Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

899. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 19. Dezember 2019

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

899. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 19. Dezember 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. Dezember 2019: 9.00 – 16.32 Uhr

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Tagesordnung

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 39

1. Punkt: Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in, von zwei Schriftführer/innen und eines/ei­ner Ordners/-in für den Rest des 2. Halbjahres 2019

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­walt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonen­ge­setz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3. Dienstrechts-Novelle 2019)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird

5. Punkt: Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahres­vor­schau 2019

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundes­amt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozeßord­nung 1975 zur Umsetzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert werden

8. Punkt: Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2018

9. Punkt: Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2018

10. Punkt: Datenschutzbericht 2018

11. Punkt: Petition betreffend „Regulierung des Wolfes in Österreich“


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 2

12. Punkt: Antrag der Bundesräte Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministe­riengesetz 1986 geändert wird (269/A-BR/2019)

13. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

14. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2020

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Andrea Wagner und eines Ersatzmitglieds des Bundesrates beziehungsweise Wahl eines Mitglieds und eines Ersatz­mit­glieds des Bundesrates .................................................... 36

Schreiben des Steiermärkischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates .................................................................................................................... 38

Angelobung der BundesrätInnen Otto Auer, Mag. Christian Buchmann, Heike Eder, BSc MBA, Mag. Elisabeth Grossmann, Ing. Isabella Kaltenegger, Dr. Karl­heinz Kornhäusl, Andreas Lackner, Markus Leinfellner, Horst Schachner, Andrea Michaela Schartel und Ernest Schwindsackl           ................................................................................................................................. 8

Schlussansprache des Präsidenten Karl Bader ......................................................... 9

Antrag der BundesrätInnen Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross, Claudia Hauschildt-Buschberger, Andreas Lackner und Marco Schreuder gemäß § 49 in Ver­bindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion – Annahme ..............................  12, 12

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GO-BR, den Selbständigen Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (269/A-BR/2019), ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ...............................................  39, 39

1. Punkt: Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in, von zwei Schriftführer/innen und eines/einer Ordners/-in für den Rest des 2. Halbjahres 2019 ................................................................................... 40

14. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2020 ........................................................................................................... 126

Aktuelle Stunde (74.)

Thema: „Wirtschaftspolitische Zielsetzungen der neuen Europäischen Kom­mission – Erwartungen der österreichischen Bundesregierung“ .................................................................. 12

RednerInnen:

Korinna Schumann ................................................................................................. ..... 13

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ..... 15


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 3

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 18

Bundesministerin Mag. Elisabeth Udolf-Strobl .................................................  21, 31

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ..... 24

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 26

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 27

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 28

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 30

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................. 34

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 39

Wahlen in Institutionen

13. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates             ............................................................................................................................. 125

Ergebnis: Ersatzmitglied: Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  31, 128

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (87/A und 13 d.B. sowie 10267/BR d.B. und 10277/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 41

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ................................................................. 41

RednerInnen:

Josef Ofner .............................................................................................................. ..... 42

Robert Seeber ......................................................................................................... ..... 44

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 46

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ..... 48

Claudia Hauschildt-Buschberger ......................................................................... ..... 50

Johanna Miesenberger ........................................................................................... ..... 51

Bundesminister Dr. Wolfgang Peschorn ............................................................. ..... 52

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 54

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrper­so­nengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonen­gesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutterschutz­gesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen­sions­gesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3. Dienstrechts-Novelle 2019) (46/A und 9 d.B. sowie 10268/BR d.B. und 10269/BR d.B.) .......................................................... 54


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 4

Berichterstatter: Mag. Reinhard Pisec, BA MA ........................................................... 54

RednerInnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ................................................................................... ..... 55

Elisabeth Grimling ....................................................................................................... 56

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 58

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................... 60

Bundesminister Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA ...................................................... 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 62

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird (84/A und 8 d.B. sowie 10274/BR d.B.) ..................................................................................................... 63

Berichterstatter: Mag. Bernd Saurer ............................................................................ 63

RednerInnen:

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 63

Ingo Appé ................................................................................................................ ..... 65

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 66

Antrag der BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird (84/A und 8 d.B. sowie 10274/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich .....................................  64, 67

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................... 67

5. Punkt: Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvor­schau 2019 (III-680-BR/2019 d.B. sowie 10275/BR d.B.) .............................................................................. 68

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ................................................................. 68

RednerInnen:

Elisabeth Mattersberger ......................................................................................... ..... 68

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ..... 69

Christoph Steiner ................................................................................................... ..... 71

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-680-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 73

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird (94/A und 11 d.B. sowie 10273/BR d.B.) ............................................................................................................... 73

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ....................................................... 73

RednerInnen:

Marianne Hackl ............................................................................................................. 73

Rudolf Kaske ................................................................................................................ 74

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................... 77

Andreas Lackner .......................................................................................................... 79

Bundesministerin Mag. Dr. Brigitte Zarfl ............................................................. ..... 80

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ...................................................................................... ..... 81

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 82

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 84


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Entschließungsantrag der BundesrätInnen Rudolf Kaske, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dauerhafte Finanzierung des VKI“ – Annahme (267/E-BR/2019) .............................................  76, 85

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bundesgesetz über die Finanzierung bestimmter Auf­gaben des Vereins für Konsumenteninformation durch den Bund (VKI-Finanzie­rungsgesetz 2020)“ – Annahme (268/E-BR/2019) ...........  78, 85

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „österreichisches Glyphosat-Verbot“ – Annahme (269/E-BR/2019) ......................  83, 85

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 85

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozeß­ord­nung 1975 zur Umsetzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert werden (1 d.B. und 14 d.B. sowie 10276/BR d.B.) ............................................................................................................... 85

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .................................................................................. 86

RednerInnen:

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ............................................................................. ..... 86

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ..... 87

MMag. Dr. Michael Schilchegger ........................................................................... ..... 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 88

8. Punkt: Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2018, vor­gelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (III-685-BR/2019 d.B. sowie 10270/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 88

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling .......................................................................... 88

RednerInnen:

Klara Neurauter ....................................................................................................... ..... 89

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 90

MMag. Dr. Michael Schilchegger ........................................................................... ..... 92

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ..... 95

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-685-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 96

9. Punkt: Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2018, vor­gelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (III-695-BR/2019 d.B. sowie 10271/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 96

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling .......................................................................... 96

RednerInnen:

Mag. Doris Schulz ................................................................................................... ..... 97

Günter Kovacs .............................................................................................................. 98

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 99


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 6

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-695-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 100

10. Punkt: Datenschutzbericht 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz (III-684-BR/2019 d.B. sowie 10272/BR d.B.) ...................... 100

Berichterstatter: Andreas Arthur Spanring ............................................................... 101

RednerInnen:

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ... 101

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 103

MMag. Dr. Michael Schilchegger ........................................................................... ... 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-684-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 106

11. Punkt: Petition betreffend „Regulierung des Wolfes in Österreich“, überreicht von Bundesrat Silvester Gfrerer (45/PET-BR/2019 sowie 10278/BR d.B.) ........................................................ 106

Berichterstatter: Silvester Gfrerer .............................................................................. 106

RednerInnen:

Günther Novak ........................................................................................................... 106

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 108

Andreas Lackner ........................................................................................................ 111

Mag. Bernd Saurer .................................................................................................. ... 112

Silvester Gfrerer ..................................................................................................... ... 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, die gegenständliche Petition 45/PET-BR/2019 zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 116

12. Punkt: Antrag der Bundesräte Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­ministeriengesetz 1986 geändert wird (269/A-BR/2019) ...................................................................................................................... 116

RednerInnen:

Korinna Schumann ................................................................................................. ... 117

Karl Bader ................................................................................................................ ... 119

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 122

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ... 123

Annahme des Antrages, den vorliegenden Gesetzesvorschlag gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu unterbreiten ...................................... 125

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (269/A-BR/2019)

Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ände­rung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Einführung des Instruments Teileinspruchs­recht des Bundesrates) (270/A-BR/2019)


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Anfrage der BundesrätInnen

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Mautbefreiungen von Autobahn­ab­schnitten durch die Neuordnung des Bundesstraßen Mautgesetzes (3712/J-BR/2019)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Atommüllendlager in Grenznähe und Haltung Österreichs (3435/AB-BR/2019 zu 3707/J-BR/2019)

 

 

 

 

 


 


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09.00.49Beginn der Sitzung: 9.00 Uhr

Vorsitzende: Präsident Karl Bader, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vize­präsident Michael Wanner.

09.00.50*****


Präsident Karl Bader: Einen wunderschönen guten Morgen und grüß Gott, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 899. Sitzung des Bundes­ra­tes.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 898. Sitzung des Bundesrates vom 5. Dezember sind aufgelegen, wurden nicht beanstandet und gelten daher als ge­nehmigt.

Verhinderungen sind mir keine bekannt gegeben worden.

09.01.17Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Karl Bader: Eingelangt sind Schreiben

des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates und

des Steiermärkischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatz­mit­glie­dern des Bundesrates. (siehe S. 36)

Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Haus anwesend. Ich werde daher so­gleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Guten Morgen! Ich verlese die Gelöb­nisformel für die Mitglieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner leisten die BundesrätInnen Otto Auer, Mag. Christian Buchmann, Heike Eder, BSc MBA, Mag. Elisabeth Grossmann, Andreas Lackner, Markus Leinfellner, Horst Schachner und Andrea Michaela Schartel die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“. – Die BundesrätInnen Ing. Isabella Kaltenegger, Dr. Karlheinz Kornhäusl und Ernest Schwindsackl leisten nach Aufruf ihres Namens die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)


Präsident Karl Bader: Ich darf die neuen Mitglieder des Bundesrates ebenfalls sehr herzlich in der zweiten Kammer des österreichischen Parlaments willkommen heißen.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 9

Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit und freue mich auf eine gute Zusam­menarbeit.

Ich begrüße auch sehr herzlich Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort Mag.a Elisabeth Udolf-Strobl, die schon zur Aktuellen Stunde da ist. (Allgemeiner Beifall.)

09.05.15 Schlussansprache des Präsidenten


Präsident Karl Bader: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf der Galerie! Liebe Schülerinnen und Schüler! In wenigen Tagen wird Niederösterreich den Vorsitz in der zweiten Kammer und in der Landeshauptleutekonferenz an das Bun­desland Oberösterreich übergeben. Die Präsidentschaft im Bundesrat geht daher für mich bald zu Ende.

„Nah an den Menschen. Bereit für die Zukunft“ war das Motto des niederöster­reichi­schen Vorsitzes. Nahe an den Menschen zu sein ist für mich eine elementare Voraus­setzung für einen Mandatar, für eine Mandatarin. Der enge Kontakt zu den Bürgerin­nen und Bürgern ist nun einmal unerlässlich, um deren Interessen und auch die Inter­essen der Bundesländer und Gemeinden im Bundesrat vertreten zu können.

Um mit dem Bundesrat nah an den Menschen sein zu können, war es mir auch wichtig, mit der Länderkammer, mit dem Projekt Bundesrat im Bundesland hinauszugehen. Wir waren im Stift Göttweig, wir waren an der Donau-Uni in Krems. Wir haben uns zu­nächst europäischen Fragen gewidmet und danach natürlich auch der Frage: Was ist aus dem Beschluss geworden, der hier im Parlament gefasst wurde, die Donau-Uni in das Universitätsgesetz aufzunehmen?

Das Projekt Bundesrat im Bundesland wurde erstmals durchgeführt, und es wird auch von meinem Nachfolger Robert Seeber fortgesetzt werden. Ich wünsche mir natürlich, dass diese Fortsetzung auch in allen anderen Bundesländern passiert, um in den Regionen und näher bei den Menschen zu sein.

Nah an den Menschen zu sein bedeutete für mich in diesem halben Jahr aber ganz besonders, auch die Bürgerinnen und Bürger hier ins Parlament hereinzuholen und nicht nur zu den Menschen hinauszugehen. Unsere Arbeit als Parlamentarierin, als Parlamentarier kann den Menschen nämlich besser verständlich gemacht werden, wenn man sie ihnen am Ort des Geschehens von Parlamentarismus und Demokratie präsentiert und wenn man mit ihnen hier im Hohen Haus sprechen kann. So waren Hunderte Besucherinnen und Besucher deshalb bei mir im Hohen Haus zu Gast, und für mich war es immer wieder ein besonderes Erlebnis, mich mit ihnen auszutauschen, egal ob es Schülerinnen und Schüler waren oder Vertreter der älteren Generation, die an diesen Besuchstagen hier teilgenommen haben.

Ein besonderes Ereignis in unserem Land ist der Nationalfeiertag, der auch Gelegen­heit ist, die Menschen hier hereinzuholen. Es waren Tausende Menschen aus Öster­reich, aber auch internationale Gäste, die den Tag der offenen Tür im Parlament ge­nutzt haben.

„Nah an den Menschen“ – das Motto hatte auch einen zweiten Teil: „Bereit für die Zukunft“ zu sein. Das war der zweite Teil des Vorsitzmottos. Ein zentrales Anliegen dieses Schwerpunktes war es, mehr Fairness für den ländlichen Raum, für die länd­lichen Regionen zu schaffen. Im Mittelpunkt stand dabei der Masterplan ländlicher Raum, der mit verschiedenen Schwerpunkten eine strategische Neuausrichtung und eine ambitionierte politische Schwerpunktsetzung für die Zukunft des ländlichen Raums vorsieht. Mit diesem Masterplan zeigen wir konkrete Perspektiven und Lösungen auf,


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um die Wirtschafts- und Lebensbedingungen am Land systematisch zu verbessern und die Zukunft des ländlichen Raums zu sichern.

Damit wurde im Bundesrat ein Thema positioniert, das nicht nur der Schwerpunkt einer Präsidentschaft war, sondern auch im Mittelpunkt der nächsten Präsidentschaften stehen soll. Es konnte deutlich gemacht werden, wofür der Bundesrat steht, und die Interessen der Bundesländer und Gemeinden in der Bundespolitik zu vertreten ist ja schließlich auch unsere Aufgabe.

Vieles, das schon im Vorfeld der Bundesratspräsidentschaft mit den damaligen Minis­terien geplant war, war im Mai plötzlich obsolet geworden. Mit dem Rückhalt der zu­stän­digen Ministerien hätten wir dieses Thema noch intensiver verfolgen können, aber das können meine Nachfolger nun mit einer zukünftigen und neuen Regierung machen.

Ich habe jedenfalls versucht, den Grundstein zu legen, und habe dazu auch alle neun Landtagspräsidentinnen und -präsidenten in unserer Republik besucht, um dieses Thema auch zu dokumentieren und sie dafür um Unterstützung zu bitten.

Die Präsidentschaft im Bundesrat verlief auch in enger Kooperation mit dem Vorsitz Niederösterreichs in der Landeshauptleutekonferenz. Unsere Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat auch im Bundesrat über unser gemeinsames Motto gesprochen, und ich möchte dafür heute auch noch einmal herzlich Danke sagen.

Ein wichtiger Tag für unser Leitthema war gewiss die parlamentarische Enquete. Die Enquetebeiträge der nationalen Experten haben mich darin bestärkt, dass wir mit diesem Leitthema auf einem guten Weg sind und richtigliegen. Die internationalen Experten haben uns zudem ein anschauliches Bild geliefert, was in Zukunft passieren kann, wenn die Entwicklung ländlicher Räume und ländlicher Regionen vernachlässigt wird – etwa in Frankreich, wo es ja gerade jetzt wieder heftige Proteste gibt, an denen sich auch wieder die Gelbwesten beteiligen, die zum Symbol der ländlichen Protest­bewegung geworden sind.

Mit einer Bundesratsdelegation habe ich mich dann beispielsweise auch vor Ort in Paris erkundigt, wo die Ursachen der Probleme der ländlichen Regionen in Frankreich liegen. Wir haben nicht nur mit dem französischen Senatspräsidenten gesprochen, sondern auch mit dem Koautor des Berichts: Die Rettung der Zonen für ländliche Revi­talisierung. Dabei haben wir erfahren, dass Frankreich große Bemühungen dahin ge­hend setzt, das Sinken der Einwohnerzahl zu stoppen und zu verhindern, dass Ämter, handwerkliche Betriebe und Geschäfte in den Landregionen geschlossen werden.

Eine befriedigende Lösung in dieser Auseinandersetzung der unterschiedlichen Ent­wicklungen der ländlichen und urbanen Räume ist aber nur in einem Miteinander der urbanen und der ländlichen Regionen zu suchen, und das möchte ich auch an dieser Stelle hier ganz intensiv betonen.

Der niederösterreichische Schwerpunkt zum Masterplan ländlicher Raum war jener der Dezentralisierung. In Niederösterreich sind wir davon überzeugt, dass die Ansiedlung von Bundes- und auch Landeseinrichtungen in den ländlichen Regionen ein ganz wirksames Instrument der Strukturpolitik darstellt. Verwaltungsdezentralisierung kann dem ländlichen Raum mehr Chancen zur Entwicklung einräumen. Unser Beispiel mit 500 Dienstposten, die wir aus der Landeshauptstadt St. Pölten in die Bezirke, in die Regionen hinaus verlagern, ist, glaube ich, ein gutes, wird in den nächsten Jahren bis 2022 auch umgesetzt und findet auch schon Nachahmer in anderen Bundesländern.

Ich möchte daher, dass wir heute im weiteren Verlauf der Sitzung einen Geset­zes­antrag diskutieren und beschließen, der eine Prüfpflicht bei der Einrichtung neuer Bun-


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 11

desdienststellen beinhaltet, und ich sehe das als ganz wesentlichen ersten Schritt hin zu einer Stärkung des ländlichen Raums. Viele weitere Schritte werden folgen müssen.

Natürlich ist eine Präsidentschaft auch davon geprägt, dass es viele Termine gibt, das werden meine Vorgänger auch bestätigen können: vom Meeting of Speakers of Eurasian Countries’ Parliaments in Kasachstan oder der Parlamentspräsidentenkonferenz des Europarates in Straßburg über die Geburtstagsfeier unserer Parlamentsbibliothek, die 150 Jahre alt geworden ist, und die Sitzung der Jugendlichen im Rahmen des Model European Parliament der Baltischen und Nordischen Staaten bis zum Schülerpar­lament, Gesprächen mit Botschaftern, Buchpräsentationen und vielem mehr.

Kein Präsident kann über mangelnde Beschäftigung klagen, und dass das alles in so einem halben Jahr, das ein kurzes und schnelles ist, so reibungslos vonstattengehen kann, ist insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Hohen Haus zu ver­danken. Danke der Frau Bundesratsdirektorin Susanne Bachmann, ihrer Stellvertre­terin Alice Alsch-Harant und ganz besonders auch meiner Assistentin Paula Jenner, die erst kurz vor meiner Präsidentschaft diesen Job übernommen und dabei gleich hervorragende Arbeit geleistet hat. – Danke für euer Engagement und für eure Unter­stützung. (Allgemeiner Beifall.)

Ich danke auch dem Internationalen Dienst des Parlaments für die profunde und pro­fessionelle Unterstützung bei internationalen Gesprächen und Auslandsreisen sehr herzlich, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Veranstaltungsabteilung und denjenigen, die die Parlamentsführungen abhalten, die so viele Gäste hier im Haus für mich betreut haben.

Ein ganz wichtiger Begleiter dieser Präsidentschaft war auch das Institut für Föde­ralis­mus. Der ehemalige Bundesratspräsident Georg Keuschnigg hat dieses Generalthema für uns entsprechend gut aufbereitet.

Ich möchte meinem Pressesprecher Thomas Neuhauser sehr herzlich danken und auch meiner Vizebürgermeisterin zu Hause in meiner Gemeinde, die dieses halbe Jahr doch ein wenig mehr Arbeit und Vertretungsleistungen zu erbringen hatte.

Ich danke auch meinem Fahrer und seinen Vertretungen, es sind doch 35 000 Kilo­meter geworden, die wir unterwegs waren, und das unfallfrei. – Das ist schon etwas ganz Feines, das am Ende einer Präsidentschaft so feststellen zu können.

Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit in der Präsidiale, beim Herrn Vize­prä­sidenten Magnus Brunner, beim Herrn Vizepräsidenten Hubert Koller, aber auch bei den Fraktionsvorsitzenden Andrea Eder-Gitschthaler, Korinna Schumann und Monika Mühlwerth. – Danke für die Zusammenarbeit und die gute Vorbereitung der Sitzungen hier im Hohen Haus.

Ich danke schließlich allen Kolleginnen und Kollegen: Bisher war es mir erspart geblie­ben, Ordnungsrufe von dieser Stelle aus zu verteilen, und ich wünsche mir, dass das natürlich auch in der heutigen Sitzung so bleiben möge.

Vielen Dank meinem Vorgänger Ingo Appé für den reibungslosen Übergang in der Präsidentschaft. Meinem Nachfolger Robert Seeber wünsche ich viel Erfolg für die Präsidentschaft des Bundeslandes Oberösterreich. Ich freue mich auch, dass du das Thema des Masterplanes unter dem Schwerpunkt Wirtschaft weiterführst und damit einen weiteren Meilenstein für unsere ländlichen Regionen setzt. Ich weiß, dass du topmotiviert bist, dass du gut vorbereitet bist, daher alles Gute für deinen Vorsitz, lieber Robert. (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe vorhin gesagt, dass man von den MitarbeiterInnen des Parlaments gut ser­viciert wird – ich danke für den Hinweis –: Ich darf den ehemaligen Vizepräsidenten


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Hubert Koller hier im Plenum begrüßen und dir von dieser Stelle aus noch einmal herz­lich Danke sagen. (Allgemeiner Beifall für den auf der Galerie stehenden ehemaligen Vizepräsidenten Hubert Koller.)

Ich möchte auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der parlamentarischen Klubs sehr herzlich danken, besonders auch jenen im Klub der Volkspartei, unserer Isolde Thornton und allen anderen Kolleginnen und Kollegen.

Schließlich danke ich allen für die Unterstützung der Präsidentschaft Niederösterreichs. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam voller Elan und mit voller Kreativität auch dieses neue Jahr 2020 und die Herausforderungen, die vor uns liegen, meistern können. Ich habe mir erlaubt, Ihnen oder euch eine kleine Stärkung mitzugeben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist etwas, das ein bisschen an meine Wurzeln erinnert. Der Wiener Schokoladekönig ist ein junger Mann gewesen, als er in meiner Gemeinde Rohrbach aufgewachsen ist, er hat einen unbeschreiblichen Weg genommen und ist heute wirklich ein großartiger Unternehmer in Wien.

Alles Gute! Weihnachtswünsche gibt es am Ende der Sitzung. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

09.18.40Antrag gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR


Präsident Karl Bader: Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross, Claudia Hauschildt-Buschberger, Andreas Lackner und Marco Schreuder gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion vor.

Ich werde sogleich über diesen Antrag abstimmen lassen und bitte daher jene Bun­desrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag der Bundesräte Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross, Claudia Hauschildt-Buschberger, Andreas Lackner und Marco Schreuder, sich gemäß § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu einer Fraktion zusammenzuschließen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich gratuliere sehr herzlich der neu gegründeten Grünen Fraktion im Bundesrat. (Bun­desrätin Mühlwerth: ...müssen nicht übertreiben!)

09.19.40Aktuelle Stunde


Präsident Karl Bader: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gelangen nun zur Aktu­el­len Stunde mit dem Thema:

„Wirtschaftspolitische Zielsetzungen der neuen Europäischen Kommission – Erwartungen der österreichischen Bundesregierung“

Ich darf die Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag.a Eli­sabeth Udolf-Strobl noch einmal sehr herzlich willkommen heißen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, deren Dauer ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung der BundesrätInnen ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Rede-


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zeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, deren Dauer nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Korinna Schumann– Bei mir steht das so im Croquis, aber das ist falsch, sie kommt als Zweite dran. (Bundesrat Buchmann: Ladies first!) Gut, „Ladies first“, sagt der wiedergewählte Kollege aus der Steiermark; daher darf ich dich, Korinna, ans Rednerpult bitten.


9.21.14

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, vor allen Dingen liebe Schülerinnen und Schüler! Lassen Sie mich zual­lererst in der letzten Bundesratssitzung 2019 im Namen der sozialdemokratischen Fraktion im Bundesrat allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments und der Klubs ganz herzlich für ihre Arbeit danken. Ohne sie wäre unsere Arbeit im Parlament nicht so gut und nicht so gut möglich. – Vielen, vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf nun zum Thema der Aktuellen Stunde kommen und meinem Erstaunen über die Themenwahl der Aktuellen Stunde ein bissl Ausdruck verleihen, denn wir wissen ja, dass derzeit eigentlich noch keine definierten wirtschaftspolitischen Ziele und Strate­gien der neuen Kommission vorliegen. Bisher wurde nur der Green New Deal in Reden von der Leyens vorgestellt, aber es gibt noch keine konkreten Vorschläge für seine Ausgestaltung. Als oberstes Ziel der EU-Kommission ist die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen bis 2050 festgelegt. Alle EU-Staaten sollen bis 2050 klimaneutral werden. Dazu sind jährliche Zusatzinvestitionen von 260 Milliarden Euro notwendig.

Etappenziele wie zum Beispiel die Erarbeitung aktualisierter Klimapläne der Mitglied­staaten bis 2023 wurden genannt. Umgesetzt werden soll auch – das ist wirklich ganz wichtig, das ist eine Kernforderung der europäischen Gewerkschaften – der Just Tran­sition Fund, ein Unterstützungsprogramm für besonders vom Klimawandel betroffene Länder für die Abschaffung fossiler Brennstoffe. Das sind in erster Linie osteuropäische Länder; dieser Fonds ist mit 100 Milliarden Euro dotiert.

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist der Klimaschutz ein ganz wesentliches und prioritäres Anliegen, aber wirkungsvolle Klimapolitik muss soziale Fragen beachten und ein gutes Leben für alle – für die Menschen in Europa und für die Menschen in Österreich – ermöglichen. Es muss klar sein, dass die Auswirkungen der geplanten Veränderungen besonders für die Beschäftigten in den einzelnen Sektoren nicht untersucht sind. Es fehlen Beschreibungen der Maßnahmen, die getroffen wer­den müssen, um den negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten entgegenzu­wir­ken.

