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Plenarsitzung

des Nationalrates

Stenographisches Protokoll

 

237. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 25. Oktober 2023

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Nationalratssaal


Stenographisches Protokoll

237. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                   Mittwoch, 25. Oktober 2023

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 25. Oktober 2023: 13.00 – 13.02 Uhr

                                                                                                    16.00 – 18.41 Uhr

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................... 15

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung ......................................................................................... 17

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................. 15

Ausschüsse

Zuweisungen ................................................................................................................ 16

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sou­veränität und Neutralität sichern Österreichs Freiheit“ (3667/A)(E) ............................................ 18


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 2

Begründung: Herbert Kickl ......................................................................................... 44

Staatssekretärin Claudia Plakolm ............................................................................... 56

Debatte:

Dr. Susanne Fürst ......................................................................................................... 61

Dr. Christian Stocker ..........................................................................................  66, 131

Mag. Jörg Leichtfried .................................................................................................... 70

Michel Reimon, MBA .................................................................................................... 73

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ............................................................................... 78

Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner ...................................................................... 82

Ing. Mag. Volker Reifenberger ..................................................................................... 84

Mag. Friedrich Ofenauer .............................................................................................. 87

Robert Laimer ............................................................................................................... 90

David Stögmüller .......................................................................................................... 97

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................ 101

Petra Steger ................................................................................................................ 107

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 110

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................ 114

Mag. Agnes Sirkka Prammer ..................................................................................... 117

Mag. Yannick Shetty .................................................................................................. 119

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 123

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 126

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................... 128

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) ........................................... 132

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 133

Entschließungsantrag der Abgeordneten Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Engagierte Neutralitätspolitik in Krisenzeiten“ – Ablehnung .....................  94, 136

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 3667/A(E) ...................  135


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 3

Eingebracht wurden

Berichte ........................................................................................................................ 16

III-1041: Bericht betreffend Koordination der Cyber-Defence – Reihe BUND 2023/30; Rechnungshof

III-1046: Bericht der Bundesschüler/innenvertretung 2022/23 gemäß § 33a Schülervertretungengesetz (SchVG); BM f. Bildung, Wissenschaft und Forschung

III-1047: Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für März 2020 bis Septem­ber 2023; BM f. Arbeit und Wirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Souveränität und Neutralität sichern Österreichs Freiheit (3667/A)(E)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahl­recht für EU-Bürger:innen (3668/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Tätigkeit des Prüfdienstes für Lohnabgaben und Beiträge“ (16644/J)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Wie sind die Arbeitsbedingungen beim Prüfdienst für Lohnabgaben und Beiträge?“ (16645/J)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „Tätigkeit der Arbeitsinspektionen“ (16646/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 4

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Wie sind die Arbeitsbedingungen bei der Finanzpolizei?“ (16647/J)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Tätigkeit der Finanzpolizei“ (16648/J)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend „Wie sind die Arbeitsbedingungen in den Arbeits­inspektionen?“ (16649/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Warum befinden sich „Staatsgeheimnisse“ in den Emails des BKA? (16650/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Causa Ernst Nevrivy und Weninger (16651/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Delegation bei Afrikareisen des Bundeskanzlers (16652/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Aufwände für Zusatzpensionen in der Sozialversicherung 2022 (16653/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Aufforderungsschreiben nach §8 AHG (16654/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Auffor­derungsschreiben nach §8 AHG (16655/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt betreffend Aufforderungs­schreiben nach §8 AHG (16656/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 5

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt betreffend Aufforderungsschreiben nach §8 AHG (16657/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufforderungsschreiben nach §8 AHG (16658/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Aufforderungsschreiben nach §8 AHG (16659/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technolo­gie betreffend Aufforderungsschreiben nach §8 AHG (16660/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Auffor­derungsschreiben nach §8 AHG (16661/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Lan­desverteidigung betreffend Aufforderungsschreiben nach §8 AHG (16662/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Aufforderungsschreiben nach §8 AHG (16663/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Aufforderungsschreiben nach §8 AHG (16664/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Auffor­derungsschreiben nach §8 AHG (16665/J)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Arbeitsbericht Taskforce Bargeld (16666/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 6

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bankomaten zum Selbstkostenpreis für Gemeinden (16667/J)

Michael Seemayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Förderung der Lehrberufe im Bereich Touris­mus (16668/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Strompreise:
E-Wirtschaft fordert Rechtssicherheit (16669/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Strompreise: E-Wirtschaft fordert Rechtssicher­heit (16670/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Asylkrise spitzt sich wieder zu (16671/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Desinformation iZm der Mietpreisbremse durch den Bundeskanzler und dessen Bashing gegen den gemeinnützigen Wohnbau (16672/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terror-Warnstufe in Österreich (16673/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Schein­firmen 2023 – Sozialbetrug, Sozialversicherungsbetrug und Sozial­versicherungsrückstände (16674/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Scheinfirmen 2023 – Ermittlungsverfahren wegen Wirt­schaftskriminalität und Finanzstrafdelikten (16675/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Scheinfirmen 2023 – Ermittlungsverfahren wegen Wirt­schaftskriminalität und Finanzstrafdelikten (16676/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 7

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ver­schwundene Dokumentationsbögen (16677/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zentrum für Suchtmedizin – Zustände untragbar (16678/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Übergriffe bzw. geplante Geiselnahmen durch Häftlinge gegenüber Strafvollzugsbediensteten (16679/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Einsatz von Pfefferspray in österreichischen Justizanstalten (16680/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Überraschungsangriff“ von EX-BVT-Direktor Peter Gridling (16681/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI erwirkt Greenwashing-Urteil gegen Austrian Airlines (16682/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Strom­preise: E-Wirtschaft fordert Rechtssicherheit (16683/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Hohe Inflation: Österreicher müssen beim Essen sparen (16684/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Hohe Inflation: Österreicher müssen beim Essen sparen (16685/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 8

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt betref­fend Vorwurf massiver Belästigungen in Tiroler Polizei (16686/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Vorwurf massiver Belästigungen in Tiroler Polizei (16687/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorwurf massiver Belästigungen in Tiroler Polizei (16688/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Studien und Dienstleistungen (16689/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betref­fend Studien und Dienstleistungen (16690/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Studien und Dienstleistungen (16691/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Studien und Dienstleis­tungen (16692/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Studien und Dienstleistungen (16693/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Studien und Dienstleistungen (16694/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Studien und Dienstleistungen (16695/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Studien und Dienstleistungen (16696/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 9

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Studien und Dienstleistungen (16697/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Studien und Dienstleistungen (16698/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt betreffend Studien und Dienstleistungen (16699/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt betreffend Studien und Dienstleistungen (16700/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Studien und Dienstleistungen (16701/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Studien und Dienstleistungen (16702/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Linksextreme „Kritische Einführungstage“ der ÖH Uni Wien (16703/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Linksextreme „Kritische Einführungstage“ der ÖH Uni Wien (16704/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Opfer von „Taubstummenanstalten“ entschädigen (16705/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 10

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Stationenwechsel gegen Personalmangel in Pflege (16706/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ver­gütungsansprüche bei Sehbehelfen bei der SVS (16707/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Nachbesetzung von Kassenarztstellen im Bundesland Kärnten (16708/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Opfer von „Taub­stummenanstalten“ entschädigen (16709/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Remote-Arbeitskräfte aus der Ukraine in Österreich (16710/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend ÖH-finanziertes Kampf­sporttraining für linksradikales Vorfeld? (16711/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Scheinfirmen 2023 – AMS-Förderun­gen, Gewerberecht, Arbeitsinspektionen und Insolvenzentgeltfonds (16712/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Remote-Arbeitskräfte aus der Ukraine in Österreich (16713/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Remote-Arbeitskräfte aus der Ukraine in Österreich (16714/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 11

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Extremismus in Österreich (16715/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt betreffend Österreichisches Veto gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien (16716/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreichisches Veto gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien (16717/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Österreichisches Veto gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien (16718/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgeanfrage: Stand der Umsetzung der Empfehlun­gen der Kindeswohlkommission (16719/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Folgeanfrage: Stand der Umsetzung der Empfehlungen der Kindeswohlkommission (16720/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Begehung antisemitischer Handlungen am Wiener Stadttempel: Wo war der angekündigte Objektschutz jüdischer Einrichtungen? (16721/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungen wegen Begehung antisemitischer Handlungen am Wiener Stadttempel (16722/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15470/AB zu 15984/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 12

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15471/AB zu 15980/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Petra
Bayr, MA MLS,
Kolleginnen und Kollegen (15472/AB zu 15994/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15473/AB zu 15979/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolle­ginnen und Kollegen (15474/AB zu 15975/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kollegin­nen und Kollegen (15475/AB zu 15976/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kol­legen (15476/AB zu 15986/J)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundes­kanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15477/AB zu 15988/J)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen (15478/AB zu 15990/J)

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordne­ten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15479/AB zu 15978/J)

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordne­ten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen (15480/AB zu 15993/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 13

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirt­schaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15481/AB zu 15983/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirt­schaft auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen (15482/AB zu 15992/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15483/AB zu 15982/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenhei­ten auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15484/AB zu 15977/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15485/AB zu 15989/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Petra
Bayr, MA MLS,
Kolleginnen und Kollegen (15486/AB zu 15995/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen (15487/AB zu 15981/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Lindner, Kolle­ginnen und Kollegen (15488/AB zu 15987/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kollegin­nen und Kollegen (15489/AB zu 15997/J)

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Abge­ordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (15490/AB zu 15999/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Barbara Neßler, Kollegin­nen und Kollegen (15491/AB zu 15998/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 14

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundes­kanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trautt­mansdorffKolleginnen und Kollegen (15492/AB zu 16001/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (15493/AB zu 16004/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolle­ginnen und Kollegen (15494/AB zu 16000/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirt­schaft auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (15495/AB zu 16003/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (15496/AB zu 16002/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (15497/AB zu 16005/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (15498/AB zu 16006/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 15

13.00.29Beginn der Sitzung: 13 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures.

13.00.30*****


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordne­ten! Ich eröffne die 237. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 des Geschäftsord­nungsgesetzes einberufen wurde.

Die Amtlichen Protokolle der 233. und der 234. Sitzung vom 18. Oktober 2023 sowie die Amtlichen Protokolle der 235. und der 236. Sitzung vom 19. Oktober 2023 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Martin Engelberg, Karlheinz Kopf, Dr. Reinhold Lopatka, Nico Marchetti, Carina Reiter, Ing. Reinhold Einwallner, Dietmar Keck, Kai Jan Krainer, Dr. Harald Troch, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Christian Ries, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Heike Grebien, Dr. Elisabeth Götze, Mag. Nina Tomaselli, Henrike Brandstötter, Douglas Hoyos-Trauttmans­dorff, Dr. Stephanie Krisper und Dr. Nikolaus Scherak, MA.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Doris Bures: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanz­leramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung fol­gende Mitteilung gemacht:

Vertreten wird Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc durch Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Werner Kogler und Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher durch Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 16

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 16644/J bis 16722/J

2. Anfragebeantwortungen: 15470/AB bis 15498/AB

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition betreffend "Women’s soccer without boundaries", überreicht vom Abgeord­neten Maximilian Köllner, MA (131/PET)

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend Koordination der Cyber-Defence – Reihe BUND 2023/30 (III-1041 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Ent­scheidung des Ausschusses):


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll237. Sitzung, 237. Sitzung des Nationalrats vom 25. Oktober 2023 / Seite 17

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für März 2020 bis September 2023, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-1047 d.B.)

Unterrichtsausschuss:

Bericht der Bundesschüler/innenvertretung 2022/23 gemäß § 33a Schülervertretungengesetz (SchVG), vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (III-1046 d.B.)

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Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsidentin Doris Bures: Der Freiheitliche Parlamentsklub hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, den Selbständigen Antrag 3667/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Souveränität und Neutralität sichern Österreichs Freiheit“ dringlich zu behandeln.

Der Aufruf des Dringlichen Antrages wird um 16 Uhr erfolgen.

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Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF III bis 19.15 Uhr übertragen wird; anschließend wird diese Sitzung in der TVthek gesendet.

Damit unterbreche ich nun die Sitzung bis 16 Uhr.

13.02.47*****

(Die Sitzung wird um 13.02 Uhr unterbrochen und um 16 Uhr wieder aufgenommen.)

16.00.27*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Ich darf die Damen und Herren Abgeordneten recht herzlich begrüßen und die unterbrochene Sitzung wieder aufnehmen.

Mein Gruß gilt auch den Damen und Herren der Medien und unseren Zu­seherinnen und Zusehern hier auf der Galerie und zu Hause an den Fernsehschirmen.

16.00.54Dringlicher Antrag

des Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sou­veränität und Neutralität sichern Österreichs Freiheit“ (3667/A(E))


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 3667/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

1955 hat Österreich nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und einer zehnjährigen Besatzung seine Souveränität zurückerlangt. Die Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955 und der Beschluss des Bundesverfassungs­gesetzes über die Neutralität Österreichs am 26. Oktober 1955 waren dafür die we­sentlichen Schritte. 68 Jahre später sind sowohl die Souveränität als auch die Neutralität Österreichs in einem erbärmlichen Zustand. Beide Werte sind durch das verhängnisvolle Handeln der schwarz-grünen Bundesregierung unter Bundes­kanzler Karl Nehammer akut gefährdet.

Zwischen Neutralität und Souveränität besteht in Österreich ein enger und ursächlicher Zusammenhang. Österreich hat sich immerwährend neutral erklärt, um seine Souveränität bestmöglich zu schützen. Seit der Beschlussfassung des


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Neutralitätsgesetzes war Österreich stets ein verlässlicher Vermittler zwischen inter­nationalen Konfliktparteien und hat dadurch einen wichtigen Beitrag zum eigenen wie auch zum Frieden anderer beigetragen. Gemessen an der Größe unseres Heimatlandes ist dieser Beitrag überproportional hoch.

Das bedeutet aber nicht, dass Österreich seine Selbständigkeit nicht tagtäglich verteidigen müsste. Dazu braucht es nicht nur eine intakte Armee, sondern vor allem Politiker, die den Mut haben, die Interessen Österreichs über alle anderen zu stellen und sich kompromisslos für das eigene Land einzusetzen. Leider sind solche Politiker rar gesät.

Gerade in der Politik der Gegenwart müssen wir feststellen, dass sich die Bundes­regierung und der Bundespräsident in einem vorauseilenden Gehorsam ge­genüber den Interessen anderer Staaten oder internationaler Organisationen üben. Das schwerwiegendste Beispiel der Gegenwart sind mit Gewissheit die Sanktionen gegen Russland, die Österreichs Wirtschaft selbst existentiell treffen, ohne dass sich die österreichische Bevölkerung dazu auch nur eine Meinung hätte bilden können.

Ebenso ist die galoppierende Inflation, die eine dramatische Höhe von historischer Dimension angenommen hat, ein Resultat dieses Souveränitätsverlustes. Ne­ben den Sanktionen war es vor allem die Abschaffung der eigenen Währung, die uns heute jede selbstbestimmte Handlungsmöglichkeit nimmt und jeden Einzelnen von uns dazu zwingt, die Schulden von anderen Staaten, nämlich insbesondere von jenen in Europas Süden, zu begleichen. Die FPÖ hat vor exakt dieser Entwick­lung immer gewarnt und sich für die Beibehaltung des Schillings ausgesprochen – lei­der vergebens.

Ebenso hat die FPÖ vor einem Beitritt zur Europäischen Union ohne Wenn und Aber stets gewarnt. Auch in dieser Frage hat die FPÖ Recht behalten, zumal Öster­reich seit seinem EU-Beitritt einem stetigen Kompetenzabfluss nach Brüssel ausge­setzt ist und somit von Jahr zu Jahr weniger in der Lage ist, seine Angelegen­heiten nach eigenen Vorstellungen zu regeln. Artikel 1 der Bundesverfassung, wonach


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Österreich eine demokratische Republik ist und ihr Recht vom Volk ausgeht, verkommt peu à peu zu totem Recht.

Übergriffige EU und willfährige Regierung sind Gift für Österreichs Souveränität und Neutralität

Gerade im Zusammenspiel mit einer zunehmend übergriffigen EU treibt die Selbst­aufgabe der Bundesregierung bei der Verteidigung der österreichischen Sou­veränität und Neutralität immer bedrohlichere Blüten. Dazu seien folgende aktuelle Beispiele angeführt:

-            Neutralitätsverletzung durch die Ukraine-Politik der EU

Österreich finanziert nicht nur bilateral die Kriegspartei Ukraine, sondern transferiert Unsummen an österreichischem Steuergeld auch über Zahlungsmechanismen der Europäischen Union an das Selenskyj-Regime. Kurz vor dem Sommer forderte die EU-Kommission eine Aufstockung des EU-Budgets, um der Ukraine weitere 50 Milliarden Euro zur Verfügung stellen zu können, wobei davon 17 Milliarden als Zuschüsse verbucht sind, welche nicht zurückgezahlt werden müssen.1

Laut dem „Ukraine Support Tracker“ des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, der die militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe auflistet, die Regierungen seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine am 24. Januar 2022 an die Ukraine geleistet haben, summieren sich die bis­herigen Beiträge Österreichs zusammen mit den Anteilen, welche aufgrund des ge­planten erneuten Milliardenpaktes entstehen, auf eine Gesamthöhe von 3,22 Milliarden Euro(!) an Unterstützung für das Selenskyj-Regime, wobei 2,47 Mil­liarden Euro über Finanzierungsmechanismen der Europäischen Union bereit­gestellt wurden oder werden.2

Hervorzuheben sind jene Milliardenausgaben der EU-Mitgliedstaaten, welche über die sogenannte Europäische Friedensfazilität abgewickelt werden und an die ukrainischen Streitkräfte fließen. Konkret handelt es sich bei diesen Ausgaben


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mittlerweile um die unfassbare Summe von 5,6 Milliarden Euro. Die Ober­grenze dieser Fazilität wurde mehrfach angehoben und beläuft sich nun auf rund 12 Milliarden Euro, wobei Österreich einen Finanzierungsanteil von 2,79 Pro­zent trägt. Bei Ausschöpfung bis zur Obergrenze im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 bedeutet dies für den österreichischen Steuer­zahler einen Beitrag in Höhe von etwa 335 Millionen Euro! Auch die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte finanziert die Republik Österreich über die soge­nannte Friedensfazilität mit.3 Zur Entminung steuert Österreich ebenfalls einen Millionenbetrag bei.4

Es widerspricht jeder Neutralitätspolitik, eine Kriegspartei überhaupt zu unterstützen, doch die Höhe und Intensität der angeführten EU-Maßnahmen untergräbt unsere verfassungsrechtlich gebotene Neutralität in bisher ungekanntem Ausmaß.

-            Klimahysterie schädigt Staat und Bürger

Die Klimapolitik der Europäischen Union ist von Hysterie und fehlender Weitsicht getragen. Nicht nur die Souveränität unserer Heimat, sondern jene jedes ein­zelnen Bürgers wird hier unnötigerweise beschnitten.

Das beschlossene Verbot von Benzin- und Dieselmotoren ist der bisher traurige Höhepunkt einer vollkommen verfehlten Klimapolitik der Europäischen Union. Der nächste EU-Anschlag im Namen der Klimaerrettung betrifft die Hausbesitzer, deren Eigentum bis 2050 „klimaneutral“ werden soll. Rund 60 Prozent (!) aller Häuser in Österreich wären von dieser Maßnahme betroffen, die Kosten für die Besitzer werden massiv und einschneidend sein.5 Auch die Industrie und das Unternehmertum bleiben im Visier der EU. Durch das geplante EU-Lieferkettengesetz wird den Unternehmern ein neues Bürokratiemonster vorgesetzt.

Generell ist festzuhalten, dass die Klimapolitik der EU von zwei wesentlichen Merkmalen gekennzeichnet ist: Einerseits definiert die EU den mit Angstgefühlen aufgeladenen Wandel der klimatischen Verhältnisse als grenzüberschrei­tend und spricht sämtlichen Nationalstaaten unumkehrbar die Kompetenz ab,


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Umweltpolitik auf nationalstaatlicher Ebene abwickeln zu können. Ande­rerseits bedeuten die von der EU forcierten Maßnahmen ungeheure Mehrkosten, welche allesamt die Bürger der EU-Mitgliedstaaten, natürlich insbesondere der Nettozahler-Staaten, zu tragen haben.

-            Zwangsverteilung von Migranten hebelt nationale Souveränität aus

Der nächste fatale Eingriff der EU in die nationalstaatliche Souveränität betrifft den besonders heiklen Bereich der Migrationspolitik. Obwohl sich Innenminister Karner (ÖVP) im Mai dieses Jahres noch strikt gegen eine EU-Verteilungsquote von Asylwerbern aussprach,6 enthielt er sich bei der für die Zukunft unseres Lan­des so entscheidenden Abstimmung über die EU-Krisenverordnung Anfang Oktober der Stimme.7 Zukünftig sollen demnach EU-Mitgliedstaaten, welche unter den illegalen Migrationsströmen besonders leiden, Unterstützung von den anderen EU-Mitgliedstaaten einfordern können. Diese müssen dann entweder illegal eingereiste Migranten selbst übernehmen oder Zwangsgelder in Höhe von 20.000 Euro pro nicht übernommenem Migranten zahlen.8

Fortan ist Österreich in der Frage des Asylrechts nicht mehr souverän, sondern wird zur Übernahme illegaler Einwanderer verpflichtet oder zu Strafzahlungen ver­donnert. Wie es ein Innenminister verantworten kann, sich in solch einer Schicksals­frage unserer Zeit seiner Stimme zu enthalten, bleibt unerklärlich. Die Ver­teilung von illegalen Migranten kann jedenfalls niemals die Migrationsproblematik Europas lösen, vielmehr sind die illegalen Migrationsströme endlich zu unter­binden und eine Abschiebungsoffensive ist zu starten. Solidarisch sollte die Bundesre­gierung zuallererst mit der eigenen Bevölkerung sein, welche unter den Lasten der illegalen Massenimmigration seit vielen Jahren schwer zu leiden hat. Hierfür wä­ren ein Asylstopp und ein echter Grenzschutz vonnöten.

Ebenso abzulehnen ist die Rechtsprechung des EuGH, wonach Grenzkontrollen nur befristet durchzuführen und jedes Mal neu zu begründen sind.9 Denn die ille­gale Massenmigration nach Europa stellt jedenfalls keine nur alle sechs Monate auf­tauchende, jeweils „neue“ Bedrohung der Sicherheit der EU-Mitgliedstaaten


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dar, sondern ist eine permanente Gefahr. Bislang waren – bis auf wenige Ausnahmen – die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union außerstande, einen intakten Grenzschutz zu errichten, schon gar nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten. Fol­gerichtig ist ein effizienter und lückenloser Außengrenzschutz Vorbedingung für den Wegfall nationalstaatlicher Grenzschutzmaßnahmen. Eine temporäre Befris­tung derselben erscheint vor diesem Hintergrund mehr als reformbedürftig.

-     Einstimmigkeitsprinzip soll für verantwortungslose EU-Erweiterung geopfert werden

Um eine verantwortungslose Erweiterungspolitik – Stichwort Ukraine - forcieren zu können, wird immer wieder betont, dass die Entscheidungsmechanismen ge­ändert werden müssten – gemeint ist hierbei eine Abschaffung des Einstimmigkeits­prinzips.10 Eine derartige Reform hätte zur Folge, dass kein einzelner Mitglied­staat in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in Angelegenheiten der So­zial-, Steuer- und Haushaltspolitik seine nationalstaatlichen Interessen vor Schnellschüssen der Europäischen Union schützen und bewahren könnte.

Ein Gas-Embargo gegen die Russische Föderation wäre unter diesen Voraussetzungen wohl schon längst beschlossene Sache, auch wenn aufgrund dieser Sanktionie­rung der österreichischen Industrie die Lichter ausgehen würden. Für Sanktionen ge­gen einen einzelnen EU-Mitgliedstaat wegen behaupteter Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit wäre künftig ebenfalls keine Einstimmigkeit mehr erforderlich.

Der Wegfall des Einstimmigkeitsprinzips würde die tatsächlich demokratisch legiti­mierten Entscheidungsträger in Europa – nämlich die Regierungen der Natio­nalstaaten – in unverantwortlichem Ausmaß schwächen. Demokratische Wahlen in den Mitgliedstaaten würden dadurch ebenfalls entwertet. Vor allem kleine Mitgliedstaaten wie Österreich wären ohne das Einstimmigkeitsprinzip jedweder Möglichkeit beraubt, in entscheidenden Politikbereichen im Interesse der eigenen Bevölkerung einen Einspruch zu erheben.


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-            EU will Mercosur an österreichischem Veto „vorbeischwindeln“

Ein aktuelles Beispiel zeigt, dass die EU-Eliten die Abschaffung des Einstimmigkeits­prinzips gar nicht abwarten wollen und sich mit einem unlauteren Trick schon jetzt über dieses Prinzip hinwegsetzen. Das Mercosur-Abkommen soll in ein handels­politisches Abkommen und ein allgemeinpolitisches Abkommen „gesplittet“ werden, um so das drohende Veto Österreichs im Rat zu umgehen. Dieses Veto fußt auf einem Antrag auf Stellungnahme11 im Ständigen Unterausschuss des Hauptausschusses EU vom 18. September 2019,12 dem bis auf die NEOS alle Frak­tionen zugestimmt haben. Es verpflichtet die österreichischen Vertreter im Rat nach wie vor dazu, Mercosur abzulehnen. Ein rein handelspolitisches (Teil-) Abkommen könnte dennoch mit qualifizierter Mehrheit beschlossen wer­den. Das allgemeinpolitische Abkommen wäre dann in einem zweiten Schritt im Rat einstimmig zu beschließen.

-            Schuldenunion beraubt Nationalstaaten ihrer Budgethoheit

Die Europäische Union ist unter dem Deckmantel der Corona-Politik zur Schulden- und Transferunion mutiert, wobei die einzelnen Nationalstaaten milliarden­schwere Haftungen übernommen haben, ohne die Verwendungszwecke der Gelder mitbeeinflussen bzw. steuern zu können.

Die Kommission der Europäischen Union forciert seit Jahren einen finanzpolitischen Kurs, um sich selbst immer mehr und höhere Eigenmittelanteile zu sichern, dies nicht zuletzt, um eine von den Mitgliedstaaten entkoppelte Finanzpolitik etablie­ren und betreiben zu können.

Die mit der Entstehungsgeschichte der Demokratie und des Parlamentarismus eng verflochtene Frage der Budgethoheit wird hierbei den europäischen Nationalstaaten Stück für Stück entzogen und den demokratisch nicht legitimierten „Vereinigten Staaten von Europa“ zugesprochen.


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-            Recht auf Bargeldzahlung wird durch Grenzen und Digitalen Euro aufgeweicht

Der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission „zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung“ vom 20. Juli 2021 beinhaltet „eine Bestimmung zur eingeschränkten Nutzung von Bargeld.“13 Dementsprechend ist in Art. 59 Abs. 1 des Verordnungsvorschlages festgehalten:

Personen, die mit Gütern handeln oder Dienstleistungen erbringen, dürfen Barzahlungen nur in Höhe von maximal 10.000 EUR oder dem entsprechenden Ge­genwert in der nationalen oder einer Fremdwährung entgegennehmen oder tätigen, unabhängig davon, ob die Transaktion in einem einzigen Vorgang oder in mehreren Vorgängen, zwischen denen eine Verbindung zu bestehen scheint, getätigt wird.14

Dem Europäischen Parlament geht selbst dieser beträchtliche Einschnitt nicht weit genug, es fordert eine Obergrenze von 7.000 Euro.15 Diese Pläne der EU-Insti­tutionen sind als Teil eines schrittweisen Prozesses anzusehen, an dessen Ende die Abschaffung des Bargeldes stehen soll.

Auch der Vorschlag eines Rechtsrahmens für die Einführung des Digitalen Euro durch die EU-Kommission deutet in Richtung massiver Einschränkungen des Bargeld­verkehrs. Der digitale Euro soll als „Ersatz-Bargeld“ eingeführt werden. Die Notwen­digkeit wird damit argumentiert, dass angeblich immer mehr Menschen nicht mehr mit Bargeld bezahlen wollen. Ihnen müssten die Notenbanken eine kostenlose Alternative zu den (meist kostenpflichtigen) privaten Angeboten, etwa Kredit­karten, bieten. Zu befürchten ist jedoch, dass Politik und Wirtschaft nach Einführung des Digitalen Euro umso mehr zu dessen Verwendung drängen werden und ihn als gleichwertigen Ersatz zum Bargeld in Form von Banknoten und Münzen be­handeln werden. Geschäfte, die den Digitalen Euro akzeptieren, könnten so einer Annahmepflicht von Bargeld entsprechen, ohne Scheine und Münzen zu ak­zeptieren – eine Entwicklung, die etwa in Schweden schon jahrelang anhält.


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Zu befürchten ist weiters, dass es auch beim Digitalen Euro faktische Transaktions­grenzen geben wird und jede Transaktion trotz derzeit anderslautender Beteue­rungen zentral erfasst und kontrolliert werden könnte.

All diesen Vorhaben gilt es eine klare Absage zu erteilen. Bargeld ist nicht nur das einzige Zahlungsmittel, welches ohne jedes technische Hilfsmittel – selbst in Krisenzeiten – verwendet werden kann. Es schützt den Bürger auch vor dem Verlust von Freiheiten und vor einer, von der EU angestrebten, totalen Überwachung. Außerdem trägt es zur Wahrung der Privatsphäre bei. Ohne Zweifel würde zudem eine Obergrenze für die Verwendung von Bargeld keine effiziente Maßnah­me zur Bekämpfung krimineller Organisationen darstellen, da diese problemlos auf alternative Tauschmittel zurückgreifen könnten.

Internationale Organisationen untergraben Österreichs Souveränität

Nicht nur durch die EU wird die österreichische Souveränität zunehmend ausgehöhlt. Auch andere internationale Organisationen greifen mehr und mehr in österrei­chische Agenden ein. Beispielhaft seien hier genannt:

-            Vereinte Nationen – Agenda 2030 – „Sustainable Development Goals”

Hinter den positiv formulierten „Sustainable Development Goals“ (SDGs) – von sauberem Wasser über Wirtschaftswachstum bis hin zu globalem Frieden – steht die politische Agenda einer Machtverschiebung von den Nationalstaaten zu den Vereinten Nationen. Die FPÖ lehnt jede Unterordnung des Parlaments und somit der nationalstaatlichen Demokratie unter eine demokratisch schwach legitimierte UNO ab.

Hervorgegangen sind diese SDGs aus den im Jahr 2000 beschlossenen acht Entwicklungszielen (MDG: Millennium Development Goals), die bis zum Jahr 2015 erreicht werden sollten. Damit Länder auch nach Ablauf des MDG-Zeitraumes weiterhin konkreten entwicklungspolitischen Leitlinien folgen, wurde auf dem MDG-Gipfel 2010 ein Post-2015-Prozess angestoßen. Ende September 2015 wur-


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den die MDG schließlich durch die 17 auf dem Weltgipfel für nachhal­tige Entwicklung 2015 in New York von den 193 aktuellen Mitgliedsstaaten der UNO einstimmig verabschiedeten SDGs (deutsch: „nachhaltige Entwicklungsziele“) abgelöst.16 Dabei ist zu betonen, dass das ursprüngliche Konzept einer Unterstützung von Entwicklungsländern dahingehend erweitert wurde, dass auch entwickelte Demokratien einbezogen werden und sich durch die Unterschrift eines Regierungschefs ohne Einbindung des Nationalrates zur Umsetzung von umfassenden Zielvorgaben verpflichten.

Das Endprodukt ist ein rund 30-seitiges Dokument mit dem Titel Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung17. Es ist weit mehr als nur ein Katalog neuer Entwicklungsziele, sondern umfasst neben einer Präambel vier Teile:

•            Erklärung der Staats- und Regierungschefs

•            Ziele und Zielvorgaben für nachhaltige Entwicklung

•            Umsetzungsmittel und die Globale Partnerschaft

•            Weiterverfolgung und Überprüfung

Die als Aufhänger für die SDGs propagierte Entwicklungspolitik für die ärmsten Regionen der Welt ist generell zu begrüßen. Tatsächlich geht es bei den SDGs aber darum gar nicht mehr. Statt einzelnen Ländern und Regionen maßgeschneiderte Hilfe zukommen zu lassen, wird eine Agenda verfolgt, die sich in erster Linie an die entwickelten Länder richtet. Weil es dort wenig zu kritisieren gibt, wird die gesell­schaftliche Transformation mit Themen wie „Gender“ (SDG 9 – Gleichstel­lung der Geschlechter) und Klimasteuern (SDG 2 – Energie, Klima, Wasser) voran­getrieben.

