Thema Seniorenbeirat redet. (Abg. Steibl: Dafür hat bei uns heute eine Jugendliche zur Pensionsreform gesprochen!) Das mag schon sein. (Abg. Steibl: Das mag nicht nur sein, das war so!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 174

Es ist aber auch eine andere Angelegenheit, die mich reizt, dazu zu sprechen. Es gibt ja auch die Diskussion um den Jugendbeirat. Das ist eine ähnliche Diskussion, aber da bemerkt man äußerst unterschiedliche Vorgangsweisen. Während man beim Jugendbeirat keine Möglichkeit auslässt, um seine Kompetenzen möglichst gering zu halten und möglichst ein Gremium zu schaffen, in dem Jugendliche zusammengefasst werden sollen und eine gewisse Beratungsfunktion der Ministerin, aber eigentlich keinerlei Kompetenzen haben sollen, gibt es bei den Senioren offensichtlich eine wesentlich stärkere Lobby. Man will da auch von den gesetzlichen Änderungen her Möglichkeiten schaffen, um dessen Stellung in einer für uns in demokratiepolitischer Hinsicht teilweise sehr bedenklichen Art und Weise zu verankern. – Darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Da Frau Kollegin Haller soeben von allen Bereichen, die die Senioren betreffen, gesprochen und speziell auf das Pensionssystem hingewiesen hat, frage ich sie, warum im Sozialausschuss momentan jedes Mal, wenn es um das Beamtenpensionsrecht geht, die Argumentation so läuft, dass der Sozialausschuss – und damit auch das Ministerium – dafür nicht zuständig ist und diese Kompetenz nicht hat. Das heißt, diese Verlagerung und diese Ansiedelung im Generationenministerium schließt einen Teil der Senioren oder der Interessen offenbar wiederum aus. Inwiefern Sie sich überlegt haben, ob die Ansiedelung in diesem Ministerium wirklich sinnvoll ist, das wage ich da zu bezweifeln. (Abg. Haller: Haben Sie sich einmal die Zusammensetzung angeschaut?)

Auf Ihre Zusammensetzung des Gremiums werde ich noch zu sprechen kommen. (Abg. Haller: Schauen Sie sich die Zusammensetzung an!) Das hat mit der Kompetenz nichts zu tun. Wenn Sie diesen Beirat explizit beim Generationenministerium ansiedeln und die Kompetenzen für die Beamtenversicherung nicht diesem Ministerium angehören, ist es völlig egal, wer in diesem Gremium sitzt, weil Sie keinen Minister haben, mit dem Sie verhandeln können, da er nicht zuständig ist. Das ist wohl ein ganz anderes Problem. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haller: Wo wollen Sie es ansiedeln?) Zur Ansiedelung gibt es einen anderen Vorschlag, den man sich durchaus hätte überlegen können. Faktum ist nur, dass Sie die Konsequenzen offenbar nicht in dieser Form durchdacht haben.

Allerdings ist das wesentliche Problem die demokratiepolitische Verankerung. Dazu zwei Dinge: Zunächst setzen Sie einen Verein – ich zitiere wörtlich –: "In Angelegenheiten, welche die Interessen der österreichischen Senioren berühren können, ist der ‚Österreichische Seniorenrat‘ den gesetzlichen Interessenvertretungen der Dienstnehmer, der Wirtschaftstreibenden und der Landwirte gleichgestellt" – mit einer gesetzlichen Interessenvertretung gleich, in der es ein Wahlrecht und Wahlen gibt. (Abg. Dr. Bruckmann: Der ÖGB ist auch ein Verein!)

Es steht hier drinnen: "den gesetzlichen Interessenvertretungen". Ich weiß nicht, ob Sie Ihren Gesetzentwurf kennen; das steht hier wörtlich drinnen. Sie legitimieren einen Verein, der mit Statutenänderungen, als Verein, wie auch immer, gestaltend über die Mehrheitsverhältnisse wirken kann, einem Gremium gleich, das gewählt wird. Das halten wir demokratiepolitisch für äußerst bedenklich. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Gradwohl. )

Der zweite Punkt: Es war besonders bemerkenswert, dass Sie im Ausschuss noch einen Abänderungsantrag gestellt haben, mit dem Sie offenbar zur Legitimierung oder zur Absicherung der Mehrheitsverhältnisse – beim ersten Punkt kam der Einwand, wer dort drinnen sitzt – noch die Formulierung eingefügt haben, dass die Bundesministerin drei weitere Mitglieder ohne Vorschlag ernennen kann. Ohne Vorschlag!

Ich weiß nicht, wie das zustande gekommen ist. Das war im ursprünglichen Entwurf nicht drinnen. Vielleicht können die Kollegen von den Regierungsfraktionen – wer auch immer – noch einmal erklären, warum es notwendig war, diese demokratiepolitisch äußerst interessante Konstellation unbedingt hineinbringen zu wollen, dass die Ministerin ohne Vorschlag benennen kann. (Abg. Öllinger: Damit die Regierung eine Mehrheit kriegt!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 175

Außer der Legitimation der Mehrheitsverhältnisse oder einer entsprechenden Schaffung der Mehrheitsverhältnisse sehen wir überhaupt keinen Grund, warum so etwas drinstehen sollte. Das hat in dem Gesetz selbstverständlich nichts verloren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

17.45

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus – fast leer! Lassen Sie mich in unüblicher Weise beginnen: Halleluja, Halleluja! – Nun sei aber in üblicher Weise fortgesetzt. (Abg. Dr. Mertel: Wenn Sie uns jetzt die Sünden auch noch vergeben ...!)

Hatte ich heute Vormittag davon gesprochen, dass unsere Generation den größten demographischen Wandel aller Zeiten erlebt, und hatte ich diesen Wandel heute Vormittag zahlenmäßig untermauert, so möchte ich dies nunmehr mit einigen wenigen Worten inhaltlich tun.

Die gesamte Geschichte der Menschheit hindurch gab es zu allen Zeiten und in allen Kulturen neben einer ersten Altersstufe, den Kindern, und einer zweiten Altersstufe, den arbeitsfähigen Erwachsenen, nur eine sehr schmale dritte Altersstufe, die aus den wenigen aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Alten bestand, die die Mühsal eines harten Arbeitslebens überlebt hatten.

Diese Gruppe der tatsächlich betreuungsbedürftigen Alten gibt es auch heute noch, aber sie ist zu einer vierten Altersschicht geworden. Zwischen diese nunmehrige vierte Schicht und die aktive Altersschicht, die zweite Generation, hat sich eine zahlenmäßig immer stärker zunehmende neue dritte Altersschicht eingeschoben: Mitbürgerinnen und Mitbürger, die zwar schon größtenteils aus dem aktiven Erwerbsleben ausgeschieden sind, aber noch mit beiden Beinen voll im Leben stehen.

Damit ist heute eine radikal veränderte Seniorenpolitik erforderlich geworden. Wie Frau Abgeordnete Haller schon ausgeführt hat, hat Österreich hiebei eine gewisse Vorbildfunktion. Wieder, wie schon heute Vormittag: "Ehre, wem Ehre gebührt!" Es war den jahrelangen Bemühungen des Bundesobmanns des Österreichischen Seniorenbundes Stefan Knafl zuzuschreiben – loyal unterstützt vom früheren Obmann des Österreichischen Pensionistenverbandes Rudolf Pöder und dem früheren Obmann des Seniorenringes Matzka (Abg. Gradwohl: Haben wir schon gehört! Es ist zwar nicht richtig, aber es war schon einmal!)  –, dass es in Österreich in der vergangenen Legislaturperiode – wieder "Ehre, wem Ehre gebührt!" – zum Beschluss eines Bundes-Seniorengesetzes kam, durch welches die Vertretung der Interessen der Senioren auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden konnte.

Es freut mich, feststellen zu können, dass die nunmehrige Bundesregierung durch die jetzt zur Beschlussfassung anstehende Novelle den bisher fehlenden zweiten Schritt zur Herstellung voller Gleichrangigkeit der Senioren setzt. (Abg. Öllinger: Nicht demokratisch legitimierter Seniorenrat!) Ihr zentraler Punkt – darauf wurde schon hingewiesen – ist ein neuer Passus in diesem Bundes-Seniorengesetz, dem zufolge – ich zitiere wörtlich – der Verein "Österreichischer Seniorenrat", der als "Dachverband von Seniorenorganisationen zur Vertretung, Förderung und Wahrung der Interessen der österreichischen Senioren" berufen ist, "in Angelegenheiten, welche die Interessen der österreichischen Senioren berühren können", ausdrücklich "den gesetzlichen Interessenvertretungen der Dienstnehmer, der Wirtschaftstreibenden und der Landwirte gleichgestellt" wird. (Abg. Gradwohl: Gesetzliche Interessenvertretungen! Das hat Kollege Öllinger gemeint!)

Hohes Haus! Das ist ein Meilenstein in der Anerkennung der Rechte der älteren Generation! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich gebe in aller Offenheit zu, dass die Seniorenvertreter aus dieser ihrer neuen Rechtsstellung selbstverständlich auch das Recht ableiten werden, in allen Gesetzesvorhaben, die Seniorenangelegenheiten berühren können, im Gesetzwerdungsprozess mitzuwirken, in nächster Zeit


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 176

insbesondere beim Sozialrechts-Änderungsgesetz, das ja noch vor dem Sommer zur Beschlussfassung vorliegen soll.

Die Novelle sieht noch eine weitere Verbesserung vor, die nicht nur eine äußerliche ist. Bisher – darauf haben schon mehrere Vorredner hingewiesen – waren die Agenden der Seniorenkurie beim Bundeskanzleramt angesiedelt. Da wir nunmehr aber ein Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen haben und da sich die Seniorenorganisationen aller drei im Seniorenrat vertretenen Parteien voll zu einer Generationen übergreifenden Seniorenpolitik bekennen, ist es sinnvoll, dass diese Agenden nunmehr in geordneter Weise in das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen übergeführt werden.

Die Verbesserung besteht darin, dass der Vorsitz in Hinkunft nicht mehr von einem hiezu bestellten Beamten, sondern von der Frau Bundesministerin selbst wahrgenommen werden soll. Aus diesem Grund vermag ich – genauso wie Frau Abgeordnete Haller – dem Abänderungsantrag Reitsamer nicht zuzustimmen, dass die Agenden doch, wie bis jetzt, im Bundeskanzleramt unterbetreut verbleiben sollen.

Hohes Haus! Dass ich, als ältester Abgeordneter im Haus und als einziger direkter Vertreter einer Seniorenorganisation, diese Novelle mit "Halleluja, Halleluja!" begrüßt habe, bitte ich Sie mir konzediert zu haben. Ich möchte mich ausdrücklich bei all jenen von Ihnen bedanken, die dieser Novelle heute ihre Zustimmung geben werden.

Ich wünsche allen von Ihnen – auch jenen, die dieser Novelle nicht zustimmen werden – von ganzem Herzen, dass Sie in Gesundheit jenes Alter erreichen mögen, in dem Sie dann selbst Nutznießer dieses Gesetzes sein werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aus diesen lichten poetischen Höhen muss ich allerdings noch in die banale Wirklichkeit zurückkehren. Im heute zur Beschlussfassung stehenden Abänderungsantrag wurden am Beginn einer Zeile eine Ziffer 1 und der daneben zu setzende Punkt irrtümlich ausgelassen. Nur um diese reine Druckfehlerberichtigung vornehmen zu können, muss ich, um unseren geschäftsordnungsmäßigen Vorschriften Genüge zu tun, einen neuerlichen Abänderungsantrag stellen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Bruckmann, Haller und Kollegen zum Antrag 138/A der Abgeordneten Dr. Bruckmann, Mag. Haupt und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung der Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes 151 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel bezeichnete Antrag wird wie folgt abgeändert:

Ziffer 5 lautet:

"§ 9 lautet:

§ 9. Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen hat ein Mitglied (Ersatzmitglied) von seiner Funktion zu entheben, wenn

1. es dies beantragt,

2. jene Stelle, auf deren Vorschlag das Mitglied (Ersatzmitglied) bestellt wurde, die Enthebung beantragt,

3. das Mitglied (Ersatzmitglied) sich der Vernachlässigung seiner Pflichten schuldig macht,

4. der Verlust der Wählbarkeit zum Nationalrat eingetreten ist,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 177

5. das Mitglied (Ersatzmitglied) wegen schwerer körperlicher oder geistiger Gebrechen zu einer ordentlichen Funktionsausübung unfähig ist."

*****

Hohes Haus! Ich bitte, auch diesem Abänderungsantrag, der auf die Einfügung der Ziffer 1 abgestellt ist, Ihre Zustimmung nicht zu versagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag liegt vor, ist ordnungsgemäß unterstützt und steht daher in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

17.52

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Mit "Halleluja" wie Herr Abgeordneter Bruckmann kann ich nicht beginnen, sondern ich beginne mit einem Satz, der in prägnanter Art und Weise zum Ausdruck bringt, was uns die Demoskopen schon lange voraussagen, nämlich mit einem Satz, den Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, anlässlich des Internationalen Jahres der älteren Menschen 1999 gesagt hat. Er hat gemeint: Bis vor kurzem war das Leben ein Sprint, nun hat es sich zu einem Marathonlauf entwickelt. – Gemeint ist damit die Lebenserwartung, die immer höher wird, wodurch auch der Anteil der älteren Menschen immer größer wird.

Eine Bemerkung dazu: 2030 wird weltweit 1 Milliarde Menschen über 60 Jahre alt sein, und in Österreich werden es 2,7 Millionen Menschen sein. Der Anteil der Senioren in Österreich wird 2030 bei rund 33 Prozent liegen. Das ist mehr als doppelt so hoch wie Mitte des 20. Jahrhunderts.

Die Lebenserwartung steigt künftig pro Jahrzehnt um eineinhalb Jahre. Die Altersphase wird gegenüber den früheren Generationen immer länger werden. Die Senioren – das hat auch schon mein Vorredner gesagt; er hat das in Altersschichten gegliedert – fühlen sich heute jünger, aktiver, und sie wollen am gesellschaftlichen, am politischen und am kulturellen Leben teilnehmen. Ich glaube auch – das ist mein persönlicher Eindruck –, dass Herr Bruckmann ein guter Vertreter der Senioren ist. Er ist aber auch sehr glücklich, den ganzen Tag strahlt er dieses Glück aus, weil er ein Vertreter der Senioren ist, weil er Bezieher einer Pension ist, die nicht angetastet und in gleicher Höher weiter gewährt wird, obwohl er heute bei anderen Pensionen eingegriffen hat. (Bundesministerin Dr. Sickl: Keine Pension wird angetastet!)

Wir wissen aber auch, dass mit der gestiegenen Lebenserwartung vermehrt Pflegebedürftigkeit einhergeht, und das ist eine der größten Herausforderungen für unser Sozialsystem und unser Gesundheitssystem in Zukunft. Dieser Entwicklung war sich die SPÖ immer bewusst, und auch den gestiegenen Ansprüchen der älteren Menschen waren wir uns bewusst und haben dem Rechnung getragen. Wir seitens der SPÖ haben Maßnahmen gesetzt, um die ältere Generation bei bestimmten Fragen, die für sie wichtig sind, die sie betreffen, einzubinden. Wir haben ihnen die Möglichkeit gegeben, in entsprechenden Organisationen mitzuwirken. Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass 1994 Bundeskanzler Vranitzky mittels einer Verordnung den Bundesseniorenbeirat eingerichtet und ihn dem Bundeskanzleramt zugeordnet hat. In dieser Verordnung war schon vorgesehen, dass der Beirat Stellungnahmen zu Gesetzen und Verordnungsentwürfen, die im Interesse der älteren Generation sind, abgeben kann.

Schließlich wurde 1998 ebenfalls auf Betreiben der SPÖ das Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation, kurz Bundes-Seniorengesetz, beschlossen und damit der Bundesseniorenbeirat auf gesetzliche Ebene gehoben, um diese bewährte Einrichtung auf Dauer zu gewährleisten.

Eine persönliche Anmerkung zu diesem Bundes-Seniorengesetz 1998: Ich war mit dem Inhalt einverstanden, ich habe auch gewusst, warum es so gestaltet wird, persönlich habe ich es nicht


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 178

verstanden, warum Frauen mit 55 Jahren als Seniorinnen gelten und Männer erst ab 60 Jahren als Senioren. Das verstehe ich heute auch nicht, aber es sei so. (Zwischenruf der Abg. Steibl. ) – Ich habe gesagt, ich kenne die Gründe, aber als Frau werden Sie das doch verstehen und selbst ablehnen müssen, dass Sie als 55-Jährige eine Seniorin sind, aber ein Mann fünf Jahre länger braucht, um ein Senior zu werden. (Abg. Steibl: Das ist doch nicht logisch! Sie sind nicht logisch!) Aber wenn Sie das nicht verstehen, Frau Ridi Steibl, dann tun Sie mir als Frau Leid. (Beifall bei der SPÖ.)

Ziel des Gesetzes war es darüber hinaus, die Basisfinanzierung der SeniorInnenorganisationen sicherzustellen, damit sie auch die Aufgaben, die sie haben, wahrnehmen können.

Mit der heute zu beschließenden Novelle wird auch ein wichtiger Schritt beschlossen, nämlich die Aufwertung zu einer echten Interessenvertretung und damit die Gleichstellung mit den anderen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitnehmer, der Arbeitnehmerinnen, der Wirtschaft und der Landwirtschaft. Die SPÖ kann dieser Aufwertung selbstverständlich zustimmen, wir begrüßen diese Maßnahme sogar. Aber die Interessen der Senioren und der Seniorinnen sind eine Querschnittmaterie, sie gehen über alle Ressorts hinweg. Daher sind wir der Auffassung, dass diese so wichtigen Angelegenheiten einer Interessenvertretung wie die der Senioren und Seniorinnen durch eine Kompetenzverlagerung vom Bundeskanzleramt in das Ministerium eine Abwertung erfährt. Damit, dass die Zuständigkeit des Seniorenbeirates vom Bundeskanzleramt in das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen verschoben wird, können wir uns nur sehr schwer beziehungsweise gar nicht abfinden. (Beifall bei der SPÖ.)

17.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Er hat das Wort.

17.58

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Polemik ist im Zusammenhang mit diesem wichtigen und guten Vorhaben, über das wir jetzt beraten und das wir auch in die Beschlussfassung ziehen werden, nicht angebracht – aber ein wenig schmunzeln darf man doch. (Abg. Dr. Mertel: Welche Polemik meinen Sie!)

Vor einigen Tagen ist mir in der "Kronen Zeitung" eine Doppelseite aus der Feder des Chefs der sozialdemokratischen Senioren, Charly Blecha, in die Hände gekommen. Er war zu der Zeit – das wissen nur mehr Historiker, vielleicht auch der eine oder andere Gymnasialprofessor –, zu der ich Justizminister war, Innenminister. Er war damals sehr schlank, jetzt ist er wieder fülliger geworden. So vergeht die Zeit. (Abg. Dr. Mertel: Ganz schlank sind Sie auch nicht!) Er hat sich über zwei Seiten bitter darüber beschwert, was man eigentlich schon alles zugunsten der Senioren in den letzten Jahren und Jahrzehnten machen hätte sollen.

Frau Kollegin! Ich bin ein alter Mensch, ich bin nicht so alt wie Bruckmann. Herr Bruckmann ist noch älter, aber ich höre schon schlecht. Ersparen Sie sich bitte Ihre Zwischenrufe, ich sehe, dass Sie reden, ich kann es aber nicht hören. (Abg. Dr. Mertel: Arm!) Ich komme aber dann gerne zu Ihnen, Sie werden es mir ins Ohr flüstern. Ich werde dann alles verstehen, was Sie mir sagen wollen. Ich bin terisch. Ich nehme als zweitältester Mensch in diesem Raum für mich in Anspruch, schlecht zu hören. Ich sage das auch, weil ich außerdem höflich bin.

Charly Blecha beschwert sich nach jahrzehntelanger Tätigkeit der Sozialdemokraten, dass auf diesem Sektor nicht viel weitergegangen ist. Jetzt lässt er hinter vorgehaltener Hand einer Regierung, die seit ein paar Wochen im Amt ist, sagen, dass sie sich eigentlich mehr beeilen müsste. – Darüber kann man schon schmunzeln, das kann man da im Haus sagen, bei nächster Gelegenheit, wenn ich ihn irgendwo treffe, werde ich es ihm auch selbst sagen.

Tatsache ist, dass es mehr ältere Menschen gibt als je zuvor, dass sie erfreulicherweise gesünder sind, dass es ihnen materiell besser geht, als das in der Geschichte jemals der Fall gewesen ist, und dass sie auch mobiler sind als jemals zuvor. Sie stellen eine Gruppe von Konsumenten


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 179

dar. Sie sind das Ziel geschickter Geschäftspolitik ganzer Industriezweige. Man lebt von den Senioren und von dem, was man sich bemüht, ihnen aus der Tasche zu ziehen. Es tragen die Senioren auch ein bisschen dazu bei. Ich muss immer dann, wenn ich mich als Gast bei Senioren befinde, daran denken, dass sie leider – ich sage das im Sinne der Seniorenvereinigungen aller Farben hier im Haus oder auch außerhalb derselben – viel zu wenig bereit sind, sich der Politik in jenen Bereichen, die sie betreffen, zuzuwenden.

Ich sage immer den Senioren, man muss dagegen sein, dass sie zumindest bei oberflächlicher Beobachtung nur zwei Interessen haben: Interesse Nummer 1 – so wird es zumindest in den Vereinigungen zum Ausdruck gebracht – ist: "Wo sind die Schnitzel am größten?" Interessenlage Nummer 2: "Wo fahren wir als Nächstes hin?" Das Wort "fahren" kann man auch durch "fliegen" ersetzen. – Ich glaube, wir müssen alle miteinander die Senioren dazu bringen, dass sie durchsetzen, dass sie nicht nur wirtschaftliches Gewicht haben – das haben sie –, dass sie nicht nur einen guten Teil des Reisepublikums im In- und Ausland stellen – das tun sie –, sondern dass ihnen auch politische Bedeutung eingeräumt wird, die sie schon längst in Anspruch nehmen sollten, denn sie tun es viel zu wenig.

Das Gesetz, um das es heute geht, ist sicherlich ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Die Senioren sollen nicht länger damit zufrieden sein, nur ein Ziel – ein wichtiges Ziel – für manche Wirtschaftszweige abzugeben, sondern sie sollen außerdem auch darauf pochen und für sich in Anspruch nehmen, dass sie in diesem Staat mitreden dürfen, dass sie in den öffentlichen Dingen etwas zu sagen haben und dass sie nicht nur zu zahlen haben, wenn man glaubt, neue Produkte für sie speziell erfunden zu haben. – Die Freiheitlichen unterstützen alles, was in diesem Zusammenhang zum Ziele führen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Ministerin.

18.03

Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl: Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat! Die gesetzliche Verankerung des Österreichischen Bundes-Seniorenbeirates ist ein Meilenstein in der österreichischen Gesellschaftspolitik. Mit dieser Verankerung der Seniorenvertretung analog zu den Interessenvertretungen der Wirtschaftstreibenden, der Arbeitnehmer, der Landwirte ist auch europaweit ein entscheidender Schritt geschehen, und Österreich spielt wieder einmal – wie in vielen anderen Bereichen – erfreulicherweise eine Vorreiterrolle auf internationaler Ebene.

Nicht nur, weil die Senioren zahlenmäßig immer umfangreicher werden, sondern auch weil sie in meinen Augen auf Grund ihrer Erfahrung, auf Grund ihrer Routine, auf Grund ihrer Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit ein bedeutendes geistiges Potential bilden, sind sie der Politik sehr wichtig. Ich möchte wieder auf den Generationenvertrag hinweisen, laut dem es uns ein Anliegen sein muss, dass wir alle miteinander nicht den Versuch machen sollten, die Generationen auseinander zu dividieren, einen Keil hineinzutreiben, sie gegeneinander auszuspielen, sondern es darum gehen muss, sie unter ein Dach zu nehmen und ein Klima der Kooperation, der Wärme, der gegenseitigen Achtung und Wertschätzung zu schaffen.

Wenn erwähnt wurde, dass in der vergangenen Legislaturperiode diese Seniorenvertretung installiert wurde, so muss ich doch darauf hinweisen, dass sie leider nur ein einziges Mal einberufen worden ist und daher eigentlich die Interessen der Senioren in diesem Zusammenhang nicht so glaubwürdig und nachhaltig vertreten worden sind. Mein Anliegen wird es sein, sofort eine konstituierende Sitzung stattfinden zu lassen, um die Einrichtung der Senioren auch tatsächlich zu installieren und ihre Rechte in unserem gesellschaftspolitischen Ablauf wahrzunehmen.

Wenn hier erwähnt wurde, dass man lieber die Senioren im Bundeskanzleramt sähe, weil dort eine bessere Vertretung und vor allem die finanzielle Absicherung gegeben seien, so muss ich sagen, dieses Argument ist wirklich nicht stichhaltig. Es gibt derzeit einen Vertrag zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Österreichischen Seniorenrat, und dieser Vertrag wird voll inhaltlich


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 180

nun vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen übernommen. Es ändert sich gar nichts, und die Senioren bekommen ihre Finanzierung nun aus einem Budgetansatz dieses Ministeriums.

Abschließend darf ich doch noch auf das eingehen, was Herr Abgeordneter Brosz gesagt hat, weil ich glaube, dass das ein solcher Versuch ist, die Generationen auseinander zu dividieren und Ungleichheiten zu konstruieren. Ich darf Ihnen sagen, dass ich demnächst Vertreter des Österreichischen Bundesjugendringes bei mir – den Termin gibt es schon – haben werde, und dabei wird es darum gehen, den Bundesjugendbeirat auf eine gesetzliche Basis zu stellen, um eine analoge Entwicklung zum Seniorenbeirat herbeizuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gespräche mit den Organisationen aus dem Bundesjugendring hat es schon gegeben, und ich bin ganz mit Ihnen d’accord, dass die Jugend natürlich genau dieselbe Rechtsstellung erhalten soll wie unsere Senioren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

18.06

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Zuerst möchte ich noch etwas klarstellen: Wenn Kollegin Mertel sagt, sie verstehe nicht, warum man mit 55 Jahren schon Seniorin ist und Senior erst mit 60 Jahren, so denke ich, hat das sicherlich auch mit dem möglichen Antritt zur Frühpension zu tun. (Abg. Dr. Mertel: Das wissen wir! Wenn Sie es nicht fühlen, dann werden Sie es nicht verstehen! Ich habe gesagt, das fühlt man, ich kenne Gefühle! Wenn Sie es nicht fühlen, dann sind Sie arm! Sie sind arm!)

Frauen können noch mit 55 Jahren in Frühpension und die Herren der Schöpfung erst mit 60 Jahren gehen. Wir hoffen, dass wir das im Sinne der Frauenpolitik nicht rapide hinaufsetzen, und ich glaube, dafür sollten wir kämpfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun aber zu den Belangen der Senioren, der dritten Generation. Der Österreichischen Volkspartei ist die Sicherung eines hohen Lebensstandards im Alter von ganz besonderer Bedeutung. Für uns ist der Generationenvertrag nicht nur ein bloßes Lippenbekenntnis – das hat sich auch darin gezeigt, das möchte ich wiederholen, dass wir den heutigen Tag mit der Rede unserer jüngsten Abgeordneten begonnen haben und jetzt das Bundes-Seniorengesetz novellieren –, sondern wir sehen es auch als unsere Pflicht an, uns der Gruppe der Senioren ganz besonders anzunehmen, und zwar nicht nur deshalb, weil es sich dabei um eine sehr große und ständig weiter wachsende Gruppe handelt, sondern auch deshalb, weil diese Menschen während ihres langen Arbeitslebens sehr viel für unser Land geleistet haben und daher ein Anrecht auf einen würdigen Lebensabend haben.

Wenn wir uns heute mit dem Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generationen – kurz Bundes-Seniorengesetz genannt – befassen, so sprechen wir über eine Bevölkerungsgruppe, die rund 1,7 Millionen Menschen umfasst. Aus diesem Grund ist unser Antrag betreffend die Änderung des Bundes-Seniorengesetzes auch sehr zu begrüßen. Wir tragen dadurch effizient zur Schaffung der legistischen Rahmenbedingungen bei, die das Schlagwort vom Generationenkonflikt erst gar nicht zu einer realen Gefahr für unsere Gesellschaft werden lassen. Mit dem vorliegenden Antrag zum Bundes-Seniorengesetz wird der Österreichische Seniorenrat gesetzlich anerkannt und aufgewertet.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den die SPÖ und auch die Grünen wieder eingebracht und sehr forciert haben. Dies betrifft die Umsiedelung der Seniorenagenden nunmehr in das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen. Dazu möchte ich sagen: Das war ein langer Wunsch sowohl von Minister Bartenstein als auch von Verantwortlichen in den österreichischen Bundesländern. Das gibt es auch in anderen EU-Ländern, und ich denke, dass es ein gutes Signal ist, die Jugend und die ältere Generation in einem Ministerium zu haben. Wir wissen, dass wir noch vieles für diese Altersgruppe verbessern müssen. Deshalb möchten wir von der ÖVP unmittelbare Ansprechpartner und eine ehrliche Plattform für die Senioren in Österreich sein.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 181

Alt werden darf nicht zur Last werden. Wir können durch die Garantie der Mitsprache und Mitentscheidung der Senioren in Österreich ganz wesentlich dazu beitragen. Ich baue auf den Austausch zwischen Jung und Älter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Er hat das Wort.

18.10

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Da es um Seniorenbelange geht, ist es vielleicht treffend, wenn ich Herrn Alt-Finanzminister Edlinger ein wenig korrigieren darf. Es ist immer leicht, hier herauszugehen und zu sagen, Gaugg spricht wie immer die Unwahrheit.

Ich werde Ihnen dazu Ihr eigenes Interview vorlesen, das Sie, Herr Abgeordneter Edlinger, nach Ihrem Ausscheiden als Finanzminister gegeben haben, und dann stellen wir einmal fest, wer die Unwahrheit sagt. Tatsache ist, dass Sie, wie Sie wörtlich sagen, wohl der billigste Konsulent aller Zeiten sind, der billigste Konsulent aller Zeiten bei der Bank-Austria Immobilien Holding.

Die Gage von 10 000 S monatlich geht vollständig für die Einkommensteuer und ein Leasing-Auto auf, das ihm zur Verfügung steht. – Edlinger wörtlich: Ich bin wohl der billigste Konsulent aller Zeiten. – Ich darf Ihnen nur eines sagen: Es ist wirklich die billigste Ausrede, hier herauszugehen und zu behaupten, dass ich die Unwahrheit sage. (Abg. Dr. Mertel: Zur Sache! Wo ist der Zusammenhang? Zur Sache!)

Tatsache ist, dass Sie einen Konsulentenvertrag haben, dass Sie 10 000 S monatlich bekommen, ein Leasing-Auto, eine Sekretärin und ein Büro haben. Das ist Ihre Form der Wahrheit, das haben wir schon beim Budget, als Sie Finanzminister waren, festgestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. Er hat das Wort.

18.12

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die letzte Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Gaugg (Abg. Dr. Ofner: Ist peinlich, gel?) ist wirklich peinlich gewesen – danke, Herr Abgeordneter Ofner –, weil sie mit der Materie, über die wir derzeit diskutieren, überhaupt nichts zu tun hat, aber das ist halt einmal so und gerade bei Herrn Abgeordnetem Gaugg öfters der Fall. (Abg. Gaugg: Er geht raus und behauptet, dass ich die Unwahrheit gesagt habe! Ist das die Gewerkschaftsehre oder wie?)

Aber ich bleibe gleich bei Ihnen, Herr Abgeordneter Ofner! Ich würde sagen, Sie haben uns ein Beispiel dafür geliefert, dass für Sie eines wichtig ist: das Körpergewicht des Seniorenobmanns meiner Partei. Ich sage Ihnen, was für mich wichtig ist. Für mich ist die Politik wichtig, die dieser Seniorenobmann Karl Blecha im Interesse der Senioren macht, und diese ist wohl wichtiger als das, was Sie hier dargelegt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Das Bundes-Seniorengesetz bietet die Grundlage für die Förderung von Anliegen der älteren Generation. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Es ist daher ein wichtiges Gesetz – Vorredner meiner Fraktion haben das schon mehrmals betont –, vor allem deshalb wichtig, weil in den letzten Jahrzehnten dank einer von den Sozialdemokraten geprägten sozialen Politik in unserem Land die ältere Generation einen immer größer werdenden Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmacht. Für uns Sozialdemokraten haben die Senioren einen hohen Stellenwert. Deshalb war es für uns selbstverständlich, dass die Seniorenpolitik im Kompetenzbereich des Bundeskanzlers gut aufgehoben ist.

Sehr verehrte Damen und Herren! Auch für die Österreichische Volkspartei haben die Senioren einen hohen Stellenwert. Nicht nur durch die Debatte jetzt ist das dokumentiert. Deshalb hat in


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 182

der vorigen Bundesregierung sichtlich auch Herr Bundesminister Bartenstein als Familienminister versucht, Kompetenzen der Seniorenpolitik in sein Ressort zu bekommen – keine Frage. Ich würde sagen, mit mäßigem Erfolg ist ihm das auch gelungen.

Aber auch die Freiheitlichen haben bewiesen, dass die Senioren ein Spielfeld für ihre Politik des Versprechens und des Vergessens sein können. Sie präsentieren jetzt eine dynamische und kompetente Seniorenministerin in der Person der Frau Bundesministerin Sickl. Diese bekommt die Zuständigkeit für die Seniorenpolitik, und die ÖVP schaut durch die Finger, Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann!

Wenn ich daran denke, dass Sie im Wahlkampf in unserem Wahlkreis die Bevölkerung darauf aufmerksam gemacht haben, wie wichtig Seniorenpolitik ist, wenn ich mich daran erinnere, was mir von Ihren Wahlwerbungen berichtet wurde, die sehr korrekt und völlig in Ordnung waren, dann stellt sich die Frage: Was ist daraus geworden? – Sie haben damals sinngemäß gesagt, Sie wollten die Politik für die Alten federführend gestalten. Sie haben sinngemäß gesagt: Die ÖVP hat die beste Politik für die Senioren. – Und was passiert jetzt? – Jetzt schauen Sie zu, wie die Agenden der Seniorenpolitik von Ihrem Bundeskanzleramt kompetenzmäßig in ein Ressort Ihres Regierungspartners abgeworben werden.

Da gehen Sie, Herr Abgeordneter, gegenüber Ihrem Regierungspartner in die Knie, obwohl Sie den Senioren anderes versprochen haben. Sie schauen zu, wie statt Bundeskanzler Schüssel von der Volkspartei, von Ihrer Partei, jetzt Frau Bundesministerin Sickl von den Freiheitlichen künftig in unserem Land Seniorenpolitik koordinieren wird. Ich kann nur sagen: Halleluja, halleluja! Die FPÖ ist jetzt für die Senioren da. – In Ihrem Sinne, so glaube ich, sollten Sie das einmal überdenken.

Mit der heutigen Änderung des Gesetzes wird der Österreichische Seniorenrat als Interessenvertretung gestärkt. Das finde ich gut. Nicht gut ist, dass durch Gesetz den Vorsitz im Bundes-Seniorenbeirat jetzt eine Vertreterin jener Regierungspartei erhält, die in den letzten Jahren alles getan hat, um Interessenvertretungen schlecht zu machen, zu diffamieren und zu bekämpfen. Die Haltung der Freiheitlichen, zum Beispiel bei den Arbeiterkammerwahlen und zu den Arbeiterkammern, ist uns noch gut in Erinnerung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Arbeitnehmer haben bei den Arbeiterkammerwahlen gezeigt, was sie von den Freiheitlichen halten. Die Freiheitlichen haben massiv verloren. Ich denke, auch die Senioren werden merken, wo sie besser aufgehoben sind – sicher nicht bei den Freiheitlichen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es gibt dazu keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen und werden wunschgemäß verschiedene Abstimmungen getrennt durchführen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 151 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen einen Abänderungsantrag sowie Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Bruckmann, Haller und Genossen ebenfalls einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Abänderungsanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile, der Reihe nach, und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben also einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung von Ziffer 1 § 4 Abs. 1 und 3 sowie die Streichung der Ziffern 2 bis 4 vorsieht.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 183

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zustimmen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Ich lasse aus diesem Grund über die Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen und ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die der entsprechenden Gesetzesstelle in der Fassung des Ausschussberichtes Ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben weiters die Streichung der Ziffer 5 beantragt.

Falls Sie diesem Antrag zustimmen, bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit. Er ist daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Bruckmann, Haller und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Ziffer 5 § 9 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag Bruckmann zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Dies ist in zweiter Lesung mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben weiters die Streichung der Ziffern 6 und 7 beantragt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Streichung der Ziffern 6 und 7 eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dieser Streichungsantrag findet nicht die Mehrheit. Er ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetz in der Fassung des Ausschussberichtes in diesem Teil zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, das ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Mertel und Genossen haben die Streichung der Ziffer 8 beantragt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Streichung der Ziffer 8 eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden, er ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Ziffer 8 § 19 Abs. 3 in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich bitte jene Mitglieder, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben weiters die Streichung der Ziffer 9 beantragt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über Ziffer 9 in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Ziffer 10 § 24 Abs. 1 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und daher beschlossen.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben die Streichung von Ziffer 10 § 24 Abs. 2 beantragt, und ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Streichungsantrag eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 184

Ich lasse über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Als Nächstes kommen wir zur getrennten Abstimmung über Ziffer 10 § 24 Abs. 3 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche, falls Sie dem zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, die Beschlussfassung erfolgt mit Mehrheit.

Die Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Ziffer 10 § 24 Abs. 4 bis 6 und weiters auf den § 27 Abs. 4 sowie die Streichung der Ziffer 12 bezieht.

Für den Fall der Zustimmung zu diesem Abänderungsantrag ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Abänderungsantrag hat nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Er ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Dies wird mit Mehrheit in zweiter Lesung beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen. (Abg. Dr. Khol: Aber Dr. Gusenbauer ist wieder nicht da! Er hat nichts über für Pensionisten!)

9. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (95 der Beilagen): Internationales Kaffee-Übereinkommen von 1994 sowie Resolution Nummer 384 betreffend Verlängerung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1994 (147 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Erste Rednerin hiezu ist Frau Abgeordnete Inge Jäger. Ich bitte sie, das Wort zu ergreifen.

18.24

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Wir beschließen heute den Beitritt zum Internationalen Kaffee-Übereinkommen. Es liegt offensichtlich auch ein Versäumnis des Wirtschaftsministeriums vor, dass wir das heute erst beschließen, denn wir sind bereits seit 1994 bei diesem Abkommen dabei. Dieses ist im Juli 1999 verlängert worden, und es wird nun gesagt, es konnte nicht rechtzeitig vor dem 30. September notifiziert werden. Aber heute haben wir schon den 7. Juni 2000. Das heißt, dass wir etwas rückwirkend beschließen. Wir bezahlen dafür, haben aber jetzt erst ein Stimmrecht. Also ich hoffe, dass in Zukunft aufmerksamer beobachtet wird, wenn es um internationale Verträge geht, die einzuhalten sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Begründet wird dieses Internationale Kaffee-Übereinkommen damit, dass die Förderung der Diversifizierung und Entwicklung der Wirtschaft der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 185

Kaffee-Erzeugerländer wichtig ist und dass es auch wichtig ist, eine Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Kaffee-Ausfuhrländern und den Kaffee-Einfuhrländern herbeizuführen. Wenn ich nur an die Konsumation hier in der Cafeteria denke, so sind wir, meine ich, natürlich alle dafür, dass es beim Kaffeehandel zu keinen Einschränkungen kommt.

Ich möchte aber trotzdem anführen, dass es, da fast ausschließlich Entwicklungsländer betroffen sind – dort wird eben der meiste Kaffee erzeugt –, auch darum geht, wie wir diese Länder, die Bevölkerung dort wirksam unterstützen können. Ich denke, dass das nicht allein mittels dieses Kaffee-Übereinkommens geschehen kann, sondern wichtig wäre vor allem auch der faire Handel mit Kaffee.

Es gibt eine Organisation, TransFair Österreich, die versucht, durch fairen Handel tatsächlich stabile Verhältnisse für die Bevölkerung in den Ländern des Südens zu sichern. Da geht es um existenzsichernde Preise und stabile Einkommen für die Erzeuger durch langfristige Abnahmeverträge, durch den Direkteinkauf ohne Zwischenhändler und die Vorfinanzierung sowie eine Mindestpreissicherung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bevölkerung in den Ländern des Südens hat ein Recht auf gerechte Preise genauso wie unsere Bauern oder die Bauern in den europäischen Ländern. (Beifall bei der SPÖ.) Sie hat ein Recht darauf, gerechte Preise für ihre landwirtschaftlichen Produkte zu verlangen.

Ich würde mir – diesbezüglich ist vom Europäischen Parlament bereits eine Entschließung gefasst worden – eine verstärkte Unterstützung des fairen Handels durch die Europäische Union wünschen. Ich bin auch sehr zuversichtlich, denn im Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses, der sich derzeit mit dem Thema Entwicklungszusammenarbeit befasst, hat Frau Mag. Hakl von der ÖVP bereits angekündigt, dass sie dafür eintreten wird, den fairen Handel in Österreich zu unterstützen. Ich hoffe, Herr Minister, dass wir existent wirklich zu einer gesetzlichen Vorlage kommen, die tatsächlich im Sinne der Produzenten und natürlich auch im Sinne der Konsumenten und Konsumentinnen in Österreich ist.

Ein Punkt in diesem Internationalen Kaffee-Übereinkommen ist auch, dass angesichts des Umstandes, dass die Kaffeeproduktion für viele Länder des Südens sehr wichtig ist, der Kaffeeverbrauch gefördert werden soll. Umso mehr gilt es aber auch, den Anteil des fair gehandelten Kaffees zu erhöhen, und dieser ist in Österreich noch sehr gering. In Österreich werden nur 0,5 bis 0,7 Prozent des Kaffees im Wege des fairen Handels verkauft, obwohl wir diesen Kaffee nicht nur in den "Weltläden" verkaufen, sondern er bereits auch im freien Handel zu erhalten ist.

Ich denke, es müsste unser aller Anliegen sein, auch in Zukunft vom Parlament unterstützend darauf einzuwirken, dass der fair gehandelte Kaffee einen größeren Stellenwert erhält. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Haigermoser. Er hat das Wort.

18.29

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Einige kurze Anmerkungen zum Internationalen Kaffee-Übereinkommen: Frau Kollegin! Das Ganze war kein Versäumnis des Wirtschaftsministers, sondern der damaligen Koalition insgesamt, die im letzten Jahr ihrer Tätigkeit nur gestritten und offensichtlich so manche Dinge übersehen hat. (Abg. Dr. Mertel: Hören Sie auf!)  – Ich verstehe zwar Ihr entwicklungspolitisches Engagement, aber grundsätzlich wären auch Sie gefragt gewesen, Dinge einzumahnen. Also bitte keine Kindesweglegung Ihrerseits! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In der vorliegenden Präambel sind ja die Politikfelder festgeschrieben, und es ist schon ganz interessant, sich diese Dinge noch einmal zu Gemüte zu führen. Wir bekennen uns als Freiheitliche dazu, das einmal vorweg. Ich zitiere: in Anerkennung der Tatsache, dass es wünschenswert ist, ein Ungleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch zu vermeiden, das zu ausge


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 186

prägten Preisschwankungen zum Nachteil sowohl der Erzeuger als auch der Verbraucher führen kann.

Das ist ein Leitsatz, und das ist auch für unsere Landwirte in Österreich ganz interessant. Man sollte die Geschichte nicht einäugig sehen, sondern auch darüber nachdenken, dass man, wenn man für Entwicklungshilfe und für entsprechende Preise für die in diesen Ländern erzeugenden Bauern eintritt, sich auch in zunehmendem Maße die Sorgen und Nöte der österreichischen Landwirte in den Bergregionen zu Gemüte führen muss, denn diese bekommen auch keine kostendeckenden Preise mehr, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang sollten wir uns auch beim Kaffee immer wieder darüber unterhalten, wie es zu nachhaltiger Bewirtschaftung im landwirtschaftlichen Bereich kommt. Ich weiß, dass das natürlich jetzt mit dem internationalen Abkommen nichts zu tun hat, aber wir sollten es zumindest einmal verinnerlichen und uns mental ein bisschen darauf einstellen. – Eine ganz wichtige Angelegenheit, so meine ich, meine Damen und Herren.