Da geht es um das Recht und die Möglichkeit zur Qualifizierung für neue Technologien bei Arbeitsverlust, die massive Bereitstellung von Arbeitsstiftungen, einen Zukunfts­fonds für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um eine Abfederung von regionalen Beschäftigungseinbrüchen zu ermöglichen. Es ist davon auszugehen, dass manche Branchen besonders betroffen sein werden. Zur Stärkung und Weiterentwicklung des Industriestandorts Österreich fordern wir im Rahmen der geplanten Dekarbonisierung Maßnahmen, die die betroffenen Branchen bei diesem Umbau hin zu neuen, klima­freundlichen Produktionen und Produkten begleiten, und das natürlich unter Einbin­dung der Betriebsräte und Betriebsrätinnen.

Grundsätzlich wäre es notwendig und sinnvoll, diesen Wandel, der ein großer und nicht einfacher ist, im Interesse aller sozialpartnerschaftlich zu gestalten. Wir wollen, dass in dem Veränderungsprozess niemand zurückgelassen wird. Ein gutes Leben für alle, das ist unser Ziel. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern ein Klima-


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schutzinvestitionspaket in der Höhe von zusätzlich 1 Milliarde Euro pro Jahr für die nächsten zehn Jahre. Gute Arbeit und gute Lebensbedingungen sind unser Ziel, neue Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, und das bedarf wesentlicher Investitionen.

Leistbare Energie ist auch ein ganz wichtiger Punkt, denn Klimaschutz muss auch in seinen sozialen Auswirkungen betrachtet werden. Wenn sich ein Pensionist das Heizen nicht mehr leisten kann, dann sind wir auf dem falschen Weg, und wenn die Allein­erzieherin keinen anderen Ausweg sieht, als den Kindern in der Wohnung Winter­jacken anzuziehen (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das passiert in Wien jetzt schon!), weil sie es sich nicht leisten kann, die Wohnung ausreichend zu wärmen, dann gilt es, dringend zu handeln. Heizen darf nicht noch teurer werden.

Wenn man jeden Euro zweimal umdrehen muss, wie soll man dann daran denken, seine alten Elektrogeräte gegen neue, energiesparende umzutauschen, oder gar darüber nachdenken, seine Heizung zu erneuern? – Die Lebenssituationen der Men­schen müssen gesehen werden, und da gilt es, zu unterstützen. Die notwendige ther­mische Sanierung von Gebäuden und der Ausstieg aus fossilen Heizsystemen müssen von der öffentlichen Hand ganz wesentlich mitgetragen werden. Wir wollen keine Zwei­klassenenergiegesellschaft.

Es wird auch keine Lösung der Klimakrise ohne eine tief greifende Veränderung der Verkehrssysteme geben. Die Stärkung und der intensive Ausbau des öffentlichen Verkehrs sind besonders im ländlichen Raum, den wir fördern wollen, vorrangig. Wenn in einer Gegend ein Bus nur zweimal am Tag und in den Ferien gar nicht fährt, dann bleibt den Menschen nichts anderes übrig, als auf das Auto auszuweichen. Wie sollen sie denn sonst zur Arbeit, zum Einkaufen kommen?

Letzte Woche, und das ist sehr positiv zu sehen, wurde der neue Schienenfahrplan für die Ostregion für die kommenden 15 Jahre präsentiert. Er kann sich sehen lassen. Besonders hervorzuheben ist aber unsere Bundeshauptstadt Wien mit ihrem öffent­lichen Verkehrsangebot. 966 Millionen Fahrgäste nützen jährlich das Angebot der Wie­ner Linien. Wien verfügt über eines der effizientesten und am besten vernetzten Ver­kehrs­systeme der Welt, und das zu einem sehr günstigen Preis. Doch auch da gibt es keinen Stillstand, der Ausbau des öffentlichen Netzes in Wien geht zügig weiter.

Am 28.11., wenige Tage vor Beginn des UNO-Gipfels, erklärte das EU-Parlament den Klimanotstand für die Union. Es war schon sehr erschreckend, dass bis auf Othmar Karas alle EU-Parlamentarier der ÖVP gegen diese wichtige Resolution gestimmt haben. Das ist nicht wirklich nachvollziehbar. Der Klimaschutz für die wirtschaftliche Entwicklung ist aber bei Weitem nicht die einzige Herausforderung. Wir wollen keine Politik für Lobbyisten und Konzerne. Es gilt, Internetkonzerne in ihrer steigenden Marktmacht und Marktkonzentration zu zähmen, auch und ganz besonders im Inter­esse der heimischen und regionalen Wirtschaft. Steueroasen für Konzerne müssen endlich geschlossen werden, Konzerne müssen dort Steuern zahlen, wo sie ihre Gewinne machen. Dass jeder Würstelstand mehr Steuern als ein Großkonzern zahlt, ist unerträglich und kein Zustand.

Die Auswirkungen der Digitalisierung müssen beachtet und die digitalen Entwicklungen gestaltet werden. Der digitale Wandel findet unaufhaltsam statt, wir sind mittendrin. Es gilt, ihn auf der einen Seite nicht realitätsfern grundsätzlich zu verteufeln, aber es sei auf der anderen Seite auch vor all jenen gewarnt, die in dieser Entwicklung einzig und allein eine große Chance sehen. Das nehmen die Menschen nicht so wahr und es entspricht auch nicht der Realität.

Roboterisierung der Produktion, das Verschwinden von Berufen, voranschreitende Computerisierung in allen Bereichen, oft auf Kosten von Arbeitsplätzen: Die Digita­lisie­rung muss in einem klugen Zusammenspiel verschiedenster Elemente gestaltet wer-


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den. Es ist höchste Zeit, dagegen anzukämpfen, dass die ArbeitnehmerInnenrechte in der digitalen Arbeitswelt unter die Räder kommen. Die letzte Regierung hat keine Schritte gesetzt, um die ArbeitnehmerInnen da zu schützen oder ihr Leben zu erleichtern. Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind die Anliegen der Beschäftigten wichtig. Wir werden sicher niemanden zurücklassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiteres Thema ist natürlich auch die Frage des Wirtschaftswachstums. Die Oesterreichische Nationalbank hat letzten Freitag ein deutlich schwächeres Wachstum für die heimische Wirtschaft vorausgesagt. Für 2020 rechnet die Notenbank mit einem Wachstum von nur noch 1,1 Prozent – das sind um 0,5 Prozentpunkte weniger als noch bei der Prognose von vor einem Jahr. Es braucht mehr Spielraum, auch für kurzfristige Investitionen auf europäischer Ebene, um dem Konjunkturabschwung ent­gegenzuwirken. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt hat Investitionen der öffent­lichen Hand drastisch beschnitten. Gerade die öffentlichen Investitionen in Schulen, in Infrastruktur, auch in digitale Infrastruktur sind jedoch mehr als notwendig, auch für die künftigen Generationen.

Es gibt noch viele Herausforderungen: die Frage der Pflege in einer älter werdenden Gesellschaft, eines würdigen Älterwerdens, eines gut betreuten Älterwerdens; die Frage des Genderpaygaps von fast 20 Prozent; auch die Frauen in ihren Anliegen wollen wir auf keinen Fall zurücklassen. Gerade angesichts all der Entwicklungen und Veränderungen warnen wir eindringlich davor, den Sozialstaat zurückzudrängen oder zu beschädigen. Der Sozialstaat ist das Vermögen und die Absicherung jener Men­schen, die nicht so viel im Geldbörsel haben. Unser Ziel ist es, die Systeme der sozia­len Sicherheit zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Wir lassen niemanden zurück. Uns sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig, und wir werden uns immer für sie einsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zuletzt ist es mir aber noch wichtig, mich beim scheidenden Präsidenten ganz herzlich für die Zusammenarbeit zu bedanken. Dem neuen Präsidenten wünschen wir alles Gute. Stellen wir das Gemeinsame vor das Trennende! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.31


Präsident Karl Bader: Vielen herzlichen Dank.

Ich erteile als Nächstem Bundesrat Mag. Christian Buchmann das Wort. – Bitte.


9.32.11

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren – jene hier im Hohen Haus und jene, die via Livestream dabei sind! Lieber Herr Präsident Karl Bader, auch ich möchte, bevor ich zum Thema spreche, die Gelegenheit nutzen, dir ganz persönlich, aber auch im Namen des ÖVP-Klubs herzlich Danke für deine Präsidentschaft zu sagen. Du hast es großartig gemacht. Du hast den österreichischen Bundesrat national und international repräsentiert und gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen eigene Initiativen gesetzt. Dafür gebührt dir ein großer Dank und auch ein Applaus. – Herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen uns heute mit den wirtschaftspolitischen Zielen der Europäischen Kommission und auch mit einer ersten Bewertung durch die Frau Bundesministerin und die österreichische Bundesregierung auseinander. Ich meine, dass der Zeitpunkt für diese Aktuelle Stunde gut gewählt ist, weil sich viele Unternehmungen im Lande – die ganz großen, die Industrie mit einer gewissen Vorlaufzeit, aber auch die mittelständische Wirtschaft und die vielen Einpersonen­unter­nehmen – gerade zum Jahreswechsel Gedanken über die Zukunft und darüber machen,


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wie das Jahr 2020 wird, wie gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Wirtschaft die Aktivitäten gestaltet werden können, damit wirtschaftliche Prospe­rität Einzug halten kann, damit wirtschaftliches Wachstum stattfinden kann, damit Arbeitsplätze abgesichert werden können.

Bei allen Prognosen im ablaufenden Jahr, die beispielsweise auch für mein Heimat­bundesland, die Steiermark, als Wachstumssieger sehr positiv waren, aber was den Blick auf 2020 betrifft durchaus auch so manche Wolke am Horizont ausweisen, stellt sich die Frage, wie entsprechende Maßnahmen gesetzt werden können. Dazu ist es notwendig, auch den nationalen und den internationalen Kontext zu sehen, und es ist schön, mit der Frau Bundesministerin darüber reden zu können.

Wenn man über den Kontext spricht, dann geht es darum, dass wir vonseiten der Politik – die Europäische Kommission, die nationalen Regierungen, aber auch die Landesregierungen in Österreich – hinsichtlich der Ausgangslage den Blick nicht nur auf unser Land, sondern auch auf die restliche Welt richten müssen. Da ist, was die Rahmenbedingungen betrifft, schon sehr darauf zu achten, dass die Rechtsstaat­lichkeit und die Bürgerrechte – Letztere hat Kollegin Schumann angesprochen – Be­rücksichtigung finden, dass die soziale Marktwirtschaft, wie wir sie auch in meiner Gesinnungsgemeinschaft verstehen, als ökosoziale Marktwirtschaft weiterentwickelt wird, dass der faire Wettbewerb nach wie vor ein wichtiges Thema ist, der jedoch durch manche Einflüsse außerhalb Europas stark bedroht ist, dass ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ein Gebot der Stunde ist.

Selbstverständlich, und das hängt eng mit dem Thema Arbeit zusammen, ist auch der soziale Friede ein wichtiges Thema. Alle Krisen dieser Welt beginnen damit, hat der steirische Landeshauptmann jüngst bei seiner Rede im Steiermärkischen Landtag anlässlich dessen Neukonstituierung gesagt, dass es zu Massenarbeitslosigkeit kommt. Eine solche ist zu vermeiden. Alles hat mit Arbeit zu tun, und für die Arbeit können wir Rahmenbedingungen schaffen, wir müssen aber immer im Blick behalten, dass unsere Industrie, unsere mittelständische Wirtschaft und selbstverständlich die vielen, die ihr Erwerbsleben selbst in die Hand nehmen, gute Rahmenbedingungen haben.

Was sind jetzt die Herausforderungen angesichts des Jahreswechsels und einer neuen Europäischen Kommission, eines neuen Europäischen Parlaments und der politischen Situation, wie wir sie in Österreich vorfinden? Ein Thema ist selbstverständlich der Transformationsprozess, der mit dem Klimawandel zusammenhängt. Von meiner Vorrednerin sind der Just Transition Fund und die Frage, wie dieser zur Anwendung kommen kann, welche Möglichkeiten es da gibt, angesprochen worden. Es geht um einen verschärften internationalen Standortwettbewerb. Vergessen wir nicht, dass es auf der Welt große Einflussbereiche gibt, von China über die Vereinigten Staaten von Amerika bis hin zu Großbritannien, das in wenigen Wochen die EU verlassen wird! Ich glaube, zur Stunde findet in London die Queen’s Speech statt, in der die Queen die Regierungserklärung der Regierung Johnson vortragen wird. Der Austritt Großbritan­niens aus der Europäischen Union mit Ende Jänner kommenden Jahres soll forciert werden, und die Übergangsfrist soll dann sehr ambitioniert mit elf Monaten – bis Ende 2020 – festgelegt werden. Großbritannien wird dann auch ein wesentlicher Mitbewerber auf nationalen und internationalen Märkten sein.

Wir haben gestern im Europaausschuss des österreichischen Bundesrates die Mög­lichkeit gehabt, uns mit dem Botschafter des Vereinigten Königreiches Robert Leigh Turner auszutauschen, um ihm auch zu sagen, dass es nicht nur seitens Österreichs, sondern auch seitens Europas große Erwartungen gibt und dass ein Freihandels­abkommen alleine nicht die Lösung sein kann, sondern dass wir schon sehr stark auf die Rechtsstaatlichkeit, auf die europäischen Werte und insbesondere auf die Bürger-


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rechte einen Blick werfen und dass es uns ganz besonders wichtig ist, diesbezüglich zu einem fairen Abkommen zu kommen.

Nachhaltige Wirtschaft ist im Hinblick auf den Klimawandel ein wesentliches Thema, und die Zukunft der EU insgesamt und die Entscheidungen, die österreichische Unter­nehmungen in diesem Zusammenhang treffen, spielen natürlich auch auf ganz spe­zielle Märkte hin. Wir haben hier wiederholt diskutiert, dass ein Land die EU verlässt, dass es aber sechs weitere – in Südosteuropa, am Balkan – gibt, die gerne näher an die Europäische Union heranrücken möchten. Wir haben sehr oft darüber diskutiert, wie schwierig das Verhältnis der Europäischen Union zur Türkei ist. Wir haben uns auch wiederholt damit auseinandergesetzt, dass Russland ein nicht unwesentlicher Partner für uns sein könnte, wenn es wieder auf eine Spielwiese zurückkäme, auf der Menschenrechte gesehen werden und nationale Vereinbarungen entsprechend einge­halten werden können.

Die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und die österreichische Bundesregierung stehen also vor großen Herausforderungen. Das tun aber auch die österreichischen Unternehmungen. Daher ist es entscheidend, zu wissen, wohin Europa sich wendet und wie die österreichische Bundesregierung sich verhält. Ursula von der Leyen hat als neue Kommissionspräsidentin sechs politische Leitlinien formuliert, nämlich: „Ein europäischer Grüner Deal“, „Eine Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen aufgeht“, „Ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist“, „Schützen, was Europa ausmacht“, „Ein stärkeres Europa in der Welt“ und „Neuer Schwung für die Demokratie in Europa“. Das sind ambitionierte Leitlinien. Wie diese dann mit konkreten legislativen und nicht legislativen Maßnahmen umgesetzt werden, wird sich weisen.

Das weiß möglicherweise die Frau Bundesminister, wir wissen es noch nicht, weil die Kommission erst am 29. Dezember ihre diesbezüglichen Vorhaben kundtun wird. Wir werden sehr genau beobachten – auch als österreichischer Bundesrat –, wie davon unsere Unternehmungen und die Menschen in den Unternehmungen betroffen sind.

Was erwartet sich ein österreichisches Unternehmen von der Europäischen Kom­mis­sion und von der österreichischen Bundesregierung? – Es erwartet sich verlässliche, belastbare Rahmenbedingungen. Es erwartet sich einen fairen Wettbewerb im EU-Binnenmarkt, aber darüber hinaus auch in der Welt. Es erwartet sich selbst­ver­ständ­lich, ein Klassiker, den Abbau von Bürokratie – wie es im Englischen heißt: the cutting of red tape – und es erwartet sich sehr zielgerichtete Anreizmodelle, um Investitionen, die auch angesprochen worden sind, und zwar nicht nur öffentliche Investitionen, sondern auch private Investitionen, in die Zukunft zu setzen.

Dafür ist aus meiner Sicht – wir haben das gestern auch kurz im EU-Ausschuss bei der Diskussion um den Grünen Deal angesprochen – eine gewisse Technologieneutralität wichtig und erforderlich. Die Politik soll also die Rahmenbedingungen und die Ziele vorgeben, aber unsere universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollen dann gemeinsam mit der Forschung und Entwicklung in den Betrieben und den Innovationsabteilungen in den Betrieben eine bestmögliche Zielerreichung anstreben.

Dazu ist es auch notwendig, dass Europa entsprechende Förderungsprogramme auf­stellt, Förderungsprogramme für die Industrie, sodass nicht nur in Überschriften über die Reindustrialisierung gesprochen wird, sondern es tatsächlich ein Modell dafür gibt, wie die technologische Führerschaft von länderübergreifenden Wertschöpfungsketten in Europa ausgebaut werden kann oder diese zu einer neuen Führerschaft gebracht werden können. Das ist insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsplätze ganz wichtig.

Zum Zweiten: Für die KMUs ist der Binnenmarkt natürlich ein wesentliches Thema. Sie wissen, dass wir eine Exportnation sind. Sie wissen, dass jeder zweite Arbeitsplatz in


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Europa unmittelbar Auswirkungen auf die österreichischen Betriebe hat, und daher müssen wir exportintensiv bleiben, der Heimmarkt Österreich ist dafür zu klein. Dafür ist es notwendig, dass die Implementierung dieses EU-Binnenmarkts voranschreitet, aber mit fairen Rahmenbedingungen – eine bessere Rechtsetzung, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sind da entsprechend Thema.

Schließlich drittens die Handelspolitik: Wenn unsere Unternehmungen sehr stark im Export verankert sind, dann hat das natürlich Auswirkungen, wenn es Länder wie bei­spielsweise die Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch China gibt, in denen von der Multilateralität abgegangen werden soll und nur mehr bilaterale Gespräche und Verträge aufgebaut werden sollen, womit eine gewisse Marktmacht zum Durchbruch kommen soll. Ich glaube, da müssen wir sehr sensibel sein und darauf schauen.

Ich weiß, dass das Bundesministerium sehr daran interessiert ist, auch die WTO weiterzuentwickeln. Diese ist für uns eine wesentliche Institution. Das wird aktuell von den Vereinigten Staaten etwas differenzierter gesehen, sie ist aber für uns nicht ganz unwesentlich.

Selbstverständlich ist auch das Verhältnis zu Großbritannien nach dem Prozess der Scheidung, der Divergenz, wie es Michel Barnier als EU-Chefverhandler genannt hat, neu zu gestalten, hin zu einer Konvergenz, neben der Regelung wie - -


Präsident Karl Bader: Ich bitte um das Schlusswort!


Bundesrat Mag. Christian Buchmann (fortsetzend): Jawohl, Herr Präsident! – Wie es Michel Barnier gesagt hat, ist neben der Divergenz auch die Konvergenz zu gestalten, um zu einer gemeinsamen Arbeit zu kommen.

Es wird uns die Arbeit nicht ausgehen. Es sind spannende Themenbereiche, die unmit­telbare Auswirkungen auf die österreichischen Unternehmungen haben und insbeson­dere auf die Menschen, die in diesen Unternehmungen arbeiten. – Danke vielmals für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie der Bun­desrätInnen Schumann und Schreuder.)

9.44


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Rein­hard Pisec. Ich erteile es ihm.


9.44.25

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wirtschaftspolitik ist ein sehr umfassendes Thema, sie besteht in erster Linie aus den Instrumentarien Fis­kalpolitik, Geldpolitik, Handelspolitik und natürlich auch Klimapolitik. Was interessant ist: Die EU wird kleiner. Mit diesem Thema möchte ich beginnen.

„Get Brexit Done“: Was für ein Wahlspruch, den Boris Johnson durch den Äther schickte, in Umlauf brachte! Er hat einen epochalen Wahlsieg eingefahren, der all jene Lügen straft, die die Faktizitäten in Britannien nicht wahrhaben wollten. Das war näm­lich nichts mehr oder weniger als eine zweite Volksabstimmung: Wir britischen Bürger wollen raus aus der EU!

Das muss die EU und das muss auch die neue Kommission von von der Leyen endlich zur Kenntnis nehmen, die sich da auch ein bisschen in Selbstreflexion üben muss, was die EU eigentlich ausmachen sollte, was eigentlich die Römischen Verträge von 1957 beinhalteten – nämlich: es war eine Wirtschaftsgemeinschaft – und auf welchen Grund­lagen diese EU eigentlich auch 2019/2020 fußen sollte.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 19

Mit Britannien, mit London wird ein neues Zentrum neben Brüssel entstehen – das Vereinigte Königreich ist die fünftgrößte Volkswirtschaft –, und das wird auch für die österreichische Wirtschaftspolitik spannend, dass man neben Brüssel auch mit London Gespräche aufnehmen sollte.

Nun zur wirtschaftspolitischen Zielsetzung: Wichtig ist es für uns von der FPÖ und von der freiheitlichen Wirtschaft und Industrie, die richtigen Zielsetzungen zu finden und präliminär zuerst das Wirtschaftswachstum, die Steigerung des Bruttoinlands­pro­duk­tes, in den Fokus zu nehmen, weil vor allem das den Wohlstand der Nationen und den Wohlstand der österreichischen Bürger und Bürgerinnen beeinflusst beziehungsweise schafft, und für uns stehen immer die Interessen und der Nutzen der österreichischen Bürger im Vordergrund – das ist auch ein wesentlicher Grund.

Die Priorität dieser wirtschaftspolitischen Instrumente ist einmal ganz eindeutig die Fiskalpolitik, und das ist die Steuerpolitik. Es gibt einen ganz klaren OECD-Bericht, eine Bewertung darüber, dass Unternehmensbesteuerung an erster Stelle und Lohn- und Einkommensteuer an zweiter Stelle die drei schädlichsten und wachstums­hem­mendsten Instrumente einer Wirtschaftspolitik für eine nationale Wirtschaft sind. Daher müssen wir alle in Österreich in erster Linie endlich von der Steuerlast, von dieser enormen Belastung, befreit werden. Wir, wir Unternehmer und unsere Mitarbeiter, haben genug von dieser Abzockerei, die seit Jahren und Jahrzehnten in Österreich zulasten der österreichischen Bürger stattfindet. (Beifall bei der FPÖ.)

Die ehemalige Bundesregierung war schon auf dem richtigen Weg. Steuer­erleich­terun­gen hatten wir eingeführt, einen Familienbonus hatten wir eingeführt, die Forschungs­prämie hatten wir eingeführt. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Es hätten noch weitere Steuererleichterungen kommen sollen, aber leider, leider ist diese Regie­rung auseinandergebrochen.

Wir wollen auch keine Erbschafts-, keine Schenkungs- und keine Vermögenssteuer. Wir wollen auch – das ist nun ein EU-Thema – eine einheitliche Bemessungs­grund­lage. Aufgrund der Bemessungsgrundlage werden die Steuersätze erst berechnet. Österreich leidet nicht nur an viel zu hohen Steuersätzen, die ja unter den höchsten der Europäischen Union sind, sondern wir haben auch – das wissen die wenigsten – eine doppelt so hohe Bemessungsgrundlage als Deutschland. Unsere Steuersätze werden auch in absoluten Zahlen doppelt so hoch ausgewiesen, als eigentlich notwendig sein müsste. Es sollte ein EU-Ziel sein, die Bemessungsgrundlage festzulegen. Wir öster­reichische Bürger müssen mit jener Partei und jenen Institutionen Allianzen schließen, die uns vor dieser Abzockerei in Österreich bewahren und vor allem von ihr befreien. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Grimling.)

Meine Achtung gilt vor allem auch Finanzminister Müller, den ich mir sehr in der neuen Regierung wünsche – Ihre Amtszeit neigt sich ja dem Ende zu (in Richtung Bun­desministerin Udolf-Strobl) –, der wirklich den Mut und vor allem das Wissen aufge­bracht hat, dieser Finanztransaktionssteuer Ade zu sagen, weil er richtig erkannt hat, dass dies wirklich eine wachstumshemmende Steuer wäre. Es ist allerdings schade, dass man so viel Dynamik aufbringen muss, um eine Steuer abzuwehren, und sich nicht mit positiven wirtschaftspolitischen Erkenntnissen auseinandersetzen kann.

Welche Verwerfungen gibt es über die EU? – Verwerfungen sind feststellbar, das ist ein Teil der Geldpolitik. Gewaltige Kollateralschäden gibt es am Immobilienmarkt. Die Preiserhöhungen für Land, Grund und Boden, Wohnungen und Häuser haben sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Viele, viele Österreicher können sich kein Eigentum mehr leisten – auch die Mietpreise werden in nächster Zeit ansteigen –, es sind nur irgendwelche asiatischen Milliardäre, für die wir offensichtlich Wohnungen bauen; das als eines der ganz vorderen negativen Beispiele. Wir wollen auch keine Staatsver-


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schuldung, wir wollen Politik nämlich nicht auf Kosten unseres Nachwuchses machen – nein zu weiteren Verschuldungen! Zur Handelspolitik: Handelspolitik ist in erster Linie Wettbewerbspolitik. Der Wettbewerb muss stattfinden, denn der Wettbewerb garantiert Gleichheit und Freiheit für alle.

Noch ein Thema betreffend die Europäische Union: Das europäische Einheitspatent wäre ganz wichtig, damit die Kosten für Erfindungen für den Erfinder, für das innovative Unternehmen reduziert werden und Erfindungen in allen Ländern einheitlich und kostenreduzierend angemeldet werden können. Es war ein wirklich guter Schritt unseres ehemaligen Infrastrukturministers Hofer, der dies erkannt hat und mit China ein bilaterales Patentabkommen geschlossen hat, mit dem Inhalt, dass österreichische Erfindungen auch in China angemeldet werden können, aber nicht mit einer fünfjäh­rigen Wartezeit, wie es bisher der Fall war, sondern mit einer kürzeren Wartezeit, die den österreichischen Patentbedingungen entspricht. Das war sicher ein sehr weiser und guter Schritt, weil die technologische Transformation und die technologische Inno­vation die Zukunft sind. Das sind auch die Chancen, die wir hier in Österreich haben und nützen sollten.