De iure greift die Agenda 2030 mit den 17 SDGs nicht in die österreichische Sou­veränität ein, de facto jedoch sehr wohl, wie den Ausführungen von Verfas­sungsministerin Edtstadler in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des


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FPÖ-Abgeordneten Dr. Martin Graf vom 24. Oktober 2022 zu entnehmen ist.18 Edtstadler lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Regierung sämtliches Ver­waltungshandeln der Erreichung der SDGs unterordnet:

Österreich bekennt sich zur Umsetzung der Agenda 2030 und hat im Sinne eines Mainstreaming-Ansatzes mit Ministerratsbeschluss der Bundesregierung vom 12. Jänner 2016 alle Bundesministerien beauftragt, die Agenda 2030 und die 17 SDGs in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen in die relevanten Strate­gien und Programme einzuarbeiten, gegebenenfalls entsprechende Aktionspläne zu erstellen und Maßnahmen zu treffen. Die SDGs werden zielorientiert und in sämtliche Aktivitäten der österreichischen Verwaltung integriert.

Den allgemeinen strategischen Rahmen gibt das Programm der österrei­chischen Bundesregierung „Aus Verantwortung für Österreich. Regierungspro­gramm 2020 – 2024“ vor, das deutlich den Grundprinzipien und Gedan­ken der Agenda 2030 und der SDGs folgt.

Noch deutlicher trat der Wille der schwarz-grünen Bundesregierung, die Grundprinzipien der österreichischen Verfassung auf dem Altar der Agenda 2030 zu opfern, im Zuge des „2. SDG-Dialogforum“ am 7. Oktober 2022 hervor.19 Sozial- und Gesundheitsminister Rauch stellte mit direktem Bezug auf die Corona-Maßnahmen, die verfassungsmäßig garantierte Grund- und Freiheitsrechte massiv beschnitten, hinsichtlich der „Bekämpfung der Klimakrise“ die Frage:

Wie viel Radikalität in Analogie zur Pandemiebekämpfung trauen wir uns wirklich zu als Politik und als Gesellschaft?

Rauchs Regierungskollegin Edtstadler assistierte mit der Forderung nach Beschneidung von Rechtsmitteln, wenn es einem „höheren Ziel“ dient, und verlangte dabei die Unterstützung durch die veröffentlichte Meinung, sprich die Medien.

Bei der Neuauflage des Dialogforums vor wenigen Tagen am 12. Oktober 2023 war es Klimaministerin Gewessler, die forderte, dass alle Finanzmittel und alle Ins-


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trumente für die globale „Transition“ in Richtung der SDGs und insbesondere der „Kli­magerechtigkeit“ angewendet werden müssten, besonders auch die „Bewusst­seinsbildung“.20 Die beabsichtigte De-Industrialisierung unter dem Banner des Klima­schutzes soll also von einer intensiven Indoktrinierung der Bevölkerung begleitet werden.

-            Weltgesundheitsorganisation WHO – Pandemievertrag

Die Weltgesundheitsversammlung, das parlamentarische Organ der Weltgesund­heitsorganisation (WHO), ist berechtigt, Verträge und Abkommen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs abzuschließen, die von den Mitgliedstaaten, also auch Österreich, binnen 18 Monaten umzusetzen sind. Überdies hat sie die Interna­tionalen Gesundheitsvorschriften (IGR)21 angenommen, denen Österreich fristgerecht nicht widersprochen hat und die dementsprechend für Österreich in Kraft ste­hen. Diese Gesundheitsregeln spielen eine entscheidende Rolle im weltweiten Um­gang mit Epidemien und Pandemien und geben dem Generalsekretär der WHO weite Befugnisse, vor allem hinsichtlich der Einsetzung und Zusammensetzung des Notfallkomitees („Emergency Committee“) (Art. 48 IGR).

In Bezug auf Covid-19 berief der WHO-Generalsekretär ein Notfallkomitee für 22./23. Jänner 2020 ein, schloss sich dessen Empfehlungen an und er­klärte die Covid-19-Krankheit am 30. Jänner 2020 zu einer epidemiologischen Notfallsituation und in der Folge zu einer Pandemie und begann entspre­chend den Beschlüssen dieses Komitees mit dem Erlass einer ganzen Serie von Provisorischen Empfehlungen.22 Auch wenn, streng genommen, ein Unter­schied hinsichtlich der Rechtsverbindlichkeit der Internationalen Gesundheitsregeln und der Empfehlungen der Weltgesundheitsversammlung beziehungsweise an­derer WHO-Organe besteht, zeigt das EGMR-Urteil im Fall Vavřicka und andere ge­gen die Tschechische Republik,23 auf das die österreichische Regierung die Ein­führung der Covid-19-Impfpflicht in Bezug auf die EMRK stützte, dass in der Rechts­realität kein Unterschied zwischen Regeln und Empfehlungen gemacht wird. Auch die Erläuterungen zum Covid-19-Impfpflichtgesetz24 stützen sich auf Empfeh­lungen der WHO.


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Auch das Beispiel der WHO bezeugt das Wirken von Organen, die sich nicht auf den Willen des österreichischen Volkes stützen können, deren Tätigkeit aber zusam­men mit einem überschießend unterwürfigen Verhalten der österreichischen Regie­rung im Ergebnis zu weitreichenden Beschränkungen der Souveränität Öster­reichs führt.

Verschärft wird die Lage durch die Vorbereitung eines eigenen „Pandemievertrags“ durch die WHO und die damit in Zusammenhang stehende geplante Ände­rung der Internationalen Gesundheitsvorschriften. Österreichs Regierung hat seine Rechte im Verhandlungsprozess bisher nicht wahrgenommen und schließt sich vorbehaltslos der Verhandlungsposition der EU-Präsidentschaft an.

Durch den Pandemievertrag und die Änderung der Internationalen Gesundheitsvor­schriften würde die Möglichkeit der WHO, eine Pandemie auszurufen, auf vor­läufige und regionale Pandemien ausgedehnt. Restriktive Maßnahmen, wie sie von der Europäischen Union und Österreich während der Corona-Pandemie zulas­ten der Bevölkerung verhängt wurden, könnten künftig vorsorglich und zentral durch die WHO verordnet und die Durchsetzung durch Österreich überwacht und mittels Sanktionen erzwungen werden. Pandemie und Krise würden von der Ausnah­me zum Regelfall. Krankheiten, die unser Gesundheitssystem in Österreich locker verkraftet, wie etwa die Grippe, könnten über die Ausrufung einer Pandemie in Österreich zu Lockdowns und Impfzwängen führen. Selbst Umwelt- und Wet­terphänomene, wie hohe Ozonwerte oder sommerliche Hitzeperioden, könnten im Zusammenspiel mit dem ebenso völlig überschießenden „One Health“-Ansatz der EU massive Einschränkungen nach sich ziehen. Es droht uns also der Corona-Wahnsinn in Dauerschleife. Begleitende Maßnahmen gegen „Desinformation“ lassen eine Zensur und Unterdrückung abweichender Meinungen und Erkenntnisse in noch breiterem Umfang erwarten, als wir sie bereits in der Corona-Zeit er­fahren mussten.

Im Ergebnis würde die Annahme und Ratifizierung des Pandemievertrags durch Österreich die völlige Aufgabe der Souveränität in Fragen der Gesundheits­politik bedeuten. Die Regierung will sich ihrer Verantwortung entledigen und der


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WHO massiven Einfluss zuschanzen, und zwar nicht nur in Pandemie-Zei­ten, sondern schon davor, indem die Staaten enorme Finanzmittel für Pandemie­vorsorge bereitstellen müssen – etwa für die Bevorratung riesiger Mengen von Impfstoffen.

WHO und EU haben sich in der Covid-19-Pandemie disqualifiziert und als Vorfeldorganisationen von Pfizer, Moderna und anderen Produzenten sogenannter Covid-19-Impfstoffe herausgestellt. Daher ist der Vertrag an sich ein untaug­liches Mittel, weil die WHO und die EU nicht die Organisationen sind, deren Verfü­gungsgewalt österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ausgesetzt werden sollen, wenn es um die Vermeidung und Bewältigung einer zukünftigen Pan­demie geht. Der Vertrag bedeutet eine Institutionalisierung und Perpetuierung der Covid-19-Politik auf weltweiter Ebene mit entsprechenden Verpflichtungen der Vertragsstaaten, ohne und bevor auf nationaler österreichischer Ebene die österreichischen Maßnahmen und deren negative Folgen evaluiert und aufgearbeitet wurden.

Keine im Pandemievertrag vorgesehene Bestimmung könnte nicht auch von Öster­reich als souveränem Staat allein kraft eigener Souveränität und ohne den vorgesehenen Pandemievertrag mit eigenen, freilich im Vergleich entsprechend Ös­terreichs Größe, bescheidenen Mitteln erreicht werden.

Österreich ist daher zum Schutz seiner Bürger und zur Wahrung der Souveränität ver­pflichtet, dem Pandemievertrag nicht zuzustimmen bzw. – sofern er dennoch in Kraft treten sollte – die Ratifizierung zu verweigern, sodass der Vertrag für Österreich keinerlei Bindungswirkung entfalten kann. Ebenso müsste Österreich einer Än­derung der Internationalen Gesundheitsvorschriften fristgerecht widersprechen, um seine Souveränität in wesentlichen Fragen der Gesundheitspolitik zu bewahren.

-            Europarat – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat durch seine Judikatur eine neue Völkerwanderung samt Asylwerberansturm auf Europa ausgelöst,


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wie ein Blick auf dessen, an demokratischer Legitimation mangelndes, Richterrecht tragisch belegt:

•            Ausländische Rechtsbrecher können ihre Abschiebung verhindern, indem sie sich auf ein Recht auf Familie berufen.

•            In Ländern mit Todesstrafe für Drogendealer dürfen erwischte Drogendealer nicht abgeschoben werden.

•            Homosexualität ist ein anzuerkennender Asylgrund.

•            Nach Griechenland dürfen – obwohl EU-Mitgliedsstaat – Asylwerber nicht mehr abgeschoben werden, auch wenn diese über Griechenland nach Europa eingereist sind und Griechenland als Land der ersten Einreise eigentlich für das ganze Asylverfahren zuständig wäre. Der Grund für den EGMR: In Griechenland gäbe es Mängel in der Betreuung.

•            Nach Somalia dürfen Asylwerber – auch abgewiesene – überhaupt nicht abge­schoben werden.

•            Bootsflüchtlinge, die auf hoher See aufgegriffen werden, dürfen nicht nach Libyen, sondern müssen nach Italien gebracht werden.

Die fortlaufende Weiterinterpretation durch den EGMR muss man als ein sich vollkommen verselbstständigendes Richterrecht betrachten. Was als Unterwerfung unter eine übernationale Instanz zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in einem einzelnen Fall konzipiert war, mündete in eine „Quasi-Gesetzgebung“ ohne demokratische Legitimation und widerspricht dem in
Art. 1 B-VG normierten Prinzip der Volkssouveränität.

Die souveränitätsbeschränkende Wirkung der dynamischen Interpretation der Rechte aus der EMRK, derer sich der EGMR in seinen Entscheidungen befleißigt, lässt sich am anschaulichsten anhand der Rückschiebung von Terroristen illustrieren. Ös­terreich hat die EMRK und die Genfer Flüchtlingskonvention fast zur gleichen Zeit ratifiziert. Während der Text der EMRK keine Bestimmung zur Rückschiebung


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von Terroristen enthält, findet sich in der GFK eine Ausnahmebestimmung zum soge­nannten Rückschiebungsverbot, wenn ein Flüchtling „aus gewichtigen Grün­den eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet“. (Art 33 Abs 2 GFK). Trotz des Fehlens einer diesbezüglichen Bestimmung in der EMRK weitete der EGMR das Folterverbot des Art 3 EMRK aus, indem er auch das Verbot der Zurück­schiebung in einen Staat, in dem Zurückzuschiebenden qualifizierte Men­schenrechtsverletzungen drohen, hineinlas und dies auch auf Asylwerber und Flüchtlinge erstreckte. Dies führte zu mehreren konkreten Entscheidun­gen, die einzelnen Staaten das Zurückschieben von Terroristen in ihre Heimatländer untersagte.

Auch wenn durch derartige Entscheidungen jeweils nur die Parteien der betreffenden Rechtssache unmittelbar gebunden sind, richten sich in aller Regel auch die Orga­ne und Behörden der anderen EMRK-Staaten in ihrer Gesetzgebung und Behördenpraxis nach der Rechtsprechung des EGMR, um nicht Gefahr zu laufen, in einem sie selbst betreffenden Verfahren dann zu unterliegen. Vor diesem Hin­tergrund beschneidet die Judikatur des EGMR die staatliche Souveränität auch Ös­terreichs zumindest mittelbar, unabhängig davon, dass sie dem Willen des österreichischen Volkes widerspricht.

Der EGMR überschreitet dabei aus zweierlei Perspektiven eine Grenze: Aus der verfassungsrechtlichen Perspektive wird der EGMR zum Gesetzgeber und verletzt damit die Hoheit des österreichischen Parlaments. Aus einer zweiten – völker­rechtlichen – Perspektive verletzt er universelles Völkerrecht, an das er als Organ ei­ner internationalen Organisation und damit eines Völkerrechtssubjekts, unab­hängig von seiner Vertragsbeschränkung, gebunden ist.25

Was gut und richtig war in Zeiten, als es um die Aufnahme einzelner, tatsäch­lich verfolgter Personen ging, funktioniert nicht mehr, wenn sich Massen von Menschen auf der Suche nach einem ‚besseren Leben‘ von einem anderen Kon-


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tinent aus nach Europa aufmachen. Die Europäische Menschenrechtskon­vention bzw. die durch Richterrecht erfolgte Weiterentwicklung ist nicht dazu ge­eignet, die Völkerwanderungsproblematik in den Griff zu bekommen.

In diesem Sinne ist es auch in Österreich an der Zeit, einen modernen, vom Volk ausdrücklich im Sinne des Art. 1 B-VG getragenen Grundrechtskatalog zu verabschieden. Schafft man einen solchen von der Volkssouveränität getragenen österreichischen Grundrechtskatalog und ordnet diesen der EMRK vor, in­dem man letztere wie in Deutschland zu einfachem Gesetzesrecht herabstuft, er­reicht man für die Menschen in Österreich mehr, als nur zu versuchen, die EMRK zu ändern.

Österreich braucht wirksamen Schutz gegen Aushöhlung seiner Souveränität

Alle genannten Beispiele zeigen, dass der österreichischen Verfassung und damit der Republik Österreich und dem österreichischen Volk angesichts der Befugnisse, die Organe internationaler Organisationen, darunter insbesondere jene der EU, für sich in Anspruch nehmen, ein wirksamer Schutz gegen die dadurch ausgelöste Aushöhlung der Souveränität Österreichs fehlt. Gleichzeitig sind einem allzu willfäh­rigen Entgegenkommen der Vertreter Österreichs verfassungsrechtlich unüber­steigbare Grenzen zu setzen. Es geht um das Souveränitätsrecht Österreichs und sei­nes Volkes.

Angesichts der geschilderten multiplen Bedrohungen der österreichischen Sou­veränität und Neutralität bedarf es eines erhöhten Schutzes dieser Werte durch die österreichische Bundesverfassung.

Die FPÖ hat dazu bereits am 30. März 2023 einen Antrag der Abgeordneten KO Herbert Kickl, Dr. Susanne Fürst und weiterer Abgeordneter betreffend ein Bundesverfassungsgesetz zur Aufwertung der Neutralität zum Prinzip der Bundes­verfassung (Neutralitätsprinzip), mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG) geändert wird, eingebracht, der dem Verfassungsausschuss zugewiesen wurde


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und zuletzt in dessen 23. Sitzung am 19. April 2023 vertagt wurde.26 Im Fol­genden werden Motivation, Zielsetzung und Funktionsweise der beantragten Verfas­sungsänderung erläutert.

Der Krieg in der Ukraine und die in diesem Zusammenhang von der Europäischen Union (EU) verhängten Sanktionen und anderen Maßnahmen (Embargos, Diversifizierung der Energie, Forcierung von Fit-for-55), die Österreich in eine Fülle neutralitätswidriger, klimaschädlicher, wohlstands- und existenzgefährdender Handlungen ziehen, rücken ein Problem in den Vordergrund, das auch in anderer Hinsicht in jüngster Zeit vermehrt auftritt: Wie kann die Souveränität Österreichs und des österreichischen Volkes, verstanden als die Gesamtheit der österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, nachhaltig geschützt werden? Wie kann sichergestellt werden, dass Österreich zuerst sein Volk schützt und Vorsorge für dessen sichere Zukunft trifft?

Österreich ist durch diverseste völkerrechtliche Verträge in der Ausübung seiner Sou­veränität beschränkt. Das betrifft Fragen der Migrations-, Sozial-, Gesellschafts-, Verkehrs- aber eben auch der Außenpolitik. Aber eben genauso die Neutralität! Mit­gliedschaft in der EU bedeutet Koppelung an die NATO, weil stets Gleich­klang zwischen EU-Außenpolitik und NATO-Politik herrscht. Von 27 EU-Staaten sind derzeit nur Österreich, Zypern, Irland und Malta nicht bei der NATO. Zu­letzt wurde Finnland Mitglied, und der Beitritt Schwedens steht unmittelbar bevor.

Das Neutralitätsverständnis beruht auf der Auslegung des Neutralitätsrechts und der Gestaltung der Neutralitätspolitik. Dabei ist es wesentlich, Verfassungs- Völker- und Unionsrecht voneinander zu unterscheiden. Verfassungsrechtlich ist die Neutra­lität nicht Teil der Grundprinzipien der Bundesverfassung. Daher kann das Neutralitätsgesetz vom Nationalrat und Bundesrat geändert werden, ohne dass es – mangels einer Gesamtänderung der Bundesverfassung im Sinne von Art. 44
Abs. 3 B-VG – zwingend einer Volksabstimmung bedürfe. Unionsrechtlich wurde die Frage der Neutralität im Wesentlichen mit dem Vertrag von Lissabon ausge­höhlt und von der Anwendbarkeit der irischen Klausel abhängig. Völkerrechtlich aber besteht die Neutralität nach wie vor unbenommen weiter.


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Das Haager Abkommen verpflichtet den neutralen Staat daher, an keinen internationalen bewaffneten Konflikten teilzunehmen. Ebenso darf der Neutrale kriegführende Parteien nicht militärisch begünstigen, weder mit Truppen, Rüstungsgütern, noch dadurch, dass er sein eigenes Territorium zur Verfügung stellt. Zudem hat der neutrale Staat die Unverletzlichkeit des eigenen Territoriums sicherzustellen. In Friedenszeiten darf der neutrale Staat gemäß Neutralitätsrecht keine Verpflichtungen eingehen, die im Kriegsfall eine Verletzung seiner Neu­tralität zur Folge hätten. So kann er beispielsweise keiner Militärallianz wie der NATO beitreten, die eine gegenseitige Beistandspflicht im Kriegsfall vorsieht.

Neutralitätspolitik sollte grundsätzlich zum Ziel haben, die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des neutralen Status eines Staates in der internationalen Gemeinschaft zu erhalten und zu fördern und so das Respektieren der Neutralität durch ande­re Staaten zu gewährleisten. Sie soll bei der Verwirklichung nationaler Zielsetzungen, insbesondere der Wahrung der völkerrechtlichen Existenz des neutralen Staates, der Gewährleistung der Sicherheit und des Heraushaltens aus bewaffneten Konflik­ten, einen Beitrag leisten. Die Neutralitätspolitik orientiert sich an der jeweili­gen Situation, den Landesinteressen, an der internationalen Lage sowie an Geschichte und Tradition des Landes. Nur durch eine vertrauensvolle Neutralitätspolitik ist somit auch gewährleistet, dass ein Staat als neutral und gerade nicht bloß als „bünd­nisfrei“ gilt. Mit dem Status der Bündnisfreiheit bringen Staaten nur zum Aus­druck, dass sie keinem militärischen Bündnis angehören wollen, bündnisfreie Staaten sind aber nicht immer neutral.

Noch in der Sicherheitsstrategie von 2013 wurde ausdrücklich das Auftreten Öster­reichs als Vermittler festgehalten:

Aktives Auftreten Österreichs als Vermittler in internationalen Konflikten und Wahr­nehmung einschlägiger Vermittlungs- und Mediationsmöglichkeiten, die sich aus der Stellung Österreichs als EU-Mitglied und zugleich neutraler Staat ergeben.

Österreichische Sicherheitspolitik mit dem Ziel, die Bevölkerung gegen Bedrohungen und Gefahren zu schützen und einen Beitrag zu Stabilität und Frieden zu leisten, muss immer mit einer glaubwürdigen Neutralitätspolitik einhergehen!


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Um die österreichische Neutralität zu stärken, wären legistische, politische und gesell­schaftspolitische Bestrebungen anzustellen.

Gesellschaftspolitisch ist eine Stärkung der Umfassenden Landesverteidigung und die Verankerung der Neutralität als zentraler Bildungsauftrag wesentlich.

Politisch bedarf es einer sofortigen Umkehr der neutralitätszersetzenden Politik der schwarz-grünen Bundesregierung und damit einer Änderung hin zu einer aktiven Neutralitätspolitik. Dem stehen schon jetzt keinerlei europarechtliche Verpflichtungen entgegen. Nichts hindert Österreich daran, sich für Vermitteln statt Sanktionieren starkzumachen und Österreich als Plattform für den Dialog zu positionieren. Noch im Regierungsprogramm 2017 hieß es:

Wir wollen Österreich noch besser positionieren als internationalen Ort des Dialogs und werden unser multilaterales Engagement weiter verstärken […] Die Neu­tralität Österreichs ist ein wichtiger identitätsstiftender Faktor und ist bei allen in­ternationalen Abkommen zu berücksichtigen. Als neutraler Staat liegt eine engagierte internationale Politik im nationalen Interesse. Österreich soll als historische Drehscheibe zwischen Ost und West ein aktiver Ort des Dialogs sein und eine Ent­spannungspolitik zwischen dem Westen und Russland vorantreiben.

Legistisch erscheint eine nachträgliche Änderung des Vertrages von Lissabon aus­sichtslos, daher bedarf es dringend einer Erweiterung der bestehenden Grundprinzipien der Verfassung (derzeit das demokratische, das republikanische, das bundes­staatliche und das rechtsstaatliche Prinzip) um das Neutralitätsprinzip. Hier geht es nicht „nur“ um die Absicherung der Neutralität, sondern darüber hinaus um die Stärkung und Absicherung des Souveränitätsrechts Österreichs und seines Volkes in seiner Gesamtheit.

Nationales Souveränitätsrecht bricht EU-Vorrang

Das von der FPÖ vorgeschlagene Souveränitätsrecht soll unter den gleichen Bedingungen wie ein Baugesetz der Bundesverfassung zustande kommen und den gleichen Änderungs- und Außerkrafttretens-Modalitäten unterliegen. Es


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etabliert eine Grenze für die EU-Organe, über den Vorrang des EU-Rechts in die nationale Souveränität Österreichs einzugreifen. Ein als nationales Souve­ränitätsrecht tituliertes Bundesverfassungsgesetz, das vom österreichischen Volk in einer Volksabstimmung angenommen worden ist, steht über dem EU-Recht.

Artikel 1 B-VG soll geändert werden, wie folgt:

Österreich ist eine demokratische, wehrhafte, immerwährend neutrale souveräne Republik. Ihr Recht geht vom österreichischen Volk aus.

Artikel 44 soll folgender neuer Absatz 4 angefügt werden:

4. Jede Änderung von Art. 1 kann nur in Anwesenheit von mindestens zwei Drittel der Mitglieder und mit einer Mehrheit von vier Fünftel der abgegebenen Stimmen vom Nationalrat mit der in Anwesenheit von mindestens zwei Drittel der Mitglieder und mit einer Mehrheit von vier Fünftel der abgegebenen Stimmen zu erteilen­den Zustimmung des Bundesrates beschlossen werden und ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42, jedoch vor der Beurkundung durch den Bundes­präsidenten, einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen. Be­schlüsse von Organen internationaler Organisationen, eingeschlossen jene der Europäischen Union, deren Anwendung oder Umsetzung Art. 1 verletzen würden, kommen in Österreich nicht zur Anwendung.

Der Verfassungsänderungsvorschlag bedeutet eine Gesamtänderung der Verfassung. Im Wege einer lex posterior zum EU-Beitritts-BVG wird die durch den EU-Bei­tritt und die Rechtsprechung des EuGH, aber auch durch verschiedene Verordnungen der Europäischen Kommission gefährdete Souveränität Österreichs auf eine höhere Verfassungsstufe gestellt und damit der Ingerenz des EuGH und der Europäi­schen Kommission entzogen. Er bedarf daher einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und einer verpflichtenden Volksabstimmung.

Jeder Eingriff in die Souveränität bedarf der Genehmigung per Volksabstimmung

Neben dem Schutz der immerwährenden Neutralität wird durch die angestrebte Verfassungsänderung auch die Souveränität Österreichs unter


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umfassenden Schutz gestellt. Die Einfügung des Wortes „souveräne“ in Art 1 B-VG signalisiert allen involvierten Organen, jenen Österreichs, aber auch jenen, die aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen mit Österreich in Bezug auf Österreich Hoheitsgewalt ausüben, dass die Souveränität gemeinsam mit der Qualität als demokratische Republik und dem Rechtsstatus als immerwährend neutraler Staat das höchste Verfassungsgut darstellt. Jeder Eingriff welchen Organs welcher Internationalen Organisation auch immer in die Souveränität Österreichs bedeutet eine Änderung des Art. 1 B-VG und bedarf der Genehmigung im Verfahren des Art. 44 Abs. 4 B-VG. Liegt eine solche nicht vor, wird der letzte Satz von Art. 44 Abs. 4 B-VG schlagend. Dieser erfasst auch den Anwendungsvorrang von un­mittelbar anwendbarem EU-Recht, also Verordnungen, Entscheidungen und unter Umständen Richtlinien, soweit sie in Österreich unmittelbar anwendbar sind.

Bewegen sich die EU-Organe, insbesondere Europäische Kommission und Europäischer Gerichtshof innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs, ergibt sich kein Problem. Allerdings werden einer dynamischen Interpretation der EMRK durch den EGMR und einem „Weitertreiben der europäischen Integration“ durch
EU-Recht, EuGH und Kommission in Bezug auf Österreich Grenzen gesetzt. Die Souveränität Österreichs ist von ihnen zu respektieren. Normen im Widerspruch zu den Baugesetzen und insbesondere der Neutralität und der Souveränität wären verfassungswidrig und vor dem VfGH anfechtbar.

Klargestellt werden muss in Zeiten, in denen jede nationale Identität von supra­nationalen Organisationen vermehrt bekämpft wird, dass das Recht in unserem Land vom österreichischen Volk und nicht von einer wie auch immer definierten Ge­meinschaft von Menschgen ausgeht. Gegenüber der EU und anderen internationalen Organisationen, denen Österreich angehört, wird darauf hingewiesen, dass ein Abstellen auf ein europäisches oder internationales Demokratieverständnis anstelle eines österreichischen in Anbetracht des Art. 1 B-VG für Österreich nicht maßgeblich ist. Alles Recht in Österreich geht vom „österreichischen“ Volk aus. Alle österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, gleich ob wahl- oder stimmberechtigt oder nicht, sind die Träger der Souveränität Österreichs.


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Materiell bedeutet der letzte Satz aber einen Generalvorbehalt zugunsten der Bundesgesetzgebung. Nimmt ein Organ der EU oder einer anderen internationalen Organisation einen souveränitätswidrigen Akt an, wird der Vorrang der Bun­desgesetzgebung schlagend. Der betreffende Akt ist dem Verfahren des Art. 44 Abs. 4 B-VG zu unterziehen, widrigenfalls er in Österreich weder umgesetzt noch angewendet werden darf. Im Ergebnis bedeutet das: Das Volk soll ent­scheiden – unabhängig von der Sichtweise der EU.

Souveränität garantiert Freiheit

Der Staat kann im Inneren ein hohes Maß an individueller Freiheit nur dann gewährleisten, wenn er nach außen hin volle Souveränität genießt. Je höher die Ab­hängigkeit von anderen, desto größer ist die Notwendigkeit, im Inneren die persönliche Freiheit zu limitieren. Selbstbestimmung ermöglicht Freiheit, Fremdbe­stimmung hingegen führt in die Unfreiheit.

Um die Freiheit Österreichs und seiner Bürger abzusichern, bedarf es daher dringend des oben vorgestellten Schutzes unserer Verfassung durch die Schaffung eines Souveränitätsrechts, gemeinsam mit der Absicherung der immerwährenden Neutrali­tät. Eine solche Verfassungsänderung würde sowohl nach außen hin den immer anmaßender werdenden internationalen Organisationen signalisieren, dass die Sou­veränität Österreichs unantastbar ist. Sie würde aber auch nach innen hin den jeweils Regierenden verbieten, sich in vorauseilendem Gehorsam internationalen und globalistischen Eliten anzudienen, indem sie die österreichische Souveränität bereitwillig opfern.

Die Umsetzung dieses umfassenden Schutzes von Souveränität und Neutralität ist dem Souverän in Zusammenwirken mit seinen gewählten Volksvertretern in Nationalrat und Bundesrat vorbehalten und erfordert mit Sicherheit eine Neuvertei­lung des Vertrauens durch die Bürger im Zuge von Neuwahlen.

Der heute eingebrachte Dringliche Antrag soll dem österreichischen Volk in Form der darüber erfolgenden Abstimmung zeigen, wer von seinen aktuellen Vertretern


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dazu bereit ist, die Bundesregierung für die Verteidigung der österreichischen Souve­ränität und Neutralität in die Pflicht zu nehmen.

Zu diesem Zweck stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler wird aufgefordert die Souveränität und Neutralität Österreichs zu ihren politischen Grundprin­zipien zu machen. Zum Schutz der Österreicher muss jeder Versuch, am Parlament vorbei die Souveränität und Neutralität Österreichs sowie die durch die Ver­fassung garantierten Grund- und Freiheitsrechte auszuhöhlen und auszuschalten, kompromisslos mit allen zu Gebote stehenden politischen Mitteln abgewehrt werden. Insbesondere sind umzusetzen:

•            Die Aufrechterhaltung und Verteidigung von Österreichs Neutralität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, wie es das Neutralitätsgesetz vorschreibt

•            Der sofortige Ausstieg aus der neutralitätszersetzenden und wirtschaftlich ruinösen Sanktionspolitik gegen Russland sowie aus der militärischen Unterstützung der Kriegspartei Ukraine

•            Die Nutzung des Vetorechts gegen jegliche EU-Initiative, die dazu geeignet ist, die nationalstaatlichen Handlungsspielräume weiter zu beschränken, insbesondere in der Asyl- und Migrationspolitik, der sogenannten Klimapolitik, der Finanz- und Währungspolitik, sowie gegen jeden Versuch, das Einstimmigkeitsprinzip zu Fall zu bringen

•            Der sofortige Stopp der freiwilligen Unterordnung jeglichen Verwaltungshan­delns unter die „Agenda 2030“ und die „Sustainable Development Goals“ der Vereinten Nationen, die einer Selbstverpflichtung ohne jede Be­fassung des Souveräns gleichkommt


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•            Die entschlossene Ablehnung des von der WHO angestrebten Pandemiever­trags und der damit einhergehenden Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften, um die Souveränität Österreichs auch in der Ge­sundheitspolitik zu bewahren“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs.1 iVm § 93 Abs 2 GOG-NR

zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

1        COM(2023) 336, S. 15

2     https://www.ifw-kiel.de/publications/ukraine-support-tracker-data-20758/

3     Ö1 Mittagsjournal am 18.10.2022: EU-Ausbildungsmission für Ukraine: Österreich nimmt Sonderrolle ein

4     https://www.krone.at/3017497

5     https://kurier.at/wirtschaft/immo/fahrplan-der-eu-fuer-die-thermische-sanierungspflicht/402370602

6     https://exxpress.at/innenminister-karner-zu-asylwellen-oesterreich-hat-genug-geleistet/

7     https://apa.at/news/eu-staaten-einigen-sich-auf-asylkompromiss-2/

8     https://www.tagesschau.de/ausland/europa/faq-asylverfahren-eu-100.html

9     https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2022-04/cp220064de.pdf

10    https://www.handelsblatt.com/politik/international/deutsch-franzoesischer-vorstoss-mehr-sanktionen-weniger-einstimmigkeit-so-koennte-die-eu-kuenftig-aussehen/29398896.html

11    https://www.parlament.gv.at/ dokument/XXVI/V/12/fnameorig_769374.html


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12    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVI/V/12

13    COM(2021) 420 final, S. 3

14     COM(2021) 420 final, S. 86

15    https://www.krone.at/2973968

16    https://archive.globalpolicy.org/images/pdfs/GPFEurope/Agenda_2030_online.pdf

17    https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf

18     https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/11739/imfname_1478093.pdf

19    https://www.youtube.com/live/9Kp-MLzaPB4?si=3jTQk6hqgYj9Cvqv

20    https://www.youtube.com/live/kjXnLXOUKh0?si=_prYM0r_pqG1f92s

21    Englischer Text der derzeit geltenden Fassung 2005 abrufbar über die Webseite der WHO unter: https://www.who.int/publications/i/item/9789241580496, file:///C:/Users/User/Downloads/9789241580496-eng.pdf

22    https://www.who.int/groups/covid-19-ihr-emergency-committee

23    Vom 8. April 2021, Appl. No. 47612/13, 3867/14, 73094/14, 19298/15, 19306/15 und 43883/15.

24    BGBl. I Nr. 4/2022.

25     Vgl. Geistlinger in Asylmissbrauch und die Genfer Konvention (2021) 45ff.

26     https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/A/3309/fnameorig_1549066.html

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Abgeordnetem Kickl als Antrag­steller das Wort. – Bitte sehr.