Die Kernsätze sind festgehalten, und die gerechten Preise sind natürlich notwendig. Politikfelder sind zu beackern. Und ich möchte mich abschließend eigentlich nur mit einem Satz aus der Zielsetzung dieser Regierungsvorlage auseinander setzen. Da heißt es nämlich, die Vertragspartner hätten den Kaffeeverbrauch zu fördern und zu steigern. Also wir als Vertragspartner sind dazu angehalten, den Kaffeeverbrauch zu steigern. Wenn man das so im Raum stehen lässt, dann wäre das nahezu gesundheitsschädlich, denn dann müssten wir ja, um das Ganze ein bisschen hochzudiskutieren, vielleicht ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Na, Frau Kollegin, Sie sind ja da fast ausgerastet im Ausschuss. Sie sollten nicht Kaffee trinken, das regt Sie offensichtlich auf, sondern vielleicht ein Glaserl Rotwein, damit Sie sich beruhigen. Was meinen Sie? (Abg. Dr. Lichtenberger: Was haben Sie denn für ein Problem?) Ich habe keines! Sie haben eines! Ich habe kein Problem. Ich möchte nur Ihre Stimmungsschwankungen im Ausschuss kommentieren.

Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Lichtenberger: So viel Dummheit ...!)  – Bitte, was ist "Dummheit"? Wie meinen Sie? (Abg. Mag. Schweitzer: Was war das? Wiederholen Sie das! – Abg. Dr. Lichtenberger: Ich nehme es zurück!) Den Intelligenztest mit Ihnen nehme ich gerne auf, das kann ich Ihnen sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn Sie sich über "Dummheit" unterhalten wollen, diskutiere ich gerne mit Ihnen, Frau Kollegin! (Abg. Dr. Mertel: Haigermoser, du hast es nötig!) Aber gut, Sie haben sich damit ja selbst ad absurdum geführt.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich hoffe, wenn der Kaffeeverbrauch in Österreich jetzt nicht so hoch sein wird, dass Sie das dem Herrn Gusenbauer nicht sagen, denn sonst kommt Österreich noch unter Beobachtung der kaffeeerzeugenden Länder, gibt es noch ein Monitoring, was den Kaffeeverbrauch anlangt, meine Damen und Herren. Das wollen wir doch nicht hoffen, wenn wir dieses Abkommen heute mitbeschließen. Wir sind mit dabei, und wir hoffen, dass derartige Versäumnisse, das rechtzeitig zu beschließen, in Hinkunft nicht mehr eintreten werden.

Grundsätzlich bekennen wir uns zu diesen Abkommen, genau so wie zum Kakao-Abkommen. Es gibt ja deren viele. Wir sind gerne dabei, auch diesen Entwicklungsländern zu fairen und gerechten Preisen für ihre Produkte zu verhelfen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 187

18.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Kollegin Lichtenberger! Kommen Sie heraus und entschuldigen Sie sich! – Abg. Haigermoser: Nein, das braucht sie wirklich nicht! Sie sollte sich beim Wähler entschuldigen, dass sie sie gewählt haben!)

18.34

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! (Abg. Dr. Lichtenberger: Können Sie das wiederholen, Herr Kollege? – Abg. Haigermoser: Ja: Beim Wähler sollen Sie sich entschuldigen, dass sie Sie gewählt haben! – Abg. Ing. Westenthaler: Wenn man sich gleich danach entschuldigt, ist es also kein Ordnungsruf! Das ist neu! Das ist neu!)

Der Internationale Kaffeerat hat bei seiner Tagung in London im Juli 1999 eine zweijährige Verlängerung der Geltungsdauer des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1994 beschlossen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn man sich nachher gleich entschuldigt, ist es kein Ordnungsruf! Okay!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Westenthaler! Über die Ordnungsrufe wird hier am Präsidium entschieden – und nicht von Ihnen! (Abg. Ing. Westenthaler: Es geht nicht, dass eine Abgeordnete einen anderen Abgeordneten ...!)

Ich habe gehört, dass Herr Abgeordneter Gaugg einer Abgeordneten gesagt hat, sie soll nicht dauernd "keppeln", und ich habe das an sich als ungeheuerlich empfunden. (Die Abgeordneten Ing. Westenthaler und Mag. Schweitzer: Was war jetzt?) Aber im Sinne einer vernünftigen und friedlichen Stimmung habe ich diesen Ordnungsruf nicht erteilt, und ich lasse mir von Ihnen auch keinen anderen Ordnungsruf oktroyieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn man sich entschuldigt, gibt es keinen Ordnungsruf!) Wer sagt das? Das sage ich überhaupt nicht! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie hat "Dummheit" gesagt zu einem Abgeordneten, und das ist meiner Meinung nach ein Ordnungsruf!)

Herr Abgeordneter Hornek ist am Wort! – Bitte.

Abgeordneter Erwin Hornek (fortsetzend): Geschätzte Damen und Herren! Vielleicht ein Vorschlag zum Konsens: In der Cafeteria gemeinsam eine Schale Kaffee trinken und anschließend diese Angelegenheit ausdiskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich werde meine Rede kurz halten, weil die maßgeblichen Dinge von meinen Vorrednern bereits dargelegt wurden, und ich kann dem Grundsatz, einem fairen Handel beizutreten und den Produzenten korrekte Preise zu bezahlen, einfach nur beipflichten, ebenso wie ich auch dem Vergleich mit den österreichischen Bauern beipflichten kann.

Geschätzte Damen und Herren! Ich hoffe, dass dieses Kaffee-Übereinkommen genau diesem Zweck dient und dass wir in der Folge keine langen Diskussionen haben werden, weil wir diesem Kaffee-Übereinkommen beitreten. Österreich hat eine lange Kultur in diesem Bereich, die auf ein Überbleibsel zurückzuführen ist, denn im Zuge der Türkenbelagerung ist Kaffee bei uns in Wien geblieben. Wir haben eine tolle Kaffeehauskultur, und wir können davon touristisch im höchsten Maße profitieren. Die Österreicher haben mit dem Kaffee ein Lieblingsgetränk, sie trinken – Sie hören nicht falsch! – 23 Milliarden Tassen Kaffee im Jahr.

Ich habe nur einen einzigen kleinen Zusatz zur fachlichen Komponente. Es ist zweifellos schwer, sich im botanischen Bereich in Bezug auf Kaffee im Detail auszukennen, aber eine hier anwesende Expertin hat mir gesagt, sie züchtet selbst Kaffee, und die Bohnen sind zuerst grün, werden dann rot, aber das wahre Aroma entwickeln sie erst dann, wenn sie schwarz sind. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich wünsche mir Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir gelangen als Erstes zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 95 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 188

Ich bitte jene Damen und Herren, die bereit sind, diese Genehmigung zu erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist einstimmig so beschlossen.

Als Nächstes stimmen wir ab über den Antrag, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 der Bundesverfassung zu beschließen, dass die Kundmachung dieses Staatsvertrages sowie der Resolution Nummer 384 in allen authentischen Sprachfassungen samt deren Übersetzung ins Deutsche durch eine Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erfolgt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Damit ist der 9. Punkt erledigt.

10. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (97 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Auszeichnung von Preisen (Preisauszeichnungsgesetz – PrAG) und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (148 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Die erste Wortmeldung liegt vor von Herrn Abgeordnetem Kurt Eder. Die Redezeit ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

18.38

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Lassen Sie mich in Kürze einige Anmerkungen zum Preisauszeichnungsgesetz und dieser Novelle, die wir hier heute diskutieren, machen. Es wird nämlich für den Konsumenten immer schwieriger, Preisvergleiche zu ziehen, weil die Verpackungseinheiten immer komplizierter werden, die in den Verpackungen enthaltenen Waren verdichtet sind, anders dargestellt sind, als das oft der Konsument meint. Daher gibt es eine europäische Richtlinie, die nun mit dieser Preisauszeichnungsgesetz-Novelle umgesetzt werden soll. Allerdings gibt es bei dieser Umsetzung einige Punkte, mit denen ich keine Freude habe und weshalb auch meine Fraktion wahrscheinlich nicht mitstimmen kann.

Es gibt nämlich generell keine Vereinheitlichung des Preisauszeichnungsgesetzes. Das heißt, die Konsumenten werden auch nach dieser Novelle in Zukunft Probleme in diesem Bereich haben. Es wurde mit dieser Regierungsvorlage leider verabsäumt, die in Österreich recht zersplittert vorhandenen Preisauszeichnungsbestimmungen, wie etwa bei Banken, bei Fahrschulen, bei Wechselstuben – darauf wird dann Kollege Maier noch etwas näher eingehen –, auch bei der Telekommunikation und so weiter, um einige Beispiele zu nennen, in einer Materie zusammenzufassen. Diesem jahrelangen Wunsch der Konsumentenschutzeinrichtungen wird damit nicht entsprochen, und es bleibt leider bei dieser Zersplitterung.

Ein weiterer Punkt, warum wir dieser Novelle nicht zustimmen werden, ist, dass es in diesem Entwurf zu viele Ausnahmen gibt. Die EU-Richtlinie schreibt eine umfassende Angabe des Grundpreises vor. Das heißt, neben dem Verkaufspreis einer Packung mit einem bestimmten Füllinhalt, etwa 350 g, ist auch der Grundpreis, das ist der Preis bezogen auf ein Kilogramm der Ware oder auf eine Mengeneinheit der Ware, anzugeben. Dieser Vorgabe kommt die Regierungsvorlage unserer Meinung nach nur sehr mangelhaft nach.

Packungen mit weniger als 20 Gramm oder 20 Milliliter sind überhaupt ausgenommen. Und der immer größer werdende Bereich der Fertiggerichte, diätetischen Lebensmittel sowie Konzentrate ist ebenfalls ausgenommen. Wir halten das für keine gute Lösung.

Auch wäre es schön gewesen, wenn wir heute bereits wüssten, wie die Verordnungen, die diesem Gesetz zufolge dann erstellt werden, aussehen werden, denn der Herr Bundesminister


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 189

hat im Rahmen dieser Verordnungen doch eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten. Ich glaube, es wäre gut gewesen, wenn wir heute schon wüssten, wie diese Verordnungen aussehen werden, um den Konsumenten entsprechende Sicherheit zu geben.

Eine extreme Ausnahme für so genannte Kleinbetriebe ist ebenfalls in diesem Gesetz enthalten. Diese Ausnahmeregelung für Kleinbetriebe, die durch die zugrunde liegende EU-Richtlinie möglich gemacht wird, wurde in der Regierungsvorlage aber in einer exorbitanten Art und Weise ausgelegt. So sind Geschäfte mit weniger als neun Vollzeitbeschäftigten überhaupt ausgenommen genauso wie Geschäfte, deren Verkaufsfläche unter 250 Quadratmeter liegt. Das heißt, alles, was sich im Rahmen von Geschäftsflächen unter 250 Quadratmeter bewegt, unterliegt nicht dieser Preisauszeichnungsgesetz-Novelle. Diese Ausnahmebestimmungen, die noch dazu sehr kompliziert gehalten sind, sind unserer Meinung nach überzogen und entsprechen meines Erachtens auch nicht dem EU-Gedanken. Wir können daher dieser Novelle nicht die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Er hat das Wort.

18.42

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen, meine Herren! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Ich verstehe überhaupt nicht, Herr Kollege Eder, dass Sie dieser Vorlage nicht zustimmen, und glaube, dass Ihre Argumentation da auch etwas hinkt. Ich kann es nicht verstehen, niemand versteht es, dass man gegen diese Ausnahmen sein kann, die man gerade für die Nahversorger und insbesondere für regionale Produkte schafft.

Das ist ja auch genau dem "Feinkostladen Österreich" entgegengesetzt. Ich habe das Beispiel auch in die Diskussion im Ausschuss gebracht: Für einen Honig-Zulieferer aus dem ländlichen Bereich ist es eben schwierig, so schnell die Produkte mit den ausgewiesenen Kilopreisen et cetera in die Regale zu bringen. Wir wissen, dass diese Auszeichnungen bei den Großanbietern heute, nachdem 90 Prozent des Lebensmittelhandels bereits von vier Anbietern abgewickelt werden, sowieso automatisch passieren. Jetzt in diesem Kleinbereich auch noch Bürokratien aufzubauen, das versteht wohl kein Mensch mehr. Ich bin froh, dass dieser Argumentation die Grünen zumindest im Ausschuss gefolgt sind.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass diese Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments durch dieses vorliegende Preisauszeichnungsgesetz umgesetzt wird. Unzweifelhaft – und das hat man, glaube ich, auch in der Diskussion gesehen – entstehen dadurch auch zusätzliche Kosten für den Handel. Wenn wir wissen, dass gerade im Lebensmittelhandel 4 Prozent maximal vor Steuer als Marge eingesetzt werden und diese Preisauszeichnung gewaltige Kosten verursacht und gerade diese 4 Prozent, so wird gerechnet, vom Gewinn "wegfrisst", dann sollte man hier nicht päpstlicher als der Papst sein und gerade den klein- und mittelständischen Einzelhändlern doch etwas Freilauf, Freiraum lassen. (Abg. Dr. Pilz: Auslauf!)

Meine Damen und Herren! Es geht primär um den Grundpreis. Das heißt, zum Beispiel bei Marmelade ist dann der Kilopreis anzuführen, bei Getränken der Literpreis und so weiter. (Zwischenruf.) Auch bei Champagner, auf den Zwischenruf eingehend, muss dann der Literpreis angegeben werden. Ich hoffe, dass das dann den Preisvergleich für Herrn Gusenbauer erleichtert, wenn er beim Champagnisieren ist. (Abg. Eder: Bleiben Sie doch etwas sachlich!) Da wird er dann etwas leichter auf den Literpreis kommen. Beim Kaviar muss dann auch der Kilopreis angegeben werden. Beluga, Sevruga oder Osietra – er kann sich das dann kiloweise sehr leicht ausrechnen, um zu wissen, wo es langgeht. (Abg. Eder: Lächerlich machen kann man sich über alles! Das ist ja nicht notwendig! Ich habe mich bemüht, sachlich zu sein! Keine Beleidigung!)

Keine Beleidigung, aber so einem Gesetz sollte man doch zustimmen. Es ist das ja nicht eine Regierungstollheit, dass man hier irgendjemanden über den Tisch zieht, den Verbraucher schon gar nicht, sondern wir wollen gemeinsam die Nahversorgung pflegen und den Nahversorgern auch das Überleben ermöglichen. Darum geht es. Und da sollten wir uns hier nicht ein Schar


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 190

mützel liefern. (Abg. Dr. Mertel: Es ist das Niveau!) Wenn wir uns da einig sind, dann bin ich gerne bereit, auch auf dieser Ebene zu diskutieren.

Meine Damen und Herren! Es wird ja relativ schnell dazu kommen, dass bereits die Industrie die entsprechenden Unterlagen mitliefert, und es wird dann in dieser Übergangsfrist – darum haben wir diese auch in das Gesetz hineingenommen – sehr schnell zu sehr verbraucherfreundlichen Informationen kommen. Daher ist, so glaube ich, eine Zustimmung zu dieser Übergangsfrist mehr als notwendig, weil man nicht sagen kann, abrupt ab heute soll das alles passieren.

Meine Damen und Herren! Vielleicht noch eine Kurzanmerkung zum Euro-Währungsangabengesetz, das in Österreich einzigartig ist. Sämtliche Euroländer in Europa haben eine freiwillige Vereinbarung getroffen, und daher sollten wir uns auch daranmachen, zu überdenken, ob wir dieses Gesetz noch brauchen oder ob wir nicht eher mit einer Novellierung, die weniger bürokratisch ist, arbeiten sollten, sodass es zu einer Symbiose, zu einem Zusammenschluss dieses Preisauszeichnungsgesetzes und der Europreisauszeichnung kommt. Dann könnten wir uns diesen dicken Wust des Euro-Währungsangabengesetzes, das sowieso erst in gut einem Jahr zum Tragen kommt, ersparen, und das wäre ein guter Dienst an der Entbürokratisierung.

Wir stimmen dem heutigen Gesetzentwurf zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maier. Ich habe da 7 Minuten stehen? Ist das ein Schreibfehler, oder stimmt das? (Abg. Mag. Maier: Stimmt!)  – Bitte.

18.47

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Haigermoser, es hinkt nicht unsere Argumentation, es hinkt die Regierungsvorlage. Wir werden versuchen, die entsprechenden Krücken zur Verfügung zu stellen, damit auch klar wird, wen dieses Gesetz schützen soll. Es ist nämlich nicht die Wirtschaft.

Ich darf dich daran erinnern, dass es in der Richtlinie heißt: Es geht um den Schutz der Verbraucher bei der Angabe von Preisen. Wir sollten hier nicht wettbewerbsrechtliche Problemstellungen diskutieren, sondern uns fragen, wie am besten eine entsprechende Information der Verbraucher gewährleistet werden kann.

Unserer Meinung nach kommt diese Regierungsvorlage bestimmten Unternehmen und Branchen in einem sachlich nicht gerechtfertigten Umfang zu Lasten der Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zugute. Ich werde das ganz gezielt nachweisen.

In der Argumentation zur Preisauszeichnung sollten wir grundsätzlich unterscheiden zwischen der allgemeinen Preisauszeichnung und der Grundpreisauszeichnung. Kollege Haigermoser! Es geht nicht allein um die Grundpreisauszeichnung, sondern auch um die allgemeine Preisauszeichnung und um die im Gesetz stehenden Ausnahmebestimmungen.

Grundsätzlich glaube ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass man in Zeiten der Globalisierung davon ausgehen muss, Kennzeichnungsvorschriften umfassend auszugestalten sowie auch Verstöße gegen diese Kennzeichnungsbestimmungen mit entsprechenden Sanktionen zu versehen. Das betrifft beispielsweise einerseits die gesetzliche Produktkennzeichnung und andererseits auch eine umfassende einheitliche Preisauszeichnung. Erst dann können nämlich informierte Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Kaufentscheidung sachgerecht und kompetent – das ist der Anspruch von Bundesminister Böhmdorfer – den jeweiligen Bedürfnissen angepasst treffen.

Es wird zwar nun mit dieser Regierungsvorlage in einigen Bereichen eine positive Regelung getroffen, aber ich betone, es überwiegen die Nachteile für die Verbraucher. Kollege Eder ist auf unsere grundsätzliche Kritik eingegangen. Erlauben Sie mir, ins Detail zu gehen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 191

Die Ausnahmebestimmungen zur allgemeinen Preisauszeichnung müssen abgelehnt werden. Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Leistungen, die in anderen Bundesgesetzen geregelt sind, beispielsweise für die Steirer: Es gibt bei den Taxis keine Preisauszeichnung mehr. Es ist auch die Argumentation der Salzburger Wirtschaftskammer, Kollege Puttinger, die mich in der Diskussion um die Freigabe der Tarife darauf gebracht hat, weil sie ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es dann, wenn es zu keiner Tariffestsetzung kommt, auch keine Preisauszeichnung gibt.

Weiters schließt dieses Gesetz Sachgüter aus, die im Rahmen einer Dienstleistung angeboten werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Friseur und wollen ein bestimmtes Shampoo oder sonst ein Kosmetikprodukt, wissen aber gar nicht, wie viel dafür verlangt werden darf, weil es da auch keine Preisauszeichnung gibt!

Aber das größte Problem – das ist der dritte Punkt – sehe ich darin, dass die Preisauszeichnung für jene Dienstleistungen nicht gilt, deren Anbieten nicht der Gewerbeordnung unterliegt. Damit komme ich zum Problem der Garagenvermieter einerseits und dem der Wechselstuben andererseits.

Ich berichte nun von einem konkreten Fall, der vor zwei Wochen in Salzburg passiert ist: 1 000 S für das Wechseln von 700 US-Dollar zahlte eine Konsumentin in einer Wechselstube in der Getreidegasse. Die Frau hatte sich vorsorglich vor dem Wechseln erkundigt, wie hoch die Spesen sein werden. – Das könne sie dann dem Beleg entnehmen, war die Antwort. Als die Kundin dann die horrende Gebühr errechnete, wollte sie das Geschäft sofort stornieren. – Das gehe aber nicht, wurde ihr mitgeteilt. Die Information war Folgende: Die Frau solle sich an die Zentrale in London wenden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier den Rechnungsbeleg mit. Es ist tatsächlich so: Es gibt weder eine Preisauszeichnung noch eine Begrenzung der Gebühr. Und die Gebühr wird nicht einmal auf dem Rechnungsbeleg ausgewiesen. (Abg. Dr. Khol: Das macht die Rieger-Bank genauso!)  – Ich lehne es ab, Herr Abgeordneter Khol, dass Geschäfte in dieser Form gemacht werden. (Abg. Dr. Khol: Ich auch!)

Den Kollegen der ÖVP und der Freiheitlichen Partei aus Ihrem Wahlkreis sage ich noch das: Ich habe ein Schreiben des Fremdenverkehrsverbandes Kuchl bekommen, in dem zu lesen ist: Wir ersuchen höflich, diese Geschäftspraktiken – Nepp – vielleicht noch vor der Hauptsaison abzustellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher bringe ich den Entschließungsantrag Mag. Maier, Eder ein. Dieser Entschließungsantrag beinhaltet eine Preisauszeichnungsverpflichtung, eine Angabe über die Wechselkosten auf dem Wechselbeleg und eine Begrenzung der Gebühren.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier, Eder und GenossInnen zum Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Auszeichnung von Preisen (Preisauszeichnungsgesetz – PrAG) und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (97 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, eine gesetzliche Regelung bis 31. Juli 2000 vorzubereiten, durch die die Wechselgebühr mit maximal 5 Prozent der Wechselsumme festgesetzt sowie eine Preisauszeichnungsverpflichtung für Wechselstuben mehrsprachig in deren Betriebsstätten und die Wechselgebührenangabe am Wechselbeleg vorgeschrieben werden.

*****


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 192

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind es den Touristen – insbesondere den amerikanischen, kanadischen und australischen Touristen – schuldig, dass sie entsprechend informiert werden.

Abschließend zu dieser Regierungsvorlage die letzte Feststellung: Wir von der SPÖ gehen davon aus, dass diese Regierungsvorlage den Ansprüchen der Verbraucher nicht gerecht wird – die Ausnahmebestimmungen von der allgemeinen Preisauszeichnung bestätigen das – und dass – Kollege Eder ist bereits darauf eingegangen – die Grundpreisauszeichnung mit ihren zahlreichen Ausnahmebestimmungen in dieser Form nicht zu akzeptieren ist. (Beifall bei der SPÖ.)

18.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

18.54

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das jetzt zur Beschlussfassung anstehende Preisauszeichnungsgesetz ist auf eine rechtliche Vorgabe der Europäischen Union zurückzuführen. In diesem Zusammenhang hat wahrscheinlich so mancher von Ihnen – und vermutlich auch der Konsument – die Assoziation mit dem EWAG. Genau das ist aus meiner Sicht auch der Grund dafür, warum ein bestimmtes Spannungsfeld besteht – ein Spannungsfeld, das dadurch gekennzeichnet ist, dass einerseits durchaus berechtigtes Interesse des Konsumenten an Information da ist, dass es aber andererseits gerade im Handelsbereich Klein- und Mittelbetriebe gibt, die ohnedies in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation sind und denen in dieser Situation eine administrative Belastung sehr schwer zumutbar ist.

Und zum Dritten möchte ich – anknüpfend an Herrn Maier – schon sagen, dass es noch eine Komponente gibt, nämlich den mündigen Konsumenten. Dieser kann auch einbezogen werden, wenn es um Informationen geht, wenn es um die entsprechende Ausrichtung in Sonderbereichen geht, wie beispielsweise in Wechselstuben.

Die vorliegende Lösung, meine Damen und Herren, ist meines Erachtens ein ausgewogener Kompromiss, der eigentlich beiden Anliegen Rechnung trägt. (Beifall bei der ÖVP.)

Grundsätzlich wird nämlich jeder Einzelhändler dazu verpflichtet, neben dem Verkaufspreis auch den Preis je Maßeinheit anzugeben. Das ist heute schon angesprochen worden. Das ermöglicht dem Konsumenten ganz einfach mehr Transparenz, bessere Information (Zwischenruf des Abg. Eder ) und natürlich eine bessere Vergleichbarkeit. Und bessere Vergleichbarkeit ermöglicht mehr Wettbewerb. Daher glauben wir, dass von der gesamten Regelung eher preisdämpfende und qualitätssteigernde Effekte ausgehen werden.

Weiters – das wurde hier schon angesprochen – ist die Situation der Klein- und Mittelbetriebe zu beachten. Auch diese wurde unseres Erachtens entsprechend dadurch erfasst, dass eben auf der einen Seite Ausnahmen für Betriebe bis 250 Quadratmeter bestehen beziehungsweise auf der anderen Seite (Abg. Eder: 200 Quadratmeter ist eine Billa-Filiale!)  – für Filialen gibt es eine Sonderregelung, das wissen Sie ganz genau, darauf komme ich noch zu sprechen; warten Sie einen Moment! – eben für Geschäfte mit bis zu neun Mitarbeitern.

Bis Ende Februar 2002 – deswegen auch mein Hinweis auf das EWAG – besteht für Geschäfte mit 400 Quadratmetern eben diese Ausnahmemöglichkeit. Es ist auch ganz klar, warum, denn der Betrieb müsste sonst neben dem Verkaufspreis den Grundpreis in Euro und in Schilling angeben. Unseres Erachtens würde der Konsument dadurch eher verwirrt, insbesondere im Kleinhandel, wo gerade eine räumliche Enge gegeben ist. Das trüge eher zur Desinformation als zur Information bei.

In diesem Zusammenhang – wenn es um Information und um Sinnhaftigkeit geht – darf ich einen Abänderungsantrag einbringen, der an die gestern beschlossene Buchpreisregelung anknüpft, und zwar deswegen, weil im Preisauszeichnungsgesetz sonst eine unsinnige Bestimmung enthalten wäre, was ausländische Bücher anlangt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 193

Daher stelle ich folgenden Antrag, der auch entsprechend unterstützt ist:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Haigermoser und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Auszeichnung von Preisen (Preisauszeichnungsgesetz – PrAG) und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (97 der Beilagen), in der Fassung des Ausschussberichtes (148 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 wird folgende Ziffer 4a eingefügt:

"4a. In § 12 Abs. 1 entfällt der erste Satz."

*****

Das wäre die analoge Umsetzung der Buchpreisbindung.

Es gibt weiters mehrere Verordnungsermächtigungen – eine im Bereich der Lebensmittel –, eine Negativliste darzustellen, was ausgenommen wird; das wird nicht sehr viel sein. Was die Auszeichnungsliste für Nicht-Lebensmittel anlangt, soll eine Positivliste dargestellt werden, wenn es zum Beispiel um Farbe, Lacke, Kosmetika und dergleichen geht. Das wird in dieser Form dazu beitragen – wenn nicht übermäßig dargestellt wird –, das Ganze entsprechend konsumentenorientiert umzusetzen.

Zum Abschluss die Conclusio daraus: Wenn Sie die Ausnahmen betrachten, wer davon betroffen sein wird, so sehen Sie, dass in etwa zwei Drittel aller Betriebe ausgenommen sind, wenn Sie aber den Umsatz anschauen, werden Sie erkennen, dass bloß 16 Prozent aller Umsätze von der Grundpreisauszeichnung erfasst sind. Das bedeutet, dass im Endeffekt Billa und all die großen Geschäfte unter diese Regelung fallen. Auf der anderen Seite geht aber die Tendenz dahin – und das ist einfach eine Marketing-Notwendigkeit –, dass wahrscheinlich nahezu jeder Betrieb, auch der Kleinbetrieb, entsprechend umstellen wird, weil das Standards sind, die im Marktgeschehen einfach notwendig sind.

Mit diesen Ausnahmen erreichen wir jedoch auch, dass der Kleinbetrieb jetzt nicht im Kriminal steht, sondern die Möglichkeit hat, die Anpassung Schritt für Schritt vorzunehmen.

Meine Damen und Herren! Aus unserer Sicht ist dieses Gesetz sowohl wirtschafts- als auch konsumentenfreundlich. Sie sollten sich überlegen, diesem entsprechend zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erstens halte ich fest, dass der Entschließungsantrag des Abgeordneten Maier ordnungsgemäß eingebracht, unterfertigt ist und mit in Verhandlung steht.

Zweitens stelle ich fest, dass der Abänderungsantrag, den Abgeordneter Dr. Mitterlehner soeben vorgetragen hat, mit in Verhandlung steht.

Drittens gelangt nun der Herr Bundesminister zu Wort. – Bitte.

19.00

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! In aller Kürze: Dieses vorliegende Preisauszeichnungsgesetz dient nicht nur der Umsetzung einer EU-Richtlinie, sondern dient auch der Information der Konsumenten und berücksichtigt dabei die Interessen der Wirtschaft, insbesondere der mittelständischen und kleinstrukturierten Wirtschaft. So gesehen kann ich der Argumentation


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 194

des Abgeordneten Eder, aber auch jener des Abgeordneten Maier nicht ganz folgen, die meinten, dass die Ausnahmeregelungen zu großzügig angesetzt seien. Die Kleinen brauchen das nicht zu tun. Die Großen, die zu Handelsketten gehören, haben das jedoch zu tun. Das halte ich für vernünftig. Die angesetzten Quadratmetergrenzen mit 400 Quadratmetern bis zur Umstellung auf den Euro und mit 250 Quadratmetern danach scheinen mir doch zweckmäßig und angemessen zu sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich aber auch auf spezifische Kritikpunkte eingehen! Wie schon im Ausschuss, Herr Abgeordneter Maier, sage ich: Dieses von Ihnen angeführte Beispiel einer jedenfalls besonders schlimmen Abrechnung einer Währungsumwechslung dürfte kein Einzelfall sein. Ich weiß, dass mein Haus eine Zeit lang in Diskussion mit dem Bundesministerium für Finanzen stand und dort die Absicht bestanden hat, eine entsprechende Regelung über das Bankwesengesetz herbeizuführen.

Nunmehr ist die Situation so, dass wir eine entsprechende Verordnungsergänzung gemäß Preisauszeichnungsgesetz zu erlassen beabsichtigen. Bis zum Ende dieses Jahres wird es daher eine Verordnung geben, die zum Inhalt hat, dass auch Wechselstuben entsprechende Konditionen auszuzeichnen haben. So gesehen stimme ich Ihrer Kritik zu. Allerdings sage ich auch ein klares und deutliches Nein zu Ihrem Wunsch nach einer Festsetzung der Höhe der Vergebührung. Also: ja zu einer Kennzeichnung und Auszeichnung, nein zu einer Festsetzung! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Zu dem Kritikpunkt, dass Taxis Preisauszeichnungen nicht durchzuführen hätten, ist Folgendes zu sagen: Hiebei scheint mir das Gelegenheitsverkehrsgesetz der richtige Ansatz zu sein, nämlich § 13 Abs. 3. Mir liegt eine Information des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vor, wonach auf Basis dieser gesetzlichen Bestimmung die Landeshauptleute Verordnungen erlassen können, sodass ich für mein Haus in dieser Beziehung keinen Handlungsbedarf sehen kann. – Ich danke für die Erteilung des Wortes, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.03

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Diese heute in Verhandlung stehende Regelung ist zwar unvollkommen, aber sie ist zumindest einmal ein kleiner Schritt in Richtung besserer Vergleichbarkeit und besserer Durchschaubarkeit für die Konsumenten.

Es wurde vorhin kritisiert, dass Schwellenwerte existieren, die die Nahversorgung mehr oder minder fast vollständig aus diesen Regelungen ausnehmen. Meiner Ansicht nach wäre es durchaus möglich gewesen, eine niedrigere Schwelle zu setzen. Aber eine Ausnahme, würde ich sagen, muss im Sinne der Praktikabilität einer Regelung auch für Nahversorger, die zum Teil regionale Produkte verkaufen, bei denen es keine so genannten vorgefertigten Preismodelle gibt, existieren. Das ist aus meiner Sicht eine Regelung, die zwar den Vergleich für Konsumenten etwas schwieriger macht, wobei man aber sagen muss, dass andere Kriterien bei der Kaufentscheidung sicherlich wesentlicher sind als ein genauer Preisvergleich auf Dekagramm. Da geht es um die regionale Herkunft, da geht es um das Kennen der Quelle, und da geht es auch um Bioprodukte, bezüglich derer es eine extreme Erschwernis gäbe, wenn man sie solchen Regelungen unterwerfen würde.

Welchem Punkt wir aber sicher auch zustimmen werden, ist die Frage, die schon in den Ausschussverhandlungen aufgetaucht ist, nämlich jene der Gebühren beim Wechseln. Wie der Herr Minister ja selbst gesagt hat, handelt es sich beileibe nicht um Einzelfälle. Gerade in Tourismusgegenden muss man sich sehr oft mit Kritik von Touristen auseinander setzen, die beklagen, dass sie Gebühren bezahlen müssen, die horrend sind, die nicht nachvollziehbar sind, die oft auf den Belegen nicht ersichtlich sind und bei denen zwischen den einzelnen Wechselstuben


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 195

große Ungleichheit herrscht. Da bedarf es einer Einschränkung, da bedarf es einer Beschränkung. Wir unterstützen also den diesbezüglichen Antrag.

Zum Gesetz selbst: Es ist nur ein kleiner Schritt zur Verbesserung der Situation von bewusst kaufenden Konsumentinnen und Konsumenten. Es wird etliches zum Nachjustieren geben, seien es die Schwellenwerte für die Ausnahmen, von denen ich glaube, dass man etwas mehr hätte differenzieren können, oder ähnliche Details mehr. Im Großen und Ganzen können wir aber dieser Neuregelung zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

19.06

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sie gestatten, dass ich im Zusammenhang mit dem Preisauszeichnungsgesetz auf einen Vorredner eingehe.

Kollege Maier, eine Frage: Bist du tatsächlich der Meinung, dass dieses Gesetz keine Verbesserung ist – die ablehnende Haltung der Sozialistischen Partei lässt das vermuten –, dass keine bessere Vergleichbarkeit gegeben ist? – Ich finde es demaskierend, dass du als wesentliche, als gehaltvolle Aussage Folgendes anmerkst: Es geht hier um den Schutz der Verbraucher und nicht um den Schutz der Wirtschaft. – Ich sage dazu: Man soll bei aller Transparenz, die sinnvoll ist, bei aller Konsumentenfreundlichkeit, die sinnvoll ist, das Augenmaß nicht verlieren und gerade auf eine Gruppe achten, nämlich auf die Nahversorger, die es dringend notwendig erscheinen lassen, dass sie nicht zusätzliche Belastungen und einen hohen zusätzlichen administrativen Aufwand sozusagen vorgegeben bekommen.

Die Ausnahmebestimmungen, die hier getroffen werden, machen durchaus Sinn. Wenn es sich an der Quadratmeterzahl mit 250 Quadratmetern spießt, so sei hier angeführt, dass früher die Zahl der Quadratmeter pro Beschäftigtem auch beim Nahversorger eine bedeutend kleinere war, weil, um als Nahversorger überleben zu können, natürlich auch ein entsprechendes Warensortiment erforderlich ist und angeboten werden muss.

Wir vertreten den Standpunkt, dass dieses Gesetz ein konsumentenfreundliches Gesetz ist, sind jedoch davon überzeugt, dass es einfach notwendig ist, dass man bei dem überbordenden zusätzlichen Aufwand gerade bei den gefährdeten Kleinunternehmern, die als Nahversorger fungieren, schützend die Hand über diese hält. Es fallen, wie bereits erwähnt worden ist, 4 Prozent der Kosten für den Kleinunternehmer, für den kleinen Lebensmittelhändler an – im Gegensatz zu den Multis, bei denen diese Preisauszeichnung mit 0,5 Prozent zu beziffern ist.

Ich darf aber auch auf Folgendes hinweisen, weil Kollege Maier das Beispiel mit den Wechselstuben angeführt hat: Diese Problematik ist ja für dich, Kollege Maier, als Konsumentenschützer keine neue, die sich erst in jüngster Zeit aufgetan hat. Im Übrigen finde ich es verwerflich, unsere Gäste, die aus dem Ausland kommen, mit derartigen Gebühren sozusagen über den Tisch zu ziehen. Das ist sicherlich nicht tourismusfreundlich. Aber ich kann dich beruhigen, Kollege Maier: Das, was ja nicht neu ist, aber von der alten Regierung offensichtlich nicht als Notwendigkeit erkannt wurde, nämlich für eine Änderung zu sorgen, um solche Vorkommnisse hintanzuhalten, wurde bereits vom Bundesminister für Finanzen aufgegriffen – nicht erst heute seit deiner Rede, sondern es wird schon seit einiger Zeit daran gearbeitet, um diese Problematik hintanzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das heißt, es bedarf also nicht der Zustimmung zu deinem Antrag, den du eingebracht hast, weil ich glaube, dass hiezu eine gute Regelung vorbereitet wird. Ich bin überzeugt davon, dass es auch in absehbarer Zeit hier im Hause zur Beschlussfassung dieser Regelung kommen wird.

Ich darf noch darauf hinweisen, da die Wirtschaft ja nicht zu schützen ist und das Augenmaß für die Sozialdemokratische Partei keine Rolle spielt, dass die Zahl der Standorte im Lebensmitteleinzelhandel von 1996 auf 1998 von 7 618 auf 7 166 zurückgegangen ist, es also um


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 196

452 Standorte weniger gibt. Gerade bei den kleinen Geschäften gibt es ein Minus von 491. Das zeigt, dass die kleinen Geschäfte die Betroffenen sind bei einer zusätzlichen Ansiedelung von Multis auf der grünen Wiese, und diese gilt es zu schützen. Wir werden jedenfalls diesem maßvollen, sinnvollen Gesetz unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

19.11

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dieses maßvolle Gesetz ist aus zwei Gründen begrüßenswert; meine Vorredner sind schon darauf eingegangen. Leider Gottes kann ich den Argumenten der sozialdemokratischen Redner nicht folgen, zumal von diesem Gesetz ein wesentliches Signal ausgeht, nämlich der Schutz des ländlichen Raumes. Kollege Mag. Maier! Auf der einen Seite ist dieses Gesetz begrüßenswert, weil es einen wesentlichen Schritt zur Konsumenteninformation darstellt – es dient dem Vergleich, der Kontrolle und der Übersicht; darauf brauche ich nicht näher einzugehen –, auf der anderen Seite dient es dem Erhalt der Strukturen des ländlichen Raumes.

Was macht die Lebensqualität im ländlichen Raum aus? – Dass wir dort neben vielen anderen strukturellen Einrichtungen auch den Greißler, den "Nahversorger" – unter Anführungszeichen –, erhalten und nicht mit übermäßiger Bürokratie noch mehr belasten.

Im Zusatz geht es auch noch um den Zulieferer im ländlichen Raum, der kleinere Produktmengen anbietet, der direkt aus der Landwirtschaft, aus der Bio-Landwirtschaft zuliefert. Auch um diesen geht es bei dieser gesetzlichen Regelung.

Meine Damen und Herren! Wer der Meinung ist, dass es im ländlichen Raum Probleme gibt, die man nicht ignorieren darf, wem es ein Anliegen ist, dass die Nahversorger, die Zulieferer dort auch in Zukunft bestehen können, der kann diesem Gesetz nur die Zustimmung geben.

Diese Gesetzesvorlage gibt mir auch Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, dass es wesentlich ist, auch andere Strukturen im ländlichen Raum zu erhalten und zu sichern. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die bevorstehenden Finanzausgleichsverhandlungen aufmerksam machen, weil es dabei ebenso um wichtige Elemente für den ländlichen Raum geht, aber auch darauf aufmerksam machen, dass die Bezirksgerichte, die Gendarmerieposten, die Post sowie öffentliche Verkehrsmittel ganz wesentliche Elemente für die Lebensqualität im ländlichen Raum sind.

Meine Damen und Herren! Dieses Preisauszeichnungsgesetz ist konsumentenfreundlich, ein maßvoller wichtiger Schritt – wie Bundesminister Dr. Bartenstein schon erwähnt hat – und lässt den Kleinen im ländlichen Raum überleben. Die Zustimmung dazu ist sicher sehr vernünftig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

19.13

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben es heute nicht nur mit der Auszeichnung des Verkaufspreises zu tun – ich stelle das noch einmal fest, weil das eine grundsätzliche Sache ist –, sondern auch mit einer verpflichtenden Auszeichnung des Grundpreises.

Natürlich kam von der SPÖ jene Kritik, die wir erwartet haben, die da lautete: keine einheitliche transparente Preisauszeichnung, die Ausnahmen seien überzogen, die Preisauszeichnungsbestimmungen seien viel zu weit verstreut. Dieser Kritik möchte ich ein bisschen entgegentreten


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 197

und fünf Punkte nennen, die für uns Motivation zur Erstellung dieses neuen Auszeichnungsgesetzes waren.

Der erste Punkt, der für uns Motivation war, ist die Notwendigkeit, dass der Durchschnittsösterreicher die neue Preisauszeichnung verstehen soll. Wir finden, dass es entscheidend ist, dass der Konsument überhaupt versteht, was auf dem jeweiligen Produkt draufsteht. Wir haben es, glaube ich, leicht verständlich, unbürokratisch und übersichtlich gemacht.

Der zweite Punkt, der für uns Motivation war, ist unsere Überzeugung, dass die doppelte Preisauszeichnung keine Belastung für die österreichischen Unternehmer sein sollte. Wir wissen, dass diese Auszeichnung bis zu 4 Prozent des Umsatzes kostet. Unser Gesetz aber verursacht keine Bürokratie und ist leicht verkraftbar.

Der dritte Punkt, der für uns Motivation war, ist unsere Meinung, dass auf die Situation der Klein- und Mittelbetriebe Rücksicht zu nehmen ist, dass viele dieser Klein- und Mittelbetriebe nicht auszeichnen müssen. Die Gründe dafür wurden ja schon genannt.

Der vierte Punkt, der für uns Motivation war, ist das Gebot, ein Gesetz mit Vernunft zu machen, ein Gesetz, das auch beim Grundpreis entsprechende Ausnahmen vorsieht. Ich denke dabei an die Fertiggerichte, an die Kopplungsangebote, an die Sachgüter in Kleinstmengen und viele andere Dinge mehr.

Der fünfte Punkt, der für uns Motivation war, besteht darin, eine leichte Handhabung auch für das Ministerium zu ermöglichen. Der Minister kann für bestimmte Unternehmen Ausnahmen machen, er kann anordnen, Positiv-, Negativlisten erstellen. Wir haben ihm einen breiten Raum zum Eingreifen eingeräumt.

Nun eine Bemerkung zum Herrn Kollegen Eder: Er sollte schon wissen, dass die Bankauszeichnungen nicht in diesem Gesetz geregelt werden können, sondern dass das im Bankwesengesetz erfolgen muss, weil das das zuständige Gesetz ist.

Auch Herr Kollege Maier hat gesagt, dass wir etwas in dieses Gesetz hineinnehmen sollten, was gar nicht möglich ist. Mit dem Preisauszeichnungsgesetz werden ja Sachgüter geregelt; das wissen doch auch Sie! Ich glaube nicht, dass Währungen Sachgüter sind, die in diesem Gesetz geregelt werden sollten.

Herr Kollege, ich möchte auch noch einen zweiten Punkt anführen – das wurde vom Herrn Bundesminister auch schon gesagt (Zwischenruf des Abg. Gradwohl )  –: Sie sind ja auch ein bisschen spät dran, da der Herr Bundesminister jetzt nicht nur die Auszeichnung der Kurse anstrebt, sondern auch die Provisionen durch Auszeichnung in den Griff bekommen möchte. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie all diese aufgezeigten Fehler berücksichtigen, dann werden Sie erkennen, dass wir Ihrem Antrag, sehr geehrter Herr Abgeordneter Maier, nicht zustimmen können.