China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und ein gigantischer Markt. Beim Dualismus zwischen den USA und China geht es nicht um den Güteraustausch, da die (englisch aussprechend) Globalisation im Güterbereich nicht mehr so stattfindet; es findet ein Austausch von Datentransformation und Dienstleistungen statt. Dieser Kon­flikt zwischen den USA und China ist in erster Linie ein Konflikt über Urheberrechte, über immaterielle Güter, weil die USA es – zu Recht – nicht mehr haben wollen, dass ihre technologischen Erfindungen von China einfach in Form eines illegalen Tech­nologietransfers kopiert werden. Da sind die USA sicherlich Vorreiter gewesen, dass Österreich 2018 da nachgehakt hat, war eine gute Sache.

Preisabsprachen: Umso mehr die EU zusammenrückt – das zeigt sich ganz besonders bei den grenzüberschreitenden Staatsbahnen –, desto mehr Preisabsprachen im Güter­­transport finden statt. Das geschieht zulasten der Wirtschaft (Bundesrat Schennach: Wer macht die Preisabsprachen?), daher ist es wichtig, die private Vielfältigkeit zu bewahren und zu unterstützen und länderübergreifend dafür zu sorgen, dass diese Kartellbildungen, diese Preisabsprachen nicht stattfinden können.

Die Klimapolitik – und jetzt wird es interessant – ist für mich irgendwie ein Marketing­instrument. Von der Leyen möchte 1 Billion Euro haben: Wie soll sie die bekommen, außer über Steuererhöhungen? Und in Brüssel wird allen Ernstes diskutiert, ob Atom­energie nicht als grüne Energie zählen soll. Das ist ja eine Quadratur des Kreises, und dazu sagen wir von der FPÖ ganz klar: Atomenergie, nein danke! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Es ist auch viel besser, den Blick nicht in die Wolken und über die Wolken zu richten, nicht auf das, was sich in 10 Kilometern Höhe abspielt, sondern auf den Boden, auf unsere Erde und auf die Luft, die wir einatmen; darum geht es. Betreffend die Klima­politik wäre die richtigere Begrifflichkeit Umweltpolitik oder Umweltschutz. Ein positives Beispiel dazu ist Äthiopien: Dort wurden vor wenigen Monaten vier Milliarden Bäume gepflanzt, weil die Menschen dort genau wissen, dass sie eine gesündere Luft zum Atmen brauchen. Ein negatives Beispiel ist Ghana, wo jeden Tag 120 Lkw-Ladungen Müll ins Meer gekippt werden – das ist Müllentsorgung à la Ghana. Es wäre auch interessant, dass von der Leyen sich in ein Flugzeug begibt, dorthin fliegt und sagt, wie Müllentsorgung stattfinden soll. Das hat mit Klimapolitik nichts zu tun, das ist Umwelt­politik.

Ein weiteres negatives Beispiel ist Wien. (Bundesrat Schennach: Aber geh!) Seit die Grünen in Wien mitregieren, gibt es ein Drittel weniger Grünflächen, eine Verbauung


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der Parkräume hat stattgefunden, es wurden ein Drittel mehr Ziegelbauten abgerissen und ein Drittel mehr Neubauten mit Glasfassaden errichtet. (Bundesrat Schennach: Das war schon vor 30 Jahren so!) Das wird euch noch leidtun, diese Architektur in Wien wird euch allen noch auf den Kopf fallen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Das hängt schon mit Immobilien zusam­men! – Bundesrat Schennach: Das ist sehr selektive Wahrnehmung!) – Arbeitsbedin­gungen mit 40 Grad in Büroräumlichkeiten sind es nicht!

Wie schaffen Sie gute Arbeitsbedingungen? – Energiefressende Klimaanlagen einzu­bauen ist Ihre Alternative. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schreuder.) Es wurden Spiegelungs- und Aufheizungseffekte durch Sonneneinstrahlung festge­stellt, in der Wiener Innenstadt ist es bereits um 3 bis 5 Grad wärmer als in den Rand­bezirken. Das alles sind Aufheizungseffekte dieser modernen, glasorientierten Archi­tektur. Über das Zusammenspiel zwischen der Immobilienmafia und der Wiener Stadt­verwaltung spreche ich jetzt nicht, das ist ein anderes Thema.

Zurück zum Klima: Es ist Umweltpolitik und die ist hausgemacht. Das ist ein öster­reichisches Thema, um das sich die nächste Bundesregierung aktiv kümmern sollte und müsste. (Ruf bei der SPÖ: Die letzte hat es eh nicht gemacht!) Wirtschaftspolitik muss immer zum Nutzen und zum Wohl des Bürgers sein. Die Umweltpolitik darf nicht über Steuererhöhungen und schon gar nicht über Marketingeffekte wie diese 1 Billion Euro, die im Raum steht, gelenkt werden.

Zum Brexit: Die EU wird kleiner und benötigt daher auch ein kleineres Budget: weniger Geld der österreichischen Steuerzahler nach Brüssel! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.55


Präsident Karl Bader: Danke sehr herzlich.

Ich freue mich über den vorweihnachtlichen Besuch unseres ehemaligen Vizepräsi­den­ten Ewald Lindinger und heiße ihn sehr herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ebenfalls herzlich willkommen heißen darf ich zwei Schülergruppen aus dem Bezirk Lilienfeld: eine der Neuen Mittelschule St. Veit an der Gölsen – sozusagen meine Schule – mit Frau Direktor Martina Klarer an der Spitze und eine der HLW Türnitz mit Bärbel Koupilek an der Spitze. – Herzlich willkommen im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. – Liebe Frau Bundesministerin, ich erteile Ihnen das Wort. Auch Ihre Redezeit sollte, wenn möglich, 10 Minuten nicht über­schrei­ten.


9.56.24

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Elisabeth Udolf-Strobl: Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Das Thema dieser Pressestunde - - Entschuldigen Sie, ich bin jetzt etwas verwirrt gewesen aufgrund des ganz freundlichen Winkens einer jungen Dame. Das hat mich ein bisschen abgelenkt. Ich bitte um Entschuldigung, ich werde mich jetzt besser konzentrieren.

Die neue Europäische Kommission hat, mit einer leichten Verzögerung, ihre Arbeit erst mit 1. Dezember begonnen. Deshalb wird auch das Arbeitsprogramm dieser neuen Europäischen Kommission erst mit Verspätung vorgestellt werden, und zwar – wie ich heute früh kurz vor Beginn dieser Aktuellen Stunde gehört habe – erst am 29. Jänner 2020. Das heißt, dass wir erst dann detailliert und mit Gewissheit beurteilen können,


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wie der künftige Weg und die notwendigen Transformationsprozesse in der Wirt­schafts-, Handels-, Industrie-, Wettbewerbs- und Binnenmarktpolitik vorgezeichnet werden sollen. Trotzdem halte ich es für sehr, sehr relevant, dass wir dieses Thema bereits be­sprechen, weil es schließlich und endlich auch darum geht, wie wir uns einbringen, wie sich Österreich in die Ausformung dieser Politiken einbringt.

Mir sind zwei besondere Ausdrücke, die ich aus Brüssel mitgenommen habe, in Erin­nerung geblieben: der eine ist Silodenken und der zweite Level Playing Field. Ich werde bei meinen thematischen Schwerpunkten noch darauf zu sprechen kommen, was das in diesem Zusammenhang bedeutet.

Einer der zu erwartenden Schwerpunkte wird jedenfalls die Stärkung der industriellen Basis der Europäischen Union sein. Unter industrieller Basis wird der Produktions­standort gesehen, das sind sowohl die größeren Industriebetriebe als auch die KMU-Sektoren. Die Industriestrategie, die wir für März 2020 erwarten, wird dringend ge­braucht, um den lang geforderten politischen Rahmen zu bilden, der über den bisher verfolgten Ansatz der reinen Organisation hinausgeht und eben alle Politikbereiche inhaltlich verknüpft. Da kommt der Begriff Silodenken herein: Es soll in der neuen Industriestrategie und in der Strategie der neuen EU-Kommission betreffend diese Thematiken kein Silodenken mehr geben. Das ist so wichtig, weil wir damit endlich einen Rahmen bilden und ein Mosaik bauen können, in dem die Steine, die bisher jeweils als Einzelthematik gesehen wurden, verknüpft werden und als Gesamtrahmen gesehen werden können.

Aus unserer Sicht benötigen wir als Europäische Union – und wir müssen uns hier wirklich selbst als Europäische Union erkennen und auch so definieren – klare Maß­nahmen zur Stärkung dieser industriellen Basis. Wir brauchen ein In-den-Fokus-Rücken der Rolle der europäischen Unternehmen und ganz besonders auch der KMU als Motor für Innovation und Erneuerung. Und wir brauchen diese industriellen Wertschöpfungsketten, die quer durch Europa gezogen werden können. Wir müssen über unseren eigenen Tellerrand hinausschauen.

Zu beachten gilt hierbei auch, dass die künftige europäische Industriepolitik besonders auf einen fairen Wettbewerb im globalen Kontext achtet. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere europäischen Player im globalen Wettbewerb Chancen haben und mit­spielen können. Auch diesbezüglich ist das Thema der Level Playing Fields so beson­ders wichtig. Wir müssen auf Augenhöhe sein können. Immerhin geht es um die Sicherung der wertvollen Arbeitsplätze in Europa, und die sind auch in der Qualität wertvoll.

Ebenso muss die Industriepolitik digital ausgerichtet werden. Sie muss die Möglich­kei­ten der digitalen Zeit, der digitalen Inhalte in eine qualitativ hochwertige Industriepolitik mit hineinnehmen.

Diese Industriestrategie, die die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zu erarbeiten haben wird, wird vor allem im Zusammenspiel mit dem European Green Deal besonders wichtig sein, und dabei ganz stark im Fokus ist der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft, die im Programm von der Leyens auch angesprochen wird. Es muss daher durch entsprechende Übergangsinstrumente – und da ist auch der Just Transition Fund gemeint – sichergestellt werden, dass unsere Unternehmen diesen Transformationsprozess meistern können, der alles andere als einfach sein wird. Er wird aber machbar sein und er wird auch machbar sein müssen.

Wenn wir den Schwerpunkt Binnenmarkt und KMU nehmen, dann wird das Arbeiten an einem funktionierenden, zeitgemäßen, effizienten, aber vor allem auch fairen Bin­nenmarkt die Ausrichtung für die nächste Kommission sein müssen. Auch in diesem Zusammenhang braucht es ein überarbeitetes Regelwerk, das sich schnell an geo-


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politische Dynamiken anpasst und unsere europäische Rolle im globalen Wettbewerb stärkt.

Vor allem in der Binnenmarktgesetzgebung erwarten wir einen stärkeren Fokus auf die vollständige, effiziente und ausführliche Umsetzung bestehender Rechtsakte und Vor­schriften, bevor wir in neue gesetzliche Initiativen hineingehen. Selbstverständlich hat dies unter Berücksichtigung der unternehmerischen Bedürfnisse, der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit und der besseren Rechtsetzung zu geschehen. Der Ankündigung eines Aktionsplans für die Durchsetzung von Binnenmarktrecht sehen wir daher mit großem Interesse entgegen und warten schon sehr gespannt darauf, was sich da im Detail darstellen wird.

Die KMU als Rückgrat unserer Wirtschaft zu sehen ist immer österreichische Wirt­schaftspolitik gewesen. Wir begrüßen daher auch die Ankündigung einer gemein­samen KMU-Strategie, die aber auch eine Überarbeitung, und zwar eine notwendige Überarbeitung des Small Business Act aus 2018 umfassen und Lösungen für die großen gegenwärtigen Herausforderungen für KMU vorsehen soll. Dazu gehört unter anderem der Abbau administrativer Belastungen, dazu gehört die Förderung digitaler Geschäftsmodelle sowie die Vereinfachung des Zugangs zu Finanzierung und zu neuen Märkten. Österreich wird sich hier besonders dafür einsetzen, dass es nicht nur bei Strategiepapieren bleibt, sondern dass die Maßnahmen dann auch umgesetzt werden, weil sie umgesetzt werden können. Die KMU sollen bei ihrer Arbeit nicht mit bürokratischen Maßnahmen belastet werden.

Zum Schwerpunkt Handelspolitik: Die EU muss sich den zahlreichen Herausfor­derun­gen in einem sich sehr schnell ändernden globalen Umfeld stellen. Dabei soll – und das sehen wir von österreichischer Seite auch als ganz besonders wichtig an – ein harmonisches Gleichgewicht zwischen Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, Standortpolitik und Umweltpolitik im Interesse der europäischen und natürlich besonders auch der österreichischen Bevölkerung gefunden werden.

Wir erwarten daher von der Europäischen Kommission langfristige, strategische Aus­richtungen mit konkreten Zielen und Maßnahmen. Durch das Setzen von Schwer­punkten sollen Wohlstand, ein verträgliches Wachstum, Arbeitsplätze und damit die soziale Sicherheit in Europa gestärkt und auch für die Zukunft gewährleistet werden.

In den Räten, die ich in Brüssel mitgemacht habe, war es immer auch ein Thema, eine europäische Werteorientierung zu definieren und sich an dieser zu orientieren. Diese Werteorientierung ist gerade auch für Österreich immer eine zentrale Frage, und zwar nicht nur in Bezug auf marktwirtschaftliche Prinzipien und freien Wettbewerb, eben mit Unterstützung und Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen, sondern auch bei der Bewusstmachung europäischer Standards in den Bereichen der Sozialpolitik, der Nachhaltigkeit, des Umweltschutzes und der Korruptionsbekämpfung, und zwar weltweit. Wir wollen diese Standards nicht nur nach innen gerichtet sehen, sondern wir wollen sie im globalen Umfeld in unsere Wirtschaftsbeziehungen mitnehmen.

Im Hinblick auf die derzeitigen protektionistischen Strömungen und die Abschottung der nationalen Märkte erwarten wir von der Kommission entschiedene Maßnahmen zur Eindämmung der entstandenen Handelskonflikte. Österreich bekennt sich auch weiter­hin zur Unterstützung des Multilateralismus und der Stärkung des regelbasierten Han­delssystems.

Ich hebe das deswegen so hervor, weil sich in der letzten Zeit auch in der Welt­han­delsorganisation, WTO, die seit 1995 in dieser Form besteht, Änderungen als notwen­dig erweisen. Die WTO muss organisatorisch und vor allem auch inhaltlich an die ge­änderten Rahmenbedingungen des globalen Handels angepasst werden – es geht


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dabei um Waren, es geht um Dienstleistungen, es geht um Investitionsbereiche –, damit einfach die vielen Reformthemen gemeistert werden können.

Die wichtigsten Bereiche, in denen dabei rasch Lösungen gefunden werden müssen, sind die Reduktion des Verbrauchs der natürlichen Ressourcen, die faire Organisation globaler Wertschöpfungsketten unter Teilhabe der wirtschaftlich weniger entwickelten Länder, die Anpassung an die Anforderungen einer digitalen Dienstleistungs­gesell­schaft sowie die Beseitigung ungerechtfertigter Diskriminierungen. Ich hebe das deswegen so hervor, weil ich vollkommen davon überzeugt bin, dass es ein funktionierendes inter­nationales Handelssystem, eine funktionierende internationale Welthandelsorgani­sa­tion braucht, damit wir auch von Europa aus unsere Intentionen, unsere Werte und unsere Zielsetzungen gut vertreten können.

Es ist mir bewusst, dass ich Ihnen heute hier noch kein detailliertes Programm der legislativen und nicht legislativen Vorhaben der Europäischen Kommission präsen­tie­ren und daher auch noch nicht im Detail darauf eingehen kann, weil sie einfach noch nicht vorliegen. Ich möchte aber mit der Betonung der Wertigkeit, die Österreich bei der Mitarbeit der Ausformung dieser Rahmenbedingungen hat, um Europa als wichtigen, gleichwertigen, großen Spieler im internationalen Konzert halten zu können, schließen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.09


Präsident Karl Bader: Ich danke der Frau Bundesministerin und darf eine weitere Schülergruppe im Bundesrat willkommen heißen, nämlich die Schülergruppe aus der HAK Mödling. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht überschreiten darf.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte sehr.


10.10.01

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie und via Livestream! Als Bewohnerin einer Grenzregion – ich wohne in Wals-Siezenheim – schätze ich das gute Miteinander von Drent und Herent, wie es bei uns so schön heißt, also konkret zwischen Bayern und Salzburg. Das hat bei uns auch eine lange Tradition: Wir betreiben miteinander Brauchtum, zum Beispiel jetzt im Winter das Aperschnalzen. Es wird auch eine intensive Heiratspolitik miteinander betrieben. (Ruf bei der SPÖ: Mehr wollen wir jetzt eigentlich gar nicht wissen! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) Wir haben auch einen großen wirtschaftlichen Austausch.

Meine Tochter, 2001 geboren, kannte weder Grenzkontrollen, Passkontrollen noch Staus, Blockabfertigungen – bis das Jahr 2015 kam. Da wurde uns schlagartig be­wusst, welche Errungenschaften wir uns in der EU miteinander aufgebaut haben, und diese gilt es weiter auszubauen und zu festigen. Ich bin daher sehr froh über das Thema dieser Aktuellen Stunde, denn die Europäische Union ist aus meiner Sicht eine der größten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Die Ziele Frieden, Freiheit und Wohlstand haben ja bis heute nichts an Gültigkeit verloren, und die Europäische Union ist damit mehr als ein Staatenbund.

Wir stehen aber heute in Europa – wir haben das schon von den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört – vor noch nie da gewesenen Herausforderungen, die wir wirklich nur gemeinsam lösen können: die Beziehungen der USA zum Rest der Welt; China, die größte Wirtschaftsmacht, mit der Expansion im Rahmen der Initiative Seidenstraße.


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Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen sind nicht abgeklungen, und auch die Migrationsursachen und Krisen werden weiterhin bestehen und werden zu weiteren Migrationsströmen führen – das werden wir nur gemeinsam lösen können.

Erstmals kommt es auch zum Austritt eines Mitgliedstaates aus der Union. Der Brexit und seine Auswirkungen werden uns sicherlich in der nächsten Zeit beschäftigen, wir haben auch gestern im EU-Ausschuss sehr intensiv darüber gesprochen. Für uns ist es wichtig, dass ein wirkliches Austrittsabkommen zustande gebracht wird; Herr Bot­schafter Turner ist ja diesbezüglich sehr zuversichtlich. Schauen wir, ob das auch wirk­lich so sein wird. Wir wollen eine längere Übergangsphase, nicht nur bis 31.12.2020, für unsere Wirtschaft. Gerade ich als Vertreterin eines westlichen Bundeslandes muss mich ganz intensiv für die Saisonkontingente ins Zeug legen, nur wenn wir einen ordentlichen Deal haben, werden diese abgedeckt.

Ich bin schon gespannt, was Premierminister Johnson heute in seiner Regierungs­er­klärung, die von der Queen verlesen werden wird, von sich geben wird, welche Über­raschungen kommen werden. Ich habe den Herrn Botschafter gestern gefragt, er konnte auch nicht sagen, was wir da heute erwarten können.

Es ist auch unsere Aufgabe – Kollegin Schumann hat das schon gesagt –, das Erfolgs­modell Europäischer Binnenmarkt in Sachen Digitalisierung voranzutreiben. Wir müssen die besten Rahmenbedingungen schaffen, um eine europäische digitale Wirt­schaft zu sichern. Nur so werden wir es schaffen, dass die Googles, Facebooks und Apples von morgen aus Europa kommen, und das muss unser Ziel sein.

Was mir auch ganz wichtig ist: Subsidiarität darf keine Worthülse sein. Sie muss im Alltag gelebt werden, wie wir es im Bundesrat ja ganz intensiv vorzeigen, denn die EU soll sich wirklich um die großen Probleme kümmern, nicht um die, die wir in den Ländern, Gemeinden und Städten schneller, günstiger und vor allem auch unbüro­kra­tischer lösen können. Unser EU-Ausschuss im Bundesrat nimmt da eine Vorreiterrolle ein – auch das hat uns der Botschafter gestern bestätigt –, wir sind eine der aktivsten Länderkammern in der EU.

Die neue Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat nun die Leitlinien – die Frau Ministerin hat schon gesagt, das Arbeitsprogramm wird es im Jänner geben – mit dem schon erwähnten Green Deal vorgestellt. Auch das haben wir gestern im EU-Ausschuss besprochen, und wir werden das auch weiterhin begleiten, damit wir sehen, wie die Umsetzungsmaßnahmen sind.

Ich komme zum Schluss: Die EU ist einer der größten und leistungsfähigsten Wirt­schaftsräume der Gegenwart. Um dieses europäische Wirtschafts- und Lebensmodell für die Zukunft zu bewahren, müssen wir Europa gerade in Zeiten großer Heraus­for­derungen verändern und besser machen. Wie keine andere Partei war die Öster­reichische Volkspartei in Bezug auf den Europäischen Wirtschaftsraum treibende Kraft – beim EU-Beitritt 1995, bei der Euroeinführung und bei der EU-Erweiterung. Auch in Zukunft wollen wir die Europäische Union aktiv mitgestalten und verbessern.

Meine Redezeit ist abgelaufen, aber erlauben Sie mir noch, als Fraktionsführerin dem scheidenden Präsidenten für die so engagierte Vorsitzführung im Bundesrat zu danken: Danke für deine weitreichenden Initiativen, für dein Engagement, für die sehr gute Zusammenarbeit, lieber Karl! Alles Gute! Du wirst ja dann wieder den Frak­tionsvorsitz übernehmen.

Ich bedanke mich auch sehr herzlich bei den Damen und Herren von der Parla­mentsdirektion für die gute Unterstützung von uns allen. Dem kommenden Präsi­denten, Robert Seeber, wünsche ich alles Gute. – Du weißt, deine Fraktion steht hinter


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dir, damit wir an den guten Weg unseres Präsidenten Bader auch in der Präsident­schaft Seeber anschließen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.16


Präsident Karl Bader: Vielen herzlichen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


10.16.10

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Sie haben völlig recht, wir können in Wirklichkeit nicht über wirtschaftspolitische Zielsetzungen und Erwartungen sprechen, da diese noch nicht vorliegen.

Etwas liegt aber immerhin vor, und die Kommission unter von der Leyen hat dabei gleich bei zwei US-Präsidenten Anleihe genommen, nämlich einerseits bei Franklin D. Roosevelt, der mit seinem New Deal gezeigt hat, wie man in der größten Not um­steuern kann. Er hat mit seinem New Deal zwischen 1933 und 1938 ein couragiertes Vorgehen angesichts der Weltwirtschaftskrise an den Tag gelegt. Er hat – wie soll man sagen? – die USA arbeitnehmer- und -nehmerinnenfreundlicher und sozial gerechter gemacht und gleichzeitig das Bankensystem reguliert. Von der Leyen hat bei der Präsentation aber noch einen zweiten US-Präsidenten als Referenz genommen, und das ist John F. Kennedy, der 1961, nachdem Gagarin in die Erdumlaufbahn gelangt ist, angeordnet hat: Wir wollen innerhalb von zehn Jahren den Mond betreten. – Er hat es nicht erlebt, aber im Juli 1969 war es dann immerhin so weit, und es erfolgte die erste Mondlandung.

Dieser Green New Deal hat nun von allem etwas. Es ist völlig klar, dass es aufseiten der Europäischen Union, im Speziellen angesichts der Dramatik der Klimakrise, der Dramatik, dass wir unser lebenswertes – noch lebenswertes – Europa für uns, für unsere Kinder und Kindeskinder erhalten wollen, einer gewaltigen Kraftanstrengung bedarf, so wie es Roosevelt und Kennedy vorgezeigt haben. Dazu muss aber Timmermans, der ja die Umsetzung durchführt, und von der Leyen eines klar sein: In Europa wohnen nahezu 70 Prozent der Menschen in Städten. Wenn dieser Green New Deal gelingen soll, dann muss er in Kooperation mit den Städten und mit den Ballungszentren erfolgen, denn die Städte leisten den öffentlichen Verkehr, die Städte leisten die Wärmedämmung der Häuser, die Städte können mit ganz großer Kraft vorangehen, und vor allem schaffen sie Jobs.

Dazu bedarf es aber etwas, was korrigiert werden muss: Das Investitionsprogramm der Städte muss aus der Blockade der Maastrichtkriterien rausgenommen werden, denn überall dort, wo Städte investieren wollen – zum Beispiel in den sozialen Wohnbau, in den öffentlichen Verkehr, in kommunale Einrichtungen –, kommen sie mit den Maastricht­kriterien sofort an die Grenze.

Diese öffentlichen Investitionen, die ja dem Green New Deal folgen müssen, sind sehr wichtig. Sie müssen in ganz enger Kooperation mit den Städten Europas erfolgen, natürlich auch mit den Ländern – ist ja keine Frage –, aber mancher Ballungsraum in Europa hat eine wesentlich höhere Bedeutung als so mancher kleine Nationalstaat, das muss einem klar sein. Wir alle hoffen, dass die Kommission mit diesem Green New Deal erfolgreich ist, und da kann es nicht nur bei Symboliken bleiben.

Es ist gut, dass Vorarlberg, dann der Bundesrat, dann der Nationalrat und jetzt auch das EU-Parlament den Klimanotstand ausgerufen haben – das ist alles super –, aber es darf nicht bei der Symbolik bleiben. Der Green New Deal schreibt ja vor, dass wir in ganz bestimmte Punkte reingehen müssen, und es ist anders, als ein Redner hier am


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Rednerpult gesagt hat: Das bedarf eines enormen Investitionsprogramms. Es darf nicht so sein wie beim Juncker-Paket: Hoffnung darauf, dass der Rest sich noch finanzieren lässt – das sehen wir ja jetzt schon, dass jetzt einmal 100 Milliarden Euro in die Hand genommen werden –, aber alle wollen, dass alles wie bisher weitergeht, auch nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs. Es wird aber nicht ohne Erhöhung von Mitgliedsbeiträgen gehen, wenn wir in den Green New Deal investieren wollen, massiv investieren wollen, und gleichzeitig alle Programme – Kohäsionsprogramme, Landwirt­schaftsprogramme, Eler-Programme und so weiter – weitergehen und nichts beschnit­ten werden soll. Das ist so wie die eierlegende Wollmilchsau, und das wird es nicht sein.