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16.01.20

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Es geht in der heutigen Sondersitzung des Nationalrates um Österreichs Souverä­nität, um Österreichs Neutralität. Das sind zwei Dinge, die der österrei­chischen Bevölkerung ganz besonders am Herzen liegen (Abg. Michael Hammer: Aber euch nicht!), und bei uns Freiheitlichen ist es genauso. Wir teilen die­se Wertschätzung in vollem Umfang.

Weil ich heute schon im Vorfeld dieser Sitzung gefragt worden bin: Ja bitte schön, so ein wichtiges Thema, was ist denn da los, wo ist denn bei die­sem wichtigen Thema die Regierungsspitze? (Oh-Rufe bei der ÖVP  Abg. Michael Hammer: Hättest nur die Zeitung aufschlagen müssen! weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), möchte ich Ihnen auch darauf eine Antwort geben.

Meine Damen und Herren, die Regierungsspitze ist auf der Flucht. (Abg. Schnabel: Sie sind auf der Flucht vor den Menschen!) Sie ist auf der Flucht vor dem Parlament. Sie ist auf der Flucht vor der Freiheitlichen Partei. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie ist auf der Flucht vor der eigenen Bevölkerung. (Rufe bei der ÖVP: Geh, geh! Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie ist auf der Flucht vor der Konfrontation mit ihrem eigenen kapitalen Versagen. Sie ist auf der Flucht vor dem Blick in den eigenen Spiegel. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: 23 Mal gefehlt, der Herr Kickl! – Zwischenruf des Abg. Strasser.)

Jetzt weiß ich schon, dass der Herr Bundeskanzler in Israel weilt, hochoffiziell (Abg. Michael Hammer: Da weißt eh viel!), aber das eine schließt ja das andere nicht aus, mein lieber Kollege von der Volkspartei! (Abg. Michael Hammer: Da weißt eh schon viel!)

In letzter Sekunde hat der Bundeskanzler eine billige Mitfluggelegenheit ergat­tert und jetzt ist er in Israel gelandet. (Abg. Niss: Das ist so tief!) Und wissen Sie was? Ich begrüße das sogar, denn in Israel hat der Bundeskanzler jetzt die


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Gelegenheit, zu erklären, warum er vor gar nicht allzu langer Zeit gemeinsam mit der grünen Energieministerin eine regelrechte Gaspilgerfahrt nach Katar geliefert hat – warum er eine Gaspilgerfahrt nach Katar geliefert hat!

Das ist nämlich genau dasjenige Katar, von dem Ihr ÖVP-Abgeordneter Engel­berg in der letzten Sitzung hier, von diesem Rednerpult aus, gesagt hat, das es die Terroristen der Hamas finanziert (Zwischenrufe bei der ÖVP) genau dieses Katar! (Beifall bei der FPÖ.) Und ich glaube, ich liege richtig, wenn ich sage, genau diese Terroristen der Hamas, die von Katar finanziert werden, waren doch diejenigen Terroristen, die Israel überfallen haben, die dort unschul­dige Zivilisten massakriert und entführt haben, und das ist doch der Grund, wa­rum der Herr Bundeskanzler jetzt in Israel ist, um dort seine Solidarität zum Ausdruck zu bringen.

Gestern in Katar, heute in Israel, gestern bei den Terrorfinanzierern, heute bei den Terroropfern (Abg. Michael Hammer: Da tust du dir leicht, bist nur in Moskau! – Abg. Schnabel: Und bei den Taliban seid ihr!): Das ist doch eine schnur­gerade logische und moralische Linie, oder vielleicht doch nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei der FPÖ.)

Der offizielle Vertreter, Vizekanzler Kogler, hat heute auch etwas Besseres zu tun, als hier dem Parlament Rede und Antwort zu stehen – der nächste Flüchtling. Vielleicht hat er den Tag der Fahne um einen Tag vorverlegt (Abg. Ri­bo: Was bitte?! Aber das ist ja wirklich unterstes Niveau! – Ruf bei den Grünen: Das ist echt eine Frechheit! weitere Zwischenrufe bei den Grünen), aber ich sehe das positiv, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe das positiv. (Ruf bei der ÖVP: Peinlich! – Zwischenruf des Abg. Schnabel.) Er übt schon für die Zeit nach der nächsten Wahl, denn nach der nächsten Wahl wird es hier herinnen keinen Werner Kogler mehr geben, weder hier auf der Regierungsbank noch in den Reihen der Abgeordneten, und das wird für Österreich ein Be­freiungsschlag. (Beifall bei der FPÖ.  Abg. Michael Hammer: ... Taliban statt daham sind die Freiheitlichen!)


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Es wäre eigentlich gar kein Problem. Er würde voll und ganz durch die Lücke ersetzt werden, die er hinterlässt, zu 100 Prozent. Das wäre kein Quali­tätsverlust, im Gegenteil, es ist vom Gegenteil auszugehen. Weil das aber nicht erlaubt ist, dass ihn niemand vertritt, haben wir hier jetzt quasi die Vertre­tung der Vertretung: Die Frau Staatssekretärin wird heute das Wort ergreifen. Und wissen Sie was? Die Frau Staatssekretärin tut mir in diesem Fall fast leid (Abg. Michael Hammer: ... die muss sich mit dir abquälen! Ruf bei der ÖVP: Die braucht Ihnen nicht leid zu tun, keine Sorge!), denn sie ist jetzt in den nächsten 3 Stunden für die Zuseher zu Hause klar identifizierbar und erkennbar das Sym­bol der Ignoranz der Regierung gegenüber der Neutralität und der Souve­ränität Österreichs. (Beifall bei der FPÖ.  Abg. Pfurtscheller: Das ist eine Frech­heit! – Ruf bei der ÖVP: Das ist ja wirklich ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.– Abg. Pfurtscheller: Entschuldigen Sie sich!)

Es ist so. Dieser Regierung ist das nichts wert, was den Österreichern lieb und teuer und wichtig ist. Das ist der Kern der Regierungsperformance bisher.

Dann schaue ich noch schnell in Richtung der Bundespräsidentenloge: auch dort gähnende Leere! Das war ja auch klar. Es geht ja heute nur um die tragen­den Säulen unserer Republik. (Abg. Strasser: Das ist eigentlich ein Wunder, dass der Kickl selber da ist! Wie oft hat er gefehlt? 23 Mal!  Abg. Michael Hammer: Bei Sondersitzungen ist er da, aber sonst nie!) Ja bitte schön, wo kommen wir denn da hin, wenn der Bundespräsident sich aus seiner Blase herausbewegen würde, um sich mit diesen Dingen, um sich mit den tragenden Säulen der Republik aus­einanderzusetzen? (Ruf bei der ÖVP: Wie oft hat Kickl gefehlt? ... Kickl ist nie da!)

Ja, wenn es etwas Wichtiges gibt, wie die Eröffnung eines 2 Millionen Euro teuren Luxusbrunnens in Zeiten der Teuerung Hand in Hand mit den Spekulationssozialisten (Abg. Michael Hammer: Sagt einer, der 23 Mal gefehlt hat!), mit den Schrebergartenspekulanten der SPÖ in Wien, dann hat der Herr Bundespräsident alle Zeit der Welt (Abg. Michael Hammer: Sie haben auch nie Zeit!), aber ins Parlament findet er nicht – auch das ist sehr, sehr viel­sagend. (Beifall bei der FPÖ.)


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Liebe Österreicher, ich frage jetzt Sie zu Hause: Bemerken Sie hier ein Muster, bemerken Sie ein System? Das, was der Bevölkerung wichtig ist, spielt für die selbsternannte politische Elite (Ah-Rufe bei Abgeordneten der ÖVP) eine nachgeordnete oder überhaupt gar keine Rolle. (Abg. Schnabel: Sie haben nicht einmal Zeit, der israelischen Opfer zu gedenken! Nicht einmal da haben Sie Zeit!) Das ist es, was wir ein Regieren gegen die eigene Bevölkerung be­zeichnen, und deswegen braucht es in diesem Land dringend einen Wechsel. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Michael Hammer: Wollen Sie noch mehr zerstören als den Verfassungsschutz?)

Wir gehen in diesen Tagen durch dunkle Zeiten. Zum einen haben wir den Krieg in der Ukraine – Abertausende Tote, Verstümmelte, Verletzte (Ruf bei der ÖVP: Putin-Freund!), Milliarden um Milliarden für immer schwerere Waffen, mehr als 14 000 Sanktionen und kein Ende in Sicht. (Abg. Michael Hammer: Krim­touristen!)

Zum anderen haben wir den terroristischen Überfall der Hamas auf Israel und damit einen weiteren Kriegsherd, der zu einem Flächenbrand ausarten kann, der sich entzünden kann, weit über den Nahen Osten hinaus, der eine Be­deutung annehmen kann, die auch auf Europa herüberschwappt, inklusive einer neuen Flüchtlingswelle. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist Ihre Antwort darauf – Neutralität? Gratuliere!) Ich denke, dass es jetzt darum gehen muss, zu verhin­dern, dass unschuldige Menschen, egal auf welcher Seite, ihr Leben ver­lieren und leiden, weil Lösungen auf den Schlachtfeldern gesucht (Abg. Michael Hammer: Da haben Sie eine Lösung?), gefordert und versprochen werden, für Konflikte, die nur politisch zu lösen sind. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Hörl: ... nicht mit Putin!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um Frieden! (Abg. Michael Hammer: ... Putin schicken, dass ihr euch da organisiert!) Schauen Sie, dazu braucht es Neutrale, und Österreich wäre ein solches neutrales Land. Morgen ha­ben wir unseren Nationalfeiertag, aus Anlass unserer immerwährenden Neutrali­tät, denn nur Neutralität schafft Vertrauen, und Vertrauen ist der einzige


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Schlüssel, um Konflikt- und Kriegsparteien zu einer Einigung zu bringen – nicht, parteiisch zu sein, nicht, sich als Anwalt auf eine Seite zu schlagen (Abg. Michael Hammer: Genau! Wer war denn auf der Krim?!), nein, sich als Mediator anzubieten, als Vermittler, als Brückenbauer, dessen Glaubwürdigkeit im Zuhörenwollen und im Zuhörenkönnen besteht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Schnabel. – Abg. Michael Hammer: Taliban statt daham ist euer Plakat!)

Neutralität, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Vertrauensaufbau und Spannungsabbau, und so gesehen ist eine aktive Neutralitätspolitik nichts anderes als eine gute Sicherheitspolitik für das eigene Land und eine gute Frie­denspolitik für die gesamte Welt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Ham­mer: Der Friedensapostel Kickl!)

Das ist die Vision, die mir gefällt: Das kleine Österreich im Herzen Europas als Friedensbringer für die ganze Welt. (Abg. Lukas Hammer: Das ist ein Droh­szenario!) Das ist auch der Geist, den Bruno Kreisky in seiner Außenpolitik gelebt hat. Sie haben das alles vergessen und über Bord geworfen. Sie zerstören diese Neutralität, Sie ramponieren sie, Sie verludern ein kostbares Erbe von gro­ßen Staatsmännern der Vergangenheit. (Abg. Michael Hammer: So wie Sie den Verfassungsschutz zerstört haben?!)

Meine Damen und Herren! Beide genannten Brandherde haben ganz massive negative Auswirkungen in und auf Österreich. Aktuell werden wir – schon fast täglich – Zeugen von antisemitischen Kundgebungen (Abg. Meinl-Reisinger: Liederbüchern!), von Ausschreitungen, von Auftritten islamis­tischer Fundamentalisten. Wir haben tickende Zeitbomben in diesem Land, die vielfach unter dem Deckmantel von Asyl in dieses Land gekommen sind. (Abg. Wöginger: Hübner, Mölzer, genau!)

All das findet im Herzen unserer Bundeshauptstadt statt (Zwischenrufe der Abge­ordneten Obernosterer und Kirchbaumer), und der Sicherheitsapparat (Abg. Michael Hammer: Ihr wolltet vom Taliban wen holen!) kapituliert mitten in Wien, so


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wie er 2015, 2016 (Abg. Wöginger: Den wollten sie ausgraben, da unten; was für einen Altnazi!) an unseren Grenzen kapituliert hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Falle des Krieges in der Ukraine zeigen sich die dramatischen Auswirkungen in wirtschaftlicher Hinsicht (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer), von der Industrie begonnen bis hinein in die Haushalte.

Jetzt frage ich mich: Wo ist denn eigentlich Ihre Empathie? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wo ist Ihre Empathie und Ihr Mitgefühl? Wo ist all Ihre Betroffenheit, wenn es um die Opfer im eigenen Land geht? – Absolute Fehlanzeige, meine Da­men und Herren! Ich sage Ihnen auch, warum das so ist: Das ist deshalb so (Abg. Michael Hammer: Das wollen wir gar nicht hören, was du sagst!), weil diese ös­terreichischen Opfer Opfer Ihrer falschen Politik fundamentaler Fehlent­scheidungen sind, die Sie in der Vergangenheit getroffen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wissen ganz genau, dass der Krieg in der Ukraine nicht automatisch und alternativlos zu Sanktionen geführt hat (Abg. Kirchbaumer: Dass Sie sich nicht schämen!), denn wenn es so wäre, dann hätte es auch bei ande­ren Angriffskriegen diese Sanktionen gegeben – es hat sie aber dort nicht gegeben.

Die Wahrheit ist eine andere: Sie und alle, die sich daran beteiligt haben (Abg. Michael Hammer: Das haben sie jetzt wieder in Moskau aufgeschrieben!), ha­ben sich in einen Wirtschaftskrieg hineintreiben lassen. Sie haben unser Land in einen Wirtschaftskrieg hineingetrieben, im Gleichschritt mit der Euro­päischen Union (Zwischenruf bei der ÖVP) und der Nato, unter der Vergat­terung der USA. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Menschen zahlen den Preis bei den Mieten, an der Tankstelle oder beim Einkaufen. Sie zahlen den Preis für das, was Sie Haltung nennen und was in Wahrheit nichts anderes ist als eine scheinheilige Doppelmoral. (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei der ÖVP.)


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Auch die Folgen des Krieges in Israel, die sich jetzt in unserer Heimat zeigen, sind hausgemacht. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Ursache liegt in einer Mas­seneinwanderung, die Sie mit dem Dammbruch der Jahre 2015, 2016 zu verantworten haben (Abg. Michael Hammer: Weil Sie den Verfassungsschutz zer­stört haben! – weiterer Zwischenruf bei der ÖVP), wo Sie nicht nur tatenlos zugesehen haben (Zwischenruf des Abg. Reimon), wie unsere Grenze gestürmt wurde, sondern wo Sie diesen Grenzsturm auch noch verklärt haben (Abg. Michael Hammer: Und darum waren unter Ihrer Innenministerzeit die meisten Flüchtlinge!), Stichwort Fachkräfte, ohne die unser Wohlstand zugrunde geht, Stichwort Willkommenskultur, Stichwort Sternstunde der Humanität. (Abg. Wöginger: Die ganzen blauen Unternehmer stellen nur Ausländer ein! Weil sie sie billig zahlen können! – Ruf bei der ÖVP: Stichwort Innenminister Kickl!) Diese Hu­manität haben in der Vergangenheit viele Frauen und Mädchen in diesem Land am eigenen Leib zu spüren bekommen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wögin­ger: Da kann ich dir ein paar nennen!)

Unter Schwarz und Grün geht diese dramatische Entwicklung weiter. Jetzt stehen Sie vor dem Erbe Ihrer eigenen Politik und bejammern die Zustände (Abg. Schnabel: Wir haben die niedrigsten Migrationszahlen, seitdem Sie nicht mehr Innenminister sind!), die Sie selber herbeigeführt haben. (Abg. Lukas Hammer: Das ist ein bissl monoton!) Auf eine ganz kurze Formel gebracht haben all diese nachteiligen Entwicklungen für die Bevölkerung einen einzigen Dreh- und Angel­punkt: Sie – diese Regierung, alle Parteien, die mitgemacht haben, und auch Ihr Bundespräsident, der es heute vorzieht, nicht hier zu sein (Abg. Michael Ham­mer: ... das BVT zerstören, oder was?!) – haben die Neutralität und die Souveränität Österreichs zertrümmert und verraten. (Beifall bei der FPÖ)

Sie sind die Täter und die österreichische Bevölkerung ist Ihr Opfer (Abg. Michael Hammer: Schämen Sie sich!), weil sie nämlich nicht gefragt wurde, ob sie das alles will, aber trotzdem all das auszubaden hat, was Sie ihr einbrocken.

Meine Damen und Herren, Sie sind offenbar vollkommen geschichtsvergessen. (Abg. Wöginger: Ja, du auch! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Es ist Ihnen nicht klar,


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dass Souveränität und Neutralität gemeinsam die Grundlage der Freiheit Öster­reichs bilden. (Rufe bei der ÖVP: Na, Gott sei Dank sind wir das nicht! ... Deutschnationalen!) Sie verstehen nicht, dass diese Freiheit ihrerseits die Grundvoraussetzung für die Verwirklichung der Selbstbestimmung eines jeden einzelnen Bürgers, für Frieden, für soziale Sicherheit, für innere Sicherheit, für Aufstieg durch Leistung und für Wohlstand ist.

Sie haben nicht verstanden, dass dieses Wissen und das Gespür dafür das Ge­heimnis für die lange Erfolgsgeschichte Österreichs über viele Jahrzehn­te gewesen ist, die mit dem Namen großer Staatsmänner wie Kreisky und Figl verbunden wird. (Abg. Michael Hammer: Weil ihr nie erfolgreich regiert habt!) Sie verstehen nichts und deshalb zertrümmern Sie alles. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele für Ihre Anschläge, für Ihren Zerstörungskurs: Da ist Ihre unglaubliche EU-Unterwürfigkeit. Ich rede da nicht von der Europäischen Union, der Österreich im Jahr 1995 beigetreten ist (Abg. Schna­bel: ... auch schon dagegen! – Abg. Wöginger: Da warst du auch schon dage­gen!), sondern ich rede von ihren gefährlichen und schädlichen Mutationen, die sich in der Zwischenzeit gebildet haben, ich rede von ihren zentralisti­schen und undemokratischen Wucherungen: Einheitswährung samt Schulden­union, wahnwitzige Urteile europäischer Gerichte, die uns die Entschei­dungsspielräume einschränken (Abg. Michael Hammer: Ihr entscheidet eh nichts!) und zum Beispiel Abschiebungen verunmöglichen (Abg. Lukas Hammer: Das ist langweilig!), Waffenlieferungen für die Ukraine, Reisefreiheit für Illegale, weil die Außengrenzen nicht verteidigt werden, Ökokommunismus na­mens Green Deal, freihändige Impfstoffbestellung über das Handy der Kommis­sionspräsidentin, systematische Zensur unter dem Deckmantel des Kamp­fes gegen Desinformation (Abg. Leichtfried: Pferdewurmmittel hat sie nicht bestellt, nein!) oder der digitale Euro (Abg. Michael Hammer: Ihr habt die größte Fakenewsfabrik Österreichs!), der uns alle zu gläsernen Bürgern macht. (Beifall bei der FPÖ.)


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Alles das stört Sie nicht. Es stört Sie nicht, ganz im Gegenteil: Anstatt die Menschen zu schützen, anstatt sich auf die Hinterfüße zu stellen, anstatt für die Österreicher zu kämpfen, arbeiten Sie lieber daran mit, Österreich auch noch die letzte politische Selbstverteidigungswaffe, nämlich das Vetorecht, aus der Hand zu schlagen, nur weil Sie zu feige sind, es zu benutzen. (Zwischen­ruf des Abg. Wöginger.)

Meine Damen und Herren, ein weiterer Anschlag: der WHO-Pandemievertrag, ein Papier wie aus einer lupenreinen Diktatur. Da werden auf Basis der Coronakrise Allmachtfantasien ausgerollt (Abg. Schnabel: Das haben Sie auf Tele­gram zugesendet gekriegt!) – etwas anderes ist das nicht. (Abg. Wöginger: Jetzt kommt die Aluhutpolitik!) Alle Macht soll bei der WHO konzentriert werden (Abg. Michael Hammer: Jetzt kommt gleich der Hauser als Nächster! – Zwi­schenruf des Abg. Schwarz), nur dort, in dieser Weltgesundheitsorganisation soll künftig entschieden werden (Abg. Wöginger: Alles für das Pferd!), wann und wo eine Pandemie ausgerufen wird (Abg. Michael Hammer: Ist das vom Südtiroler Ötzi aufgeschrieben?), und vor allem, wie die konkreten Maßnahmen aus­zusehen haben, mit denen man darauf reagiert. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Das heißt im Klartext, dass die nationalen Parlamente Pause haben, sie sind ausgeschaltet. (Abg. Loacker: Man sollte nicht alles glauben, was man denkt!) Die Staaten sind Befehlsempfänger, aber zahlen dürfen sie das Ganze. (Abg. Schallmeiner: Man sollte vor allem nicht glauben, was einem der Kollege Hau­ser ...!) Ja wenn Ihnen das gefällt – der Bevölkerung gefällt es nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Praktisch ist das Ganze für Totalitäre: eine Institution, eine Wahrheit, eine Linie, und den Pluralismus kann man dann gleich als Feind der Weltgesundheit bekämpfen; und Sie sind überall mit dabei. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Sie delegieren Ihre Verantwortung an die Europäische Union, genauso wie Sie sich im Windschatten der Europäischen Union im Zusammenhang (Abg. Schall­meiner: Der Einzige, der Pluralismus bekämpft, sind Sie!) mit der Klimahysterie


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Zielen unterwerfen, wobei nie ein Mensch in Österreich gefragt wurde, ob er das haben will (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer) – der nächste Anschlag.

Und so geht das munter dahin, überall das gleiche Bild der Selbstaufgabe (Abg. Schwarz: Das Gegenteil: Das was du machst, ist Selbstaufgabe!) und überall ist Österreich das Opfer. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Es ist ein trauriger Befund (Zwi­schenrufe bei den Grünen), und nur die Freiheitliche Partei hält dagegen. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

In unserem Dringlichen Antrag geht es deshalb heute um nichts Geringeres als um Frieden und um Freiheit (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!), um Wohlstand und um Sicherheit. (Abg. Schallmeiner: Es geht um deinen stumpfen Nationalismus!) Und es geht um den Schutz unserer Souveränität und Neutralität (Abg. Wöginger: Wie eine Sektenführung ist das da! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), weil diese beiden die tragenden Säulen all der genannten gesellschaftlichen Werte sind, auch wenn Sie das nicht begriffen haben.

Diesen Schutz der Souveränität und der Neutralität kann in einer Demokratie nur die Verfassung bieten. Die Verfassung muss zu einer demokratisch-rechtlichen Festung werden, und mit dieser Festung werden wir die Freiheit gegen Angriffe von außen und gegen Ihre Schwäche von innen verteidigen. (Abg. Wöginger: Mit den Russen, mit den Chinesen und mit den Arabern, na gratuliere!) Das ist das (Ruf bei der ÖVP: Und mit den Taliban!), was die Bevölkerung verdient. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Den Weg haben wir schon in einem entsprechenden Antrag vorgezeigt. Wir wol­len eine Änderung des § 1 der österreichischen Bundesverfassung. (Abg. Schallmeiner: Das ist Artikel 1! Herrje! – Zwischenruf des Abg. Bürstmayr.) Er soll in Zukunft lauten (Abg. Stögmüller – erheitert –: Sie wissen es ja nicht einmal! – weitere Zwischenrufe bei den Grünen) – Artikel 1, ja, Sie haben recht –: „Österreich ist eine demokratische, wehrhafte, immerwährend neutrale souveräne Republik. Ihr Recht geht vom österreichischen Volk aus.“ (Abg. Leichtfried: Er hat keine Ahnung, worüber er redet!)


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Das ist die Formel, die uns vor allen Übergriffen der EU und anderer internatio­naler Organisationen schützt, vor jedem Eingriff (Abg. Meinl-Reisinger: Sie haben überhaupt keinen Respekt vor der Verfassung, das merkt man!) in unsere Sou­veränität und Neutralität und (Zwischenruf des Abg. Hörl) vor allem auch vor Ihrer Mutlosigkeit und Schwäche. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit diesen vorgeschlagenen Änderungen der Verfassung haben die Staatsbürger, hat der Souverän das letzte Wort – der Souverän und sonst niemand (Abg. Leichtfried: Was ist mit den Bürgerinnen?) –, weil dann bei großen Weichenstellun­gen jedes Mal die Bevölkerung das letzte Wort hat und nicht die selbster­nannte politische Elite. Das und nichts anderes ist die notwendige Rückankop­pelung der Politik an den Souverän in einer Demokratie. Das ist gelebte Verfassungstreue, das ist echter Verfassungsschutz, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ja, den du hinge­macht hast! Du machst den Verfassungsschutz hin! Du musst ja rot werden bei so etwas! – Abg. Wöginger: Den du hingemacht hast! – Zwischenruf der
Abg. Meinl-Reisinger.)

Der heutige Dringliche Antrag hat nicht das Ziel, Sie zu überzeugen – meine Güte, ich will ja nicht den Eindruck erwecken, als würde ich mich zu einem Bock hinstellen und versuchen, ihn zu melken, und dann auch noch ein Sieb drunter halten. Bei Ihnen ist Hopfen und Malz verloren (Oh-Rufe bei der ÖVP – Abg. Michael Hammer: Witzig sind wir heute auch noch!), Hopfen und Malz ist bei Ihnen verloren! (Abg. Wöginger: Das Mittlere könnte sogar stim­men!) Gott sei Dank aber nimmt Ihr Weg bald ein Ende – in dieser Regierung und in dieser Konstellation im Hohen Haus. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Dringliche Antrag richtet sich heute an die Abgeordneten hier herinnen, an die sogenannten Volksvertreter. (Abg. Ottenschläger: Was heißt „soge­nannt“? Wir sind gewählt!) An diese richtet er sich, denn von ihnen wollen wir heute wissen (Abg. Wöginger: Was heißt „sogenannt“? Wie meint ihr das, hä? – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP): Wer ist denn überhaupt noch bereit (Ruf bei der ÖVP: Wir sind gewählt! – Abg. Wöginger: Akzeptierst du das Ergebnis


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nicht, oder wie?!), so wie wir Freiheitliche (Abg. Leichtfried: Der einzige Sogenannte bist du!) von der Regierung die Achtung unserer Souveränität und Neutrali­tät zu verlangen? Wer ist dazu bereit? (Abg. Lukas Hammer: Respektlos!)

Wer ist denn überhaupt noch dazu bereit, von der Regierung den Ausstieg aus den neutralitätszersetzenden Sanktionen zu verlangen? Wer ist noch dazu bereit, auf EU-Ebene den Einsatz des Vetorechtes in der Asyl- und Migrations­politik zu verlangen (Abg. Michael Hammer: Wäre ich ein blauer Abgeord­neter, ich würde jetzt gehen!), in der sogenannten Klimapolitik, in der Finanz- und Währungspolitik, sowie gegen den Versuch anzukämpfen, das Einstimmig­keitsprinzip aufzulösen?

Wer ist dazu bereit, den Stopp der freiwilligen Unterordnung unter die Agenda 2030 der Vereinten Nationen zu verlangen? (Abg. Strasser: Dann treten wir aus! Oder? Austritt?!) Wer ist dazu bereit, die Ablehnung des von der WHO angestrebten Pandemievertrags zu fordern (Abg. Wöginger: Ja, sag es halt, was du willst! Was willst denn? Austreten! Dann sag es wenigstens! – Ruf bei der ÖVP: Das traut er sich nicht! – Abg. Strasser: Austritt! Na austreten will er!), um auch in der Gesundheitspolitik unsere Souveränität zu bewahren?

Darüber werden Sie als Mandatare dieses Parlaments heute, am Vortag unseres Nationalfeiertages, abstimmen (Beifall bei der FPÖ – Abg. Strasser: Herr Kickl, sagen Sie es! Es nicht zu sagen ist feig! – Rufe bei der ÖVP: Dann sagt es! – Abg. Mi­chael Hammer: Den Beitritt zur Russischen Föderation! – Abg. Wöginger: Was willst denn? Sagʼs halt! Sag uns halt, was du willst! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), und ihr Abstimmungsverhalten wird auf jeden Fall ein Bekenntnis
sein.

Entweder wird es ein Bekenntnis zu einer österreichfeindlichen Elitenpolitik sein, der sich diese Bundesregierung und ihre Unterstützer mit Haut und Haaren verschrieben haben, oder es wird ein Bekenntnis zur österreichischen Souverä­nität und Neutralität und damit zu den Grundpfeilern für Freiheit, Sicherheit, Wohlstand, Frieden in unserer geliebten Heimat Österreich sein. (Abg. Wöginger:


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Mit einer Festung rundherum und einer Mauer! – Abg. Michael Hammer: Und einem Brett vorm Kopf!) Wir werden sehen, wie Sie sich entscheiden werden. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Eines sage ich Ihnen: Wir Freiheitliche wissen jedenfalls, was wir Österreich im Hier und Jetzt, was wir seinen vergangenen und was wir seinen künftigen Generationen schuldig sind. Ich fürchte aber, wir sind in der Zwischenzeit die Einzigen hier in diesem Hohen Haus. In diesem Sinne: Es lebe die neutrale, souveräne Republik Österreich! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

16.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Mitglieder der Bundesregierung recht herzlich begrüßen.

Die Frau Staatssekretärin gelangt zu Wort. – Bitte sehr. (Abg. Amesbauer: Übri­gens kein Mitglied der österreichischen Bundesregierung! – Gegenrufe des Abg. Wöginger.)


16.21.57

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete im Hohen Haus! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher der heutigen Parlamentssitzung! Wir sind heute auf Wunsch einer Partei hier zusammengekommen, um über etwas zu diskutieren, das selbstverständlich ist, nämlich die Neutralität unseres Landes. Die einzige Erklärung, die ich für diese Sondersitzung finde, ist: Man will Angst und Verunsicherung dort schüren (Abg. Amesbauer: Oh, jetzt kommt die Leier wieder! – Abg. Schnabel: Weil es die Wahrheit ist!), wo es absolut keine Grundlage für Angst und Verunsicherung gibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belako­witsch und Hafenecker.)

Es gibt hier im Hohen Haus, aber auch in der österreichischen Bevölkerung einen überwältigenden Konsens zur Neutralität Österreichs. Die Abschaffung der Neutralität steht absolut nicht zur Debatte. Es gibt keine Mehrheit hier im Parla­ment, es ist selbstverständlich auch für die Volkspartei klar, dass wir zur


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Neutralität Österreichs stehen, und es gibt auch keine Zustimmung der Men­schen. Die Neutralität ist unser höchstes Gut. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch unser Bundeskanzler Karl Nehammer ist in dieser Frage sehr klar: Öster­reich war neutral, Österreich ist neutral und Österreich wird neutral blei­ben. Die Neutralität ist für uns unumstößlich und einer der tragenden Pfeiler, auf dem unser politisches System, auf dem unsere Demokratie in Österreich beruht. Neutral zu sein bedeutet aber nicht, dass wir keine Meinung zu weltpoli­tischen Ereignissen, zu Krieg, zu Konflikten haben. Österreich ist militä­risch neutral, Österreich wird aber politisch immer an der Seite derer stehen, die völkerrechtswidrig oder von Terroristen angegriffen werden. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Das haben Sie alle – alle hier im Parlament vertretenen Parteien – auch miteinander bewiesen und bekundet, als Sie in einem gemeinsamen Bekenntnis diesen bestialischen Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel, den wir vor wenigen Tagen, Wochen erlebt haben, verurteilt haben. Ja, das beweist auch unser Bundeskanzler Karl Nehammer, indem er jetzt gerade auf dem Weg nach Israel ist. Terror ist durch nichts zu rechtfertigen. Terror ist der Feind von Demokratien, und deswegen ist der Terror auch unser aller Feind. Österreich ist militärisch neutral, wird auch militärisch neutral bleiben, aber niemals neutral gegenüber Terror sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Neutralität alleine schützt uns aber nicht. Wir müssen viel mehr unsere Auf­gabe wahrnehmen, die Neutralität selbst zu schützen (Abg. Schnedlitz: Vor euch, ja!), indem wir die Landesverteidigung aufrüsten und wiederaufbauen. Nur eine wehrhafte Neutralität garantiert auch eine wehrhafte Demokratie. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Aufgrund der Entwicklungen im Nahen Os­ten und in der Ukraine befinden wir uns heute in einer gänzlich anderen Realität, einer Realität, die vor einigen wenigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte (Zwischenruf des Abg. Martin Graf), einer Realität, in der wir den Fokus wieder auf die militärische Landesverteidigung legen müssen.