Ich möchte schon festhalten: Die Regierung hat wieder einmal bewiesen, dass sie schneller arbeitet als manche Abgeordnete hier zu einzelnen Entschlüssen kommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Maier zu Wort gemeldet. Ich bitte, § 58 der Geschäftsordnung zu beachten.

19.17

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Herr Kollege Puttinger, hat gemeint, das Preisauszeichnungsgesetz beziehe sich nur auf Sachgüter. Das ist nicht richtig!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 198

Das Preisauszeichnungsgesetz bezieht sich auch auf Leistungen (Abg. Dr. Puttinger: Aber nicht auf Bankleistungen!), deren Anbieten der Gewerbeordnung unterliegt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Das unterliegt dem Bankwesengesetz, aber nicht der Gewerbeordnung!)

19.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 148 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Haigermoser und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und danach über den Gesetzentwurf abstimmen.

Die Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Haigermoser und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer Ziffer 4a in Artikel I zum Inhalt hat.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Maier und Genossen betreffend Festsetzung einer Preisauszeichnungsverpflichtung für Wechselstuben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

11. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 156/A der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert wird (149 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 11 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 199

19.20

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Neuregelung betreffend die Ziviltechniker, die heute zur Diskussion steht, ist natürlich keine ganz reibungslose Angelegenheit. Die Erwerbsbiographien werden in Zukunft anders aussehen, gerade auch im Sektor von Zivilingenieuren, sie werden in Zukunft unterbrochen sein, und daher wird man Schwierigkeiten haben, in den verschiedenen Bereichen die jeweiligen Pensionsrechte zu erwerben. Und daher ist diese Regelung sicher suboptimal.

Allerdings ist diese Regelung notwendig geworden auf Grund einer Regelung durch die Kammern – aus meiner Sicht ist diese für die Jungen nicht hundertprozentig sinnvoll –, als es darum ging, ein Opting out bei den Pensionssystemen zu ermöglichen. Heute müssen wir letzten Endes die Konsequenzen "nachregeln". Deswegen werden wir dem auch unsere Zustimmung geben.

Eines möchte ich hier schon auch anmerken: Die alten Pensionssysteme, wie zum Beispiel jenes der Ziviltechniker – bei den Juristen ist es genauso; auch bei den anderen Gruppen, die eine eigene Kammer haben –, berücksichtigen nicht moderne Erwerbsbiographien. Jemand, der zum Beispiel einige Jahre in einem Zivilingenieurbüro arbeitet, sich dann selbständig macht, dann in einen anderen Beruf wechselt, um neue Erfahrungen zu sammeln, später vielleicht wieder in ein anderes Zivilingenieurbüro zurückkehrt, wird zwar viele Anwartschaften, aber nirgends echte, sinnvolle Pensionsmöglichkeiten erwerben. In diesem Zusammenhang sind vor allem für junge Frauen als Ziviltechnikerinnen große Probleme zu erwarten, diese werden Schwierigkeiten bekommen.

Ich glaube, die heutige Regelung ist notwendig, aber deren Notwendigkeit ist letzten Endes darauf zurückzuführen, dass von der Kammer eine Politik betrieben wurde, die zwar die älteren Damen und Herren dieser Berufsgruppe berücksichtigt, nicht jedoch die neuen unterbrochenen Berufsbiographien. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.23

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf vorweg sagen, dass wir dieser Novelle des Ziviltechnikerkammergesetzes die Zustimmung geben werden.

Ich darf an das anschließen, was meine Vorrednerin gesagt hat, und ergänzen, dass die Option in der Pensionsversicherung für die Bundeskammer eigentlich auch Anlass war, den seit 1951 bestehenden, im Umlageverfahren geführten Versorgungsfonds, der nun die einzige Pflichtpensionsversicherung für den ausschließlich freiberuflich tätigen Ziviltechniker darstellt, zukunftsorientiert und attraktiv zu gestalten.

Die notwendigen Änderungen sind Auswirkungen des Arbeitsrechtsänderungsgesetzes 1997, mit dem es der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten ermöglicht wurde, in der Pensionsversicherung aus dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz hinaus zu optieren. Die nun einzige Pflichtpensionsversicherung ist der Versorgungsfonds der Ziviltechnikerkammermitglieder.

Um diese Opting-out-Lösung rückwirkend standesrechtlich abzusichern, ist diese Novelle notwendig. Überdies wird gesetzlich ermöglicht, Einrichtungen für die Krankenvorsorge vorzusehen, damit das Opting out in der Krankenversicherung ebenfalls rückwirkend mit 1. Jänner 2000 auch standesrechtlich abgesichert wird.

Im neuen Statut der Wohlfahrtseinrichtung wird das Pensionsantrittsalter für Frauen und Männer mit dem 65. Lebensjahr festgelegt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 200

Die genaue Definition der Hinterbliebenen erscheint den Ziviltechnikern notwendig, da der Kreis der Anspruchsberechtigten größer war als im Sozialrecht.

Kapitalerträge werden neu als Einnahmen der Wohlfahrtseinrichtungen definiert. Dadurch ist es notwendig, das Kapitaldeckungssystem rechtlich entsprechend abzusichern.

Die neue Entsendungsbestimmung legt fest, dass in Zukunft für je 500 Kammermitglieder ein Delegierter in das Kuratorium, das das Ganze dann verwaltet, entsandt wird.

Abschließend darf ich noch sagen, dass wir hier ein Beispiel einer vernünftigen Kooperation insofern haben, als Kollege Feurstein schon vor einigen Wochen mit diesem Thema an mich herangetreten ist und gefragt hat, ob wir diesbezüglich gemeinsam eine Beschlussfassung herbeiführen könnten. Ich darf das hier als Beispiel dafür nennen – das wurde heute schon gesagt –, dass wir keine Fundamentalopposition machen, sondern dort, wo es vernünftig und sinnvoll ist, sehr wohl auch Gespräche führen und zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

19.26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Novelle zum Ziviltechnikerkammergesetz bringt letztlich eine Umstellung von einem Umlageverfahren zu einem Mischverfahren mit Kapitaldeckung. Die Notwendigkeit dazu besteht meiner Meinung nach auch auf Grund einer im Laufe der Jahre sicher veränderten Mitgliederstruktur. Die Beiträge werden nun einkommensabhängig sein.

Die Voraussetzung für diese Novelle wurde letztlich innerhalb der Ingenieurkonsulenten, innerhalb der Gruppe der Ziviltechniker durch eine Akkordierung untereinander geschaffen, durch eine entsprechende Beschlussfassung – und das ist das gewünschte System. Zustimmung ist daher meiner Meinung nach schon allein deshalb geboten, weil dies der Wunsch der Ziviltechniker ist. Vor allem sind damit aber auch für die öffentliche Hand keinerlei Kosten verbunden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.27

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist, alle vier Fraktionen zur Zustimmung zu diesem Gesetz zu bewegen. Es geht einfach darum, dass man den Jungen und den Älteren, allen Ziviltechnikern, die Möglichkeit bietet, sowohl im Altersfall als auch im Krankheitsfall voll abgesichert zu sein.

Den Grundstein für diese Novelle haben wir eigentlich im Jahre 1997 gelegt, als wir den freien Berufen eröffnet haben, in das gesetzliche Sozialversicherungssystem zu optieren. Die Ziviltechniker und die Rechtsanwälte haben sich dazu nicht bereit gefunden, und auch bei den Künstlern ist, wie Sie wissen, dies noch offen. Aber im Grunde haben wir jetzt alle Berufsgruppen in Österreich, alle Erwerbstätigen in unser gesetzliches Sozialversicherungssystem eingegliedert, und das betrachte ich als einen sehr wichtigen Fortschritt.

Damit ist eine Entwicklung zum Abschluss gebracht worden, die im Jahre 1997 ihren Anfang genommen hat, und zwar durch die Schaffung einer neuen Form der Selbständigen, durch die Einbeziehung der Freiberufler, und nun haben auch die Rechtsanwälte – das wurde schon geregelt – und jetzt auch die Ziviltechniker die Möglichkeit, in ihrem Bereich eine ähnliche Regelung herbeizuführen, wie sie im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung wirksam ist, und


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 201

zwar im konkreten Fall, wie Kollege Hofmann bereits gesagt hat, durch ein Kapitaldeckungs- und ein Umlageverfahren – ein ideales System der sozialen Sicherheit.

In diesem Sinne noch einmal mein Dank für die gute Kooperation. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 149 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (107 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, das Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 und das Weingesetz 1999 geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2000), und über den Entschließungsantrag 30/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Förderungsrichtlinie für Entschädigungen nach § 33f Abs. 6 Wasserrechtsgesetz (150 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu Punkt 12 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben heute sehr viel über das neue Regieren gehört und darüber, wie erfolgreich angeblich dieses neue Regieren sein soll. Wir beschäftigen uns mit der erwähnten Regierungsvorlage, und ich darf als Erstredner auf den Teil Wasserrecht eingehen. Es trifft sich sehr gut, dass der ehemalige Umweltminister auf der Regierungsbank sitzt.

Wie sich dieses neue Regieren tatsächlich darstellt, zeigt gerade diese Novelle des Wasserrechtsgesetzes. Sie ist schon ein Schmankerl, das man auf der Zunge zergehen lassen kann. In der ursprünglichen Regierungsvorlage waren Anpassungen an die EU-Richtlinien enthalten, um die Nitrat-Richtlinie in österreichisches Recht verkaufen zu können. Nachdem Klubobmann Khol gemeint hat, in den ersten 100 Tagen gebe es für die Umweltpolitik keine Zeit, hatte ich den Eindruck, das müsse sich ändern. Es ist daher im Ausschuss von Kollegin Aumayr und Kollegen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 202

Schwarzenberger ein Abänderungsantrag zum § 33f eingebracht worden, der sich mit dem langjährigen Problem der Grundwassersanierung beschäftigt, und zwar ohne Begründung.

Ich habe dann versucht, eine Begründung zu erhalten. Frau Kollegin Aumayr hat sich ausgeschwiegen. Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht weiß, was in dieser Vorlage drinnen steht. Kollege Schwarzenberger hat sich dann bemüht, es zu erläutern, hat aber doch einer starken Unterstützung durch den Minister bedurft, um die Erläuterungen über die Bühne zu bringen. (Bundesminister Mag. Molterer: Er hat es aber geschafft!) Erklärt hat uns dann Kollegin Aumayr, das sei die freiheitliche Linie, die bereits lange davor hineinverhandelt worden sei.

Wie sieht diese neue Linie aus? – Herr Minister! Angeblich ein Mehrstufenplan. (Abg. Aumayr: Rechtssicherheit!) Wenn man sich in diesem Mehrstufenplan das Ziel anschaut, dann kann man feststellen, dass das eines der schon zitierten Schmankerl ist: eine Verschlechterung des Grundwasserzustandes im Grundwasserkörper zu verhindern. Eine Verschlechterung zu verhindern ist das Ziel unserer hervorragenden österreichischen Umweltpolitik, die wir gehabt haben! Erst nachher kommt das Nachdenken über eine Verbesserung.

Wie versucht nun die neue Koalition, mit dem neuen Regieren diese Verschlechterung zu verhindern? – In erster Linie durch Verordnungen, und zwar Verordnungen über Schwellenwerte.

Schwellenwerte sind meiner Ansicht nach eigentlich bekannt. Da gibt es eine eigene Grundwasserschwellenwertverordnung. Dort, wo wir damit nicht zurechtkommen, nimmt sich der Minister das Recht heraus, andere, wie ich annehme, höhere, ist gleich: schlechtere Schwellenwerte festzuschreiben.

Das zweite Kriterium, das er mit Verordnung festsetzt, ist die Interpretation der Messergebnisse. Eine Interpretation der Messergebnisse ist Stand der Technik. Ich weiß nicht, wie man mit einer Verordnung das Grundwasser auf Grund von Messergebnissen in gutes und schlechtes einteilen will. Und es gibt jedenfalls freiwillige Maßnahmen. Zwingende Maßnahmen kommen vielleicht nur sporadisch, die man mit gutem Willen hineininterpretieren kann, sehen kann man sie nicht.

Dann ist der Landeshauptmann dran. Der Landeshauptmann wählt für konkrete Programme halt dann irgendetwas aus, was der Minister global vorgibt. Eine der wesentlichsten Aufgaben des Landeshauptmannes zur Sanierung des Grundwassers ist die Erstellung eines Verzeichnisses. Durch ein Verzeichnis wird dem Grundwasser auch sehr "geholfen" werden. Dann erst kommt es zu Verordnungen, und dann können Grundstücke gemeldet werden. Das ist ein besonderes Schmankerl: Das Melden von Grundstücken stellt nämlich einen Persilschein dar, denn alle jene, die die Grundstücke gemeldet und aufgezeichnet haben, was sie verwendet haben, sind aus dem Schneider und können von Zwangsmaßnahmen nicht mehr erfasst werden. So geht es weiter.

Sollte irgendwann einmal das Grundwasser ein Jahr die Schwellenwerte unterschreiten, dann sind die ganzen Verordnungen obsolet und wir beginnen wieder von vorne.

Was mich so stört daran, Herr Minister, ist, dass es keinen zeitlichen Ablauf gibt, dass das Ganze auf Goodwill angewiesen ist, dass zu diesen Maßnahmen dann die Einwilligung, das Anhören der Landwirtschaftskammern, der Wirtschaftskammern notwendig ist. Wir sind da, wo wir immer waren: Wir schieben das Problem Grundwasser hinaus, und das auf dem Buckel des kleinen Mannes, denn immer mehr Gemeinden brauchen eine Trinkwasseraufbereitung, der Wasserpreis steigt nicht linear, sondern exponentiell. Sie aber produzieren mit dieser Novelle nur Bürokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

19.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

19.36

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Mit dem Agrarrechtsänderungsgesetz wurde – da können Sie sagen, was Sie wollen, Herr


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 203

Kollege Kummerer, darüber kommen Sie nicht hinweg – endlich ein Reformstau im Bereich der Landwirtschaft beseitigt. Die Auflösung dieses Reformstaus ist durch Ihren Protest ständig verhindert worden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es handelt sich in erster Linie – und das wissen Sie auch – um EU-Anpassungsgesetze.

Herr Kollege Kummerer! Sie haben das Wasserrechtsgesetz angesprochen. Tatsache ist, dass das Wasserrechtsgesetz, so wie es bisher war, einfach reformbedürftig war, weil es einfach nicht vollziehbar war. Ständig ist der Ball vom Land zum Bund, vom Bund zum Land hin- und hergegangen. Nach dem Wasserrechtsgesetz war es bisher so, dass die Länder verpflichtet waren, Sanierungsgebiete auszuweisen. Für die Entschädigungsrichtlinie war aber wieder der Bund verantwortlich. Für die Bewirtschaftungsauflagen war wieder das Land zuständig. Dadurch ist es passiert, dass einfach auf diesem Gebiet der Ball ständig hin- und hergegangen und somit nichts weitergegangen ist. Es haben ja auch Sie in Ihrem Regierungsübereinkommen, das mit der ÖVP beschlossen, aber nicht unterzeichnet worden ist, festgestellt, dass der § 33f reformbedürftig ist. Jetzt ist er reformiert worden.

Was ist bitte schlecht daran, Herr Kollege Kummerer, dass in Zukunft der Grundeigentümer Vertragspartner ist und dass der Bundesminister in drei Verordnungen die Maßnahmen vorschlägt? Die freiwillige Teilnahme an diesen Maßnahmen hat folgenden Grund, Herr Kollege Kummerer: Bei Maßnahmen, die per Gesetz verordnet werden, können die Bewirtschaftungsauflagen und die daraus resultierenden Einkommensverluste für die Landwirte nicht entschädigt werden. Deshalb sind diese Maßnahmen freiwillig. Dadurch zahlt die EU 50 Prozent für die Entschädigung, und Bund und Länder teilen sich die restlichen 50 Prozent. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Kummerer! Erst dann, wenn diese freiwilligen Maßnahmen nicht greifen, kommt es zu Zwangsverordnungen, und da gibt es keine Entschädigungen mehr. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wo steht denn das?) Selbstverständlich im Gesetz! Lesen Sie das Gesetz!

Ich muss ja überhaupt sagen, Herr Kollege Kummerer: Ich verwahre mich wirklich entschieden dagegen, dass ständig von der Opposition der Vorwurf kommt, die Bauern in Österreich seien Umweltverschmutzer und Brunnenvergifter. Ständig hört man das. Die österreichischen Landwirte stehen aber seit dem EU-Beitritt unter einem enormen Druck und haben dramatische Einkommensverluste hinnehmen müssen. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. ) Herr Kollege Kummerer, da müssen Sie schon das Ganze sehen. Es gibt zwar eine EU-Marktordnung, aber die Produktionsbedingungen für unsere Bauern innerhalb der Europäischen Union sind sehr unterschiedlich. Es wäre gut, wenn man zumindest einheitliche Produktionsbedingungen innerhalb der Europäischen Union festlegte.

Ich empfehle Ihnen eine Exkursion nach Spanien, Portugal, Holland oder Italien. Dort gibt es riesige Bewässerungsanlagen, die das ganze Land durchziehen. In Österreich ist Atrazin verboten – ich sage: zu Recht! –, aber in vielen anderen EU-Staaten ist das nicht der Fall. Unsere Bauern müssen mit billiger hergestellten Lebensmitteln dann in Konkurrenz treten. Das ist natürlich ein riesiges Problem für unsere Landwirtschaft.

Beim Trinkwasser und beim Trinkwasserschutz ist Österreich, muss ich sagen, nach wie vor führend, Herr Kollege Kummerer. Die österreichischen Bauern haben die strengsten Auflagen in der gesamten Europäischen Union. Unsere Milchbauern müssen mit Trinkwasser die Melkanlagen reinigen. Zeigen Sie mir ein EU-Land, wo das noch der Fall ist, ein einziges EU-Land! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da wir gerade beim Thema Wasser sind, Herr Kollege Kummerer: Ich gehe mit Ihnen konform, wenn Sie meinen, dass Wasser das Thema der Zukunft sein wird. Überhaupt keine Frage! Wir haben wirklich die Pflicht, dieses wichtigste Lebensmittel für die kommenden Generationen zu erhalten. Und wenn ich "wir" sage, dann meine ich damit die gesamte Europäische Union und nicht nur Österreich. Deshalb bin ich wirklich froh, dass wir im Regierungsübereinkommen festgeschrieben haben, dass bei der gemeinsamen Bewirtschaftung der Wasserressourcen das


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 204

Einstimmigkeitsprinzip nach wie vor erhalten bleibt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

An diesem Einstimmigkeitsprinzip wird in der letzten Zeit ordentlich gerüttelt, und das wissen Sie, Herr Kollege Kummerer. Vor allem im Hinblick auf die Osterweiterung wird an diesem Einstimmigkeitsprinzip gerüttelt. Und daher bin ich – ich sage es noch einmal – wirklich froh, dass wir die Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips in unserem Regierungsübereinkommen festgeschrieben haben.

Ich möchte zum Thema Osterweiterung Folgendes sagen: Ich habe größte Sorge in Bezug auf die Osterweiterung, Herr Minister, wenn es in jene Richtung geht, so wie das jetzt mit dem "00-Abkommen" geschieht, dass bereits eine vorgezogene Osterweiterung im Agrarbereich durchgeführt wird. Mit 1. Juli wird dieses "00-Abkommen" im Bereich Gemüse in Kraft treten. Ab 1. Juli gibt es für die Reformstaaten und die Europäische Union ein Abkommen: keine Zölle und auch keine Mengenbeschränkungen mehr bei Gemüse, Kartoffeln und Äpfeln. Und da muss ich wirklich fragen, Herr Minister, auf welcher Rechtsgrundlage die Kommission – denn die Kommission hat dies beschlossen – das beschließen kann. Und ich ersuche Sie dringend, Herr Bundesminister ... (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Ist da ein Herr Fischler dabei?) Selbstverständlich, er ist ein besonderer Freund von mir, Herr Kollege Kummerer, das ist ja bekannt.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie dringend, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die österreichische Landwirtschaft bei einem EU-Beitritt der Reformstaaten oder einer EU-Osterweiterung entsprechende Übergangsregelungen erhält, denn sonst ist die österreichische Landwirtschaft mit Sicherheit in größten Schwierigkeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

19.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollegin Aumayr hat hier gemeint, mit diesem Gesetz werde der Reformstau endlich beseitigt. An dieser Stelle möchte ich einhaken.

Herr Bundesminister! Wir haben hier ein Gesetz vorliegen, das eigentlich aus zumindest vier bis fünf Gesetzen, würde ich sagen, besteht, die meiner Meinung nach getrennt zu diskutieren und getrennt zu behandeln wären. Ich habe darauf auch im Ausschuss aufmerksam gemacht, weil ich der Meinung bin, dass jedes dieser Gesetze, wie das Wasserrechtsgesetz, das Pflanzenschutzmittelgesetz oder das Saatgutgesetz, für sich genommen wesentliche Materien betreffen, die auch einer ausführlichen Erörterung hier in diesem Hohen Haus bedürfen würden. Leider haben wir diese Möglichkeit hier nicht, nachdem Sie eine Sammelnovelle eingebracht haben. Das halte ich für einen sehr üblen Stil, weil damit wichtige Diskussionen nicht stattfinden können und auch Vorlagen hier eingereicht werden, die Husch-Pfusch-Aktionen darstellen, die schlecht vorbereitet sind.

Wir haben vier Tage vor der Sitzung des Ausschusses die Regierungsvorlage bekommen, einen Tag vorher und zwei Tage vorher zwei Abänderungsanträge. Es liegt uns immer noch eine in einigen Details fehlerhafte Regierungsvorlage vor. Sie sehen, dass hier die Regierung mit enormem Tempo versucht, wichtige Fragen zu klären, wie Frau Aumayr meint, also im Sinne der Erledigung eines Reformstaus. Ich meine eher, dass man hier versucht, in Eile manches nachzuholen, was letztlich schon die letzten Jahre hätte geschehen können. Ich nenne da als Beispiel nur die Wasserrechtsgesetz-Novelle, das Wasserrechtsgesetz, und es ist keine Frage, dass die Säumigkeit sicherlich schon mindestens fünf bis acht Jahre besteht. Das ist eigentlich eine Sache, die längst hätte bereinigt werden müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte jetzt auf einige der vorliegenden Novellen eingehen, beginnend mit dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz. Das ist ein Gesetz, welches versucht, den Geltungsbereich der Um


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 205

weltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie endlich auch auf die Flurverfassung, auf die Flurbereinigung auszudehnen. Auch das ist eine Angelegenheit, die eigentlich selbstverständlich sein müsste.

Die grundsätzliche Frage, die unserer Meinung nach nicht sauber gelöst ist, ist die Frage der Zuständigkeit. In Ihrem Gesetz, Herr Bundesminister, werden die Agrarbehörden zur ersten Instanz, und das halten wir für nicht verfassungskonform, weil bundesgesetzlich die Länder die erste Instanz sind und der Umweltsenat die zweite Instanz, und das wäre auch in diesem Fall einzuhalten gewesen. Die Agrarbehörden sind sicherlich in ein Verfahren einzubinden, das ist klar, aber es ist nicht sinnvoll, sie zur ersten Instanz zu machen, da das zu Interessenkonflikten und unter Umständen auch zu massiven Problemen in der Abwicklung führen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ihre Schwellenwerte, die Sie gerade im Bereich der Entwässerung mit 30 Hektar angeben, halten wir auf jeden Fall auch für zu hoch. Das ist wieder eine Größenordnung, die die meisten Betriebe ohnehin unterschreiten, wodurch die Grundfrage, wo Entwässerung heute noch sinnvoll und notwendig ist, in einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht geklärt wird.

Die Frage der Bewässerung haben Sie ja selbst dann in einem Abänderungsantrag noch einmal gestrichen, wo Sie 100 Hektar als Größe angegeben hatten. Sie haben diesen Punkt selbst in Ihrer Vorlage gestrichen. Man muss darauf hinweisen, dass im jetzt geplanten Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2 500 Hektar als Größenordnung enthalten sind. Und das ist eine Größenordnung, die weit über das Maß hinaus geht, das akzeptabel zu sein scheint. Allein diese Gesetzesmaterie wäre für sich genommen ausreichend, hier ausführlich erörtert zu werden.

Ein anderer Bereich – Frau Aumayr hat das sicherlich nicht zu Unrecht korrekt angesprochen – ist die Frage der Anpassung an EU-Richtlinien. Aber auch hier habe ich ein großes Problem, Herr Bundesminister, und zwar aus folgenden Gründen: Nehmen wir das Saatgutgesetz her! Sie haben zum Beispiel selbst die letzte EU-Richtlinie mit verhandelt, damals unter der österreichischen EU-Präsidentschaft unterschrieben und auch mitgetragen, und diese EU-Richtlinie macht uns heute große Sorgen. Ich werde im Weiteren darauf noch eingehen.

Vorher möchte ich noch das Pflanzenschutzmittelgesetz herausgreifen. Dieses Gesetz ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich eben die Bundesministeriengesetz-Novelle 2000 auf die Kompetenzen und auf den Diskurs zum Thema Pflanzenschutzmittel auswirkt. Die Fragen des Giftverkehrs waren früher beim Bundeskanzleramt und sind jetzt im Landwirtschaftsministerium angesiedelt. Diese Gesundheits- und Konsumenteninteressen sind nicht mehr im Rahmen der Gewaltenteilung irgendwo anders angesiedelt. Das halte ich aus vielen Gründen für ein großes Problem, Herr Bundesminister.

Auch die Option, Pflanzenschutzmittel sozusagen erleichtert in Österreich zuzulassen, hat zwei Seiten. Ich verstehe schon, es ist Ihnen auch um Verwaltungsvereinfachung gegangen, darum, Doppelgleisigkeit zu vermeiden. Ich möchte Sie aber schon darauf hinweisen, dass das große Gefahren in sich birgt, und zwar gerade dann, wenn wir in Österreich eine gewisse Vorreiterrolle in diesem Bereich beanspruchen.

Ich komme nun kurz auf das Wasserrechtsgesetz zu sprechen, das Kollege Kummerer bereits angesprochen hat. Sie haben als Inkraftsetzungstermin den 1. Jänner 2001 gewählt. Im Jahre 2001 tritt dieses Gesetz in Kraft. Mit diesen Verordnungen, die dann die Landeshauptmänner, die Landesregierungen umsetzen müssen, mit der Frist, die damit noch hinzukommt, und den drei Jahren, in denen die Landwirte Flächen einbringen können auf Grund dieser positiven Schutzregelung, die Sie hier einziehen, vergehen wieder drei bis vier Jahre, bis in Österreich so etwas wie eine Auswertung, eine Sichtbarkeit dieses Konzeptes greifbar wird. Und das halte ich für eine Verzögerung und eine Verschleppung einer längst fälligen Materie, Herr Bundesminister. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Lassen Sie mich abschließend noch auf das Saatgutgesetz zu sprechen kommen. Das Saatgutgesetz ist eine äußerst zentrale und wichtige Materie. Saatgut ist für Bauern sozusagen die Basis, das Produktionsmittel schlechthin, das Kulturgut, das ist das bäuerliche Erbe. Bauern


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 206

waren die Saatzüchter und haben Saatgut selektiert, wieder angebaut, nachgebaut. Das taten die Väter, das taten die Großväter, und heute tun das auch verstärkt wieder viele Bauern vor allem im biologischen Landbau, dass sie ihren eigenen Nachbau pflegen, versuchen, eigene Hofsorten, Landsorten et cetera zu pflegen.

Herr Bundesminister! In diesem Bereich sehe ich eine sehr gefährliche Entwicklung in Europa, aber Sie geben dieser Entwicklung Raum beziehungsweise Sie bieten ihr nicht Paroli, sondern versuchen, sich da durchzuschwindeln. Warum sage ich "durchschwindeln"? – Sie haben uns im Ausschuss Folgendes gesagt: Ja, die EU beanstandet das Saatgutgesetz in seiner derzeitigen Form, weil die bäuerliche Nachbarschaftshilfe, also die Weitergabe von Saatgut von einem Hof auf den anderen in der Gemeinde, im Dorf, in der Region – was halt normalerweise zwischen Bauern üblich ist –, mit dem EU-Gesetz nicht konform ist.

Herr Bundesminister! Das ist die Sichtweise von Saatgutkonzernen, von großen Multis, die den Bauern das aus der Hand schlagen wollen, was Ihr grundlegendes Gut ist, nämlich Saatgut, mit dem sie ihre Produkte, ihre Futter- und Getreidepflanzen überhaupt erst anbauen können. Ich halte das für ein Zentralproblem in der europäischen Diskussion. Ich fordere Sie auf, in dieser Diskussion Stellung zu beziehen, Stellung für die bäuerliche Landwirtschaft, die eben auf dieses Produktionsmittel nicht verzichten kann. Saatgut darf nicht nur ein Recht der großen Multis werden, die mit Gentechnik und biotechnologischen Verfahren in der Saatzucht enorme Kosten verursachen und diese Kosten verstärkt auf Bäuerinnen und Bauern abwälzen wollen.

Noch einmal: Es darf nicht so sein, dass Sie die Nachbarschaftshilfe streichen. Sie haben das getan und versucht, das in einer Ausschussfeststellung zu regeln. Das halte ich für keine gute Lösung. Ich fände es besser, wir würden uns auf europäischer Ebene, aber auch bei diesem Saatgutgesetz darum bemühen, die Nachbarschaftshilfe unterzubringen. Ich könnte Ihnen auch gerne in einem persönlichen Gespräch einige Anregungen dazu geben. Wir sollten dies umso mehr tun, als in unserem Sortenschutzgesetz – und darauf möchte ich Sie hinweisen, sehr geehrte Damen und Herren – sehr wohl noch das Landwirteprivileg enthalten ist. – Sie wissen das, Herr Bundesminister!

Abschließend möchte ich einen Entschließungsantrag zum Bereich der pflanzengenetischen Ressourcen einbringen, zur Erhaltung dieser Ressourcen. Sie haben die Möglichkeit, durch eine Verordnung die Pflege pflanzengenetischer Ressourcen so zu regeln, dass sie weiterhin bestmöglich bestehen bleibt. Herr Bundesminister, dazu fordern wir Sie mit diesem Entschließungsantrag auf!

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhuber, Dr. Glawischnig, Gradwohl und Mag. Sima eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über das Agrarrechtsänderungsgesetz 2000, betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ersucht, bei der Verordnung betreffend das Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen folgende Aspekte miteinfließen zu lassen:

1. Unter "pflanzengenetischen Ressourcen" (PGR) ist Saatgut von Sorten zu verstehen, die der Förderung der biologischen Vielfalt dienen.

2. Die Prüfung von Sortenkriterien wie Homogenität, Beständigkeit und Unterscheidbarkeit wird auf PGR nicht angewandt. Zu gewährleisten ist, daß Keimfähigkeit, Saatgutgesundheit und technische Reinheit den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und daß das Saatgut artecht und bei Arten mit verschiedenen Formen formecht ist.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 207

3. Auf dem Etikett ist zu vermerken, daß es sich um "Saatgut zur Erhaltung der biologischen Vielfalt" (nicht zertifiziertes Saatgut) handelt, und für welche Zwecke es vorgesehen ist.

4. Bei der Festsetzung von Höchstmengen für das Inverkehrbringen von PGR ist zu berücksichtigen, daß die Möglichkeit des Inverkehrbringens nicht durch zu kleine Mengen behindert, sondern durch eine angemessene Höhe gefördert wird. Der Austausch von Kleinstmengen von PGR unter Mitgliedern von Personenvereinigungen und zwischen Bäuerinnen und Bauern zur persönlichen Verwendung muß ohne Einschränkung zulässig sein.

Ferner wird der Bundesminister ersucht, alternative Züchtungsinitiativen staatlich zu fördern und zu unterstützen."

*****

Danke schön.

19.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Pirklhuber, Glawischnig, Gradwohl und Sima ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Gradwohl  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Auer –: Jetzt sind wir aber gespannt, Jakob!)

19.55

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Agrarrechtsänderungsgesetze – das sind in Wahrheit neun Bereiche. Meine Kollegen werden zu den verschiedensten Bereichen Stellung nehmen. Ich möchte mich mit zwei Bereichen beschäftigen.

Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die kritischen Bemerkungen des Kollegen Kummerer, aber auch jene des Kollegen Pirklhuber zum Bereich Wasser, zum Wasserrechtsgesetz vor Augen führe, dann frage ich mich: Wenn das Wasser in Österreich so schlecht, so gefährdet, so verschmutzt, die Landwirtschaft – so hört man heraus – der alleinige Verschmutzer ist, warum, meine Damen und Herren, wollen dann ganz Europa und die Welt unser Wasser? Das möchte ich gerne einmal wissen. Mir kommt es so vor, als wäre ich auf der falschen Veranstaltung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dipl.-Ing. Kummerer und Gradwohl. )

So steht beispielsweise in der "Presse" vom 22. März dieses Jahres Folgendes zu lesen – ich zitiere –: "Wasserkrise. Suche nach Strategien in Den Haag. Experten beraten die Behebung der Wasserkrise." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Österreich hat einen unermesslichen Schatz. 3 Prozent des Trinkwasservorkommens verbrauchen wir selber und ... (Abg. Gradwohl: 4 Prozent!) Dann sind es halt 4 Prozent. Danke, meine Herren! Wegen dieses einen Prozents streite ich mich nicht mit euch! Wie auch immer, Tatsache ist, dass Österreichs Grundwasser Trinkwasserqualität hat und diese mit dieser Wasserrechtsnovelle auch in Zukunft gesichert wird. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Ihre Behauptung ist schlicht und einfach falsch!) Hier wird Theorie, wie Sie sie gerne hätten, einmal in die Praxis umgesetzt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es kommt im § 33f zu einer tatsächlichen Umgestaltung, zu einer neuen Schwerpunktsetzung, zum Prinzip des Vertragsgewässerschutzes anstatt von Zwangsmaßnahmen. Solche sind erst dann vorgesehen, wenn freiwillige Maßnahmen nicht helfen.

Kollege Kummerer! Mich würde einmal interessieren, was du zur Grundwasserbelastung durch den Flugverkehr, durch den Straßenverkehr, durch die Autobahnen, durch Abwässer sagst.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 208

(Abg. Aumayr: OMV! – Abg. Schwarzenberger: Eisenbahn!) Wo werden Abwässer geklärt? Ich möchte einmal wissen, welche Mengen an Pestiziden und anderen Spritzmitteln – Herbiziden – jahrzehntelang entlang von Bahndämmen verspritzt wurden. Zu diesem Thema gibt es eine Anfrage, die ich einmal gestellt habe. Darin könnte man nachlesen, dass Zigtausende Tonnen ausgebracht wurden, meine Damen und Herren. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Die Bahn ist schon klüger geworden!)

Mich würde auch einmal interessieren die Antwort auf die Frage: Wie steht es denn beim Klärschlamm? – Alle predigen, der Klärschlamm müsse landwirtschaftlich verwertet werden. Ich sage dazu: Wenn er den Qualitätskriterien entspricht, ist das durchaus denkbar. Aber in dieser Hinsicht soll die landwirtschaftliche Fläche offensichtlich eine in die Länge gezogene Deponie sein. Meine Damen und Herren, das kann es wohl nicht sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bitte Sie, zu jener Objektivität zurückzukehren, die Sie durchaus in den vergangenen eineinhalb Jahren in den Verhandlungen an den Tag gelegt haben. Leider war die Frage damals so verkorkst, dass mit Ihnen die Neufassung des § 33f letztlich nicht mehr möglich war.

Meine Damen und Herren! Es ist ein Programm auf Freiwilligkeit, es ist aber gleichzeitig eine Maßnahme, bei der bei Nicht-Funktionieren genügend Auffangpolster vorgesehen sind, um den Wasserschutz zu garantieren. Und gleichzeitig, meine Damen und Herren, wird eine Achse zum Schutz vor Eigentumseinschränkungen geschaffen, welche Gewässerschutz und Grundeigentümer nicht gegenseitig ausspielt, sondern die gemeinsamen Vorteile sucht.

Meine Damen und Herren! Es erfolgt ein großer Reformschub durch dieses Agrarrechtsänderungsgesetz, es führt eine positive Änderung des Wasserrechtsgesetzes herbei, und vor allem freue ich mich als praktizierender Landwirt, dass im Pflanzenschutzmittelgesetz endlich einmal umgesetzt werden kann, was notwendig ist. Bei der Frage der Senkung der Produktpreise aus dem landwirtschaftlichen Bereich konnte niemandem das Tempo hoch genug sein, mit dem wir auf Europaniveau abgesenkt wurden. Da mussten wir uns und müssen wir uns täglich der europäischen Konkurrenz stellen. Aber bei der Frage der Betriebsmittelpreise, da legen Sie ein Schneckentempo an den Tag. Mit der heutigen Novelle wird hier in vielen Bereichen etwas zum Besseren gewendet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfeffer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.00

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich am Beginn meiner Ausführungen einen Rückblick auf das Jahr 1985 machen, denn dieses Jahr ist mir – und ich glaube, auch Ihnen hier im Hohen Hause –, was die Weinwirtschaft betrifft, noch in bester Erinnerung. Im Jahre 1985 haben wir das weltweit strengste und beste Weingesetz, welches in der Zwischenzeit ein Gratismarketinginstrument wurde, zur Sicherung der Konsumenten und auch, um die steigende Qualität zu sichern, beschlossen.

Durch ein paar schwarze Schafe unter den Weinbauern beziehungsweise Weinhändlern wurde dieser Berufsstand sowie der gute Ruf der gesamten österreichischen Weinwirtschaft schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auf Grund der damaligen Vorkommnisse wurde das Weingesetz novelliert. In der Folge konnte durch rigorose Kontrollmaßnahmen der gute Ruf unserer Weinbauern wiederhergestellt werden. Qualität vor Quantität war unsere gemeinsame Losung und damit auch die Lösung des Problems. Hintergrund der seinerzeitigen Maßnahmen war auch, den wirtschaftlichen Schaden von den seriösen Winzern und Weinhändlern fern zu halten und das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen. Das gelang uns auch.

Die Weinwirtschaft und die Politik waren stolz auf dieses strenge und moderne Weingesetz und haben darüber auch im Ausland selbstbewusst berichtet. Die Konsumenten nahmen die neuen Qualitätslinie dankbar an und regten die Winzer zu Spitzenleistungen an. Und jetzt wollen die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 209

Regierungsparteien diese Erfolge wieder zunichte machen. Mit dieser Änderung des Weingesetzes wird die Qualitätslinie durchbrochen und wieder rückgängig gemacht. (Abg. Wenitsch: Wieso? – Abg. Schwarzböck: Gibt es einen Punkt, womit Sie das begründen könnten, ein sachliches Argument?)

Worum geht es dabei? – Derzeit ist die rechtswidrige Restsüßeherstellung bei Prädikatsweinen zu Recht ein Gerichtsdelikt. Nunmehr soll dieses als bloßes Verwaltungsdelikt eingestuft werden.

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was das bedeutet? – Das bedeutet letztendlich die Abkehr von der Qualitätslinie. Sie setzen damit meiner Meinung nach ein falsches Zeichen. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Ich komme aus dem Prädikatsweinbaugebiet Neusiedler See–Seewinkel und weiß daher, wovon ich spreche. Ich war vorige Woche bei einem Spitzenweinproduzenten in meiner Heimatgemeinde St. Andrä am Zicksee. Übrigens, Herr Bundesminister, in dessen Keller hängt ein großes Bild von Ihnen mit dem Weinbauern selbst. Dieser Weinbauer gehört also mit Sicherheit nicht unserer Fraktion an. Aber auch er meinte, ich möge im Namen der Weinbauern darauf hinwirken, dass dieses Gesetz nicht verändert wird, denn die Weinbauern aus meiner Gegend haben mit ihren Süßweinen bereits Weltruf erlangt. Diesen Ruf setzen wir mit Ihrem Vorhaben leichtfertig aufs Spiel.

Unsere Fraktion spricht sich im Interesse der seriösen Weinbauern, der Konsumenten im In- und Ausland und letztendlich im Interesse von Österreichs Weinimage vehement gegen diese Verwässerung aus.

Ein weiterer Punkt unserer Kritik betrifft die Negierung der Möglichkeit, national festzulegen, dass Prädikatsweine unsere Weinbaugebiete nur noch in Flaschen verlassen dürfen. Das jüngst ergangene EuGH-Urteil gibt dafür eindeutige Handlungsvorgaben. Was der Gegend von Rioja, von der das Urteil angestrebt wurde, recht ist, soll auch uns leiten. Wer nur einen Hauch von Weinkultur hat, wird wissen, wie wichtig die Abfüllung der Flaschen vor Ort ist. Und dafür haben sich unsere Weinbauern schon vor Jahren ausgesprochen.

Daher appelliere ich an Sie, diese Möglichkeit zu ergreifen und in die aktuelle Novellierung aufzunehmen. Die Konsumenten, die Winzer und die gesamte Weinwirtschaft würden uns dafür danken. – Ich aber danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pistotnig. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.05

Abgeordneter Jakob Pistotnig (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ein Agrardiplomingenieur hier beim Rednerpult steht und sagt, dieses Änderungsgesetz sei übel, weil so viel auf einmal geändert wird, und es werde ihm dabei schwindlig, dann muss ich Ihnen sagen: Da wird mir als Bauer schwindlig und übel zugleich. Endlich einmal wird ein Schritt, um nicht zu sagen ein Schrittchen, in die richtige Richtung gemacht, worauf die Landwirte schon lange ein Anrecht haben und mit dem wirklich einmal etwas bewegt wird. Wenn Sie es noch nicht wissen sollten, Herr Ing. Pirklhuber, in der EU fressen nicht die Fleißigen die Faulen, sondern die Schnellen die Langsamen. Es wird Zeit, dass wir ein bisschen Tempo draufkriegen und in diese Richtung auch etwas bewegen.

Was geschieht denn auch schon, bitte? – Ich werde zwei Sachen herausgreifen: das Güterwege- und Seilbahnengesetz. Es geschah überhaupt nichts anderes, als dass die Kommissionen, die es in der Vergangenheit gab, zu fünft und zehnt mit dem Auto durch die Gegend fuhren und einen Sekretär mithatten, weil jeder für ein Stückchen zuständig war.

Künftig macht das ein Mann, und zwar ein Mann von der Agrarbezirksbehörde, und dieser ist verpflichtet, nach dem Wasserrechtsgesetz und nach dem Forstgesetz vorzugehen, die zustän


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 210

digen Stellen danach zu informieren, die dann Zeit haben, das Ergebnis zu überprüfen. Innerhalb von drei Monaten muss dann eine Entscheidung gefällt werden. Das ist ein wesentlich einfacherer Weg, als wenn das eine Kommission mit fünf, sechs, sieben verschiedenen Leuten macht.

Noch etwas, weil Sie als Grüner ja so für die Umwelt sind: Auch für den Umweltschutz wird etwas getan, weil es ein Unterschied ist, ob einmal ein PKW durch die Gegend fährt oder zehn PKW fünfmal, bis es zu einem Ergebnis kommt. Das ist das eine.

Oder: Wir haben endlich einmal etwas getan in Bezug auf die Weide beziehungsweise haben etwas in der Hand, die Weide vom Wald zu trennen. Wie Sie wissen, sind über 20 000 Hektar Waldfläche in diesem Land durch Weidevieh extrem geschädigt. Jetzt hat man wenigstens einmal die Möglichkeit, aus bis zu 20 Hektar Wald ohne UVP auch eine Reinweide zu machen. Man kann das roden. Hier macht das auch wieder ein Beamter und berichtet dann dem UVP-Anwalt. Der hat sechs Wochen Zeit, zu sagen: Ich möchte mir das selber anschauen! Und der wiederum muss binnen drei Monaten sagen: Jawohl, jetzt geht es in Ordnung! oder: Es ist noch etwas nachzuholen!