Dazu kommen – was wir noch brauchen – die Digitalisierung, die Besteuerung der Unternehmen und vor allem die Durchsetzung der Bankenunion; aber wir haben ja heute noch einen Tagesordnungspunkt, bei dem wir einen kleinen Rückblick über die Vorhaben, über das, was 2019 geplant war, machen, und da kommen ja all diese Bereiche vor, die für die Wirtschaftspolitik maßgebend sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.22


Präsident Karl Bader: Danke sehr.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


10.22.27

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und via Livestream! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja schon sehr viel gesagt worden, der Green New Deal ist natürlich das Hauptthema, weil damit auch die Wirtschaft zusammenhängt.

Ich habe es schon gestern im EU-Ausschuss gesagt: Ich hätte bei der Klimadebatte gerne einmal eine etwas seriösere Debatte. Wir haben hier die Vorgabe: Allein der Mensch ist schuld. Daran darf es keinen Zweifel geben. Jeder, der das auch nur an­satzweise in Zweifel zieht, wird diffamiert, als Wissenschafter und Forscher nie­der­gemacht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Das wird uns nicht weiterbringen, denn im Laufe des Bestehens der Erde, aber auch seit es Menschen auf dieser Erde gibt, hat es Klimawandel gegeben. Es gab keine Millionenmetropolen, es gab keine Benzinautos oder sonstigen Werke, die CO2 ausgestoßen haben, und trotzdem gab es Klimawandel. Was heißt das? – Das heißt, dass es auch andere Ursachen geben muss, die zu einem Klimawandel führen. Und das wird von Ihnen völlig ausgeblendet. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Nein, das stimmt ja nicht!)

Ich sage nicht, dass die Abholzung des Regenwaldes im Amazonasgebiet keinerlei Auswirkung auf unser Klima hat, und ich finde die Abholzung auch furchtbar, weil dort die grüne Lunge der Welt vernichtet wird, aber das ist eben ein Aspekt und nicht der alleinige. Es wäre wirklich schön, wenn man sich hier zu einer sachlichen Debatte aufraffen könnte, denn das, was die EU-Kommission da mit dem Green New Deal vorgestellt hat, ist ein Hunderte Milliarden Euro umfassendes Projekt, das sehr wohl Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird, aber auch auf das soziale Gefüge, denn es ist ja nicht so einfach, einen solchen Betrag aufzubringen, zu stemmen.

Ich merke immer wieder, wie locker wir über 270 Milliarden Euro reden – weil sich das keiner vorstellen kann –, aber bei 2 000 Euro wird auf Teufel komm raus gestritten. Ich kenne das aus meinem Bezirk: Als wir über die Errichtung von Fahrradständern


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diskutiert haben, hat das 3 Stunden gedauert; die Bodenerneuerung in einer Seiten­gasse des Bezirks um 500 000 Euro war in 10 Minuten erledigt.

Ihnen geht das so leicht über die Lippen, aber haben Sie wirklich darüber nachgedacht, was das insgesamt bedeutet? Was es auch bedeutet, den Green New Deal so durch­zu­peitschen, wie Sie das wollen, auch für jene, die sich das Heizen jetzt schon nicht leisten können?

Frau Kollegin Schumann, weil Sie Wien immer so loben – ich verstehe ja, dass Sie das als rote Wiener Bundesrätin tun (Bundesrätin Schumann: Als Wienerin!) –: 117 000 Leute in Wien können sich das Heizen nur bedingt leisten, unter anderem auch, weil das rote Wien den Heizkostenzuschuss gestrichen hat und nicht bereit war, ihn wieder einzuführen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.) – Lassen wir also die Kirche im Dorf.

Auch was die Industrie betrifft, die europäische Industrie im globalen Wettbewerb, die Sie angesprochen haben, Frau Minister: Ich glaube, die Industrie ist die Erste, die die Zeichen der Zeit erkennt, und die Industrie ist die Erste, die versucht, sich anzupassen. Ihr braucht man die Digitalisierung nicht zu verordnen, sie hat das alles schon längst.

Ich glaube, worauf wir mehr aufpassen müssen, ist, dass wir bei all den Umwelt­stan­dards, sozialen und sonstigen Standards, die wir zu Recht einfordern, schauen, dass die Industrie nicht aufgrund von Vorgaben unter die Räder kommt. Es ist durchaus nicht auszuschließen, dass mit dem Green New Deal die europäische Industrie der­artige Auflagen bekommt, dass sie entweder abwandert und in ein Land geht, in dem es für sie ein bisschen einfacher ist, oder überhaupt eben unter die Räder kommt, denn es wollen andere große Staaten, die für viel mehr CO2-Ausstoß verantwortlich sind – wie Indien, Pakistan, aber auch China; die kommen zum Teil aus Armut –, jetzt auch einmal den Standard haben, den wir schon seit Jahrzehnten haben. Wobei China ein bisschen eine Ausnahme ist, weil China das schon erkannt hat und auch Geld in die Hand nimmt – das ist ja kein armes Land –, um in neuen Technologien abseits von Elektroautos zu denken und in diese auch zu investieren, in Methan, in Wasserstoff, in andere erneuerbare Energieträger. Bei uns ist derzeit das E-Auto gerade eine heilige Kuh, von der man nicht abrücken darf und die man – um Gottes willen – auch nicht kritisieren darf.

Wobei es interessanterweise niemanden interessiert, dass für all diese tollen Dinge, die so gelobt werden, Kinder in Afrika arbeiten, die das Kobalt in den Gruben aus­graben. Das interessiert Sie schon wieder weniger, weil das weit weg ist und nicht vor unserer Haustür stattfindet, und daher wollen Sie das auch nicht sehen.

Ich sage Ihnen daher, bei all den hehren Zielen, bei all den ambitionierten Zielen – man sollte immer ambitionierte und hehre Ziele haben –: Diese Debatte wird nicht wirklich ehrlich geführt, und ich denke, sowohl was erneuerbare Energien, CO2-Ausstoß, Klimawandel, aber auch den Wirtschaftsstandort betrifft, sollten wir in der Diskussion ein wenig ehrlicher und ein wenig breiter aufgestellt sein und auch Meinungen, die nicht dem Mainstream folgen, zulassen, sie hören und darüber nachdenken. (Beifall bei der FPÖ.)

10.28


Präsident Karl Bader: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


10.28.54

Bundesrat Marco Schreuder (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich vorab natür-


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lich herzlich bedanken. Es freut uns Grüne sehr, dass wir wieder eine Fraktion sind und dass das eure Zustimmung gefunden hat, und wir hoffen auf fruchtbare, manchmal auch streitbare Debatten. Ich bin jetzt schon ziemlich streitbar gelaunt, aber ich werde das trotzdem recht friedlich machen. (Ruf bei der FPÖ: Kriegst gleich wieder Schoko­lade!)

Ich wünsche auch gute Zusammenarbeit und möchte mich auch beim Herrn Prä­sidenten ganz herzlich bedanken. Wir haben jetzt nur ganz kurz, aber intensiv zusam­mengearbeitet, es war eine sehr schöne Zusammenarbeit. Und als jemand, der in Oberösterreich aufgewachsen ist, wünsche ich natürlich der oberösterreichischen Präsidentschaft auch alles Gute.

Wir reden aber jetzt über den Green New Deal und die Pläne der Europäischen Kom­mission, die meiner Meinung nach nicht nur Pläne sind, die man jetzt so lapidar dis­kutieren sollte, sondern da geht es um einen Paradigmenwechsel.

Da geht es um einen echten Paradigmenwechsel in der Schwerpunktsetzung der Politik. Das hat eine ernsthafte Debatte verdient, darüber müssen wir ernsthaft reden. Da muss man auch in aller Ernsthaftigkeit sagen – weil so viele Schülerinnen und Schüler hier sind –: Kein Wissenschaftler bezweifelt den menschengemachten Klima­wandel, den wir jetzt erleben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist doch nicht wahr!)

Das hat nichts damit zu tun, dass es schon Klimawandel gab, weil es natürlich Ver­änderungen bei Erdrotation und Erdneigung und so weiter gibt; Vulkanausbrüche gibt es auch. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau! Sonnenaktivität!) Nur: Die jetzige Erderwär­mung hat damit nichts zu tun, die hat ausschließlich mit der Industrialisierung und mit dem Verbrennen fossiler Energieträger zu tun. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ und ohne Fraktionszugehörigkeit. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das behauptet ihr einfach – und jetzt ist es so!)

Als ich diese Rede vorbereitete und mir bewusst war: Ich habe nur 5 Minuten, es geht sich nicht wirklich aus!, saß ich in einem Zug in Niederösterreich, und ich bekam die Nachricht, dass ich wieder Großonkel geworden bin (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP), da am Tag zuvor in Bad Ischl die kleine Jasmin geboren wurde. Ich hatte zwei Bildschirme: Ich hatte das Foto von Jasmin vor mir, und ich hatte auf meinem Desktop ein Video von einem Wissenschaftler, der erzählt, was bei welchen Temperaturen auf der Erde geschieht. Es ging um das Ende des Jahrhunderts, und mir wurde plötzlich bewusst: Jasmin wird dann 80 Jahre alt sein.

Viele von euch da oben (in Richtung Galerie) werden dann wahrscheinlich um die 95, 100 Jahre alt sein. Mit der derzeitigen Lebenserwartung schaut es ganz gut aus, dass ihr dieses Alter erreicht. Und wir, wir hier, und auch die Europäische Kommission, die nächste Regierung, jede Kammer und jedes Parlament in Europa und auf der Welt werden entscheiden, wie es diesen Jugendlichen und Jasmin auf diesem Planeten gehen wird. Auch wenn wir die Ziele des Übereinkommens von Paris erreichen und den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen, wird es bereits Dürre geben. Ich erin­nere nur daran, dass wir vor zwei Jahren Wasser mit Kübeln auf die Almen tragen mussten, weil die Almen schon ausgetrocknet waren (Zwischenruf des Bundesrates Preineder ja, heuer auch.

Die Westantarktis ist nicht mehr zu retten, und mein geliebter Dachsteingletscher auch nicht mehr – sogar wir werden noch erleben, dass der verschwindet. Wenn aber die Pläne, die die Staaten jetzt vorlegen, real werden, dann müssen wir mit einem Anstieg von ungefähr 3 Grad rechnen. 3 Grad Anstieg bedeutet, dass auf Grönland kein Eis mehr vorhanden sein wird. Es bedeutet einen Anstieg des Meeresspiegels um 7 Meter. 7 Meter Anstieg bedeuten, dass alle Küstenstädte, die wir kennen, und alle Städte, die


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nahe am Meer gebaut sind und nicht mehr als 7 Meter hoch liegen, verschwinden werden: kein New York mehr, kein Miami mehr, kein Amsterdam mehr.

Jetzt frage ich euch, wenn wir über die Kosten des Green New Deal sprechen: Was sind denn das für Kosten, wenn diese Städte verschwinden? (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja noch gar nicht sicher! Die Prognosen haben nicht immer gestimmt!) Was sind denn das für Kosten, wenn wir unsere Wälder abholzen und diese Wälder dann nicht mehr da sind?

Wenn wir gar nichts tun und so wie jetzt weitertun und nicht einmal diese Minimal­um­setzungen machen, dann wird es auf der Erde um 4 Grad wärmer werden. Es gibt nicht wenige, die sagen: Wahrscheinlich werden wir diese 4 Grad Erwärmung deswegen nicht erreichen, weil die Fluchtbewegungen, die Krisensituationen, der Zusam­men­bruch der Weltwirtschaft schon dazu führen, dass es gar nicht so weit kommen kann.

Ich will das Jasmin nicht antun. Ich will das den Besucherinnen und Besuchern, den Jugendlichen auf der Galerie, nicht antun. Wir dürfen die Europäische Kommission nicht mit diesen Plänen alleinlassen. Die Europäische Kommission braucht die Unter­stützung des Europäischen Rates. Die Europäische Kommission braucht die Unterstüt­zung des Europäischen Parlaments. Die Europäische Kommission braucht die Unter­stützung aller Kammern aller Parlamente in ganz Europa, damit wir vorangehen können, und zwar beispielhaft für die ganze Welt. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundes­rätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

10.34


Präsident Karl Bader: Danke sehr.

Ich begrüße sehr herzlich Herrn Bundesminister für Inneres Dr. Wolfgang Peschorn in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.34.55

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege Pisec, weil du ja in jeder Rede von diesem Rednerpult aus irgendetwas gegen Wien sagen musst, hast du hier behauptet, dass die rot-grüne Stadtverwaltung den Grün­raum in Wien reduziert hat. – Diese Aussage ist unrichtig. (Bundesrätin Mühlwerth: Da hast du aber lange gebraucht dafür!) – Nein. Ich habe selbst nachgeschaut, weil ich mir gedacht habe, das ist Nonsens. (Bundesrätin Mühlwerth: Fünf Redner später kommst du schon drauf!) – Er war ja nicht im Saal, als ich geredet habe. (Bundesrat Pisec: Ich habe dich woanders gehört!) Ich muss ja warten, bis er hier ist, damit ich ihm die tatsächliche Berichtigung mitgeben kann.

Derzeit gibt es 850 Parkanlagen in 23 Bezirken – du kannst dir das selbst ausrechnen. Dazu kommen noch die Gemeinschaftsgärten, dazu kommt der Wienerwald, die Lunge der Stadt, und so weiter und so fort. (Bundesrat Pisec: Steinhofgründe, Währinger Park, Nordautobahn!)

Allein im 11. Bezirk sind zwei neue Parkanlagen entstanden, in der Rappachgasse und in der Lorenz-Reiter-Straße, im 22. Bezirk – vielleicht könntest du dir das einmal an­schauen – ist der wunderschöne Kirschblütenpark entstanden, in der Sechtergasse im 12. Bezirk ist ein neuer Park entstanden. In Währing, in der Donaustadt und mit dem Eurogate sind neue Gemeinschaftsgärten entstanden, die die Menschen nützen kön­nen und in denen sie ihre Gemüsesorten (Bundesrat Pisec: Heumarkt!) oder was auch immer anbauen können. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.)

10.36



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Präsident Karl Bader: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals die Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


10.36.41

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Elisabeth Udolf-Strobl: Ich darf an vieles, was hier heute gesagt wurde, anschließen. Ja, Green Deal bedeutet Veränderung, und ja, ich bin fest davon überzeugt, dass diese Verän­derung auch notwendig ist.

Wenn wir uns die globale Wirtschaftsentwicklung anschauen, wenn wir uns anschauen, in welcher Form Staaten konkurrieren – nicht kooperieren, sondern konkurrieren –, und wenn wir uns anschauen, wie stark das Thema Protektionismus wieder in den Vorder­grund rückt, wie sehr mit dem Instrument von Sanktionen gewunken wird, wie sehr das auf den Tisch kommt, dann müssen wir sagen, es ist an der Zeit, sich in Europa als wichtige Weltgegend mit unseren Werten und unseren Ausrichtungen stärker zusam­menzuschließen und ein ganz starkes Zeichen zu setzen.

Ja, unter dieses Thema Green Deal fallen viele Punkte, die zu einem gesamten Mosaik verknüpft werden müssen, damit sie funktionieren. Es wird notwendig sein, dass jeder Einzelne von uns mithilft. Das ist auch der Anspruch, den ich als Nochvertreterin Österreichs in diese Ratsformationen immer mitgebracht habe: Es ist notwendig, dass wir uns da ganz stark zusammenschließen, und es ist notwendig, dass wir dieses neue Mosaik mit dem neuen Rahmen gemeinsam bauen, damit wir unsere noch immer beste aller möglichen Welten erhalten können.

Vielen herzlichen Dank, ich bedanke mich bei Ihnen nicht nur für das Zuhören jetzt bei meinem Abschlussstatement, sondern auch dafür, dass Sie uns, mich, diese Regie­rung im letzten halben Jahr so gestützt haben. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Präsident! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

10.38


Präsident Karl Bader: Vielen herzlichen Dank, Frau Bundesministerin. Ich danke auch Ihnen und wünsche Ihnen ein frohes Fest und ein gutes neues Jahr.

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.39.10Einlauf und Zuweisungen


Präsident Karl Bader: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten An­fragebeantwortungen,

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,

des Schreibens des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates und

des Schreibens des Steiermärkischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


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Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortung:

(Anlage 1) (siehe auch S. 7)

2. Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union:

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA vom 18. (abends) bis 19. Dezember 2019 in Brüssel (Anlage 2)

3. Schreiben der Landtage:

Schreiben des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes (Anlage 3)

Schreiben des Steiermärkischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern (Anlage 4)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder:

(siehe Tagesordnung) sowie

Außen- und Europapolitischer Bericht 2016/2017 und 2018 (III-696-BR/2019)

zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten

Sonderbericht der Volksanwaltschaft „Keine Chancen auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung“ (III-697-BR/2019)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

Sozialbericht 2019 (III-698-BR/2019)

zugwiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

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Präsident Karl Bader: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewie­sen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte und jene Petition, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

10.40.26Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR


Präsident Karl Bader: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen der Antrag 269/A-BR/2019 eingebracht wurde, wonach der Bundesrat gemäß Artikel 41 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit § 21 Geschäftsordnung des Bundesrates dem Nationalrat den vorliegenden Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Be­hand­lung unterbreiten wolle.

Hiezu wurde gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu neh­men.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen diesen Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen.

Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, den Selbständigen Antrag 269/A-BR/2019 gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforder­lichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 269/A-BR/2019 ergänzen und als 12. Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

Die bisherigen Punkte 12 und 13 werden zu den Tagesordnungspunkten 13 und 14.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände,

die Wahl eines/einer Vizepräsidenten/Vizepräsidentin, von

zwei Schriftführer/innen und eines/einer Ordners/Ordnerin für den Rest des 2. Halb­jahres 2019,

die Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europara­tes

sowie die Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen,

der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2020

auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


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Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.42.581. Punkt

Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in, von zwei Schriftführer/innen und eines/ei­ner Ordners/-in für den Rest des 2. Halbjahres 2019


Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Diese Wahl ist durch das Ausscheiden eines vom Niederösterreichischen Landtag entsendeten Mitglieds und der vom Steiermärkischen Landtag entsendeten Mitglieder des Bundesrates erforderlich geworden.

Wahl eines/einer Vizepräsidenten/-in


Präsident Karl Bader: Wir kommen zunächst zur Wahl eines/einer Vizeprä­siden­ten/Vizepräsidentin für den Rest des 2. Halbjahres 2019. Ich werde diese Wahl durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Michael Wanner lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Wahlvor­schlag ist somit einstimmig angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Michael Wanner bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere. (Allgemeiner Beifall.)

Lieber Herr Kollege Wanner, ich gratuliere sehr herzlich zur Wahl zum Vizepräsidenten und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. (BundesrätInnen von SPÖ, ÖVP und FPÖ sowie Bundesrat Schreuder gratulieren Bundesrat Wanner.)

Wahl von zwei Schriftführer/innen


Präsident Karl Bader: Wir kommen nun zur Wahl von zwei Schriftführer/innen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Andreas Arthur Spanring und Mag. Dr. Doris Berger-Grabner für den Rest des 2. Halbjahres 2019 zum Schrift­führer und zur Schriftführerin des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Das ist nicht der Fall.


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Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Wahlvorschlag für die beiden Genannten ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Ich danke sehr, der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die beiden Kollegen, ob Sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring und Mag. Dr. Doris Berger-Grabner nehmen die Wahl an.)

*****

Ich bedanke mich und gratuliere zur Wahl. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl eines/einer Ordners/-in


Präsident Karl Bader: Wir kommen nunmehr zur Wahl eines Ordners.

Es liegt mir der Vorschlag vor, das Mitglied des Bundesrates Christoph Steiner für den Rest des 2. Halbjahres 2019 zum Ordner des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Wahlvor­schlag ist somit angenommen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Christoph Steiner nimmt die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere.

10.46.192. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (87/A und 13 d.B. sowie 10267/BR d.B. und 10277/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Bericht.


10.46.36

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates soll es jenen Drittstaats­ange­hörigen, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorgeschlagenen Maßnahme ers­tens in einem – entweder vor dem Bundesamt oder vor dem Bundesver­waltungs­gericht anhängigen – Asylverfahren befinden, also noch keine rechtskräftige Entschei-


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dung über ihren Antrag auf internationalen Schutz erhalten haben und daher Asylwer­ber – § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 – sind, und zweitens als Lehrlinge im Sinne von § 1 BAG beschäftigt sind, unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, das begon­nene Lehrverhältnis in Österreich abzuschließen. Damit wird insbesondere dem wirt­schaftlichen Interesse der Ausbildungsbetriebe – der Lehrberechtigten gemäß § 2 Abs. 1 BAG –, die in die Ausbildung der Lehrlinge getätigten Investitionen nicht vor­zeitig zu verlieren, Rechnung getragen. Dieses Interesse soll jedoch nur insoweit ge­schützt werden, als während des laufenden Asylverfahrens der Antritt des betref­fenden Lehrverhältnisses zulässig war und dieses seither ununterbrochen bestanden hat. Im Sinne einer Stichtagsregelung wird daher auch vorgesehen, dass das betref­fende Lehrverhältnis vor jenem Tag begonnen – und seither ununterbrochen bestan­den – haben muss, bis zu dem es Asylwerbern möglich war, Beschäftigungs­bewilligun­gen für die Absolvierung einer Lehre zu erhalten. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Dezember 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Ich danke für die Berichterstattung.

So schnell geht es, kaum gewählt und schon hier oben. (Bundesrätin Mühlwerth – erheitert –: Schon geht es los!) Ich darf mich noch einmal bei allen recht herzlich bedanken und meine Zusammenarbeit mit allen Fraktionen anbieten. Ich wünsche ein gutes Miteinander. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.) – Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile es ihm.


10.49.08

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident, ich darf auch recht herzlich zur Wahl gratulieren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolle­gen, vor allem aber liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und vor den Bild­schirmen! Was wir und die österreichische Bevölkerung heute hier mit dieser Änderung des Fremdenpolizeigesetzes erleben müssen, das ist in mehrfacher Hinsicht besorg­niserregend. Das ist einerseits besorgniserregend, weil es uns an vergangene Zeiten einer rot-schwarzen Regierung mit einer verfehlten Asylpolitik erinnert, von denen wir der Meinung waren, dass wir sie hinter uns gelassen haben; andererseits ist es be­sorgniserregend – und ich darf es vielleicht musikalisch ausdrücken –, weil wir künftig einer asylpolitischen Kakofonie einer türkis-schwarzen Regierung mit grünem Beiwa­gerl entgegensehen müssen (Ruf bei der ÖVP: Hö!), und wir wissen, welche Vorstel­lungen es vor allem von der grünen Partei im Asylwesen gibt.

Es ist auch deswegen besorgniserregend – und das ist der Hauptgrund –, weil heute alle drei Parteien in trauter Gemeinsamkeit freudig diesen Beschluss herbeiführen wer­den, und immer dann, wenn diese drei Parteien sich einig sind, ist es kein guter Tag für Österreich und in diesem Fall auch nicht für unseren Rechtsstaat. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist heute geplant? – Heute ist geplant, ein Gesetz dahin gehend abzuändern, um Asylwerbern im Falle rechtskräftig negativer Bescheide und Urteile des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, aber auch des Bundesverwaltungsgerichts zu ermöglichen, hier in Österreich eine Lehre fortzusetzen und nicht abgeschoben zu werden.

Meine Damen und Herren, was ihr hier machen wollt, ist eine Aushebelung unseres Rechtsstaates und des Asylgesetzes, denn wenn es am Ende eines Instanzenzuges ein negatives Gutachten beziehungsweise ein negatives Urteil, eine negative Entschei-


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dung gibt, die rechtskräftig ist, dann ist diese zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn es dem parteiideologischen Zugang widerspricht. (Beifall bei der FPÖ.)

Bitte klären wir gleich zu Beginn einmal die Begrifflichkeiten, die oft bewusst durch­einandergebracht werden: Asyl hat nichts mit Wirtschaft zu tun; die Ausnahme in diesem Zusammenhang sind vielleicht die illegalen und strafbaren Handlungen, die oft wirtschaftliche Auswüchse annehmen. Asyl hat nichts mit Wirtschaft zu tun, es hat nichts mit qualifizierter Zuwanderung zu tun und genauso wenig mit Wirtschafts­flücht­lingen.

Wir alle wissen ganz genau, was in § 3 unseres Asylgesetzes steht, und wir wissen auch, was in Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention steht, auf die unser Asylgesetz Bezug nimmt: Es geht um Personen, denen Asyl beispielsweise aus Gründen politi­scher Verfolgung oder aufgrund anderer Befürchtungen auf Zeit gewährt wird. Das, was ihr wollt, ist Folgendes: Ihr wollt, dass jene Personen, die das Recht auf Asyl wegen Verfolgung oder anderer Befürchtungen nicht zuerkannt bekommen haben, aus humanitären Gründen trotzdem hier im Land bleiben und nicht abgeschoben werden. Welche Beweggründe die einzelnen Parteien haben, ist ideologisch klar, aber es ist eigentlich nur mehr befremdlich, dass Österreich und seine Bevölkerung nicht im Mittelpunkt stehen, sondern hier immer hintangestellt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man vonseiten der SPÖ schon im Vorfeld den Zugang wahrnehmen muss, dass an eine Integration von Asylwerbern gedacht wird, dann muss ich schon sagen, meine Damen und Herren: Integriert werden sollten Asylberechtigte, aber nicht Asylwerber; sie erhalten vielleicht einen Negativbescheid und müssen dann nicht integriert werden, weil sie nach österreichischer Gesetzeslage sowieso abgeschoben werden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Liebe zweite Partei! Wenn es ums Asylrecht geht, wenn es um Asyl geht, dann kennen die Grünen, das weiß ich, keine Gesetze und wissen damit nichts anzufangen; das ist mittlerweile allgemein bekannt. Ein Kärntner Grüner hat das ja wirklich großartig aufgezeigt, indem er den Beweis angetreten hat und wegen Begünstigung illegaler Migration in Italien verurteilt worden ist. Ich weiß, dass ihr beim Thema Asyl die Worte negativ, abschieben oder ablehnen aus eurem Sprachschatz eliminiert habt, und es ist ebenso klar, dass ihr am liebsten alles und jeden bei uns behalten wollt, egal ob er legal oder illegal nach Österreich gekommen ist, egal ob er einen Schutzstatus zuer­kannt oder aberkannt bekommen hat. Das geht bis hin zu Vorschlägen der deutschen Grünen, die am liebsten für Klimaflüchtlinge die Staatsbürgerschaft beantragen möch­ten. Übrigens kennt die Konvention auch diesen Fluchtgrund nicht, aber es zeigt we­nigstens, welch Geistes Kinder hier werken und was wir in Zukunft von euch zu er­warten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann komme ich schlussendlich noch zur ÖVP: drei Rollen rückwärts und liegen ge­blieben – und trotzdem noch einmal umgefallen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Seeber – erheitert –: Das musst aber auch können! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ihr habt zwar einen divergenten ideologischen Zugang, einen wirtschaftlichen Zugang, aber es ist halt wenig glaubwürdig, wenn man im Nationalratswahlkampf zweimal die FPÖ-Themen kopiert und restriktive Asylpolitik vorspielt, und dann, wenn es um die Umsetzung in Österreich geht, sofort in die Knie geht – entweder weil die eigenen schwarzen Interessen wieder verstärkt auftreten oder weil man dem scheinbar neuen Juniorpartner zeigen möchte, dass man ja doch nicht so böse rechtsstaatlich ist. (Bundesrat Brunner: Was du alles weißt!)