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Genau das tun wir auch. Das wurde sichtbar, als unser Finanzminister vor wenigen Tagen hier im Hohen Haus das Budget für das Jahr 2024 präsen­tiert hat. Im Budget ist es deutlich abgebildet und abgesichert: In den nächsten vier Jahren stellen wir rund 18 Milliarden Euro für das Bundesheer zur Verfügung. Das sind 21 Prozent mehr als im Vorjahr, und damit erreicht das Wehrbudget 2024, im nächsten Jahr, erstmals 4 Milliarden Euro und 2027 sogar die 5-Milliarden-Euro-Grenze. Das ist eine Investition in die mili­tärische Sicherheit, in die Sicherheit unseres Landes und am Ende des Tages natürlich in die Sicherheit der Menschen, die hier in Österreich leben.

Nur eine wehrhafte Neutralität garantiert eine wehrhafte Demokratie. Das äußert sich selbstverständlich auch in den Beschlüssen, die die Bundesregierung fasst. Wir nehmen unsere Verantwortung für die Menschen in unserem Land wahr. Die Unterzeichnung der Absichtserklärung zum Beitritt zu Sky Shield ist eines von vielen Beispielen dafür – das ist ein Meilenstein in der Vertei­digungspolitik. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Wie weit reichen denn diese Raketen?!)

Mit Sky Shield wird ein Schutzschirm über die teilnehmenden Länder gespannt, der Drohnen und Raketen frühzeitig erkennen und abwehren kann. (Abg. Kickl: Also das heißt, wir verteidigen uns gegen ungarische Raketen oder gegen tschechische! – Ruf bei der ÖVP: Kickl, aufpassen, da lernst noch was! – Abg. Michael Hammer: Da kennt er sich ja nicht aus, in der Verteidigung!) Wel­chen Wert so ein Abwehrschirm auch hat, zeigt sich gerade dieser Tage, wenn wir nach Israel blicken, auf das Tausende Hamas-Raketen abgefeuert wer­den und wo bereits jetzt mit einem ähnlichen System gearbeitet wird, das dort schützt. (Abg. Kickl: Aber die bringen das allein zustande, wenn man schon Israel hernimmt! – Abg. Michael Hammer: Alles, was mit Sicherheit zu tun hat: Da kennt er sich nicht aus!)

Wir müssen und werden Vorsorge treffen, um unser Land vor der Gefahr solcher Angriffe zu schützen. (Abg. Wöginger: Der letzte blaue Verteidigungsminister ... in


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die Kasse gelangt hat!) In der Luftraumüberwachung geht das am besten gemein­sam, gemeinsam im Verbund der europäischen Staaten. Wer noch immer Zweifel daran hegt, ob das mit der Neutralität Österreichs konform ist, wenn wir Sky Shield beitreten (Abg. Michael Hammer: Ja, das Verteidigungsressort ver­sagt und in die Kasse gegriffen! – Abg. Kickl: Wie weit reichen denn diese Raketen, das würde mich interessieren? Von wo muss denn der Beschuss erfolgen?), hat den Kern der Neutralität nicht verstanden und sollte auch wissen, dass die hochgelobte neutrale Schweiz auch diesem Bündnis Sky Shield beitre­ten wird. Das ist keine Frage der Neutralität, sondern eine Frage der Sicher­heit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Martin Graf: Und wenn die Schweiz austritt, treten wir auch aus?)

Wenn es also heißt – vor allem von Ihnen, Herr Abgeordneter Kickl –, nur Neu­tralität und Souveränität schützen unser Land, schützen Österreich vor Kriegstreiberei und Fremdbestimmung, dann muss man schon klar sagen: Es ist nicht das geschriebene Wort, das uns schützt, sondern es sind die Taten und die Vorsorge, die uns schützen, indem wir das Bundesheer stärken, den Si­cherheitsapparat ausbauen (Abg. Kickl: Ihnen laufen doch die Polizisten in Scharen davon! – Abg. Michael Hammer: Aber erst, seit Sie einmal dort waren! Der blaue ..., dann rennen sie davon! Die wollen sich auf kein Pferdl setzen!) und unser Schicksal selbst in die Hand nehmen, um eine wehrhafte Demokratie bleiben zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben in den vergangenen vier Jahren durchgehend diese Verantwortung übernommen und genau das bewiesen. Wir haben unsere Unabhängig­keit, unsere Versorgungssicherheit, unseren Wohlstand gesichert (Abg. Kickl: Sie sperren die Wachzimmer in Wien über Nacht zu!), wir haben die Gasversor­gung sichergestellt und auch unser Versprechen gehalten, dass wir die heimi­schen Gasspeicher füllen werden. Wir haben die Asylbremse gezogen und damit eine geordnete Asyl- und Migrationspolitik in Österreich sichergestellt. (Ruf bei der FPÖ: Wie denn? – Abg. Kickl: Wie viele sind es denn bis jetzt? – Abg.


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Hafenecker: Frau Staatssekretärin, man hat Ihnen einen vollkommenen Blöd­sinn aufgeschrieben ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Deutsche Medien, Herr Kickl, fragen nach wie vor, wie uns das in dieser kurzen Zeit in Österreich gelungen ist, wie wir das machen. (Abg. Kickl: In the country of the blind, the one-eyed man is king! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir haben mit einem umfassenden Entlastungspaket mit vielen Maßnah­men, von der ökosozialen Steuerreform bis zur Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung, nachhaltige Schritte gesetzt, damit der Wohlstand in unserem Land erhalten bleibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Ergebnis ist eindeutig (Abg. Wurm: Leider! – Zwischenruf der Abg. Belako­witsch): Österreich ist und bleibt ein friedliches, sicheres und wohlha­bendes Land. Das möchte ich insbesondere am Tag vor dem Nationalfeiertag nochmals betonen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Während andere – und vor allem Ihre Partei, die FPÖ – politisches Kleingeld schlagen, übernehmen wir Verantwortung, und dazu lade ich Sie auch ganz herzlich ein. (Widerspruch bei der FPÖ.) Gehen Sie diesen Weg gemeinsam mit uns! Vor allem: Glauben wir gemeinsam an dieses Österreich! – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

16.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass gemäß der Geschäftsordnung keine Rednerin und kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordnete Fürst. Bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. (Abg. Michael Hammer: ... retten, was der Parteiobmann vergeigt hat bei der Rede!)



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16.30.11

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Mi­nister! Sehr geehrte Frau Minister! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grünen brauchen nicht so nervös zu sein, wenn man sie darauf anspricht, warum Herr Vizekanzler Kogler nicht da ist. Er war bei Aufruf der Sondersitzung um 13 Uhr angekündigt. (Abg. Schmuckenschlager: Außer dem Herrn Kickl ist niemand nervös!) – Sie brauchen sich auch nicht aufzuregen.

Ich war schon gespannt darauf – es wäre schon spannend, wenn er hier wäre. Er verbreitet ja derzeit überall sein Demokratieverständnis (Abg. Hafenecker: Der ist grad beim ...!), nämlich das der Grünen (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist eures?), und auch das ist Thema der heutigen Sondersitzung, denn er ist ja der Auffassung und gibt zu, dass die Freiheitliche Partei derzeit in den Um­fragen bei gut 30 Prozent liegt. Was zieht er für einen Schluss daraus? – Immer noch sind 70 Prozent gegen die FPÖ und gegen einen Kanzler Kickl (Heiter­keit der Rednerin), Demokratieverständnis à la Grüne. (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist da eure Meinung dazu?)

Jetzt ist er draufgekommen und hat zu Mittag nachgesehen, wo die Grünen in den Umfragen liegen. Das ist im einstelligen Bereich, so 8 bis 9 Prozent. Was heißt das nach seiner Logik? Sind jetzt einmal gut über 90 Prozent gegen eine Regierungsbeteiligung der Grünen? (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Was ist denn das für ein Argument?)

Das hängt mit dem heutigen Thema zusammen: Die Frau Staatssekretärin ver­sichert uns, es bestehe kein Grund „für Angst und Verunsicherung“. – Das finde ich wirklich charmant. Ist es nicht der Innenminister Ihrer Partei, der Ter­rorwarnstufe vier ausgerufen hat? Ich sage nur: Das haben wir nicht so oft. Wir haben ein Wochenende hinter uns, an dem wir auf öffentlichen Plätzen Dinge gesehen haben, die wir schon vorausgesagt haben. Sie haben gerade gesagt, das habe man nicht voraussehen können – doch! (Abg. Wurm: Ja!) Hier zu


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sagen, es gebe keinen Grund für Verunsicherung, ist mutig, um es posi­tiv auszudrücken.

Der Neutralitätsstatus hat uns 1955 in die Unabhängigkeit entlassen – Unab­hängigkeit für Österreich zum Zweck „der dauernden Behauptung“ unse­rer Souveränität. Die Neutralität – das war der Auftrag – sei „mit allen [...] Mit­teln“ aufrechtzuerhalten (Abg. Leichtfried: Wissen Sie, wer da dagegen war, Frau Kollegin?), was heißt: kein Beitritt zu „militärischen Bündnissen“ und keine fremden Truppen hier; was heißt: in der Friedenszeit eine aktive, wehrhafte Verteidigungspolitik.

Sie tun so (in Richtung Staatssekretärin Plakolm), als hätten Sie das jetzt erfunden. Wir haben das immer verlangt. (Abg. Leichtfried: Wissen Sie, wer da dagegen war? Ihre Vorgänger waren da dagegen!) Natürlich braucht es, wenn Krieg ist – gerade Krieg in Europa –, umso mehr eine aktive Neutralitätspolitik, denn wann, wenn nicht in Kriegszeiten, wenn sie schlagend wird? (Beifall bei der FPÖ.)

Das heißt nicht total einseitige Parteinahme, sondern Zurückhaltung – Zurückhaltung, schauen, ob man zur Konfliktbeilegung etwas beitragen kann, und nicht noch dazu beitragen, den Konflikt zu verschärfen. Zu unterstellen, dass man, wenn man für die Neutralität eintritt, die Propaganda einer Kriegs­partei übernimmt, ist einfach nur erbärmlich – nur um das hier einmal festzu­halten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP. – Abg. Meinl-
Reisinger:
Dann machen Sie’s nicht!)

Mir ist schon klar: Um eine wirklich wertvolle, aktive Neutralitätspolitik zu verkörpern, braucht man Persönlichkeit, Rückgrat und eine Meinung. Das spreche ich Ihnen ab. Natürlich, Sie sagen, Sie haben eine Meinung. Ich habe aber schon das Gefühl, Sie hatten keine, sind nach Brüssel gefahren und dann mit der Meinung von Frau von der Leyen wieder zurückgekommen. Diese hat es an anderer Stelle genauso gemacht, denn nur daraus wird klar, dass Sie alle denselben Zettel haben und alle dieselben Sätze verwenden. Wenn man


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eigene Gedanken hat, eine eigene Meinung, dann – würde man meinen – kann man das auch unterschiedlich formulieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Ihrem Realitätssinn: Auch Herr Innenminister Karner – es hat eigentlich auch geheißen, er ist da; er war am vergangenen Sonntag in der „Pressestunde“ – hört nicht auf. – Ein für alle Mal: Hören Sie auf, die Freiheitliche Partei in die Nähe von Extremismus zu stellen (Ah-Rufe bei der ÖVP – Ruf bei der ÖVP: ... die Taliban! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), in die Nähe von Hasspredigten (Abg. Schallmeiner: Da tut ihr euch eh selber hin!), und uns als Sicherheitsrisiko darzustellen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Dann distanziert euch!) Damit meinen Sie nämlich auch die Wähler (Zwischen­ruf des Abg. Koza), und das sind zumindest derzeit um die 30 Prozent der Be­völkerung. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Die Identitären ...! – Abg. Wöginger: Was fährt der ... zu den Taliban? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein für alle Mal: Sie sagen, mit so jemandem kann man nicht zusammen­arbeiten – das entscheidet eigentlich der Wähler, aber auch das ist Ihr Demokra­tieverständnis. Es ist auf jeden Fall in höchstem Maße nicht in Ordnung, unfair und wirklich demokratiefeindlich, das so zu sagen und unsere Partei, un­sere Vorfeldorganisationen inklusive Herrn Obmann Kickl irgendwie in die Nähe von Extremismus zu stellen. (Abg. Schallmeiner: Denn Sie sind ja schon bereits dort, Frau Kollegin!)

Sie gehen damit auf jene los – auf uns –, die seit Jahren genau vor den Entwick­lungen warnen, die wir jetzt auf den Straßen sehen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ja, genau! Darum fahrts zu den Taliban! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Genau davor haben wir gewarnt und sind dafür ins rassis­tische, fremdenfeindliche, islamophobe Eck gestellt worden, mitsamt unseren Wählern. (Abg. Michael Hammer: Taliban statt daham ist das freiheitliche Motto!) Wir beobachten aber schon, was jetzt auf den Straßen los ist, nicht nur in Wien, sondern auch in Linz, Salzburg, Innsbruck. (Ruf bei der ÖVP: Das sind die Identitären!) Da sehen wir nun den tatsächlichen, gefährlichen, religiös motivier-


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ten, fanatischen Extremismus. (Abg. Schallmeiner: Das sind die ganzen Ein­zelfälle der letzten 75 Jahre! – Abg. Michael Hammer: Zerstören des Verfassungs­schutzes!) Dem sollte sich der Verfassungsschutz widmen (Abg. Michael Hammer: Den ihr zerstört habt! Der Herr Kickl!), das ist bisher negiert, verschwie­gen, verharmlost worden.

Wir haben es vorausgesagt, und jetzt haben wir das, was wir vorausgesagt haben: offene Gewaltaufrufe auf unseren Straßen, offene Hassparolen. (Abg. Mi­chael Hammer: Darum habt ihr die Extremismusabteilung dort untersucht!) Ich bin mit diesem Wort sehr, sehr sparsam, weil ich wirklich für die Meinungsfrei­heit bin, aber das ist jetzt echter Hass und echter Aufruf zur Gewalt. (Ruf bei der ÖVP: Die ihr alle schürt!)

Ich habe mir die Versammlungen angeschaut. Bedauerlicherweise tragen auch viele junge Frauen das Palästinensertuch. Das war einmal ein Mode­accessoire der Linksextremen und war immer schon ein hoch politisches Zei­chen, nämlich das Tuch der Fedajin – wenn Ihnen das bekannt ist: der ara­bische Ausdruck für die Anhänger, die palästinensischen Gruppenmitglieder, die wirklich für den fanatischen, gewaltbereiten Widerstand sind, gegen den Westen, gegen Israel. Sie stehen für die Selbstmordattentate, sie sind bereit, für ihre Sache zu sterben, wobei sie es dann leider meistens vorziehen, ande­re zu töten, wie das jetzt die Hamas in Israel gemacht hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Innenminister! Zwei Wochen nach diesem grauenhaften Attentat der Hamas auf Israel – auf diese jungen Leute –, bei dem so viele gestorben sind und infolgedessen sich jetzt noch Geiseln in ihrer Hand befinden, gibt es Freu­denkundgebungen auf unseren Straßen. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Dem werden Sie nicht mit verschärften Strafen Herr. Das sind Freuden­kundgebungen der Muslime, die hier leben, wie Sie das immer bezeichnet haben. Es waren wirklich zwei Wochen voller Drohungen gegen unsere westliche Welt,  gegen Israel, gegen die jüdische Gemeinde – gegen alle Nichtmuslime. Sie hätten sich ja auch einmal in unseren Schulen erkundigen können, die Kinder leiden darunter nämlich schon seit Jahren. (Beifall bei der FPÖ.) Es sind


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Drohungen, Gewaltaufrufe gegen die Gastgeberländer, allen voran Österreich, Deutschland und Frankreich, die diese Menschen großzügig aufgenommen haben.

Nach wie vor gehen Sie auf uns los, obwohl wir genau vor diesen Entwicklungen und der Islamisierung der Gesellschaft gewarnt haben. (Oh-Rufe bei ÖVP und SPÖ.) – Jetzt fällt Ihnen nichts mehr ein als Äh. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben das vorausgesagt. Ich verstehe, dass Ihnen nicht mehr einfällt. Sie reden von politischem Kleingeld, das wir angesichts dieses Themas mit der Sondersitzung machen, dabei bezeichnen Sie uns als Sicherheitsrisiko. (Abg. Michael Hammer: Ja, genau! Was denn sonst?) Das ist politisches Kleingeld (Abg. Michael Hammer: Der Kickl ist nie da und dann braucht er eine Sondersitzung! Nie da sein und dann Sondersitzung!): weil Sie keine Antworten auf unsere Politik und unsere Antworten, die die Bevölkerung überzeugend findet, haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

Das Sicherheitsrisiko ist diese Bundesregierung mit ihren Äußerungen. Frau Edtstadler war heute im EU-Unterausschuss. Sie fantasiert jetzt schon von härteren Strafen und von Securities, die an den Stammtischen notwendig sind – das muss man sich einmal vorstellen! –, aber auf den Straßen lassen wir jetzt alles, wie es ist. Da sieht man schon, wes Geistes Kind sie ist.

Frau Edtstadler war es, die sich in der UN-Versammlung hingesetzt und ein schärferes Vorgehen gegen Russland gefordert hat (Abg. Michael Hammer: Das tut euch weh, ja!), das muss man sich einmal vorstellen! Österreich ist neutral! Sie hat uns damit exponiert und nimmt das ganze Land in Geiselhaft. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stögmüller: Sie machen Verträge mit Russland als Partei! Sie machen Verträge mit Russland!)

Es ist unglaublich, dass sie das macht. Das ist eitle Profilierung. Sie brüstet sich mit Justizministerin Zadić um die Wette, wer Putin als Erster verhaftet,


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wenn er Österreich betritt. (Rufe bei der ÖVP: Na hoffentlich! Ihr nicht!) Er kommt eh nicht her, aber was soll das? Was soll das für ein kleines, neutrales Land? Das trägt nichts bei. (Abg. Stögmüller: Das kannst ja nicht mal selber glauben ...!)

Wir sind leider kein neutraler, souveräner Staat mehr – das ist das Thema der heutigen Sitzung (Abg. Stögmüller: Die Taliban ...! Das ist die Außenpolitik der FPÖ: die Taliban!), denn ein souveräner Staat braucht ein funktionierendes Staatsgebiet, und das geht nur mit Grenzkontrollen. Diese haben wir nicht. Wir haben die Grenzen zugunsten der EU-Außengrenzen aufgemacht, und die­se werden jetzt absichtlich offengelassen. (Abg. Steinacker: So ein Schwachsinn!) Und ihr sagt in Brüssel nichts dagegen.

Da wird von der Asylbremse geredet – unglaublich. Der Herr Innenminister hat sich in Brüssel bei der EU-Krisenverordnung der Stimme enthalten– das muss man sich einmal vorstellen! –, als Vertreter Österreichs, eines der Länder oder wahrscheinlich des Landes mit der höchsten Asylquote! (Abg. Kickl: Das ist ja der Allerfeigste!) Wir haben auch keine funktionierenden Staatsgewalten mehr und keine Bevölkerung, die sich in unseren Werten einig ist. Die Bundesregierung muss in die Realität zurückkommen und die verfassungsmäßige Aufgabe des Staates verkörpern. In der „New York Times“ ist vor Kurzem gestanden: Die Welt braucht mehr Neutrale. (Beifall bei der FPÖ.)

16.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stocker.


16.40.59

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Die FPÖ steht dort, wo Sie, Herr Klubobmann Kickl, sie hingestellt haben (Abg. Kickl: In der Mitte der Gesell­schaft!), und dass das der rechtsextreme Rand ist, ist Ihre Verantwortung und von sonst niemandem! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie bei dieser Sitzung zusehen! (Abg. Kickl: In der Mitte der Gesellschaft – und weit vor der ÖVP!) – Ja, regen Sie sich nicht so auf, meine Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! (Abg. Lausch: Wir lachen!) Ich weiß schon, es ist nicht Ihr Geschäftsmodell, Gespräche zu führen. Es ist auch nicht Ihr Geschäftsmodell, Lösungen zu suchen (Abg. Lausch: Sie sind eine 20-Prozent-Partei!), und es ist auch nicht Ihr Geschäftsmodell, international ein Gesprächspartner zu sein, weil außer der AfD mit Herrn Kickl ja überhaupt niemand redet. (Abg. Matznetter: O ja, die Taliban! – Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir sind aber sehr froh, dass das beim Bundeskanzler und der Bundesregierung anders ist. Daher ist es gut und richtig, dass der Bundeskanzler heute in Israel ist, um Gesprächskanäle offenzuhalten und Gespräche zu führen. Dass Sie das nicht schätzen und nicht wollen, das wissen wir seit dem Ukrainekon­flikt. Da reden Sie zwar davon, dass man sich an einen Tisch setzen soll, aber Sie kritisieren es immer dann, wenn es Ihnen passt, weil Sie an konstruktiven Lösungen im Ausland so wenig interessiert sind wie im Inland. (Abg. Kickl: Bei Ih­nen befürchte ich wirklich, dass Sie es nicht verstanden haben!)

Ich sage Ihnen noch etwas zu Ihrem Vorschlag die Verfassung betreffend: Sie reden immer von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Dann seien Sie doch so ehrlich und sagen Sie: Das ist der Austritt aus der EU! (Abg. Kickl: Warum? Wa­rum?) Man kann es ja sagen, aber man kann es nicht verstecken. (Abg. Kickl: Warum ist das der EU-Austritt? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Diese Unehrlichkeit, die Sie hier an den Tag legen, kann nur zwei Gründe haben: Der eine wäre Ahnungslosigkeit – das unterstelle ich Ihnen nicht, dazu ken­ne ich die Kompetenz in rechtlichen Belangen von manchen in Ihren Reihen zu gut. Die zweite Erklärung aber ist, dass Sie den Menschen in unserem Land Sand in die Augen streuen wollen, und das unter dem Vorwand, für Neutralität und Souveränität einzutreten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)


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Ich sage Ihnen eines: Überall in dieser Republik sind die Souveränität unse­res Landes und auch die Neutralität besser aufgehoben als bei Ihnen, sehr geehrter Herr Kickl. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wohin führt denn ein Weg eines Volkskanzlers Kickl, der Sie so gerne sein wollen? – Na, zum Volk führt er nicht. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Wir ha­ben uns das angesehen: Sie ziehen es ja vor, nur einen Teil des Volkes mit Ihrer Anwesenheit zu beglücken, nämlich bei Parteiveranstaltungen. Darüber hinaus isolieren Sie sich, so wie Sie Ihre gesamte Partei isolieren. (Abg. Hafenecker: Darum haben wir 30 Prozent!? – Abg. Kickl: Wir werden ja sehen, wie viele morgen zu uns am Tag der offenen Tür kommen und wie viele zu Ihnen!) Das ist aber kein Modell für Österreich, und das ist auch kein Volkskanzler, weil: Souveränität und Neutralität vertragen sich mit Ihrer Politik gar nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich weiß schon, dass Sie mit sich herumtragen, dass Sie als Innenminister versagt haben, aber dafür kann dieses Land nichts, dafür kann auch dieses Volk nichts. Sie haben jene Einrichtung, die vor Terror schützen soll, zerschlagen. (Abg. Kickl: Die war schon kaputt, als ich gekommen bin!) Sie haben sie zerschlagen! Heute wissen wir aber, wie notwendig eine Terrorschutzeinrichtung für unser Land ist. Und Sie trauen sich, hier von Souveränität, von Selbstbestim­mung und Unabhängigkeit zu reden? (Abg. Kickl: Der Zerstörer sitzt hinter Ihnen!)

Die Destruktion, die Zerschlagung, das ist Ihr Modell für dieses Land. Sie haben hier noch keinen konstruktiven Beitrag zur Lösung der Krisen geleistet, die wir bewältigt haben (Abg. Kassegger: Die ihr selber produziert habt!) und durch die wir dieses Land geführt haben, Sie haben keinen Beitrag zur Beseitigung der Schwierigkeiten geleistet. Für Sie geht es immer nur um eine Selbstverzwergung dieses Landes, um eine Festung, um die Kleinmachung unseres Landes. Das ist nicht unser Weg. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen auch: So wie Sie als Innenminister ein Gefährder für die inne­re Sicherheit waren und immer noch sind, sind Sie auch ein Gefährder


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der äußeren Sicherheit. (Abg. Amesbauer: Der Terroranschlag war aber unterm Nehammer, oder nicht?) Jetzt sagen Sie: Sky Shield, woher kommen die Raketen? Die fliegen doch über Nato-Land! – Ja, jetzt ist auf einmal Nato-Land gut, jetzt verlangen Sie internationale Solidarität, aber gleichzeitig sa­gen Sie: Eine böse Organisation ist das!, und: Raus aus den internationalen Organisationen!

Verzwergen, verkleinern, Isolation, all das hat noch nie zum Erfolg geführt, das ist rückwärtsgewandt, nicht um ein Jahrhundert, sondern um mehrere Jahrhunderte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Mit Ihnen muss man Nachsicht haben, Sie verstehen es ja wirklich nicht!)

Wohin führt der Weg des Volkskanzlers Kickl unser Land? (Zwischenruf des Abg. Stefan.) – Dieser Weg führt uns schnurstracks – Stichwort Radio Moskau, Radio Putin – in neue Abhängigkeiten (Abg. Kickl: Dass Sie das kennen?! – Abg. Lausch: Stocker hört Radio Moskau!), in Abhängigkeiten von Russland, und er führt uns auch zu den Taliban. Ich frage mich ja: Wie war denn das? Was tun Proponenten Ihrer Partei bei den Taliban? Letztlich wird uns dieser Weg auch zu den Ajatollahs und zur Hamas führen. (Abg. Kickl: Na erklären Sie einmal Katar!) Das ist der Weg, den die Freiheitliche Partei unter Ihrer Führung gehen wird. Das ist nicht unser Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Damit liefern Sie dieses Land und ganz Europa, unsere freien Demokratien an Diktatoren und Terrororganisationen aus. (Abg. Kickl: Haben Sie das dem Nehammer auch gesagt, bevor er nach Katar gefahren ist?) Sie sind ein Gefährder für die Selbstbestimmung dieses Landes und Sie sind auch ein Gefährder für die Neutralität dieses Landes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es geht Ihnen darum, in diesem Land das zu zerschlagen, was die Gesellschaft zusammenhält. (Abg. Amesbauer: Das hat man bei Corona gesehen, wer das gemacht hat! Glaubt ihr, das ist vergessen oder verziehen?) Es geht Ihnen um De­struktion, um Polarisierung, um Spaltung, um Verzwergung und Isolation.


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Das ist nicht der Weg, den wir in Österreich haben wollen. Das ist nicht unser Österreich, Herr Kickl! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Hafenecker: Was Sie ... verstehen, habe ich im Justizausschuss gesehen!)

Der Bundeskanzler, die Bundesregierung und auch die Volkspartei stehen für ein souveränes Land, für ein neutrales Land, für eine weltoffene Demokratie und für eine freie Gesellschaft. Das ist unser Österreich, und deshalb glauben wir auch an Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Das haben Sie jetzt jahrelang bewiesen!)

16.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte sehr.


16.47.45

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regie­rungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kickl will also die Neutralität sichern. Da drängt sich natürlich die Frage auf: Wie unglaubwürdig kann man eigentlich sein? Wie kann man die eigene Geschichte so verleugnen? (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Wie schnell kann man vergessen, was man in der Vergangenheit gesagt und getan hat?

Wissen Sie, Herr Kickl, was am 26.10.1955 war? – Da hat die VdU, Ihre Vor­gängerorganisation, als einzige Partei gegen die Neutralität gestimmt – und jetzt kommen Sie her und spielen sich hier als Hüterin dieser Neutralität auf?! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Wann war das? Wann war das?)

Was war im Jahr 1998? Was war da? – Da gab es einen Dringlichen Antrag der FPÖ zum Nato-Beitritt, Herr Kickl! 1998! (Abg. Stögmüller: Na, schau dich an! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Was war 2004? Wissen Sie noch, was 2004 war? – Da hat Ihr damaliger Vorsit­zender Jörg Haider gemeint, man sollte der Nato beitreten, unbedingt der Nato beitreten. Und jetzt frage ich Sie, Herr Kickl: Wer hat denn damals die Re­de für den Herrn Haider geschrieben? Waren das unter Umständen viel­leicht Sie, Herr Kickl? (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Rufe bei der ÖVP: Ja, genau! Bravo! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Der Herr Nato-Kickl zu dieser Zeit – aber lassen wir die Vergangenheit Vergangenheit sein, es mag ja sein, dass Sie Ihre Meinung geändert haben! (Abg. Michael Hammer: Da war die Frau Belakowitsch auch noch für die Impfpflicht!) Die Nagelprobe ist wohl: Wie verhält sich die FPÖ jetzt gegenüber der Neutrali­tät? Was hat es mit Neutralität zu tun, wenn man eine Delegation zu den Taliban schickt, Herr Kickl? Ist das neutral, wenn man dort Leute hinschickt? Sa­gen Sie mir das einmal! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

Was hat das mit Neutralität zu tun, wie Sie sich jetzt bei diesem menschenver­achtenden Überfall Russlands auf die Ukraine verhalten: im letzten Jahr 30 proukrainische Anträge (Abg. Kickl: Nein, proösterreichische! Sie haben es noch immer nicht kapiert!), die wahrscheinlich vom Inhalt her auch eine Mehrheit in der Staatsduma gehabt hätten, Herr Kickl (Abg. Kickl: Jetzt haben Sie sich verre­det! – Abg. Kassegger: Was sind die? Proukrainisch?! – Ruf: Prorussisch!), und keinerlei Unterstützung für die Menschen sind, die im Bomben- und Raketen­hagel gelegen sind?! (Abg. Kickl: Sie haben sich jetzt verredet!)

Das ist Ihre Neutralität, das ist Ihr Neutralitätsbegriff! Wissen Sie, was das ist? – Das ist parteiisch! Sie sind in diesen Fragen ausschließlich parteiisch (Abg. Stögmüller: Prorussisch!) und Sie stehen wieder einmal auf der fal­schen Seite der Geschichte. Das ist auch typisch für die FPÖ. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich habe jetzt wahrscheinlich das erste Mal in meinem Leben auch Applaus von der ÖVP bekommen (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ), aber ich kann


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natürlich auch die ÖVP und Sie, Frau Staatssekretärin, bei dieser Frage nicht ganz heraußen lassen. (Ruf bei der FPÖ: Die neue Koalition!) Man muss schon auch sagen, dass die ÖVP es nicht immer gut mit der Neutralität gemeint hat (Abg. Wurm: Aha? Aha! – Abg. Kassegger: Aber jetzt nicht zu forsch kritisieren!) und es meines Erachtens auch noch immer nicht gut meint. (Abg. Deimek: Erklär mir einmal die ...besuche in Nordkorea! Die Südkoreaner möchten da Details wissen über die Demokratie in Nordkorea!)

Ich darf auf den ehemaligen Bundeskanzler Schüssel zurückkommen, der der Nato beitreten wollte. Ihr Ex-Präsidentschaftskandidat Andreas Khol hat sogar im Jahr 2022 Ambitionen gezeigt, der Nato beizutreten. Also auch diese ÖVP-Politik, muss ich Ihnen offen sagen, geschätzte Damen und Herren, braucht Österreich nicht. Das ist nicht das, was wir für Österreich wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, es war immer die Sozialdemokratie (Abg. Dei­mek: Die nach Nordkorea gefahren ist! Ja, das stimmt!), die aufseiten der Neutralität, auf der Seite des neutralen Österreich gestanden ist (Zwischenrufe bei der FPÖ), von 1955 weg, und es wird immer die Sozialdemokratie sein, weil es inzwischen die einzige Partei ist, die glaubwürdig, glaubhaft und seriös auf diese Neutralität achtgibt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Na ja, Neu­tralität heißt bei euch, dass der Häupl weder den Doskozil noch den Babler ...! Das ist eure Neutralität! – Ruf bei der SPÖ: Geh, reg dich nicht so auf!)

Wissen Sie, da meine Redezeit zu Ende geht, möchte ich mit einem Vergleich enden (Abg. Wöginger: Die Rede hat so stark begonnen!), der relativ pas­send ist: Ich würde lieber meinem Hund ein Würstel anvertrauen als der FPÖ die Neutralität. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rei­mon. – Bitte.