Auch mit den Bundesforsten, in denen sehr viele Bauern Rechte für Weidevieh haben, die sie nicht mehr ausüben können, wird es jetzt möglich sein, in Verhandlungen zu treten darüber, dass man für diese Weiderechte entweder Reinweiden macht oder dass die Bundesforste das den Servitutsberechtigten ablösen. Und es ist wunderschön, dass sogar festgesetzt ist, in welchem Verhältnis, nach welchem Schlüssel das abgelöst werden kann.

Das sind nur zwei Beispiele, an denen ich eindeutig sehen kann, dass derjenige, der schnell hilft, besser hilft. Wir haben das jahrelang, jahrzehntelang versucht. Im Landtag in Salzburg gibt es schon seit vielen Jahren Initiativen, mit den Bundesforsten zu reden, die immer wieder gesagt haben: Wir werden das nicht vorschlagen, weil das gegen unsere Interessen ist! Jetzt werden wir die Möglichkeit haben, das zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Speziell Sie, Herr Kollege Pirklhuber, müssten ja von Ihrer Passion her als Grüner schon sagen: Ich bin bereit, etwas für die Umwelt zu tun! Ich bin bereit, etwas für die Landwirtschaft zu tun, denn: Je einfacher es wird, desto leichter wird der kleine Landwirt überleben können. Obwohl ich kein christlich-demokratischer Mensch bin, werde ich Sie und Ihre Gruppe heute in das Abendgebet einschließen, und ich werde sagen: Lieber Gott im Himmel, schau runter auf den Herrn Pirklhuber und auf seine Kollegen, gib Ihnen die Erleuchtung, dass grün sein "Umwelt" bedeutet, dass grün sein auch "für die Bauern da sein" bedeutet und dass er endlich einmal, wenn er ein halb volles Glas vor sich hat, optimistisch ist und sagt: Das Glas ist halb voll! und nicht immer: Das Glas ist halb leer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.09

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Meine Damen und Herren! Die Wünsche meines Vorredners sollten sich vor allem auch an den Landwirtschaftsminister richten, denn der braucht wirklich höheren Beistand, damit er den Permanentspagat bewältigt, den das Zusammenbringen von umweltpolitischen, konsumentenpolitischen Ansätzen mit landwirtschaftlich orientierten Ansätzen darstellt. (Bundesminister Mag. Molterer: Ich habe höheren Beistand! Ich bin ein gläubiger Mensch!) Das ist ein Permanentspagat, für den Sie wirklich höhere Hilfe brauchen, weil dieser Spagat bis jetzt – und das zeigen ja auch die heutigen Gesetzesvorlagen – immer auf Seiten der Landwirtschaft endet, immer zugunsten der Landwirtschaft ausgeht. (Abg. Schwarzenberger: Diese Vielseitigkeit besitzt er!)

Das Paradebeispiel dafür ist für mich das Pflanzenschutzmittelgesetz, in dem jetzt gestrichen wird, was früher, und zwar in der Fassung von 1997, selbstverständlich war (Abg. Aumayr: Was haben Sie gegen die Landwirtschaft?), nämlich, dass der Herr Landwirtschaftsminister den


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 211

Bundeskanzler und den Minister für Gesundheit und Umwelt darüber informiert, was neu geregelt werden soll und was eingesetzt wird. Diese Informationspflicht fällt nun flach, auch die Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit wird reduziert, denn es ist nicht mehr vorgesehen, dass das verpflichtend in der "Wiener Zeitung" oder im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird. (Abg. Schwarzenberger: Weil es jetzt ein Internet gibt!)

In diesem heiklen Bereich gibt es nun zusehends eine Vernebelungstaktik beziehungsweise ist es jetzt leichter möglich, Dinge zu vernebeln, die früher abgesprochen werden mussten, worüber früher informiert werden musste, womit früher auch an die Öffentlichkeit gegangen werden musste.

Dass das notwendig ist, zeigen ja auch die Grundwasserwerte. Herr Kollege Auer, der jetzt nicht anwesend ist, sprach davon, dass die Qualität des Grundwassers in Österreich mit jener von Trinkwasser gleichzusetzen ist. – Also da kann ich nur sagen: Er hat anscheinend nie in seinem Leben den Grundwasserbericht gelesen, der im März, glaube ich – oder war es im Februar? – im Landwirtschaftsausschuss diskutiert worden ist. Aus diesem ist nämlich eindeutig abzuleiten beziehungsweise in diesem ist eindeutig dokumentiert, dass die Nitratbelastung steigt, dass es Gebiete gibt, in welchen das Grundwasser keinesfalls an Kleinkinder oder an werdende Mütter ausgeschenkt werden darf!

Eingedenk dieses Wissens wagt er es hier von diesem Rednerpult aus, frank und frei ein Loblied auf das österreichische Grundwasser, nämlich, es sei gleich Trinkwasser, anzustimmen. Das ist bitte auch Vernebelung! Wir wollen nur die klaren Daten und Fakten auf dem Tisch haben, und auf Grund derer soll dann endlich saniert werden! Ich möchte in diesem Zusammenhang meinen Antrag aus der letzten Legislaturperiode kurz ins Gespräch bringen, in welchem es darum geht, dass die Bauern endlich entschädigt werden, wenn sie infolge von verordneten Sanierungsprogrammen in den davon betroffenen Gebieten Einbußen erleiden.

Herr Minister! Sie kennen ja diese Situation bestens aus Oberösterreich, dort spielen Sie immer wieder Pingpong mit Landesrat Achatz. Wir gehen ja in dieser problematischen Sache schon in die dritte Runde: Er sagt, Sie seien schuld. Sie sagen, er sei schuld, er soll zuerst verordnen, dann erst fördern Sie. Er sagt, Sie sollen zuerst fördern, dann verordnet er. – Die, die bei diesem Pingpongspiel durchfallen, sind jene Leute, die dort leben müssen, wo die Grundwasserbelastung über den Grenzwerten liegt und wo die Trinkwassersituation insgesamt schlecht ist.

Dieses Pingpongspiel geht nun schon jahrelang. Ich werde aber nicht müde werden, immer wieder darauf hinzuweisen und Sie immer wieder in die Pflicht zu nehmen – Sie hier und Herrn Landesrat Achatz durch meine KollegInnen im oberösterreichischen Landtag. (Beifall bei den Grünen.)

Sie wissen ja, dass man dann in Oberösterreich ein Freiwilligen-Programm gestartet hat – mit dem Resultat, dass sich 50 Prozent der Landwirte daran beteiligen. Das ist zwar für das Landesbudget sehr günstig, denn in diesem werden Mittel gespart, aber für das Grundwasser ist es schlecht, denn das Ziel dieses Sonderprogramms auf freiwilliger Ebene, das die Verordnungen sozusagen überflüssig machen sollte, wäre eine 80-prozentige Beteiligung gewesen. Das war aber eben nicht möglich, weil sich die Landwirte nicht freiwillig in der Produktion einschränken, was auch klar ist, weil sie nicht gefördert werden.

Doch diese Förderungsgrundlagen und -richtlinien enthalten Sie den Bauern vor, enthalten Sie im Endeffekt auch den KonsumentInnen vor. Ich glaube, dass es im Rahmen auch des ÖPUL-Programms durchaus möglich wäre, endlich einmal Förderungsmittel dafür bereitzustellen, dass Sanierungsgebiete wirklich "verordnet" werden. Das Ganze ist doch schon lächerlich, muss ich wirklich sagen!

Zum Schluss noch ein Punkt: Ebenso wichtig sind die Aktionsprogramme zur Reduzierung des Pestizidverbrauchs. Es sind, wie Sie wissen, derzeit in zahlreichen Gebieten die für die Dauer von vier Jahren gültigen Ausnahmeverordnungen wieder verlängert worden. Es liegt nämlich im Ermessen des Landeshauptmanns, dieser kann diese Pestizid-Ausnahmeverordnung immer wieder verlängern. Die ersten vier Jahre sind nun vorbei, es wurde verlängert.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 212

Der Sinn dieser Ausnahmeverordnung war, dass endlich etwas passiert in Richtung Verringerung der Atrazin-Anteile. Bis jetzt allerdings hat sich das größtenteils nicht in der Form und dem Umfang eingestellt, wie erwartet wurde. Was haben wir konkret? – Die Verlängerung der Ausnahme, und wahrscheinlich gibt es in den nächsten vier Jahren wieder die Verlängerung der Ausnahme – jetzt schon der Ausnahme – und dann kommt wieder die Verlängerung der Ausnahme der Ausnahme. – Und das nennt man "Grundwasserschutzpolitik"! Das ist ja lächerlich! (Beifall bei den Grünen.)

Wir Grüne haben im Ausschuss ein konkretes Aktionsprogramm zur Reduzierung des Pestizidverbrauchs eingebracht; mein Kollege Pirklhuber hat es sehr deutlich artikuliert, und wir haben es auch in der abweichenden persönlichen Stellungnahme festgehalten. Es geht darin auch um Abgaben auf Pestizide sowie um Förderungen aus dem ÖPUL. Hätten Sie das angenommen, würden Sie sich – zumindest die Landeshauptleute – so manche Ausnahmeverordnungsverlängerung ersparen.

Herr Landwirtschaftsminister! Helfen Sie doch bitte Ihren Bauern, machen Sie Förderungen möglich, geben Sie Geld! Versuchen wir gemeinsam, das Grundwasser wieder auf eine Qualitätsstufe zu bringen, die es erlaubt, dass Kollege Auer das nächste Mal zu Recht sagen kann: Es hat einfach überall Trinkwasserqualität! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzböck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.16

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das umfassende Paket, das wir heute diskutieren und wahrscheinlich in Kürze beschließen werden, ist in einigen Minuten Redezeit weder politisch noch sachlich umfassend darstellbar. Was ich nach den Beratungen im Ausschuss und dem Verlauf der bisherigen Debatte bedauere, ist, dass Sie von der Opposition eigentlich in keiner Weise eine Bewertung dessen vornehmen, was wir schon erreicht haben.

Ich hatte vergangene Woche die Möglichkeit, vier Tage lang in Hannover am Weltbauernkongress teilzunehmen, dessen Eröffnungsreferat der deutsche Landwirtschaftsminister der rot-grünen Bundesregierung – in seinem Heimat-Bundesland gibt es seit Jahrzehnten eine sozialdemokratische Landesregierung – hielt. Ich konnte dort außerdem mit Landwirtschaftsvertretern eigentlich aller Kontinente diskutieren, und ich kann Ihnen sagen: Keiner von diesen Hunderten Teilnehmern würde diese Debatte hier in diesem Hause verstehen!

Wir konnten am vergangenen Wochenende mit der VieVinum in der Wiener Hofburg einen Riesenerfolg für die österreichische Weinwirtschaft verbuchen. Hunderte ausländische Fachleute, Weinjournalisten, Importeure und Weinhändler lobten dort den österreichischen Wein und die österreichische Weinwirtschaft in einem Ausmaß, wie wir es uns vor Jahren nicht hätten träumen lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es wäre daher angebracht, bei diesen nicht nur für die Wirtschaft, für die Gesellschaft und für die Ökologie, sondern auch für das österreichische Selbstbewusstsein und die Kultur so sensiblen Materien, nämlich bei unserem hochqualitativem Wasser, um das wir weltweit beneidet werden, und bei unserem Wein, der in den USA zum Kultgetränk geworden ist, vielleicht einen Punkt außer Streit zu stellen, und zwar jenen, dass wir weiter sind, als sich viele in Europa, ja weltweit träumen lassen, und es ein allseitiges Anliegen sein muss, sich die nächsten Schritte gemeinsam vorzunehmen.

Wenn ich hier Äußerungen höre wie "bewusst das strengste Weingesetz zu verwässern" und "unhaltbare Zustände im Trinkwasserbereich" (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Na sicher!), dann, meine Damen und Herren, muss ich Sie schon fragen: Mit wem möchten Sie international darüber diskutieren? (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Mit der Schweiz!) Kollege Gaßner hat zum Beispiel das letzte Mal als Konsumentenvertreter gefordert, dass die ökonomische Nutzung der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 213

riesigen Reserven im Trinkwasserbereich, staatlich reglementiert – ich sage jetzt nicht spitz "verstaatlicht", aber doch planerisch reglementiert –, öffentlich streng geregelt werden müsste. (Abg. Mag. Gaßner: Öffentliches Gut!) Können Sie den Widerspruch aufklären, auf den Sie Kollege Auer schon aufmerksam gemacht hat? (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Kollege Schwarzböck! Haben wir das Grundwasser vom Wein ...?)

Meine Damen und Herren! Das Rioja-Erkenntnis mit den Branchenverbänden in einigen Jahren umzusetzen, möchten wir mit dieser Weingesetznovelle jetzt ermöglichen, damit wir nämlich mit dem regionalen Bezug, dass nämlich der Wein auf Grund seiner Herkunftsregion und dessen Kultur identifiziert wird, so weit kommen, dass wir dann tatsächlich sagen können, gemäß den Vorschlägen von jenen, die von der Weinwirtschaft leben, sollte ein Minister in einer Verordnung dieses Rioja-Erkenntnis umsetzen.

Meine Damen und Herren! Wir sind jedoch in den seltensten Fällen so weit und haben in diesem Bereich noch einiges zu arbeiten.

Liebe Frau Kollegin Pfeffer! Gerade der Prädikatsweinbereich ist – wenn ich nur an Alois Kracher oder an andere Spitzenwinzer denke – eine Riesenchance. Wenn Sie aber jetzt die groben Verfehlungen in diesem Bereich, die weiter voll ein Gerichtsdelikt bleiben, in Zusammenhang stellen mit der Forderung, dass kleinste Irrtümer, die wirtschaftlich und für den Konsumenten nicht einmal bewertbar sind, weiter Gerichtsdelikt bleiben sollen, dann verhindern Sie damit, dass das Produktionsvolumen und die Marktchancen in diesem Bereich voll ausgeschöpft werden, und fordern praktisch dazu auf, diese Produktion zu meiden, weil das Risiko in keinem Verhältnis zu dem steht, was unter Umständen exekutiert werden muss.

Ich begrüße dieses Gesetz und möchte Ihnen abschließend noch sagen: Die interessanteste politische Aufgabe in meinem Leben war, Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre als Obmann eine Zusammenlegungsgemeinschaft am Wiener Stadtrand mit 800 Hektar und 300 Parteien angeführt zu haben. Ich könnte Ihnen Hunderte Gemeinden nennen, wo ohne das Wirken der Agrarbezirksbehörden fast kein Fortschritt im Grünausbau, in ökologischen Grundvoraussetzungen möglich gewesen wäre.

Wenn Sie also die Arbeit der Agrarbezirksbehörde ausschließlich nach wenigen Problemoperaten beurteilen, dann – das sage ich Ihnen – vergeben Sie eine Chance, nämlich die großen Möglichkeiten, die wir mit diesen Instrumenten in Zukunft im ökologischen Landschaftsbau haben werden, zu nutzen, weil niemand mehr mit solchen Behörden etwas zu tun haben möchte. Dann sind Sie aber nicht daran interessiert, dass es eine ökologische Weiterentwicklung gibt. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Mit der UVP sind sie überfordert!)

Ich bin jetzt schon 15 Jahre lang hier im Hohen Hause, aber ich habe noch nie einen Hinweis auf ein positives Operat gehört. Wenn man 800 Hektar in drei Jahren ohne einen einzigen Einspruch über die Bühne bringt, und nachher davon 20 Hektar Grünausstattung hat, während es vorher nicht einmal einen Hektar Grün gegeben hat, dann sollten Sie es, offen gesagt, wenigstens einmal in den Mund nehmen, dass es Hunderte solcher Operate in Niederösterreich gibt, die den Problemoperaten, die es, wie ich nicht verschweige, vor Jahrzehnten gegeben hat, gegenüber stehen.

Zu diesem Diskurs lade ich Sie ein. Dann werden wir wahrscheinlich international noch mehr beneidet werden als jetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Wimmer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.22

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Jakob Auer ist zurzeit nicht anwesend, es sei aber vielleicht doch ein Satz an seine Adresse gerichtet: Jawohl, wir können auf unser Trinkwasser stolz sein, aber so gut ist dieses Wasser zum Trinken nicht überall! – Und von eben diesen Gebieten sprechen wir, denken wir doch zum


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 214

Beispiel an das Leibnitzer Becken oder an das Marchfeld. Aber wir können ja ein Exempel statuieren, wir können etwas ausprobieren. Kollege Wenitsch wird einen Doppelliter Marchfelder Wasser aus dem eigenen Brunnen mitnehmen, Jakob Auer und ich werden das trinken, und dann warten wir, was passiert. (Abg. Aumayr: Na gar nichts!)

Mir wurde gesagt, dass wir keine Viertelstunde sitzen bleiben werden, dann marschieren wir schon und laufen, so schnell wir können. Genau darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es (Abg. Prinz: Beide werden einen Liter Wasser im Bauch haben! So schaut es aus!), genau darum gehören Vorkehrungen getroffen.

Geschätzte Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es unter anderem auch um das Wasserrecht. Aber ohne gesunden Wald kein sauberes Trinkwasser, daher gestatten Sie mir, bei dieser Gelegenheit auch auf unseren Wald zu sprechen zu kommen. In der letzten Sitzung des Landwirtschaftsausschusses wurde der Wildschadensbericht 1998 behandelt, leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Verbiss-Situation ist dramatisch, zwei Drittel der Wälder weisen schwere Verbissschäden auf. Noch dramatischer ist die Situation in unseren Schutzwäldern.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Da Herr Kollege Pistotnig gemeint hat, dass nur Schafe und Kühe verbeißen, darf ich schon darauf hinweisen, dass auch Rehe und vor allen Dingen Hirsche wilde Verwüstungen anrichten. Ich glaube, dass wir, wollen wir den Verbissschäden beikommen, die herkömmliche Wildbewirtschaftung wirklich massiv ändern müssen.

Gestatten Sie mir, auch ein paar Sätze zum Weingesetz zu sagen. Es ist heute hier schon angesprochen worden, und auch ich sage Ihnen, meine sehr geschätzten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ganz offen: Da wird mit dem Feuer gespielt! – Das Weingesetz 1985 war nämlich ein großer Erfolg, nach dem "schwarzen Jahr" 1985 konnte dadurch das Vertrauen der Konsumenten Gott sei Dank wieder zurückgewonnen werden. Als Konsumenten waren wir stolz darauf, das schärfste Weingesetz zu haben.

Aber auch unsere Winzer sind gut damit gefahren, sie sind heute auf der ganzen Welt erfolgreich. Ich frage daher: Warum soll all das aufs Spiel gesetzt werden? Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Schritt zurück! Und Sie werden dafür auch die Verantwortung zu tragen haben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die zwei folgenden Abänderungsanträge der sozialdemokratischen Fraktion einbringen:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 215

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gradwohl, Rainer Wimmer und Genossen zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft (150 der Beilagen) (Agrarrechtsänderungsgesetz 2000)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Im Artikel 9 "Änderung des Weingesetzes 1999" ist in Z 12 betreffend den § 17 Abs. 2 der Ausdruck "§ 11 Abs. 2 Z 4" durch den Ausdruck "§ 11 Abs. 2 Z 3 und 4" zu ersetzen.

2. Art. 9 "Änderung des Weingesetzes 1999" Z 28 lautet:

"§ 66 Abs. 2 Z 1 lautet:

,1. Erzeugnissen, ausgenommen Prädikatswein, rechtswidrig Traubenmost, konzentrierten Traubenmost, rektifiziertes Traubenmostkonzentrat oder Zucker zusetzt,‘"

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gradwohl, Katharina Pfeffer, Rainer Wimmer und Genossen zur Regierungsvorlage (107 der Beilagen) (Agrarrechtsänderungsgesetz 2000)

Der Nationalrat wolle beschließen:

In Art. 9 wird folgende neue Z 10a eingefügt:

"10a. In § 11 Abs. 2 wird nach Z 4 folgende Z 5 eingefügt:

,5. der in Österreich im jeweiligen Weinbaugebiet in Flaschen abgefüllt wird.‘"

*****

Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

20.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die soeben eingebrachten Abänderungsanträge der Abgeordneten Gradwohl und Genossen sind genügend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt nun Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte, Herr Minister.

20.26

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte erstens meine Verwunderung zum Ausdruck bringen: Üblicherweise wird die Regierung von der Opposition dafür kritisiert, dass sie zu wenige Initiativen startet, heute werde ich überraschenderweise dafür kritisiert, dass wir ein umfassendes Reformpaket vorgelegt haben. (Abg. Dr. Khol: Das machen sie immer so!) Ganz kenne ich mich jetzt nicht aus, aber ich lasse mich auch nicht irritieren. (Abg. Schwarzenberger: Die SPÖ war immer schon reformunwillig!) Umfassende Reform halte ich für wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens. Frau Abgeordnete Moser, ich kann Ihnen versichern, meine sportliche Fähigkeit reicht nicht so weit, einen Spagat zu machen. Was ich allerdings kann – und diesen Nachweis werde ich liefern (Abg. Öllinger: Eine Pirouette!)  –, ist, den Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen, zwischen Landwirtschaft und Umwelt, die es da und dort gibt – ja! –, in einer Weise zu bewältigen, dass wir dem Ziel der Nachhaltigkeit insgesamt näher kommen. Testen Sie mich, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Drittens, Frau Abgeordnete: Ja, Sie haben Recht, ich habe Hilfe von oben und bin froh, dass ich das weiß, weil ich daran glaube! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nun zu den einzelnen Diskussionspunkten, und zwar zunächst zum Thema Wasserrechtsgesetz: Herr Abgeordneter Kummerer, wir wollen das Schutzniveau, das das Wasserrechtsgesetz für unser Grundwasser vorgibt, erhalten, aber wir setzen auf Anreiz und nicht in erster Linie auf Zwang. Der Anreiz im Sinne der freiwilligen Teilnahme der Landwirte an unseren guten Programmen hat das Ziel, möglichst viele Leute zu motivieren und möglichst viel Fläche in diese Programme aufzunehmen. Nur dann, wenn das nicht reicht, wird tatsächlich der Verordnungsweg zu gehen sein.

Mit dieser Wasserrechtsgesetz-Novelle wird – zweitens – auch das angesprochene Pingpong ein Ende haben. Sie haben Recht, das war der Kritikpunkt, den es bei der bisherigen rechtlichen Regelung gegeben hat. Das gehört aber der Vergangenheit an. Jetzt ist klar, wer wofür zuständig ist, wofür der Bundesminister zuständig ist und wofür die Landeshauptleute zuständig sind.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 216

Meine Damen und Herren! Diese Wasserqualität, auf die wir stolz sind, muss meiner Überzeugung nach dort, wo sie noch nicht gut genug ist, tatsächlich verbessert werden. Ich bitte aber alle an dieser Diskussion Beteiligten, im wahrsten Sinne des Wortes das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Nennen Sie mir eine Hauptstadt dieser Welt, wo man aus dem Wasserhahn so hervorragendes Trinkwasser bekommt wie bei uns? Darauf sind wir stolz, das wollen wir erhalten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhuber und Dr. Moser. )

Zur Frage des Pflanzenschutzmittelgesetzes: Wissen Sie, was wir tun, meine Damen und Herren? – Wir machen das wahr, was wir uns vorgenommen haben, nämlich Verwaltungsvereinfachung. Und ich frage mich, was daran schlecht sein soll, wenn wir den Bauern mit einfacheren Spielregeln vernünftigere Produkte zur Verfügung stellen, und das billiger noch dazu. Warum soll da irgendjemand etwas dagegen haben? – Das ist das Ziel dieser Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes.

Nun zum Saatgutgesetz: Sie wissen – ich habe Ihnen diese Information zur Verfügung gestellt –, was die Generaldirektion für Konsumentenschutz zu dieser Frage gesagt hat. Ich meine, dass wir in dieser Frage mit dem Gesetz plus Ausschussfeststellung für die Nachbarschaftshilfe auch in der Zukunft jene Sicherheit gewährleisten können, dass diese Nachbarschaftshilfe auch in Zukunft möglich ist.

Abschließend auch einige Bemerkungen zum Weingesetz. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz offen: Da kann ich Ihrer Argumentation nicht ganz folgen. Denn: In allen anderen Weinbau treibenden Ländern dieser Erde würden alle auf den Erfolg, den unsere Weinwirtschaft zu verzeichnen hat, stolz sein und dahinter stehen. (Abg. Dr. Khol: So ist es!) Gerade am Wochenende haben wir wieder erfahren, wie gut wir im Weinbaubereich wirklich sind. Ich sage das nicht, weil wir sozusagen überheblich sind, sondern weil die Winzer wirklich hervorragende Arbeit leisten. – So, und jetzt überprüfen wir genau das, was Sie gesagt haben, mit der Realität, mit dem, was hier drinnen steht!

Wissen Sie, Frau Abgeordnete, das Argument, dass dann, wenn aus einem Gerichtsdelikt ein Verwaltungsdelikt wird, eine Verwässerung des Weingesetzes stattfindet, ist wirklich von sehr weit hergeholt! Delikt ist Delikt, und wenn ein Winzer bis zu 100 000 S Strafe zu erwarten hat, dann meine ich, dass das wohl Strafdrohung genug ist.

Ich würde sagen, dass wir im Rechtsempfinden doch ein gewisses Maß an Sensibilität dafür haben sollten, was Strafrecht ist und was Verwaltungsrecht ist. Meine Damen und Herren des Hohen Hauses, dieses Gefühl sollten wir doch nicht außer Acht lassen! Wir kommen in strafrechtliche Bereiche hinein, bei denen ich ganz offen die Frage stelle: Was ist denn sozusagen für Sie dann noch der Unterschied zwischen einem strafrechtlichen und einem verwaltungsrechtlichen Delikt? – Ich versichere Ihnen, dass das Weingesetz so vollzogen wird, dass sichergestellt ist, dass wir auch in Zukunft unseren guten Standard halten.

Was überhaupt nicht angesprochen wurde, ist, dass dieses Weingesetz eine Riesenchance für die österreichische Weinwirtschaft darstellt. Ich denke dabei beispielsweise an die Regelung mit den Branchenverbänden, die wir jetzt ermöglichen, an den ersten Schritt zum DAC-Modell, das die österreichische Weinwirtschaft seit Jahren will. Reden wir doch davon, welche Perspektiven damit verbunden sind!

Nun zum Rioja-Urteil: Gerade Sie, Frau Abgeordnete, die Sie aus einem Produktionsgebiet kommen, sollten sich dieses Urteil sehr genau anschauen. Wir tun das derzeit und prüfen es. Im Gegensatz zu unserem Vorhaben im Jahre 1995, als wir als Ziel – das damals EU-rechtlich nicht möglich war – die Abfüllung im Inland angestrebt haben, spricht das Rioja-Erkenntnis von einer Abfüllung im Anbaugebiet.

Wissen Sie, was das für die Vermarktung hieße? – Das hieße, dass ein Gebiet, ein Anbaugebiet, überhaupt nicht mehr die Möglichkeit hätte, anbaugebietsüberschreitend zu arbeiten! Denken Sie etwa an das Anbaugebiet nördliches Burgenland, mittleres Burgenland, südliches Burgenland oder an die drei Gebiete in der Steiermark! Das entspricht nicht – zumindest auf die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 217

erste Prüfung hin nicht – der praktischen Anforderung des Handels auch im Sinne der exportierenden Bauern, Frau Abgeordnete! Daher bitte ich: Bevor wir hier Wertungen vornehmen, prüfen wir genau!

Meine abschließende Bitte zum Weingesetz und zur Weindebatte ist: Machen wir nicht aus dem üblichen Spiel – hier die Regierung und dort Opposition – gerade in einem Bereich, auf den wir doch alle stolz sein können, den Fehler, dass wir hier nur sozusagen das Haar in der Suppe suchen, das Gott sei Dank nicht da ist! Ich, Frau Abgeordnete, bin stolz auf die österreichischen Winzerinnen und Winzer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hornegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.34

Abgeordneter Franz Hornegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Agrarrechtsänderungsgesetz 2000 – meine Vorredner haben es zum Teil schon erläutert – wird in vielen Punkten novelliert, und zwar zu Gunsten der heimischen Bauernschaft. Dazu gehört zum Beispiel das Pflanzenschutzgesetz, das Wasserrechtsgesetz – das ist schon erläutert worden –, die Wald- und Weidenutzungsrechte und das Weingesetz, über das der Herr Bundesminister gerade berichtet hat: insgesamt neun Gesetze, die gemeinsam einer Reform unterzogen wurden. Und was passiert? – Wenn man etwas Positives macht, dann ist es offenbar auch nicht recht. Der Herr Minister hat vorhin darauf hingewiesen.

Damit komme ich kurz zu den Ausführungen von – ich glaube, er ist jetzt nicht anwesend – Herrn Dipl.-Ing. Kummerer und Herrn Dipl.-Ing. Pirklhuber. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber, der beim Saalausgang steht, macht durch ein Handzeichen darauf aufmerksam, dass er anwesend ist.)  – Herr Kollege Pirklhuber! Ich hoffe, dass Sie beide nicht Landwirtschaftsingenieure sind, denn wenn Sie es sind, dann verstehe ich die Welt überhaupt nicht mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Änderung in Artikel 7, Grundsatzgesetz 1951: Wenn man solche Gesetze reformiert, dann müsste es doch einmal möglich sein, dass es auch von Seiten der Opposition einmal Beifall gibt und man sagt: Ja, das sind positive Ansätze, das kann man mittragen! – Leider ist es nicht so. Auch der Herr Minister hat in Bezug darauf schon gesagt, er verstehe die Welt nicht mehr. Aber er wird nicht der Einzige sein, der sie nicht mehr versteht. In diesem Hause gibt es, wie ich meine, schon sehr viele, die alle die Welt nicht mehr verstehen.

Diese Regierungsvorlage ist außerordentlich ausführlich, und bei 57 Seiten Umfang ist es schon möglich, dass jemand, der sich nur so nebenbei mit dieser Sache befasst, nicht wirklich genau in die Materie eindringen kann.

Ich möchte den Artikel 7 ganz kurz hervorheben. Es handelt sich dabei großteils – Kollegin Aumayr hat es schon gesagt – um EU-Anpassungen. Im Artikel 7 gibt es bei den Wald- und Weiderecht-Servituten das Problem, dass die österreichische Rechtslage nicht mehr den europäischen Vorgaben entspricht. Es besteht daher ein Anpassungserfordernis an die diesbezüglichen europarechtlichen Vorgaben. Ihr wart ja alle mit dabei, als man dies beschlossen hat.

Der positive Inhalt, über den von der Opposition ja keiner sprechen will, ist eben die agrarbehördliche Bewilligungsfreiheit in der Abschreibung unbedeutender Trennstücke. Bei den kleinen Anliegen kann man daher den enormen Bürokratieaufwand einmal zur Seite legen und das Problem schnell und vernünftig lösen.

Zum Entfall der Bestimmungen über die Anlage der Entschädigungen – auch dieser Punkt ist heute schon angesprochen worden –: Offenbar gibt es da ein Problem, man hört es heraus: Wenn man etwas Neues macht, wodurch die Bürokratie reduziert wird, dann ist es Ihnen auch nicht recht. Ich habe ab und zu das Gefühl, dass einige unter Ihnen sind, die nur darauf warten oder herbeisehnen, dass zum Beispiel beim Wasserrecht Zwangsmaßnahmen getätigt werden müssen, damit man keine öffentlichen Gelder für Förderungen zuschießen muss.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 218

Wir von den Regierungsparteien – sowohl von ÖVP als auch von FPÖ – haben versucht, in dieser Regierungsvorlage die positiven Dinge so unterzubringen, dass es im Sinne der Bauern ist, und diese werden in der nächsten Zeit auch merken, dass sehr viele Punkte positiv umgesetzt werden konnten.

Abschließend: Auf Grund der genannten Erwägungen, Herr Pirklhuber, verstehe ich die grüne Fraktion nicht, aber besonders Sie als Agrarexperten und selbst Landwirt, wie ich glaube, verstehe ich überhaupt nicht! Ich verstehe nicht, dass Sie diese Agrarrechtsänderung nicht mittragen können. Aber, Herr Minister, ich verstehe Sie  – bei dem, was Sie nicht verstehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.38


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 219

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Parfuss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.39

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wenn Sie schon so viel Hilfe von oben haben – Sie haben das vorhin sehr glaubhaft gesagt –, dann hilft Er Ihnen und uns vielleicht auch beim Bundes-Tierschutzgesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die heutige Diskussion (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel )  – ich habe ganz wenig Redezeit – über das Weingesetz wird den Konsumenten nicht freuen. Der Konsument freut sich deshalb nicht, weil vom Gesetzgeber sozusagen die Rutsche dafür gelegt wird, dass das derzeitige gute und wirkungsvolle Gesetz aufgeweicht werden kann. Frau Abgeordnete Pfeffer hat bereits darauf hingewiesen.

Ein Experte hat heute zu mir gesagt: Früher war der Weintrinker König, hoffentlich wird er jetzt nicht Bettler! – Ich hoffe das auch.

Der Konsument hat nach den unerfreulichen Vorkommnissen im Jahre 1985 endlich wieder Vertrauen in die Qualität unseres Weines gewonnen, und – auch Herr Präsident Schwarzböck hat das gesagt – die Qualität ist gut, sogar sehr gut. Wir alle wissen, wie lange es dauert, bis verlorenes Vertrauen wieder gewonnen wird, vor allem, wenn es um Lebens- und Genussmittel geht, und ich glaube, unser Wein ist ein Genussmittel.

Der Konsument ist unbarmherzig. Er reagiert sofort, und ich glaube, das ist auch gut so. Nur so ist gewährleistet, dass der Erzeuger und der Vermarkter die Qualitätskriterien als Auftrag verstehen. Ein verärgerter Konsument lässt die Kasse nicht klingeln, sondern verweigert sich. Wir haben das schon oft bemerkt und gesehen.

Herr Bundesminister! Andere Länder – Sie haben es vorhin erwähnt – haben eine konsumentenfreundliche Einstellung. Die Erzeuger sind dort sogar bis zum Obersten Gerichtshof gegangen, um ihre Flaschenabfüllung beizubehalten, denn sie wissen, dass damit auch die Qualität gewährleistet ist.

Herr Bundesminister! Ich verstehe nicht, dass wir in Österreich nicht auch auf diesen Zug aufspringen können, um unsere Standards zu heben. Stattdessen schauen wir zu, wie andere Länder mit solchen Ideen an uns vorbeiziehen. Es gibt da bei uns Probleme – Herr Bundesminister, Sie haben sie angesprochen –, aber ich meine, dass wir dafür sicherlich eine österreichische Lösung finden könnten.

Ich hoffe, dass die Bundesregierung nicht folgendes Motto hat – ich habe es einmal von Boris Becker gehört –: "Wenn ich nicht verliere, dann kann der andere nicht gewinnen!" – Wenn es so wäre, dann würden sich die anderen Weinproduzenten sehr freuen, und wir nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

20.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kampichler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.42

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Durch die vorliegende Gesetzesänderung soll das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 an die neuere Judikatur des Europäischen Gerichtshofes angepasst werden. Zusätzlich aber soll der neuen Kompetenzverteilung im Bereich der Ministerien Rechnung getragen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Generell kann dazu, wie ich meine, festgestellt werden, dass sich sowohl der EU-Beitritt als auch die Zusammenführung der Kompetenzen im Landwirtschaftsministerium als sehr vorteilhaft erwiesen haben. Der EU-Beitritt hat bewirkt, dass die Preise für Pflanzenschutzmittel deutlich gesenkt werden konnten. Die neue Wettbewerbssituation bringt Verbilligungen von bis zu 20 Prozent.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die Neuzulassungen werden wesentlich erleichtert. Ich sehe darin nicht so wie Herr Kollege Pirklhuber nur Nachteile, denn ich bin generell ein Optimist, und vor allem vertraue ich auch unseren Experten im Landwirtschaftsministerium dahin gehend, dass sie in keiner Weise daran interessiert sind, unsere Umwelt unnötig zu belasten. Ich denke, dass diese Kompetenzen bei unserem Landwirtschaftsminister sehr gut aufgehoben sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Produkte, die bereits in einem anderen EU-Staat zugelassen sind, können jetzt durch relativ einfache und unbürokratische Verfahren auch bei uns verwendet werden. Während in der gesamten Periode zwischen 1991 und 1997 auf Grund der schwierigen Situation, dass damals eben drei Ministerien dafür zuständig waren, nur insgesamt 41 Neuprodukte zugelassen wurden, wurden 1998 bereits 118 neue Produkte zugelassen.

Dabei handelt es sich um moderne, vor allem aber um umweltfreundliche und besonders auf die Aufgabe abgestellte Produkte. Das heißt, wenn man umweltbewusst ist – und ich nehme das auch von Ihnen an, Herr Kollege Pirklhuber –, dann müsste man eigentlich froh sein, wenn diese neuen Produkte rasch zur Anwendung kommen, denn dadurch wird natürlich auch die Umwelt entlastet. Insbesondere für Spezialkulturen stehen nun auch entsprechende Mittel zur Verfügung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können mit dem neuen Pflanzenschutzmittelgesetz an die europäische Entwicklung anschließen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pirklhuber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich muss noch einmal kurz etwas sagen, es nützt nichts!)

20.45

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich fühle mich etwas herausgefordert, mich noch einmal zu Wort zu melden, weil der Umstand, dass sozusagen die höheren Mächte von mehreren Seiten hier angerufen wurden, um die Problemlage zu analysieren oder zu bewältigen, für mich ein deutliches Zeichen für die Hilflosigkeit ist, die offensichtlich auf dem Agrarsektor herrscht. (Heiterkeit.)

Dies ist eine Hilflosigkeit angesichts einer Welt, die der Herr Hornegger offensichtlich nicht mehr durchschauen kann, denn er versteht eben nicht, warum ein Agraringenieur sehr wohl Bedenken hat, wenn der Einsatz der Pestizide erleichtert wird, wenn es erleichtert wird, dass sie in Österreich in den Verkehr gebracht werden können.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 220

Meine Damen und Herren! Es ist doch absurd, zu behaupten, dass der Umstand, dass 118 neue Mittel in einem Jahr zugelassen werden, ein Fortschritt in Richtung Umweltpolitik ist! Herr Bundesminister, was ist los? – Das ist fachlich unhaltbar!

Warum? – Weil jedes Mittel, auch wenn es von der Toxizität oder von der Persistenz her besser ist als alte Pflanzenschutzmittel, im Hinblick auf Allergien, im Hinblick auf Wechselwirkungen, im Hinblick auf den Metabolismus so vielfältig in der Natur, in der Umwelt, im Menschen, in der Nahrung, in der ganzen Ökokette wirken wird, dass diese Wirkungen einfach nicht überprüfbar sind, meine Damen und Herren. Und das ist das Problem!

Im Ausschuss habe ich es Ihnen klar gesagt: Unser Ziel sollte nicht sein, 100 neue Mittel zuzulassen, sondern unser Ziel müsste es sein, den Anteil der Pestizide zu reduzieren und umwelttechnische Verfahren in der Landwirtschaft zu forcieren und auch zu fördern. Das ist zukunftsfähig, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! In einem Punkt muss ich Ihnen klar widersprechen. Sie haben gemeint, dass die bäuerliche Nachbarschaftshilfe jetzt doch gerettet sei, nämlich durch Streichungen im Rahmen der Gesetzesnovelle plus einer Ausschussfeststellung zu diesem Themenbereich. Das war Ihre Stellungnahme zum Fragenkomplex Saatgut.

Meine Damen und Herren! Die Kritik der EU-Kommission entspricht wörtlich dem, was der Ausschuss festgestellt hat. Das, was der Ausschuss als Feststellung in den Bericht geschrieben hat, ist genau dieselbe Formulierung, die von der EU massiv kritisiert wurde. Sie sehen, das ist eine Augenauswischerei! Das ist doch nichts anderes als Täuschung, meine Damen und Herren, und nicht die Lösung des Problems!

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Lösung des Problems würde vielleicht darin bestehen, der EU klarzumachen, dass die bäuerliche Nachbarschaftshilfe kein Inverkehrbringen in jenem Sinne ist, dass sie eine Weitergabe an Dritte ist, so wie es im EU-Text formuliert ist. Da heißt es: Inverkehrbringen von Saatgut an Dritte. – Das ist bäuerliche Nachbarschaftshilfe aber nicht! Es bestehen doch in diesem Bereich viele Betriebsgemeinschaften, Dorfgemeinschaften und Wirtschaftsgemeinschaften, und im Rahmen dieser Wirtschaftsgemeinschaften – und das ist die Zukunft der Landwirtschaft, meine Damen und Herren – gibt es die bäuerliche Nachbarschaftshilfe, die eben kein "Inverkehrbringen" im Sinne der EU darstellt.

Das wäre eine offensive Lösung, Herr Bundesminister, das sollte man der EU antworten, und das wäre auch im Gesetz festzuschreiben! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Knerzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.49

Abgeordneter Anton Knerzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im Jahre 1990 wurde in Österreich das strengste Wasserrechtsgesetz Europas beschlossen. Bei der Umsetzung gab es aber große Probleme. Diese Probleme werden mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle, die heute beschlossen wird, gelöst.

Der Landwirtschaftsminister wird in Zukunft mittels Verordnung den Rahmen für Maßnahmen, Schwellen- und Messwerte festlegen. Die zuständigen Ressortchefs beziehungsweise Landeshauptleute werden per Verordnung Beobachtungsgebiete, Sanierungsgebiete definieren und in diesem Bereich Maßnahmen treffen. Basis dafür ist die EU-Nitrat-Richtlinie, welche mit dem § 55b Wasserrechtsgesetz umgesetzt werden wird. Mit dieser Gesetzesänderung wird dem flächendeckenden Gewässerschutz und der praktikablen Umsetzung Rechnung getragen.

Wasser ist der Rohstoff der Zukunft, darin sind sich alle Experten einig. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es gibt heute bereits Länder auf dieser Erde, in denen ein Liter Trinkwasser mehr kostet als ein Liter Milch oder ein Liter Öl. Wasser ist mehr als nur ein Rohstoff, nämlich Lebensmittel


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 221

Nummer 1, denn ohne Wasser gibt es kein Leben. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Pumberger. )

Österreich ist in der glücklichen Lage, mehr von diesem weißen Gold, wie es bezeichnet wird, zu haben, als wir verbrauchen können. Aber der Wettlauf um das weiße Gold hat bereits begonnen. Frankreich hat diese Situation schon vor Jahrzehnten erkannt und kommerziell genutzt. Heute schielen französische Wasserkonzerne bereits auf unsere Alpenquellen. Es sollten aber österreichische Unternehmen die Möglichkeit haben, unsere Wasserressourcen wirtschaftlich zu nutzen.

Während wir seit den siebziger Jahren rund 400 Milliarden Schilling an Steuergeld darin investiert haben, die heimischen Seen und Flüsse wieder einigermaßen sauber zu machen, haben wir jetzt bereits Abwasserkonzepte erstellt, die zukunftsweisend sind und in der EU auch Nachahmer finden sollten. Aber nicht nur die Reinigung von verunreinigtem Wasser, sondern auch der Schutz unserer Quellen muss das Ziel unserer Politik sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In unserer Hauptstadt sowie in allen anderen Städten Österreichs kann man bedenkenlos Wasser aus der Wasserleitung trinken. Diese Möglichkeit haben weder die Menschen in Rom, noch die in Paris, Lissabon, Brüssel oder sonstwo. (Abg. Öllinger: Das Leibnitzer Becken ist auch nicht zu verachten!) Daher ist die Absicherung des österreichischen Trinkwassers vor dem EU-Zugriff das wichtigste politische Ziel für die nachfolgenden Generationen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Ich trinke eh lieber einen Wein!)

Die Bewirtschaftung der Wasserressourcen in der EU kann laut § 130s des Maastricht-Vertrages derzeit nur mit Einstimmigkeit geändert werden. Durch die EU-Osterweiterung ist aber das Einstimmigkeitsprinzip nicht nur massiv gefährdet, sondern sogar kurz vor dem Fall. In der Vergangenheit hat Spanien schon einmal einen Antrag im Europäischen Ministerrat gestellt, der darauf abzielte, die europäischen Wasserressourcen zentral von Brüssel aus zu bewirtschaften. Die Länder des dürren und heißen Südens spekulieren schon lange darauf, auch etwas von den alpenländischen Quellen für die bewässerungsintensive Landwirtschaft abzukriegen.