Das Spiel hat bis jetzt eigentlich immer recht gut funktioniert, aber es werden auch die Zeiten kommen, da werden Messagecontrol und mediale Einflussnahme abnehmen und den Österreicherinnen und Österreichern wird wahrlich der türkise Schleier von


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den Augen fallen. Da könnte es dann schon passieren, dass der selbst ernannte Mes­sias plötzlich zum Quacksalber und Scheinheiligen verkommt, weil man einmal ge­nauer erkennen wird, dass Österreich bei all diesen Spielchen auf der Strecke bleibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Neben allen ideologischen Aspekten gibt es halt leider auch eine Faktenlage, und diese ist uns im Ausschuss ganz klar erklärt worden: Es gibt Asylwerber in Lehre – im Jahr 2019 genau 767 an der Zahl –, die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan, und – man höre und staune! – ein beträchtlicher Teil dieser Asylwerber hat die Lehre erst begonnen, nachdem es eine negative Entscheidung der ersten Instanz gegeben hat. Abgesehen davon, dass es zu hinterfragen ist, wer überhaupt einem Asylwerber, dessen Antrag bereits in erster Instanz abgelehnt wurde, eine Beschäftigungs­bewilli­gung für den Beginn eines Lehrverhältnisses ausstellt, zeigt sich hier deutlich, dass wir mit unserer freiheitlichen Position recht haben: Viele beginnen nur deswegen eine Lehre, um dieses Asylrecht auszuhebeln und eventuell zu erwartende negative Ent­scheidungen, die rechtskräftig werden, im Asylverfahren zu umgehen – und das mit eurer Unterstützung, nach der heutigen Beschlussfassung, aber natürlich auch mit der Unterstützung vieler NGOs, die diesen Beschluss ja geradezu herbeisehnen.

Was gibt es gleichzeitig in Österreich? – Es gibt in Österreich 30 000 jugendliche Arbeits­lose, zusätzlich sind noch 27 000 in Schulungen, und das bis zum 25. Lebens­jahr. Es sollte eigentlich die Intention der Politik sein, diesen Österreicherinnen und Öster­reichern, aber auch Asylberechtigten zu einer Lehre zu verhelfen und nicht jenen Per­sonen, denen der Asylstatus voraussichtlich gar nicht zuerkannt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Wohin das führen wird, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen auch noch sagen. Diese Gesetzesänderung wird dazu führen, dass weiteren Speziallösungen Tür und Tor geöffnet werden: Lösungen für Schüler, Lösungen für Studierende oder auch für Personen, die eine entsprechende Weiterbildung in anderen Bereichen in Anspruch nehmen wollen. Das reicht bis hin zur Thematik des Familiennachzugs und zur Situa­tion, dass nicht nur ein Lehrling aufgrund eines aberkannten Asylstatus nicht abge­schoben werden kann, sondern – aufgrund der Menschenrechtskonvention – wahr­scheinlich auch die gesamte eventuell von der Abschiebung betroffene Familie.

Diesen Weg, meine Damen und Herren, wollt ihr hier gehen. Wir wollen diesen Weg nicht gehen, nein. Wir werden dieser geplanten Gesetzesänderung selbstverständlich eine Absage erteilen, denn wir wollen einen rot-weiß-roten Weg gehen, der nicht darauf bedacht ist, wie man geltendes Recht umgehen kann, um Personen im Land zu halten, die hier nichts verloren haben. Wir wollen beziehungsweise machen Politik mit vernünftigen Gesetzen und vernünftigen Anschauungen zum Wohle der Österreicherin­nen und Österreicher, aber auch der Asylberechtigten, vor allem aber – und sie sitzen in einer Vielzahl heute hier auf der Galerie – für unsere nachfolgenden Generationen. Darüber sollten Sie einmal nachdenken, dass Politik so gemacht werden sollte, denn das wäre zum Wohle Österreichs! (Beifall bei der FPÖ.)

10.59


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich erteile es ihm. (Bundesrätin Mühlwerth: So, jetzt erklär einmal! – Bundesrat Steiner: Den Spagat! ... Kunststück!)


10.59.29

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am Beginn der heutigen Sitzung darf auch ich dir, Herr Kollege Wanner, alles Gute wünschen. Wir werden nächstes Jahr gemeinsam unterwegs sein, und ich wünsche mir auch ein überparteiliches und ein konstruktives Miteinander.


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Kollege Bader ist im Moment nicht da, ich kann an dieser Stelle nur sagen, ich bedanke mich auch bei ihm für die Wahl des Themas ländlicher Raum. Ich baue da auf einem sehr guten Fundament auf – ich werde ja dann nächstes Jahr Präsident des Bundesrates sein –, und bevor ich zur eigentlichen Rede komme, darf ich auch gleich schöne Feiertage wünschen.

Jetzt aber komme ich zum eigentlichen Thema, ein Thema, welches in der Bevöl­kerung, in den Medien sehr kontroversiell diskutiert wird. Ich selbst bin ja Gastrono­mieunternehmer, mich betrifft dieses Thema also auch direkt, und ich sehe das auch aus zwei Blickwinkeln. Ich gebe zu, dass da handwerkliche Fehler passiert sind; das ist das, was du (in Richtung Bundesrat Ofner) mit den Rollen, die wir aus deinem Blickwinkel machen, meinst. Man sollte aber nicht vergessen, es gibt auch den Blick­winkel, dass man, wenn man einen Fehler gemacht hat beziehungsweise eine Entwick­lung nicht so ist, wie man sich das vorgestellt hat, das auch entsprechend korrigiert.

Ich halte den Beschluss des Nationalrates, hier bei einem Personenkreis, der circa 700 Personen umfasst, eine humanistisch-pragmatische, vernünftige, menschliche Lösung anzuwenden, für einen gangbaren und humanen Weg. (Bundesrätin Mühlwerth: Also 700 ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Das, glaube ich, kann man schon sagen, denn als Mann der Wirtschaft darf ich festhalten: Es ist auch für die Betriebe ganz gut, wenn man ein bisschen eine Rechtssicherheit dahin gehend hat, ob die Lehrlinge die Lehre im Betrieb fertig machen können, auch wenn sie einen nega­tiven Asylbescheid bekommen haben. – Man hat also jetzt eine gute Rechtsgrundlage. Man kann sich sicher sein, dass nicht alles, was man sie gelehrt hat, wie wir auf gut Oberösterreichisch sagen, fia de Wiascht war, dass also das wieder ein bisschen zurückkommt; das halte ich für einen guten Weg. (Beifall der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Schreuder. – Bundesrat Steiner: ... gefährlich, wenn nur die Grü­nen klatschen! Gefährlich, gefährlich! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Nicht einmal die Eigenen! – Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines ist ganz klar: Es wird jetzt in Zukunft zwischen Asyl und Zuwanderung strikt getrennt, und das ist für mich als Demokrat ganz wichtig, denn die Unternehmer brauchen ja auch eine gewisse Zuverlässigkeit, dass das so ist. Ich sage generell dazu: Das Asylgesetz ist meines Erachtens ja gar nicht der richtige Hebel, um dieses Problem, welches die österreichische Wirtschaft stark beschäftigt, zu lösen. Wir brauchen da einen ganz anderen Zugang und nicht Diskussionen über diese 700 Personen, betreffend die man jetzt im Sinne der Wirtschaft Menschlichkeit walten lässt. (Bundesrat Pisec: Die Wirtschaft braucht das nicht!) Wir brauchen ein anderes Instrumentarium, um das Problem des Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels in Österreich zu lösen.

Jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Situation so: Diejenigen, die einen negativen Bescheid bekommen haben, können die Lehre fertig machen, das ist gut so, und wenn die Lehre abgeschlossen ist, dann bekommen sie innerhalb einer 14-tägigen Frist die Aufforderung, auszureisen. Es wird also in Zukunft nicht mehr passieren, dass dieser leidige Erlass aus dem Jahr 2012 zur Anwendung kommt, und ich finde, das ist pragmatisch und menschlich. Wir kommen in Zukunft in keine solche Situation mehr, weil es diese negativen Bescheide in Zukunft nicht mehr geben wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Das glaube, wer mag!)

Gestatten Sie mir noch einen kleinen Sidestepp zu diesen verschiedenen Unkenrufen! Dagegen möchte ich mich schon ein bisschen verwehren, dass es da zu Situationen kommt, in denen unseren Menschen, unseren Lehrlingen, Österreichern, die Arbeit ge­nommen wird. Wir reden da von Mangelberufen. (Bundesrätin Mühlwerth: Mangel­beruf in der Gastronomie!) Es wird auch zu keinem Lohndumping kommen, denn es


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gibt ja immerhin noch gültige Kollektivverträge, die für alle Lehrlinge in Österreich gleich sind. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Ganz ehrlich gesagt: Einen Pullfaktor kann ich bei dieser Personengruppe nicht erken­nen, den Erlass gibt es ja nicht mehr. Es wird also in Zukunft nicht so sein, dass wir von Ausländern überschwemmt werden. Diesen Erlass gibt es nicht mehr, also das kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen etwas gegen den Arbeits­kräfte­mangel in Österreich tun, das ist klar. Das Asylgesetz, das gebe ich zu, ist nicht das richtige Instrumentarium. Ich würde sagen, wir brauchen ein eigenes Einwan­derungs­gesetz für qualifizierte Zuwanderung, aber auch hinsichtlich niederwertigerer Tätig­keiten. Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist ein Ansatz (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), aber – das gebe ich auch zu – auch nicht perfekt, das gehört nachgebessert. Da muss man flexibler sein, das gehört an die Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst. Ein eige­nes Zuwanderungsgesetz zu forcieren wäre für die Wirtschaft ganz, ganz wichtig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Vierparteienantrag wird von uns unterstützt. Wir sind da für Pragmatismus, wir sind für Hausverstand. (Bundesrat Ofner: Das hat mit Hausverstand nichts zu tun!) Ich bin auch der Meinung – das darf ich hier sagen –, dass es in Situationen wie in Langenlois – da muss ich schon sagen, da bin ich bei dir, Kollege Ofner –, wenn ein höchstgerichtlicher Bescheid negativ ist, zu einer Abschiebung kommen muss.

Ich sage hier als Demokrat und als Unternehmer auch ganz offen: Die Rechts­staatlich­keit – da hast du recht – muss gewahrt sein, denn es kann nicht sein, dass Arbeitgeber entscheiden, ob jemand in diesem Land bleiben kann oder nicht. (Bundesrat Steiner: Richtig, richtig!) Da gebe ich dir recht, denn dann würden wir in ein Feudalsystem ab­glei­ten, welches vor Hunderten von Jahren gegeben war. Das kann nicht im Sinne einer Demokratie sein. Darum braucht es andere Lösungen, ein neues, zukunfts­orien­tiertes Einwanderungsgesetz, welches das berücksichtigt, und das berücksichtigt dann auch die Interessen der Wirtschaft. Das sollten wir mitbedenken, wenn wir hinsichtlich Wettbewerbsfähigkeit in Europa nicht noch mehr zurückfallen wollen.

Unterstützen Sie das – Herr Minister, danke vielmals (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth – Bundesrat Steiner: Wegen 700 werden wir nicht zurückfallen! – Bun­desrat Spanring: ... nichts mit Asyl zu tun!) –, und gehen Sie auch einmal einen wirt­schaftlichen Weg mit uns! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

11.06


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Klubvor­sitzende Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


11.06.53

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und via Livestream! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab, Kollege Seeber: Man hat schon an der Argumentation gemerkt, wie schwer du dich damit tust, das irgendwie noch einigermaßen über die Rampe zu brin­gen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na, na, na! – Bundesrat Köck: Super Rede!) Ich wünsche dir aber für deinen künftigen Vorsitz alles Gute und danke Präsidenten Bader für seine bisherige Vorsitzführung. (Beifall bei der FPÖ.)

Asyl ist Schutz auf Zeit – das ist Fakt –, und wenn der Asylgrund wegfällt, dann muss der Asylberechtigte auch wieder gehen. Ihr geht jetzt aber in Vorleistung hinsichtlich Schwarz-Grün und macht, wie es Kollege Ofner gesagt hat, drei Rollen rückwärts,


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einen Spagat, und dann fallt ihr noch einmal um. Das mag im Turnen ganz gut sein, in der Politik hat das nichts verloren. (Beifall bei der FPÖ.)

Euer damaliger Bundeskanzler Kurz hat dazu auch schon ganz anderes gesagt. (Bun­desrätin Eder-Gitschthaler: Bald wieder Bundeskanzler!) Da war das ein ganz ande­res Thema, er war nämlich genau wie wir der Meinung, dass es nicht geht, dass man sich den Aufenthalt hier so quasi erschleicht – denn nichts anderes ist es. (Beifall bei der FPÖ.)

Meiner Meinung nach ist das ein klarer Rechtsbruch. Der Unternehmer, der einen Asyl­werber einstellt, der einen negativen Bescheid zu erwarten hat (Bundesrätin Grimling: ... „zu erwarten“ ...! – weiterer Zwischenruf bei der SPÖ) oder sogar schon hat, ist mit­schuldig. Sagt mir einen einzigen Grund, warum der den einstellen muss, außer dass findige NGOs und ihre linken Anwälte kommen und sagen: Nein, das machen wir jetzt über die Lehre! Wir machen es wieder so wie damals bei Arigona, ein richtiges Rambazamba, stellen die als ganz arm hin, und dann geht das schon! (Bundesrat Seeber: Jetzt hat man es korrigiert! Jetzt ist es korrigiert!)

Die Zahl – zu sagen, es sind nur 768 – ist überhaupt nicht ausschlaggebend. Wäre das jetzt anders, wenn es 7 000 wären, wenn es 70 000 wären? (Bundesrat Novak: Geh, 70 000 ...!) Also: Rechtsbruch ist Rechtsbruch – bei einem oder bei 100 000. (Beifall bei der FPÖ.)

Was immer die ÖVP hier verspricht: Ihr seid ja hintennach, weil die Grünen und die NEOS schon gesagt haben: Es geht munter weiter! Na ja, mit der Lehre allein ist es nicht getan, wir wollen, dass die noch zwei Jahre hierbleiben! (Bundesrat Schreuder: Ja, genau!) – Ja eh, ihr seid ja sowieso für das Daueraufenthaltsrecht! (Bundesrat Schreuder: Genau!)

Darum finde ich es ja eigentlich einen Wahnsinn, dass jemand, der hier sitzt, einen Eid auf die Gesetze geschworen hat, geschworen hat, die Gesetze einzuhalten (Bundesrat Schreuder: Man kann Gesetze ändern!), hergeht und es befürwortet, dass man sich einen Aufenthalt hier erschleichen kann. Das ist wirklich empörend. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ja schon von meinem Kollegen gesagt worden, 31 000 Asylberechtigte bezie­hungsweise subsidiär Schutzberechtigte sind beim AMS arbeitslos gemeldet. Davon wollen 1 500 eine Lehre machen. Da ist keiner dabei, der geeignet ist, in der Gastro­nomie zu arbeiten? Um die geht es ja hauptsächlich, denn 65 Prozent sind dann in der Gastronomie beschäftigt. Das sind diese berühmten Astrophysiker und Herzchirurgen, von denen die Grünen immer gesagt haben, dass die hierherkommen würden. (Heiter­keit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Also die sind natürlich nicht für die Lehre in der Gastronomie geeignet. Das sind diese Mangelberufe.

Es wurde aber noch gar nicht erwähnt, dass es auch Österreicher gibt, die eine Lehr­stelle suchen. Ja, ich weiß, die Jobs in der Gastronomie sind nicht so sehr begehrt. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Arbeitszeiten unangenehm sind, dass die Bezahlung nicht immer stimmt – auch da gibt es natürlich Unterschiede –, daher ist das für die Österreicher nicht ganz so attraktiv. Da könnte man einmal als Unternehmer be­ziehungsweise als Wirtschaftskammer – Frau Präsidentin, darf ich dir das noch mitgeben, bevor du rausgehst (Bundesrätin Zwazl – im hinteren Bereich der Bank­reihen der ÖVP stehend –: Ich bleibe da!) –, da könnte man als Wirtschaftskammer viel­leicht die Gastronomie besser bewerben und auch mit besseren Bedingungen aus­stat­ten. Auch da gibt es genügend österreichische Lehrlinge, die keine Lehrstelle finden.

Ich erzähle Ihnen noch ein Beispiel aus vergangenen Zeiten, wie das nämlich oft kol­portiert wird – da ist die Wirtschaft, muss ich ganz ehrlich sagen, schon auch ein


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bisschen skeptisch zu sehen –: Seinerzeit sind Schweißer gesucht worden. Es hat geheißen, die müssen wir aus dem Ausland importieren, denn bei uns gibt es keine. Dann haben mir Leute, die ausgebildete Schweißer waren, erzählt, sogar mit einem europäischen – ich glaube, Führerschein nennt sich das da auch oder jedenfalls Zertifikat – Zertifikat, Leute, die sich verändern wollten, die einen Job als Schweißer mit besseren Bedingungen haben wollten, dass sie nicht genommen worden sind. Na ja, ein Schelm, der Böses dabei denkt, der vielleicht meint, dass es in der Wirtschaft auch schwarze Schafe gibt, die darauf abzielen, möglichst billige Arbeitskräfte zu bekom­men.

Der afghanische Lehrling wird wahrscheinlich nicht mucken, wenn er eine Überstunde machen muss, außer er rennt zu seinen NGOs und deren Beratern. Auch das gibt es. Es gibt auch solche Zuwanderer, denen durchaus Chancen geboten worden sind – so erzählen mir das Gastronomen –, die sie weder genützt haben noch dafür dankbar waren, sondern die zuallererst zu einem NGO-Anwalt gegangen sind, der ihnen gleich einmal erzählt hat, was ihnen denn nicht alles zustehen würde. Damit war die Geschichte gelaufen. Das kann es auch nicht sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke doch, dass ein Land, das diese Leute aufnimmt, mit einer gewissen Dank­barkeit rechnen darf. Das heißt aber auch, dass man den Willen zur Integration hat, der ja bei den muslimischen Zuwanderern, Flüchtlingen und hier Aufhältigen nicht sehr ausgeprägt ist. In sämtlichen Studien ist zu lesen, dass 65 Prozent von ihnen immer noch für die Scharia sind. Von der Gleichstellung von Mann und Frau haben die quasi noch nie gehört. Die verachten in Wirklichkeit unsere Werte, die wir ja so hochhalten. Die wollen die Segnungen unseres Sozialstaats haben, aber keinesfalls wollen die so leben wie wir. Diese von Ihnen so gepriesene offene Gesellschaft und die Freiheit des Einzelnen ist für die kein Wert – und das wollen Sie einfach nicht verstehen.

Daher kommt es jetzt zu solchen Situationen, wo auch die ÖVP in die Knie geht und sagt: Mein Gott na, diese Armen müssen wir jetzt die Lehre fertig machen lassen! Ich sage Ihnen, bei den Linken wissen wir ja, dass sie auf dem falschen Weg sind, aber die ÖVP war eh auf einem guten Weg, aber da waren vor allem wir, glaube ich, verantwortlich dafür, dass ihr da nicht falsch abgebogen seid. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Brunner.) 

Jetzt seid ihr an einer Weggabelung und seid im Begriff, falsch abzubiegen. Das haben sich die Österreicher wahrlich nicht verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

11.15


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Jürgen Schabhüttl. Ich erteile es ihm.


11.15.13

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, auf der Tagesordnung steht heute die Änderung des Fremdenpolizeigesetzes. Bevor ich in die näheren Ausführungen dazu eingehe, muss ich ganz ehrlich sagen, finde ich etwas nicht sehr korrekt: Man kann ja gegen etwas sein, man kann auch gegen ein Gesetz sein, aber jetzt eine Fremdendebatte oder eine Verunsicherung in unserem Land auszulösen, das ist nicht die richtige Art und Weise, wie sich eine politische Partei hier verhalten sollte. Es sollte halt sachlich sein. Ich glaube nicht, dass man jetzt wegen 766 Fällen (Ruf bei der FPÖ: 768!), 768 Fällen von Menschen, die hier in Ausbildung sind, eine Verunsicherung in Österreich auslösen sollte. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Es ist doch unglaublich, das an der Zahl festzumachen! Das geht auch bei einem nicht!)


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Ich möchte dieses ganze Paket nochmals ein wenig chronologisch aufarbeiten. In der Aufarbeitung beginne ich mit dem Jahr 2015. In der Thematik der Aufarbeitung dieser Ereignisse war es bis September 2018 in Österreich möglich, dass Asylwerberinnen und Asylwerber eine Lehre in sogenannten Mangelberufen beginnen. Wenn wir beim Terminus Mangelberufe sind, dann muss man wissen, dass das Berufssparten sind, für die keine oder zu wenige Lehrlinge zur Verfügung stehen. Das hat nichts mit Jugendarbeitslosigkeit zu tun, das hat auch nichts damit zu tun, dass irgendjemandem eine Lehrstelle weggenommen wird. (Bundesrat Steiner: Was machen wir, wenn die Lehre fertig ist?)

Objektiv gesehen war das meiner Meinung nach eine Win-win-Situation. Die Wirtschaft bekam in diesem Mangelberufbereich Lehrlinge und Mitarbeiter in ihren Betrieben. Die Asylwerberinnen und Asylwerber konnten in der Zeit eine Ausbildung machen, in der das Asylverfahren anhängig war. (Bundesrat Steiner: Was machen wir, wenn die Lehre aus ist?) Die letzte Bundesregierung hat diese Ausbildungsmöglichkeit unter­sagt. Am 19. September 2019 forderte der Nationalrat in zwei mehrheitlich angenom­menen Entschließungsanträgen den Herrn Bundesminister für Inneres dazu auf, ehest eine ausreichende gesetzliche Grundlage zu schaffen, die einen Verbleib von gut inte­grierten Menschen in Lehre bis zum Abschluss der Lehre ermöglicht und sicherstellt. 

Damals waren es circa 900 Fälle von Asylwerbern, die in Lehrausbildung waren und die diese Sicherstellung gebraucht hätten. Laut Angaben der Experten im Ausschuss sind es jetzt 768 Fälle. Herr Bundesminister Peschorn hat daraufhin einen Vorschlag erarbeitet, der Grundlage für die fraktionellen Verhandlungen war, die am 9.12. statt­fanden. Diese Verhandlungen waren erfolgreich und mündeten in einen gemeinsamen Vierparteienantrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS, der auch im Nationalrat be­schlossen wurde.

Was ist jetzt die Grundaussage dieser Gesetzesänderung? – Lehrlinge, die in Mangel­berufen in Ausbildung stehen, können diese Ausbildung fertig machen, auch wenn in dieser Zeit ein negativer Asylbescheid rechtskräftig wird. Weiters können auch Lehr­linge, die bereits einen negativen Bescheid haben, wo aber ein Verfahren bei Höchst­gerichten anhängig ist, ihre Lehre weiterführen. Bei Beendigung der Lehre bezie­hungs­weise bei außerordentlicher Auflösung des Lehrverhältnisses bleiben die bisherigen Bestimmungen unberührt. (Bundesrat Steiner: Noch!) – Die bisherigen Bestimmungen bleiben unberührt. (Bundesrat Steiner: Noch!) – Um zu wissen, was in Zukunft pas­siert, musst du ein Hellseher sein. (Die Bundesräte Steiner und Ofner: Das haben wir schon gehört!)

Ich persönlich finde, dass dies eine sinnvolle Gesetzesänderung ist, weil das Fertig­lernen eines Berufes ermöglicht wird. Dieses Fertiglernen kann einerseits für Men­schen eine Grundlage für die Zukunft sein, andererseits stehen damit der Wirtschaft in dieser Zeit in Mangelberufen Arbeitskräfte zur Verfügung. Das muss man ganz prag­matisch sehen.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Ihnen, Herr Bundes­minis­ter, für Ihre Initiative und Ihr Engagement in dieser Frage. (Zwischenruf des Bundes­rates Ofner.)

Zum Schluss möchte ich noch ein Detail am Rande ansprechen: Wir haben ja heute auch schon gehört, dass die freiheitliche Fraktion gegen dieses Gesetz ist. (Bundesrat Steiner: Aus gutem Grund!) Man kann gerne anderer Meinung sein, eine Diskussion sollte man aber immer führen. (Bundesrat Steiner: Ja, machen wir eh!) Für mich zeugt es eher nicht von großem Demokratieverständnis der freiheitlichen Fraktion, dass sie überhaupt gar nicht in Verhandlungen eingetreten ist und das Problem auch nicht lösen wollte. (Bundesrat Steiner: Was für ein Problem?! Hat es ja keines gegeben!) Eine


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solche Verweigerung ist sehr ungewöhnlich und ihr solltet das, diese Vorgangsweise vielleicht in der Zukunft noch einmal überdenken. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ofner: Wir sind am Boden der Rechtsstaatlichkeit! – Bundesrat Steiner: Wir sind am Boden der Rechtsstaatlichkeit, im Gegensatz zu den Sozialisten!)