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16.52.34

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Kickl, Sie halten ja viele Reden, die nicht besonders gut sind, aber diese war besonders fad – wahrscheinlich weil Sie selbst wissen, wie schwach das ist, was Sie hier aufführen. Sie haben einen
16-seitigen Antrag eingebracht, in dem Sie alles Mögliche auflisten – nicht weil es politisch hier relevant wäre, sondern weil Sie ihn 5 Minuten nach der Sit­zung in diverse Chatgruppen schicken werden, um dort Verschwörungstheoreti­ker mit Material zu versorgen. (Abg. Kickl: Achtung, das könnte eine Ver­schwörungstheorie sein, Herr Reimon! Vorsicht!) Damit veräppeln Sie Ihre eigene Wähler:innenschaft. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Holzleitner: Der ganze Antrag ist gespickt mit Verschwörungstheorien!)

Sie wissen selbst, dass das, was Sie da aufführen, ein Schmäh ist. Warum? – Sie erzählen den Leuten: Weil Österreich Verträge abgeschlossen hat, ist es nicht mehr souverän! – Ja, stimmt eh, das ist so, wenn man einen Vertrag ab­schließt. Jeder Einzelne Ihrer Wähler und Wählerinnen, der einen Miet­vertrag hat, soll froh sein, dass der Vermieter nicht mehr souverän ist und ihn nicht innerhalb von 2 Minuten vor die Tür setzen kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jeder Einzelne Ihrer Wähler und Wählerinnen, der einen Arbeitsvertrag hat, soll froh sein, dass der Arbeitgeber nicht mehr souverän ist, dass er einen Gehaltsanspruch hat, Urlaubsanspruch hat, in Krankenstand gehen kann. Des­wegen unterschreibt die Republik Österreich Verträge und bindet Mäch­tigere, bindet Pharmakonzerne. Wenn Sie gegen einen Gesundheitsvertrag sind (Abg. Kickl: Ah? Ja, ja, machen Sie es nur! Sie werden Ihr blaues Wunder erle­ben!), dann machen Sie nur die Pharmakonzerne frei. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Niemand weiß das besser als Sie. Niemand weiß besser als Sie, wie Sie mit Ihren eigenen Wähler:innen umgehen und wie Sie die am Schmäh halten. (Abg. Kassegger: Wer hat denn um 35 Milliarden per SMS etwas ...?)


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Die Nato-Geschichte ist überhaupt der beste Schmäh. Hier sind vier Parteien, die für die Neutralität eintreten – Sie jetzt plötzlich, wie wir gehört haben. Niemand hier fordert einen Nato-Beitritt, und Sie malen das als Problem an die Wand. Wir haben ein anderes Problem: Die Nato würde uns nicht einmal nehmen, wenn wir wollten. Das ist das Problem. (Abg. Kickl: Das ist das Problem!) Wir bringen nicht einmal einen Transportflieger in die Luft. (Abg. Kickl: Das ist Ihr Problem!) – Ah? Ich habe auf diesen Zwischenruf gewartet – dass das von den Grünen kommen würde –, aber die Grünen haben diesen Transport­flieger nicht verkommen lassen. Dieser Minister hat Kunasek geheißen, und mit dem sind Sie zu dieser Zeit in der Regierung gesessen. (Beifall bei Abge­ordneten von Grünen, ÖVP und SPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie sind in dieser Regierung gesessen, die die österreichische Verteidi­gungsfähigkeit nicht mehr hat aufrechterhalten können. (Rufe: Oje, oje, oje!) Wenn Sie das auf die Grünen schieben wollen: Nachher kommt Kol­lege Stögmüller zu Wort, er wird Ihnen erklären, wie vernünftige grüne Ver­teidigungspolitik ausschauen sollte. (Lebhafte Heiterkeit bei Abgeord­neten der FPÖ. – Abg. Kickl: Wenn es nach Ihnen ginge, gäbe es kein Bundesheer mehr!) Wir haben einen roten, einen schwarzen und blaue Verteidigungsminister gehabt; vielleicht wird es einmal Zeit für einen grünen. (Abg. Kickl: Dann gäbe es nur mehr Revolutionäre!) Kollege Stögmüller wird Ihnen erklären, wie das geht.

Was wir machen müssen, ist, aktive Außen- und Verteidigungspolitik, aktive Politik zu betreiben, denn wir können nicht weiter als Trittbrettfahrer durch diese Weltpolitik fahren. Wir brauchen aktive Außenpolitik. Wenn wir die nächsten 20 Jahre (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen) die Mitgliedstaaten der Union und andere Länder im Stich lassen, wer­den wir irgendwann im Stich gelassen, wenn wir es brauchen. Auf das be­reiten Sie Österreich vor, auf sonst nichts.


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Das stärkste Werkzeug aber, das Österreich hat, ist logischerweise nicht die Nato oder das Bundesheer, sondern das stärkste Werkzeug ist die Europäische Union – und das wollen Sie Österreich aus der Hand schlagen.

Wenn wir souverän sein wollen, unabhängig sein wollen, dann ist das Allererste, was wir machen müssen, uns von Diktaturen und Autokratien unabhängig zu machen, zum Beispiel indem wir aus Gas und Öl aussteigen, denn dort schie­ben wir Regimen das Geld nur so rein; die Milliarden buttern wir dort rein. (Abg. Kickl: Genau! Deswegen sind Sie nach Katar gefahren, nicht?) Sie wollen, dass wir bei diesen Energieformen bleiben und das weiterhin so machen.

Die beste Souveränitätspolitik, die wir machen können, ist (Abg. Hafenecker: Sind die Grünen!), die Unabhängigkeit von Öl und Gas zu forcieren. Das ist es. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Und deswegen sind Sie nach Katar gefahren, nicht?) – Nein, um die Abhängigkeit zu beenden, die Sie eingeführt haben! Deswegen haben wir das gemacht.

Es gibt zwei Gruppen von Autokratien, von denen wir uns besonders unabhängig machen müssen. Das ist Russland, das wir mit dem Kauf von Gas finanzieren, und es sind die Golfstaaten inklusive Iran (Ruf bei der FPÖ: Ah! – Abg. Kickl: Ach so!), von denen wir uns ölmäßig unabhängig machen. Das ist es. (Beifall bei Abge­ordneten der Grünen. – Rufe bei der FPÖ: Katar! Katar!)

Was Russland angeht, so bestreiten Sie so gerne, dass Sie mit Russland einen Freundschaftsvertrag hatten. – Stimmt, Sie haben mit der Partei Putins einen Arbeitsvertrag gehabt. Zu Verträgen habe ich Ihnen schon etwas erklärt. Ich habe Ihnen diesen Vertrag in diesem Buch gezeigt. (Der Redner hält das Buch „Putins rechte Freunde. Wie Europas Populisten ihre Nationen verkaufen“ von Michel Reimon und Eva Zelechowski in die Höhe. – Abg. Kickl: Wissen Sie, was ein Vertrag ist?) Ich weiß, was da drinsteht. (Abg. Kickl: Wissen Sie, was ein Vertrag ist?) Da steht drin, Sie verpflichten sich gemeinsam mit der Partei Putins zur „Stärkung der Freundschaft und der Erziehung der jungen Generation im Geiste“ (Abg. Stögmüller: Das ist ein Sicherheitsrisiko!), „von Patriotismus


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und Arbeitsfreude“. (Abg. Kickl: Lesen Sie einmal den Punkt zehn vor!) – Wer sind Sie eigentlich, dass Sie mein Kind zur Arbeitsfreude und zum Patriotismus erziehen wollen? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Lesen Sie den Punkt zehn vor!)

Was haben Sie Österreichs Jugend zu erzählen, wie diese zu erziehen ist, gemeinsam mit Putin?! Wie kommen Sie dazu?! Und Sie reden von Souveränität und Unabhängigkeit?! (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) Wenn wir souverän sein wollen, dann bitte ohne Putin und ohne diese Autokratie! (Beifall bei den Grünen.)

Damit kommen wir zu dem Geld, das wir an den Golf schicken, an die Ölstaaten, wo wir den islamischen Fundamentalismus finanzieren. (Abg. Hafenecker: Ja, Sie waren in Katar und in Aserbaidschan ...! – Abg. Belakowitsch: Mit dem Pri­vatjet! – Abg. Hafenecker: Mit dem Privatjet fliegen Sie in die Golfstaaten!) Den islamischen Fundamentalismus, den Sie angeblich so lang kritisieren, finan­zieren wir genau mit den Energieformen, an denen Sie noch Jahrzehnte festhalten wollen. Sie sind die, die uns daran binden. Aber Sie haben ja nichts gegen den islamischen Fundamentalismus, das Einzige, das Sie stört, ist, wenn die da sind. Das sind beides Stammesgesellschaften; unsere Rechtsextremen und Sie (Abg. Kickl: Jessas na!) wollen alle untereinander bleiben – wenn das räumlich getrennt ist, ist Ihnen alles wurscht.

Inhaltlich haben Sie überhaupt kein Problem. Deswegen fliegen ja Ihre Partei­freunde nach Afghanistan. Sie haben dasselbe Frauenbild – in der Rück­ständigkeit (Zwischenrufe bei der FPÖ) –, dasselbe Familienbild. (Abg. Kickl: Geht’s Ihnen eigentlich noch ganz gut? Bei Ihnen muss man jetzt wirklich schön lang­sam aufpassen!) Sie haben denselben Umgang mit Homosexuellen, besonders dieselbe Angst vor Männern. Das ist komplett gleich. Es gibt im gesam­ten Gesellschaftsbild überhaupt keinen Unterschied. Erkennen tut man den Unterschied zwischen den Islamisten und den Freiheitlichen nur an der Wange: Die einen haben einen Vollbart und die anderen einen Schmiss – sonst gibt es da gar nichts. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Und – das ist das Ärgste –: Sie haben doch seit Jahrzehnten denselben Zugang (Abg. Kassegger: Da sind wir jetzt im Bereich der Satire!) zum Antisemitismus. (Abg. Hafenecker: Haben Sie überhaupt ...?) Antisemitische Parteien und Organisa­tionen, rechtsextreme genauso wie islamistische: Das ist doch das eigentli­che Problem, über das wir jetzt ganz besonders reden. (Abg. Wurm: Sie brauchen einen Arzt!)

Wenn Sie über die Sicherheit Österreichs reden wollen, sage ich Ihnen etwas: Die Sicherheit Österreichs ist nur so groß, wie die Sicherheit der gefähr­detsten Gruppe in Österreich ist, wie die Sicherheit der Minderheiten in Öster­reich ist. (Abg. Wurm – in Richtung Grüne –: Und den schickt ihr nach Brüssel, oder was?) Wenn Juden und Jüdinnen in Österreich wieder gefährdet sind, dann ist die Sicherheit Österreichs derzeit am Boden. So schaut’s aus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Kann man dem Herrn Reimon noch ein paar Minuten Redezeit geben?)

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, hat vor drei Monaten im Rahmen des Antisemitismusplanes für Österreich gefordert, dass die Freiheitlichen sich niemals an einer Regierung beteiligen dürfen oder niemals daran beteiligt werden sollen. (Abg. Amesbauer: Das wird nicht er entscheiden! – Abg. Kickl: Wenn der Herr Deutsch das sagt!) Das schlägt ein oberster Vertreter der Juden und Jüdinnen in Österreich vor. Das ist gelebter Antisemitismus in Österreich. Ich hoffe, dass Sie niemals an einer Regierung beteiligt werden.

Nie wieder ist jetzt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Unglaublich! Das ist unglaublich! Unglaublich! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger. – Bitte sehr.



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16.59.24

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir diskutieren heute über ein Thema, das uns, glaube ich, alle sehr betrifft, gerade in solchen Zeiten, näm­lich die Sicherheit Österreichs und die Sicherheit Europas. (Unruhe in den Reihen der FPÖ.) – Geht’s? – Danke sehr. (Abg. Hafenecker: Frau Lehrerin, wir sind schon still!)

Die Frage ist: Was bedeutet Sicherheit für uns? Man könnte ja zu dem Schluss kommen, dass Sicherheit die Abwesenheit von Krieg oder die Abwesenheit von Konflikten bedeutet. Wenn wir uns aber jetzt, in der heutigen Situation, die Bedrohungslagen anschauen – ich glaube, das geht allen Menschen in Öster­reich so, wenn sie den Fernseher aufdrehen und die Nachrichten anschauen –, dann bekommen wir gelinde gesagt ein mulmiges Gefühl angesichts der Krisenherde und Kriege in der Welt. Sicherheit bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern auch einen Zustand, in dem wir sicher sind (Zwischenruf des Abg. Martin Graf), dass wir uns frei entfalten können, dass wir so leben können, wie wir wollen, und dass sich jeder Mensch ohne Angst vor äußerer Bedrohung völlig frei entfalten kann. Das ist das Wesen der Demo­kratie und auch das Versprechen, das wir in einer offenen Gesellschaft und in ei­ner liberalen Demokratie geben: dass jeder und jede sein oder ihr Leben gestalten kann, so wie er oder sie möchte. (Abg. Wurm: Das wäre schön, ja, wenn es so wäre!)

Wir haben enorme Herausforderungen vor uns. Tatsächlich sind in dieser Schrei­erei des Herrn Kickl von 20 Minuten ja auch viele Probleme richtig angesprochen worden: Klimawandel, Migration und Schutz der europäischen Außengrenzen, natürlich auch die Sicherung der Energieversorgung. In all diesen Fragen wissen wir alle doch eines: Wir sind gemeinsam stärker als allein.

Warum also, frage ich hier, sollte gerade beim Thema Sicherheitspolitik die Sachlage anders sein? Warum sollte es ausgerechnet, wenn es um die Frage der


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Sicherheit der Menschen in Österreich, der Sicherheit Österreichs und der Sicherheit Europas geht, so sein, dass man auf einmal sagt: Alleine sind wir stärker als gemeinsam? Das Gegenteil ist doch der Fall! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Schauen Sie sich doch einmal ... Entwicklungen im Verlauf des letzten Jahrhunderts an!)

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg, der Terrorüberfall der Hamas auf Israel: Was ist Ihre Antwort darauf? Bes­ser allein als gemeinsam? Besser isoliert als zusammen in Europa? Es will mir ein­fach nicht in den Kopf!

Wissen Sie, die FPÖ hat auch einmal eine andere Position dazu gehabt. Es ist manchmal schon ganz interessant, in die Archive zu schauen. Quasi einer Ihrer Chefideologen, Herr Mölzer, hat das früher ja ganz anders gesehen. (Abg. Martin Graf: Lernfähigkeit nennt man das! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Wir haben keinen Chefideologen!) Da finden sich ganz in­teressante Aussagen zur EU und zur Frage der Neutralität. Er hat gesagt, ich glaube, es war im Jahre 19- - (Ruf bei der FPÖ: 1853! – Abg. Wurm: 24?!) – ich muss jetzt nachschauen –, in den Neunzigerjahren, dass (Abg. Amesbauer: Na was jetzt?!) mit dem EU-Beitritt der „biedere Angehörige der ‚österreichischen Nation‘ [...] zur Kenntnis nehmen“ muss, „dass das angeblich primäre Krite­rium seiner Identität,“ eben diese „Neutralität, auf dem Misthaufen der Geschichte landen dürfte“. – Das haben Sie gesagt, das kommt aus Ihren Reihen. (Abg. Wurm: Wir haben das nie gesagt!)

„Das Gegenteil der neutralen ‚Kleinstaaterei‘ ist der Reichsgedanke [...] Das neue Europa [...] kann nur an den alten Reichsgedanken anknüpfen.“ (Abg. Kickl: Wann war das?! Wann war das?! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) „Neutralität, Neutralismus“ – das ist das, was Sie betreiben, Neutralismus (Abg. Kickl: Ah, das war, wo der Haselsteiner noch beim Haider ein- und ausgegangen ist! Das war damals!), nicht einmal mehr politisch Position zu beziehen, so feig zu sein – „oder schlechthin der Typus des Neutralen werden für dieses Europa uninteressant, ja unverträglich sein.“ (Abg. Kickl: Ein Intimfreund war er


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damals! In den Neunzigerjahren war ein gewisser Hans Peter Haselsteiner ein Intimfreund des Jörg Haider! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Wö­ginger: Wie intim?!)

Schreien Sie nicht so herum! Es gibt auch aus der Mitte der 2000er-Jahre ein interessantes Zitat. Herr Mölzer sagt: „Die Sicherheits- und Verteidigungs­politik der EU muss völlig unabhängig von den USA erfolgen“, wir brauchen eine europäische „Armee mit internationalen Eingreiftruppen“.

Wissen Sie, es ist schon ganz spannend, dass Sie diese Sondersitzung einberufen haben (Abg. Kickl: Aus den Neunzigerjahren!) und eigentlich wider besseres Wissen sagen, die Neutralität schütze, denn niemand wird nicht angegriffen, bloß weil er neutral ist. (Abg. Kickl: Woher wissen Sie das?)

Die Frage ist also: Sind Sie ein verlässlicher Partner beim Thema Sicherheit für Österreich und Europa? Da werfen natürlich die Beziehungen Ihrer Partei zu Russland und speziell zum Kreml doch sehr ernsthafte Fragen auf: Wie kann denn eine Partei, die so eng mit dem Kreml, mit Putins Partei verbunden ist, mit dem Aggressor, der gerade die europäische Sicherheitsordnung unter­gräbt und wahrscheinlich die größte Bedrohung für den Frieden und die Freiheit auf unserem Kontinent ist, ernsthaft von sich behaupten, die Sicherheit Österreichs vertreten zu können? (Abg. Martin Graf: Frag den Haselsteiner! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Ein Blick auf die Fakten: Laut dem jährlichen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hat Russland seine Aktivitäten zur Beeinflussung der österreichischen Innenpolitik in den letzten Jahren deutlich verstärkt, der Kreml versucht also auch, hier in Österreich innenpolitisch Einfluss zu gewinnen. (Abg. Hafenecker: Fragen Sie den Haselsteiner!) Und wer steht im Mittelpunkt dieser Aktivitäten? – Die FPÖ.

Es ist überhaupt kein Geheimnis – es ist angesprochen worden –, dass Sie eine Kooperationsvereinbarung mit dem Kreml haben, mit Putins Partei Einiges


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Russland, einer Partei, die die Annexion der Krim durch Russland durchgeführt hat. Ihre Partei hat das in zahllosen Statements unterstützt, sie hat einen Akt unterstützt, der das Völkerrecht verletzt hat und letztlich die europäische Sicherheitsordnung ernsthaft bedroht.

Es ist also völlig klar, dass die FPÖ überhaupt nicht auf der Seite der Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher (Abg. Kickl: Ich sehe das ganz anders!) und schon gar nicht der Sicherheit Europas steht, sondern dass sie im Gegenteil diese Sicherheit massiv aufs Spiel setzt, indem sie die Interessen Russlands über die Interessen unseres Landes stellt. (Abg. Kickl: Was das für ein Blödsinn ist!)

Ich bin davon überzeugt, dass die Stärkung der Sicherheit Österreichs – und das wissen die Österreicher mittlerweile sehr gut – nur mit einer Stärkung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der Stärkung der Wehr­haftigkeit Europas möglich ist. Wir sind nämlich gemeinsam stärker als alleine. (Beifall bei den NEOS.)

Wir brauchen eine stärkere Integration in der Sicherheitspolitik. Wir brauchen tatsächlich als Vision eine echte europäische Armee, aber keine Aufgabe der nationalen Armeen. (Abg. Schnedlitz: Hat die Rede die CIA vorgeschrieben?!) Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Werte, unsere europäischen Werte, unsere Freiheit und auch der Frieden auf unserem Kontinent für unsere Kinder gesichert sind und nachhaltig bewahrt werden können.

Wehrhaft zu sein bedeutet aber auch, dass wir unsere Verteidigungsfähigkeit stärken müssen – in militärischer Hinsicht, in ziviler Hinsicht, in geistiger Hinsicht und auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie kennen unsere Haltung, was die Abhängigkeit von Russlands Gas angeht: Das müsste dringend beendet werden.

Dem Heer gehören selbstverständlich die nötigen Mittel bereitgestellt, und es gehört dabei europäisch gedacht. Wir brauchen auch eine klare neue Sicherheitsstrategie als Leitplanke für die Zukunft der Sicherheit in Österreich. Da habe ich – es ist gut, dass Sie hier sind, Frau Ministerin – eine Bitte:


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Auch da sind wir gemeinsam stärker als allein. So eine neue Sicherheitsstrategie darf nicht hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Ich weiß, wir sind da einbezogen, aber nicht in dem Ausmaß, wie das notwendig wäre. Es ist eine Angelegenheit des Hohen Hauses, eine Angelegenheit des Parla­ments, eine Angelegenheit der Volksvertretung. Übrigens besteht meines Er­achtens auch die Notwendigkeit, die Zivilgesellschaft bei dieser für Österreich so wichtigen Frage der neuen Sicherheitsstrategie, die notwendige Leitplanken für die Zukunft bringt, einzubinden. Daher mein Appell – morgen ist der Nationalfeiertag, das wäre ein starkes Zeichen –: Geben Sie die Sicherheits­strategie zur Verhandlung in die Hände dieses Hohen Hauses! (Beifall bei den NEOS.)

Meine Damen und Herren! Es ist hoch an der Zeit, dass wir uns jetzt einmal der Realität stellen. Ich habe da auch ganz viel Realitätsverweigerung gehört. Wir können die Sicherheit Europas und Österreichs nicht – ganz offensichtlich nicht – länger diesen nationalistischen und populistischen Kräften überlas­sen, und schon gar nicht dürfen wir uns diesen Kräften unterwerfen, und das sa­ge ich in aller Klarheit.

Wir müssen uns jetzt gemeinsam für eine stärkere Sicherheitspolitik und Vertei­digungspolitik in Europa einsetzen und wir müssen alle gemeinsam die FPÖ daran erinnern, dass ihre Verantwortung nicht in Moskau liegt, sondern hier in Wien und auch in Brüssel. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Martin Graf: Wenn alle gegen uns sind, liegen wir richtig!)

17.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Tanner. – Bitte sehr, Frau Bundesminister, bei Ihnen steht das Wort.


17.08.00

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungs­bank! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und


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Herren hier im Hohen Haus und vor den Bildschirmen! Frieden, Freiheit, Wohlstand, Sicherheit, der Schutz der Neutralität (Abg. Schnedlitz: Das war die Aufzählung, was ihr vernichtet habt!), Mitgefühl und Empathie für die Op­fer von Krieg und von Terror – so einfach ist es, sehr geehrte Damen und Her­ren, das Einende vor das Trennende zu stellen. (Abg. Belakowitsch: Wirk­lich?!) Das waren Ihre Worte. Das waren Ihre Worte, die Worte desjenigen, der die heutige Sitzung verlangt hat, diese Sondersitzung am Tag vor dem Nationalfeiertag – vor unserem Nationalfeiertag, an dem wir unser österreichi­sches Bundesheer feiern und des Beschlusses des Neutralitätsgesetzes gedenken.

Haben wir gemeinsam dafür gesorgt, dass wir der Verfassung gerecht werden? Haben wir die Demokratie als wehrhafte Demokratie? Haben wir unser österreichisches Bundesheer mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet? (Abg. Stögmüller: Haben wir!) – Das haben wir nicht, in der Vergangenheit haben wir das nicht getan. (Abg. Kickl: Ach Gott! Wie lange habt ihr den Finanzminister?!)

Heute, einen Tag vor dem Nationalfeiertag, finden wir uns hier zusammen, und es gilt, Ihnen allen, sehr geehrte Damen und Herren, ein ganz großes Dan­keschön zu sagen, denn Sie haben es ermöglicht, dass unsere Soldatinnen und Soldaten endlich auch die Mittel in die Hand bekommen, die sie brauchen, um die Menschen zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Gerade in diesen Zeiten, die von furchtbaren Bildern geprägt sind, die unsicher sind, wie es in der Vergangenheit noch nie der Fall war, bitte ich Sie alle, auch der Verfassung gerecht zu werden, wenn es um die Mittel geht, das Kon­zept geht, das wir all diesen Krisen entgegensetzen können. Der Schlüssel ist immer die Zusammenarbeit. Das Konzept ist wie schon angesprochen das der umfassenden Landesverteidigung, das es auch mit Leben zu erfüllen gilt.


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Heute ist anlässlich des Nationalfeiertages der Tag der Schulen. Es sind mehr als 2 000 Schülerinnen und Schüler der Einladung gefolgt (Abg. Schnedlitz: War ja nicht einmal der Darabos ...!), sich auf der Leistungsschau des österreichischen Bundesheeres zu informieren. Es ist uns miteinander, mit dem Bildungsmi­nister, gelungen, dass wir die geistige Landesverteidigung auch wieder in den Lehrplänen finden; denn, sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir das Budget haben, wenn wir das Personal haben, aber nicht wissen, was es zu verteidi­gen gilt, dann haben wir auch etwas nicht richtig gemacht. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Auch das ist uns aber miteinander gelungen! (Beifall bei der ÖVP.)

Daher eindringlich, sehr geehrte Damen und Herren, an Sie alle (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lausch): Gehen wir diesen Weg weiter! Gehen wir diesen Weg weiter, dass es ein Feld gibt, auf dem Parteipolitik nichts verloren hat, nämlich im Bereich der Sicherheit! Lassen wir die Landesverteidigung nicht am Kasernenzaun enden, sondern leben wir sie – in unseren Betrieben, in unseren Familien, Seite an Seite. Ich freue mich auf den morgigen Nationalfei­ertag. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Lausch: Das ist der falsche Tag für diese Rede! Morgen ist ...! – Abg. Ragger: Der ist morgen, nicht heute!)

17.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Reifen­berger. – Bitte sehr.


17.11.51

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Hohes Haus! Ich habe heute ein paar Zitate mitgebracht: Absichtserklärung betreffend die Stärkung der europäischen Säule in der integrierten Luft- und Raketenabwehr der Nato durch die europäische Sky-Shield-Initiative – das ist einmal die Überschrift.

Es geht weiter: unter Erinnerung daran, dass Investitionen in die Nato der beste Weg sind, um das dauerhafte Band zwischen den europäischen und nord­amerikanischen Verbündeten zu sichern (Zwischenruf des Abg. Höfin­ger); ihre Absicht, gemeinsam einen Vorschlag zur praktischen Förderung der


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Luft- und Raketenabwehrfähigkeit der Nato in Europa voranzutreiben; mit dem Ziel, die integrierte Luft- und Raketenabwehr der Nato zu stärken; die allgemeine Voraussetzung, dass alle Luft- und Raketenabwehrsysteme über nationale Führungs- und Kontrollsysteme in die Architektur der integrierten Luft- und Raketenabwehrsysteme der Nato integriert werden sollten (Rufe bei der FPÖ: Aha!); auf diese Weise nutzen die Unterzeichner Synergien innerhalb der europäischen Säule der Nato; in einer späteren Phase wird die Übertra­gung der European-Sky-Shield-Initiative-Aktivitäten in die Architektur des Rahmennationenkonzepts angestrebt. – Zitatende. Anmerkung meinerseits: Dieses Konzept ist eine Verteidigungskooperation der europäischen Nato-Staaten.

Das alles, was ich Ihnen jetzt hier an Zitaten gegeben habe, stammt aus dieser Absichtserklärung, aus dem LOI zur European-Sky-Shield-Initiative. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Redner:innenpult, auf der drei lose übereinanderge­legte bedruckte Seiten Papier abgebildet sind, darüber eine Lupe. Erkennbar an mehreren Stellen ist das durch farbliche Markierung hervorgehobene Wort „NATO“. – Abg. Kickl: Haben Sie das alles überlesen?) Sie sehen hier auf dem Taferl einen Auszug aus diesem – es ist ja nur ein Zweiseiter plus ein Deck­blatt (Abg. Stögmüller: Was ist denn das? – Abg. Michael Hammer: Fast so schlecht wie der Hauser, die Tafel!) –, und in diesen zwei Seiten plus Deckblatt kommt sage und schreibe 13 Mal dieses Wort Nato vor. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stög­müller: ... der Hauser was lernen! Das muss der Hauser toppen!)

Diese Absichtserklärung hat Frau Bundesminister Tanner am 7. Juli 2023 unter­schrieben, ohne vorher auch nur in irgendeiner Art und Weise das Parla­ment einzubinden. (Abg. Kickl: Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und jetzt kommt das Allerbeste oder eigentlich das Allerschlimmste: Unsere Ver­teidigungsministerin wäre von selbst nicht auf die Idee gekommen, dass es mit diesem Papier, in dem 13-mal Nato drinnen steht, vielleicht ein klitze­kleines Problem geben könnte. Unsere Frau Verteidigungsminister hat bereits lange vor der Unterfertigung der Absichtserklärung medial behauptet,


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dass Sky Shield neutralitätsrechtlich völlig unproblematisch sei. Erst spä­ter, als die Schweiz dann eine neutralitätsrechtliche Zusatzerklärung ins Spiel gebracht hat, erst dann hat sich Frau Bundesminister Tanner der schwei­zerischen Vorgehensweise angeschlossen. (Abg. Kickl: Ein Blitzgneißer!) Da kann ich nur bestätigen: Wer hat es erfunden? – Die Schweizer und nicht Sie, Frau Bundesminister Tanner! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie ist das aber jetzt zu verstehen, Frau Bundesminister? Ist die Absichtserklä­rung, in der 13-mal das Wort Nato drinnen steht, wirklich neutralitäts­rechtlich völlig unproblematisch, so wie Sie das am Anfang behauptet haben? (Abg. Lausch: Das hat sie überlesen!) Und wenn dem so ist: Warum haben wir dann jetzt diese Zusatzerklärung gebraucht? Das müssen Sie uns einmal erklären!

Eines möchte ich aber auch festhalten: Diese Zusatzerklärung steht völlig diametral zur Absichtserklärung von Sky Shield, daher ist es nur ein Placebo, ein reines Ablenkungsmanöver, weil die Inhalte der Absichtserklärung mit der Zusatzerklärung überhaupt nicht zusammenpassen. Das ist nicht kon­gruent, nicht kompatibel, juristisch würde man sagen: Da liegt ein Dissens vor, kein Konsens. (Abg. Deimek: ... keine Juristen ...!) Und, Frau Ministerin, in meinen Augen – es tut mir wirklich leid – sind Sie durch diese freihändige Neu­tralitätsverletzung (Abg. Stögmüller – erheitert –: Wahnsinn!), die Sie durch Unterzeichnung dieser Initiative begangen haben, rücktrittsreif. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass Ihre Nerven blank liegen, haben wir heute in dem Interview gesehen, das Sie auf krone.at gegeben haben; und man sieht es auch an den Zwi­schenrufen der letzten beiden Reihen der ÖVP, dass die Nerven blank liegen. (Abg. Stögmüller: Na Wahnsinn!) Das wundert mich aber nicht, denn das sind jene Abgeordneten, die in einem Jahr nicht mehr hier herinnen sitzen wer­den. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche fordern den Aufbau einer eigenständigen, national, souverän betriebenen bodengebundenen Luftabwehr und eine Volksabstimmung über eine allfällige Beteiligung Österreichs an Sky Shield.


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Neutralität ist nur etwas wert, wenn sie zum einen wehrhaft ist und wenn sie zum anderen auch glaubhaft gelebt wird, sodass sie von anderen Staaten auch anerkannt wird. Es ist nicht neutral, einem Militärbündnis na­mens Sky Shield beizutreten, dessen Ziel es ist, den europäischen Pfeiler in der gemeinsamen Luftverteidigung der Nato zu stärken. Im Ausschuss ist uns noch erklärt worden, dass man nicht glücklich damit sei, dass genau dieser Satz auf der Homepage des deutschen Verteidigungsministeriums steht, aber das ist die gesamte Überschrift der Absichtserklärung und nicht eine falsche Interpretation der Bundesrepublik Deutschland. (Abg. Loacker: Sogar die Schweizer sind dabei! – Abg. Stögmüller: Wenn sogar die Schweizer es unterschrei­ben! Die Schweizer ... neutral! Alle ...!)

Es ist auch nicht neutral, sich durch Wirtschaftssanktionen an einem Wirt­schaftskrieg zu beteiligen. Es ist nicht neutral, Nato-Truppen durch Österreich in Richtung der ukrainischen Grenze aufmarschieren zu lassen. (Abg. Stögmül­ler: Unglaublich!) Es ist nicht neutral, Militärflugzeuge über österreichi­sches Hoheitsgebiet fliegen zu lassen; und es ist nicht neutral, Waffen und sonstiges Kriegsgerät durch österreichisches Staatsgebiet in Richtung Ukraine transportieren zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank, Sie haben Neutralität nicht verstanden. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stögmül­ler – in Richtung des das Redner:innenpult verlassenden Abg. Reifenberger –: Nimm dein Schildl mit!)

17.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ofen­auer. – Bitte.


17.17.35

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men Ministerinnen! Frau Staatssekretärin! Herr Außenminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Zu-


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erst eine kurze Replik auf die Rede des Kollegen Leichtfried; den Ausfüh­rungen in den ersten 3 Minuten kann ich sehr zustimmen. (Abg. Lausch – erhei­tert –: Ha! Blödsinn, Sie haben die auch nicht verstanden!) Ich darf darauf hinweisen, dass allerdings auch Genosse Cap seinerzeit für den Nato-Beitritt eingetreten ist.