Um neue Mitglieder aufnehmen zu können, wird einer der Knackpunkte der kommenden EU-Reformkonferenz die Einschränkung jener Bereiche sein, in denen die Einstimmigkeit notwendig ist.

Um unser Trinkwasser auch morgen vor dem EU-Zugriff und vor dem Ausverkauf zu schützen, müssen die verantwortlichen Politiker aber schon heute handeln. In puncto Wasserqualität brauchen wir uns der EU nicht anzupassen. Die EU soll sich an uns anpassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.54

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der heute anstehenden Agrarrechtsänderung möchte ich eingangs sagen, dass diese umfassende Reform auf die veränderten Zeiten und Märkte eingeht und diesen rechtzeitig neue Rahmenbedingungen ermöglicht. Ich denke, man muss das besonders bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Kollegen von der Sozialdemokratie, erwähnen, weil verschiedene Ihrer Aussagen aus praktischer Sicht zu Themen dieses Gesetzes für mich als Praktiker nicht nachvollziehbar sind. Ich denke, nicht das Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sondern Ihre Ideologie verwässert Ihre dafür notwendige Sachlichkeit.

Gerade Wein als das Genussmittel schlechthin hat ein besonders sensibles Image. Es wäre wichtig, damit verantwortungsvoll umzugehen. Wir sollten uns nicht mit Zitaten aus Skandalzeiten wie 1985 verdächtig machen. Auch das wäre sehr wichtig und verantwortungsvoll –


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 222

gerade von Abgeordneten des Hohen Hauses –, um damit einfach das gute Image bei der Bevölkerung nicht zu verlieren und sie nicht zu verunsichern. Es besteht kein Grund dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin, Sie waren ja am Wochenende selbst bei den Weinbauern. Es kann schon passieren, dass man vielleicht den einen oder anderen Schluck mehr trinkt und dann gewisse Dinge missversteht. Das kann ja sein. Ich unterstelle Ihnen aber nichts, Frau Kollegin. Ich habe Ihnen zugehört und bin der Meinung, dass gerade die Veranstaltung VieVinum ... (Abg. Gradwohl: Eine Frage! Eine Zwischenfrage!)  – Herr Kollege Gradwohl, ich habe vorhin nicht dazwischen gesprochen, und ich möchte auch nicht, das du jetzt dazwischen sprichst. Ich hätte vorhin auch viel dazwischen reden können.

Aber vielleicht warst du bei der Veranstaltung VieVinum am vergangenen Wochenende in Wien – eine der bedeutendsten Weinausstellungen auf der ganzen Welt. Es waren an diesen drei Tagen fast 10 000 Menschen zu Besuch. Es hat ein sensationelles Renommee gegeben. Die Veranstalter – die Weinbauern in den Regionen mit ihren Beratern –, aber auch die verantwortungsvollen Politiker mit den entsprechenden Rahmenbedingungen gesetzlicher Natur sind letztlich dafür verantwortlich, dass die Konsumenten kommen und sich gegenwärtig weltweit am österreichischen Wein so erfreuen.

Das ist ein Erfolgserlebnis, wie wir es vorher nicht hatten und nicht kannten. Aber heute ist das ein Faktum, und auf diesem werden wir weiter aufbauen. Daher sind die notwendigen Maßnahmen in der heutigen Novelle zum nationalen Weingesetz enthalten, und zwar die notwendigen Anpassungen zum EU-Weinmarktordnungsgesetz. Ein wichtiger Punkt ist im § 39a enthalten, der die Installierung von Erzeuger- und Branchenorganisationen betrifft.

Eine neue Zieldefinition der europäischen Weinmarktordnung ist es, die regionale Situation autonomer zu verantworten. Diese Möglichkeiten werden den Mitgliedstaaten eingeräumt. Der österreichische Weinbau sieht darin die Chance, in Hinkunft heimische Winzer und heimischen Wein innovativer ins nationale und internationale Rampenlicht zu stellen. Auch deswegen müssen wir unser nationales Weingesetz anpassen.

Der Herr Bundesminister kann durch die Verordnungsermächtigung Branchenverbände installieren, so genannte interprofessionelle Komitees. (Abg. Mag. Schweitzer: Bravo, Hannes!) Diese bestehen aus Praktikern, Kennern und Experten, deren Aufgabe es sein wird, die regionalen Weinstrukturen zu analysieren, Absatzmärkte zu erschließen und Mängel künftig zielgerechter als bisher und für das Gebiet effizienter zu regeln.

Die Vorschläge werden an die Minister herangetragen, um regionalen Herkunftsweinen ein stärkeres Profil zu geben, aber vor allem auch, um sie in ihrer Einzigartigkeit zu schützen. Per Verordnung des Ministers werden diese Maßnahmen dann auch amtlich.

Ich nehme an, Sie alle wissen, wie eine Weinflasche aussieht. (Der Redner deutet auf eine auf dem Rednerpult stehende Weinflasche.) Hier steht eine Weinflasche, und es steht "Welschriesling" darauf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Hannes! Schlussapplaus! – Abg. Mag. Schweitzer: Sonst fehlt uns die Redezeit! – Heiterkeit.)

Frau Abgeordnete Parfuss! Wir sind im selben Wahlkreis. Künftig könnte ja draufstehen "Steirischer Welschriesling". Und wissen Sie, was auch Untersteirer im heutigen Slowenien draufschreiben können? – Auch "Steirischer Welschriesling". Daher ist die Herkunftsbezeichnung ein ganz wesentlicher Schutz für die gesamte Region und natürlich für den österreichischen Wein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.59

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Landwirtschaftsminister! Ich darf Ihnen sowie den bäuerlichen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 223

Vertretern dieser neuen Koalition hier im Hohen Hause dazu gratulieren, dass Sie mit dem übrigen Rekordtempo dieser Bundesregierung offensichtlich Schritt halten können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Agrarrechtsänderungsgesetz werden einerseits notwendige Adaptierungen, die die EU von uns fordert, bewirkt und vollzogen, andererseits für die Bauern in diesem Lande notwendige Erleichterungen geschaffen.

Herr Kollege Wimmer! Du hast mich auf das Trinkwasser angesprochen. Dazu sage ich: Ich komme aus einem bäuerlichen Dorf. Wir haben dort noch keine Ortswasserleitung, sondern wir haben unser Trinkwasser noch aus Hausbrunnen. Ich muss aber sagen, dass wir bis jetzt in meiner Heimatgemeinde eigentlich noch keine Probleme gehabt haben!

Kollegin Pfeffer! Ich habe noch nie gehört, dass von SPÖ-Seite hier härtere Strafen für Kinderschänder, Drogendealer, Schieber und so weiter und so fort verlangt werden. Für die Bauern fordern Sie diese aber. Ich verstehe Ihre These überhaupt nicht, wenn Sie meinen, dass mit diesem Weingesetz das alte Weingesetz irgendwie aufgeweicht wird. Ganz im Gegenteil: Mit diesem Weingesetz wird überhaupt nichts aufgeweicht, sondern mit diesem Weingesetz werden Erleichterungen geschaffen, die die österreichischen Weinbauern dringend benötigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Minister! Auch beim Saatgutgesetz werden einerseits die nötigen EU-Anpassungen vollzogen, andererseits wird die tatsächliche Nachbarschaftshilfe der österreichischen Bauern aber sicherlich nicht in Frage gestellt. Mit diesen Agrarrechtsänderungen gehen wir sicherlich einen richtigen Schritt in die Zukunft.

Was mir weitaus mehr Sorgen macht, sind bevorstehende Änderungen in der EU-Agrarpolitik. Diesbezüglich möchte ich doch einiges anführen.

Herr Minister! Ich habe hier eine APA-Meldung vom 6. Juni 2000, in welcher steht, dass die Beitrittskandidaten in Osteuropa in Zukunft – von 2000 bis 2006 – Förderungsgelder in der Höhe von jährlich 520 Millionen Euro zu erwarten haben. Herr Minister! 520 Millionen Euro sind 7,2 Milliarden Schilling im Jahr! Hochgerechnet auf sechs Jahre würde das bedeuten, dass wir die Agrarwirtschaft dieser Beitrittswerber mit 42 Milliarden Schilling subventionieren! – Ich glaube, das ist gerade vor einer mehr oder weniger beschlossenen Osterweiterung ein schwieriges Problem, weil dadurch natürlich die Konkurrenz gegenüber unseren Bauern noch verstärkt werden würde. Daher muss ich sagen: Ich wäre glücklich, wenn man einen anderen Weg finden könnte, um diese Länder an das EU-Niveau heranzuführen.

Herr Minister! Ebenso bedrückt mich, dass mit 1. Juli ein Beschluss in Kraft tritt, wonach ein "OO-Abkommen" mit Ländern wie etwa Lettland abgeschlossen werden soll. Denn wenn aus diesen Ländern in Zukunft Agrarprodukte ohne Zoll in den EU-Raum kommen können, dann gelangen sie höchstwahrscheinlich zuallererst einmal nach Österreich, und wenn ich daran denke, wie sehr unsere Bauern damit auf dem Markt unter Druck kommen werden, schwant mir Übles! (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich bin mit der innerösterreichischen Agrarpolitik zurzeit mehr als einverstanden. Ich begrüße die notwendigen Reformschritte. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Ich bitte Sie aber doch, auf Ihren Kollegen innerhalb der EU in die Richtung dahin gehend einzuwirken, ob man nicht auch auf EU-Ebene etwas umdenken könnte. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Er hat das Wort.

21.04

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir haben heute mit den Agrarrechtsänderungsgesetzen tatsächlich bei neun Agrargesetzen die EU-Rechtsanpassung vollzogen. Bereits im Ausschuss


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 224

hat die Opposition – sowohl die Sozialdemokraten als auch die Grünen – beim Saatgutgesetz insbesondere die Änderung der Nachbarschaftshilfe beklagt. Dazu sage ich: Wir haben versucht, im Ausschussbericht klarzustellen, was nicht als Inverkehrbringen gilt, denn das Saatgutgesetz regelt in erster Linie das Inverkehrbringen von Saatgut.

Im Antrag des Abgeordneten Pirklhuber wird die versteckte Forderung erhoben, man solle sich um den EU-Rechtsbestand einfach nicht kümmern. – Ich möchte Ihnen hier ein Schreiben der Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz vom 23. März 2000 zur Kenntnis bringen, in welchem eindeutig festgestellt wird, dass unser derzeitiges Saatgutgesetz in keinem Fall den EU-Richtlinien entspricht. Darin heißt es wörtlich– ich zitiere –:

"Meine Dienststellen halten daher eine Änderung der österreichischen Rechtsvorschriften für notwendig, damit die ordnungsgemäße Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften sichergestellt wird. Bitte teilen Sie mir so rasch wie möglich, spätestens aber binnen zwei Monaten mit, welchen Standpunkt Ihre Regierung in dieser Angelegenheit vertritt und welche Maßnahmen sie zu treffen gedenkt, um den Gemeinschaftsvorschriften nachzukommen."

Das zu regeln, haben wir versucht, und wir haben in einer Ausschussfeststellung klargestellt, dass die Nachbarschaft innerhalb der Gemeinde oder auch in der Nachbargemeinde von diesem Gesetz nicht betroffen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Lesen Sie den Antragstext vor!)

Zweitens komme ich auf die Änderung im Wasserrechtsgesetz zu sprechen. Wir haben im vergangenen Jahr den § 33 f betreffend die Grundwassersanierung auch mit den sozialdemokratischen Abgeordneten bereits weitgehend verhandelt. Da das damals aber mit anderen Dingen junktimiert wurde, kam es nicht mehr zur Beschlussfassung. Jetzt haben wir eine Regelung betreffend Maßnahmen, mit welchen die Grundwassersanierung tatsächlich in Angriff genommen werden kann.

Außerdem wurde immer beklagt, dass die Nitratrichtlinie in Österreich zu schlampig umgesetzt wurde. Nun regelt § 55 b die Forderung, die die EU hinsichtlich der Nitratrichtlinie immer wieder an Österreich gestellt hat.

Zum Pflanzenschutzmittelgesetz: Wenn Abgeordneter Pirklhuber beklagt hat, dass damit neue Mittel leichter angemeldet und in Verkehr gebracht werden können, dann sage ich: In der Regel sind die neuen Mittel ökologischer und haben weniger Nebenwirkungen.

Zum Vergleich: Die österreichischen Bauern gelten im europäischen Vergleich als die am ökologischsten Wirtschaftenden von allen. Daher sollte man die österreichische Landwirtschaft nicht immer schlechter machen, als sie ist! In Österreich beträgt der Wirkstoffeinsatz pro Hektar weniger als ein Kilogramm, im rot-grünen Deutschland ist es mehr als das Doppelte, im rot-grünen Frankreich und auch im sozialliberalen Belgien ist es das Vierfache, im sozialliberalen Holland das Sechsfache und selbst in Portugal, wo der Präsident der Sozialistischen Internationale Ministerpräsident ist, beläuft sich die Anwendung auf das Vierfache von Österreich. (Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Ich habe abschließend noch einen Abänderungsantrag zum Agrarrechtsänderungsgesetz 2000 einzubringen, der in Wirklichkeit eine Druckfehlerberichtigung darstellt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Schwarzenberger, Aumayr und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, das Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 und das Weingesetz 1999 geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2000), 107 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP in


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 225

der Fassung des Ausschussberichtes 150 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. Artikel 8 wird wie folgt geändert:

Zu Z 3:

In § 20 wird in den Absätzen 3 und 5 jeweils die Zahl "1999" durch die Zahl "2000" ersetzt.

2. Artikel 9 wird wie folgt geändert:

Zu Z 7:

Die Wortfolge "In § 4 Absatz 2" wird durch die Wortfolge "In § 4 Abs. 1" ersetzt.

*****

Ich bitte, diesem Abänderungsantrag die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag liegt vor, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt Abgeordneter Heinz Gradwohl. – Bitte.

21.09

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bin mir dessen bewusst, dass ich mit meiner Nachmeldung große Freude bei Ihnen ausgelöst habe. Ich meine aber, dass im Rahmen der Debatte einige Aussagen gefallen sind, auf die man zu replizieren hat.

Redner und Rednerinnen meiner Fraktion sind bereits darauf eingegangen und haben es ausreichend bewiesen: Im Zusammenhang mit dem Agrarrechtsänderungsgesetz 2000 kritisieren wir nicht, dass es sich um eine umfangreiche Gesetzesmaterie handelt, wie der Herr Bundesminister irrtümlich angeführt hat, sondern wir kritisieren, dass bei dieser umfangreichen Gesetzesmaterie eigentlich Chancen vertan wurden, tatsächliche Reformen vorzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Präsident Schwarzböck! In vielen Bereichen Ihrer Rede stimme ich Ihnen zu, und ich stimme auch dem Herrn Bundesminister zu, wenn es darum geht, dass Österreich hinsichtlich Wein als Qualitätsland mit wirklich hervorragenden Weinproduzenten, Weinhändlern und so weiter gilt. (Abg. Schwemlein: Wie lange noch?) Das letzte Wochenende brachte einen hervorragender Erfolg, auch insofern stimme ich Ihnen zu!

Herr Bundesminister! Ich hoffe, dass ich Sie missverstanden habe, dass Sie uns unterstellt hätten, dass wir das nicht so sehen wie Sie. Sollten Sie das meinen, dann sage ich: Wir sehen das genauso wie Sie: Wir sind stolz auf unsere Weinbauern, unsere Winzer und unseren Weinhandel! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Schwarzböck! Wir sind aber auch stolz auf die Regelungen des Weingesetzes 1985, und wir befürchten, dass mit den jetzt zu beschließenden Regelungen genau das, was mit diesem Weingesetz 1985 erreicht wurde, in Zukunft nicht mehr erreichbar sein wird. Ich wiederhole jetzt eine Aussage der Kollegin Pfeffer: Das Weingesetz 1985 war eine Gratisvermarktungshilfe für den österreichischen Wein, denn wir konnten damit weltweit werben. Wenn jedoch weiterhin solche Maßnahmen getroffen werden wie heute, dann können wir das vielleicht nicht


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 226

mehr so überzeugt und mit vor Stolz geschwellter Brust vertreten! Diesbezüglich haben wir unsere Bedenken, und daher können wir dieser Regelung nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Von Kollegen Wenitsch wurde endlich das Landwirteprivileg auch von einem Regierungsvertreter angesprochen, und Herr Kollege Schwarzenberger hat dann weiter dazu ausgeführt. Herr Bundesminister! Wir haben im Ausschuss bereits darüber diskutiert, und gestern haben Sie uns dankenswerterweise das genannte EU-Schriftstück zur Verfügung gestellt. – Die Direktion mag das durchaus so sehen, wie sie es beschrieben hat. Wir fordern Sie – auch die Abgeordneten der freiheitlichen Fraktion – jedoch auf: Nehmen wir dieses Schriftstück nicht einfach nur so zur Kenntnis, sondern versuchen wir gemeinsam zu erreichen, dass dieses österreichische Landwirteprivileg, das im Übrigen in der Diskussion um die Gentechnik in der Patentrichtlinie von der Europäischen Union anerkannt wurde, auch weiterhin in den betreffenden gesetzlichen Bestimmungen beibehalten werden kann! Die jetzigen heute von Ihnen zu beschließenden gesetzlichen Regelungen und die Ausschussfeststellung kommen nämlich an das, was wir bisher hatten, nicht heran.

Geschätzte Damen und Herren! Daher darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradwohl, Dipl.-Ing. Pirklhuber, Wimmer, Dipl.-Ing. Kummerer, Mag. Gaßner, Katharina Pfeffer und GenossInnen zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft (150 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (107 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidennutzrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, das Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz 1967 und das Weingesetz 1999 geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2000)

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert sicherzustellen, dass das "Landwirteprivileg" – insbesondere betreffend des "Austausches von Saatgut im Rahmen der nachbarschaftlichen Hilfe" – so wie bisher im Saatgutgesetz und in den entsprechenden Durchführungsverordnungen ausdrücklich und uneingeschränkt im Sinne der Erhaltung der kleinbäuerlichen Struktur in Österreich gesetzlich festgeschrieben bleibt.

*****

Abschließend darf ich noch auf einen Punkt hinweisen, der mit der Agrarpolitik und damit auch mit den heute zu verhandelnden und beschließenden Gesetzen in Zusammenhang steht: Es handelt sich dabei um eine Presseaussendung. Ich spreche Sie, Herr Abgeordneter Schwarzenberger, als Präsidenten des Österreichischen Bauernbundes direkt an. (Zwischenruf des Abg. Prinz. ) Kollege Prinz! Das wird sich herausstellen! Hören Sie zuerst einmal zu! Vielleicht kommen Sie dann darauf, dass Sie mit Ihren Zwischenrufen zwar laut, aber nicht intelligent sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Schwarzenberger! Am 30. Mai hat der Österreichische Bauernbund in einer Aussendung gefordert, dass der Grüne Bericht in Zukunft eigentlich in einer anderen Qualität zu erstellen ist, nämlich verringert um einige Daten und Tabellen, die vor allem auf die Verteilungswirkung der öffentlichen Gelder abzielen. In dieser Aussendung ist zu lesen, dass man die Wissenschaftlichkeit des Grünen Berichtes in Frage stellt und Ähnliches mehr.

Herr Kollege Schwarzenberger! Ich hätte gerne von Ihnen gewusst, ob Sie als Abgeordneter dieses Hauses das wirklich vertreten können. Ich nehme an, dass Sie auch über eine Aussendung des Bauernbundes Bescheid wissen, aus welcher nicht hervorgeht, von wem sie ist. Daher sind Sie für mich der Ansprechpartner, und als Abgeordneter dieses Hauses nehme ich doch


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 227

an, dass auch Ihnen als Abgeordnetem daran gelegen ist, dass wir alle, die wir uns auch in Zukunft mit Agrarpolitik beschäftigen werden, auf das hervorragende Zahlenmaterial und auf die hervorragende Datensammlung des Grünen Berichtes in dem Umfang, wie er vorliegt, nicht verzichten müssen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe, dass auch Sie darauf nicht verzichten wollen und diese Presseaussendung des Österreichischen Bauernbundes revidieren werden. Ebenso hoffe ich, dass gerade Sie als Salzburger Abgeordneter die Angriffe auf die Bundesanstalt für Bergbauernfragen, die vom Bauernbund ausgegangen sind, richtig stellen werden! Auch Sie, Herr Abgeordneter Schwarzenberger, kommen aus einem Berggebiet und wissen daher, welche wichtigen Unterlagen und welche wichtigen Maßnahmen von dieser Anstalt ausgegangen sind und auch in Zukunft ausgehen werden! Ich ersuche Sie daher, das seitens Ihrer Organisation richtig zu stellen! (Beifall bei der SPÖ.)

21.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag entspricht den Voraussetzungen, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Wortmeldungen dazu liegen keine mehr vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 150 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Gradwohl und Genossen einen Zusatz- und einen Abänderungsantrag eingebracht.

Auch die Abgeordneten Schwarzenberger, Aumayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile der Vorlage und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Gradwohl und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 10a im Artikel 9 zum Inhalt hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Zusatzantrag ist daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Schwarzenberger, Aumayr und Genossen haben einen Abänderungsantrag zu Artikel 8 Z 3 sowie Artikel 9 Z 7 eingebracht.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag beitreten, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Ich stelle fest, dass dieser Antrag mit Mehrheit beschlossen ist.

Weiters haben die Abgeordneten Gradwohl und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 9 Z 12 und 28 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Ich lasse sogleich über die Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür in zweiter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist die zweite Lesung beendet.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 228

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen ist.

Wir stimmen nun ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhuber, Gradwohl und Genossen betreffend Inverkehrbringen von Saatgut zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist daher abgelehnt. (Lebhafte Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie wollen, dass ordnungsgemäß und korrekt abgestimmt wird, dann kann das nicht so über die Bühne gehen!

Wir stimmen nun ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gradwohl, Dipl.-Ing. Pirklhuber und Genossen betreffend Agrarrechtsänderungsgesetz 2000.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt.

13. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (52 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Biozid-Produkte-Gesetz erlassen wird sowie das Lebensmittelgesetz 1975 und das Chemikaliengesetz 1996 geändert werden (121 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt nicht vor.

Zu Wort gelangt als Kontrarednerin Frau Abgeordnete Ulrike Sima. – Bitte.

21.21

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Gleich vorweg möchte ich festhalten, dass wir das Ziel dieses Gesetzes und auch die Intention der EU-Richtlinie begrüßen und dem nur zustimmen können.

Ich halte es für wichtig, dass Biozide, also ökotoxische Produkte, die wir teilweise täglich im Haushalt benutzen, seien es Insektensprays, Ameisenfallen, Desinfektionsmittel und sonstige Dinge, jetzt endlich erfasst werden sollen. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. ) Es freut mich, dass Sie das erheitert, Herr Kollege Westenthaler! – Ich begrüße, dass diese Produkte identifiziert, kategorisiert, und vor allem auch gekennzeichnet werden sollen, weil das für die Konsumenten meiner Meinung nach sehr wichtig ist. (Abg. Mag. Trattner: Können Sie noch etwas schneller reden?) Ich halte eine Zulassung und Registrierung für äußerst wichtig. – Ich hoffe, Sie sind damit zufrieden. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. )

Wissen Sie überhaupt, was Biozide sind? Wenn Sie ein bisschen zuhören, dann können Sie heute vielleicht noch etwas lernen, Herr Kollege. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist doch nicht maßgeblich!)

Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen schon im Ausschuss gesagt, dass meine Fraktion diesem Gesetz gerne zugestimmt hätte. Allerdings mussten wir mit Bedauern zur Kenntnis neh


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 229

men, dass Sie im letzten Augenblick noch Abänderungsanträge eingebracht haben, die meiner Meinung nach gegen die Intention dieses Gesetzes sind, dem Gesetz völlig zuwider laufen und eine Zustimmung von unserer Seite nicht mehr möglich machen. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum?) Mir ist, ehrlich gesagt, völlig schleierhaft, warum Sie im letzten Augenblick diesen Gesetzentwurf, der an und für sich sehr vernünftig war, völlig aufweichen mussten! Aber Sie können uns das vielleicht nachher noch erklären. (Abg. Mag. Schweitzer: Mit Sicherheit!)

Im Biozid-Produkte-Gesetz ist vorgesehen, dass sämtliche Wirkstoffe in Zukunft identifiziert, notifiziert und sodann nach Gefahrenklassen eingestuft werden sollen. Die EU hat eine Einteilung in alte und in neue Wirkstoffe vorgenommen. Alte Wirkstoffe sind jene, die vor dem 14. Mai 2000 zugelassen wurden, und neue Wirkstoffe sind jene, die danach zugelassen wurden. Die alten Wirkstoffe sollen mit diesem Gesetz aufgearbeitet werden, und ich halte das für sehr wichtig. Die EU beabsichtigt, bis zum Jahr 2001 eine Liste dieser alten Wirkstoffe anzufertigen und eine Klassifizierung nach Gefährlichkeitsklassen durchzuführen.

Ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie, meine Kollegen von den Regierungsparteien, nun überlange Übergangsfristen für den Verkauf dieser alten Wirkstoffe einführen wollen. (Abg. Mag. Schweitzer: Übergangsfristen sind notwendig!) Meiner Meinung nach sind diese überhaupt nicht notwendig! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Sie kommen ohnehin noch dran!

In einem Abänderungsantrag heißt es hiezu: Biozidprodukte, die nur alte Wirkstoffe enthalten, dürfen noch bis längstens 18 Monate nach Veröffentlichung der identifizierten und notifizierten alten Wirkstoffe ohne Kennzeichnung und ohne Einstufung in Verkehr gebracht werden. – Rechnen Sie sich das einmal kurz durch! Die EU-Liste kommt frühestens 2001 heraus. Sie gewähren noch eine zusätzliche Frist von 18 Monaten plus einem Jahr, dann sind wir ungefähr beim Jahr 2003 oder 2004, und das ist mir für eine vernünftige Übergangsfrist absolut zu lang. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Wie lange hätten wir noch Zeit?) Es ist mir egal, wie lang wir Zeit hätten! Ich glaube, dass wir das im Interesse der Konsumenten so schnell wie möglich machen müssen.

Schauen wir uns das an: Im Begutachtungsentwurf war noch vom 1. Jänner 2001 die Rede, in der Regierungsvorlage hieß es dann schon 1. Juli 2001, und mittlerweile sind wir da beim Jahr 2004. Dazu kam es, nachdem sich Herr Kopf als Umweltsprecher und Wirtschaftsbundvertreter in die Verhandlungen eingeschaltet hatte. Dann hatten wir plötzlich eine verlängerte Übergangsfrist von mehr als vier Jahren. Aber das darf einen nicht wundern. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Sie haben das gut erkannt, Herr Kollege Schweitzer, trotz der späten Uhrzeit. Ich frage mich, warum Sie dieses Gesetz überhaupt beschließen wollen, wenn Sie gleichzeitig eine Ausnahmebestimmung beschließen, die bis zum Jahre X wirkt. Ich empfinde das als sehr bedauerlich.

Es gibt noch einige andere Punkte, auf die ich jetzt im Detail nicht eingehen möchte, etwa dieses Pingpongspiel, das Sie laut § 37 vorgesehen haben, oder die Lockerung der Meldepflicht im § 19. Der Hauptkritikpunkt meiner Fraktion bezieht sich aber auf die Übergangsfrist, weshalb ich folgenden Antrag einbringen möchte:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Biozid-Produkte-Gesetz erlassen wird sowie das Lebensmittelgesetz 1975 und das Chemikaliengesetz 1996 geändert werden (121 der Beilagen)

"Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Ausschussbericht zum Bundesgesetz, mit dem ein Biozid-Produkte-Gesetz erlassen wird sowie das Lebensmittelgesetz 1975 und das Chemikaliengesetz 1996 geändert werden (121 der Beilagen), wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 230

1. § 46 Abs. 2 lautet:

,(2) Biozid-Produkte, die vor dem 1. Juli 2001 bereits in Verkehr gebracht worden sind, müssen nach Ablauf von drei Monaten nach Veröffentlichungen der identifizierten oder notifizierten alten Wirkstoffe im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften hinsichtlich ihrer Kennzeichnung und Verpackung sowie betreffend das Sicherheitsdatenblatt im § 24 und § 25 entsprechen.‘"

(Abg. Kopf: Da sind wir nur um 15 Monate auseinander!) Nein! Wir sind weiter auseinander! Laut Ihren Aussagen kommen wir bis zum Jahr 2004! Bei Ihnen sind es jetzt 18 Monate und dann noch einmal ein Jahr dazu. Wir halten uns mit diesem Abänderungsantrag hingegen an das, was Sie als Regierungsvorlage ausgeschickt haben.

Ich setze mit dem Antrag fort:

"2. § 46 Abs. 3 entfällt. Die Abs. 4 bis 7 werden zu den Abs. 3 bis 6."

*****

Ich hoffe, Sie haben jetzt etwas gelernt, Herr Kollege. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag entspricht den Vorschriften und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

21.27

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Sima, wenn Sie Interesse daran hätten, dass Ihr Antrag auch von den Regierungsparteien ernst genommen wird, dann hätten Sie uns den Antrag zumindest übermitteln sollen. Vielleicht hätten wir ihn dann auch angeschaut. Aber offensichtlich haben Sie gar kein Interesse daran, dass über den Antrag ernsthaft debattiert wird, denn Sie haben uns ja den Antrag, wie gesagt, nicht übermittelt. (Abg. Dr. Kostelka: Kennen Sie die Regierungsvorlage?)

Es ist wunderschön, Herr Kollege Kostelka, wenn man einmal anhand dieses Gesetzes den Unterschied zwischen neu Regieren – wie es jetzt der Stil von FPÖ und ÖVP ist – und altem Regieren, wie es zum Beispiel SPÖ und Grüne machen würden, ein bisschen klar machen kann. (Abg. Dr. Kostelka: Jetzt wird es spannend!)

Das lässt sich anhand dieses Gesetzes wunderbar aufzeigen. Wir von der FPÖ und von der ÖVP haben dieses Gesetz auf Basis der Regierungsvorlage mit allen Betroffenen verhandelt und auch ausverhandelt. Das Gesetz stellt sicher, dass alle notwendigen Überprüfungen und Kennzeichnungen mit den adäquaten Übergangsfristen vorgesehen sind. Uns ist es bei diesem Ergebnis jedoch gelungen – aber das interessiert Sie nicht, Frau Kollegin Sima! –, die Kosten und die Bürokratie in diesem Zusammenhang in Grenzen zu halten. Und es ist in Zeiten wie diesen besonders wichtig, dass man die Kosten und die Bürokratie für die Wirtschaft, die die Arbeitsplätze bereitstellen muss, in Grenzen hält, wenn es notwendig und vertretbar ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist für Sie kein Problem. Sie haben es einfach nicht in Ihrem Programm, Kosten und Bürokratie für die Wirtschaft in Grenzen zu halten. (Abg. Heinzl: Auf Kosten der Gesundheit!) Frau Kollegin Sima! Damit werden aber nicht nur der Wirtschaft, sondern im Endeffekt auch dem Konsumenten zusätzliche Kosten sowie unnötiger Arbeitseinsatz und Geldeinsatz erspart.

Wir haben ohnehin bereits dieses Sicherheitsdatenblatt, das auszufüllen ist. Sie wollten aber noch ein zweites Datenblatt. Vor allem Kollegin Glawischnig hat größte Probleme damit gehabt, dass man jetzt nicht zwei Blätter ausfüllen muss, sondern dass eines reicht. Alles andere wäre unnötige Bürokratie.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 231

Zusätzlich wollten Sie, dass die Übergangsfrist weitaus länger ist. Einen diesbezüglichen Antrag haben Sie ja eingebracht. (Abg. Dr. Niederwieser: Von wem war die Regierungsvorlage?) Kollege Niederwieser! Das hätte bedeutet, dass viele Produkte, die jetzt in den Regalen stehen, hätten umetikettiert werden müssen, und zwar mit gewaltigem finanziellem Aufwand, ohne dass für den Konsumenten irgendein Nutzen herausgekommen wäre.

Das ist doch nicht wirklich sinnvoll, dass man diese Geschichten tatsächlich in die Realität umsetzt! Wozu dieses Umetikettieren, Frau Kollegin Sima? Was hätte dieses Umetikettieren gebracht? Sie haben gerade auch selbst gesagt, wir hätten zehn Jahre für die Umsetzung des Ganzen Zeit gehabt; wir aber machen es viel früher. England macht es erst nach Ablauf dieser zehn Jahre.

Wir brauchen nicht, um immer wieder als die dazustehen, die etwas sofort verwirklichen, die Wirtschaft und damit auch den Konsumenten mit zusätzlichen Kosten zu belasten. Das wollen wir nicht. Das ist der Unterschied zum Regieren "alt", das Sie fortgesetzt hätten – womöglich mit Grünen, wenn Sie irgendwo die Mehrheit gehabt hätten –, das ist Regieren "neu": Kosten sparen für alle Beteiligten, Bürokratie eindämmen, sodass alle etwas davon haben und niemand zu Schaden kommt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Trattner: Sehr gut! – Abg. Ing. Westenthaler: Das war sehr fundiert! Verständlich und fundiert! – Abg. Dr. Jarolim: Das können Sie dem Christkindl schreiben, mit Ihrem Programm: unverständlich und einfach falsch!)

21.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

21.31

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! FPÖ-Umweltsprecher "alt" und FPÖ-Umweltsprecher "neu": Das sind wirklich zwei völlig verschiedene Produkte! (Heiterkeit des Abg. Mag. Trattner.  – Abg. Ing. Westenthaler: Das war jetzt aber gut!) Ich bin jedes Mal fassungslos bis ins Innerste darüber, dass man sich innerhalb so kurzer Zeit in seinen Positionen dermaßen verändern kann, dass es mich wundert, dass du noch mit dem Gesicht zu mir sitzt (allgemeine Heiterkeit – Beifall bei den Grünen) und nicht mit dem Rücken! (Abg. Mag. Schweitzer: Soll ich? Soll ich? – Abg. Dr. Jarolim: ... eine Provokation, aber keine Position!)

Was macht nun also wirklich die neue Qualität bei diesem Gesetz aus? – Sichtlich ist in der Zeit zwischen der Aussendung des ersten Entwurfes – der aus unserer Sicht, aus Sicht der grünen Fraktion, durchaus ausgewogen und unterstützenswert gewesen wäre – und der Diskussion im Ausschuss ein massives Lobbying von Seiten der Chemieindustrie erfolgt. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Die Betroffenen zu hören und ihre Argumente ernst zu nehmen und abzuwägen, ist durchaus vernünftig. Nur sollte man dann alle Betroffenen hören (Abg. Mag. Schweitzer: Tun wir ja!), und die Betroffenen auf der anderen Seite – die Konsumentinnen und Konsumenten, die Haushalte – haben Sie sichtlich nicht gehört. Aus diesem Grund werden wir auch diesem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen.

Es sind im Wesentlichen drei Punkte, die das an und für sich begrüßenswerte Gesetz und die Intention, die dahintersteht, so verwässert haben, dass es aus unserer Sicht inakzeptabel ist. Sie sprechen davon, Herr Kollege Schweitzer, man müsse die Bürokratie und die Kosten für die Wirtschaft im Auge behalten und so weiter. Ich weiß nicht, ob ein Umweltsprecher, der im ORF-"Mittagsjournal" – vor einer sehr breiten Öffentlichkeit – gemeint hat: "Ich habe in dieser Partei kein Gewicht mehr!" (Abg. Dr. Jarolim: Der Schweitzer hat das gesagt?), da noch eine Glaubwürdigkeit hat. (Abg. Mag. Schweitzer: 64 Kilo!)

Ich denke, dass gewisse Gesundheits- und Umweltaspekte in diese Rechnung nicht einbezogen worden sind, und das sieht man auch sehr deutlich an dem vorliegenden Entwurf.

Der Punkt, der mich am meisten stört – und ich möchte es noch einmal erklären, warum dieser Punkt aus unserer Sicht so kritikwürdig ist, denn vielleicht haben Sie es auch noch nicht ganz bis zum Ende durchdacht –, ist die Bestimmung, in der es um die Altwirkstoffe geht. So wie das jetzt formuliert ist, wird über die Altwirkstoffe und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit und auf


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 232

die Umwelt eigentlich ein Deckmantel des Schweigens gebreitet (Abg. Mag. Schweitzer: Wieso? Wieso denn? Wessen Gesundheit ist das?), denn es besteht für diese Wirkstoffe – die erbgutverändernd, sensibilisierend, bioakkumulierend, fortpflanzungsgefährdend und schwer abbaubar sind – nur dann eine Meldepflicht, wenn diese – das muss man wirklich auf der Zunge zergehen lassen – über einen längeren Zeitraum verwendet eine andauernde Belastung für Mensch, Tier oder Umwelt hervorgerufen haben und wenn bereits einschlägige fachliche Informationen über toxische oder ökotoxische Wirkungen vorliegen, wenn es bereits Vergiftungsfallmeldungen gibt, wenn bereits epidemiologische Daten zur Verfügung stehen.

Wenn es einmal so weit ist, dass es bei einem bestimmten Wirkstoff Vergiftungserscheinungen gibt, dass es bereits über einen längeren Zeitraum Beschwerden gibt, dass es klar ist, dass das auf die Umwelt und auf die Gesundheit nachhaltig schlechte Auswirkungen haben kann und erst dann eine Meldepflicht besteht (Abg. Mag. Schweitzer: Nach dem neuen Gesetz! Aber du beziehst dich nur auf einen Übergangszeitraum, oder?), dann kann ich das nur als einen Deckmantel des Schweigens bezeichnen über all das, was in den letzten 20 Jahren in der Chemieindustrie produziert worden ist. – Das ist keine Übergangsregel. Das betrifft die Behandlung, die Meldepflicht der alten Wirkstoffe. – Das ist mir ein echter Dorn im Auge! Aus diesem Grund und noch ein paar anderen Gründen werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen.

Die Übergangsregeln hat meine Kollegin Sima schon angesprochen. Das ist aus meiner Sicht kritikwürdig.

Ein dritter Punkt vielleicht noch das "illegale Verhalten" betreffend: Dazu, dass man hier zehn Sicherheitsschleifen einbaut, bevor es überhaupt zu einer Beschlagnahme von gefährlichen Stoffen kommen kann – wenn illegales Verhalten vorliegt, da muss zuerst einmal eine Meldung durch das Sicherheitsorgan erfolgen und so weiter und so fort –, muss ich sagen: Das liegt wirklich auf einer schiefen Ebene im Verhältnis zu den Interessen jener, um deren Gesundheit es hier geht. – Ich weiß nicht, ob Sie im Haushalt irgendwie mit solchen Produkten konfrontiert sind, ob Sie sich zum Beispiel mit Ameisenfallen beschäftigen. Oder macht das Ihre Frau? (Abg. Mag. Schweitzer: Ich fange die!) Ja, ja. (Abg. Mag. Schweitzer: Wirklich! Einzeln! – Abg. Böhacker: Und er setzt sie wieder aus!)

Nein, unsere Fraktion wird diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen! Es hat eine massive Lobbyeinflussnahme während der Begutachtung gegeben, und es ist aus unserer Sicht wirklich bedauerlich, dass die Vertreter der anderen Seite, nämlich der Gesundheitsinteressen und der KonsumentInneninteressen, nicht gehört worden sind.

Noch einmal, Herr Kollege Schweitzer: Ich bin wirklich fassungslos darüber, dass man sich innerhalb so kurzer Zeit dermaßen an Regierungsmacht klammern kann, dass man die ökologischen Zielsetzungen und die Gesundheitszielsetzungen so sehr aus dem Auge verliert! (Abg. Mag. Schweitzer: Das darfst du nicht sagen!)  – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Faul  – in Richtung Freiheitliche –: Ein Wendehals! – Abg. Mag. Trattner: Der Faul ist wieder da! – Abg. Mag. Schweitzer: Das war nicht in Ordnung!)

21.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.

21.37

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Damit kein Zweifel aufkommt: Ich bin auch der Meinung – beziehungsweise wir sind auch der Meinung –, dass diese Biozid-Produkte – also all das, was im Haushaltsbereich oder wo immer an Desinfektionsmitteln und so weiter eingesetzt wird – in vielen Fällen absolut keine harmlosen Produkte sind. Aber diese Produkte sind doch, Frau Kollegin Sima oder Frau Kollegin Glawischnig, alle nach chemikalienrechtlichen oder lebensmittelrechtlichen Bestimmungen rechtens im Verkehr! Die sind ja nicht irgendwie undefiniert und ohne entsprechende Zulassung bei uns im Verkehr, sondern die sind alle zugelassen und registriert. Tun Sie also bitte nicht so, als wäre dies anders, und malen Sie hier nicht den Teufel an die Wand, den es einfach nicht gibt! (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 233

Wir reden hier von zweierlei Dingen: Das ist erstens eine Verpflichtung zur Zulassung, zur Registrierung, zur Kennzeichnung "A", und zwar sofort mit Beginn des In-Kraft-Tretens des neuen Gesetzes, für alle diese Produkte, sofern sie neue Wirkstoffe enthalten. Diese müssen sofort zugelassen und gekennzeichnet werden. Daher nochmals: Erzählen Sie den Leuten draußen keine Märchen!

Zweiter Punkt: Nur für diejenigen, die nach anderen gesetzlichen Bestimmungen bereits zugelassen sind – die also nach anderen gesetzlichen Vorschriften absolut für in Ordnung befunden worden sind – und jetzt in ein anderes gesetzliches Regime – eben diese Biozid-Produkte-Gesetz – übergeführt werden, gelten Übergangsfristen für die Zulassung, Kennzeichnung und so weiter nach dem neuen Gesetz. Nur darum geht es, bitte! Hier jetzt den Teufel an die Wand zu malen, ist, wie gesagt, einfach nicht seriös. Ich war eigentlich der Meinung, dass Sie bisher bemüht waren, auf dem Boden der Seriosität zu bleiben.

Tatsache ist – und dazu bekennen wir uns auch von Seiten beider Regierungsfraktionen –, dass es bei der Einführung eines solchen neuen Regimes, die Zusatzkosten verursacht, notwendig und vernünftig ist, dass wir der Wirtschaft eine angemessene Frist – nicht die zehn Jahre, die nach der EU-Richtlinie möglich wären, aber eine angemessene Frist – geben. Wenn von vier Jahren die Rede ist, dann muss man dazusagen, dass die ersten zwei dieser vier Jahre schon einmal dadurch draufgehen, dass die EU wahrscheinlich erst Ende nächsten Jahres die Liste mit diesen alten Wirkstoffen herausgeben wird und die Kennzeichnungspflicht ja vorher gar nicht greifen könnte. Die Hälfte dieser Frist wird daher schon einmal dadurch verbraucht, dass die EU diese Zeit benötigt, um diese Liste überhaupt herauszugeben. Was wir den Betrieben dann darüber hinaus noch geben, das ist eine Frist von weiteren 18 Monaten, um eben dann in Kenntnis dieser Liste auch die tatsächliche Anwendung in Österreich vollziehen zu können.

Wenn man also diese Tatsachen, die ich jetzt aufgezählt habe, alle kennt und den Leuten auch erklärt, dann wird jeder für die Wahl dieser Fristen, die wir hier vorgenommen haben, Verständnis haben. Was Sie hier betreiben, ist pauschale Angstmache, indem Sie pauschal etwas an die Wand malen, was in der Praxis nicht stattfindet!

Ich glaube, wir haben einen verantwortungsvollen Weg gewählt, diese EU-Richtlinie umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Kollege Rainer Wimmer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.41

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Kollege Kopf! Das ist eine Sichtweise, die legitim ist, aber es ist die Sichtweise der Industrie und die Sichtweise jener, die dieses Produkt in erster Linie vertreiben und damit Geld verdienen.