11.20


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile es ihr.


11.21.08

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Ober­öster­reich): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Zuse­herinnen und Zuseher auf der Galerie! Liebe KollegInnen und liebe ZuseherInnen via Livestream! Als im Jahr 2015 viele Menschen nach Europa flüchteten, war es auch so, dass sehr viele junge Menschen dabei waren, die in Österreich alleine oder mit ihren Familien einen Asylantrag gestellt haben. In Anbetracht der Tatsache, dass die erhöhte Asylantragszahl damals genau mit der Zusammenlegung der Asylbehörde und der Fremdenbehörde zusammenfiel, war eigentlich relativ schnell klar, dass die Asylver­fahren wieder über einen längeren Zeitraum geführt werden.

Ja, und was lag da näher, als diesen jungen Menschen in dieser Zeit des Wartens die Gelegenheit zu geben, eine Ausbildung zu machen? Auf der einen Seite stand der allseits bekannte Fachkräftemangel, insbesondere eben in Mangelberufen, und auf der anderen Seite waren da junge Menschen, die aller Wahrscheinlichkeit nach viele Jahre ihres Lebens in Österreich verbringen werden. Auf Initiative unseres oberöster­reichi­schen grünen Landesrates Rudi Anschober wurde dann die Möglichkeit geschaffen, dass AsylwerberInnen eine Lehre in Österreich unter gewissen Voraussetzungen beginnen können. Viele junge Menschen verschiedener Staatsangehörigkeiten haben diese Möglichkeit genutzt und so ist es in den vergangenen Jahren zu zahlreichen Win-win-Situationen gekommen.

Jetzt stellte sich heraus, dass nicht alle dieser Lehrlinge auch einen Aufenthaltstitel nach dem Asylgesetz erhalten können, und deshalb kam es in der Vergangenheit zu durchaus sehr dramatischen Situationen im Zuge von Abschiebungen abgelehnter AsylwerberInnen während ihrer Lehrzeit. Jetzt frage ich Sie: Worin liegt der Sinn, Menschen während einer gestatteten und laufenden Ausbildung abzuschieben? Über 2 000 Unternehmen, 135 Gemeinden, 80 000 Zivilpersonen haben in der Petition „Ausbildung statt Abschiebung“ gefordert, eine Möglichkeit zu schaffen, dass diese Lehrlinge zumindest ihre Ausbildung in Österreich beenden können. Diese Möglichkeit wird nun mit dieser Gesetzesänderung geschaffen. Es handelt sich dabei lediglich um eine Hemmung der Frist zur freiwilligen Ausreise, die üblicherweise ja mit Erteilung einer negativen Entscheidung, sobald diese rechtskräftig wird, zu laufen beginnt. Mit dieser Hemmung wird es nun in der Praxis möglich, dass die Lehrlinge ihre Ausbildung endlich auch beenden können.

Das bedeutet für die Betriebe Planungssicherheit in Bezug auf die Restaus­bildungs­dauer ihrer MitarbeiterInnen, und in dieser Zeit haben die Betriebe weiter wichtige Arbeits­kräfte zur Verfügung. Ich denke da insbesondere an die Gastronomiebetriebe, die ohne ihre Lehrlinge die Öffnungszeiten wahrscheinlich noch viel mehr einschränken müssten. Ich persönlich komme aus dem Salzkammergut, und da erlebt man es täg­lich, dass Personalmangel herrscht. Gerade die Flüchtlinge, die AsylwerberInnen ha­ben in den letzten Jahren dort großartige Dienste geleistet. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)


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Daher ist diese Gesetzesänderung das Mindeste, um den jetzigen Zustand zu reparie­ren. Für uns Grüne geht es nicht weit genug, denn diese Gesetzesänderung – ja, es muss gesagt werden! – umfasst nämlich jene Menschen nicht, die genau während dieser Zeit, als diese Gesetzesänderung ausgearbeitet worden ist, ihre negativen Bescheide erhalten haben, nicht zum Höchstgericht gegangen sind und jetzt ihrer Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise nachkommen. Da geht es vielleicht um zehn oder 15 Personen, die hätten also schon noch mit umfasst sein können. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Ich sage es jetzt ganz offen: Diese Leute sind für mich mit derselben Argumentation zu bewerten, die gerade schon mehrfach ausgeführt worden ist.

Was für mich immer noch fehlt, was für uns Grüne immer noch fehlt, was für andere Kollegen immer noch fehlt, ist, dass es diesen Menschen nach Abschluss ihrer Aus­bildung ermöglicht wird, einen Aufenthaltstitel in Österreich zu bekommen, weil es sinnvoll ist. Es ist absolut sinnvoll, dass Menschen, die hier bestens ausgebildet worden sind, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, die nicht Zuwandern müssen und so weiter, auch die Möglichkeit bekommen, weiter NettoeinzahlerInnen dieses Systems zu sein. In Deutschland gibt es das schon, es wurde ein Modell, das Drei-plus-zwei-Modell, entwickelt – das ist auch schon öfter angesprochen worden –, womit es Lehrlingen gestattet wird, sich nach Abschluss ihrer Ausbildung zwei weitere Jahre im Land aufzuhalten.

Wir als grüne Fraktion werden heute dieser Gesetzesänderung natürlich zustimmen, obwohl sie nicht hundertprozentig optimal für uns ist, aber zumindest endlich einen großen Missstand bereinigt. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesräte Gross und Schreuder.)

11.26


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich erteile es ihr.


11.26.38

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Besuchergalerie! Ich möchte heute in meiner ersten Rede im Plenum des Bundesrates zum vorliegenden Antrag betreffend Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 Stellung beziehen, in dem es um die „Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise zum Zweck des Abschlusses einer begonnenen Be­rufsausbildung“ geht.

Zu Beginn von meiner Seite ein kurzer Blick in die Vergangenheit: Zwischen 2012 und 2018 galt ein Erlass des damaligen Bundesministers für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz, der es Asylwerbern – im Gegensatz zur Trennung der Begriffe Asyl und Zuwanderung – während des offenen Asylverfahrens ermöglicht hat, eine Lehre zu beginnen. Der Hintergrund war, dass den jungen Menschen, die bei uns in Österreich Schutz und Asyl suchten, in der Zeit des offenen Verfahrens – und wir wissen, die Verfahren waren in der Vergangenheit oft sehr langwierig – Arbeit und Beschäftigung angeboten wurde. Diese Entscheidung hat uns eben in diese Situation geführt, dass Asylwerbern, die in einem aktiven Lehrverhältnis stehen und meist gut integriert sind, bei einem negativen Aufenthaltsbescheid eine Abschiebung droht.

Aktuell sprechen wir von 767 Personen, die momentan in Österreich davon betroffen sind. Derzeit, das möchte ich betonen, ist es ja nicht mehr möglich, bei einem lau­fenden Asylverfahren in eine Berufsausbildung einzutreten, und das ist auch gut so.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 52

Ziel ist es und muss es sein, die Asylverfahren so kurz wie möglich zu gestalten und damit auch ehestmöglich Klarheit für die betroffenen Asylwerber zu schaffen.

Jetzt, so bin ich überzeugt, ist es für uns als christlich-soziale Volkspartei eine Pflicht, für diese betroffenen Menschen eine rechtsstaatliche und vor allem menschliche Lösung zu finden. Das heißt, jene, die während ihres aktiven Lehrverhältnisses einen negativen Asylbescheid bekommen, sollten ihre Berufsausbildung auch abschließen können, eben für die Dauer von maximal vier Jahren. Erst dann müssen sie unser Land verlassen. Weiters besteht für sie ja über den Weg der Rot-Weiß-Rot-Karte die Möglichkeit, wieder in unserem Land zu arbeiten.

Weiters möchte ich betonen, dass straffällig gewordene Asylwerber ihre Berufsaus­bil­dung natürlich nicht beenden können, sie haben sofort die Ausreise anzutreten. Für sie sollte diese Regelung nicht gelten.

Abgesehen von den 767 betroffenen Lehrlingen müssen wir auch an die Lehr- und Ausbil­dungsbetriebe denken, die zu Recht wirtschaftliche Interessen haben und sich von uns, von der Politik Rechtssicherheit erwarten. Um einen Asylwerbenden als Lehr­ling auszubilden, zu beschäftigen, bedarf es auch viel Engagements und viel Auf­wands.

Zum Abschluss möchte ich sagen: Diese vorliegende Gesetzesänderung ist kein neuer Aufenthaltstitel, nein, es ist die Lösung eines Problems, das in der Vergangenheit entstanden ist. Wir bekennen uns ganz klar zu der Regelung, dass Asyl und Zuwan­derung klar auseinandergehalten und getrennt werden müssen. (Bundesrat Rösch: Warum tut ihr es dann nicht?) Die Zuwanderung ist der Weg von Menschen, die nach Österreich kommen und hier arbeiten wollen. Dieser Weg ist geordnet, geregelt im Interesse der Betroffenen, aber auch im Interesse von Österreich. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann nicht im Interesse von Österreich sein!)

Im Gegensatz dazu – und das wird wirklich sehr oft vermischt – steht das Thema, über das wir heute diskutieren: Asyl. Asyl bedeutet, dass Menschen durch eine Notlage zur Flucht gezwungen werden und in unserem Land Schutz beantragen. Asyl bedeutet ein Verfahren, und am Ende dieses Verfahrens steht ein Erkenntnis. Lautet dieses Erkenntnis, dieser Mann, diese Frau verdienen unseren Schutz, so gewähren wir in Österreich Asyl, und erst dann beginnt der Zugang zum Arbeitsmarkt – alles andere führt uns in die Irre. Ich bin daher der Meinung, wir müssen diesen geraden und klaren Weg beibehalten. Wir von der ÖVP sind für diesen klaren und geraden Weg, für ein rechtsstaatliches Vorgehen mit menschlichen Zügen.

In diesem Sinne ersuche ich Sie um Ihre geschätzte Zustimmung und darum, diesen Antrag zu unterstützen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.31


Vizepräsident Michael Wanner: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Inneres Dr. Wolfgang Peschorn. – Bitte.


11.31.48

Bundesminister für Inneres Dr. Wolfgang Peschorn: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Meine lieben Zuschauer! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Ich hatte ursprünglich nicht vor, mich zu Wort zu melden, aber es wurden hier doch einige Dinge besprochen, zu denen ich die Gelegenheit nutzen will, sie sachlich klarzustellen.

Erstens einmal – das ist schon erwähnt worden –: Was Sie heute beschließen werden oder was Sie zu beschließen haben, ist das Ergebnis eines Initiativantrages, der letzt­endlich zustande gekommen ist, weil es Entschließungsanträge im Nationalrat gab und


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ich dann in weiterer Folge die Fraktionen zu mir ins Haus gebeten habe, um einmal festzustellen, ob es in dieser Frage eine mehrheitlich getragene Lösung geben kann. Das Ergebnis war eine Punktation, in der die wesentlichen Bestandteile einer gesetz­lichen Regelung zusammengefasst wurden, und in weiterer Folge hat mein Haus, ha­ben meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann einen Gesetzesvorschlag erstellt.

Zum Thema Rechtsstaatlichkeit möchte ich festhalten: Wenn Sie dieses Gesetz be­schließen, dann haben Sie die Rechtsstaatlichkeit gewahrt. (Bundesrat Steiner: Und Gerichtsurteile aufgehoben?!) – Ich danke für dieses Stichwort. Was wir hier beschließen werden, wenn Sie das tun, ist nichts anderes als das, was wir in der Rechtsordnung in vielen Bereichen kennen. Lassen Sie mich das hier einmal sehr sachlich festhalten.

Bei einem Asylverfahren handelt es sich immer um ein Verwaltungsverfahren. Dieses Verwaltungsverfahren hat einen bestimmten Instanzenzug und das ordentliche Verfah­ren endet beim Bundesverwaltungsgericht. Wenn Sie eine abschlägige Entscheidung erhalten, sind Sie verpflichtet, diese abschlägige Entscheidung auch zu vollziehen, das heißt, freiwillig auszureisen, es sei denn, Sie ergreifen ein außerordentliches Rechts­mittel und es wird Ihnen gleichzeitig mit einem Antrag, den Sie gestellt haben, auch eine aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das ist nicht anders als in jedem Verwal­tungs­verfahren – denken Sie an eine Verkehrsstrafe et cetera –, Sie sind zunächst ange­halten, selbst den rechtmäßigen Zustand herzustellen.

Die Rechtsordnung kennt – ob das nun in der gerichtlichen Exekutionsordnung, im Ver­waltungsvollstreckungsgesetz oder in vielen, vielen Materiengesetzen ist – aus be­stimmten Gründen, die der Gesetzgeber festlegt, die Möglichkeit, Vollstreckungs­hand­lun­gen aufzuschieben; und nichts anderes wird hier geschehen. Im Fremdenpolizei­gesetz wird es zu einer Möglichkeit gesetzlicher Natur kommen, ein rechtskräftig aus­gesprochenes Abschiebegebot beziehungsweise Gebot, außer Landes zu reisen, aufzuschieben. (Bundesrat Rösch: Aber nicht durchs Parlament!) – Nein, durch die Vollziehung. (Bundesrat Rösch: ... machen das aber jetzt!)

Der Bundesminister für Inneres und die seinem Ministerium nachgeordneten Behör­den, also auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sind dazu da, Gesetze zu vollziehen; und mit diesem Beschluss wird eine weitere rechtsstaatliche Grundlage geschaffen. (Bundesrat Rösch: Eben!)

Asyl und Migration sind Themen, die seit Jahren in Diskussion stehen, und ich muss den Hinweis auf einen erst jüngst durch die Medien bekannt gewordenen Fall auf­greifen und Ihnen sagen: Nicht ich habe die Gesetze verfasst und beschlossen, son­dern der Nationalrat und der Bundesrat. Gesetze sind unteilbar, § 13 und § 50 Frem­denpolizeigesetz legen der Vollziehung ganz deutlich nahe, die Menschenrechte in jedem Stadium des Falles und daher auch unmittelbar vor einer Abschiebung, einer zwangsweisen Außerlandesbringung, zu beachten.

Es ist nichts Ungewöhnliches – ich habe das schon im Plenum des Nationalrates ge­sagt –, dass es immer wieder kurzfristig zur Entscheidung kommt, Menschen, die auf der Liste für einen sogenannten Charterflug stehen, wieder von dieser Liste herun­terzunehmen. Das ist in meiner Amtszeit weniger oft passiert als in der Amtszeit meines Vorvorgängers, das ist statistisch belegt und objektivierbar. Nur daraus, dass das passiert und rechtsstaatliche Vollziehung darstellt, zu schließen, dass Rechte gebrochen werden, halte ich für nicht nachvollziehbar, und das kann ich für meinen Verwaltungsbereich daher mit aller Entschiedenheit zurückweisen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der BundesrätInnen Gross, Hauschildt-Buschberger, Lackner und Schreuder.)

Da wir nun vor einer Zeit stehen, in der die meisten Menschen in Österreich doch einige Stunden der Besinnung vor sich haben, muss ich Ihnen sagen: Es ist auch für


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die Menschen, die diese Gesetze zu vollziehen haben, für die Beamtinnen und Be­amten, nicht immer leicht, und deswegen möchte ich hier für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Lanze brechen. Sie sind tagtäglich bemüht, in diesem sehr schwierigen Umfeld – Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass es in der Öffent­lich­keit sehr kontroversiell diskutiert wird – die Gesetzmäßigkeit der Vollziehung sicher­zu­stellen. Das war bei dem heute in der Diskussion erwähnten Fall der Fall und das wird auch in Zukunft der Fall sein. Dafür möchte ich in meiner Funktion als Innenminister einstehen.

Zum Abschluss bedanke ich mich sehr, wünsche Ihnen genau diese besinnliche Zeit, frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der BundesrätInnen Gross, Hauschildt-Buschberger, Lackner und Schreuder.)

11.37

11.37.44


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir zum 3. Punkt der Tagesordnung kommen, begrüße ich Herrn Bundesminister für Finanzen Eduard Müller recht herzlich bei uns. (Allgemeiner Beifall.)

Herzlich willkommen heiße ich auch die neu hereingekommenen jungen Menschen, die sich für unsere Arbeit hier im Hohen Haus interessieren. (Allgemeiner Beifall.)

11.38.473. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schafts­dienst­gesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Bundes­lehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenz­gesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3. Dienstrechts-Novelle 2019) (46/A und 9 d.B. sowie 10268/BR d.B. und 10269/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Reinhard Pisec. – Bitte.


11.39.08

Berichterstatter Mag. Reinhard Pisec, BA MA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechts­ge­setz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landes­vertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertrags­lehrpersonengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutterschutz­ge-


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setz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden, alias 3. Dienst­rechts-Novelle 2019.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Dezember 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Michael Wanner: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Magnus Brunner. Ich erteile es ihm.


11.40.44

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Dienstrechtsnovellen haben oft einen sehr technischen Inhalt, aber prinzipiell kann man sagen, dass wir mit dieser Novelle doch dazu beitragen, dass unser öffentlicher Dienst unter modernen Rahmenbedingungen für uns Bürgerinnen und Bürger arbeiten kann – die Bediensteten im öffentlichen Bereich vollziehen ja nicht zuletzt auch die Gesetze, die wir hier in diesem Haus beschließen.

Mit dieser Novelle gibt es für die öffentlich Bediensteten eine Gehaltsanpassung für 2020 von durchschnittlich 2,25 Prozent; bei den Zulagen sind es 2,3 Prozent, min­des­tens aber 50 Euro. Das ist eine doch große Wertschätzung der Leistung aller öffentlich Bediensteten in unserem Land. – Daneben gibt es noch ein paar Punkte, die ich jetzt nur beispielhaft hervorheben möchte.

Da gibt es zum einen die Möglichkeit der Wiedereingliederungsteilzeit, die bisher befristet war. Diese Befristung entfällt mit dem heutigen Beschluss. Wir reagieren damit auf sehr positive Erfahrungen gerade des letzten Jahres. Es ist daher sehr sinnvoll, diese Wiedereingliederungsteilzeit in Zukunft unbefristet zur Verfügung zu haben.

In einem zweiten Punkt bannen wir die – sozusagen – Gefahr eines doppelten An­spruchs beim Papamonat: Öffentlich Bedienstete haben schon seit längerem Anspruch auf diesen Papamonat, in der Privatwirtschaft ist das hinzugekommen. Für Vertrags­bedienstete hätte das zur Folge, dass sie zum Teil einen doppelten Anspruch haben, und diesen doppelten Anspruch für öffentlich Bedienstete schließen wir mit dieser Regelung nunmehr aus.

Ein dritter Punkt betrifft die Umsetzung einer EU-Judikatur; dabei geht es um den Ver­fall des Urlaubsanspruchs. Es gibt jetzt in diesem Bereich eine Hinweispflicht für den Arbeitgeber: Er muss den Bediensteten klar und auch nachweislich auf den Verfall hinweisen und ihm auf der anderen Seite auch die Möglichkeit für das Konsumieren dieses Urlaubs gewähren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in Österreich haben eine sehr leistungsfähige Verwaltung mit sehr kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Gerade auch jetzt, in dieser Übergangsphase, in der wir uns befinden, mit der Übergangsregierung, haben die Kolleginnen und Kollegen gezeigt, dass die Verwaltung hervorragende Arbeit leisten kann, auch für Stabilität sorgt, für Vertrauen, für Verlässlichkeit sorgen kann, und dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Es ist daher nur sehr recht und fair, dass die Bediensteten mit dieser Novelle auch einen entsprechenden Beitrag er­halten.


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Es ist Weihnachten – zumindest bald –, und ich habe letzthin einen humoristischen Beitrag gelesen, nämlich eine Anleitung für öffentlich Bedienstete betreffend das Auf­stellen von Weihnachtsbäumen, die ich euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht vorenthalten möchte:

„Ein Dienstweihnachtsbaum“ – ein sogenannter DWB – „darf nur von sachkundigen Personen nach Anweisung des unmittelbaren Vorgesetzten aufgestellt werden. Dieser hat darauf zu achten, dass

- der DWB [...] mit seinem unteren der Spitze entgegengesetzten Ende in einen zur Aufnahme von Baumenden geeigneten Halter eingebracht und befestigt wird

- der DWB in der Haltevorrichtung derart verkeilt wird, dass er senkrecht steht

- im Umfallbereich des DWB keine zerbrechlichen oder durch umfallende DWB in ihrer Funktion zu beeinträchtigende Anlagen vorhanden sind“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen diese Anweisung und Anleitung hoffent­lich nicht, und die öffentlich Bediensteten sowieso nicht. Ich wünsche euch allen ein frohes Weihnachtsfest und geruhsame Feiertage, vor allem den öffentlich Bediensteten und vor allem auch den öffentlich Bediensteten hier in diesem Haus, hier im Parlament. Frohe Feiertage und alles Gute für 2020! (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

11.45


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile es ihr.


11.45.22

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herz­liche Gratulation auch noch einmal von mir persönlich! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die heute vorliegende Dienstrechts-Novelle ist bereits das dritte derartige Gesetzeswerk, welches mit Abän­de­rungen von 14 einschlägigen Bundesgesetzen notwendige Anpassungen und Ergän­zungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundesdienstes umfasst.

Wie mein Vorredner schon gesagt hat, enthält sie zunächst den Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst ab 1.1.2020. Aufgrund der zwischen der Regierung und der Be­amtengewerkschaft getroffenen Vereinbarung werden die Gehälter für Vertrags­be­dienstete und Beamtinnen und Beamte des Bundes angehoben, und zwar gestaffelt zwischen 2,25 Prozent im obersten und 3,05 Prozent im untersten Einkommens­be­reich. Das Gesetz bringt aber auch einige grundlegende Neuerungen – auch das hat mein Vorredner schon gesagt – und Klarstellungen, angefangen vom Urlaubsverfall über den Papamonat bis hin zur Schulevaluation.

Einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes folgend kann sich der Dienstgeber künf­tig nicht mehr automatisch auf die bisherige Regelung berufen, wonach Urlaubsan­sprüche grundsätzlich verfallen, wenn sie nicht bis 31. Dezember des Folgejahres beziehungsweise aufgrund dienstlicher Umstände ein Jahr später aufgebraucht wurden. Vielmehr soll der beziehungsweise die Vorgesetzte nachweisen müssen, dass er beziehungsweise sie rechtzeitig und unmissverständlich auf die Inanspruchnahme des Urlaubes gedrängt und diesen auch ermöglicht hat. Es hat also ein Urteil des EuGH dazu geführt, dass wir als Gesetzgeber tätig werden müssen, und das zum Wohl der öffentlich Bediensteten, wie ich schon betonen möchte.


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Mit Blick auf stetig steigende Zahlen von belastungsbedingten Erkrankungen ist es umso wichtiger, dass dieser Schritt jetzt gesetzt wird. Urlaub ist essenziell für Erholung, für Zeit, die mit der Familie verbracht werden kann, die sinnvoll genutzt und zum Beispiel für ehrenamtliches Engagement eingesetzt werden kann. Urlaub ist vor allem Zeit, über die man frei verfügt und in der man sich auch von Belastungen des Arbeits­alltages erholen kann.

Nun muss aber auch gefragt werden, wieso Urlaub überhaupt stehen bleibt. Liegt es an der fehlenden Urlaubswilligkeit? – Das kann ich mir nicht vorstellen. Vielmehr kann ich mir vorstellen, dass der Urlaub aufgrund von vielen Überstunden, die ja auch im Zeitausgleich konsumiert werden können oder müssen, stehen bleibt, oder dass es aufgrund von personellen Engpässen zu einer höheren Arbeitsleistung der einzelnen öffentlich Bediensteten kommt, die damit immer stärker unter Druck geraten.

Da ist Abhilfe zu schaffen; dies ist auch ein Auftrag an die künftige Bundesregierung. Ein guter öffentlicher Dienst, von dem wir aber auch alle profitieren – dies gilt für die Bediensteten ebenso wie für die Bevölkerung, die aus guten öffentlichen Leistungen unmittelbar Vorteile zieht –, kostet Geld. Es braucht die Finanzierung, um Lücken beim Personal zu schließen. Stellen wir so den öffentlichen Dienst auf gesunde Beine!

Ergänzend dazu wird normiert, dass Erklärungen und Anträge auf Ruhestands­verset­zungen in Zukunft frühestens drei Monate nach Einbringen – statt wie bisher nach zwei Monaten – wirksam werden.

Durch eine Änderung des Väter-Karenzgesetzes werden Auslegungs- und Vollzugs­probleme hinsichtlich des sogenannten Papa- oder Babymonats beseitigt. An dieser Stelle möchte ich kurz grundsätzlich auf die Bedeutung dieses Babymonats hinweisen. Der öffentliche Dienst war da beispielgebend und Vorreiter, wie auch schon mein Vor­redner erwähnt hat; immerhin gilt er mittlerweile seit 2015 auch für gleichge­schlecht­liche Paare.

Waren 2011, als er eingeführt wurde, nur 189 Personen einen Monat lang bei ihren Babys zu Hause, war 2016 bereits jeder siebte Anspruchsberechtigte im öffentlichen Dienst im Babymonat. Das Modell findet Anklang. Letztes Jahr hat ihn bereits jeder Fünfte in Anspruch genommen. Insgesamt waren seit 2011 mehr als 2 500 Elternteile im Babymonat und konnten damit in einer besonders wichtigen Phase der Elternschaft verstärkt am Familienleben teilnehmen.

Als Sozialdemokratin freut mich das natürlich besonders. Immerhin waren wir es, die das viele Jahre lang gefordert haben und letztlich im freien Spiel der Kräfte vor der Nationalratswahl eine Mehrheit finden und den Rechtsanspruch auf ein Babymonat für alle sicherstellen konnten. (Beifall bei der SPÖ.) Dass wir jetzt anlässlich der Geburt eines Kindes zusätzlich einen Anspruch auf Freistellung schaffen, ist eine wichtige Ergänzung.