Nun aber zurück zur jetzigen Sondersitzung! Die Sondersitzung an diesem heuti­gen Tag ist ein gutes Beispiel für den billigen Populismus der FPÖ, denn es ist ein Sammelsurium der unterschiedlichsten Problemlagen, für die die FPÖ und insbesondere Herbert Kickl nur eine einzige Lösung sieht, nämlich den Aus­tritt aus allen internationalen Organisationen (Abg. Stögmüller: Alles!), von der EU bis zur UNO, was zu einer Isolation Österreichs (Abg. Stögmüller: Festung Österreich, ja?) und zu einer Verzwergung führen würde, aber sicherlich keine Lösung für die Probleme ist, vor denen wir stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Tatsache ist, meine sehr verehrten Damen und Herren: Niemand rüttelt an der Neutralität, und die Neutralität ist zum Selbstverständnis der Österreicher geworden. Was aber Herbert Kickl da mit dieser Sondersitzung macht, mit dem Titel dieser Sondersitzung, und dass er die Neutralität in den Mund nimmt, das ist ein Missbrauch und eine Missachtung dieses Begriffs der Neutralität; genauso wie ihm die Sicherheit Österreichs absolut kein Anliegen ist, denn denken Sie zurück an seine Zeit als Innenminister (Abg. Kickl: War eine gute Zeit! – Abg. Michael Hammer: Für dich! Bist ... im Sessel gesessen, aber das war es dann schon! – Zwischenrufe bei der FPÖ), in der er den Staatsschutz ruiniert hat! Das BVT, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbe­kämpfung, das uns vor Terrorismus hätte schützen sollen, hat er ruiniert. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ. – Abg. Stögmüller: Dank Ibiza!) Das war danach kaputt, das hat erst die ÖVP danach wieder neu aufgestellt. Das ist ihm egal, die Sicherheit Österreichs ist ihm egal. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Meine Damen und Herren, die Welt hat sich seit 1955 verändert – politisch, wirtschaftlich, sozial und geopolitisch. (Abg. Lausch: ... Minister Karner ...!) Eines ist aber nach wie vor gleich geblieben, im Kern gleich geblieben, nämlich die Neutralität, was bedeutet: kein Beitritt zu einem Militärbündnis, keine fremden Soldaten in Österreich, und es ist auch der Wille der Österreichischen Volkspartei, dass das so bleibt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun aber zu Sky Shield. – Ein Militärbündnis hat gemeinsame Befehls- und Kommandostrukturen. Ein Militärbündnis übernimmt regelmäßig Aufgaben der Landesverteidigung. Das ist auch der Grund, warum Sky Shield kein Mili­tärbündnis ist, sondern eine gemeinsame Beschaffungsplattform. Wer anderes behauptet, der missversteht und missinterpretiert diesen Letter of Intent ganz bewusst (Abg. Deimek: Also du bist auch gescheiter als die Juristen!), und zwar deshalb, weil er verunsichern will und weil er Angst und Schrecken ver­breiten will. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Sky Shield ist eine gemeinsame Beschaffungsplattform, die uns letzten Endes vor Raketen und vor Drohnen schützen soll. (Abg. Kickl: Und dann schießt jeder für sich kreuz und quer in der Gegend herum!) Schauen wir auf den Ukrainekrieg und schauen wir auf Israel, das zeigt, dass wir derzeit solchen Bedro­hungen schutzlos ausgeliefert sind. Wir sehen zwar mit unserem hervorragenden Überwachungssystem, mit der Goldhaube, die Bedrohungen, aber wir können nichts dagegen tun. Deshalb ist es wichtig, gemeinsam etwas zu unter­nehmen. Herbert Kickl aber lehnt das ab. Warum lehnt er es ab? – Weil ihm die Sicherheit Österreichs egal ist. Herbert Kickl ist ein Sicherheitsrisiko, kann man sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es war von Anfang an immer klar, dass die österreichische Neutralität eine militärische ist, aber keine politische, und deswegen unterstützen wir auch die Ukraine und ganz besonders auch Israel mit all unseren Möglichkeiten.

Meine Damen und Herren, wenn wir über die Neutralität reden, dann reden wir über die Sicherheit Österreichs und darüber, wie wir die Sicherheit Öster­reichs gewährleisten können. Dabei wurde dieser Satz im Neutralitätsgesetz –


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„Österreich [...] mit allen [...] zu Gebote stehenden Mitteln“ – in den letzten 20 Jahren sträflich vernachlässigt. Da blicke ich auch in Richtung FPÖ, auch sie hat nichts dagegen getan und ihr Minister Kunasek auch nicht. (Abg. Kickl: Ihre Finanzminister waren die größten Gegner der Landesverteidigung!) Einzig Bundeskanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klau­dia Tanner haben eine Trendumkehr geschafft. (Abg. Kickl: Alles Geld für die Ma­nipulation der eigenen Bevölkerung!) Wir werden im Budget 2024 für das österreichische Bundesheer 4 Milliarden Euro zur Verfügung haben, 18 Milliar­den Euro in den Jahren 2024 bis 2028, und mit der Mission vorwärts wird das beim österreichischen Bundesheer auch in Investitionen für die Sicher­heit Österreichs umgesetzt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diejenigen, die sich um die Sicherheit Österreichs sorgen, die, die an der Si­cherheit Österreichs arbeiten, sind Bundeskanzler Karl Nehammer, Ver­teidigungsministerin Klaudia Tanner und die Minister der Bundesregierung, weil sie daran glauben, dass die Menschen in Österreich die Herausforderungen bewältigen können, weil sie an starke Menschen in einem starken Land glauben, weil sie an dieses Österreich glauben – und deshalb glauben auch wir an dieses Österreich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

17.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lai­mer. – Bitte.


17.22.25

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglie­der! Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich am Vorabend des Nationalfeiertages an alle Polizeibeamten, Soldatinnen, Soldaten sowie Be­diensteten der Sicherheitsbehörde wenden und ihnen meinen Respekt und besonderen Dank aussprechen, da sie oftmals unter schlechten, unter wid­rigen Rahmenbedingungen ihren Dienst verrichten müssen. (Beifall bei der


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SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Sie alle sind das Rückgrat der Sicherheit – nicht die aktuelle Bundesregierung.

Meine Damen und Herren! Die Neutralität ist der Grundpfeiler unserer österreichischen Identität, und trotzdem gibt es politische Kräfte, die unsere Neutralität untergraben oder besonders für parteipolitische Zwecke instrumentalisieren. Dagegen wehre ich mich persönlich und dagegen wehrt sich die Sozialdemokratie vehement. Da können Sie mich beim Wort nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Neutralität gilt historisch als Rettungsanker nach Schweizer Vorbild, gerade für kleine Länder, um ihre Interessen zu wahren, wahren zu können. Das ist ein zivilisatorisches Erbe, auf das man als Demokrat zu Recht stolz sein darf, gerade im Zusammenhang mit unserer geschichtlichen Verantwortung. (Abg. Kickl: Warum macht ihr es dann hin?) Es ist die Aufgabe, die österreichische Neutralität in den internationalen Beziehungen für Frieden und Stabilität zu nutzen. Unser Verständnis unterscheidet sich gravierend von jenem der FPÖ (Abg. Kas­segger: Jetzt bin ich gespannt!), die die Neutralität für nationale Isolation missbraucht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: So ein Blödsinn! – Abg. Kassegger: Man kann im Alleingang gar nichts machen!)

Es ist wichtig, dass der Zusammenhang zwischen Frieden außerhalb der EU und der Sicherheit und dem Schutz unserer Bevölkerung verstanden wird. Dabei müssen wir uns auch im Herzen Europas um Sicherheit und Verteidigung kümmern. Das kann nur durch gemeinsame europäische Anstrengungen sowie durch gesamtstaatliche Bemühungen in Österreich gelingen, Stichwort Schutz unserer Souveränität.

Für mehr Sicherheit und für die Wahrung unserer Neutralität brauchen wir eine proaktive Diplomatie, Herr Außenminister, und zwar auf bilateraler, euro­päischer und multilateraler Ebene. Wir brauchen auch eine funktionierende, eine umfassende Landesverteidigung, die wieder mit Leben erfüllt wird, ganz im Sinne von Bruno Kreisky und Sinowatz. (Beifall bei der SPÖ.) Unter Kreisky


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wurde sie nämlich 1975 konzipiert und erfunden. Das Konzept der FPÖ ist ge­nau das Gegenteil. Das neutrale Österreich soll international als souve­räner Brückenbauer auftreten und nicht, wie von Ihnen artikuliert, sich durch nationale Abschottung in Europa isolieren. (Abg. Kickl: Da haben Sie aber nicht zugehört!)

Die Neutralität muss vor jenen schützen, die sich ihr gegenüber wie ein Fähnchen im Wind verhalten. Ich erinnere an die Sicherheitsstrategie der schwarz-blauen Regierung unter Kanzler Schüssel – den Sie zum Kanzler gemacht haben, liebe FPÖ –, als von ÖVP und FPÖ ein Nato-Beitritt explizit gefordert wurde. Das wird es mit der Sozialdemokratie niemals geben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Infragestellen der Rechtsordnung der EU durch die Freiheitlichen gefährdet nicht nur unsere Sicherheit, sondern auch den Wohlstand. Daher muss heu­te unmissverständlich – leider – klargestellt werden: Die FPÖ will einen Austritt aus der EU, wie im Dringlichen Antrag klar ersichtlich wird. Die FPÖ will die Sicherheit Österreichs gefährden (Abg. Belakowitsch: Sie müssen sinnerfassend lesen! Das ist das Problem!); als aktuelles Beispiel: der unwürdige Taliban­tourismus in den Steinzeitislam. Und die FPÖ will den Lebensstandard von Mil­lionen Österreichern verschlechtern. Warum? – Wir sehen, wie die briti­schen Arbeiterinnen und Arbeiter seit dem Austritt aus der EU leiden. Will das die FPÖ für die österreichischen Arbeiter auch?

Ich kann hier aber auch die ÖVP nicht verschonen. An dieser Stelle sei auf den stellvertretenden EU-Parlamentspräsidenten und Christdemokraten Karas verwiesen. Er hat zu Recht der ÖVP jegliche Funktionalität als Europa­partei abgesprochen. (Abg. Stefan: Na geh!)

Somit bleibt die SPÖ als einzig glaubwürdige Kraft im Nationalrat vertreten, die stets für Neutralität und für ein geeintes Europa eingestanden ist (Abg. Kickl: Und neuerdings für den Marxismus!) und auf unsere Neutralität aufpasst,


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meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Es lebe unsere neutrale Republik Österreich, es lebe das geeinte Europa!

Abschließend möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Robert Laimer, Genossinnen und Genossen (Abg. Kickl: Heißt das jetzt wieder Genossen? – Abg. Schroll: Immer! – Abg. Kickl: Ach so, ich ha­be gedacht, Komplizen!) betreffend „Engagierte Neutralitätspolitik in Krisenzeiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler wird aufgefordert, fol­gende Maßnahmen umzusetzen:

- Die Neutralität Österreichs durch eine tatsächlich gelebte Umfassende Landesverteidigung zu stärken und sie als Grundlage für die Sicherheits- und Friedenspolitik zu betonen,

- die Rolle Österreichs als glaubwürdiger Vermittler und Ansprechpartner in Konflikten wiederzuerlangen,

- die Bereitschaft, am zivilen und militärischen Krisenmanagement der EU unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen teilzunehmen,

- die österreichische Neutralität in der Gestaltung der Außen- und Sicher­heitspolitik zu berücksichtigen,

- die Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips in Fragen der GASP/GSVP in der EU,

- die Unterstützung der Stärkung der außen-, sicherheits- und vertei­digungspolitischen Dimension der EU zur Erreichung einer strategischen Auto­nomie, während die Einhaltung der verfassungsmäßigen Neutralität regel­mäßig überprüft wird,


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- die Verpflichtung zur zeitgemäßen Ausstattung des österreichischen Bundesheeres zur Gewährleistung von Neutralität, Souveränität und territorialer Integrität sowie die Unterstützung weltweiter Rüstungskontrolle und eines Verbots von Atomwaffen,

- die Verschärfung der Exportkontrolle von Kriegswaffen, Kriegsfahrzeugen und Kriegsmunition auf nationaler und europäischer Ebene, um Missbrauch zu verhindern,

- die Einführung strengerer gesetzlicher Regeln und öffentlicher Meldepflichten für Vertreter der Rüstungsindustrie in Behörden und bei Entscheidungsträ­gern auf nationaler und EU-Ebene, um Partikularinteressen besser abschätzen zu können.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Robert Laimer,

Genossinnen und Genossen,

betreffend „Engagierte Neutralitätspolitik in Krisenzeiten“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag 3667/A(E) des Abgeord­neten KO Herbert Kickl und weiterer Abgeordneter betreffend Souveränität und Neutralität sichern Österreichs Freiheit

Die Neutralität Österreichs hat in den fast siebzig Jahren ihres Bestehens unter sich ändernden geopolitischen Umständen immer als wichtiger Rahmen für die
Außen- und Sicherheitspolitik gedient. Österreich ist seit den 1960er Jahren in den


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Vereinten Nationen aktiv und wurde mehrmals als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt. Es beteiligte sich an über 100 Auslandseinsätzen im Rah­men von VN, EU und NATO. Österreich ist auch stark in der OSZE engagiert, die eine wichtige Plattform für Dialog und Verständigung in Konfliktzeiten bietet.

Die Sicherheitslage in Europa hat sich nach dem Ende des Kalten Krieges nicht entscheidend verbessert, und die Anzahl der Kriege und Konflikte hat zugenommen. Die Aufgaben für neutrale Staaten wurden nicht nur nicht weniger, sie haben sich grundlegend verändert.

Die neutralitätsgerechte Positionierung Österreichs innerhalb der GASP/GSVP dient weiterhin den außen- und sicherheitspolitischen Interessen Österreichs und schützt vor einer Beteiligung an militärischen Konflikten. Das neutrale Österreich hat im Rahmen der EU viele Handlungsmöglichkeiten und sollte diese aus sozialde­mokratischer Sicht nutzen.

Eine engagierte Neutralitätspolitik trägt dazu bei, dass Österreich zur Prävention und Lösung von Konflikten beitragen und seine guten Dienste in den internationalen Beziehungen anbieten kann. In Krisenzeiten ist diese von höchster Bedeutung, da sie zur Friedenssicherung mit Mitteln der Diplomatie beiträgt.

Eine engagierte Neutralitätspolitik Österreichs schafft Vertrauen in einem äußerst komplexen geopolitischen Umfeld, leistet einen Beitrag zur Prävention von Konflikten und setzt sich aktiv für den Frieden ein.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler wird aufgefordert, folgende Maßnahmen umzusetzen:


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•    Die Neutralität Österreichs durch eine tatsächlich gelebte Umfassende Landesverteidigung zu stärken und sie als Grundlage für die Sicherheits- und Friedenspolitik zu betonen,

•    die Rolle Österreichs als glaubwürdiger Vermittler und Ansprechpartner in Kon­flikten wiederzuerlangen,

•    die Bereitschaft, am zivilen und militärischen Krisenmanagement der EU unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen teilzunehmen,

•    die österreichische Neutralität in der Gestaltung der Außen- und Sicherheits­politik zu berücksichtigen,

    die Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips in Fragen der GASP/GSVP in der EU,

•    die Unterstützung der Stärkung der außen-, sicherheits- und vertei­digungspolitischen Dimension der EU zur Erreichung einer strategischen Auto­nomie, während die Einhaltung der verfassungsmäßigen Neutralität regel­mäßig überprüft wird,

•    die Verpflichtung zur zeitgemäßen Ausstattung des österreichischen Bundeshee­res zur Gewährleistung von Neutralität, Souveränität und territorialer Inte­grität sowie die Unterstützung weltweiter Rüstungskontrolle und eines Verbots von Atomwaffen,

•    die Verschärfung der Exportkontrolle von Kriegswaffen, Kriegsfahrzeugen und Kriegsmunition auf nationaler und europäischer Ebene, um Missbrauch zu verhindern,

•    die Einführung strengerer gesetzlicher Regeln und öffentlicher Meldepflichten für Vertreter der Rüstungsindustrie in Behörden und bei Entscheidungsträgern auf nationaler und EU-Ebene, um Partikularinteressen besser abschät­zen zu können.“

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsge­mäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


17.29.08

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Minister! Wir sind heute wieder zusammengekommen, die Dauerbefeuerung rund um die Neutrali­tätsdebatte hat ein neues Maß angenommen, Gespenster werden an die verfassungsrechtliche Wand gemalt. Ich sage das ganz offen.

Unsere immerwährende Neutralität wurde in Art. 1 Abs. 1 des Bundesverfas­sungsgesetzes über die Neutralität Österreichs festgehalten. Unsere Neu­tralität hat knapp 70 Jahre lang genauso fest gehalten, auch nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der Sowjetunion, und ausgerechnet heute, wie man den Eindruck gewinnt, wenn man den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ zuhört und glauben will, soll diese immerwährende Neutralität vor dem Ende stehen. Laut dem Verlangen der FPÖ ist Österreich nämlich hoch gefährdet durch – ich zitiere – „Kriegstreiberei und Fremdbestimmung“. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, Nato-Beamte!)

Aha, „Kriegstreiberei und Fremdbestimmung“! Fremdbestimmung – das Spiel kennen wir: Für unsere freiheitlichen Kollegen gilt ja jede Form der überstaatlichen Zusammenarbeit (Abg. Kickl: Für Sie ist Österreich nur mehr ein Filialbetrieb!), jede Zusammenarbeit in jedweder weiteren Form mit Partnerländern automatisch als Ende der österreichischen Souveränität.

Was sind schon 80 Jahre Frieden, der Wiederaufbau eines von Krieg zerstörten Kontinents, Menschenrechtskonventionen, ein Schengenabkommen mit
EU-Partnern verglichen mit dem freiheitlichen Allmachtanspruch? Was ist das schon? Was ist das? – Nichts! (Abg. Kickl: Da klatschen ja nicht einmal die Eigenen!) Die Antwort spiegelt sich im heutigen Antrag der FPÖ sehr gut wider: Gift! Es ist nur Gift: „Gift für Österreichs Souveränität“ steht drinnen. –


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Ich bitte Sie! Wir kennen dieses Spiel, es ist seit Jahrzehnten dasselbe, nur die Sprache wird von Mal zu Mal schlimmer, aggressiver (Abg. Kickl: Ah!), wil­der (Abg. Kickl: Ah!) und populistischer (Abg. Kickl: Ah!), hysterischer.

Aber Kriegstreiberei: Wirklich, Herr Kickl? Warum? – Weil wir die Zivilbevöl­kerung der Ukraine mit Hilfsgütern versorgen, während Ihr Freund Putin die anderen, die Opfer zerbombt, weil wir an einer zivilen Minenräumungsaktion arbeiten, um die Zivilbevölkerung – meistens Kinder – zu retten, ihr zu helfen und ihr eine Zukunft ohne Prothesen in Aussicht zu stellen, oder weil wir die kritisch mangelhafte Raketenabwehr im österreichischen Luftraum, die Sie jahrzehntelang nicht zusammengebracht haben, rasch und kostengünstig aufwerten wollen? Ist das Kriegstreiberei? – Nein, Sie übertreiben! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ofenauer.)

Während wir uns jede Woche anhören, wie ein sich selbst dazu stilisierender Volkskanzler Kickl das Gespenst der Neutralitätsfrage an die Wand malt, arbeitet diese Regierung unermüdlich daran, exakt diese Sicherheit und Wehrhaf­tigkeit zu garantieren. Ich rede von einem Finanzierungspaket, wie es noch nie dagewesen ist. Die Frau Verteidigungsministerin hat es angesprochen: Wir haben etwas zusammengebracht, das uns niemand zugetraut hätte (Abg. Kickl: Den guten Ruf des ...!): 16 Milliarden Euro in modernisierte Geräte, die unsere Truppen schützen, die man auch außerhalb Österreichs wirklich wahrnimmt, die auch die Reaktionsfähigkeit unserer Streitkräfte wie­derherzustellen – das ist der Punkt: nicht herzustellen, sondern wiederherzu­stellen – versuchen.

Wenn die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ wirklich um die Souveränität Angst haben und deswegen besorgt sind, kann ein einsatzfähiges Bundes­heer für sie ja nur begrüßenswert sein. Was hat die FPÖ aber gemacht? Das ist jetzt die Preisfrage: Welche Fraktion hat denn gegen die Budgeterhöhung gestimmt? Welche Fraktion war das? – Es war die FPÖ! Es war die FPÖ, der es wurscht war. Sie hat gegen diese Budgeterhöhung gestimmt. Genau das


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ist der Punkt: Wer trägt wirklich Sorge um dieses Land? – Es ist nicht die FPÖ, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dasselbe gilt auch dort, wo es um Sky Shield geht, ein gemeinsames Beschaf­fungsvorhaben mit Partnerstaaten – mehr ist Sky Shield nicht. Mehr ist es nicht, das haben mittlerweile auch schon Hunderte Verfassungsexpert:innen bestätigt: Es ist kein Militärbündnis (Abg. Kassegger: Nein, nein, nein!), sondern ein Weg, Geld und Zeit zu sparen. (Abg. Kickl: ... nicht einmal, was Sie unterschreiben!) Wir haben noch gar nichts unterschrieben. (Abg. Kickl: Ah, ah, ah!) – Nein! Das müssen Sie ja wissen, aber anscheinend kennen Sie sich nicht mehr aus! (Abg. Kickl: ... gerade vorgelesen!) Jeder, der sich mit einer solchen Art von Beschaffung überhaupt auskennt, Herr Kickl - - (Abg. Kickl: Ich habe es Ihnen ja gerade vorgelesen! Wie weit schießen denn diese Raketen, Herr ... Stögmüller?)

Auch Sie haben einmal das Verteidigungsministerium geführt – nicht Sie, aber die FPÖ –, und? – Natürlich haben Sie nichts beschafft, aber hier mords reden, wer sich auskennt. Man kann nicht so einfach etwas aus dem Katalog bestellen wie beim Otto-Versand und man bekommt es am nächsten Tag, sondern nein, das dauert lange (Abg. Kickl: ... die grüne Wehrexpertise!), ist entsprechend teuer, und wer zahlt, bekommt zuerst.

Wenn wir also eine effiziente Luftraumüberwachung und Raketenabwehr wollen, dann ist es auch notwendig, zu erkennen, wo der richtige Weg ist: ob der Souveränität besser gedient ist, wenn wir mehr zahlen, um vielleicht später weniger Abwehrmöglichkeiten zu haben? – Das ist es nicht, sondern wir müssen gemeinsam mit den Bündnispartnern (Abg. Kickl: Bündnispartner! Doch ein Militärbündnis!) schauen, dass wir das jetzt entsprechend schnell be­kommen, Herr Kickl. (Abg. Kassegger: Welche Bündnispartner?) Na, das ist es genau: Die moderne Souveränität bedeutet moderne Abwehrmöglichkeiten, da können wir nach Israel schauen, da können wir in Richtung Ukraine schauen.

Wir können den Herausforderungen von morgen nicht irgendwie mit den Antworten von gestern begegnen und wir müssen proaktiv und


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zukunftsgerichtet sein und agieren. Das bedeutet auch einen Ausbau der Cyberabwehrkapazitäten, eben weil sich Konflikte heute kaum mehr auf Landesgrenzen beschränken, weil man Krieg und Terror heute breiter, auch digital denken muss. Der Cyberraum, und das sehen wir auch in Israel, ist unglaublich vielfältig: Es geht von China bis Iran, wer da mitspielt, viel weiter über die Grenzen Europas hinaus, und da braucht es gemeinsame Synapsen! (Ruf bei der FPÖ: Synapsen?)

Meine Damen und Herren, letztlich muss ich aber fair bleiben: Es gibt in Öster­reich in der Tat eine Neutralitätsfrage, sogar keine kleine. Allein diese Wo­che haben mich unzählige Leute angerufen, besorgte Bürgerinnen und Bürger, nur stellen sie nicht die Frage, die die Kollegin von der FPÖ stellt, ohne müde zu werden, nein, es handelt sich um eine viel wichtigere und eine verfas­sungsrechtlich viel realitätsnähere Frage, nämlich wie wir den Neutrali­tätsbegriff im 21. Jahrhundert verstehen. Wo wollen wir hin? Wo wollen wir und wie wollen wir diese Rolle eines neutralen Österreichs in einer globalisierten Welt, bei globalen Herausforderungen anlegen? Wie wollen wir da in Zukunft vorangehen?

Diese Debatte, der man sich stellen muss, ist aber auch durch die FPÖ-Thematik einer Festung Österreich derartig verseucht, dass man glatt vergessen könn­te, dass Neutralität nicht bedeuten muss, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern sehr wohl bedeuten kann, die Dinge proaktiv anzugehen.

Meine Damen und Herren, ich werde nicht müde, es zu sagen: Neutralität kann auch aktiv gestaltet, solidarisch und kooperativ sein. (Abg. Holzleitner: Muss!) Eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik, so wie wir Grüne uns diese vorstellen, schafft es, unseren demokratischen und völkerrechtlichen Wer­ten gerecht zu werden, solidarisch mit unseren Partnern auf EU-,
OSZE- und UNO-Ebene zusammenzuarbeiten, den diplomatischen Wert des Standortes Österreich zu wahren und unschuldige Menschen zu schützen, ohne dabei irgendwie den Verfassungsrahmen zu sprengen, denn das ist eine


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Sicherheitspolitik, die Österreichs Souveränität nicht nur nicht untergräbt, son­dern stärkt, die Neutralität in Ehren hält und sie gleichzeitig an die Heraus­forderungen des 21. Jahrhunderts anpasst. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Man kann so polemisieren wie die FPÖ – wenn es jedoch um ernste und lö­sungsorientierte Politik betreffend Fragen der Sicherheit Österreichs geht, dann ist sie nicht zu finden. Das Einzige, was bleibt – und das sage ich auch ganz offen –: Österreichs Neutralität war, ist und bleibt unantastbar, egal was Ihnen die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ irgendwie erzählen wollen. In Wirklichkeit sind sie Neutralitätsverräter, bei dem, was die FPÖ aufführt, und keine ‑verteidiger! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

17.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brand­stätter. – Bitte sehr.


17.36.42

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Bevor wieder jemand schreit, plädiere ich vielleicht für ein bisschen Nachdenklichkeit. Während wir hier miteinander diskutie­ren können, müssen sich Kinder in der Ukraine irgendwo in einem Keller ver­stecken (Abg. Kickl: Ach!), damit sie nicht von einer Bombe, die aus Mos­kau dirigiert wird, getroffen werden, getötet werden. (Abg. Kickl: Ich glaube, das gibt es auch noch in anderen Gegenden dieser Welt!) – Ja. Na bitte! Auch das gibt es. (Abg. Kickl: Auch dort gibt es das, da höre ich nur nichts von Ihnen!) – Auch das gibt es. (Abg. Kickl: Ach so? Wenn die Türkei ihre Nachbarländer bombar­diert, wenn Armenien mit Aserbaidschan im Konflikt ist ... ! – Abg. Stögmüller: ... ha­ben wir eine Resolution gemacht! Na, seid ihr plötzlich pro Armenien?) Da Sie mich nicht ausreden lassen: Ich hätte auch von anderen Gegenden gesprochen, aber mit der Schreierei kommen Sie nicht weiter.


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Das ist typisch für Herrn Kickl. Ich habe um etwas Nachdenklichkeit ersucht, und er kann nur schreien. Wir sind hier nicht in irgendeinem Bierzelt. – Danke schön. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Ja, ja! Bei amerikanischen Bomben habe ich nichts von Ihnen gehört!)

Ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Das, was Herr Kickl hier schreibt, näm­lich „Souveränität und Neutralität sichern Österreichs Freiheit“, ist eine Unwahrheit. „Souveränität und Neutralität sichern Österreichs Freiheit“, das stimmt nicht.

Reden wir über Souveränität! Was heißt Souveränität? – Im Sinne des Völker­rechts sind wir souverän, ja, aber es ist doch völlig klar, dass wir andere Länder für Kooperationen, für Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen brauchen. Niemand ist Souverän! Die Chinesen arbeiten daran, im Jahr 2049 die stärkste Nation der Welt zu sein und dann möglicherweise souverän zu sein, aber sonst ist niemand souverän.

Wir brauchen die Kooperation, sie ist wichtig, und im Moment umso mehr, weil wir ja diese Auseinandersetzung spüren zwischen auf der einen Seite den Diktaturen – Putin, der eine neue Weltordnung mit Gewalt, mit Bomben machen will – und auf der anderen Seite den liberalen Demokratien, die zusammen­halten wollen und das auch tun (Abg. Kickl: Die überall ihre Flugzeugträger haben, am ganzen Globus) – und das sehr erfolgreich tun –, und da ist wohl klar, auf welcher Seite wir stehen und die Mehrheit des Hauses steht.

Sie aber stehen auf der Seite des Kriegsverbrechers, und jetzt werde ich Ihnen eine unangenehme Nachricht überbringen: Sie haben einen Vertrag mit Herrn Putin. Ich sage Ihnen nur eines: Herr Putin ist nicht vertragstreu. Was macht er denn? – Herr Putin hat etwa das Budapester Memorandum ge­brochen, in dem Russland die sicheren Grenzen der Ukraine versprochen hat, wenn die Ukraine ihre Atomwaffen hergibt. Also Putin hat sich nicht da­ran gehalten.


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Russland beschließt gerade wieder, dass man auch wieder Atomversuche ma­chen wird, man hält sich auch da nicht an Verträge. – Sie (in Richtung FPÖ) halten sich an den Vertrag mit Moskau, ist in Ordnung.

Ich muss Ihnen aber noch etwas sagen: Sie haben in einem anderen Punkt schon wieder unrecht gehabt. Sie haben gesagt, Putin wäre von einem Wirtschafts­krieg, der vom Westen ausgeht, betroffen. – Wenn Sie nachdenken, müssten Sie eigentlich wissen: Seit 2005 droht Putin, droht auch Russland mit der Erhö­hung des Gaspreises. Man droht, dass man weniger Gas liefert (Abg. Meinl-Rei­singer: Tun sie auch!), man setzt den Westen permanent unter Druck (Zwi­schenruf des Abg. Kassegger), und es war ein ganz schwerer Fehler der ÖVP und der Leute, die Sie bei der OMV eingesetzt haben, dass man uns von Russ­land und von Gazprom noch abhängiger gemacht hat – ein ganz schwerer Fehler. Gott sei Dank bewegt sich das gerade in eine andere Richtung! (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Und was diejenigen betrifft, mit denen Sie zusammenarbeiten – ich rede da etwa von Leuten wie Medwedew, einem der Genossen von Putin, oder Ihrem Freund Dugin, der ja auch auf Ihre Einladung hin in Wien gesprochen hat –: Du­gin hat gesagt, es soll in Mitteleuropa keine freien Länder mehr geben, die sollen ein Puffer zwischen Ost und West sein. – Das ist die eine These. Die an­dere These ist jene von Medwedew, der sagt: Wir marschieren gleich bis Lissabon! – Das ist die Gewaltfantasie, die im Moment vom Kreml ausgeht, und in dieser Gewaltfantasie wollen Sie neutral sein? (Abg. Kickl: Genau, so viel zum Thema Anpatzen!) Da wollen Sie neutral sein und sagen: Es betrifft uns nicht!? – Es betrifft uns! Wenn Putin – und das werden Sie hoffentlich ver­standen haben (Abg. Reifenberger: Sie wollen nicht neutral sein!) – die Ukrai­ne einnehmen könnte, dann stünde er 500 Kilometer vor Österreich. (Abg. Kickl: Na was jetzt? Kann er es nicht oder marschiert er bis Portugal, oder was jetzt?) Und Medwedew ist einer von denen, die auch gedroht haben, dass sie Westen, auf westliche Städte schießen, Raketen auf uns schießen – das sind auf den Ihre Freunde! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)


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Ich komme zum nächsten Punkt, nämlich zur Frage der Neutralität – 1955 beschlossen –: Ich habe, auch für die Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei, diese Erinnerungen von Bruno Kreisky mit­gebracht (das Buch „Zwischen den Zeiten. Erinnerungen aus fünf Jahr­zehnten.“ in die Höhe haltend) – ich hatte das Privileg, auch mit ihm selber noch darüber zu reden. Es ist faszinierend, nachzulesen, in welch schwieriger Situation diese Delegation damals in Moskau war, nämlich mit Bundeskanzler Raab, Außenminister Figl, Staatssekretär Kreisky und Vizekanzler Schärf. Jener, der der Neutralität am kritischsten gegenübergestanden ist – das ist hier nachzulesen – war natürlich Vizekanzler Schärf. Er hat sogar vorher schon, 1949, an seinen Parteifreund Blum in Frankreich geschrieben: Wir sollten eigent­lich auch der Nato beitreten, weil es darum geht, dass wir unsere Sicherheit wahren sollen, aber das sage ich nicht öffentlich, weil wir sonst keinen Staatsver­trag bekommen! – Das war klug gedacht. Schärf war – ich habe vor Kurzem mit Dr. Androsch darüber gesprochen – auch wichtig, was die Usia-Betriebe, die russisch besetzten Betriebe, betrifft: Er hat sehr darauf geachtet, dass wir diese nicht hergeben mussten, dass die Sowjets damals nicht alles wegge­nommen haben. – Das sind also auch ganz wichtige Punkte.