Wir vertreten eher die Sichtweise der Konsumenten, und wir stehen in dieser Angelegenheit für die Konsumenten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht drei Hinweise zu diesem Biozid-Produkte-Gesetz. Es geht in dieser Angelegenheit – und das ist schon gesagt worden – um eine EU-Anpassung, die längst überfällig ist. Dieses Biozid-Produkte-Gesetz wäre ein gutes, zukunftsorientiertes Gesetz – und zwar deshalb, weil diese Vorlage im Wesentlichen eine sozialdemokratische Handschrift trägt –, hätte sich nicht in dem von Ihnen vorgelegten Entwurf die Lobby der Industrie ganz massiv durchgesetzt.

Ich sage das ganz bewusst, meine sehr geschätzten Damen und Herren (Abg. Mag. Schweitzer: Kollege Wimmer, das haben die Beamten gemacht! Sagen Sie einmal, wer da jetzt die roten Beamten waren! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), denn Ihr Vorschlag bedeutet, dass bis zum Jahr 2004 giftige Produkte weiterhin ungekennzeichnet und ohne Hinweis einfach an die Verbraucher weitergegeben werden können. Das ist so, auch wenn Sie das


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 234

heute anders darstellen oder bedauern. Diese Vorgangsweise, meine sehr geschätzten Damen und Herren, ist in unseren Augen einfach fahrlässig!

Wir haben aber einen Abänderungsantrag eingebracht, in dem es genau um diese Übergangsfristen geht. Bei diesem unserem Antrag steht die Gesundheit der Verbraucher im Vordergrund. Die Gesundheit der Menschen ist uns hier wichtig, aber nicht unbedingt die Interessen der Industrie und jener, die mit diesen Produkten handeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine daher, wenn unser Antrag Ihr Verständnis findet, meine sehr geschätzten Damen und Herren von den Regierungsparteien, dann werden wir Ihrer Vorlage zustimmen können. Um ganz ehrlich zu sein: Ich rechne aber nicht damit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. – Bitte.

21.43

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist es, was uns unterscheidet: eine ausgewogene und machbare Politik. Die betreiben wir, und die bringt Erfolg. Und ausgewogene und machbare Gesetze sind es, die Zukunft haben werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Orientierung an dem, was Österreich dient, liegt uns am Herzen. Wenn Kollege Wimmer sagt, dass Sie auf der Seite der Konsumenten sind, dann sagen wir Ihnen: Wir sind auf der Seite aller Österreicher! In diesem Sinne haben wir auch dieses Gesetz vorgeschlagen und entworfen, indem wir im Zuge der Interessenabwägung versucht haben, alle Anliegen darin zu verpacken. (Abg. Schwemlein: Man kann nicht allen Herren dienen!) Ja, das weiß ich, aber man sollte zumindest der Mehrheit dienen.

Das Biozid-Produkte-Gesetz ist nichts anderes als die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die am 14. Mai 1998 beschlossen wurde und in Kraft getreten ist. Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, diese EU-Richtlinie in nationales Recht umzuwandeln. Mit der Biozid-Richtlinie soll das Inverkehrbringen dieser Biozid-Produkte EU-weit geregelt werden. Im Vordergrund stehen die Vereinfachung und Harmonisierung in den Mitgliedstaaten, weil zurzeit sehr unterschiedliche Regelungen bestehen. Dabei soll ein hohes Schutzniveau der Menschen und der Umwelt gewährleistet und gesichert sein.

Wie weit eine europäische Harmonisierung zustande kommt, hängt entscheidend davon ab, ob die Mitgliedstaaten diese Richtlinie gleichartig umsetzen und ob die Behörden sie in gleichem Sinne anwenden. Ziel dieses Biozid-Produkte-Gesetzes ist es, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Biozid-Produkte nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie bei bestimmungsgemäßer Anwendung weder schädigende Auswirkung auf die Gesundheit der Menschen und Tiere noch unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Was sind eigentlich Biozid-Produkte? – Man kann das sehr kurz sagen: Es sind letztendlich alle nicht landwirtschaftlich eingesetzten Schädlingsbekämpfungsmittel. Diese sehr weit ausgelegte Definition wird in einem Verzeichnis von 23 Produktarten konkretisiert. Bei der Zulassung und Registrierung unterscheidet man zwischen Biozid-Produkten mit niedrigem Risikopotential und solchen mit höherem. Jene mit niedrigem Risikopotential brauchen nur registriert zu werden, und jene mit höherem müssen bescheidmäßig zugelassen werden.

Es bestehen ausreichende Übergangsfristen, die Sie nicht einsehen wollen. Aber auch das ist eine Sache, die letztendlich dem Konsumenten entgegenkommt, weil dadurch die Preisniveaus gehalten werden können. Es kann auch nicht sein, dass die Preise steigen und somit die Konsumenten Nachteile haben.

Die Bundesregierung hat sich bemüht, unter Abwägung aller Interessen bei bestmöglichem Schutz der Gesundheit der Menschen und der Tiere sowie der Umwelt ein Gesetz vorzulegen, welches den europäischen Richtlinien entspricht und eine Harmonisierung in den Mitgliedstaaten ermöglicht. Österreich wird mit dieser Beschlussfassung Vorbild für viele andere euro


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 235

päische Mitgliedstaaten sein. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Kollege Heinzl. – Bitte.

21.47

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Der Verwendungszweck von Biozid-Produkten ist die Abschreckung, Zerstörung, sonstige Unschädlichmachung beziehungsweise Verhinderung von Schädlingen in den unterschiedlichsten Gebieten, wie im Veterinärbereich, im Privatbereich oder im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens. Diese Aufzählung zeigt auch, wie notwendig eine Regelung dieses Bereiches ist, da wir alle nahezu täglich mit solchen Produkten in Kontakt kommen.

Das uns vorliegende Bundesgesetz zielt nun darauf ab, durch geeignete Maßnahmen die Voraussetzungen für den Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren und den Schutz der Umwelt vor Gefahren beziehungsweise Risiken zu schaffen.

Dem soll in erster Linie das zukünftige Zulassungs- und Registrierungsverfahren dienen, in dem die Biozid-Produkte, bevor sie auf den Markt gelangen, behördlich bewertet werden. Der vorliegende Entwurf wurde, wie bekannt, großteils bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode ausgearbeitet, und er sollte in seiner ursprünglichen Intention so bald wie möglich in Kraft treten.

Dass diese Absicht, sehr geehrte Damen und Herren, nun nicht mehr besteht, kann nur damit erklärt werden, dass sich die Chemie-Lobby bei den Regierungsparteien gehörig Gehör verschafft hat. Die Forderung der Chemie-Lobby nach einer Verzögerung der Inkraftsetzung der Regelung, gemäß der betroffene Produkte ab sofort nicht mehr verkauft werden dürfen, hat bei der ÖVP und auch bei der FPÖ anscheinend großen Anklang gefunden.

Wir Sozialdemokraten wehren uns gegen diese Vorgangsweise und fordern die Regierungsparteien auf, das Beste für Mensch und Umwelt zu beschließen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Absicht der Richtlinie der EU erinnern: Mensch, Tier und Umwelt sollen vor Biozid-Produkten, die sie beeinträchtigen könnten, geschützt werden.

Hält man sich diesen Grundsatz vor die Augen (Abg. Mag. Schweitzer: Vor Augen!), dann ist es umso unverständlicher, dass die Koalitionspartner dem vorliegenden Gesetz die Zustimmung geben werden. Trotz anerkannter oder erkannter Gefahren diese gefährlichen Produkte auf dem Markt anbieten zu lassen, bedeutet meiner Meinung nach eine bewusste Gefährdung der Menschen und der Umwelt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine wichtige Gesetzesvorlage ist schon seit längerem in Vorbereitung und soll nun beschlossen werden. Zur Änderung des § 44 möchte ich nochmals betonen, dass die schon oftmals angesprochene Fristerstreckung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf klar abzulehnen ist. Den Erstinverkehrsetzern ist ja bekannt, ob ein Wirkstoff ein Altwirkstoff ist, ob er bereits vor dem 14. Mai 2000 in Verkehr war. Sie haben nach dem ursprünglichen Entwurf über ein Jahr Zeit, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass die Fristerstreckung abzulehnen ist, und ich werde deshalb dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht meine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Das wundert mich!)

21.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

21.51

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich habe gar nicht gewusst, was es in Haushalten eigentlich alles an giftigen Produkten gibt. Durch diese Gesetzesvorlage werde ich sozusagen der seiten


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 236

langen Listen von Gefahrenpotentialen kundig, die eigentlich in jedem Haushalt nicht nur schlummern, sondern drohen.

Der Ansatzpunkt meiner Kritik ist der, dass es eigentlich nicht erst einer EU-Initiative hätte bedürfen müssen, damit wir so ein Gesetz beschließen, sondern dass im Prinzip eine aufrechte, zukunftsorientierte, an Nachhaltigkeit und an Vorausblick orientierte KonsumentInnenschutzpolitik schon längst einen nationalen Vorausgang hätte beschließen müssen.

Mir ist klar, dass bei der jetzigen Konstellation eine Umsetzung der EU-Richtlinie mit Fristverlängerungen und mit Abschwächungen versehen wird und dass man zwar das EU-Niveau letztlich erreicht, aber nicht ... (Abg. Mag. Schweitzer: Eine Fristverlängerung im Vergleich zu welchem anderen Land?) Zum Vorschlag, der im Ausschuss eingangs behandelt worden ist, bevor dann die Abänderungsanträge kamen. (Abg. Mag. Schweitzer: Zu welchem anderen Land? – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Sie wissen ganz genau, dass in dem Zeitraum zwischen den Vorschlägen und den Abänderungsanträgen dann die entscheidenden Gespräche stattfanden, die Sie zu einem anderen Ergebnis kommen ließen, die Herrn Abgeordneten Kopf zu einem anderen Ergebnis kommen ließen und die dazu geführt haben, dass uns heute der Entwurf in der von Ihnen entschiedenen Form vorliegt.

Meine VorrednerInnen haben schon darauf hingewiesen, in welche Richtung dann die Entscheidung geht: Es ist die Richtung der Chemieindustrie, es ist die Richtung auch der Produkthersteller, die eben einfach ihre alten Produkte noch loswerden wollen. Ich habe gehört, die Regierung "neu" – und damit sozusagen auch der Konsumentenschutz "neu" – ist vor allem kostenorientiert und an Bürokratieabbau orientiert, und das geht eben dann auf Kosten der Sicherheit. Sie sagen es ja ohnedies ganz ehrlich: Sie sind für geringe Kosten, und Sie sind für wenig Bürokratie. Was Sie nicht ganz ehrlich sagen, ist, dass Sie deswegen auch für geringere Sicherheit sind. Deswegen möchte ich das hier letztlich noch einmal deutlich zu Protokoll geben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Haben wir jetzt den Zustand der geringen Sicherheit? Ist jetzt der Zustand der geringen Sicherheit gegeben? Geben Sie mir eine Antwort! Ist das jetzt so?)

Dieser Zustand der geringen Sicherheit, den Sie bemängeln, dauert eben jetzt etwas länger, weil die Frist länger wird. Das ist ganz einfach. Sie können ja auch zwei und zwei zusammenzählen, nicht wahr? Wenn man 18 Monate mehr hat, dann wird es eben 18 Monate mehr Unsicherheit beziehungsweise nicht so gute KonsumentInneninformation geben. (Abg. Dr. Jarolim: Da muss man aufpassen!)

Das war unser Kritikpunkt, und das war auch der Kritikpunkt von Kollegin Sima. Daran können Sie nicht vorbei, wenn Sie auch noch so oft den Kopf schütteln, Herr Kollege Schweitzer – tut mir Leid!

Ich würde mir schon erwarten, auch von Ihnen, Herr Minister, dass in Zukunft, gerade im Hinblick auf KonsumentInnenschutz, nicht die Türe den Lobbyisten geöffnet wird beziehungsweise dass sie nicht bei irgendeiner Seitentüre hereingelassen werden, sondern dass man wirklich in erster Linie den Schutz der Bevölkerung vor Augen hat, so wie er in der Verfassung steht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

21.55

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dieser Diskussion ganz kurz Stellung nehmen. Ich meine, dass wir mit dem Biozid-Produkte-Gesetz ein umfassendes und wichtiges Umweltschutz- und Konsumentenschutzgesetz vor uns haben, das wir heute beschließen, damit wir zeitgerecht und auch in vernünftiger Zeit die EU-Richtlinie umsetzen können, ein Gesetz, das wichtige Lebensbereiche


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 237

erfasst, in vielen Bereichen tatsächlich auch neue Qualität – neue Regelungs- und neue Sicherheitsqualität – mit sich bringt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aus meiner Sicht zu dieser Diskussion der Übergangsregelungen Stellung nehmen und festhalten: Alle Produkte, die auf dem Markt sind – vor dem 14. Mai auf dem Markt waren und jetzt auf dem Markt sind –, sind bis zu diesem Zeitpunkt nach den geltenden Gesetzen – nach dem Lebensmittelrecht und nach dem Chemikaliengesetz – zugelassen! Ich gehe doch davon aus, dass in der Vollziehung des Lebensmittelgesetzes und des Chemikaliengesetzes schon bisher der Sicherheitsstandard für Umwelt und Konsumenten ernst genommen wurde. (Abg. Mag. Schweitzer: Das denke ich mir wohl auch!)

Zweitens, meine Damen und Herren: Der Übergangsmechanismus führt die Produkte in ein neues und besseres Regime, weil zusätzliche Fragen, wie etwa der Anwendungsbereich, geprüft werden.

Drittens führen wir in der Zwischenzeit für besonders risikoreiche Produkte mit der Meldeverpflichtung ein zusätzliches Sicherheitsniveau ein. Ich würde daher auch bei dieser Debatte darum bitten, die Kirche im Dorf zu lassen, weil wir aus meiner Sicht eine verantwortbare und vernünftige Übergangsregelung geschaffen haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Westenthaler. )

Meine Damen und Herren! Es ist ein gutes Gesetz, das letztendlich auch dem Gedanken der Effizienz im Vollzug Rechnung trägt, ein schlankes Gesetz, das aber ein hohes Sicherheitsniveau bietet und damit aus meiner Sicht vorbildlich für Umwelt- und Konsumentenschutz ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

21.57

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Geschätzte Frau Kollegin Partik-Pablé – ich darf Sie kurz in Ihrem Studium unterbrechen –, Sie haben heute von diesem Platz aus erklärt, dass die Schuld an den Demonstrationen bei der Opposition liegt. Ich glaube, dass die Schuld bei der Arbeit Ihrer Regierung liegt! (Abg. Dr. Martin Graf: Das hat sie nicht gesagt! Sie hat gesagt, die Solidarisierung Ihrer Fraktion wird demonstriert!) Okay. Sie hat zumindest versucht (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim ), zu erklären, dass die Opposition dahintersteht, in welcher Form auch immer.

Schuld ist die Arbeit Ihrer Regierung, Frau Kollegin, weil Sie eben immer wieder versuchen, die Reichen reicher zu machen, und das auf Kosten der Armen.

Ich darf Ihnen einen Vorschlag unterbreiten. Wir haben 33 Milliarden Schilling Steuerrückstände; wir haben – je nach Untersuchung – 50, 100, 150 Milliarden Schilling (Abg. Mag. Schweitzer: Du hast die verkehrte Rede eingepackt!)  – ich komme schon noch zu dir, lieber Kollege Schweitzer! – an Steuerhinterziehung; es gibt etliche Schongänge für Reiche, als deren Folge dem Budget viele Milliarden Schilling abgehen – Stichwort Stiftungen. Ich darf Ihnen vorschlagen, dass Sie versuchen, zuerst einmal diese Gelder einzubringen (Abg. Mag. Kukacka: Wieso hat das der Edlinger nicht gemacht?), und wenn es dann notwendig ist, noch weitere Gelder aufzutreiben, dann sind wir gerne bereit, auch mit Ihnen darüber zu reden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Haben Sie mit dem Edlinger auch so geredet?)

Wenn Sie, wie jetzt, die Schwachen in Österreich – die Arbeiter, die Kranken, die Pensionisten – mit 40 Milliarden Schilling belasten, dann, so meine ich, wäre es nur gerecht, wenn Sie auch die Wirtschaft mit zumindest demselben Betrag belasten würden, anstatt, so wie jetzt, nicht nur die Wirtschaft nicht zu belasten, sondern, ganz im Gegenteil, der Wirtschaft und den Großbauern auch noch 20 Milliarden Schilling zukommen zu lassen. (Abg. Dr. Puttinger: 19. Jahrhundert!) Das ist doch eine Situation, die dazu führt, dass Menschen auf die Straße gehen. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 238

Wenn Sie aufhören mit Ihrem Klassenkampf, wenn Sie mehr soziale Gerechtigkeit in Ihr System einbringen, dann wird auch die Sozialdemokratie Ansprechpartner für Sie sein können! (Beifall bei der SPÖ.)

In aller Kürze zum vorliegenden Biozid-Produkte-Gesetz: Meine Kollegen Vorredner haben das Gesetz inhaltlich bereits erklärt. Ich darf noch einmal wiederholen, dass die Grundintention auch für uns in Ordnung ist und dass wir dem zustimmen könnten, dass aber die Anträge von Schwarz und Blau diese gute Absicht des Gesetzes konterkarieren und untergraben.

Es ist eindeutig erkennbar, dass sich die Wirtschaft einmal mehr durchgesetzt hat. Es kann eben die ÖVP mit ihrem Umverteilungsweg nicht Schluss machen. (Abg. Dr. Puttinger: Wir brauchen überhaupt keine Wirtschaft! Schaffen wir die Wirtschaft ab! Sind Sie damit einverstanden?) Da ist Ihnen jedes Mittel recht, Herr Kollege Puttinger, auch wenn es auf Kosten der Umwelt geht und auch wenn es auf Kosten der Gesundheit der Konsumenten geht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Wir schaffen die Wirtschaft ab! Sind Sie damit einverstanden?) Nein, auch wir haben Verständnis für die Wirtschaft. Aber Sie dürfen die Wirtschaft nicht auf Kosten der kleinen Leute in diesem Lande bedienen. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Schweitzer! Es ist wirklich interessant, dass für euch plötzlich auch die Kosten ein Kriterium sind. Wir haben aus eurem Munde nie etwas von den Kosten gehört. Der wahre Grund für diese Entscheidung sind nicht die Kosten, lieber Kollege Schweitzer! (Abg. Mag. Schweitzer : Das geht nur zu Lasten ...!) Der wahre Grund ist, dass euch Herr Klubobmann Khol vorgibt, wie ihr euch zu verhalten habt. Er hat euch einmal mehr über den Tisch gezogen! Da ist es nicht verwunderlich, wenn dein Klubobmann in der Öffentlichkeit zugeben muss, dass alles Schlechte euch trifft. Ihr müsst euch nur durchsetzen, dann geht es euch vielleicht ein bisschen besser! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Mach dir keine Sorgen! Kümmere dich um deine Schulden! Die Millionen ...!)

Wir Sozialdemokraten treten dafür ein, diese Gesetzeslücke sehr rasch zu schließen – aber nicht auf Kosten der Umwelt und nicht auf Kosten der Gesundheit unserer Menschen! Daher werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 121 der Beilagen.

Es liegt ein Abänderungsantrag der Frau Abgeordneten Mag. Sima vor.

Ich lasse zuerst über den Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Frau Abgeordnete Sima hat einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 46 Abs. 2, den Entfall des § 46 Abs. 3 sowie die dadurch bedingten Änderungen der Absatzbezeichnungen bezieht.

Ich darf bitten, dass die Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, ein Zeichen geben. – Das ist nicht die Mehrheit. Der Antrag ist daher abgelehnt. (Abg. Dr. Khol: Gusenbauer hat gefehlt!)

Wir kommen folglich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 239

Ich darf bitten, dass jene Mitglieder des Hauses, die dem Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes zustimmen, ein Zeichen geben. – Ich stelle fest, dass dies mit Mehrheit in zweiter Lesung beschlossen ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

14. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (50 der Beilagen): Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal (128 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (56 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen Zentrum für Migrationspolitikentwicklung (ICMPD) über den Amtssitz des Internationalen Zentrums für Migrationspolitikentwicklung samt Annex (129 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (79 der Beilagen): Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit samt Anhängen und Schlussakte (130 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (63 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft samt Anhang (131 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (75 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend den Militärdienst der Doppelbürger samt Anhang (132 der Beilagen)

19. Punkt

Regierungsvorlage: Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Haschemitischen Königreich Jordanien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte (85 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nun gelangen wir zu den Punkten 14 bis 19 der heutigen Tagesordnung. Die Debatte wird unter einem durchgeführt.

Bei der Regierungsvorlage in 85 der Beilagen wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung auf eine Ausschussvorberatung verzichtet.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 240

Zu einer der Vorlagen wünscht Herr Abgeordneter Bruckmann in seiner Eigenschaft als Berichterstatter das Wort. Ich erteile es ihm.

Berichterstatter Dr. Gerhart Bruckmann: Herr Präsident! Hohes Haus! Als Berichterstatter zum Tagesordnungspunkt 16 erlaube ich mir, eine Druckfehlerberichtigung vorzubringen, und zwar zum schriftlich vorliegenden Ausschussbericht 130 der Beilagen.

Punkt 1 des Ausschussantrags hat richtig zu lauten:

1. Der Abschluss des Staatesvertrages: Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit samt Anhängen und Schlussakte (79 der Beilagen), dessen Artikel 10 Abs. 2 dritter Satz, Artikel 14 Abs. 1 und 2, Artikel 16 Abs. 2 sowie Artikel 18 verfassungsändernd sind, wird genehmigt.

Vielen Dank, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Berichterstatter für die Druckfehlerberichtigung, die bei der Abstimmung ebenfalls berücksichtigt werden wird.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Die Uhr ist auf eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.06

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen, Herr Minister, dafür danken, dass Sie sich der verwaisten Regierungsbank angenommen haben. Es wäre nämlich bei diesen Punkten zu außenpolitischen Fragen sowie angesichts der Beschlüsse der Regierung und der Reise der Frau Außenministerin angebracht gewesen, sie hätte zu diesen Fragen hier im Parlament Stellung bezogen.

Selbstverständlich werden wir nicht verlangen, dass sie hierher kommen muss. Wir werden uns doch nicht vorhalten lassen, dass dadurch vielleicht der Erfolg ihrer Reise gefährdet wird. Aber der morgigen Ausgabe des "Kurier" entnehme ich, dass sie diese Reisen als Privatperson unternimmt. Ich weiß nicht, ob das ein Hinweis für das Bundesrechenamt ist, dass sie sie privat zahlt, oder ein Hinweis darauf, dass sie nicht dienstlich dort ist. Aber wenn sie nicht dienstlich dort ist, dann wäre es ihre Pflicht gewesen, heute hier vor dem Parlament zu erscheinen und diese Punkte zu vertreten, anstatt sich durch Sie, Herr Minister – gegen den ich überhaupt nichts habe –, vertreten zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Privatperson hätte sie besser hierher kommen sollen. (Abg. Mag. Mainoni: Sie waren gestern auch nicht da!) Ja, aber ich war dienstlich in Portugal bei der Sitzung der Vorsitzenden der Außenpolitischen Ausschüsse. Ich hätte auch kein Wort gesagt, wäre sie als Außenministerin dienstlich unterwegs. Aber ich habe der Zeitung entnommen, dass sie selbst sagt, dass sie als Privatperson herumfährt. (Abg. Neudeck: Das ist ja der morgige "Kurier", nicht der heutige!) Wissen Sie, dass auf allen Zeitungen vom Abend immer das Datum des nächsten Tages draufsteht? – Vielleicht haben Sie jetzt etwas fürs Leben gelernt, Herr Kollege! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Auf jeden Fall wäre es gut gewesen, die Frau Minister fragen zu können, wie sie zu all den Dingen steht: was sie dort vorbringen wird; ob es nicht gescheiter wäre, dies mit den Fraktionen dieses Hauses abzustimmen; wie der Vorstoß von Schüssel – der Regierungsbeschluss – zu verstehen ist; wie die Reaktionen der EU, die heute erfolgt sind und die nicht gut sind, zu verstehen sind und ob es nicht vielleicht doch gescheiter gewesen wäre, diesen Vorstoß nicht als Privatperson, sondern in einer anderen Form zu unternehmen. Aber vielleicht ist sie übermorgen zur Sitzung des Unterausschusses schon zurück, dann können wir vielleicht mit ihr darüber sprechen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 241

Herr Bundesminister! Vielleicht wollen Sie in Vertretung zu diesen wichtigen Fragen einiges sagen. Vielleicht könnten Sie uns bei dieser Gelegenheit auch sagen, wie ihre Reise als OSZE-Vorsitzende zu verstehen ist, die sicher als Regierungsvertreterin und als Vorsitzende der OSZE von einer gewissen Bedeutung war, die vielleicht auch diplomatisch richtig war, die aber wieder eines unterlassen hat: bei all den Kontakten zu Staatsoberhäuptern aus OSZE-Ländern, in denen es Probleme zwischen den Parlamenten und den Regierungschefs oder Präsidenten gibt, auch die parlamentarische Dimension anzusprechen!

Als OSZE-Vorsitzende hätte sie die Aufgabe, auch die parlamentarische Seite – vor allem dann, wenn es Streit mit den Präsidenten in diesen Staaten gibt – mit zu vertreten. Es wäre an sie die Frage zu richten gewesen: Warum hat sie das während ihres OSZE-Vorsitzes nicht getan? – Aber vielleicht wird später noch eine Möglichkeit bestehen, dass wir sie hiezu befragen.

Als Drittes wäre es interessant gewesen, mit ihr auch hier darüber zu sprechen – das haben wir im Ausschuss schon in gewissem Ausmaß getan –, wie sich die einzelnen Minister im Ministerkomitee des Europarates verhalten haben und ob es wirklich gut war, wie sich das Ministerkomitee hinsichtlich der Frage Russland und Tschetschenien verhalten hat. Es ist Generalsekretär Schwimmer dafür zu danken, dass er in einem Zeitungsartikel diesbezüglich gewisse Klarstellungen getroffen hat.

Aber wir müssten unsere Ministerin fragen können, ob es richtig ist, dass nicht einmal den nationalen Parlamenten darüber Auskunft gegeben wird, was sich im Ministerkomitee abgespielt hat, weil alle Minister vereinbart haben, den Parlamenten darüber nichts zu sagen. Ob das wirklich die Gesinnung dieses neuen Jahrtausends im Verhältnis zwischen Regierungen und Parlamenten ist, das wage ich zu bezweifeln! Da hätte ich die Ministerin gerne gefragt, wie ihre Haltung dazu ist. Aber vielleicht werden Sie, Herr Minister, ein paar Worte zu dieser Frage sagen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Mein vierter und letzter Punkt wäre einer der jetzigen Tagesordnungspunkte gewesen, nämlich das Abkommen mit der Schweiz. Dazu hätte ich folgende simple Frage gehabt. Das Abkommen war schon in der vergangenen Gesetzgebungsperiode im Haus, wurde hier aber nicht mehr behandelt. Es war schlicht und einfach noch einmal neu einzubringen. Zwar hat es nicht viele Menschen betroffen, ein paar aber doch, die in der Schweiz und in Österreich – in beiden Ländern! – Militärdienst leisten mussten, weil es diesbezüglich kein Abkommen gibt.

Einen entsprechenden Antrag hätte man nach der Neuwahl sofort wieder einbringen können. Es hat bis April gedauert, bis das Ministerium in der Lage war, diese Angelegenheit im Wege der Regierung wieder in das Parlament zu bringen. Dann hat es noch einmal einen Monat gedauert, weil weitere Exemplare gedruckt werden mussten, da das Ministerium die Exemplare nicht in entsprechender Anzahl in das Parlament gebracht hatte.

Daher wäre die Frage zu stellen gewesen, ob das nicht auch in kleinen Dingen ein bisschen zu organisieren wäre, auch wenn es nur die Schicksale weniger Menschen betrifft. Man soll diese ernst nehmen. Da hat man die Angst: Wo es im Kleinen nicht funktioniert, könnte es auch im Großen Mängel geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Er hat das Wort.

22.13

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte auf die Ausführungen meines Vorredners nur mit wenigen Sätzen eingehen.

Ich denke, wir hatten im letzten Außenpolitischen Ausschuss wirklich hinreichend Gelegenheit, mit der Frau Bundesminister zu diskutieren. Sie hat uns auch im letzten Ausschuss fundiert und fachkundig wie immer Auskunft gegeben. Meiner Ansicht nach war es auch in der Vergangenheit nicht üblich, dass die Regierungsmitglieder immer der Opposition Rede und Antwort ge


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 242

standen haben. Es gibt so etwas wie wichtige Auslandsreisen, und zu dieser Kategorie ist meiner Meinung nach auch die Reise der Frau Bundesminister zu zählen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlagen, die heute unter den Tagesordnungspunkten 17 bis 21 beraten werden, haben, wie wir alle wissen, im Außenpolitischen Ausschuss eine breite Mehrheit gefunden. Von besonderer Bedeutung ist für uns Österreicher das Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen bei Friedenseinsätzen.

Die zunehmenden Angriffe auf UN-Blauhelme in der vergangenen Zeit geben Anlass zu ernster Besorgnis und machen einen verstärkten Schutz dieses Personals notwendig. Die Zahlen sprechen für sich. Seit 1960 sind 33 österreichische Soldaten im Friedenseinsatz getötet worden. Besonders spektakulär war die Ermordung von zwei österreichischen UN-Soldaten am 30. Mai 1997 im Nahen Osten – ein Kriminalfall, der bis heute nicht aufgeklärt worden ist.

Zurzeit stehen österreichische Kontingente in Zypern und auf dem Golan. Wir haben also allen Grund, alles zu unternehmen, was den Schutz unserer Landsleute erhöht. Das Abkommen, das wirklich sehr zu begrüßen ist, sieht unter anderem die Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten, die gegen das Personal der Vereinten Nationen verübt werden, und die Verpflichtung zur Auslieferung der Täter vor.

Der Nationalrat wird heute auch seine Zustimmung zu einem zweiten Abkommen geben, das eine Annäherung der Schweiz an die Europäische Union vorsieht. Das entsprechende Abkommen betrifft die Personenfreizügigkeit und ist Teil eines aus sieben Verträgen bestehenden Vertragspaketes.

Wie man sieht, ziehen das Schweizer Staatsvolk und seine Regierung bilaterale Verträge zur Sicherung seiner berechtigten Interessen einem raschen EU-Beitritt auch weiterhin vor. Interessant ist, dass das Abkommen einen Übergangsmechanismus enthält, für den es in keinem anderen Abkommen der Gemeinschaft eine Parallele gibt. Grundsätzlich ist nach fünf Jahren ab Inkrafttreten die volle Personenfreizügigkeit vorgesehen.

Allerdings kann die Schweiz einseitig – ich betone: einseitig  – wieder Kontingente für jeweils zwei Jahre einführen, falls es zu einer starken Zuwanderung kommt. Man sieht, dass die Schweiz konsequent ihren Standpunkt vertreten hat und durchaus auch Sonderregelungen zu ihren Gunsten erreichen konnte. Ich meine, dass das für Österreich ein Vorbild sein könnte, wenn ich in diesem Zusammenhang etwa an die bevorstehende EU-Osterweiterung denke.

Der dritte und letzte Punkt, den ich erwähnen möchte, ist ein Vertrag, der im Außenpolitischen Ausschuss nicht vorberaten wurde. Es ist das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Haschemitischen Königreich Jordanien, das durch Österreich ratifiziert werden soll. Ähnliche Verträge gibt es bereits mit den anderen Mittelmeerstaaten Türkei, Malta, Zypern, Israel, Tunesien und Marokko. Ziel dieser Abkommen ist es, einen Rahmen für einen bilateralen politischen Dialog zu schaffen sowie die Ausweitung des Handels und der Investitionen zu fördern. Die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem und finanziellem Gebiet soll vertieft werden.

Ich denke, dass es durchaus im österreichischen Interesse ist, einen Beitrag zur Stabilität im Nahen Osten zu leisten. Die Freiheitliche Partei wird deshalb allen genannten Verträgen zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Matthias Ellmauer. – Bitte.

22.18

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schieder! Sie haben moniert, dass die Außenmi


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 243

nisterin heute nicht hier ist. Sie sollte uns hier Rede und Antwort stehen. Sie entnehmen dem "Kurier", dass sie eine private Reise ins Ausland unternimmt.

Ich sage Ihnen: Unsere Ministerin unternimmt deshalb eine Reise ins Ausland, weil sie alles versucht, um die ungerechtfertigten Sanktionen der EU-14 wegzubringen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich lese Ihnen auszugsweise einen Bericht der EVP vor. Nach dem positiven EVP-Bericht will sich die Bundesregierung erneut bei den EU-Partnern um ein Ende der Sanktionen bemühen. Auszugsweise daraus: Wir verurteilen die Haltung der SPÖ, die einerseits im österreichischen Parlament eine sehr viel härtere Haltung der Regierung gegenüber den von den anderen 14 Mitgliedstaaten verhängten Sanktionen fordert und gleichzeitig Druck auf die anderen sozialdemokratischen Parteien, die Mitglieder der Sozialistischen Internationale in Europa sind, ausübt, an den Sanktionen festzuhalten.

Vielleicht beweist das, wie wichtig es ist, dass unsere Ministerin im Ausland ist und sich bemüht, die Sanktionen wegzubringen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur kurz auf die Tagesordnung eingehen. Da Sie etwas wegen des OSZE-Vorsitzes gesagt haben, Herr Kollege Schieder: Dieser steht nicht auf der Tagesordnung. Im letzten Ausschuss ist die Ministerin klar Rede und Antwort gestanden.

Die Zeit ist schon ziemlich weit vorgeschritten. Ich werde daher meine Ausführungen kurz halten und nur auf das Abkommen eingehen, das die Schweizerische Eidgenossenschaft jetzt mit der Europäischen Union geschlossen hat und worüber es in der Schweiz eine Volksabstimmung gegeben hat. Bei dieser Volksabstimmung haben 67,2 Prozent der Schweizer diesem Abkommen zugestimmt.

Das beweist – und so sieht es auch die Kommission der Europäischen Union –, dass die Schweizer den Willen, die Beziehung mit der EU zu entwickeln und zu festigen, vorantreiben. Ich denke, dass diese positive Abstimmung tatsächlich ein gutes Zeichen im Hinblick auf eine noch engere Anbindung der Eidgenossenschaft an die Europäische Union ist. Nach dem Inkrafttreten des Abkommens ist mit einer positiven Auswirkung auf die Beschäftigung und auch auf den Wirtschaftsstandort Österreich zu rechnen.

Die Verträge – das hat das Ergebnis der Abstimmung gezeigt – sind auch nach dem Geschmack der Schweizer. Sie bringen für die Eidgenossenschaft große wirtschaftliche Vorteile und positive Auswirkungen auf das tägliche Leben der Schweizer Bürger.

Mit einem Blick auf die Auswirkungen auf Österreich muss man insbesondere die positiven Aspekte für die Bundesländer Tirol und Vorarlberg erwähnen. Diese haben großes Interesse an einer Annäherung der Schweiz an die Europäische Union. Die Schweiz ist nach Deutschland der zweitgrößte Handelspartner Vorarlbergs. Jährlich werden dorthin Waren und Güter im Wert von mehr als 8 Milliarden Schilling exportiert. Die bilateralen Verträge sind also als Erleichterung der nachbarschaftlichen Beziehungen zu sehen.

Zweitens möchte ich abschließend noch kurz auf das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend den Militärdienst der Doppelbürger eingehen.

Ziel des Abkommens ist die Vermeidung einer doppelten Militärdienstpflicht. Geschätzte 40 000 bis 50 000 Bürger haben eine doppelte Staatsbürgerschaft, nämlich jene Österreichs und der Schweiz. Das Abkommen hat den Inhalt, dass sich die Militärdienst- beziehungsweise Zivildienstpflicht von Doppelstaatsbürgern auf einen der beiden Vertragsstaaten beschränkt. Es wird eine grundsätzliche Anknüpfung an den Hauptwohnsitz des Doppelstaatsbürgers bestehen (demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Khol ), und es werden verschiedene Wahlmöglichkeiten betreffend die Erfüllung der Militärdienstpflicht in einem der beiden Staaten eingeräumt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 244

Das ist eine Forderung dieser Doppelstaatsbürger, die schon lange besteht. In der letzten Legislaturperiode ist das leider nicht mehr durchgegangen. Wir haben es jetzt gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode gemacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Er hat das Wort. (Ruf bei der ÖVP: Oje!)

22.23

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landwirtschaftsminister vertritt die Außenpolitik, die Außenministerin irrt durch Westeuropa und versucht, in Talkshows unterzukommen (Ruf bei der ÖVP: Sie vertritt die Interessen Österreichs!)  – mit einem gewissen Erfolg –, und einer der Vorredner erklärt, es werde alles unternommen – man beachte die Formulierung! –, um die Sanktionen "wegzubringen". Damit sind wir bereits wieder im agrarischen Bereich – als ob es sich um Dünger oder Ähnliches handeln würde –: Wir geben die Sanktionen auf den Wagen und bringen sie einfach weg. (Ruf bei der ÖVP: Ihre semantischen Verrenkungen können Sie sich sparen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wissen Sie eigentlich, was Sie Ihrer armen Außenministerin angetan haben? (Abg. Dr. Leiner: Mei, das Mitleid, das du hast!)  – Sie hat sich wirklich bemüht, rund um Madeira einen Schüssel-Vorschlag zu verwirklichen (Abg. Großruck: Nicht in Madeira! Die Azoren waren das!), nämlich den Vorschlag (Abg. Großruck: Azoren! Nicht Madeira!), man möge die so genannten Sanktionen – ich werde noch darauf zurückkommen, warum das eigentlich keine Sanktionen sind, sondern eine ganz natürliche Quarantäne ist – durch Instrumente der Beobachtung ersetzen. (Abg. Neudeck: Anti-Pilz-Quarantäne!)

Die Frau Außenminister hat sich auf ein Wort des Bundeskanzlers gegen Ende März verlassen, einen Appell an die Europäische Union, ein Monitoring-System einzuführen. Sie hat es ernsthaft verhandelt, und als es damals beim Treffen der Außenminister soweit war, hat sie bei ihrer Rückkehr nach Wien nach der Verkündung des Azoren-Hochs festgestellt (Abg. Neudeck: Das Thema verfehlt!): Der Bundeskanzler wünscht kein Azoren-Hoch, er wünscht ein Sanktions-Tief! Er hat größtes Interesse daran, dass die Sanktionen beibehalten werden. Das ist der Kernpunkt.

Da geht es nicht um Wegbringen, da geht es nicht um Auflösen, da geht es nicht um Wegverhandeln, sondern da geht es längst um Sanktionen der Fünfzehn, aber nicht der Vierzehn: einen Sanktions-Bettler in Form des Bundeskanzlers und Vierzehn, die sich immer mehr überlegen, ob es nicht doch irgendeine Möglichkeit gäbe, Österreich aus dieser Selbstisolation herauszuhelfen.

Meine Damen und Herren! Das ist die Situation, in der wir uns längst befinden: Nicht Europa isoliert uns, sondern die österreichische Bundesregierung isoliert Österreich in Europa! Das hat rein innenpolitische Gründe. (Beifall bei den Grünen.) Das Einzige, was ich dabei nicht verstehe (Abg. Dr. Grollitsch: Sie verstehen alles nicht, Herr!), ist, dass eine ehemalige Europa-Partei wie die Österreichische Volkspartei sich dazu hergibt, die Anti-Europa-Reflexe der Freiheitlichen Partei zur innenpolitischen Maxime ihrer Politik zu machen. Das ist das wirkliche Problem! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, Herr Dr. Khol, Herr Spindelegger – und wie die Außenpolitiker Ihrer Fraktion alle heißen mögen –, Sie haben noch gar nicht verstanden, in welchem Maße Sie außenpolitisch "verhaidert" sind. (Ruf bei der ÖVP: Er weiß nicht, was er sagt! – Abg. Dr. Leiner: Leider schon!) Ich habe heute mit einem Journalisten des griechischen Fernsehens hier im Hause gesprochen ... (Abg. Mag. Schweitzer: Schon wieder mit einem Griechen? – Abg. Neudeck: Sie haben Glück gehabt, dass Sie nicht ...! – Abg. Mag. Trattner: Was werden Sie da wohl gesagt haben? Da kann nichts Gescheites herauskommen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 245

Ach, Kollege Schweitzer, ich glaube, der einzige Grieche, den Sie kennen, ist der Kamerad Tzatziki. Mit dem können Sie durchaus Dialoge führen. Das ist einer der wenigen, die Ihnen rhetorisch wirklich gewachsen sind. (Heiterkeit des Abg. Dr. Jarolim. ) Reden Sie weiter mit Tzatziki – wir reden weiter mit dem Rest Griechenlands! (Abg. Dr. Cap: Mit oder ohne Knoblauch? – Heiterkeit.) Da ist jede Würze vergebens. Immer wenn der Schweitzer aus dem Pusztabrunnen auftaucht, dann entwickelt sich Linie in der Außenpolitik der Bundesregierung. Das agrarische Element ist nicht zu verkennen.

Meine Damen und Herren! Überlegen Sie sich einmal – manche von Ihnen werden es vielleicht ab und zu getan haben –, wie das Ganze weitergehen soll. Sie haben sich außenpolitisch in eine Sackgasse hineingeritten. Es ist doch keine Selbstverständlichkeit, dass eine Außenministerin kreuz und quer durch Westeuropa fährt, nicht einmal mehr von der dritten Garnitur der Diplomatie empfangen wird und das Treffen mit Mumien der europäischen Politik das Beste ist, was gerade noch erzielbar ist. (Abg. Fischl: Jetzt ist es aber dann genug! Sie können ja nur beleidigen!)

Ein Gipfel der österreichischen Bundesregierung mit Maggie Thatcher – das sind die Zukunftsperspektiven der österreichischen Außenpolitik! (Heiterkeit des Redners. – Abg. Mag. Trattner: Sie sind ein Kasperl!) Wen wollen Sie noch alles aus dem Pensionistenheim der europäischen Politik hervorzerren? Welche längst vergessenen Politiker der letzten drei Jahrzehnte werden Sie außerdem bemühen, um noch irgendwem die Hand schütteln zu können? Dämmert Ihnen nicht schon langsam, dass diese Regierung und insbesondere dieser Bundeskanzler derart viel an persönlichem und moralischem Ansehen verspielt haben, dass es langsam wirklich keinen Gesprächspartner in dieser Europäischen Union mehr gibt?

Jetzt ein Letztes dazu: Überlegen Sie sich – Sie überlegen es sich wahrscheinlich ohnehin nicht –, wie diese Eskalationsstrategie weitergehen soll! Die Europäische Union hat Ihnen eine Tür geöffnet und hat Ihnen signalisiert: Okay, ersetzen wir die Quarantäne durch ein Monitoring; das wäre eine Chance, vor Beginn der französischen Präsidentschaft wieder so etwas wie einen Dialog innerhalb der Europäischen Union zu beginnen.

Sie wollen das nicht, weil die Sanktionen Ihr einziges politisches Kapital sind! Aber wie soll das jetzt weitergehen? – Jörg Haider diktiert Ihnen für den Herbst eine Volksbefragung. Eine Minderheit der österreichischen Bevölkerung wird sich an dieser Volksbefragung beteiligen. Eine Mehrheit dieser Minderheit wird mit einem doppelten Ja stimmen, und am Abend dieser Volksbefragung werden Sie mit einem Minderheitsvotum der österreichischen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dastehen. Und was dann?

Das ist Ihnen offensichtlich völlig egal, weil es Ihnen überhaupt nicht mehr um Europa und europäische Integration geht, sondern weil es Ihnen nur mehr darum geht, den Führerbunker beziehungsweise den Bundeskanzlerbunker in Wien so zu bauen, dass Sie den außenpolitischen Schaden so weit maximieren, dass Sie noch möglichst viel innenpolitischen Nutzen daraus ziehen können!