Schließlich regeln Übergangsbestimmungen die Weiterbeschäftigung britischer Staats­bürger und Staatsbürgerinnen nach dem Brexit. Damit schaffen wir Rechtssicherheit für jene Menschen, die vom Austritt ihres Heimatlandes aus der Europäischen Union ohnehin schon stark betroffen sind beziehungsweise sein werden, aber auch für die Dienststellen, bei denen sie tätig sind – ganz speziell meine ich im Bildungsbereich all die Austauschlehrer, Austauschassistenten, die wir haben –, und überhaupt im öffent­lichen Dienst. Wir wollen nicht, dass gute und wichtige Arbeitskräfte wegen der politi­schen Entscheidung in ihrem Heimatland Sorge um ihre Beschäftigung hier in Öster­reich haben müssen. Deshalb ist dieser Schritt zu begrüßen.


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Zum Abschluss möchte auch ich mich bei allen öffentlich Bediensteten für ihre tolle Arbeit herzlich bedanken. Ich wünsche ein schönes Fest und ein ganz tolles 2020! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

11.53


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Spanring. Ich erteile es ihm.


11.53.41

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und via Livestream! Mit dieser Dienstrechts-Novelle werden einige Detailregelungen für den öffentlichen Dienst, angefangen vom Papa­monat bis hin zur Schulevaluation, geändert. Unter anderem wird mit dieser Novelle auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Frage des Urlaubsverbrauchs reagiert. Das haben die Vorredner bereits ausführlich dargelegt, ich werde das nicht wiederholen.

Alles in allem muss man sagen, ist diese Novelle kein großer Wurf. Wir stimmen trotz­dem zu, vor allem wegen des Gehaltsabschlusses für alle öffentlich Bediensteten, auch wenn dieser leider geringer ausfällt, als er noch zur Zeit einer blauen Regierungs­beteiligung ausgefallen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich einigen Kollegen, vor allem Vertretern der pinken Chaotentruppe, zuhöre, dann denke ich mir schon meinen Teil und hoffe auch immer, dass möglichst viele öffentlich Bedienstete bei den Nationalratssitzungen zuhören. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Mit Pink meine ich die NEOS. (Bundesrat Schennach: Wir wissen eh!) Da wird dann immer von Privilegien gesprochen, welche Privilegien die Beamten haben und wie gut es ihnen im Vergleich zu allen anderen doch geht. – Ja, es mag sein, dass der eine oder die andere wirklich noch Privilegien hat, die meisten jedoch – und ich kenne sehr viele Beamte aus sehr vielen Bereichen – haben keine Privilegien und auch keine Vorteile.

Und von den Nachteilen, die ein Beamter hat, wird nie gesprochen; zum Beispiel davon, dass es keine Abfertigung gibt, dass es im Falle eines Vergehens eine doppelte Bestrafung gibt, weil man nicht nur strafrechtlich verfolgt, sondern auch disziplinar­rechtlich zur Verantwortung gezogen wird. Das geht im Falle eines Amtsverlustes sogar so weit, dass man alles verliert; auch die über viele Jahre angesparten oder aufgebauten Pensionsansprüche sind dann weg.

Davon, meine Damen und Herren, spricht niemand! Ich würde gerne einmal Herrn Nationalrat Loacker, den für mich inzwischen Beamtenbasher Nummer eins dieser Republik, bei 36 Grad oder im Winter bei minus 10 Grad, wenn vielleicht auch noch der Wind weht, hinten oben auf einem Müllwagen erleben. Ich würde gerne einmal Herrn Nationalrat Loacker nach einer 24-Stunden-Schicht in einem Krankenhaus erleben. Ich würde gerne einmal Herrn Nationalrat Loacker, nachdem er einen Haftraum gestürmt hat, um einen Raufhandel zwischen mehreren Insassen zu beenden, fragen, wie es mit all den Privilegien für die öffentlich Bediensteten aussieht.

Meine Damen und Herren! Unsere öffentlich Bediensteten – das sind beim Bund im­merhin rund 135 000 Menschen und alle gemeinsam, eben auch mit jenen in den Ländern und Kommunen, knapp 355 000 Menschen –, all diese öffentlich Bediensteten sind die Säulen dieses Staates. Ohne sie, meine Damen und Herren, würden wir heute diese Sitzung hier nicht abhalten können. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.) Unsere öffentlich Bediensteten setzen ihre Vorgaben pflichtbewusst um und sie sind jene,


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ohne die ein Staat ganz einfach nicht funktionieren könnte. Ich danke ihnen für ihren Einsatz und für die großartige Arbeit, die sie leisten. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

Apropos leisten, das ist ein gutes Stichwort: Ja, ein Bediensteter, ein guter Bediens­teter, kostet Geld. Komisch ist Folgendes: Jedes Mal, wenn es darum geht, die halbe Welt zu finanzieren, halb Afrika und Asien bei uns aufzunehmen, sind wir ein ach so reicher und ach so wohlhabender Staat. Kaum geht es um die eigenen Einrichtungen, kaum geht es um unsere Beamten, ist kein Geld mehr da. Da sind wir dann nicht mehr reich und auch nicht mehr wohlhabend. Jetzt frage ich mich: Sind wir jetzt reich und wohlhabend oder sind wir nicht reich und wohlhabend? – Ich persönlich glaube, wir hätten genügend Geld, man müsste es eben nur richtig einsetzen. Die türkis-blaue Regierung war diesbezüglich auf einem guten Weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin gespannt, wie die ÖVP weitermacht, ob die Schwarzen mit ihrem neuen Partner unsere Beamten wieder aushungern lassen werden oder ob man nun endlich ver­standen hat, dass in den letzten 15 Jahren, mit eben einer kurzen Ausnahme, das Beamtentum im wahrsten Sinne des Wortes an die Wand gefahren wurde. Es werden in den nächsten Jahren irrsinnig viele in Pension gehen und es ist oftmals keine Nachfolge in Sicht. Es ist einfach niemand da. Türkis-Blau hat darauf reagiert; unter anderem mit Rekrutierungskampagnen.

Das Bundesheer lässt man im Stich. Wenn Türkis-Grün tatsächlich kommt, dann gnade ihm Gott. Kogler hat ja schon angekündigt: nur mehr Katastropheneinsätze. – Meine Damen und Herren, seien Sie realistisch! Beim derzeitigen Zustand der Truppe ist jeder Einsatz ein Katastropheneinsatz. So schaut es aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben in allen Bereichen sehr gutes Personal. Wir haben auch beim Bundesheer sehr gutes, hoch qualifiziertes Personal, nur kann man die Mitarbeiter auf Dauer ganz einfach nicht mehr halten. Sie gehen weg, sie verdienen anderswo das Doppelte oder das Dreifache und bekommen da auch das Ansehen und die Wertschätzung, die ihnen in Wahrheit zusteht. (Bundesrat Pisec: Der Platter hat das Bundesheer ruiniert!)

Das Heer wird seit 30 Jahren systematisch von Reform zu Reform zu Tode gespart, da ist es derzeit bereits fünf nach zwölf. Viele Bereiche sind einfach maßlos unterbesetzt. Da rede ich nicht nur vom Bundesheer: Schauen Sie zur Polizei, zur Justizwache, schauen Sie zur Justiz selbst, schauen Sie zu den Krankenhäusern, zu manchen Pfle­geeinrichtungen! Es braucht da weitere offensive Maßnahmen zur Personalgewinnung, wie wir sie als Freiheitliche in der Regierungsverantwortung auch umsetzen wollten. Wir sollten alles tun, um unsere Beamten bestmöglich zu motivieren. Sie müssen ihre schwierigen Aufgaben tagtäglich überhaupt ausführen können.

Was manche Ministerien machen, ist genau das Gegenteil davon. Ist ein Beispiel gefällig? – Sehr gerne! Justizwachebeamte müssen seit Neuestem für Parkplätze zahlen, wenn sie ihre Autos auf dem Anstaltsgelände parken. In Wien, wo es eine Parkraumbewirtschaftung gibt, sagt niemand etwas dagegen – da ist das nachvoll­ziehbar –, aber zum Beispiel in Sonnberg, in Göllersdorf, auf der Wilhelmshöhe in Pressbaum, dort, wo sich in Wahrheit Fuchs und Henne gute Nacht sagen, wo weit und breit keine Parkraumbewirtschaftung ist, wo man auch mit öffentlichen Verkehrs­mitteln nicht hinkommt, muss man mittlerweile eine Parkgebühr zahlen, wenn man auf dem Anstaltsgelände parkt. Übrigens müssen das Insassen und Besucher von Insas­sen nicht, nur die Beamten – und damit ist das Geld, das wir heuer als Lohnerhöhung beschließen, nächstes Jahr gleich wieder weg. Da kann ich nur sagen: Ich gratuliere zu einer solch grandiosen Idee! – Für alle, die das nicht verstanden haben: Das war jetzt sarkastisch gemeint. (Beifall bei der FPÖ.)

Liebe ÖVP, wir werden euch auf die Finger schauen, darauf schauen, was ihr in Zukunft für die öffentlich Bediensteten tut – während unserer Regierungsbeteiligung


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war ein eigenes Exekutivdienstrecht auf dem Weg, wir Freiheitliche wollten das für Polizei, Justiz und auch für Teile des Bundesheeres –, und ihr werdet daran gemessen werden.

Kennen Sie den teuersten Beamten? – Ich habe das vor circa einem Jahr schon einmal in einer Rede gebracht, und nein, das ist nicht auf eine Person zugeschnitten: Der teuerste Beamte, den es gibt, ist jener, der aus Frust seinen Dienst quittiert und seine Erfahrung und sein Know-how dorthin mitnimmt, wo er hingeht. Wer das ver­standen hat, wird auch verstehen, dass wir alles tun müssen, um unsere öffentlich Bediensteten bestmöglich zu motivieren und auch zu halten. (Beifall bei der FPÖ.)

12.03


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile es ihm.

12.03.20


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (ohne Fraktionszugehörigkeit, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir freuen uns über eine ganze Reihe von Dingen, die mit dieser Dienstrechts-Novelle beschlossen werden, zuallererst natürlich über die Gehaltsanpassung und auch über die Staffelung, durch die im untersten Einkommensbereich knapp, aber doch über 3 Prozent Einkom­mens­anpassung erreicht worden sind. Das ist sehr schön, denn gerade da ist es natürlich auch am notwendigsten, keine Frage. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Wir freuen uns über die bereits genannten Verbesserungen, die den Urlaubsgenuss betreffen, respektive die Sicherheit, dass Urlaub auch konsumiert werden kann und nicht verfällt. Ein spannendes Experiment ist die Einführung von Schulevaluatorinnen und ‑evaluatoren. Wir hoffen, dass sie helfen können, Probleme in den Schulen frühzeitig zu erkennen und dann schnell effektive Lösungen zu finden. Wir freuen uns zum Beispiel auch über Verbesserungen, die es für VerwaltungspraktikantInnen gibt – auch das ist nicht unwichtig.

Ich möchte jetzt aber auch die Gelegenheit nützen, um ein paar generelle Worte zum öffentlichen Dienst anzubringen, weil – und das sehe ich sogar ähnlich wie mein Vorredner – ein gut funktionierender öffentlicher Dienst für das Funktionieren eines Staates tatsächlich absolut essenziell ist. Es geht ja um wirklich umfangreiche Dienstleistungen und Angebote für BürgerInnen, sei es in der Verwaltung, in Schulen, im Gesundheitswesen oder in der Sicherheit. Umso bedauerlicher ist es, dass es doch immer wieder Stimmen gibt – derzeit vor allem von konservativ-liberaler Seite –, die meinen, der öffentliche Dienst sei generell zu aufgebläht, zu teuer.

Es gibt immer wieder Forderungen nach Verschärfungen und Verschlechterungen im öffentlichen Dienst. Immer wieder erleben wir, dass die Strategie verfolgt wird, möglichst viele BeamtInnen und Angestellte im öffentlichen Dienst abzubauen, nicht nachzubesetzen. Das ist quasi ein bisschen ein Selbstzweck, so nach dem Motto: Es ist prinzipiell gut, wenn eine Verwaltung schlank ist! – Das ist meines und unseres Erachtens ein seltsames Prinzip, weil eigentlich schon zu gelten hat, dass eine Ausstattung den Aufgaben zu entsprechen hat, und es auch im öffentlichen Dienst so zu sein hat, dass man die Aufgaben gut bewältigen kann. Ein magersüchtiger öffent­licher Dienst kann nicht das Ziel sein. Ich habe es in meiner Zeit in der öffentlichen Verwaltung auch selbst erlebt, wie eng manche Dienststellen gehalten werden.

Das heißt aber natürlich noch nicht, dass keine Aufgabenkritik erlaubt ist. Selbstver­ständlich darf man darüber diskutieren oder auch darüber, was hinein- und hinaus­gehört und so weiter, aber was drinnen ist, gehört auch gescheit ausgestattet.


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Spannend ist auch ein europäischer Vergleich: Da sieht man, dass in Österreich – vielleicht entgegen vielen Erwartungen oder kolportierten Meinungen – der Anteil der öffentlichen Bediensteten an der Zahl der Gesamtbeschäftigten gering ist; da liegen wir übrigens im europäischen Gesamtvergleich im unteren Viertel.

Wie bedenklich ein so überzogener Zugang zu Einsparungen werden kann, zeigt beispielsweise die Situation in der Justiz, die in einem Ausmaß unterbesetzt ist, das eigentlich nicht mehr zumutbar ist – weder für die Menschen, die noch dort sind, die Arbeit im Übermaß machen müssen, noch für das Funktionieren des Rechtsstaates. Letzteres ist natürlich hoch bedenklich und muss auch dringend behoben werden.

Ich habe es schon erwähnt: Um einen hochwertigen öffentlichen Dienst sicherzu­stel­len, ist es eben unerlässlich, aufgabenorientiert genug Ressourcen zu haben und auch gute, hoch qualifizierte, engagierte Leute zu bekommen, vor allem junge Leute, und das geht nun einmal nur mit exzellenten Arbeitsbedingungen. Ich weiß aufgrund mei­ner leitenden Funktionen im öffentlichen Dienst selbst, wie schwierig es ist, mit doch mitunter sehr moderaten Einstiegsgehältern Topexpertinnen und -experten für wichtige Stellen zu bekommen.

Ich erwähne das deswegen noch einmal, weil die Herausforderungen in den nächsten Jahren enorm werden. Wenn man sich die Statistik anschaut, dann sieht man, dass im Bundesdienst das Durchschnittsalter 46 Jahre ist, fast die Hälfte aller Bundesbediens­teten sind über 50. In der Privatwirtschaft liegt der Altersdurchschnitt im Vergleich bei 38 Jahren und nur ein Viertel ist über 50. Das heißt, in den nächsten zehn, 15 Jahren kommt massiver Handlungsbedarf, Stellenbedarf, Expertinnen- und Expertenbedarf auf den öffentlichen Dienst zu – im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen, in der Verwal­tung, eigentlich überall.

Darum ist für uns jedenfalls klar: Ein funktionierender Rechtsstaat, eine gute Verwal­tung, ein hochwertiges Bildungssystem und ein funktionierendes Gesundheitswesen brauchen hoch motivierte und gute MitarbeiterInnen. Die kriegt man nur, wenn die Arbeitsbedingungen attraktiv sind, wenn die Einkommen passen und so gestaltet sind, dass man auch ein sorgenfreies Leben führen kann und nicht dauernd auf der Suche nach einem anderen Job ist, in dem man vielleicht besser bezahlt wird – ja, und dann fehlt man im öffentlichen Dienst.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst bedanken – ein besonderer Dank gilt den MitarbeiterInnen der Bundesratskanzlei, weil es mich auch heute beim zweiten Mal hier im Plenum wirklich so gefreut hat, in welchem Ausmaß sie hilfsbereit sind. Das ist wirklich wunderbar, dafür möchte ich mich wirklich sehr, sehr bedanken und Ihnen allen auch schöne Weihnachten wünschen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.09


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr. (Bundesrätin Mühlwerth: Was? Ich bin da nicht gemeldet!) – Magst du nicht? Du bist noch gemeldet. (Rufe bei der SPÖ: Kahofer!) Dann ist es falsch eingegeben.

In diesem Fall erteile ich das Wort Herrn Bundesminister Müller. – Bitte, Herr Bundes­minister.


12.09.51

Bundesminister für Finanzen Dkfm. Eduard Müller, MBA, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Es ist, glaube ich, vieles


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gesagt. Lassen Sie mich dieses Kapitel trotzdem auch ganz kurz noch aus meiner Sicht resümieren.

Für den öffentlichen Dienst war das Jahr 2019 tatsächlich ein bewegtes Jahr, aber ein Jahr, in dem, glaube ich, gerade auch der öffentliche Dienst in Österreich seine Leis­tungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte. Das hat natürlich immer auch mit der Arbeit im Hohen Haus zu tun, wo wir, die klassische Verwaltung, uns immer auch ein bisschen als Unterstützer, als Konsulent des Gesetzgebers verstehen, aber natürlich auch – ich glaube, einige beindruckende Beispiele wurden auch schon ge­nannt – im Vollzug in den sehr unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes, Bereiche, an die man vielleicht, wenn man die Überschrift Beamte oder öffentlicher Dienst hört, nicht immer denkt. Ich glaube, es ist uns allen bewusst, dass diese Herausforderungen in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung, auch von zunehmen­der Polarisierung der Gesellschaft nicht einfacher werden.

Wir haben gerade im öffentlichen Dienst, auch das ist schon gefallen, die besondere Situation einer demografischen Entwicklung, die weit weg von einer Normverteilung ist und die uns in den nächsten Jahren – wir halbieren uns in den nächsten 13 Jahren, wenn man den gesamten öffentlichen Dienst betrachtet – im Bereich Wissenstransfer, Kontinuität und Stabilität vor große Aufgaben stellen wird. Dazu braucht es Rahmen­bedingungen und dazu braucht es auch so etwas wie eine Verwaltungskultur.

Ich darf Ihnen hier stellvertretend für die vielen Tausend Kollegen und Kolleginnen in den verschiedenen Bereichen versichern, dass wir – und ein bisschen wechsle ich da wieder unter meinen Hut der Verwaltung – die Tradition der österreichischen Verwal­tung nicht so sehen, dass wir die Asche anbeten, sondern wir tragen diese Fackel auch weiter in eine neue Zeit. Ich nehme Ihren Dank für die vielen Kolleginnen und Kollegen entgegen und ich gebe ihn sehr, sehr gerne weiter.

Ich möchte mich auch bei Ihnen bedanken. Es hat nicht überall so geklappt mit nur verwalten, und wenn ich jetzt meinen Hut nicht als Finanzminister, sondern als Bun­des­minister für den öffentlichen Dienst und Sport nehme, so hatten wir gerade in diesem Bereich auch einige legistische Herausforderungen zu bewältigen – eine Gehaltsverhandlung, ohne eine Mehrheit im Hintergrund zu haben, war auch nicht einfach. Es war aber auch nicht einfach, das Thema Vorrückungsstichtag mit einigen Aufhebungen auf europäischer Ebene zufriedenstellend zu lösen – auch da noch einmal der Dank für die breite Unterstützung in diesem Haus.

In diesem Sinne auch von meiner Seite: Danke! Ein frohes Fest und alles Gute für 2020! (Allgemeiner Beifall.)

12.13

12.13.06


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschuss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 63

12.13.334. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird (84/A und 8 d.B. sowie 10274/BR d.B.)

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Bernd Saurer. – Ich bitte um den Bericht.


12.13.51

Berichterstatter Mag. Bernd Saurer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanz­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme zur Antragstellung.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Bun­desrat wolle beschließen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird, mit der beigegebenen Begrün­dung Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte.


12.14.48

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über die Haftung des Bundes oder der Länder sprechen, so sprechen wir auch über den Arbeitsmarkt, über die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Siche­rung bestehender Arbeitsplätze. Wir wissen, dass jeder zweite Job direkt oder indirekt von Export abhängig ist. Bei mittlerweile 4,3 Millionen Erwerbstätigen betrifft dies über zwei Millionen Arbeitsplätze. Da sieht man, welche wirtschaftliche Bedeutung unsere Exportwirtschaft hat.

6 von 10 Euro erwirtschaften wir im Export. Vor 25 Jahren, zum Zeitpunkt unseres EU-Beitritts, lag unser Exportvolumen bei 37 Milliarden Euro, im letzten Jahr haben wir die 150-Milliarden-Euro-Schallmauer durchbrochen. Wichtig ist auch, daran zu denken, dass die überwiegende Mehrheit der 61 000 Exportunternehmen vor allem kleine und mittlere Unternehmen sind und dass gerade für diese Unternehmen die Exportförde­rung ein enorm wichtiges Instrument ist.

In einem konkreten Beispiel werden von einem Unternehmen zur Finanzierung der laufenden Exportaufträge und -forderungen bis zu 30 Prozent des Jahresexport­um­satzes durch einen Exportfondskredit mit einem Zinssatz von 0,5 Prozent pro Jahr finanziert. Zur Abfederung des Zahlungsausfallrisikos übernimmt die Oesterreichische Kontrollbank eine Haftung für 80 Prozent des Kredits gegen ein Haftungsentgelt von 0,4 Prozent jährlich. Ohne diese günstige Risikoversicherung könnten die Unterneh­men oftmals die Exportgeschäfte weder finanzieren noch abwickeln.

Ich bringe ein kleines Beispiel für die zentrale Rolle der Exportförderung: Mit insgesamt 52,3 Prozent stellen die Exporthaftungen den größten Haftungsbereich des Bundes dar. Der zweite große Bereich sind Haftungen für die Infrastrukturinvestitionen, also in


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erster Linie für ÖBB und Asfinag. Die Haftungen zur Stabilisierung der Finanzmärkte sind in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, weil sich ganz einfach der Finanz­sektor erholt hat. Ausgangspunkt war der Österreichische Stabilitätspakt 2011 als Ant­wort auf die große Finanzkrise.

Bisher war ein pauschaler Gesamthaftungsrahmen für den Bund vorgesehen, ein Fix­betrag von 127 Milliarden Euro jährlich, der bei Weitem nicht ausgeschöpft wurde. Bund und Länder haben sich schon beim Finanzausgleich 2017 darauf geeinigt, künftig eine einheitliche Berechnung der Obergrenzen für Haftungen auf Basis der jeweiligen Abgabeneinnahmen vorzunehmen. Damit ist auch eine Vergleichbarkeit der Haftungen sichergestellt. Konkret gilt nun für die Bundeshaftungen eine Obergrenze von 175 Pro­zent der öffentlichen Nettoabgaben. Dies entspricht nach dem aktuellen Bundesfinanz­rahmen knapp 89,29 Milliarden Euro für 2019, 92,66 Milliarden Euro für 2020 und 95,41 Milliarden Euro für 2021.

Es ist schon richtig, dass der Rechnungshof darauf hingewiesen hat, dass die Gesamt­haftungsobergrenzen Zinsen und Kosten nicht umfassen. Richtig ist aber auch, und das darf man auch nicht vergessen, dass man damit entweder die Bund-Länder-Ver­einbarungen hätte neu verhandeln müssen oder dass es ganz einfach keine Ver­gleichbarkeit mehr gibt; bei der Obergrenze der Länder sind nämlich die Zinsen und Kosten auch nicht erfasst. Die Bund-Länder-Vereinbarungen sind maßgeblich vom da­maligen Staatssekretär Fuchs mitverhandelt worden. Dazu kommt, dass bei Einrech­nung von Zinsen und Kosten die Obergrenze für die Haftungen geringer wäre. Das wirkt sich natürlich unmittelbar auf die Export- und Unternehmensförderung unserer Betriebe aus.

Wie weitreichend diese Förderung eigentlich ist, zeige ich an einem Beispiel: Ein Tiroler Seilbahnunternehmen verkauft 90 Prozent seiner Tickets an ausländische Gäste – das gilt auch als Export. Die Erweiterungs- oder Ersatzinvestitionen können durch die Haftung der Oesterreichischen Kontrollbank abgesichert werden. Es gilt ganz einfach sicherzustellen, dass solche Unterstützungsmöglichkeiten auch in Zukunft möglich sind.

Um Transparenz brauchen wir uns auch nicht zu sorgen, ein Gesamtüberblick der Haftungen des Bundes, inklusive Zinsen und Kosten, sowie eine Einzeldarstellung der Bundeshaftung aufgeschlüsselt nach Kapital, Zinsen und Kosten ist regelmäßig im Bundesrechnungsabschluss enthalten.

Wir von der Wirtschaft werden jedenfalls auch in Zukunft die Grenzen immer beob­achten und aufzeigen, wenn eine Änderung erforderlich ist, denn es geht im Endeffekt immer um Arbeitsplätze, und das kann nur in unserem gemeinsamen Interesse sein.

Ich stelle daher den Antrag, das vorliegende Gesetz zu unterstützen und gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird, keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.21


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den BundesrätInnen Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile es ihm.



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12.21.39

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Bundesrätinnen und Bundes­räte! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Eingangs möchte ich Herrn Präsidenten Bader zu seiner tollen Performance bei den inter­natio­nalen und nationalen Terminen während seiner Präsidentschaft recht herzlich gratu­lieren. Ebenfalls möchte ich mich bei Vizepräsidenten Hubert Koller, der mich auch während meiner Amtszeit begleitet hat, recht herzlich für seine umsichtige, kamerad­schaftliche und überparteiliche Amtsausführung bedanken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Weiters gratuliere ich Herrn Vizepräsidenten Michael Wanner zu seiner neuen Funktion und hoffe, dass er diese ebenfalls in gleicher Art und Weise ausführen wird.

Ich denke, dass das Jahr 2019 für den Bundesrat ein gutes Jahr war und dass wir sehr viele gemeinsame Entscheidungen treffen konnten. Es ist dem Bundesrat gelungen, ein wenig aus dem Schatten des Nationalrates herauszutreten, und ich denke, dass das im nächsten Jahr noch vermehrt der Fall sein wird, was ich annehme, wenn ich die Konstellation des Bundesrates in Bezug auf die eventuelle neue Regierung genauer betrachte.