Wir müssen sehen, dass das damals so war: Die Neutralität ist ja nicht in den Köpfen der österreichischen Delegation entstanden, sondern die ist schon vorher zwischen Russen und Amerikanern diskutiert worden. Die Ameri­kaner haben nur deswegen zugestimmt, weil sie gesagt haben, es wird eine Neutralität nach Schweizer Vorbild und auch eine bewaffnete Neutralität. Schweizer Vorbild hat für die Amerikaner eindeutig geheißen – und das wussten auch Kreisky und Schärf –: westlich orientiert, so wie die Schweizer, und eben nicht nach Osten lehnend; und bewaffnete Neutralität hat ge­heißen, dass wir uns wie die Schweizer bewaffnen.

Gerade in der ÖVP, in der FPÖ und in der SPÖ sollte man wissen, dass man dem in den letzten Jahrzehnten nicht nachgekommen ist. Die Schweiz hat ein deutlich höheres BIP. Sie geben viel, viel mehr Geld aus als wir, haben


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viel mehr Berufssoldaten (Abg. Reifenberger: Milizsoldaten, nicht Berufssoldaten!) und nehmen ihre Neutralität auch ernst, die bewaffnete nämlich, die bei uns nicht ernst genommen wurde – und Kunasek hat sie auch nicht ernst ge­nommen. Das ist halt auch Realität, das muss man also dazusagen, und auch das ist ein Stück österreichischer Geschichte. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Die nächste Frage ist aber – und diese hängt mit der Neutralität ganz wesentlich zusammen –: Wer garantiert unsere Neutralität? Im Staatsvertrag kommt die Neutralität nicht vor. Unser Verfassungsgesetz garantiert auch niemand, und wir wissen auch aus der Geschichte – fragen Sie die Belgier, die Dänen und an­dere; die Ukraine, ein bündnisfreies Land –: Neutrale Staaten sind immer über­fallen worden, weil sie sich nicht wehren konnten. Daraus gibt es ja nur eine logische Konsequenz, nämlich die logische Konsequenz, dass wir uns Bünd­nispartner suchen.

Da bin ich wieder bei der Schweiz: In der Schweiz gibt es eine ganz klare Dis­kussion über die kooperative Neutralität. Ein Schweizer Militär hat vor Kurzem in Wien bei einer Veranstaltung gesagt: Wenn die erste Bombe auf die Schweiz gefallen ist, sind wir natürlich nicht mehr neutral, sondern wir wissen ganz genau, wer unsere Partner sind, die uns helfen, dass wir uns vertei­digen. –Das ist ganz wichtig, und genau dort sind wir jetzt. Deswegen ist Sky Shield so wichtig: weil wir wissen, wir haben Partner, unsere europäischen Partner, mit denen wir uns gemeinsam verteidigen können. Wer das nicht sieht, der will, dass Putin das nächste Land überfällt, dass er auch uns bombar­diert und dass er uns möglicherweise auch als Geiseln nimmt. – Das wer­den wir aber nicht zulassen!

Noch einmal: Das Bundesheer ist totgespart worden. Der erste Verteidigungs­minister, der das ehrlich gesagt hat, war Generalmajor Starlinger, und er hat noch etwas Wichtiges gesagt – ich habe lange mit ihm gesprochen –: Er hat schon 2020 von diesen unfassbaren hybriden Kriegen gesprochen, die Russland auch gegen Österreich und gegen die Europäische Union führt. Ich


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meine, die senden ja auch ihre Spione, wie wir wissen, als Diplomaten verkleidet nach Europa – ist Ihnen alles recht, das weiß ich schon. Diese hybriden Krie­ge sind aber auch gefährliche Dinge, und da reden wir auch von den Informationskriegen, die geführt werden.

Es stimmt mich ja auch bedenklich – und auch das zeigt, dass Sie nicht neutral sind, Herr Kickl –, wenn ich verfolge, was FPÖ-Medien schreiben: Es ist nämlich im Wesentlichen dasselbe, auch von der Wortwahl her, was die russi­schen Propagandisten schreiben. Das heißt, Sie übernehmen sogar die Wortwahl und die Formulierungen der Russen – und erzählen Sie mir bitte nichts von Neutralität! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Kassegger.)

Ich komme zum Schluss und möchte noch etwas Wichtiges sagen: Kreisky zu lesen ist interessant, aber ich habe auch Erwin Ringel wieder nachgele­sen – ich kann nur jedem empfehlen, über die österreichische Seele zu lesen. Er hat vor genau 40 Jahren eine Rede über Österreich gehalten, sozusa­gen in Anlehnung an Anton Wildgans, der ja zum Teil recht begeistert über Österreich schreibt. Ringel ist da deutlich skeptischer, er bringt vor allem einen Punkt – jeder, der sich mit ihm beschäftigt hat, weiß das natürlich –, näm­lich das Thema der Verdrängung.

Wir Österreicher sind also schon ganz gut im Verdrängen und haben eben in den letzten Jahren auch verdrängt, dass es Gefahren für unser Land gibt. Ich hoffe, dass wir jetzt verstanden haben, dass wir gegen diese Gefahren gemein­sam vorgehen müssen.

Noch etwas: Ringel hat auch gesagt, bei den Österreichern kann man leicht mit Angst spielen, den Österreichern kann man leicht Angst machen. – Ich kann das jetzt nicht weiter ausführen, es kann jeder nachlesen, wie er das be­gründet, aber das ist das, was Sie tun. (Abg. Kickl: Das hat aber jetzt eher von Ihnen so geklungen!)


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Da kann ich nur sagen: Meine Damen und Herren, liebe Österreicherinnen und Österreicher, glaubt an dieses Österreich, glaubt an dieses Europa und glaubt nicht das, womit die euch Angst machen wollen! (Abg. Kickl: Sie haben doch gerade Angst gemacht: Der Einmarsch steht bevor!) – Nein, denn wenn wir zusammenhalten, wenn wir zusammenarbeiten, werden wir in Europa das, was nach 1945 gelungen ist – und es ist großartig, was gelungen ist, ja, es ist großartig! –, gemeinsam erhalten.

Mit den Angstmachern werden wir nicht weiterkommen (Abg. Kickl: Sie haben doch gerade Angst gemacht! 50 Prozent Ihrer Rede war nichts anderes!), aber um es gemeinsam zu erhalten, müssen wir eben zusammenhalten gegen die Inva­soren, gegen diejenigen, die Kinder bombardieren, Kinder ermorden und Kriegs­verbrecher sind. Putin ist ein Kriegsverbrecher, Sie (in Richtung FPÖ) wollen es noch immer nicht akzeptieren, aber es ist so. Das ist der, mit dem Sie einen Vertrag haben. Wir haben einen Vertrag mit der Europäischen Union und wir werden dort auch weiterhin für Wohlstand und Sicherheit sorgen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

17.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ste­ger. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


17.47.13

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Bundes­minister Tanner, ich muss sagen, Sie haben richtig entschieden. Sie haben richtig entschieden, dass Sie heute offenbar Ihre Rede für morgen geübt haben und eben nicht Ihre teils wirklich absurden Aussagen aus Ihrem heutigen „Krone“-Interview wiederholt haben (Abg. Baumgartner: Was soll das?), in dem Sie wie ein kaputter Plattenspieler auf jede Frage, die Ihnen gestellt wurde, egal ob es gepasst hat oder nicht, geantwortet haben: Kickl ist ein Neutralitäts­verräter! – Als ob Ihnen irgendjemand heute Früh einen Zettel hingelegt hätte (Bundesministerin Tanner: Ich brauche keinen Zettel! – Abg. Baumgartner:


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Was haben Sie auf Ihrem Zettel stehen?) mit der Anweisung: Wiederholen Sie es einfach oft genug, damit es irgendwie picken bleibt, Argumente egal! – Nach der heutigen Rede von Kollegen Stocker weiß ich auch, wer es war – die Spindoktoren der ÖVP waren auch schon einmal besser, muss ich sagen.

Nach diesem Interview wollte ich Sie tatsächlich schon zum neuen Satireprojekt der ÖVP erklären, doch Sie haben noch einmal Glück gehabt, denn heute in den Reden sind dann auch noch die Kollegen Leichtfried, Reimon und Brand­stätter ans Rednerpult getreten und haben glatt das Rennen um Platz eins an absurden Aussagen wieder weit aufgerissen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Unterschied: Die NEOS und die SPÖ sitzen Gott sei Dank nicht in der Re­gierung und können daher nur begrenzt Schaden anrichten – Sie schon. (Bundesministerin Tanner: 18 Milliarden Euro in den nächsten Jahren sind nicht nichts, Frau Abgeordnete, Sie wissen es! Erstmals eine Trendumkehr!) Sie sind Teil dieser schwarz-grünen Bundesregierung, die ständig mit leeren und geheuchelten Worthülsen unsere Freiheit hochleben lässt und selbst in Wahrheit diejenige ist, die unsere Freiheit, Selbstbestimmung und Souveränität Stück für Stück zu Grabe trägt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Wahrheit ist: Dank dieser schwarz-grünen Bundesregierung samt willfähri­ger Scheinopposition sind unsere Souveränität und Neutralität heute mehr in Gefahr als je zuvor. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Tanner.) Anstatt dass sich diese Bundesregierung für eine aktive Neutralitäts­politik starkmacht, für Frieden, für Verhandlungen, haben Sie uns mitten in einen Wirtschaftskrieg hineinmanövriert und zertrümmern in Wahrheit unsere Neutralität seit Monaten mit unverantwortlichen Aussagen, Sanktionen, Waffen­transporten quer durch Österreich, mit Reisen nach Kiew und Milliardenzah­lungen. Die EU hat bereits Milliarden an die Ukraine überwiesen, doch das reicht offensichtlich noch nicht, denn es soll trotz höchstem EU-Budget aller Zeiten und allen möglichen Sondertöpfen, in die wir bereits einzahlen – danke, liebe  ÖVP! –, um weitere unglaubliche 66 Milliarden Euro aufgestockt werden,


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von denen 50 Milliarden an die Ukraine überwiesen werden sollen – ohne jegliche Kontrollen, muss man dazusagen.

Ich weiß jetzt schon, dass die ÖVP in ihrer blinden EU-Hörigkeit wieder einmal umfallen und zustimmen wird. Den Beweis haben Sie erst vor 5 Stunden heute auch im EU-Hauptausschuss geliefert, als Sie unseren Antrag auf ein Veto gemeinsam mit allen anderen Parteien abgelehnt haben, und das, obwohl es in Österreich mittlerweile an allen Ecken und Enden fehlt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Verwerflichste ist, dass Sie das alles immer machen, ohne die eigene Bevölkerung jemals gefragt zu haben, ob es ihr überhaupt recht ist, und zweitens natürlich immer im Namen der Solidarität, der Alternativlosigkeit und, nicht zu vergessen, der Moral – einer Moral, die dann so ausschaut, dass man sich zum Beispiel unbedingt von einem russischen Gaslieferanten lösen muss, nur um sich an einen Gaslieferanten zu wenden, der ebenfalls einen brutalen Angriffskrieg führt: Aserbaidschan. Na ich gratuliere Ihnen zu dieser unglaubli­chen Doppelmoral! (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sagen, es muss endlich Schluss sein mit dieser Politik. Es muss endlich Schluss sein mit dieser ständigen Unter­grabung und den ständigen Umdeutungsversuchen unserer Neutralität, wie es Ihnen gerade passt. Sie haben nicht nur die verfassungsrechtliche, son­dern auch die völkerrechtliche Verpflichtung, nicht nur militärisch neutral zu sein, sondern diese Neutralität mit allen Handlungen und Äußerungen auch glaubhaft nach außen zu leben; und genau das tun Sie die ganze Zeit nicht.

Genau aus diesem Grund fordern wir nicht nur, den morgigen Nationalfeiertag zu einem neuen Startpunkt für die so dringend notwendige Wiederbele­bung unserer Neutralität und Souveränität zu machen, sondern wir fordern auch diese Erweiterung des Artikels 1 unserer Bundesverfassung. Wir wollen, dass sowohl unsere Neutralität als auch unsere Souveränität zu Grundbausteinen unserer Verfassung gemacht und damit auch endlich Ihrer poli­tischen Willkür entzogen werden. (Beifall bei der FPÖ.)


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Eines möchte ich noch sagen: Die Souveränität gehört gerade auch vor dieser immer übergriffigeren und machtgierigen EU geschützt, die immer mehr Kompetenzen an sich zieht und bei der Sie auch mithelfen, dass dieses anscheinend große Ziel eines europäischen Staates verwirklicht wird. Da finde ich es bezeichnend, wenn sich der Generalsekretär – Sie, Herr Kollege Stocker – heute hierherstellt und unsere Forderung der Absicherung der Souveränität in den Grundbausteinen unserer Verfassung mit einem EU-Austritt gleichsetzt. Jeder, dem bis jetzt noch nicht klar war, wohin die Reise geht, weiß es spätestens nach diesem Redebeitrag: Die ÖVP ist bei diesem Verrat an Österreich und diesem Ausverkauf nach Brüssel wie immer ganz vorne mit dabei.

Ich möchte mich aber trotzdem für diesen Redebeitrag bei Ihnen bedanken, denn damit wird vor allem eines klar: Es wird klar, wie wichtig diese Verankerung in unserer Verfassung wäre, und es wird vor allem jedem da draußen in Österreich klar, wie wichtig Neuwahlen wären und wie wichtig die kommenden Nationalratswahlen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines kann ich Ihnen versprechen: Ein Herbert Kickl, eine FPÖ wird diesem Souveränitätsraub endgültig ein Ende setzen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kugler. – Bitte.


17.53.00

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber vor allem liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich hätte Frau Kollegin Steger gerne mit einem Argument geantwortet, nur: Ich habe in ihrer Rede selbst keine Argumente gehört.

Das, was sie gesagt hat, und das, was die Freiheitliche Partei heute in diesen Dringlichen Antrag hineingeschrieben hat, können wir dennoch als ein


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Lehrbeispiel sehen (Abg. Belakowitsch: Aha?), nämlich dafür, wie man politisch agitieren kann: Man nehme ein paar echte Herausforderungen, man erfin­de ein paar neue dazu – wie zum Beispiel, ich erinnere daran, Lockdownankün­digungen, Dieselaus, Heizstopp und so weiter –, man mische Misstrauen gegen alle Verantwortungsträger hinein, und dann präsentiere man vereinfachte Lösungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wissen Sie, wie man das nennt? – Populismus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit Populismus treiben Sie Menschen in Verunsicherung und schüren Angst, und das ist gerade in schwierigen Zeiten sehr gefährlich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir halten selbstverständlich an der Neutrali­tät, an der militärischen Neutralität fest, aber das heißt doch nicht, gegen­über Verbrechen wie einem illegalen Angriffskrieg oder Massenterror politisch neutral zu bleiben.

Liebe FPÖ, Russland gewähren zu lassen bedeutet eine Gefahr für die baltischen Staaten, für Moldau und danach natürlich auch für Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)

Die FPÖ verlangt also ein Aus für militärische Hilfe für die Ukraine. – Es gibt von Österreich aus keine militärische Hilfe für die Ukraine (Abg. Stefan: Wie kön­nen Sie das gewährleisten? Wie geht das? Wie funktioniert das?), unsere Hilfe ist humanitär. Und diese humanitäre Hilfe ist deswegen notwendig, weil wir in einer Gemeinschaft, in einer Staatengemeinschaft leben. Gemein­schaft ist vielleicht für die FPÖ ein Fremdwort, aber auch Österreich hat von der internationalen Gemeinschaft profitiert.

Ich erinnere daran: Warum heißen denn in Wien der Schwedenplatz oder die Argentinierstraße so, wie sie heißen? – Weil wir uns bei Schweden und Argentinien für ihre humanitäre Hilfe nach dem Ersten Weltkrieg bedankt haben. Wenn wir aber mit dem Auslandskatastrophenfonds den Menschen helfen wollen, denen es anderswo schlechter geht, dann stimmen Sie, die FPÖ, dage­gen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Auch der Mexikoplatz heißt so, weil Mexiko eines der wenigen Länder war, die 1938 vor dem Völkerbund gegen den Anschluss Österreichs an das Deut­sche Reich protestiert haben. Wir waren Mexiko dafür dankbar. Sie wissen ganz genau: Auch nicht zu handeln ist eine Handlung.

Sie, die FPÖ, haben auch gezeigt, dass Sie in Wirklichkeit wissen, dass es eine internationale Staatengemeinschaft gibt und dass Zusammenarbeit irgendwie notwendig ist – nämlich damals, als Sie einen Vertrag mit Russland,  mit der Putin-Partei unterzeichnet haben. Diese Unterzeichnung fand im Jahr 2016 statt, zwei Jahre nach der Krimannexion. (Abg. Kickl: Da sind noch Heerscharen von ÖVPlern nach Russland gepilgert! – Abg. Sieber: Aber Sie haben einen Vertrag gemacht, Herr Kickl, nur Sie haben den Vertrag gemacht!) Diese Zusammenarbeit mit Putin-Russland bedeutet auch eine Zusammenarbeit mit dem Iran, der mit Russland zusammenarbeitet. (Abg. Kickl: Regierungs­besuche, der Bundespräsident hat sich gar nicht fassen können vor Freude! Die Frau Edtstadler hat ... niedergelegt mit dem Putin! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Russland setzt gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine iranische Drohnen ein. (Abg. Sieber – in Richtung Abg. Kickl –: Aber Sie haben den Ver­trag unterschrieben! – Abg. Kickl: Das war eine Sternstunde für die Frau Edtstadler, mit dem Putin einen Kranz niederlegen zu dürfen!) – Hören Sie mir zu, Herr Kickl! Sie werden sich sicher dann noch einmal zu Wort melden, aber jetzt darf ich auch einmal etwas sagen. (Abg. Michael Hammer – in Richtung Abg.
Kickl –: Wer war denn auf der Krim?! – Abg. Sieber: Die Unterschrift ist eine Stern­stunde! – Abg. Michael Hammer: Die Pilgerreise auf die Krim!)

Eine Zusammenarbeit mit Russland und mit Putin ist auch nicht weit entfernt von Nordkorea, wie Sie wissen (Abg. Kickl – in Richtung SPÖ weisend –: Na da müssen Sie da hinschauen, das ist Nordkorea!), ist auch nicht weit entfernt von China, das ein großes Interesse daran hat, Europa zu destabilisieren, und in all diesem Zusammenwirken ist dann auch eine Unterstützung der Hamas nicht mehr weit weg.


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Ihre Abgeordneten, Ihre Abgesandten waren bei den Taliban. Haben Sie dort auch einen Vertrag vorgeschlagen? (Heiterkeit bei Abgeordneten der
ÖVP. – Abg. Michael Hammer: Die sind nicht einmal ausgeschlossen! Was waren die Konsequenzen?)

Schauen wir noch weiter zurück: Die FPÖ war auch in Tschetschenien und hat sich mit Präsident Kadyrow getroffen, den man den Schlächter von Grosny nennt.

Herr Kickl, Sie beschwören Neutralität, aber nur deswegen, weil Ihre Freunde auf einer anderen Seite stehen. Sie sind nicht neutral, Sie arbeiten mit Schurken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kickl. – Abg. Michael Hammer: Was sind die Konsequenzen für Mölzer und Hübner? ... Parteiobmann! Was sind die Konsequenzen? – Abg. Kickl: Schließts ihr einmal euren Exobmann aus und zahlts ihm nicht den Prozess! Unglaublich, die zahlen ihm auch noch den Prozess!)

Unser Motto der internationalen Zusammenarbeit muss sein: Mitgestalten statt Isolation. Wenn man die Ideen der Freiheitlichen Partei eins zu eins umset­zen würde, dann wäre Österreich aus jeder Gemeinschaft ausgetreten oder aus­geschlossen. Unsere Wirtschaft läge am Boden und die Arbeitsplätze wä­ren zerstört. Herr Kickl, Sie hören mir zwar nicht zu (Abg. Kickl: Na ich höre schon zu und ich frage mich, wie man als Katholik so viel lügen kann! Das frage ich mich!), aber Sie wissen, dass 6 von 10 Euro in Österreich durch den Export ver­dient werden. Großbritannien (Abg. Stefan: Schurkenstaat!) tut es jetzt leid. Eine Mehrheit der Briten sagt jetzt, der Brexit war ein Fehler. (Abg. Belakowitsch: Das stimmt ja gar nicht! Was erzählen Sie denn da?!)

Das, was Sie mit dieser Sondersitzung hier machen (Abg. Belakowitsch: Was machen denn Sie da ...?!), ist billiger Populismus. (Abg. Amesbauer: Die Mehrheit der Österreicher sagt, diese Regierung ist ...!) Das tut mir am Vorabend unseres Nationalfeiertags ganz besonders leid. Österreich ist in unzähligen Statistiken weit vorne, weltweit und europaweit (Abg. Belakowitsch: Ja, bei der Infla-


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tion! – Abg. Kickl: Bei Asylanträgen!), von der Lebensmittelsicherheit bis zur Le­bensqualität. (Abg. Stefan: Und das trotz EU!) Die Menschen in Österreich sind innovativ und die Menschen in Österreich wollen ihre Freiheit leben und sich gemeinsam für ein Weiterbringen Österreichs einsetzen.

Noch ein kleines Faktum am Rande: Wir sind auch eine der spendenfreudigsten Nationen der Welt. Uns Österreicherinnen und Österreichern ist es wichtig, dass wir den Menschen dort, wo es ihnen schlecht geht, auch helfen.

So geht Politik: Vernunft, Unaufgeregtheit und beherztes Anpacken. Wir machen so weiter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. Bei Ihnen steht das Wort.


17.59.22

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Um die Glaubwürdigkeit in der Politik ist es im Moment eh nicht so super bestellt. Wir Politikerinnen und Politiker haben hoffentlich alle ein Wertegerüst, das wir mitbekommen haben, das wir auch nicht verändern.

Herbert Kickl hat Anfang der Neunzigerjahre für Jörg Haider die Reden ge­schrieben und hat auf einen oder mehrere Zettel geschrieben: Na ja, gehen wir in Verhandlungen mit der Nato! Die Neutralität ist eh nichts mehr wert. Nähern wir uns doch an, verändern wir uns! (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt kann ich sagen: Im Lauf der Jahre haben Sie, Herr Kickl, ein bissel Gedächtnislücken oder -löcher, richtige Gedächtnislöcher (Beifall bei der SPÖ – Abg. Stefan: Gescheiter geworden! Gescheiter geworden!) bekommen, weil Sie sich heute selbst aufschreiben oder es aufgeschrieben bekommen – das in­teressiert mich auch nicht sonderlich –, dass Sie der Retter der Neutralität


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sind. (Abg. Kickl: Der Babler ist als Junger ein Marxist gewesen und ist heute auch noch einer!) Glauben Sie wirklich, dass Ihnen das jemand glaubt, Herr Kol­lege Kickl? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Na was jetzt?) – So viel zum Thema Glaubwürdigkeit in der Politik und dazu, ob ich eine Haltung, eine Gesinnung habe oder sie wechsle.

Christian Hafenecker hat in einem Sommergespräch gesagt: Na ja, die Zeiten än­dern sich! – Ja, die Zeiten ändern sich, aber mein Wertegerüst darf sich nicht ändern. Deswegen ist die FPÖ unglaubwürdig geworden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Market-Institut erhebt seit 20 Jahren unter anderem (Abg. Kickl: Sie waren immer gegen die EU, die Sozialisten! Sie waren erst für den Atomstrom, dann dagegen!) – hören Sie zu! – die Haltung der Österreicherinnen und Österreicher zur Neutralität, und die hat sich in 20 Jahren eigentlich gar nicht verändert. Im Moment sind es 69 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher – von denen, die befragt wurden –, die sehr viel von der Neutralität halten. Das ist eine richtige Haltung über einen langen Zeitraum. Ihr habt, so wie auch die ÖVP, eure Meinung im Lauf der Jahrzehnte nicht einmal, sondern mehrmals geändert. Ich glaube, dass das inkonsequent ist, und ich glaube auch, dass die Men­schen das auch merken. (Abg. Kickl: Die merken sich, dass bei euch die Marxisten das Kommando übernommen haben! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Ich glaube, dass man sich sowieso auch merken sollte, dass es in der Politik um Glaubwürdigkeit geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich kann wirklich für die Sozialdemo­kratie sagen: Seit 1955 halten wir die Neutralität hoch, haben unsere Meinung nie verändert – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kickl. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Ja, ihr wart immer gegen die EU und dann dafür! Ihr wart für die Atomkraft und dann dagegen!)

Wir sind für eine aktive Neutralitätspolitik. Was bedeutet das? – Das bedeutet gleichzeitig auch eine aktive Außen- und Sicherheitspolitik und bedeutet aktive Friedenspolitik. (Beifall bei der SPÖ.)


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In den Papieren, die Sie uns heute als Dringlichen Antrag vorlegen, wollen Sie aus allem austreten, aus allen internationalen Organisationen, denen wir uns völkerrechtlich, menschenrechtlich – 193 Staaten, jetzt 192 – verpflichtet haben. Das ist euch alles nichts wert? Sagen Sie, wo leben Sie eigentlich, Herr Kickl? Das ist ja un- - (Abg. Kickl: Ich glaube, Sie verstehen überhaupt nix!) – Nein, ich verstehe es schon, Sie missverstehen es! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich darf nur an die Friedensresolution 1325 im Jahr 2000 erinnern, an der wirk­lich aktiv gearbeitet wurde. Vielleicht kann sich jemand daran erinnern. Es ist in 2 Stunden nicht einmal noch erwähnt worden, dass die Opfer von kriegeri­schen Auseinandersetzungen hauptsächlich Mädchen, Frauen und Kinder sind, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Brandstätter und Weratschnig.)

Wir bewerben uns ja gerade wieder – ich hoffe es, und die Regierungsseite ist sehr bemüht –, dass wir wieder in den Sicherheitsrat der UN, der Verein­ten Nationen, kommen. Damals hat Österreich dort eine wirklich gewichtige Rolle gespielt und hat bei kriegerischen Auseinandersetzungen die Aktion und Prävention, die Beratung von Frauen in kriegerischen Auseinan­dersetzungen forciert; und wir haben als einer der ersten Staaten auch reagiert und haben einen Nationalen Aktionsplan, der immer wieder überprüft wurde, entwickelt. Wir sind also immer auf der Seite der Opfer. Wie halten Sie es mit den Opfern? – Sie haben heute nichts dazu gesagt. Diejenigen, die heute zuhören und zuschauen, werden sich ein Bild machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als Kultursprecherin sei mir ein allerletzter Satz gestattet: Sie haben in der Vergangenheit schon Künstlerinnen und Künstler, Kunstschaffende beleidigt. Sie haben es gerade erst wieder in Wien getan, nämlich der Literaturnobel­preisträgerin Elfriede Jelinek eine Beleidigung an den Kopf zu werfen. Ich sage


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Ihnen: Sie werden nicht Kanzler! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

18.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.


18.04.46

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Damen auf der Regierungsbank! Ich finde es wirk­lich schwierig zu verstehen, wie Sie hier Österreich, Österreichs Rolle und Ös­terreichs Standing in der internationalen Gemeinschaft nicht nur laufend kleinreden, sondern auch durch Ihre Reden, durch Ihre Beiträge und durch Ihre Forderungen kleiner und immer kleiner machen.

Österreich ist seit Anbeginn der Zweiten Republik ein stabiler Partner in allen internationalen Organisationen. Österreich hat sich einen hervorragenden Ruf in der internationalen Diplomatie erarbeitet. Österreich ist einer der Staaten, die gerne und immer wieder für hochkarätige Gespräche ausgewählt wurden. Österreich ist nicht umsonst Standort der UNO.

Und Sie reden Österreich ständig klein. Mit welchem Recht machen Sie das? Mit welchem Recht stellen Sie sich hier her und erklären uns, andere würden über uns bestimmen, wir würden Macht abgeben, wir würden irgendwelche wahnsinnigen oder irrwitzigen Erklärungen abgeben, die uns zu Opfern machen, die uns zu Getriebenen machen, die uns zu einem Spielball von irgend­welchen düsteren oder obskuren Mächten machen? (Abg. Wurm: Weil das so ist, Frau Kollegin!) Das erklären Sie hier in 16 Seiten Antrag und in mittler­weile drei oder vier Reden. Ständig stellen Sie sich hier her und machen Öster­reich klein, machen unser Österreich klein. Wie kommen Sie dazu? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Frau Kollegin, weil das so ist!)


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Österreich ist ein sehr, sehr wichtiger Partner in all diesen internationalen Organisationen und bei all diesen internationalen Verträgen. Verträge bedeuten, dass mehrere etwas vereinbaren und sich dann gemeinsam daran halten. Daran war Österreich immer federführend beteiligt, und Österreich ist auch jetzt an allen Entscheidungen beteiligt. Dabeisein heißt Mitentscheiden. Was Sie uns illustrieren, ist, dass irgendwer irgendwo irgendetwas entscheidet und wir als kleines Fähnchen im Wind hin- und hergepustet werden. So stellen Sie Österreich dar.

Dann glauben Sie auch noch, das wäre im Sinne der Republik, wäre im Sinne der österreichischen Bevölkerung, dass Sie Österreich ständig kleinmachen? Wirklich? Das ist das, worauf Sie abzielen? Das ist der Eindruck, das ist das Bild, das Sie von diesem Staat, von dieser Republik haben? (Abg. Hauser: Wir sind auf der Seite der Bürger! – Ruf bei der SPÖ: Ah, der Herr Hauser!)

Österreich hat sich die längste Zeit als eine gestaltende Kraft erwiesen, als jemand, der mitredet und der mitentscheidet. Und das ist das Wesentliche, denn nur so funktioniert internationale Gemeinschaft und nur so funktioniert internationale Politik.

Das bedeutet, dass man aber auch die eigene Rolle wahrnehmen und sich der ei­genen Verantwortung bewusst sein muss, und zwar nicht nur nach außen hin, sondern auch gegenüber der eigenen Bevölkerung. Sie machen der eigenen Bevölkerung ständig ein X für ein U vor, erzählen ständig von irgendwel­chen abstrusen Konstrukten, die uns bedrohen würden, während Sie selber an Verbindungen mit anderen Nationalisten stricken, die genau das Gleiche in ihren jeweiligen Staaten machen, mit genau dem gleichen Geld aus genau den gleichen Quellen, von wo Sie es herhaben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Österreich ist ein souveräner Staat und Österreich ist ein neutraler Staat. Die Neutralität ist nicht eine Wertehaltung, die Neutralität ist nicht einmal ein Grundwert. Die Neutralität ist ein Gesetz und sie ist sogar ein Verfassungs­gesetz. Das bedeutet, dass die gesamte Verwaltung sich daran halten


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muss, und tut sie es nicht, kann das in einem Rechtsstaat, der Österreich ist, überprüft werden – genauso auch das, was hier herinnen geschieht. Wenn wir Gesetze beschließen, die gegen die Neutralität verstoßen, werden diese Gesetze vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. (Abg. Kickl: Ganz sicher! – Ruf bei der FPÖ: Das wissen wir eh!) Wenn jemand in der Regierung Aktionen setzt, die gegen die Neutralität verstoßen, kann es eine Minis­teranklage beim Verfassungsgerichtshof geben.

Sie wissen das alles. Sie wissen, Neutralität ist nicht etwas, das irgendwoher kommt, das irgendjemand fühlt und das man mehr oder weniger fühlen muss, damit es sie gibt. Die Neutralität in Österreich ist eine verfassungsgesetzli­che Realität, und ich habe hier herinnen niemanden gehört, der daran irgend­etwas ändern möchte. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Hören Sie auf, den Menschen ständig Angst zu machen und irgendwelche Pro­bleme vorzugaukeln, die es überhaupt nicht gibt! Sie bieten ja nicht ein­mal irgendwelche Scheinlösungen dazu an, sondern Sie stellen nur irgendwelche düsteren Bedrohungsszenarien in den Raum.

Jetzt fangen Sie auch noch an, Österreich kleinzureden. Ich lasse mir unser Österreich nicht kleinreden, und ich lasse es mir von Ihnen nicht kaputt machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


18.10.39

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Frau Staatssekretärin! Herr Kickl, Neutralität, Sicherheit, die Heimat schützen: Das war heute Inhalt Ihrer Rede, der dringlichen Sit­zung, die Sie für heute beantragt haben. Über Ihr Verständnis von einer österrei­chischen Sicherheitspolitik wollen Sie mit uns heute diskutieren. Tun wir das!