Herr Dr. Khol! Sie waren einmal so etwas wie ein Europapolitiker. (Abg. Gaál: Das ist schon lange her!) Inzwischen sind Sie nicht mehr viel anders als einer der vielen in Ihrer Partei und in der Freiheitlichen Partei, die an diesem Bunker mitbauen. Irgendwann werden auch Sie vor der Notwendigkeit stehen, eine politische Bilanz dieser Bunkerbautätigkeit zu ziehen. Österreich ist heute nicht isoliert, das ist völliger Unsinn, und Österreich ist auch nicht durch Sanktionen betroffen. Der Tourismus boomt. Es hat nie so viele Auslandsinvestitionen in Österreich gegeben wie gerade in den letzten Monaten. Sie mögen das als ein Verdienst der jetzigen Bundesregierung bezeichnen, aber das ist eigentlich völlig egal.

Österreich ist nicht isoliert. Die Bundesregierung steht unter Quarantäne. Aber wenn Sie weiter eskalieren und wenn Sie die Chance, die Quarantäne durch ein Monitoring zu ersetzen, jetzt leichtfertig ausschlagen, dann werden Sie mit Sicherheit Monat für Monat stärker in Richtung wirkliche Isolierung Österreichs hintreiben. Es kann sein, dass es im Herbst so weit sein und es Ihnen gelungen sein wird, die Republik Österreich wirklich zu isolieren!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 246

Dann werden Sie politisch wirklich etwas erreicht haben, und Ihre zufriedenen Gesichter zeigen mir, dass diese außenpolitische Aussprache durchaus Sinn gehabt hat. (Abg. Fischl: Simpler geht es wohl nicht mehr! – Abg. Haigermoser: Peter, gib endlich Ruhe!) Der Teil dieses Nationalrates, der über internationale Politik, europäische Einigung und einige außenpolitische Ziele dieser Republik überhaupt noch nachdenkfähig ist, hat das durchaus ernsthaft diskutiert. Herr Haigermoser war bereits am Nachmittag dran. Du wirst deine Sakkos schon irgendwo anbringen! (Abg. Haigermoser: Peter, setz dich endlich nieder!) In der Europäischen Union sind Sakkos deines Zuschnitts nicht gefragt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Er hat das Wort.

22.34

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bewundere die Selbstsicherheit der beiden Regierungsfraktionen in den letzten beiden Tagen. Ich weiß nicht, worauf diese basiert. Mir kommen Sie vor wie eine Pfadfindertruppe, die vor lauter Angst im dunklen Wald laut pfeift und singt und bei der alle versuchen, sich gegenseitig Mut zuzusprechen. (Abg. Haigermoser: Was ist brutaler: Peter Pilz oder Cap?) Aber während des Pfeifens und Singens hört man zunehmend auch das laute Heulen der FPÖler, welchen die Umfrageergebnisse immer mehr bewusst werden, seitdem sie in der Regierung sind!

Dass Sie sich Mut zusingen und zupfeifen müssen, verstehe ich! Sie werden noch lauter pfeifen und lauter singen! Ich glaube aber, es wird Ihnen aber nichts helfen, denn Ihre Politik ist die Politik, die Sie machen. Für die müssen Sie sich verantworten, und die Bevölkerung registriert das jetzt zumindest bei der FPÖ, und bei der ÖVP wird dieser Zeitpunkt auch noch kommen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Der Wald wird immer dunkler und dunkler werden, und Ihre Angst wird immer größer und größer werden. Es wird keine Lichtung sein, und es wird Ihnen dabei in Wirklichkeit niemand helfen. Vielleicht gibt es hin und wieder ein kleines grünes Manderl hinter der Hecke, das hervorspringt und glaubt, damit die Angst besiegen zu können. (Abg. Haigermoser: Dann springt das Casperl aus dem Busch, und wir haben Angst!)

Wir führen hier jetzt eine außenpolitische Debatte, und wenn wir schon die Gelegenheit dazu haben, dann möchte ich auf etwas noch näher eingehen: Mein Vorredner hat gefragt, wann endlich das Monitoring und die Beobachtung kommen. – Ich habe heute mit großem Interesse die "Vernadererpresse", die "linken Kampfblätter", nämlich die "Salzburger Nachrichten" und "Presse" gelesen. Da muss man gar nicht lange blättern. Schon auf der ersten Seite der "Salzburger Nachrichten" sieht man den für die ÖVP erlösenden Titel: "Bloß keine Beobachtung durch die EU!" – Ich denke mir: Ein linientreuer Kommentar auf der ersten Seite! Dann lese ich nach und stelle fest, dass der Text wirklich interessant ist. – Verzeihen Sie mir daher, wenn ich jetzt daraus zitiere.

Schüssel wird attestiert, dass er Recht hat, dass er das fordert, und es bitter wäre, wenn die EU wirklich eine Beobachtung in Österreich vornähme. Dann ist da zu lesen, was in dem Bericht der EU stehen würde:

"Im Bericht wäre von einem freiheitlichen Landesparteichef die Rede, der auf dem Parteitag SS-Sprüche klopft und dafür den Applaus zahlreicher Delegierter erntet. Es wäre die Rede von einem Bundeskanzler, der diese Vorgänge mit einem Schulterzucken abtut. Es wäre die Rede von einer Vizekanzlerin, die durch Unwissenheit glänzt und den inkriminierten Spruch nicht gekannt haben will. Der Bericht würde abgerundet durch folgende Schlagzeile der deutschen Nachrichtenagentur, die am Dienstag wohl auf das Staunen Europas stieß: ,SS-Spruch hat für FPÖ-Politiker keine Folgen.‘

Der Bericht enthielte weiters die Tatsache, dass ein freiheitlicher Bundesrat die Entschädigungszahlungen an die SS-Zwangsarbeiter als ,Schutzgeld‘ bezeichnet hat, womit er die NS-Überlebenden als Angehörige einer mafiösen Organisation beleidigte. Der Bericht enthielte wohl auch die gestrige Schlagzeile der Austria Presse Agentur: ,NS-Zwangsarbeiter: Kärnten vorerst zu keinen Zahlungen bereit.‘


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 247

Kurzum: Gäbe es eine EU-Beobachtergruppe zur Bewertung der politischen Lage in Österreich, würde ihr Bericht alle Urteile und Vorurteile untermauern, die sich Europa und die Welt über die österreichische Bundesregierung zurechtgelegt hat. Wobei man hinzufügen muss: Maßgebliche Teile der Regierungsparteien tragen nach Kräften zu diesen Urteilen und Vorurteilen bei."

Das steht nicht in der "Vernadererpresse", sondern in den "Salzburger Nachrichten". Das sollte Sie doch eigentlich nachdenklich machen! Ich sehe es an Ihren Gesichtern: Ihr Kopf wird schon schwer, Sie müssen ihn schon abstützen. Das Denken strengt an. Aber es ist klar, dass das, was da vor sich geht, natürlich zu Nachdenklichkeit anregen muss.

Zu Herrn Windholz oder Windbolz, den Sie gerade gewählt haben, und seinem Ausspruch: "Unsere Ehre heißt Treue." – Dazu lese ich heute im "News": "FP-Windholz: Treue Kameraden. Ein enger Mitstreiter von Ernest Windholz war SS-Mann." – Dieser Chauffeur und er sind im Wahlkampf gemeinsam 12 500 Kilometer gefahren. Angeblich wurde dabei aber kein einziger Satz über die SS und die Vergangenheit gewechselt.

Können Sie auf Grund des Zufallsprinzips berechnen, welch unglaublicher Zufall es sein muss, dass jemand in der Abschiedsphase auf einem Parteitag zufällig den Leitspruch der SS sagt und sich gar nicht erinnern kann, dass das der Leitspruch der SS war? Das ist einfach allgemeiner Sprachgebrauch dort! Die Quelle ist gar nicht mehr wichtig, dieser Spruch hat Eingang gefunden!

Wen hat er übrigens gemeint, wenn er gesagt hat: "Unsere Ehre heißt Treue!"? Wem gegenüber hat er denn das gesagt? Wer kommt da plötzlich in die Rolle, dass er zu einer Führerfigur stilisiert wird? Die Vizekanzlerin mit ihrem unglaublichen Bildungsgrad kann sich auch an nichts erinnern! Anscheinend sind dort lauter Erinnerungslose herumgelaufen! Mölzer kritisiert das sogar heute in der "Kronen Zeitung" und sagt: Hätten wir nur Bildungsarbeit geleistet! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Er kritisiert das und sagt: Hätten wir das nur getan! Dann wäre wenigstens bewusst gesagt worden: Unsere Ehre heißt Treue! Dann hätte Windholz oder Windbolz wenigstens sagen können: Na klar! Das war ein SS-Spruch. Schlecht? Der Spruch war doch gar nicht so übel, das hat doch zusammengeschweißt! Da hat man zusammengehalten! Da haben diese Begriffe noch Sinn gehabt!

Jörg Haider hat einmal gesagt, dass man zu etwas Manns genug sein soll. Ich will ihn jetzt zitieren, er wird ohnedies viel zu viel zitiert. Aber manchmal sagt er doch etwas Interessantes und Richtiges. Dazu sage ich jetzt: Wäre Windholz oder Windbolz Manns genug gewesen, dann hätte er sich gesagt: Klar weiß ich, was das für ein Spruch ist. Na und? – Das scheint ja die Gesinnung dort zu sein, dass man sagt: Na und?!

Da kann man zwei Plenartage doch nicht vorbeigehen lassen, ohne dazu Stellung zu nehmen. Daher habe ich auch mit Interesse einen Artikel auf Seite 1 der "Presse" – "Vernadererpresse" wahrscheinlich in Ihrer Diktion – verfolgt: Da lautet der Titel überhaupt gleich: "Erklärungsnotstand".

In diesem Artikel wird der Bericht der Europäischen Christdemokratischen Partei zitiert, in welchem Bundeskanzler Schüssel dezidiert aufgefordert wird, künftig derartige Äußerungen der FPÖ "zu rügen und zu korrigieren". – Ich finde, das ist eine interessante Aufforderung, und ich glaube, dass jetzt alle gespannt darauf warten werden, wann jetzt gerügt und korrigiert werden wird! Bei all den Dingen, die hier vorfallen, dürfen Sie sich nicht wundern, dass es so unglaublich schwierig zu erreichen ist, dass die Sanktionen gegenüber Österreich aufgehoben werden!

Daher finde ich das so bitter, so traurig und eigentlich auch so verwerflich, dass man auch diejenigen aus der Opposition, die sich bemühen, dass ein Überdenken gegenüber Österreich einsetzt, bloß pauschal als "Vernaderer", "Schlechtmacher" und "Vaterlandsverräter" hinstellt! Ich finde, das ist nicht in Ordnung, denn wir müssen uns selbstverständlich im Interesse Österreichs und im Interesse all jener, die uns gewählt haben, einsetzen. Das sollte auch Sie nachdenklich machen!

Zu den lieben Kollegen von der ÖVP: Der "Standard" übertreibt manchmal wirklich ein bisschen bei den Titeln. Aber wenn ich in Anbetracht der Ereignisse, die jetzt bei der FPÖ vorgefallen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 248

sind, im morgigen "Standard" den Titel auf Seite 6 lese "Ferrero-Waldner verbürgt sich für die FPÖ", dann muss ich sagen: Ich schätze die Frau Minister, weil ich meine, dass sie sich wirklich bemüht. Ich verstehe aber nicht, wie sie sich zu einer solchen Äußerung bei einer Pressekonferenz in Madrid hinreißen lassen kann! Weiß sie denn, welche Sprüche morgen noch kommen werden? Immer wird es nämlich nicht gelingen, dass man die Konsonanten durcheinander mischt und aus irgendwelchen Begriffen andere Wörter machen kann! Manchmal wird man einfach zu Wörtern stehen müssen, die man wirklich konsonantenrichtig und vokalrichtig formuliert hat und wenn sogar der Satzbau komischerweise gestimmt hat! Manchmal wird man sich dafür letztlich verantworten müssen!

Ich sage Ihnen jetzt schon: Lassen Sie sich von den Umfrageergebnissen nicht blenden, meine lieben Kollegen von der ÖVP! Mag sein, dass Sie kurzfristig profitieren. Die anderen hauen ohnedies schon die Nerven weg und heulen im dunklen Wald, wie ich anfangs gesagt habe. Aber der Wahltag wird kommen, und Sie werden mehr zu vertreten haben als Kurzfristigkeit in der Politik, viel, viel mehr, nämlich Ihre Geschichte, Ihre Werte, Ihre Tradition, den Aufbau dieser Republik und auch das, was die Zukunft betrifft! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Da sollten Sie es sich nicht so einfach machen wie Kollege Kukacka, für den all das anscheinend keinen Wert darstellt und für den die bloße Machtkompetenz und Machtkonstellation wichtiger ist als das, wie es mit dieser Partei weitergeht!

Mir ist das Schicksal Ihrer Partei nicht gleichgültig, weil ich sie für eine staatstragende Partei halte! (Beifall des Abg. Mag. Kukacka. ) Ich habe zu Ihnen ein ganz anderes Verhältnis als zur FPÖ, das habe ich schon oft in meiner Formulierung gesagt. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. ) Mir tut es weh, wie Sie denen da drüben in Wirklichkeit die Mauer machen, und zwar in Fragen, in denen man ihnen die Mauer einfach nicht machen kann! (Abg. Haigermoser: Bitte jetzt keine Krokodilstränen!) Diesbezüglich unterliegen wir alle einem Gewöhnungseffekt, und darauf müssen wir genau achten! Ein Ausspruch wie "Unsere Ehre heißt Treue" war eindeutig ein Spruch der SS, der das besondere Treueverhältnis dieser wichtigen Elitetruppe zu Adolf Hitler signalisierte. "Unsere Ehre heißt Treue" bedeutete die Treue gegenüber dem Führer Adolf Hitler. Daher kann mir jeder alles erzählen, aber dass Herr Windbolz oder Windholz keine Anspielung damit gemacht hat, das kann mir niemand erzählen! Ihre Art, sich aus dieser Verantwortung wegzustehlen, disqualifiziert Sie als regierungsfähige Partei! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie gehören in Wirklichkeit aus dieser Regierung entfernt! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Neudeck. )

22.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte.

22.45

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich bedauere, dass die Frau Ministerin heute nicht da ist, und zwar auch deswegen, weil ich einige Fragen an sie zu stellen hätte.

Ich habe hier Pressemeldungen vom Mai dieses Jahres. Am 13. Mai sagte die Frau Außenministerin zum Beispiel in einer Presseaussendung, dass sie eine befristete Beobachtung Österreichs befürwortet. Im "Mittagsjournal" vom 8. Mai sagte die Frau Außenministerin:

"Ja, ich habe angeboten gestern, ich will bewusst offen sein, Sie wissen ja, die Idee dieses Mechanismus, die da ist, irgendein Beobachtungsmechanismus, aber es gibt auch, glaube ich, andere Möglichkeiten, zum Beispiel eine Expertengruppe, einen Weisenrat ...".

Und so geht das weiter. Es gibt eine ganze Reihe von Aussagen der Frau Außenministerin. (Abg. Dr. Ofner: Sie würden am liebsten den Freiheitlichen den Reisepass entziehen! Das sind die Sozialdemokraten!)

Gestern stand in der "Presse", die auch nicht gerade eine linke Zeitung ist – ich zitiere –:

"Wie der Regierungssprecher eines EU-Staates der ,Presse‘ erklärte, ,besteht nicht der Eindruck, daß es in Österreich so sehr gewünscht wird, daß tatsächlich eine Lösung kommt‘." Wei


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 249

ter heißt es: "Vor allem die ,Österreich-Freunde‘ unter den EU-Staaten – unter anderem Dänemark, Italien, Finnland, Irland und Spanien – sind durch die mittlerweile klare Absage der österreichischen Regierung an eine Beobachtung durch eine Gruppe von Weisen oder die EU-Kommission verunsichert."

Interessiert Sie das nicht? Das steht in der "Presse" von gestern, Herr Kukacka! (Abg. Mag. Kukacka: All das haben wir schon längst gelesen!) Diese Regierungen sind verunsichert!

Jetzt muss ich in der Zeitung lesen, dass die Frau Außenministerin, die ich über die Jahre hinweg wirklich bis jetzt immer sehr geschätzt habe, nach London zur Frau Thatcher gereist ist, die in letzter Zeit vor allem dadurch aufgefallen ist, dass sie sich für den Ex-Diktator Pinochet eingesetzt hat, oder auch dadurch, dass sie vor allem sehr antieuropäisch eingestellt war. Ich bedauere das zutiefst! Ich meine, dass das auch nicht gerade das ist, was sich die Europäische Union tatsächlich von der Außenministerin Österreichs erwartet.

Kollege Cap hat es schon angesprochen, dass ein großes Problem die Situation in Österreich selbst ist, nämlich die Aussagen, die immer wieder von den Freiheitlichen kommen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas hinweisen – ich bin zwar noch nicht sehr lange da, aber immerhin doch schon einige Jahre –: Hinsichtlich der Art und Weise, wie hier über andere Organisationen und Menschen von Seiten der Freiheitlichen gesprochen wurde, hat es hier eine Einigung zwischen der ÖVP, der SPÖ, den Liberalen – die ja nicht mehr da sind – und den Grünen gegeben.

Gestern ist es wieder zu einer solchen Situation gekommen. Ich muss dazu sagen, dass sehr wenige anwesend waren. Jedenfalls ist Herr Kollege Mainoni von den Freiheitlichen über die Caritas – und das ist nicht irgendeine Organisation, sondern die Sozialorganisation der Katholischen Kirche, die bei der österreichischen Bevölkerung hohes Ansehen genießt und einen hohen moralischen Anspruch hat – in wirklich unglaublicher Art und Weise während seiner ganzen Rede hergezogen.

Zum Beispiel hat er drohend gesagt: "Die Caritas ist aber nicht gut beraten, denn sie steht mit ihren politischen Aktivitäten sehr wohl unter Beobachtung. Und ein so unbeschriebenes Blatt ist die Caritas, meine sehr geehrten Damen und Herren, ja nicht."

Weiters berichtete Mainoni davon, dass die Leiterin eines Caritas-Heimes Schwarzafrikaner bei einer Zimmerkontrolle ertappte, wie sie Suchtgift in Kugeln einpackten. Ferner berichtete er, dass ein von der Caritas beschäftigter Sozialarbeiter Kokain, Ecstasy, Speed und Haschisch im Wert von Millionen Schilling gemäß einer Zeitungsmeldung nach Österreich geschmuggelt habe. – Und so geht das ununterbrochen fort! (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Ich erwarte mir doch, dass solche Aussagen auch von Seiten der ÖVP strikt zurückgewiesen werden und dass eine Organisation, die wirklich hohes Ansehen und Niveau in Österreich hat, auch tatsächlich in Schutz genommen wird! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was da passiert ist, ist keine Erfindung von Mainoni!) Ich denke, das hat die Caritas tatsächlich verdient, und ich hoffe, dass das wirklich noch kommt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

22.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Er hat das Wort.

22.51

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich glaube, man sollte die diplomatischen Bemühungen der Frau Außenminister zur Überwindung der Sanktionen – Monitoring hin, Monitoring her – anerkennen. (Abg. Ing. Westenthaler: Bisher hat kein Einziger dieses Thema angesprochen! – Abg. Aumayr : Zur Sache!) Ich komme zur Sache. Das ist nämlich eine außenpolitische Debatte, und daher ist zu diskutieren, was die Frau Außenministerin in Madrid, in Paris oder in London gesagt hat. Und warum erklären Sie ständig, Herr Klubobmann Khol, dass die EU-Sanktionen ungerecht sind? Warum wollen Sie – wie Sie


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 250

sagen – ständig die Wahrheit über Österreich verkünden? Warum soll Herr Kanzler Schüssel ständig die öffentlichen Äußerungen eines Ministers korrigieren und zurückweisen, wenn diese nicht mit der Regierungserklärung übereinstimmen?

Ich verstehe schon, dass Sie nervös sind! Aber Sie werden noch viel nervöser werden! Was ist nun aber wirklich die Wahrheit über Österreich, und was ist die Wahrheit des Herrn Windholz? Es stimmt schon: Herr Windholz sitzt nicht in der Regierung! Ist es aber deshalb kein Problem der Regierung, wenn die Ehre Treue ist? (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Im "Kurier" habe ich gelesen, dass der Klubvorstand der Österreichischen Volkspartei in einem seltenen Anfall von Bewusstlosigkeit – wie ich sagen muss – etwas gesagt hat, was mir zu denken gibt. (Abg. Mag. Haupt: Zur Sache! – Abg. Aumayr : Herr Präsident! Spricht er zur Sache? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Sie können schreien, so viel Sie wollen, ich lasse mich nicht abbringen von meiner Rede! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich zitiere wörtlich aus dem "Kurier": "Der ÖVP-Klubvorstand bemühte sich um Distanz zum Ausspruch des neuen Landesparteichefs. Man glaube nicht, dass Windholz die Bedeutung des Zitates gekannt habe." (Abg. Ing. Westenthaler: Er kann nur so reden, weil ein SPÖ-Präsident da oben sitzt!) "Die Begriffe von Ehre und Treue seien vom ,verbrecherischen Regime‘ des Nationalsozialismus missbraucht worden. ,Niemand darf die Wortfolge, die das Motto der SS darstellte, ungestraft wissentlich in den Mund nehmen, es sei denn, um auf diesen Missbrauch hinzuweisen und seine Abscheu vor den Verbrechen des Nationalsozialismus auszudrücken.‘" – Zitatende. – Ich anerkenne diese Distanz, Herr Klubvorsitzender! (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Warum lassen Sie das zu?)

Aber geht es hiebei nur um eine Frage der Wortfolge? Ist es, wenn die Wortfolge eine andere ist, etwa "Unsere Ehre heißt Treue", für die ÖVP akzeptabel? Und wodurch unterscheiden sich die Begriffe der Ehre und der Treue von jenen der FPÖ? (Abg. Dr. Ofner: Was ist mit dem Goebbels-Zitat von Arbeiter?) Wenn der Herr FPÖ-Chef Jörg Haider sagt, dass er am Inhalt des Mottos nichts Unanständiges findet, und wenn jemand Anständigkeit, Ehrlichkeit, Treue und Leistungsbereitschaft zu seinen Prinzipien macht, dann ist das okay! Ist das auch für Sie okay, Herr Klubvorsitzender Khol? Was ist denn dann der Unterschied in der Definition von Ehre und Treue? (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Allerdings sind diese Äußerungen des Herr Windholz keine einmaligen, sondern die diesbezüglichen Konnotationen und – bewussten oder unbewussten – Botschaften von FPÖ-Funktionären sind inzwischen Legende, und das seit Jahren! Diese eindeutigen Botschaften sind der Grund für die Sanktionen!

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP: Wie wollen Sie glaubhaft machen, wenn solche Äußerungen zwar nicht unmittelbar von Regierungsmitgliedern gemacht werden – und das nehme ich zumindest Herrn Minister Molterer persönlich eindeutig ab! – und die Leute in der Regierung nicht so reden, sondern nur Landesparteivorsitzende und einfache Parteimitglieder Ihres Koalitionspartners, dass das mit der Regierung nichts zu tun hat? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wie wollen Sie erklären, dass die Herren Haider und Windholz ohnedies nicht körperlich in der Regierung anwesend sind, sondern nur deren Geist oder die Geister, die sie gerufen haben, und dass all das mit der Regierung nichts zu tun hat? Sie reden vom "verbrecherischen Regime des Nationalsozialismus", meine Damen und Herren von der ÖVP! Waren denn diese Verbrechen des Nationalsozialismus nur die einer kleinen Clique?

In diesem Hause wird von den Abgeordneten der FPÖ immer wieder das demokratische Argument bemüht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich rede nur vom demokratischen Argument. Die NSDAP hatte im Jahre 1930 18,33 Prozent, im Jahre 1932 37,36 Prozent, und im Jahre 1933 hatte sie 43,91 Prozent bei völlig demokratischen Reichstagswahlen. So viel zu Ihrer


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 251

demokratischen Befindlichkeit. (Abg. Dr. Krüger: Das ist eine Schweinerei! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Posch! Ich muss jetzt Folgendes sagen: Herr Abgeordneter Ellmauer hat unter diesen Tagesordnungspunkten bereits über die Frage der Sanktionen gesprochen und den EVP-Bericht zitiert. Dann hat sich Kollege Pilz unter dem Titel "Sanktionen" mit diesen Fragen beschäftigt. Daher bitte ich Sie, auch wenn es legitim ist, in einer außenpolitischen Debatte diese Themen aufzugreifen, doch wieder zu jenen Tagesordnungspunkten zurückzufinden, die den Ausgangspunkt bilden. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Posch (fortsetzend): Ich komme gerne zu den gegenständlichen außenpolitischen Punkten zurück. Allerdings finden außenpolitische Debatten in diesem Hause nicht mehr statt, weil die Regierung außenpolitisch permanent damit beschäftigt ist, die Ungerechtigkeit der Sanktionen und deren Auswirkungen auf Österreich, auf die österreichische Außenpolitik und auf die österreichische Politik insgesamt zu erklären! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler ist ständig mit Wehklagen darum bemüht, diese ungerechten Sanktionen zu thematisieren. Mein Vorredner, Kollege Cap, hat die ÖVP als staatstragende Partei bezeichnet, und ich vertrete auch diese Auffassung. Es gibt sehr viele Kollegen in Ihren Reihen, die ich als ausgesprochen integre Abgeordnete kennen gelernt habe. Aber man wird Abgeordnete der ÖVP doch noch fragen dürfen, wozu sie stehen, welche ihre Positionen sind und ob sie sich innenpolitisch irgendwie noch den Prinzipien einer aufklärerischen, rationalen und selbstkritischen Politik verpflichtet fühlen! (Beifall bei der SPÖ und Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

22.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Er hat das Wort.

22.59

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wenn man von der Außenpolitik spricht, dann kommt man nicht darum herum, auch von der SPÖ und vom Abgeordneten Gusenbauer zu sprechen.

Nachdem jetzt schon sehr viele Kollegen meiner Fraktion angesprochen worden sind, möchte ich in diesem Zusammenhang auch nicht verschweigen, wie Herr Kollege Gusenbauer über seine eigenen Fraktionskollegen denkt. – Kollege Gusenbauer befand sich auf einer Werbetour bei ziemlich allen Rot nahe stehenden Unternehmungen. Unter anderem war er am 30. Mai auch bei der Bank Austria. Da stimmen Sie mir doch zu, oder? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Gusenbauer! Bei diesem Anlass haben Sie einen schönen Vortrag, organisiert von der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter, gehalten und haben auch über Mitglieder Ihrer eigenen Fraktion gesprochen, nachdem sich einige darüber mokiert haben, warum Sie solche Umgruppierungen in Ihrem Klub vornehmen. Auch das darf man nicht verhehlen, insbesondere wenn es um Außenpolitik geht. Sie haben dann nämlich Folgendes zum Besten gegeben:

Sie haben gesagt, die Umgruppierungen sind notwendig, weil Sie ein Anhänger des Leistungsprinzips sind und feststellen mussten, dass ein Drittel Ihrer Abgeordneten es schaffen wird, Ihrem Leistungsdenken gerecht zu werden, ein Drittel Ihrer Abgeordneten wird das niemals schaffen – das haben Sie gesagt –, und ein Drittel – und das ist das Perfideste, was Sie gesagt haben – ist resoziali...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Haben Sie jetzt "perfid" gesagt? Bitte nehmen Sie das zurück! (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Entschuldigen Sie, Herr Präsident! Ich nehme den Ausdruck "perfid" zurück. Aber Herr Kollege Gusenbauer hat dort gesagt, ein Drittel seiner Abgeordneten sei "resozialisierbar"!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 252

Kollege Gusenbauer! Jetzt frage ich Sie: Welcher Kategorie gehört Kollege Posch an? Der Kategorie, die dem Leistungsprinzip nie gerecht werden wird, jener, die es vielleicht schaffen wird, oder jener, die "resozialisierbar" ist? (Abg. Ing. Westenthaler: Ich glaube, er ist resozialisierbar!)

Das ist Ihr Denken über Ihre Fraktion, und das in einer Situation, in der Sie mit dem Geldkörberl von einem Unternehmen zum anderen um Spenden gehen! (Abg. Mag. Trattner: Toni Leikam, was sagst du dazu?) Kollege Gusenbauer! Das haben Sie dort gesagt! Gehen Sie hier heraus und behaupten Sie das Gegenteil! Wir werden uns das ansehen! Sie wissen genau, was Sie gesagt haben. Das ist Ihre Meinung über Ihre Fraktion, und das sollte man Ihrer Fraktion auch nicht vorenthalten. (Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser  – zu den Abgeordneten der SPÖ gewandt –: Ihr könnt euch aussuchen, wo ihr dazugehört, zu welcher Kategorie! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.)

23.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Der Herr Einem ... ist resozialisierbar! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz. – Abg. Ing. Westenthaler: Eine objektive Vorsitzführung, endlich! Zeit wird’s! – Abg. Dr. Mertel  – in Richtung Freiheitliche –: Nehmen Sie Ihren hässlichen Finger weg! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Schweitzer ist am Wort! (Abg. Ing. Westenthaler: Ich bin froh, dass jetzt endlich einmal eine objektive Vorsitzführung ist – Gott sei Dank! –, keine parteipolitische Vorsitzführung!)

23.02

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Es gibt einen SPÖ- und zwei normale Präsidenten!) Herr Kollege Cap hat in einer seiner wesentlichen Reden – eine davon hat er heute wieder gehalten – behauptet – und da gebe ich ihm zu (Abg. Dr. Mertel: "Gebe ich ihm zu"? Was soll das heißen?), ich gebe es zu –, dass es nicht leicht ist, die Sanktionen gegen Österreich wegzubekommen. Das ist aber vor allem deshalb so, Herr Kollege Cap, weil es aus dieser Hälfte des Hauses (der Redner blickt zur SPÖ) immer wieder Bemühungen gibt, alles, was in dieser Bundesregierung unternommen wird, zu konterkarieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Cap! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pilz. ) Ich kenne einen Griechen, Herr Kollege Pilz, einen Linkssozialisten namens Michalis Papayannakis, und dieser erklärt (Abg. Dr. Pilz: Das dürfte ein Getränk gewesen sein!), die österreichischen Sozialisten haben bei den griechischen Linkssozialisten um internationale Solidarität ersucht.

Herr Papayannakis, ein Linkssozialist – nichts anderes, Kollege Pilz (Abg. Dr. Pilz: ... 
Metaxa!)
 –, hat Journalisten bei einer Pressekonferenz ein Schreiben der SPÖ vom 16. April 2000 gezeigt und sich darauf berufen und auch daraus zitiert, in dem Kollege Cap oder einer seiner Genossen geschrieben hat: "Genossen in Griechenland, vergesst uns nicht! Tut etwas!" (Abg. Ing. Westenthaler: Ach, so ist das?! – Ruf: Oder war es der Schieder? – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Verrat an der ...! Das ist echter Verrat! Dokumentierter Verrat!)

Natürlich ist es unter solchen Umständen nicht ganz einfach, gegen diese Sanktionen aufzutreten, wenn immer wieder Griechen, die offensichtlich gute Kontakte zu den Linken in diesem Hause haben, Herr Kollege Pilz, etwas über Österreich erzählen, was mit der Realität nichts gemeinsam hat!

Jetzt kommen wir zu den Grünen. Am 29. Mai, Herr Kollege Pilz, ist in Lissabon der Vertreter des Europaparlaments in der Regierungskonferenz, ein Herr Dimitris Tsatsos, zu mir gekommen (Abg. Dr. Pilz: Tzatziki!) und hat mir erzählt, dass er während der Versammlung der COSAC einmal mehr gegen Österreich – und Kollege Schieder ist hiefür ja ein guter Zeuge – auftreten müsse, weil sich in Österreich einmal mehr Unglaubliches zugetragen habe. Es habe


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 253

nämlich Jörg Haider zuvor gesagt, dass er zwei österreichische Abgeordnete aus diesem Parlament entfernen lassen werde! (Abg. Dr. Mertel: Der Tzatziki? – Abg. Dr. Pilz: Der Tzatziki!)

Herr Kollege Pilz! Aus all diesen Gründen, so hat dieser Herr Tsatsos gesagt, sei die Stunde unserer Verantwortung – der Verantwortung der Repräsentanten der europäischen Völker, der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments – gekommen. Die Sanktionen gegen Österreich dürften unter diesen Umständen nicht aufgehoben werden!

Wer, glauben Sie, hat diesen Herrn Tsatsos so falsch informiert, dass dieser ruhigen Gewissens dort hingehen und behaupten konnte, Jörg Haider habe gesagt, er würde zwei Abgeordnete aus diesem Parlament entfernen lassen? (Abg. Dr. Cap: Souflaki!) – Das war Ihr lieber, netter Kollege (Abg. Dr. Pilz: Souflaki!) – Sie können sich ja darüber lustig machen – Johannes Voggenhuber (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP), der das Ganze gleich darauf auch noch mit einer Presseaussendung untermauert hat! Als Zeugen dafür kann ich Ihnen Herrn Kollegen Schieder nennen, der dort anwesend war und das Ganze bestätigen kann.

Wenn Johannes Voggenhuber die griechische Linke auf diese Art und Weise falsch informiert und damit versucht, im Ausland ein Bild von Österreich zu zeichnen, das der Wahrheit absolut nicht entspricht, dann ist es schwierig, die Sanktionen wegzubekommen!

Meine Damen und Herren von der Linken in diesem Hause! Sie sind weiterhin redlich bemüht, Österreich im Ausland in den Schmutz zu ziehen! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Vernaderung geht weiter!)

23.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

23.07

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Es war ja zu erwarten (Abg. Mag. Schweitzer: Weswegen sind Sie herausgegangen?), dass Herr Kollege Schweitzer daherkommt und ein neues Gerücht in die Welt setzt. (Abg. Mag. Schweitzer: Weswegen sind Sie herausgegangen?)

Meine Damen und Herren! (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich möchte, da ich an dieser Konferenz in Lissabon teilgenommen habe (Abg. Fischl: ... diese Geisteshaltung!), doch berichten, Kollege Schweitzer, was sich tatsächlich zugetragen hat. (Abg. Mag. Haupt: Österreich vernadern!)

Was hat sich tatsächlich zugetragen, Kollege Schweitzer? (Abg. Mag. Schweitzer: Genau das! Genau das!) – Es hat einen Artikel in der Zeitschrift "NEWS" gegeben, ein Interview mit Herrn Haider (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt war es wieder ein Übersetzungsfehler, nicht wahr?), in dem er sagt, dass dieser ominöse und schon in den letzten Tagen mehrfach diskutierte und zitierte Paragraph aus dem Strafgesetzbuch verändert werden müsste und dass er vor allem angewandt werden müsste auf Politiker wie Herrn Voggenhuber und Herrn Gusenbauer. Er wurde dann von "NEWS" konkret gefragt: Hat Gusenbauer gegen den § 248 StGB verstoßen? – Ja, mindestens zweimal, hat Herr Haider gemeint. (Abg. Fischl: Das macht Sie nervös!) Mindestens zweimal wäre er nach § 248 StGB dafür zur Rechenschaft zu ziehen! (Abg. Fischl: Das macht Sie nervös!)

Weiters hat er dazu gesagt, das Problem bei diesem § 248 sei – laut Meinung Haiders – nur, dass der Strafrahmen so niedrig ist! Damit man aber Herrn Gusenbauer aus dem Parlament entfernen könne, müsse der Strafrahmen erhöht werden, und dafür setzt sich Herr Haider ein. – Das war der Tenor dieses Interviews in "NEWS". (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Ofner und Mag. Schweitzer. )

Dieses Interview, Herr Kollege Schweitzer, hat Herr Tsatsos – ich habe ja mit ihm gesprochen – als Vorlage gehabt, und er hat als Schlusssatz (Abg. Mag. Schweitzer: Übersetzungsfehler, gelt?) bei seiner ersten Rede deshalb gesagt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner ): Haider will, dass Parlamentarier aus dem Parlament entfernt werden.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 254

Ich habe mir gedacht, das ist eine starke Ansage. Da muss es einen Hintergrund geben! Ich habe nämlich das "NEWS"-Interview auch nicht so präsent gehabt und hatte es nicht so sensibel gelesen wie Herr Tsatsos. Ich bin daher zu ihm hingegangen und habe gesagt, er soll mir das Interview, seine Unterlage zeigen. Er hat sie mir dann gezeigt und hat das auch als Anlass dafür genommen, in einer zweiten Wortmeldung das "NEWS"-Interview in dieser Passage vollständig zu zitieren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Kollege Schweitzer! Du warst ja in der Sitzung. Dass es dann geheißen hat, das sei doch ohnedies nicht so schlimm gemeint gewesen, was Haider da gesagt hat, hat durchaus nicht zur Entspannung oder zur Beruhigung beigetragen! Das hat es nicht, sondern den Abgeordneten, denen am Parlamentarismus noch etwas gelegen ist, hat das mehr als Anlass zur Sorge bereitet.

Die Debatten zur Frage, was denn da in Österreich los ist, die haben, nachdem er den ganzen Kontext des Interviews zitiert und nicht mehr nur einen einzelnen Satz davon herausgegriffen hat, nicht etwa aufgehört, sondern, im Gegenteil (Abg. Fischl: Habt ihr es ihnen rechtzeitig auf Griechisch übersetzt?), das war – und das glaube ich auch – Anlass zur Beunruhigung bei vielen dieser Parlamentarier, die in Lissabon bei der Konferenz anwesend waren.

Das eigentliche Problem, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, ist doch das, dass es in Österreich viel zu wenig Anlass zur Beunruhigung war (Abg. Dr. Ofner: Deshalb müsst ihr dafür sorgen!), vor allem auf Seiten dieser einen Regierungspartei, die schon angesprochen wurde. (Abg. Dr. Ofner: Wenn sich in Österreich niemand aufregt, muss man ins Ausland gehen! Da muss man alle aufhussen!)

Dass Sie in Ihrem blinden Herdentrieb keinen Anlass dazu sehen, Ihrem Parteivorsitzenden zu widersprechen, das ist schon klar. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Aber dass der Regierungspartner nichts dabei findet, dass Herr Haider die strafrechtliche Verfolgung von Parlamentariern fordert und dadurch ihre Entfernung aus dem Parlament erreichen will – und das hat er klar gesagt –, das ist ein starkes Stück! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Weil sich in Österreich keiner aufregt, muss man ins Ausland gehen!)

23.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, ich darf Sie auf § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung hinweisen. Beginnen Sie bitte mit der Wiedergabe des zu berichtigenden Sachverhaltes und stellen Sie diesem den berichtigten gegenüber. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident, hören Sie gut zu! Fünfter Versuch einer tatsächlichen Berichtigung!)

23.1


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 255

2

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Schweitzer hat in seiner Rede behauptet, dass entweder Herr Abgeordneter Voggenhuber oder andere linke Kreise den EU-Parlamentarier Tsatsos wahrheitswidrig oder falsch über das, was er dann dort gesagt hat, informiert hätten. – Das ist falsch (Rufe bei der ÖVP: Wieso wissen Sie das? Waren Sie dabei?), Herr Abgeordneter Schweitzer, und Sie könnten es selbst besser wissen!

Sie selbst waren nämlich zugegen, als Herr Abgeordneter Tsatsos Sie am 19. Mai bei der Aussprache über die Institutionenreform in diesem Hause bereits darauf angesprochen hat, weil er nicht nur der deutschen Sprache mächtig ist, sondern auch die österreichischen Zeitungen in dieser Woche lesen konnte, und weil dieser Vorstoß des einfachen Parteimitgliedes und Landeshauptmannes von Kärnten im Beisein des Justizministers am Montag derselben Woche in Österreich erfolgt ist. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) Sie wissen das ganz genau! (Beifall bei der SPÖ.)

23.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – auf den sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Gusenbauer weisend –: Dinnerjacket! Oberkellner Gusenbauer! Kommt direkt vom Bankett, vom Champagnisieren!)

23.13

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist offensichtlich der späten Stunde und dem angeschlagenen Zustand einzelner Abgeordneter zuzuschreiben, dass sie mit an Peinlichkeit grenzender Lächerlichkeit hier versuchen, sich vom Rednerpult aus zu inszenieren und den Eindruck zu verbreiten (Abg. Aumayr: Meinen Sie Kollegen Posch?), dass sie auch nur irgendeinen Beitrag zur Aufhebung der Sanktionen oder Maßnahmen gegen Österreich leisten würden. Das war peinlich, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das gilt auch für die Geschichten, die Herr Schweitzer von etwaigen Briefen erzählt (Abg. Ing. Westenthaler: Zu welchem Drittel gehört Einem?), etwa von einem Brief, den er bis zum heutigen Tag nicht vorlegen konnte, weil es aus der Sozialdemokratie keinen einzigen Brief an irgendwelche griechischen Genossen mit einem dementsprechenden Aufruf gibt, was auch überall klar gesagt wurde. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso haben die dann einen?) Herr Schweitzer aber stellt sich wider besseres Wissen her und erzählt die altbekannten Geschichten, in derselben Tonlage wie Herr Westenthaler.

Sinn der Operation ist nur der (Abg. Ing. Westenthaler: Zu welchem Drittel gehört Einem?): Die FPÖ will nicht, dass die Maßnahmen gegen Österreich aufgehoben werden (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), weil das der einzige Kitt dieser Koalition ist, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die FPÖ will darüber hinwegtäuschen, dass sie alle Wahlversprechen gebrochen hat, dass sie nicht imstande ist (Abg. Aumayr: Sie reden wirr, Herr Kollege!), einen Belastungsstopp durchzuführen, und dass sie sich in eine scheinpatriotische Mobilisierung flüchten will, die Österreich nichts bringt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Eines steht außer Zweifel – und wenn Sie den Bericht der EVP genau lesen, dann werden Sie darin einen Satz finden, der entscheidend ist (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege, es klatscht nur mehr ein Drittel! Welches ist das?) – : Die Kollegen von der Europäischen Volkspartei erwarten von der ÖVP und jenen Teilen der Bundesregierung, die von der ÖVP kommen, eines – das ist glasklar –, nämlich, dass all die inakzeptablen Äußerungen, wie sie von einzelnen FPÖ-Mandataren kommen, klar und unmissverständlich zurückgewiesen werden. Darauf aber warten die Österreicherinnen und Österreicher, so wie die EVP, bis heute, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt neben vielen anderen Unterschieden zwischen Demokratie und Diktatur einen essentiellen: In der Diktatur sitzt die Opposition im Gefängnis, in der Demokratie sitzt die Opposition im Parlament. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber nur ein Drittel!)

Dies stört offensichtlich Herrn Haider. Sie, Herr Graf, brauchen nicht meine Fraktion vor mir in Schutz zu nehmen, sondern Österreich muss sich vor Leuten wie Herrn Haider und Herrn Westenthaler in Schutz nehmen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Welches Drittel hat Ihnen jetzt applaudiert?)

23.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

23.16

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Es lässt sich nicht mehr feststellen, welches Drittel bei Ihnen applaudiert, Herr Kollege Gusenbauer! Das, was Sie sich gestern geleistet haben, dokumentiert sich heute bereits in der "Neuen Zürcher Zeitung": "Misserfolg der SPÖ im Wiener Nationalrat – Dringliche Anfrage ohne Saft." (Abg. Ing. Westenthaler: Peinlich! Internationale Peinlichkeit! – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Herr Dr. Gusenbauer! Das, was Sie als Oppositionspartei in den letzten Tagen hier im Parlament aufgeführt haben, geht nämlich ins Lächerliche. (Abg. Dr. Mertel: Schon gehört! Wieder


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 256

holungstäter!) Das Einzige, womit Sie sich noch Applaus holen können – und das auch nur bei Ihren eigenen Fraktionsmitgliedern –, ist eine Rede, in der Sie Hasstiraden auf die FPÖ loslassen. Das ist Ihre Taktik! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Pilz! Sie sind überhaupt das Eigenartigste, was es hier im Hohen Hause gibt. (Ruf: Ja, genau! – Heiterkeit.) Sie kommen hier herunter und verwechseln das Hohe Haus, glaube ich, mit der Löwingerbühne oder mit den Pradler Ritterspielen. (Abg. Dr. Pilz  – auf die Abgeordneten der Freiheitlichen weisend –: Bei dem Publikum!) Sie sind aber genau derjenige, der sich hier im Hohen Hause Sorgen um Österreich und die österreichische Bevölkerung macht, der in einem Interview gegenüber einem Magazin jedoch folgende Aussage macht.