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Beantworten wir aber zuerst vielleicht ein paar grundsätzliche Fragen! Meinen Sie es wirklich gut mit der österreichischen Sicherheitspolitik? Sind Sie über­haupt glaubwürdig in dem, was Sie hier sagen (Abg. Wurm: Zweimal ja!), und was ist Ihre eigentliche, Ihre versteckte Agenda? Darüber würde ich gerne mit Ihnen reden. Aber Step by Step!

Sie treten heute ans Rednerpult – ich habe Ihnen sehr genau zugehört – und sagen, nur wer die Neutralität verteidigt, schützt Österreich. Wir alle hier wissen, Sie alle wissen, egal, wie man zur Neutralität steht: Das ist falsch, das ist ein Blödsinn. (Beifall bei den NEOS.)

Egal, wie man zur Neutralität steht: Geschützt wird Österreich durch seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. (Abg. Kickl: War das vorher auch schon so?) Jeder von Ihnen weiß: Allein ist Österreich schutzlos in dieser Welt (Abg. Kickl: War das vorher auch schon so?); und jeder von uns weiß: Wer schutzlos ist, ist Tyrannen und Diktatoren ausgeliefert. In der Ukraine sehen wir, was mit Ländern passiert, die Tyrannen und Diktatoren ausgeliefert sind: Die werden brutal überfallen, geplündert und beraubt. Die Mitgliedschaft in der EU ist also der Schutzschirm für Österreichs Sicherheit. Das ist erwiesen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Wie war das vorher? Wie war das vorher?)

Jetzt gibt es in Europa Kräfte, die teils im Verborgenen operieren, die ihr wahres Gesicht nicht zeigen. Die wollen Europa zerlegen, rückabwickeln, zerstören. Wissen Sie, sehr geehrte Damen und Herren, wer diese Kräfte sind, wo die sit­zen? – Die sitzen auch in unserem Parlament, die sitzen hier, einer sitzt in der ersten Reihe. (Abg. Kassegger: Mannomann!) Sie, Herr Kickl, gehören zu die­sen Kräften, die Europa zerstören wollen. Das ist Ihr eigentliches Endziel. Sie wollen den Öxit, Sie wollen den Austritt Österreichs aus der Europäischen Union. Sie verschleiern das aber und geben es vor den Wählerinnen und Wählern nicht zu (Abg. Schnedlitz: Da klatschen nicht einmal die Eigenen!), weil Sie wissen, dass die es nicht so toll finden, dass Österreich hinaus aus der Europäischen Union soll. (Abg. Kickl: Ich glaube, das will niemand, aber Sie wollen Österreich auflösen in der Europäischen Union!) – Herr Kickl, bleiben Sie


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ein bisschen ruhig! Ich würde Ihnen gern drei Zitate bringen, um das zu unter­mauern.

FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp – Zitat –: Wir müssen überdenken, ob wir in die­ser EU bleiben.

FPÖ-EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky – Zitat –: „Es war ein fataler Fehler, Teil dieser EU zu werden.“ Jetzt kommt’s: „Wir kommen nur dann einen Schritt nach vorne, wenn wir wieder einen zurückgehen“, also den Öxit durchführen.

Herbert Kickl, in der „Tiroler Tageszeitung“ – da haben Sie sich ganz lange gewunden, das wollten Sie zuerst nicht beantworten, da wollten Sie ausweichen – sagen Sie – Zitat –: Natürlich ist ein EU-Austritt denkbar! (Abg. Kickl: Natürlich ist das denkbar!) – Sie wollen hinaus aus der Europäischen Union, Sie wollen den Öxit und Österreich damit schwächen. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Kickl, Sie wollen Österreich schützen, indem Sie Europa spalten. Das ist verrückt. Wer Österreich liebt, zündelt nicht mit einem Öxit, aber Sie tun es. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Und Sie wollen Denkverbote! Sie wollen Denkverbote! Die liberale Partei fordert Denkverbote!) – Nein, Herr Kickl, wir wollen gar keine Denkverbote, sondern wir wollen offenlegen, was Sie eigentlich mit Österreich vorhaben.

Jetzt fragt man sich zu Recht: Warum verschleiert die FPÖ diese Agenda? Warum sagen Sie einmal dies und dann das? Warum eiern Sie herum? – Sie tun das, weil Sie wissen, dass die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher einen Öxit zu Recht furchtbar fände. Sie müssen also Ihre Agenda verstecken, damit Sie zuerst gewählt werden, um sie dann umzusetzen. (Abg. Kickl: Das klingt ein bisschen nach Verschwörungstheorie!) – Nein, das ist keine Verschwörungstheorie. (Abg. Kickl: Doch! Doch!) In dieses Eck gehören eher Sie.


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Außerdem kommt noch etwas anderes dazu: Teile dieser Europazerstörer in den europäischen Staaten werden direkt aus Putins Kassa finanziert. Das ist bewiesen, das ist ein Fakt. Putins Ziel ist es – auch das wissen wir –, Europa von innen zu zerstören. Perfide ist, wer glaubt, er würde dafür in den europäi­schen Parlamenten Verbündete finden.

Sie, Herr Kickl, machen aber dabei mit. Unter dem Deckmantel der Neutralität sind Sie Putins Lobbyist, um erstens seinen Angriff auf die Ukraine zu verteidigen – was ist denn daran eigentlich neutral? (Abg. Kickl: Sie haben auch nicht zugehört!) – und um zweitens dann seinen Plan zu vollstrecken und gemeinsam mit den Le Pens, mit den Salvinis, mit den Weidels die EU von innen zu zerstören.

Herr Kickl, ich wiederhole es noch einmal: Sie wollen Österreich schützen, indem Sie Europa spalten. Dagegen werden wir erbitterten Widerstand leisten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuseherinnen und Zuseher, aber vor allem sehr geehrter Herr Klubobmann Herbert Kickl, Sie müssen erkennen, was wir einem geeinten Europa zu verdanken haben.

Der Zauber Europas: Ich würde es so beschreiben. Ich will Ihnen beschreiben, was ich meine. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Jetzt rasten Sie nicht wieder aus! Hören Sie einfach kurz zu! – Ich habe diesen Zauber Europas das erste Mal gespürt, als ich 15 Jahre alt war. (Abg. Wurm: Ich auch, Yannick! Yannick, ich auch! Das war aber vor der EU!) – Nein, das war nicht vor der EU. Hören Sie jetzt ganz kurz zu! – Also ich habe ihn das erste Mal gespürt, als ich 15 Jahre alt war. Unsere Schule hat damals an einem Projekt teilgenommen, das Model European Parliament heißt. Das ist eine echt tolle Sache. Da kommen junge Menschen, Schülerinnen und Schüler, aus allen europäischen Mit­gliedstaaten in einem Mitgliedstaat zusammen – damals war das in Estland, in Tallinn –, und da wird das Europäische Parlament simuliert. Das ist by the way auch eine super Form der politischen Bildung. Das hat etwas Magisches


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gehabt, wenn junge Leute zusammenkommen, die für Europa brennen. Da habe ich das erste Mal gespürt, welche Kraft in einem vereinten Europa liegt.

Ich werde nie vergessen, was meine Oma damals zu mir gesagt hat. Diese Reise war natürlich aufregend, und wir haben damals darüber geredet. Sie ist sehr emotional geworden und hat darüber geredet: Als sie 15 war, war der mörderi­sche Zweite Weltkrieg erst fünf Jahre her, Österreich ist in seinen Trüm­mern gelegen, und dass ich, meine Schwester, die jungen Menschen diese Mög­lichkeiten haben, die wir jetzt haben, ist etwas Wunderschönes, hat sie da­mals gesagt.

Die jungen Menschen wissen, was ihnen Europa bringt, Herr Kickl. Ich war 15, als ich das erste Mal den Geist der Europäischen Union verstanden habe. Sie, Herr Kickl, sind 55, und ich habe das Gefühl, Sie haben immer noch nicht gecheckt, worum es in Europa geht. Es geht nämlich in Europa – und das ist der Kern – darum, Frieden in Europa zu sichern. Und das gibt es nur gemeinsam, Herr Kickl. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diesen Frieden wollen Sie uns, der europäischen Jugend, wegnehmen. Ich wie­derhole noch einmal: Dagegen werden wir erbitterten Widerstand leisten, das werden wir nicht zulassen. Wir lassen uns nicht von Ihnen und von Ihrer versteckten Agenda unsere Sicherheit nehmen. Wir werden kämpfen und das Erreichen Ihres Endziels, der Zerstörung der Europäischen Union, ver­hindern. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Zorba.)

18.17


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Wolfgang Gerstl zu Wort. – Bitte.


18.17.53

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Re­gierungsmitglieder! Liebe Frau Staatssekretärin! Es wurde heute öfters die Frage gestellt: Was hat der Nationalfeiertag mit dem heutigen Tag zu tun? Daher


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möchte ich nur einmal kurz daran erinnern: Am 25. Oktober 1955 hat der letzte russische Besatzungssoldat Österreich verlassen, und am Tag danach hat Österreich aus freien Stücken die Neutralität beschlossen.

Heute sind wir in einer Situation, in der die Freiheitliche Partei Österreichs einen Vertrag (Abg. Michael Hammer: Ein Wahnsinn, ja!) nicht mit Russland, son­dern sogar mit dem Diktator Putin, mit dem Geeinten Russland, abgeschlossen hat. Wann? – Am 19.12.2016.

Ein Jahr später, am 18.12.2017, kam Kickl in die Regierung. (Abg. Kickl: Damals hat Putin Edtstadler besucht und den Bundespräsidenten!) Was glauben Sie, was der erste Akt war, als Kickl in die Regierung kam? – Es hat gerade einmal zwei Monate gedauert, bis zum 28. Februar 2018. Er hat die ersten zwei Monate dafür verwendet, den österreichischen Staatsschutz, der für die Sicherheit Österreichs da ist, mit seiner Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkrimina­lität in einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung zu überfallen, um Österreich zu destabilisieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Vielleicht hängt es auch irgendwie zusammen, dass Sie vorher einen Vertrag mit Russland abgeschlossen haben und dass Sie danach auch noch in den öster­reichischen Verfassungsschutz hineingegangen sind, um zu schauen, ob dort ja nichts gegen Ihre Partei, gegen die Rechtsextremen aus Ihrer Partei, gegen die Identitären vorliegt, weil Sie nicht wollten, dass der österreichische Verfas­sungsschutz sich weiterhin dafür ausspricht, dass man Rechtsextreme entsprechend behandelt, damit sie nicht gegen Juden weiterhin vorgehen kön­nen. (Abg. Kickl: Genau! Und deshalb hat man die rote WKStA dort hineinge­schickt, unsere Freunde!) Das ist der Punkt. Sie wollten den Verfassungsschutz aushebeln, und dies war rechtswidrig, Herr Kollege Kickl. Das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben heute von Vertrauen gesprochen, haben gesagt, „Neutralität schafft Vertrauen“. Ich frage Sie aber: Schafft es nicht Vertrauen, wenn Sie Ihren Vertrag mit der Putin-Partei offenlegen? Warum legen Sie ihn nicht offen? Ist


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das Ihr trojanisches Pferd, Herr Kollege Kickl? Nur Transparenz schafft Vertrauen. Sie schaffen es daher nicht.

Sie hatten eine Außenministerin, die einen Kniefall vor Putin gemacht hat (Abg. Michael Hammer: Ja, genau! – Abg. Kickl: Aber die ist doch bei euch in der Re­gierung geblieben!) und heute den Österreicherinnen und Österreichern erzählen will, dass es in Russland, wo die Menschen nicht mehr wissen, wie sie sich das Leben leisten können, besser sei als in Österreich. Schämen Sie sich für Ihre Außenministerin! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Die haben Sie in der Regie­rung behalten!)

Sie als Innenminister haben keine Bilanz zusammengebracht. Sie waren schlech­ter als jeder andere Innenminister davor. Sie haben in der Grundversor­gung höhere Zahlen als der heutige Innenminister gehabt. Herr Kollege Kickl, Sie schreien nur laut, aber Sie bringen nichts zusammen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn es Ibiza nicht gegeben hätte, dann wäre Ihre Bilanz noch schlechter ge­wesen. Sie können froh sein, dass es Ibiza gegeben hat und dass Sie aus dieser Bundesregierung entlassen wurden, denn ansonsten wäre noch mehr aufgefallen, was Sie alles nicht zusammengebracht haben. (Abg. Kickl: Ja, da bin ich wirklich froh! Da bin ich wirklich froh! Bei Ihnen möchte ich gar nicht anstreifen!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Kickl ist unter die Gefährder gegangen. Er gefährdet die Republik Österreich (Abg. Hafenecker: Bist du noch Polizist, oder ...?), und wir müssen entsprechend darauf achten, dass das nicht nochmals passiert, meine Damen und Herren.

Er ist ein Handlanger Russlands, jemand, der Russland verteidigt. Ihre Kollegin hat heute hier Russland verteidigt. Es geht Ihnen darum, da nicht neutral zu sein, sondern eine Partei zu unterstützen, die sich von allen Menschenrechten distanziert hat, die es abgelehnt hat, weiterhin den Menschenrechtsvertrag entsprechend zu unterstützen, und die auch dafür war, dass man nicht


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anerkennt, dass Russland vor dem Internationalen Strafgerichtshof untersucht wird und dass ermittelt wird (Zwischenruf bei der FPÖ), weil Putin 19 000 ukrainische Kinder aus der Ukraine nach Russland verschleppen lassen hat. So ein Land unterstützen Sie heute noch. Herr Kollege Kickl, schä­men Sie sich dafür!

Rechte und Gesetze gelten für alle. Verlegen Sie sie nicht auf die Straße, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Hafenecker: Wenn er einen Fehler gemacht hat, dann war es der, dich nicht zu entlassen!)

18.22


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte.


18.23.00

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich kenne Menschen, die sicher sind, dass sie einen atomaren Winter, den Klimakollaps und alle möglichen Katastro­phen ganz allein und einsam überstehen, indem sie sich als einsame Wölfe oder Eremiten irgendwo in einen Privatbunker zurückziehen, der die entspre­chende technische Ausstattung hat. (Abg. Kickl: Oder in einen Schrebergarten!)

Menschen sind aber keine einsamen Wölfe, sondern soziale Wesen. Wir sind soziale Wesen. Es mag sein, dass Einzelne allein irgendwo bestehen, in­dem sie Solidarität verweigern, aber ich bin mir nicht sicher, ob dieses Leben dann ein gutes Leben ist. Menschen haben über Jahrtausende gelernt, in Verbänden, in Gruppen gemeinsam zu leben, und sie haben gut daran getan.

Für Staaten gilt das ganz ähnlich. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist kaum möglich, dass irgendein Staat isoliert besteht. Viel zu sehr sind Gesellschaft, Wirtschaft, Politik miteinander verflochten. Staaten sind sehr gut beraten, zu kooperieren, zu helfen, zu teilen: Arbeit zu teilen, Ressourcen zu teilen. Genau dazu wurden internationale Organisationen gegründet, zum Beispiel genau gestern


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vor 78 Jahren die Vereinten Nationen. Österreich ist mittlerweile Stand­ort von über 70 internationalen Institutionen.

Internationale Arbeit ist komplex (Ruf bei der FPÖ: ... Schrebergärten!), und sie ist ganz besonders dann komplex, wenn es Unterschiede in den Zugängen und wenn es Streitigkeiten gibt. Und ja, internationale Arbeit ist teuer. Sie ist noch teurer, wenn es Streitigkeiten gibt, die nicht am grünen Tisch, sondern auf dem Schlachtfeld ausgetragen werden, weil wir dann mit dem Kostbarsten zahlen, das wir haben, nämlich mit Menschenleben. Das ist wahrscheinlich das Allerteuerste, was wir verlieren können.

Wir wissen also, dass wir viele Herausforderungen nur weltweit gemeinsam meistern können: die Klimakrise, Armut zu bekämpfen, acht Milliarden Menschen mit sauberem Wasser, sauberer Luft, mit guter Nahrung zu versorgen. Und ja, darum gibt es unter anderem die nachhaltigen Entwicklungsziele, ein völkerrechtlich nicht verbindliches Instrument, vor dem sich die FPÖ offen­sichtlich sehr, sehr fürchtet.

Als SPÖ haben wir eine Idee von internationaler Zusammenarbeit, die stärken, die weiterentwickeln soll. Wir wollen sie auch demokratisieren, wollen die Strukturen von internationalen Institutionen ins Heute holen, wo das noch nicht passiert ist, und wir wollen internationale Solidarität und Organisationen dazu verwenden, dass sie die Probleme von Menschen ohne Zurufe von Privaten lösen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Internationale Organisationen sollen stark und verlässlich sein. Neutrale Staaten spielen darin eine ganz besondere Rolle. Sie können als Vermittler sehr glaub­haft auftreten, Gute Dienste anbieten, ihr Territorium für vertrauliche Gespräche anbieten. Die SPÖ will eine engagierte Neutralität. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Rössler.) Wir wollen uns politisch einmischen. Wir wollen auf Grundlage der Werte von Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit und Nachhaltigkeit internationale Solidarität üben. Wir wissen, dass wir die Österreicherinnen und Österreicher darin als Verbündete haben, und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Die Idee der FPÖ zur Neutralität lässt sich nach dieser Debatte sehr gut kurz zusammenfassen: Die FPÖ will aus der EU austreten, sie baut Öster­reich zu einer Festung um. Sie kaufen dann mit Schilling und natürlich auch in bar verbleiten Sprit (Abg. Stögmüller: Fechten!), fahren mit irgendwelchen Dreckschleudern nach Moskau, um sich dann dort Putin mit einem Knicks zu unterwerfen. (Abg. Stögmüller: Fechten!) Sie pfeifen auf Menschen­rechte, auf Gerichtshöfe und auf den Rest der Welt. Sie ignorieren Klima, Ge­sundheit, Nachhaltigkeit und bei Bedarf in der Ukraine auch die Notwen­digkeit von humanitärer Hilfe. Sie landen dann letztendlich bei Ihren Freunden von den Taliban. Ob Sie das dann mit oder ohne Virus machen, bleibt mir verschlossen, aber jedenfalls ist es nicht gegendert, das ist sicher. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller. – Abg. Belakowitsch: Was wollen Sie uns jetzt damit sagen?)

Wenn die Österreicherinnen und Österreicher sich auf Ihre Art der Neutralität verlassen, dann sind die Österreicherinnen und Österreicher verlassen. (Abg. Stögmüller: Das ist wie in Nordkorea dann! Das wäre ihnen am liebsten!) Das ist heute wirklich klar geworden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


18.27.47

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerinnen! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Österreicher! Die Neutralität wird immer weiter ausge­höhlt, die Souveränität wird Stück für Stück abgebaut, nationale Kompetenzen werden immer mehr abgegeben. Die Sicherheitslage in Österreich ist angespannt. Die illegale Massenzuwanderung und damit verbunden selbstver­ständlich auch die Islamisierung finden ungehindert statt. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!)


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Was sagen jene dazu, die dafür verantwortlich sind? – Die zeigen mit dem Finger auf andere, nämlich auf jene, die diese Probleme seit Langem aufzeigen und auch Lösungen anbieten: auf die FPÖ und insbesondere auf Herbert Kickl. Das ist eine Chuzpe der Sonderklasse. (Beifall bei der FPÖ.)

In den letzten Tagen gibt es einen neuen Spin bei der ÖVP: Nehammer, Karner, Stocker sagen immer, Kickl ist ein „Sicherheitsrisiko“! (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP. – Rufe bei der ÖVP: Ja, eh!) Darum darf er nicht Kanzler werden, auch wenn die Bürger das wollen. Als Begründung wird immer wieder eine Geschichte angeführt, so auch in der heutigen Diskussion: Er habe das BVT zerschlagen, sagen Sie.

Übrigens: Wenn man Kollegen Gerstl zugehört hat, dann merkt man, dass er sich schon seine private Parallel- und Gegengesellschaft gegen die Realität gebil­det hat. Das ist sehr, sehr bemerkenswert.

Ich will da jetzt gar nicht zu weit ausholen. Sie wissen ja selbst, dass eine Hausdurchsuchung wie die, auf die Sie sich beziehen, nicht vom Innenminister, sondern von der Staatsanwaltschaft nach richterlicher Genehmigung ange­ordnet wird. Ein gewisser Karl Nehammer, damals Generalsekretär, hat auch eine Presseaussendung extra gemacht, in der er gesagt hat: Natürlich war die neue Volkspartei informiert, eingebunden! Alles war akkordiert! Es gibt keine diesbezügliche Kritik an Innenminister Kickl! – So viel zu diesem Thema. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Übrigen: Sollten Sie einmal den Bericht des Berner Clubs durchlesen, dann sehen Sie sofort, dass das BVT schon lange vor dieser Aktion hin war (Abg. Kickl: Eine Bruchbude!), und zwar aufgrund Ihrer verantwortungslosen Personal­politik im BVT. Gut. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Michael Ham­mer: Da klatschen gar nicht alle! Habt ihr nicht alle im Griff?)

Nehammer – ja, die Verantwortung abschieben! – ist derjenige, der die politische Verantwortung für den islamistischen Terroranschlag in Wien trägt, der sich


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in wenigen Tagen zum dritten Mal jährt. Das ist jener Herr Nehammer, der einen Sturm auf das Parlament frei erfunden hat, um eine gewisse Stimmung in diesem Land zu erzeugen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Diese Bundesregierung, die mithilfe der SPÖ und der NEOS während der Coronazeit die Grund- und Freiheitsrechte mit Füßen getreten (Abg. Michael Hammer: Ihr habt Leute beisam­men!), die Menschen gespalten und in Angst versetzt und Milliarden ver­brannt hat, hat vor allem in die Taschen der schwarzen Freunderln gewirtschaf­tet. (Beifall bei der FPÖ.)

Die ÖVP hat über Jahre Österreich zu einem wahren Eldorado für Dschihadis­ten, Islamisten, Terroristen und Gefährder gemacht. (Abg. Hörl: ... oder was? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Was haben wir jetzt? In der jetzigen Situation, für die der Auslöser natürlich die unfassbaren Vorfälle im Na­hen Osten sind, in der die Terrororganisation Hamas Zivilisten wahl­los abschlachtet, haben wir jetzt islamistische Demonstrationen inklusive So­lidaritätskundgebungen für diese islamistische Terrorbande, Mörder­bande Hamas in Österreich und in vielen Städten Europas. (Abg. Baumgart­ner: ... Taliban!)

Wir haben einen importierten Antisemitismus. Wir haben eine Terrorwarnstufe, die auf hoch – die vierthöchste von fünf möglichen Terrorwarnstufen – ge­setzt wurde. Was ist die Reaktion der Regierung? – Entsetzen, Fassungslosigkeit, als ob man es nicht hätte ahnen können. Es gibt ein Gerede von Integration, Deradikalisierung und so weiter und so fort. Dafür ist es zu spät. Die Probleme haben wir dank Ihrer Politik längst im Land. Es gibt eine Forderung nach Demoverboten, nach generellen Demoverboten, und Fantasien nach mehr Über­wachung der Kommunikation der Bürger.

Ja, aber Vorsicht, da könnte die Büchse der Pandora geöffnet werden! Wir haben gesehen, was passiert, wenn man der ÖVP zu viel Macht in die Hand gibt, nämlich dass der Willkür Tür und Tor geöffnet sind. (Beifall bei der FPÖ.)

All diese Dinge sind ja nur die Symptome. Sie reden von den Symptomen (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen – Zwischenrufe bei der ÖVP), wir müssen


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aber über die Ursachen reden und die Ursachen bekämpfen. Die Ursache ist die illegale Massenzuwanderung aus dem islamischen Raum und nicht dieser Verrat, den der Innenminister jetzt beim Beitritt zum - -


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen zum Schlusssatz kommen, Herr Abge­ordneter!


Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): - - EU-Asyl- und Migrationspakt macht, mit dem noch mehr Souveränität nach Brüssel abgegeben wird. Was wir brauchen, ist ein sofortiger Asylstopp, die Festung Österreich und ein Volkskanzler Herbert Kickl. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Das brauchen wir wie einen Kropf!)

18.32


Präsidentin Doris Bures: Nun ist ein zweites Mal Herr Abgeordneter Christian Stocker zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Hafenecker: Jetzt habt ihr 70 Ab­geordnete, und Stocker muss zweimal reden!)


18.32.39

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal oder vor den Bildschirmen! Den Vor­abend des Nationalfeiertages, an dem wir eigentlich feiern, dass wir ein freies, unabhängiges Land geworden sind, nimmt die FPÖ zum Anlass, etwas zu liefern, was wir gerade gesehen haben. Das ist eigentlich zum Fremdschä­men, Herr Kickl! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. –
Abg. Amesbauer: Bitte?)

Alles, was die FPÖ hier anbietet, ist: Dagegen! Dagegensein geht sich aber nicht aus, wenn man für das Volk und für die Heimat sein will. Wenn das Pro­gramm nur dagegen heißt (Abg. Amesbauer: Mir san ja ...!) und das Einzige, wofür man ist, prorussische Anträge sind (Rufe bei der FPÖ: Unwahrheit!), man aber gegen internationale Zusammenarbeit, gegen internationale Lösungen ist,


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dann schafft man Abhängigkeiten. (Abg. Kickl: Das wird beim zweiten An­lauf nicht besser!) Das ist das Gegenteil von Souveränität und es ist auch das Gegenteil von Solidarität. (Abg. Hafenecker: Noch schlechter als die erste Rede!) Mit der Ukraine, die ihre Souveränität verlieren soll, wenn es nach Putin geht, haben Sie wenig Mitleid. Da sind Ihnen die Menschen egal. Da geht es Ihnen eher darum, dass Sie mit Russland eines Sinnes sind.

Ich sage Ihnen auch: Wem das Volk in anderen Ländern, in freien Ländern egal ist, dem ist es in letzter Konsequenz auch bei uns egal!

Was Sie uns hier erzählen und was Ihr Programm ist, das kann man so zu­sammenfassen: Sie wollen eine Festung. Sie ziehen die Zugbrücke hoch, setzen sich den Aluhut auf (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), und dann ist die Welt für Sie in Ordnung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Für ganz viele Menschen in Österreich, vor allem die Jüdinnen und Juden, ist es im Moment aber gar nicht in Ordnung. (Abg. Kickl: Die bedanken sich bei Ihnen für die Zuwanderung!) Es ist auch für viele in Europa, insbesondere in der Ukraine, nicht in Ordnung; und auf der Welt, im Nahen Osten, ist es auch für ganz viele Menschen nicht in Ordnung. Für die Menschen in Israel, auch für ganz viele Palästinenser ist nicht in Ordnung, was derzeit passiert. Politik hat Verantwortung zu tragen – in Österreich, in den internationalen Organisa­tionen, im Ausland. Deshalb ist unser Bundeskanzler auch heute in Israel, denn es gilt, für die Sicherheit der Menschen und auch darüber hinaus zu arbei­ten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.35


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Dagmar Belakowitsch zu Wort gemeldet. (Abg. Michael Hammer: Herr Kickl hat keinen Aluhut, sondern zwei Aluhüte!)


18.35.11

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Mein Vorredner, Herr Abgeord­neter Stocker, hat hier behauptet, die Freiheitliche Partei sei immer nur


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gegen alles. Das ist unrichtig. (Heiterkeit und Widerspruch bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Na geh!)

Ich berichtige tatsächlich: Die Freiheitliche Partei ist für die Souveränität (Abg. Michael Hammer: Und für die Würste!), für die Neutralität und für einen Asylstopp. (Beifall bei der FPÖ.)

18.35


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Belakowitsch, das war eine politische Wertung und kein Sachverhalt und daher auch keine tatsächliche Berichtigung.

Nun ist Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.35.50

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Der Partei der tausend Einzelfälle kann in diesem Haus niemand glauben, wenn es um Antisemitismus und den Kampf gegen Antisemitis­mus geht! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.) Die Partei der tausend Einzelfälle, die einen Landeshauptfraustellvertreter in Niederösterreich stellt, der von der siebten Million singt (Abg. Amesbauer: Was ist mit der Sozialistischen Jugend in Vorarlberg?), ist so weit weg vom Kampf gegen Antisemitismus wie nur sonst irgendwas. Niemand in diesem Haus (Abg. Amesbauer: Sozialistische Jugend? – Abg. Kickl: Bringen Sie Ihre Jugend unter Kontrolle!) braucht sich von Ihnen erklären zu lassen, wie man gegen Antisemitismus in diesem Land ankämpft, niemand in diesem Haus! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Amesbauer: Die ÖVP schon! – Ruf bei der ÖVP: Der Funke!)

Die Neutralität ist Aufgabe, die Neutralität ist Verpflichtung – Verpflichtung, sich zu beteiligen, beispielsweise an Friedensprozessen, aber auch an internatio­nalen Organisationen, als Standort der UNO, als Standort der OSZE. (Abg. Hafen­ecker: Setzt euch ... und redet mit ...!) All das darf nicht leichtfertig aufs Spiel


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gesetzt werden. Die Neutralität ist eindeutig Identität und Aufgabe. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Spiel der FPÖ, dieser Antrag, ist durchschaubar, denn alles, was Sie mit die­sem Antrag hier schüren, sind Verschwörungstheorien (Abg. Amesbauer: Ah so!), Angst und Abschottungsfantasien und hat genau nichts mit der österreichi­schen Neutralität im Verfassungsrang zu tun! (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Neutralität und Sitz internationaler Organisationen heißt Beteiligung und Einsatz für Menschen- und Frauenrechte, heißt Frieden als oberstes Ziel auch zu erreichen. Friedensengagement ist nichts, was einerseits als Schimpfwort und andererseits missbräuchlich verwendet werden darf, um Abhängigkeiten von Putin zu rechtfertigen, werte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Habt ihr das mit Christian Kern besprochen?)

Frieden heißt, sich für Menschenrechte einzusetzen! Frieden heißt, sich für Frauenrechte einzusetzen, und die Frauenbewegung war immer friedensbewegt. Der FPÖ kann man auch da nicht trauen (Zwischenruf der Abg. Erasim), denn wer zu den Taliban nach Afghanistan fliegt – den Taliban, die Frauen jeg­licher Rechte berauben –, dem kann man niemals trauen. (Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. Erasim.) Die FPÖ ist die allerletzte Partei in diesem Haus, die sich jemals für Frauenrechte eingesetzt hat – aber nicht nur in diesem Haus, sondern auch darüber hinaus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Schnedlitz: ... Corona ...!)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ: Der Körper der Frau ist in jedem Krieg Schlachtfeld, und das ist Ihnen komplett egal – egal ob in der Ukraine, wo Frauen systematisch vergewaltigt werden (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), egal ob auch jetzt in Israel, wo Frauen von der Terrororganisation Hamas ver­schleppt, gedemütigt und vieles, vieles mehr werden. (Abg. Kickl: Wie ist das mit den Vergewaltigungen hierzulande?) Sexuelle Gewalt wird nach wie vor trotz Verbot als Kriegswaffe eingesetzt (Abg. Amesbauer: Von Moslems!),


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und es ist der FPÖ komplett egal. Mit keinem einzigen Wort wurde das hier je­mals erwähnt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Neutralität heißt, sich für Frauen- und Menschenrechte einzusetzen und sich für Frieden einzusetzen. Neutralität heißt, humanitäre Hilfe zu liefern, nämlich gerade jenen Frauen, die als traumatisierte Opfer zurückbleiben. Das ist unser Auftrag als Österreich, als Friedensstandort, als neutrales Land. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Neutralität heißt nicht, wegzuschauen. Neutralität heißt nicht, den – nur ver­meintlich! – einfachen Weg der FPÖ zu gehen, sich einfach abzuschotten, wegzuschauen, sich auszugrenzen. Dadurch ignoriert man jegliche Menschen- und Frauenrechte auf dieser Welt, in Europa und in Österreich. Das ent­spricht nicht unserer Neutralität.

Zum Schluss, nach der Einbringung dieses Dringlichen Antrages von Kollegen Kickl, kann ich nur mit einem Zitat von Johanna Dohnal schließen: „Der Friede ist zu wichtig, um ihn den Männern alleine zu überlassen“. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ, Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Bernhard und Dop­pelbauerAbg. Lausch: ... Rendi-Wagner! Abg. Hafenecker: Warum habt ihr dann die Rendi-Wagner ab... und Babler gewählt? – Anhaltende Rufe und Gegenrufe bei FPÖ und SPÖ.)

18.40


18.40.12

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet, und damit schließe ich die Debatte.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 3667/A(E) der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Souveränität und Neutralität sichern Österreichs Freiheit“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Engagierte Neutrali­tätspolitik in Krisenzeiten“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

18.41.03Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung der Selbständige Antrag 3668/A(E) eingebracht worden ist. (Abg. Hafenecker – in Richtung SPÖ –: Nicht einmal eine Klubobfrau habt ihr gewählt! Abg. Holz­leitner: Wie viele Frauen hat die FPÖ Kärnten im Landtag sitzen?)

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilun­gen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 18.41 Uhr – das ist so­gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.41.26Schluss der Sitzung: 18.41 Uhr

 

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