Man hat dort die Frage gestellt: Wie sieht für dich die Utopie einer funktionierenden Gesellschaft aus? – Dazu Pilz: Das schaut so aus, dass es keinen Staat gibt – das ist einmal das Erste. (Ironischer Bravo-Ruf bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ungeheuerlich! Das ist Anarchie!) Dieses Gewaltinstrument darf es nicht mehr geben! Es soll eine freie Assoziation von Menschen sein – was weiß ich, wie immer das ausschauen mag. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist Ihre Einstellung zum Staat! Und da wollen Sie hier heruntergehen? – Sie sind nicht einmal lächerlich. Sie kann man nicht einmal mehr ernst nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Anarchie! Jetzt haben wir schon einen Anarchisten im Haus!)

23.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal in 50 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. (Abg. Ing. Westenthaler: Für das Protokoll: Gusenbauer ist wieder da!)  – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass dieser Staatsvertrag in arabischer, französischer, spanischer, russischer und chinesischer Sprache dadurch kundzumachen ist, dass das Übereinkommen zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen Zentrum für Migrationspolitikentwicklung (ICMPD) über den Amtsitz des Internationalen Zentrums für Migrationspolitikentwicklung samt Annex in 56 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 257

die Freizügigkeit samt Anhängen und Schlussakte in 79 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Mit Rücksicht darauf, dass durch den vorliegenden Staatsvertrag Verfassungsrecht geändert wird, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages, dessen Artikel 10 Abs. 2 dritter Satz, Artikel 14 Abs. 1 und 2, Artikel 16 Abs. 2 und Artikel 18 verfassungsändernd sind, die Genehmigung zu erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass dieser Staatsvertrag dadurch kundzumachen ist, dass das Abkommen samt Anhängen und Schlussakte, das in den elf Amtssprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wird, im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit in den Bereichen der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft samt Anhang in 63 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend den Militärdienst der Doppelbürger samt Anhang in 75 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Genehmigung des Staatsvertrages: Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Haschemitischen Königreich Jordanien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte in 85 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die Kundmachung dieses Abkommens samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte, das in den elf Amtssprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wird, in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten erfolgt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

20. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (57 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (157 der Beilagen)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 258

21. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (58 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Endbesteuerungsgesetz (Bundesverfassungsgesetz), das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Finanzstrafgesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden (158 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 20 und 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich ersuche Herrn Abgeordneten Dr. Heindl, die Debatte zu eröffnen. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

23.23

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die vorgeschrittene Zeit in aller Kürze:

Es geht um zwei wichtige Materien: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert werden soll, und Bundesgesetz, mit dem das Endbesteuerungsgesetz (Bundesverfassungsgesetz) und so weiter geändert werden soll.

Sie werden sich fragen: Warum zitiert er das? Das weiß man ja ohnedies! – Das hat einen besonderen Grund: Weil wir heute etwas anderes beschließen werden, als die Regierungsvorlage, wie sie eingebracht worden ist, es vorsah.

Mit diesen beiden Regierungsvorlagen reagierte die Bundesregierung auf die Forderung der internationalen Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäsche, die Österreich im Falle der Beibehaltung der Sparbuchanonymität den Ausschluss aus der Organisation gebracht hätte. Dass das selbstverständlich zu verhindern war, steht außer Diskussion, weil wir damit unseren besonderen Ruf als Finanzplatz verloren hätten.

Wir haben uns daher aus ehrlicher staatspolitischer Raison vom ersten Augenblick an bemüht, eine Lösung mitzutragen, die die Regierung vorgeschlagen hat, die aber zum Teil eben nicht mitzutragen war. Darauf werde ich dann noch ganz konkret eingehen.

Meine Damen und Herren! Was ich meine, ist, dass die letztliche Ursache dieser beiden Novellen, die Sparbuchanonymität, ein österreichisches Spezifikum war, das aber im Hinblick auf die enormen internationalen Bemühungen, gegen die Geldwäsche vorzugehen, auf Dauer nicht zu halten war.

Meine Damen und Herren! Nicht verbunden – und das war das Problem – mit diesem Verlangen waren und sind jene Begleitmaßnahmen, die die Regierung sozusagen in einem Aufwaschen miterledigen wollte. In der im Parlament eingebrachten Regierungsvorlage war nämlich auch eine Generalamnestie für alle Steuersünder, und zwar ohne Limit, vorgesehen. Wie titelten einige Zeitungen? – "Regierungsplan: Amnestie für Steuerhinterzieher."

Meine Damen und Herren! Ohne jede Polemik, nur sachlich: Wir haben vom ersten Augenblick an in ruhigen Gesprächen dargelegt, dass eine solche Bestimmung für uns nicht tragbar ist, weil eine Generalamnestie nicht vertretbar ist. Wir haben das von allem Anfang an abgelehnt. Wir haben in Gesprächen – sowohl in Parteiengesprächen als auch in Verhandlungen im Finanzausschuss – versucht, darauf hinzuweisen, dass dieses Ansinnen inakzeptabel ist. Wir haben auch verschiedene Alternativvorschläge eingebracht. Sie sind intensiv diskutiert worden, weil wir, wie ich schon gesagt habe, diese beiden Gesetzentwürfe mittragen wollten, insbesondere weil beim Endbesteuerungsgesetz seitens der Regierung eine verfassungsrechtliche Bestimmung vorgesehen war.

Meine Damen und Herren! Dass unsere sachliche Argumentation nicht ohne Eindruck geblieben ist, zeigt der Umstand, dass im Finanzausschuss die Bestimmung der Generalamnestie seitens


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 259

der Regierungsfraktionen fallen gelassen worden ist. Sie haben sich dieser Meinung angeschlossen, und ich glaube, das war vernünftig, dass es so war. Ich möchte nur zitieren, was Sie, Herr Kollege Böhacker – Sie schauen mich so ernst an –, selbst in einem Interview nach diesen Verhandlungen im Finanzausschuss gesagt haben – ich habe das mit Aufmerksamkeit in den "Salzburger Nachrichten" gelesen –:

"Schwarzgeldbesitzer nicht belohnen. Natürlich hat das Ganze einen gewissen Beigeschmack. Die Optik ist gar nicht gut." – Zitatende.

Es ist nicht nur die Optik nicht gut, meine Damen und Herren. Es war und ist nicht vertretbar! – So viel zum Thema der Generalamnestie.

Jene Neuregelungen, die im Bankwesengesetz zu treffen waren, finden unsere Zustimmung. Sie wissen – ich habe es in den Verhandlungen gesagt, und ich möchte meinen Appell nochmals aussprechen –: Das Einzige, was uns an dem Bankwesengesetz gestört hat, waren die generellen Meldungen an die EDOK. Wir haben darum ersucht, das noch einmal zu überdenken. – Beschließen wir es jetzt, wie es ist – wir stimmen auch so zu –, aber versuchen wir, den Geruch wegzubekommen, dass etwa eine ältere Frau, die nach dem Juli 2002 100 000 S abhebt, plötzlich am Schalter erfahren muss: Das Geld bekommen Sie nicht gleich. Sie müssen warten, denn die EDOK wird informiert.

Herr Staatssekretär! Vielleicht finden wir bis dahin eine Lösung. Ich weiß, dass es im Augenblick nicht anders geht, weil es bisher so war. Aber suchen wir einen Weg – das ist mein Appell! Versuchen wir, das wegzubekommen, weil es im derzeitigen Milieu der Sparer in Österreich unnötig ist, weil es da eine positive Gesinnung gibt!

Ein anderer Punkt ist die geplante Änderung des Endbesteuerungsgesetzes und des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes.

Meine Damen und Herren! In den Gesprächen im Ausschuss hat unsere Fraktion, wie ich schon gesagt habe, vom ersten Augenblick an strikt gegen eine generelle Steueramnestie Stellung genommen, insbesondere für den Zeitraum vor 1993. Sie ist unserer Meinung nach weder erforderlich noch gerechtfertigt. Sie hätte nicht den typischen Durchschnittssparer begünstigt, sondern jene Personen, die systematisch Steuern hinterzogen haben oder – ich bin in der Formulierung vorsichtig – die Herkunft des Geldes nicht deklarieren wollten – einigen wir uns vielleicht auf diese Formulierung –, und zwar unabhängig davon, ob diese Steuerhinterziehung oder diese Geldhinterlegung nun im Zusammenhang mit der Abschaffung der anonymen Sparbücher entdeckt wird oder nicht.

Wir haben bei unseren Vorschlägen im Ausschuss immer den kleinen Sparer im Vordergrund gesehen. Die Sparbuchanonymität ist für viele Menschen in Österreich – da waren wir uns alle einig – von hoher emotionaler Bedeutung, da sie ein österreichisches Spezifikum ist. Deshalb muss man auch den so genannten anonymen Sparer differenzierter betrachten. Wenn man weiß, dass 90 Prozent der 24 Millionen Sparbücher Einlagen von unter 1 Million Schilling haben, dann ist klar, was wir meinen.

Meine Damen und Herren! Wir haben aus diesem Grund im Finanzausschuss einen Antrag eingebracht, der bei Schenkungen von Sparbüchern bis zu einer Million Schilling zwischen Ehegatten, Lebensgefährten, Eltern und Kindern sowie Großeltern und Enkelkindern bis zum 18. Mai eine Befreiung von der Schenkungssteuer vorgesehen hätte. Wir wären dann bei der verfassungsmäßigen Regelung mitgegangen. Sie haben das abgelehnt – was immer der Grund dafür sein mag. Für uns lag der Grund dafür, dass wir dem Endbesteuerungsgesetz nicht zustimmen konnten, nur darin, dass wir bei einem unlimitierten Nachlassen der Schenkungssteuer nicht mitgehen können.

Ansonsten finden wir – das darf ich zusammenfassend noch einmal sagen – noch eine bittere Pille dabei, Herr Staatssekretär: Ich hoffe, dass es hält.

Wir sind der Meinung, dass die verfassungsrechtliche Notwendigkeit gegeben wäre. Dies ist ein Streitpunkt sowohl unter Experten als auch innerhalb der Fraktionen gewesen. Sie haben ur


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 260

sprünglich offenkundig selbst die verfassungsmäßige Notwendigkeit gesehen, sonst hätte die Regierung ja nicht ein Gesetz mit Verfassungsbestimmung eingebracht. Sie haben das fallen gelassen, jetzt beschließen sie es einfachgesetzlich. Ich sage nochmals: Das ist eine Bedenklichkeit.

Zusammenfassend: Wir stimmen dem Bankwesengesetz zu – mit der Einschränkung oder mit dem Appell, noch eine Regelung hinsichtlich der EDOK zu finden. Wir lehnen aber aus den Gründen, die ich genannt habe – unlimitiert, keine Deckelung bei der Schenkungssteuer –, den zweiten Gesetzentwurf ab. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

23.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Böhacker zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.30

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Dr. Heindl, ich hoffe, Sie gehören zu dem Drittel der Abgeordneten, die die Leistungskriterien Ihres Herrn Klubobmannes erfüllen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Zur Beschränkung im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz. Herr Kollege Heindl! Ihr Antrag ist so populistisch und so leicht durchschaubar, dass er wirklich Bände spricht. Herr Dr. Heindl, dieser Antrag ist ein vergeblicher Versuch, an eine vielleicht aus Ihrer Sicht in Österreich bestehende Neidgenossenschaft zu appellieren.

Dieser Ihr Antrag steht auch im Widerspruch zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, das vorsieht, dass im Falle der Übereignung von Sparbüchern im Verlassenschaftswege eine unbeschränkte Schenkungs- und Erbschaftssteuerfreiheit besteht. Im Rahmen der Endbesteuerung beschlossen – Antrag von SPÖ und ÖVP! Damals haben Sie nichts dagegen eingewendet, dass auch Großvermögen im Verlassenschaftswege erbschaftssteuerfrei übergeben werden können.

Herr Kollege Heindl! Wenn Sie laut "Kurier" von morgen erklären, dass die Reichen durch diese Novelle zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz überproportional begünstigt werden, dann sollten sie sich seriöserweise auch mit der Struktur der Sparbücher auseinandersetzen. (Der Redner hält ein Taschenbuch in die Höhe.) Ich zitiere die AK, das ist also unverdächtig. Insgesamt gibt es 24,4 Millionen Sparbücher, davon mit Spareinlagen bis 100 000 S: 20,6 Millionen Sparbücher; mit Spareinlagen bis 500 000 S: 3,2 Millionen Sparbücher; mit Spareinlagen bis 1 Million Schilling: 394 000 Sparbücher; und jetzt kommen wir zu den so genannten Reichen, die überproportional begünstigt werden sollen: Spareinlagen über 5 Millionen Schilling: satte 7 627 Sparbücher von insgesamt rund 24 Millionen Sparbüchern!

Ich möchte noch folgenden Antrag einbringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Böhacker und Dkfm. Dr. Stummvoll und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz geändert wird (58 der Beilagen), in der Fassung des Ausschussberichtes (158 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

Die Z 1 lautet:

1. In § 15 Abs. 1 Z 18 wird der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 19 wird angefügt:

"19. Schenkungen unter Lebenden und Zweckzuwendungen (§ 4 Z 2) von Geldeinlagen bei inländischen Kreditinstituten und sonstigen Forderungen gegenüber inländischen Kreditinstituten


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 261

(§ 1 des Bankwesengesetzes), denen ein Bankgeschäft zu Grunde liegt, ausgenommen Schenkungen unter Lebenden und Zweckzuwendungen von derartigen Geldeinlagen und sonstigen Forderungen an Privatstiftungen. Die Befreiung ist auf Rechtsvorgänge anzuwenden, für die die Steuerschuld vor dem 1. Juli 2002 entsteht und gilt auch für Vorgänge, für die die Steuerschuld vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung entstanden ist, es sei denn, der Steuerpflichtige hat bei Inkrafttreten dieser Bestimmung davon Kenntnis, dass der Vorgang Gegenstand abgabenrechtlicher oder finanzstrafrechtlicher Ermittlungen ist oder der Abgabenbehörde bekannt war. Die Befreiung ist auch im Falle der Zusammenrechnung nach § 11 mit Zuwendungen, die nach dem 30. Juni 2002 erfolgen, zu berücksichtigen."

*****

Dieser Abänderungsantrag engt den Personenkreis ein, an den Schenkungen und Zweckzuwendungen steuerfrei erfolgen können, und zwar in der Form, dass derartige Schenkungen und Zweckzuwendungen an Privatstiftungen – und das inkludiert wahrscheinlich die von Ihnen monierten größeren, so genannten reichen Schenkungen – nicht von der Steuerbefreiung begünstigt, sondern von der Steuerbefreiung ausgenommen sind.

In der Kürze der Zeit ist es natürlich schwierig, noch näher auf diese Problematik einzugehen. Ich möchte nur sagen, dass Österreich seit mehr als elf Jahren ob der Anonymität der Sparbücher und der Wertpapierkonten im Schussfeld der internationalen Kritik steht. Es heißt, dass Österreich die Richtlinien zur Geldwäsche nicht ausreichend vollzieht oder unterstützt, sondern eher mit einem gewissen Augenzwinkern sogar in die andere Richtung geht.

Ich darf dazu sagen, dass dem absolut nicht so ist! Ich gehe auch davon aus, dass es Konsens darüber gibt, dass das Sparbuch kein geeignetes Instrument ist, um eine entsprechende Geldwäsche zu organisieren.

Mit diesen beiden Novellen zum Bankwesengesetz und zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz ist diese Bundesregierung und sind diese Regierungsparteien der Anwalt der kleinen Sparer. Wir werden auch in Zukunft, wie schon in der Vergangenheit, die berechtigten Interessen der kleinen Sparer vertreten und nicht, wie Sie uns unterstellen, nur die Reichen im Auge haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Dkfm. Stummvoll ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner ist nun Herr Abgeordneter Van der Bellen zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Abg. Dr. Van der Bellen: 5 Minuten werden reichen, Herr Präsident!)  – Bitte.

23.35

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte nichts dagegen gehabt, dass es bei der Schenkungssteuer eine gewisse Steueramnestie gibt. Aber, Herr Kollege Böhacker, warum es keine Limitierung beim Betrag gibt, das haben Sie jetzt auch nicht erklärt. (Abg. Böhacker: Weil es nicht notwendig ist!)

Die Struktur der Sparbücher kennen wir alle ganz genau. Das steht nicht nur im Taschenbuch der Arbeiterkammer, sondern auch in anderen Statistiken. All das sagt natürlich nichts darüber aus, wer die Eigentümer dieser Sparbücher sind und wer die allenfalls mit diesen Sparbüchern Beschenkten sind.

Gegen die Steueramnestie in Bezug auf die Schenkungssteuer wäre nichts einzuwenden gewesen, wenn es ein Limit gegeben hätte – über den Betrag hätten wir reden können: ob es 500 000 S sind oder ob es 1 Million ist –, um diese kleinen Sparer, die Sie gerade angesprochen haben, irgendwie abzugrenzen. Kein Problem, über all das hätten wir reden können! Aber das


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 262

ohne jedes Limit durchzuführen – nein! (Abg. Böhacker: Haben Sie einmal durchgerechnet, was da herauskommt, wenn es an verschiedene Empfänger vergeben wird?)

Auf der anderen Seite streben Sie ja auch jedem möglichen, allfälligen, vermuteten Missbrauch bei Arbeitslosen, Notstandsunterstützten und so weiter nach. Da sind keine Kosten zu hoch, um allfällige missbräuchliche Anträge und so weiter zu verfolgen. Aber hier sind Sie plötzlich großzügig und sagen: Wegen der paar tausend – unter Anführungszeichen – "Reichen" wird es wohl nicht darauf ankommen. – Es kommt schon darauf an! Das ist eine grundsätzliche Frage. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher werden wir der Reform des Schenkungssteuergesetzes nicht zustimmen. Ich bedauere das, weil eine gewisse Amnestie gerade im Interesse der kleinen Leute zu unterstützen gewesen wäre. Aber nicht ohne jedes Limit!

Dem Bankwesengesetz stimmen wir zu. Wie Herr Kollege Heindl schon erklärt hat, geht es da um mehrere Dinge, vor allem um Anpassungen an EU-Richtlinien. Aber was naturgemäß die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt hat, ist die Aufhebung der Anonymität der Sparbücher.

Dazu muss ich sagen: Der Formulierung in diesem angeblichen Bericht des Finanzausschusses gebührt der erste Preis für den Euphemismus – sagen wir, nicht des Jahres, aber zumindest des Juni 2000. Da lese ich doch glatt – ich zitiere –:

"Die internationalen Bemühungen – insbesondere auch jene der Financial Action Task Force on money laundering (FATF) und der Europäischen Union – zur Bekämpfung der Geldwäsche finden die volle Unterstützung der österreichischen Bundesregierung. Die Möglichkeit zur Eröffnung anonymer Sparbücher soll daher so rasch wie möglich beseitigt werden."

Also wenn hier Hühner im Saal wären, dann würden sie lachen! Die Bundesregierung ist jetzt plötzlich davon überzeugt, zuerst einmal unterstützt sie voll die Bemühungen der FATF, dieser internationalen Organisation zur Bekämpfung der Geldwäsche. Wissen Sie, wie lange das schon Thema ist? – Über zehn Jahre! (Abg. Böhacker: Elf Jahre! Seit 1989!) Elf Jahre!

Wer hat das in den vergangenen Legislaturperioden blockiert? (Abg. Böhacker: Waren wir da in der Regierung? – Weitere Zwischenrufe.) Na, wer war das? – Das war die alte Regierung, bestehend aus den Sozialdemokraten, die alte Regierung, bestehend aus der Österreichischen Volkspartei, und heftig unterstützt – aber in jedem Einzelfall! – von der FPÖ. (Abg. Böhacker: Ach so?)  – Ja, ganz sicher! Daran kann ich mich genau erinnern. (Abg. Böhacker: Daran können Sie sich erinnern?)

Jetzt plötzlich haben Sie die Weisheit endlich einmal erfasst und wollen daher, dass die anonymen Sparbücher so rasch wie möglich beseitigt werden! (Abg. Böhacker: Aber die Zeit reicht schon von Lacina bis Edlinger!) Okay, endlich machen Sie es! Wir hätten uns aber jede Menge Peinlichkeiten erspart, wenn man das früher gemacht hätte, damals unterstützt nicht nur von den Grünen, sondern auch von der Freiheitlichen Partei. Das wäre ja theoretisch denkbar gewesen. (Abg. Böhacker: Wir hatten keine Mehrheit!)

Jetzt machen Sie es ja nicht, weil Sie plötzlich erkannt hätten, dass es tatsächlich richtig ist, sondern aus einem schlichten Grund: wegen des Prozesses vor dem EuGH und vor allem, weil die FATF, die Organisation zur Bekämpfung der internationalen Geldwäsche, gedroht hat, Österreich auszuschließen, wenn nichts geschieht. Das war sogar Ihnen zu viel. Plötzlich war diese heilige Kuh, das anonyme Sparbuch, doch nicht mehr so heilig, wie sie es immer gewesen war.

Ich erinnere mich noch an das, was da alles von Ihnen gekommen ist, auch von Seiten Herrn Trattners! (Abg. Mag. Trattner: Als Instrument der Geldwäsche ist es nicht geeignet!) Da hat es geheißen: Hier geht es um die "Sparkultur" in Österreich. – Bis dahin habe ich gar nicht gewusst, was man unter "Kultur" alles subsumieren kann. Ich habe das irgendwie mit Kunst assoziiert, mit Musik, Mozart und, was weiß ich, Musil und so weiter. (Heiterkeit.)  – Nein, das anonyme Sparbuch war plötzlich ein Teil der Kultur! – Jetzt offenbar nicht mehr, jetzt gilt das plötzlich nicht mehr.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 263

Aber soll sein – Schwamm drüber! Wir werden der Reform, der Novellierung des Bankwesengesetzes zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

23.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Machen Sie Ihrem Namen Ehre! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Mit dem Reden geht das nicht leicht!)

23.41

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Tageszeit möchte ich mich wirklich ganz kurz fassen und möchte nur sagen: Mit dem Gesetzespaket, das wir heute beschließen, beschließen wir ein Ausstiegsszenario aus etwas, Herr Kollege Van der Bellen, was sehr wohl jahrzehntelang Teil unserer Sparkultur war.

Die Vorliebe des österreichischen Sparers für die Anonymität hatte verschiedenste Wurzeln. Eine Wurzel haben wir 1993 mit der Kapitalertragsteuer beseitigt. Seither ist die steuerliche Wurzel eigentlich weggefallen, dennoch war noch jahrelang, was die Anonymität betrifft, zweifellos eine sehr starke Sympathie unserer Sparer vorhanden.

Auf der anderen Seite können wir feststellen, dass die verstärkte Aufklärungsarbeit der Geldinstitute und der Trend zu höheren Sparformen das Thema Anonymität in letzter Zeit relativ stark entschärft haben. Trotzdem haben wir es uns nicht leicht gemacht.

Herr Kollege Van der Bellen! Ich habe in den letzten Monaten zwei oder drei Mal hier vom Rednerpult aus erklärt, dass die Frage, ob die Anonymität EU-konform ist oder nicht, eine Rechtsfrage ist – die EU ist ein Rechtsgebilde – und dass wir die Entscheidung des EuGH abwarten werden.

Was letztlich auslösend war, das war – wie Sie richtig gesagt haben – die Stellungnahme der FATF, der Financial Action Task Force der OECD, woraufhin wir, um Schaden für unser Land abzuwenden, gemeint haben: Wir müssen versuchen, eine Balance zwischen der Erhaltung einer unglaublich hohen Spargesinnung in Österreich einerseits und dem internationalen Kampf gegen die Geldwäsche andererseits zu finden. Ich glaube, wir haben mit diesem Gesetzespaket – und das zeigt auch die Zustimmung der beiden Oppositionsparteien – zweifellos einen erfolgreichen Versuch unternommen, diese Balance zu schaffen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas sagen, meine Damen und Herren: Ich bin Kollegen Kurt Heindl dafür sehr dankbar, dass er hier als Obmann des Finanzausschusses erwähnt und eigentlich sehr stark betont hat, dass wir im Finanzausschuss ein sehr konstruktives Verhandlungsklima haben und dass alle Polemik, die Regierung würde überall drüberfahren und so weiter, im Finanzausschuss unter seiner Vorsitzführung widerlegt wurde.

Wir haben die Argumente gegen die generelle Amnestie ernst genommen, Herr Kollege Van der Bellen. Warum wir Ihr Argument, bei den Sparbüchern einen Freibetrag einzuführen, nicht akzeptiert haben, kann ich Ihnen sehr leicht erklären: weil wir, wie auch in der Regierungsvorlage schon gestanden ist, in der sensiblen Übergangsphase bis zur Abschaffung der Anonymität Irritationen auf dem Kapitalmarkt vermeiden wollen.

Was etwaige Irritationen betrifft, so ist das Sparbuch mit einem höheren Guthaben viel mehr als das Sparbuch des kleinen Sparers gefährdet, nämlich im Hinblick darauf, dass es zu einer Kapitalflucht kommt. Wir wollen, dass das Kapital in Österreich bleibt und dass die Kapitalertragsteuer in Österreich anfällt. Das ist zum Wohle unserer Volkswirtschaft. Das war das Argument, Herr Kollege Van der Bellen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Seit zwei Jahren ...!)

Aber der Vorsitzende Kurt Heindl hat – das muss man sagen, da bin ich immer objektiv gewesen – in einer exzellenten Vorsitzführung und in dem Bemühen, wirklich einen Vier-Parteien-


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 264

Konsens zu finden, hervorragend dazu beigetragen – ich sage es noch einmal –, dass das Argument der Opposition, die Regierung würde überall nur drüberfahren, für den sensiblen Bereich des Finanzwesens nicht gilt. In diesem Sinne: herzlichen Dank, Herr Kurt Heindl! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Heindl: Also keine Fundamental-Opposition!)

23.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

23.45

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Böhacker, da Sie gegenüber meinem Kollegen Dr. Heindl gemeint haben, unser Antrag wäre populistisch und leicht durchschaubar, sage ich Ihnen: Unser Antrag ist angemessen und sozial verträglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur zweiten Sache, die Sie erwähnt haben. Sie haben gemeint, Sie – ich weiß jetzt nicht: die Regierung oder Sie als Regierungsfraktion – seien der Anwalt der kleinen Sparer. (Abg. Böhacker: Ja, richtig!) Ich sage Ihnen: Von sozialer Treffsicherheit wird immer gesprochen (Abg. Böhacker: Sie haben die Sparer verunsichert, indem Sie nicht gehandelt haben!), aber getan wird durch die Generalamnestie das Gegenteil. (Abg. Böhacker: Elf Jahre lang haben Sie es versucht, und Sie haben nichts zustande gebracht!) Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis! (Abg. Böhacker: Elf Jahre lang haben Sie nichts zustande gebracht!)

Herr Kollege Dr. Stummvoll! Sie haben gesagt, es seien Irritationen auf dem Finanzmarkt durchaus im Bereich des Möglichen gewesen. Meine persönliche Einschätzung, meine ganz bescheidene Meinung dazu ist die, dass Personen, die, als sie vor einigen Jahren hörten, dass die Anonymität der Sparbücher in Frage stehen wird, schon damals weggegangen sind, wenn sie mit dem Geld aus Österreich flüchten wollten, und nicht bis jetzt gewartet haben. (Abg. Mag. Firlinger: Edlinger hat es immer geleugnet, Frau Kollegin! Er hat es nicht vertreten!) Ich denke, diese Argumentation ist nicht ganz in Ordnung. (Abg. Mag. Firlinger: Er war immer gescheiter, der Herr Edlinger!)

Ich möchte abschließend sagen, dass es nicht zu rechtfertigen ist, dass diejenigen, die ihr Geld der Finanz entzogen haben, dadurch sozusagen Schwarzgeld erzielt haben und dieses auf anonymen Sparbüchern versteckt haben, jetzt durch die Generalamnestie quasi belohnt werden, während alle anderen anonymen Sparer ihr rechtmäßig erzieltes Einkommen versteuern mussten.

Aus diesen Gründen können wir, wie schon Kollege Dr. Heindl gesagt hat, der Regierungsvorlage nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das ist ein wirklicher Unsinn, Frau Kollegin!)

23.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Trattner zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. (Abg. Mag. Trattner  – auf dem Weg zum Rednerpult –: 2 Minuten, Herr Präsident!)  – Bitte.

23.47

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Kollege Van der Bellen – er ist momentan nicht da –! Auch wir sind mit der Formulierung nicht ganz glücklich, dass "die Möglichkeit zur Eröffnung anonymer Sparbücher" daher "rasch ... beseitigt werden" soll. Wir haben natürlich schon sehr lange darum gekämpft.

Welche Beweggründe hat es gehabt, die Anonymität abzuschaffen? – Ein Beweggrund gegen die Anonymität war die steuerliche Erfassung. Diese ist aber mit der Endbesteuerung im Jahre 1993 zum Großteil gelungen. Der zweite Bereich waren Vermögensverschleierungen gegenüber Gläubigern, und der dritte Bereich waren Vermögensverlagerungen zum Nachteil anderer Berechtigter.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 265

Aber dass das Instrument der Sparbücher beziehungsweise der Sparkonten ein geeignetes Instrument zur Geldwäsche wäre, ist sicherlich nicht der Fall. (Abg. Auer: So ist es!) Darin nämlich, zu sagen, dass ein Sparbuch zur Geldwäsche zu verwenden wäre, würde ich eher als Feigenblatt sehen. Jene Länder, in denen die Kriminalität gerade im Bereich der Drogenkriminalität beziehungsweise sonstiger Kriminalität hoch ist, machen es sich bequem. Sie betreiben nicht dort die entsprechende Ursachenforschung und gehen gegen diese Kriminalität nicht im Ursprungsland vor, sondern suchen sich irgendein Feigenblatt beziehungsweise eine Alibihandlung in einem anderen Land. Das gilt jetzt in Bezug auf die Anonymität leider für Österreich.

Wir beugen uns diesem Urteil, weil wir sonst ausgeschlossen werden. Aber glücklich sind wir mit dieser Vorgangsweise nicht. Die Anonymität der Sparbücher als Instrument der Geldwäsche anzusehen, war sicherlich nicht der richtige Anlassfall. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Huber zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

23.49

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich bin der Meinung, dass mit dem heutigen Beschluss zur Abschaffung der Anonymität eine sehr einschneidende Veränderung in der österreichischen Sparkultur geschieht. Damit kommt es auch zu sehr einschneidenden Veränderungen für die österreichischen Sparerinnen und Sparer.

Es werden daher – ich weiß das als Mitarbeiterin eines Geldinstitutes – äußerst intensive Beratungsstunden auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kreditsektor zukommen. Herr Staatssekretär, ich frage Sie: Haben auch Sie seitens des Ministeriums eine Information für die Sparerinnen und Sparer vorgesehen? Wie sieht sie aus? Wann wird sie erfolgen?

Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts der späten Stunde ist nur kurz zu sagen: Unsere Haltung zur Novelle des Bankwesengesetzes sowie zur Befreiung im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz und zur fehlenden Obergrenze haben Kollege Heindl und Kollegin Hagenhofer schon sehr ausführlich dargelegt. Ich möchte im Zusammenhang mit der Änderung des Bankwesengesetzes nur noch auf eine Reihe von konsumentenpolitischen Forderungen verweisen, von denen ich mir erwartet hätte, dass sie zumindest zum Teil in dieser Novelle des Bankwesengesetzes berücksichtigt werden.

Ich erinnere etwa an die Forderungen nach taggleicher Wertstellung von Ein- und Auszahlungen oder an die Normierung einer angemessenen Überweisungsdauer von maximal zwei Tagen für den Inlandsüberweisungsverkehr. Ich erinnere auch an die erweiterte Informationspflicht bei der Einlagensicherungshöhe und den eigentlich ziemlich großen Handlungsbedarf bezüglich des § 33 Bankwesengesetz, worin es um den effektiven Jahreszinssatz bei Kreditverträgen geht. Konsumentinnen und Konsumenten können nämlich nur dann vergleichen, wenn alle Kosten und Spesen im effektiven Jahreszinssatz enthalten sind.

Herr Staatssekretär! All diese und auch weitere Forderungen der Konsumentenschützer und -organisationen sind Ihnen bekannt. Wenn Sie tatsächlich – wie behauptet wurde – der Anwalt der kleinen Sparer, der Anwalt der Konsumentinnen und Konsumenten wären, dann frage ich mich: Warum gibt es keine Obergrenze bei der nachträglichen Steueramnestie, und warum gibt es keinerlei Bestimmungen, die zum Vorteil der Konsumentinnen und Konsumenten gewesen wären? – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2,5 Minuten. – (Heiterkeit.)  – 3 Minuten.

23.52

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die EU-Kommission und die internationale Geldwäschebehörde FATF wa


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 266

ren und sind davon überzeugt, dass mit den anonymen Sparbüchern in Österreich Geld gewaschen wird.

Ich sage wie mein Vorredner Kollege Trattner: Diese Ansicht ist unsinnig, weil damit tatsächlich keine Geldwäsche durchgeführt werden kann. Aber es fehlt dafür das Verständnis. Offensichtlich haben wir das nicht hinübergebracht. Tatsache ist, dass dies jetzt neu zu regeln ist.

Wichtig ist – das erscheint mir notwendig –, dass in Hinkunft stärkere Restriktionen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Einleitung von Finanzstrafverfahren geschaffen werden. Ein Konto kann nicht quasi auf bloßen Verdacht hin geöffnet werden, oder es sollte nicht so einfach geöffnet werden können. Wichtig wäre hiefür eine richterliche Verfügung.

Meine Damen und Herren! Zum Zweiten bekenne ich mich dazu, dass es keine Obergrenze gibt. In diesem Fall würde eine Kapitalflucht vor sich gehen. Wenn ich mir vorstelle, dass nur 100 Milliarden Schilling ins Ausland abwandern würden, so würde dies einen Steuerverlust, einen KESt-Verlust in Höhe von 1,2 Milliarden Schilling bedeuten. Ich frage mich, wer dies verantworten könnte.

Meine Damen und Herren! Ich halte es für richtig, dass diese beiden Novellen heute beschlossen werden. Trotzdem ist das nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir werden tatsächlich, wie Kollege Heindl angeführt hat, nachdenken müssen, um noch eine notwendige, wichtige Regelung zu finden.

In diesem Sinne stimmen wir selbstverständlich zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

23.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

23.54

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wie meine Vorredner schon festgestellt haben, besteht seit 1989 eine Aufforderung der OECD an Österreich, das anonyme Sparbuch abzuändern. 1995 folgte eine Klage der EU-Kommission, und es ist, wie erwartet, die Entscheidung des EuGH zu Ungunsten Österreichs ausgefallen. Die nun vorliegenden Nachbesserungen wurden notwendig, weil die OECD-Arbeitsgruppe FATF zur Bekämpfung der Geldwäsche zusätzliche Forderungen stellte.

Wie sieht nun die Regierungsvorlage aus? – Ab November dieses Jahres dürfen keine anonymen Sparbücher mehr eröffnet werden. Bei bestehenden Sparbüchern muss sich der Kunde ab November 2000 gegenüber der Bank legitimieren. Einzahlungen und Überweisungen dürfen jedoch ab November 2000 nur noch auf identifizierten Konten erfolgen. Behebungen sind bis 30. Juni 2002 weiterhin anonym möglich.

Sollte bis zum 30. Juni 2002 keine Identifizierung des Kunden erfolgt sein, ist bei Sparbüchern mit Guthaben von mindestens 200 000 S eine Auszahlung nur nach Abwarten einer Siebentagefrist möglich. In dieser Frist prüft das Innenministerium nach einer entsprechenden Meldung der Bank, ob der Verdacht auf Geldwäsche vorliegt.

Sofern das Sparbuch nicht auf den Namen des Kunden lautet und ein Guthaben unter 200 000 S aufweist, kann vom Sparkonto unter Nennung des vereinbarten Losungswortes weiterhin abgehoben worden. Außer einer einmaligen Identifizierung ändert sich bei diesen Sparbüchern für die Sparer nichts.

All diese Maßnahmen müssten ausreichen, um auch die letzten von der FATF befürchteten Geldwäsche-Schlupflöcher zu schließen. Mit der Abschaffung der Anonymität von Spareinlagen setzt die jetzige Bundesregierung den schon längst fälligen Schritt, die Vorschriften der OECD einzuhalten.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 267

Bei der Schenkungssteuer gewinnen sozusagen alle Österreicherinnen und Österreicher die Möglichkeit, keine Steuer zu zahlen.

Wir haben heute schon sehr viel von Gewinnern und Verlierern gehört. Bei dieser Novellierung durch die Bundesregierung gibt es nur Gewinner. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Frieser.

Frau Abgeordnete Frieser! – Sie ist nicht anwesend.

Als Nächster ist Herr Abgeordneter Firlinger zu Wort gemeldet. Er ist anwesend. Restliche Redezeit: 2 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.57

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich verhehle nicht, dass ich in diesem Gesetzentwurf gerne noch eine Passage drinnen gehabt hätte, nämlich jene, die der Verschärfung des Bankgeheimnisses dient.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle wissen, es hat darüber in der vergangenen Legislaturperiode intensive Debatten gegeben, weil sich die Aufhebung der Anonymität bereits abgezeichnet hat. Herr Finanzminister Edlinger – er ist jetzt nicht hier; aus gutem Grund ist er nicht hier! – hat das immer negiert und zur Seite geschoben. Es war ihm egal, er hat sehenden Auges gehandelt. Er hat genau gewusst, dass es eines Tages dazu kommen wird.

Nun gut, ich möchte es auf den Punkt bringen, meine Damen und Herren: Es ist uns angesichts der Maßnahmen der FATF gegen Österreich im Grunde genommen nichts anderes übrig geblieben, als uns den Forderungen in vollem Umfang zu beugen. Daher war – ich sage das ganz offen – eine Verschärfung des Bankgeheimnisses nicht drinnen. Nur möchte ich auch, dass das nicht unerwähnt bleibt.

Verschuldet hat die Misere Herr Finanzminister Edlinger (Ruf bei der SPÖ: Schon wieder!), und verschuldet hat sie auch sein Amtsvorgänger Viktor Klima. In den Beitrittsverhandlungen ist nämlich kein Opting out angemerkt worden. In den Beitrittsverhandlungen ist auch kein Vorbehalt gemacht worden. (Abg. Haigermoser: So ist es!)

Darauf hat auch der Herr Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes in seiner Stellungnahme unter Punkt 55 eindeutig hingewiesen. Aber das war die berühmte "Mir san mir!"-Mentalität: "Uns in Österreich kann nichts passieren", und schon gar nicht dem Herrn Edlinger!

Es ist völlig klar: Herr Edlinger wird sich demnächst in seinen wohlverdienten Ruhestand zurückziehen – das hoffe ich zumindest –, ihm kann wirklich nichts passieren. (Abg. Fischl: Mit seinem Dackel, der die Wurscht frisst!) Aber die Suppe auslöffeln muss diese Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Und die Bürger!)

23.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

23.59

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dieser Regelung wollen wir jetzt, nachdem das so lange besprochen worden ist, eine rasche und endgültige Lösung der Anonymitätsproblematik erreichen.

Der Grund dafür, dass kein Betragslimit eingeführt wurde, liegt einzig darin, dass die Kapitalflucht so gering wie möglich gehalten werden soll, denn diese wäre gerade durch eine solche Betragsbegrenzung erreicht worden, und das hätte nicht dem beabsichtigten Zweck entsprochen. Der kleine Sparer hat gar keine entsprechenden Möglichkeiten und bleibt ohnehin da.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 268

Die Meldungen an die EDOK kann man vermeiden. Außerdem sind sie nur für Beträge ab 200 000 S vorgesehen. Außerdem kann man eine Meldung durch eine rechtzeitige Identifizierung vermeiden.

Ich meine, dass wir damit eine Regelung erreicht haben, die auf internationaler Ebene – EU und FATF – anerkannt wird, und dass wir damit bewiesen haben, dass Österreich bemüht ist, seine Verpflichtungen ehrlich und angemessen zu erfüllen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

0.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Zernatto. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.01

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um Ludwig Thoma zu zitieren: "Es ist zwar alles gesagt, aber noch nicht von allen". – Vor allem habe ich mich aber zu Wort gemeldet, um vielleicht doch zu erreichen, dass das Haus wieder eine gewisse Fülle bekommt.

Ich glaube, man kann Herrn Staatssekretär Finz nur zustimmen, wenn er meint, dass es sinnvoll war, rasch eine Lösung in diesem Zusammenhang zu finden. Ich meine, man sollte in diesem Zusammenhang auch betonen, dass die internationale Kriminalität – wie Drogenhandel, Geldwäsche und Computerkriminalität – heute nur dann wirkungsvoll zu bekämpfen ist, wenn es diesbezüglich internationale Solidarität gibt und wenn die internationale Zusammenarbeit auch auf Basis gemeinsamer rechtlicher Voraussetzungen wahrgenommen werden kann.

Dass niemandem richtig wohl dabei war, dieses Gesetz in dieser Form zu beschließen, ist aus den vorigen Wortmeldungen schon sehr deutlich hervorgegangen. Ich meine aber, dass es in Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen wichtig und notwendig war und dass es vor allem wichtig und notwendig war, eine rasche Lösung zustande zu bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, schön langsam darf ich jetzt zum Ende kommen. Ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei unserem Finanzministerium, beim Finanzminister und beim Staatssekretär dafür, dass in diesem Zusammenhang mutig, rasch und dem Reformeifer dieser Bundesregierung entsprechend eine Lösung zustande gebracht wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

0.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 157 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wird, in 158 der Beilagen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 269

Hiezu haben die Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf 158 der Beilagen in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll und Genossen abstimmen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen somit zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

22. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (105 der Beilagen): Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Anteilen im Rahmen der allgemeinen Kapitalerhöhung der Inter-Amerikanischen Investitionsgesellschaft (IIC) (159 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu Punkt 22 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte zu Punkt 22 ist daher geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 105 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

23. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wählerevidenzgesetz, das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalratswahlordnung) sowie das Bundesgesetz über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament (Europa-Wählerevidenzgesetz) geändert werden (116/A)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu Punkt 23 der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

0.05

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Da die Zeit sehr vorgeschritten ist und noch dazu die einzige Fraktion, die sich zu dieser Debatte auch zu Wort gemeldet hätte, nämlich die Freiheitlichen, keine Redezeit mehr hat ... (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )  – Dann tut es mir leid, dann hätte ich es nicht so gesagt! Aber es wäre zumindest das Interesse


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
30. Sitzung / Seite 270

signalisiert worden, zu einer ersten Lesung zu sprechen, in welcher es zumindest in Teilbereichen um ein Anliegen geht, das auch Sie in der Vergangenheit immer wieder in diesem Hause eingebracht haben. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass aus guten Gründen der diesbezügliche Diskussionsbedarf jetzt nicht mehr allzu groß ist. (Demonstrativer Beifall des Abg. Ing. Herbert L. Graf. )

Ich möchte aber um zwei Dinge bitten, nämlich dass wir einerseits im Verfassungsausschuss eine wirklich ernsthafte Diskussion zu diesem Anliegen führen können und dass man sich andererseits auch darum bemüht, dass zumindest Teile dieses Antrages im Sinne eines ersten Schrittes zu einer kommunalen Absenkung des Wahlalters so ernsthaft diskutiert werden, dass es vielleicht auch eine Lösung geben kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

0.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 116/A dem Verfassungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über einen Fristerstreckungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nun noch zur Abstimmung über den Antrag, dem Justizausschuss die Frist zu Berichterstattung über den Antrag 127/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, bis 1. Dezember 2000 zu erstrecken.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristerstreckungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 191/A bis 208/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 920/J bis 944/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 0.08 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 0.07 Uhr