Herrn Kollegen Ofner möchte ich beruhigen und etwas zu seiner eingangs gemachten Feststellung sagen: Er braucht sich keine Sorgen zu machen, denn jeder Tag, an dem hier im Parlament demokratische Beschlüsse gefasst werden, ist ein guter Tag für die demokratische Republik Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Bezug nehmend auf die Ausführungen meiner Vorrednerin, Kollegin Bundesrätin Sonja Zwazl, darf ich feststellen, dass der nunmehrige Antrag von der ÖVP im Novem­ber 2019 eingebracht wurde. Tatsächlich gab es aber bereits im Juni 2019 einen Begutachtungsentwurf des Finanzministeriums, und ein Textvergleich zeigt, dass nur unwesentliche Teile gegenüber dem ursprünglichen Text verändert wurden. Es gab aber durchaus genügend Hinweise in den dazu eingelangten Stellungnahmen, die für den nunmehr vorliegenden Antrag berücksichtigungswürdig wären. Mit der SPÖ wurde halt wieder nicht gesprochen, aber offenbar auch nicht mit den Grünen – zumindest stehen sie nicht auf dem Antrag. Dabei hätten wir durchaus Verbesserungsvorschläge gehabt.

Unbestritten ist, dass die Umstellung der Berechnung der Haftungsobergrenze zwischen Bund und Ländern vereinbart wurde, aber es fehlen die Transparenzbestimmungen. Ich glaube, gerade Transparenzbestimmungen sind eine Grundforderung der Grünen, und so hoffe ich, dass sie auch bei diesem Antrag, der nun vorliegt, mit uns mit­stimmen werden, um auch ihre Forderungen hier mit einbringen zu können.

Außerdem sind die Auswirkungen nicht abzusehen. Wenn die maximale Höhe der Bundeshaftung von den Einnahmen des vorletzten Jahres abhängt, aber die Ein­nah­men in einem Krisenjahr einbrechen, dann sinkt die Haftungsobergrenze, obwohl zur politischen Gegensteuerung einer Krise eine kurzfristig befristete Erhöhung not­wen­dig wäre. Das ist jetzt nicht so.

Nicht nur der Rechnungshof, auch der Budgetdienst moniert die Berichterstattung. Eine zeitnahe Berichterstattung über die Ausnützung der Bundeshaftung kann der Bundes­rechnungsabschluss, der erst Mitte des Folgejahres vorliegt, nicht ersetzen. Es gibt Berichte an den Budgetausschuss über die Übernahme der Bundeshaftungen, Berichte an den Hauptausschuss über ESM, Finanzmarktstabilität und Ausfuhrförderung. Das vielfältige Berichtswesen macht einen Gesamtüberblick schwierig. Es sind also Verbes-


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serungen erforderlich, diese hätten gleich in den ÖVP-Antrag aufgenommen werden können. Die ÖVP hat das Gespräch mit den anderen Fraktionen aber nicht gesucht.

Wie wichtig Informationen über eingegangene Haftungen sind, zeigen uns die Lehren aus dem Hypo-Alpe-Adria-Skandal der Freiheitlichen in meinem Bundesland Kärnten. (Widerspruch bei BundesrätInnen der FPÖ.) Damit musste sich nicht nur ein Unter­suchungsausschuss beschäftigen. Transparenz ist also wichtig, und es spricht ja auch nichts dagegen, den Bericht des Finanzministeriums an den Budgetausschuss zu ver­öffentlichen.

Zwischen der Berechnung der Haftung nach dem Bundeshaushaltsrecht und nach EU-Darstellungen gibt es Unterschiede. Es wäre daher wünschenswert, wenn diese Über­leitung tabellarisch, transparent in einem Bericht enthalten ist.

Es gibt eine aktuelle Bestimmung, wonach außerbudgetäre Einheiten des Bundes ihren Haftungsstand des Vorjahres bis zum 31. Jänner an die Statistik Austria melden müssen. Zusätzlich müssen sie eine Vorschau auf ihren Gesamthöchststand für das Jahr vorlegen und es unverzüglich melden, wenn sie diesen um 10 Prozent oder 1 Mil­lion Euro überschreiten. Es ist nicht klar, warum diese Bestimmung aus dem ÖVP-An­trag gefallen ist. Genannt wurden Schlagwörter wie: unnötiger Verwaltungsaufwand!, diese sind in diesem Zusammenhang also wirklich nicht als Begründung akzeptabel.

Aus den angeführten Gründen unterstützen wir daher den Antrag der FPÖ, gegen den Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

12.28


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


12.28.17

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehr­ter Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Zu meiner Vorrednerin Sonja Zwazl möchte ich nur Folgendes sagen: Wenn man ein bisschen nachschaut oder sich noch so weit zurückerinnern kann, wird man sehen, dass Staatssekretär Fuchs 2016, als das verhandelt wurde, noch nicht Staatssekretär war, weil da nämlich die Regierung noch gar nicht bestanden hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Das wollte ich nur zur Richtigstellung sagen.

Zu den Inhalten, die da gekommen sind: Entschuldigung, meiner Meinung nach waren sie ein bisschen schwach! Das zeigt, dass man ein bisschen ein schlechtes Gewissen hat, dass man ein Gesetz doch nicht so vorbereitet hat, wie es an und für sich sein sollte. (Bundesrätin Zwazl: Du brauchst mir kein schlechtes Gewissen zu unterstellen!)

Das ist wie bei „DKT“: zurück zum Start! (Bundesrat Preineder: Du spielst eher „Mensch ärgere dich nicht!“!) – Das Ganze kann dann verbessert und dann einfach so gemacht werden, dass es nämlich für die Bürgerinnen und Bürger ein Recht ist und dass es nicht nur schöne Worte sind. Darum geht es hier nämlich, und deswegen bin ich dem Ausschuss dankbar dafür, dass es möglich geworden ist, dass wir diesen Ge­setzentwurf, der in Wirklichkeit unvollständig ist, wieder zur Reparatur zurückschicken, sodass er repariert werden kann und wir dann etwas Gescheites bekommen. Niemand ist gegen Transparenz, Transparenz soll natürlich mehr werden!

Vorredner Appé hat angesprochen, dass in Krisenfällen auch Flexibilität bezüglich einer Erhöhung der Haftungsobergrenzen drinnen sein soll, damit man nicht durch ein Gesetz gefesselt wird. Transparenz ist uns jedoch ganz wichtig.


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Da immer wieder die Hypo hervorgezerrt wird - - (Bundesrat Schennach: Das ist was Wichtiges! Nicht so lachen!) – Ja, ja, das ist etwas Wichtiges, und ich gebe ja zu, da hat die Landesregierung in Kärnten, da haben alle Parteien damals eine Haftung unterschrieben, die privat niemand unterschreiben würde. Niemand von denen würde privat so eine Haftung unterschreiben, die er sich nie leisten können wird. Deswegen war das sicherlich ein Sündenfall, obwohl dem Sündenfall dann natürlich wiederum andere gefolgt sind, bis dass es dann zu einer Haftung des Staates geworden ist. Da schaue ich in Richtung ÖVP: Wer hat diese Schulden praktisch ohne Not von der Bayerischen Landesbank wieder reingeholt?

Das ist aber alles Geschichte. Da kennen wir uns wahrscheinlich alle zu wenig aus, weil wir das alles nicht gelesen haben. Dazu könnte man wahrscheinlich die damals damit befasste Richterin näher befragen. Eins ist aber sicher: Wir wollen solchen Dingen nicht mehr auf den Leim gehen, wir wollen die Kosten wirklich wissen. Es ist ja nichts Schlimmes, was der Rechnungshof da sagt: Ein bisschen mehr Transparenz zu den Zinsen und so weiter sollte gegeben sein.

(In Richtung Bundesrat Appé:) Jetzt noch eine Geschichte, die mir zu deinem Seiten­hieb eingefallen ist: Finanzstadträtin Brauner von der SPÖ in Wien ist mit Wäh­rungs­spekulationen in Franken dagestanden; da ist es darum gegangen, dass Wien plötzlich Hunderte Millionen Euro mehr – am Schluss waren es, glaube ich, 800 Millionen Euro mehr – für den Frankenkredit zu zahlen hatte. In der Zeit, in der das noch nicht prak­tisch schlagend geworden war – ich glaube, letztes Jahr ist es schlagend geworden –, hat Frau Mag. Brauner immer gesagt: Wir haben diese Schulden ja nicht, denn wir rollieren das ja, und wenn man rolliert und kein Zahlungsziel hat, dann sind die Schul­den ja gar nicht da. – Ich habe mir schon damals gedacht, dass das eine richtig inter­essante Argumentation ist, um eine drohende Niederlage praktisch wegzudiskutieren.

Das hat jetzt nicht wirklich etwas mit der 15a-Vereinbarung und mit diesen Obergren­zen zu tun (Bundesrat Schennach: Ja!), aber es ist mir sofort dazu eingefallen. Ich habe mir gedacht, ich darf mir heute herausnehmen, auch ein bissel etwas von eurer Seite zu bringen, was mir dazu eingefallen ist. Da du einen Seitenhieb getätigt hast, habe ich mir auch einen kleinen Seitenhieb erlaubt.

Das Wichtige ist aber, und da freue ich mich wirklich, es ist wie beim „DKT“: Wenn es einmal schlecht geht, zurück an den Start, und dann machen wir es gescheiter. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Pisec.)

12.32

12.32.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der An­trag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich auch die Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Dr. Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nal­rates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 68

12.33.225. Punkt

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2019 (III-680-BR/2019 d.B. sowie 10275/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 5 der Tages­ord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Be­richt.


12.33.38

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanz­ausschusses über den Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jah­resvorschau 2019.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Dezember 2019 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahres­vor­schau 2019 (III-680-BR/2019 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Bitte.


12.34.33

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherin­nen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Ich nehme heute zum Bericht des Finanzministers betreffend die EU-Jahresvorschau 2019 Stellung. Es ist sehr schade, dass dieses ambitionierte EU-Jahresvorschauprogramm 2019 erst jetzt, am Ende des Jahres 2019, dem Plenum zur Debatte vorgelegt wurde. Es sind in der Jahresvorschau viele Fakten, Daten und Vorhaben angeführt, welche teilweise abge­arbeitet werden konnten, aber teilweise jetzt, am Ende des Jahres 2019, auch noch nicht erledigt sind, da auf europäischer Ebene keine Einigung erzielt werden konnte.

Die EU-Jahresvorschau 2019 ist ein sehr interessantes, aber gleichermaßen auch sehr sperriges Thema. Das Arbeitsprogramm 2019 beschäftigt sich unter anderem mit den Themenbereichen: Förderung von Beschäftigung, Investitionen und inklusives Wachs­tum, Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion sowie Bekämpfung der Steuerumgehung und Steuervermeidung.

In der zweiten Jahreshälfte 2018 hatte Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Ich werde deshalb aus der Vorschau ein paar Punkte herausgreifen, welche be­sonders die österreichische Präsidentschaft beschäftigt haben.

Durch bereits in den letzten Jahren eingeleitete Reformen verfügt der Bankensektor wieder über die nötige Kapitalausstattung. Laut Jahresvorschau bleibt die Vollendung der Bankenunion aber weiterhin ein wichtiges Thema. Es ist vorgesehen, dass zur Vollendung der Bankenunion die letzten technischen Details zur weiteren Risikomin­derung finalisiert werden. Dazu hat die österreichische Präsidentschaft mit dem Europäischen Parlament eine Einigung über alle politischen Fragen erzielt.

Aufgrund der Finanz- und Schuldenkrise hat die Europäische Union in den letzten Jahren eine umfassende Reform der Regulierung und Aufsicht im Bankensektor durch-


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ge­führt, und es konnte laut Jahresvorschau 2019 unter der österreichischen Präsident­schaft zum Legislativpaket zu einigen Änderungen eine Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament zu allen politisch relevanten Themen erzielt werden.

Bei den Verhandlungen über den künftigen Mehrjährigen Finanzrahmen wurde unter der österreichischen Präsidentschaft auch der Entwurf einer umfassenden Verhand­lungsbox vorgelegt. Meine Damen und Herren! Einige von Ihnen werden sich jetzt wahrscheinlich fragen: Was ist eine Verhandlungsbox? – Der Rat ist für das Paket des Mehrjährigen Finanzrahmens zuständig, koordiniert die Beratungen und erstellt die sogenannte Verhandlungsbox. Im Entwurf der Verhandlungsbox werden jene Punkte zusammengefasst, bei welchen die EU-Staats- und Regierungschefs wahrscheinlich politische Vorgaben machen und Prioritäten setzen müssen.

Betreffend Besteuerung der digitalen Wirtschaft war der Vorschlag zur kurzfristigen Lösung die Einführung einer temporären Steuer auf digitale Umsätze eine der Priori­täten der österreichischen Ratspräsidentschaft. Es konnten dabei auch substanzielle Fortschritte erzielt werden. Allerdings haben bis zuletzt einige Mitgliedstaaten grund­sätzliche Bedenken gegen den Vorschlag geäußert. Das Thema soll nun unter dem neuen Ratsvorsitz weiter behandelt und zum Abschluss gebracht werden.

Meine Damen und Herren, wie Sie ja alle wissen, wurde aufgrund der Nichteinigung auf europäischer Ebene im Nationalrat und dann am 10. Oktober im Bundesrat der Beschluss gefasst, dass auf nationaler Ebene Internetgiganten, wie Facebook, Google oder Amazon, in Zukunft mit einer 5-prozentigen Steuer auf Onlinewerbeumsätze be­lastet werden.

Wie schon eingangs bemerkt, ist es sehr schade, dass dieses ambitionierte EU-Jah­resvorschauprogramm 2019 erst jetzt vorgelegt wurde. – Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit und wünsche frohe Weihnachten. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Lackner.)

12.39


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. Ich erteile es ihr.


12.39.50

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Bundesratskollegen und -kolleginnen! Werte Zuhörer und Zuhörerinnen vor Ort und via Livestream! Auch wenn es heutzutage an­scheinend Usus ist, dass man eine Vorschau am Jahresende bringt, wie meine Vor­rednerin schon angemerkt hat, werden wir trotzdem zur Diskussion stellen, was der Plan war, aber auch darauf eingehen, was sich in der Umsetzung dieses Programms getan hat.

Wir diskutieren den Bericht in Auszügen, wie gesagt, einfach anhand der Umsetzungs­qualität. Vorab: Die sozialdemokratische Fraktion wird die vorliegende EU-Jahres­vor­schau zur Kenntnis nehmen.

Die vorliegende EU-Jahresvorschau 2019 des Bundesministers für Finanzen stellt in übersichtlicher Form die Hintergründe, den aktuellen Stand und die Position des BMF zu den gesetzten Schwerpunkten dar. Behandelte Inhalte sind unter anderem Förde­rung von Wachstum und Beschäftigung, Vollendung der Bankenunion, Errichtung einer Kapitalunion, Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Das Kapitel 6 behandelt die Zusammenarbeit in Steuerfragen. Im Bereich der Reform des Mehrwertsteuersystems konnte im Ecofin-Rat in der Sitzung vom 8. November


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eine Einigung über zwei Reformen bestehender Mehrwertsteuervorschriften erzielt werden. Die erste Reform betrifft die Aufdeckung von Steuerbetrug bei der grenzüber­schreitenden elektronischen Geschäftsabwicklung, die zweite Reform betrifft die Mehr­wertsteuervorschriften für Kleinunternehmen.

Insgesamt ist aber hinsichtlich Steuergerechtigkeit fast nichts passiert, und dies, ob­wohl den reichsten 5 Prozent der Europäer und Europäerinnen fast die Hälfte des ge­samten privaten Vermögens gehört. Die Reichen profitieren von deregulierten Finanz­märkten, Steuerwettbewerb, Steuersümpfen und Privatisierungswellen. Multinationale Konzerne, aber auch wohlhabende Privatpersonen nutzen die Vorteile europäischer Wohlfahrtsstaaten, stehlen sich aber aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung.

Egal, ob Würstelstand oder Onlinekonzern, alle müssen ihren fairen Steuerbeitrag leis­ten. In Europa entgehen uns bis zu 1 000 Milliarden Euro jährlich an Steuereinnahmen durch Steuerbetrug und durch aggressive Steuertricks der Konzerne. Mit diesem Geld könnten entscheidende Zukunftsfragen der EU beantwortet werden, wobei gleichzeitig die Staaten genügend Mittel hätten, um die nationalen Herausforderungen in den Be­reichen Wohnen, Pflege und Bildung zu lösen.

In der Jahresvorschau findet sich die Finanztransaktionssteuer beim Arbeitsprogramm des Ecofin-Rates. Da der Vorschlag der Europäischen Kommission aufgrund unver­einbarer Positionen zwischen den Mitgliedstaaten bereits seit Längerem blockiert wurde, wurde beim Treffen im Dezember letzten Jahres beschlossen, dass das Modell der französischen FTT eingehend geprüft werden soll.

Auch dieses Modell ist bereits wieder vom Tisch, und seit Kurzem liegt ein deutsches Modell von Bundesminister Scholz vor. Herr Finanzminister Müller hat sich gestern – die „Salzburger Nachrichten“ haben darüber berichtet – in einem Brief an seinen deutschen Kollegen gewandt und den Vorschlag zu Recht kritisiert.

An dieser Stelle muss aber gesagt werden, dass es die vorangegangene Regierung und der ÖVP-Minister waren, die die Finanztransaktionssteuer endgültig zu Grabe ge­tragen und in dem Bereich nichts weitergebracht haben. Wir brauchen eine Finanz­transaktionssteuer, damit der Finanzsektor an den Kosten der von ihm verursachten Krise finanziell beteiligt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann nicht sein, dass die SteuerzahlerInnen immer die Zeche zahlen. Wir fordern den Finanzminister daher auf, sich weiterhin für eine Finanztransaktionssteuer einzu­setzen, die den Namen auch verdient und Aktien und Derivate umfasst.

Ein weiterer wesentlicher Baustein der Steuergerechtigkeit ist die länderspezifische Berichterstattung der Konzerne. Diese ist nicht öffentlich. Das heißt, wir wissen nicht, wo die großen Konzerne ihre Gewinne machen und wo sie ihre Steuern bezahlen. Es ist aber fair und jedem Mitgliedstaat gegenüber gerecht, wenn die Gewinne nicht in Steuersümpfe verschoben werden, damit dort keine Steuern gezahlt werden, sondern wenn sie in jenem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem die Gewinne entstehen. Dazu brauchen wir Transparenz. Eine öffentliche länderspezifische Berichterstattung wäre sinnvoll. Um einen schädlichen Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden, braucht es effektive Mindeststeuersätze innerhalb der EU. Beides sind jahrelange Forderungen der SPÖ.

Jetzt noch zum Kapitel Zukunft der EU-Finanzen: Der Mehrjährige Finanzrahmen ist noch nicht fertig verhandelt. Der finnische Ratsvorsitz hat bislang eine Verhandlungs­box mit folgenden Eckpunkten vorgestellt: Mehrjähriger Finanzrahmen mit einem Gesamtvolumen in der Höhe von 1 226 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu sieht die österreichische Position ein Gesamtvolumen von 1 149 Milliarden Euro vor. Da wären 77 Milliarden Euro an weiteren Kürzungen erforderlich. Der finnische Vorschlag ergibt


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einen durchschnittlichen jährlichen EU-Beitrag zwischen 4,2 Milliarden und 4,3 Milliar­den Euro. Sonderinstrumente sowie die Europäische Friedensfazilität könnten den österreichischen Beitrag darüber hinaus um bis zu circa 180 Millionen Euro erhöhen. Es sind keine expliziten Rabatte mehr vorgesehen, nur mehr Platzhalter für mögliche Beitragskorrekturen.

Tatsächliche Innovation findet mit Ausnahme der Zweckwidmung für den Klimaschutz im neuen Finanzrahmen nicht statt. Alle innovativen Vorschläge, etwa der, die EU stärker über eigene Steuern auf Finanztransaktionen oder CO2 zu finanzieren, wurden mittlerweile vom Rat gestrichen.

Die Diskussion über den Mehrjährigen Finanzrahmen ist so wieder an dem Punkt angelangt, wo nur die Frage nach dem Geben und Nehmen gestellt wird, anstatt die Sinnhaftigkeit der Ausgaben für die volkswirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung und Verteilungswirkung des Finanzrahmens zu hinterfragen.

Die SPÖ hat sich dafür eingesetzt, dass die nationalen Beiträge zum EU-Budget reduziert werden, indem ein größerer Beitrag von großen Konzernen und für Umwelt­verschmutzung durch eigene EU-Steuern verlangt wird.

Zum Abschluss: Bereits jetzt ist der Finanzrahmen eine verpasste Chance. Die EU sollte große Konzerne und Umweltverschmutzer stärker zur Kasse bitten, um mehr für Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und soziale Dienstleistungen zur Verfügung zu haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile es ihm.


12.48.36

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Kollegen Bundesräte! Liebe Zuseher hier im Saal und zu Hause! Es geht um den Bericht des Bundes­minis­ters für Finanzen betreffend die EU-Jahresvorschau 2019. 2019 neigt sich bald dem Ende zu, also machen wir eine Mischung aus Vorschau und Rückschau.

Die ÖVP, die SPÖ, aber auch die Grünen driften ja oft in ihrer Einstellung zu Europa gefährlich in Richtung eines sektenähnlichen Verhaltens ab. Da haben wir Freiheitliche schon einen anderen und grundsätzlich strukturierteren Zugang. Wir wollen nämlich ein freiheitliches, starkes Europa mit starken Vaterländern und keinen Einheitsbrei à la Vereinigte Staaten Europas (Beifall bei der FPÖ), deshalb haben wir auch einen etwas kritischeren und natürlich differenzierteren Blick auf die Finanzgebarung der EU.

Österreich ist, und das ist noch unerwähnt geblieben, Nettozahler in der EU, und das heißt für den österreichischen Steuerzahler, dass er mehr einzahlen muss, als er schlussendlich herausbekommen wird.

Österreich ist gemessen am Bruttonationaleinkommen mit circa 1,4 Milliarden Euro der drittgrößte Beitragszahler hinter Deutschland und Dänemark. Deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit Schweden, den Niederlanden und Dänemark in die soge­nannte Nettozahlerallianz eingetreten sind und dort die gemeinsame Position vertreten, dass 1 Prozent der Wirtschaftsleistung für den EU-Finanzrahmen reichen muss. Diese Allianz haben wir noch unserer Regierungsbeteiligung zu verdanken. Man kann nur hoffen, dass wir auch in dieser Allianz bleiben und nicht mit den Grünen in einer eventuellen neuen Bundesregierung in einem EU-Huldigungsverein landen.

Wenn man sich das Arbeitsprogramm der letzten EU-Kommission anschaut und mit der Umsetzung vergleicht, kommt man zu Recht zu dem Schluss, nicht noch mehr Geld in diesen aufgeblähten Apparat zu pumpen. Nun gibt es aber aus Österreich die


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zwei schwarzen EU-Pfarrer – wir alle kennen sie –: Der eine residiert als einer von sage und schreibe 14 Vizepräsidenten mit dem stattlichen Monatsgehalt von knapp 13 000 Euro. Der andere, ehemaliger Novomatic-Vorstand und nunmehriger Haus­halts­kommissar Johannes Hahn, fordert doch tatsächlich mehr Geld für den EU-Haushalt ab 2021. Dies lässt nichts Gutes für den österreichischen Steuerzahler er­warten.

Jetzt habe ich mir einmal die Arbeit gemacht und das Arbeitsprogramm der letzten Kommission mit den tatsächlichen Leistungen und Daten verglichen. Es finden sich keine Anzeichen zur Beendigung des unnötigen Wanderzirkus zwischen Brüssel und Straßburg, der den Steuerzahler jährlich über 200 Millionen Euro kostet, sowie keine Anzeichen einer stärkeren Demokratisierung der EU. Ich erinnere an das Kasperl­theater mit den Spitzenkandidaten und an das Postengeschachere zur Ernennung der Kommissionspräsidentin. Die EU ist sich weder in Personalfragen noch in den großen herausfordernden Fragen einig. Dies hat mit dem Einstimmigkeitsprinzip, das man abschaffen will, überhaupt nichts zu tun.

Es gibt keine Verbesserung bei der Jugendarbeitslosigkeit, im Gegenteil. Ich erinnere: Das war einer der anscheinenden Leuchttürme oder eines der Hauptziele der Kom­mis­sion Juncker. Bei der Besteuerung von Konzernen wie Amazon, Google, Facebook und vielen anderen hat die Kommission ebenfalls völlig versagt. Was die längst überfällige Beendigung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei angeht: Sie sind noch immer nicht beendet.

Rückgang der europäischen Wirtschaft: Auch in diesem Bereich wurde durch die völlig falsche Wirtschafts- und Geldpolitik gegen ein Wachstum regiert. Das Weiterführen der Nullzinspolitik wird alle Sparer und Kreditnehmer noch teuer zu stehen kommen, wenn man nicht bald die richtigen währungspolitischen Schritte setzt.

Beim so wichtigen Thema der Sicherheitspolitik war die EU völlig unfähig, ihre Außen­grenzen zu schützen, und sie hat bis heute kein praktikables Modell zum Schutz der europäischen Bevölkerung auf den Weg gebracht. Asyl und Migration ist und bleibt nach wie vor ein nicht gern besprochenes Thema innerhalb der Kommission. Wie will ich denn Flüchtlinge verteilen, wenn sie in Ländern wie Ungarn oder der Slowakei bei Weitem nicht so viel Geld bekommen wie in Deutschland oder Österreich? – Hierzu ist die gesamte EU wie gelähmt und betreibt eine Kopf-in-den-Sand-Politik zulasten der autochthonen Bevölkerung in Europa.

Diese Liste des Versagens könnte man ewig so fortführen. Wenn man sich dann die Schlussfolgerung des Papiers der Kommission Juncker anschaut – ich weiß nicht, ob das jemand gemacht hat, aber ich habe mir das Papier genauestens angeschaut –, findet man Folgendes – Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich kurz –: „Das Arbeitsprogramm der Kommission für 2019 enthält eine klare und zielgerichtete Agenda, um die Arbeiten abzuschließen, die wir zu Beginn dieser Amtszeit zugesagt haben.“

Nun, ich ziehe Resümee über diese tolle Amtszeit der Juncker-Kommission: Ziele nicht umgesetzt, Versprechen nicht gehalten. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Nach mehr Geld zu schreien, aber dauerhaft die eigenen Ziele zu verfehlen, das ist weder nachhaltige noch zukunftsorientierte Politik für Europa. – Setzen! Nicht genügend! (Beifall bei der FPÖ.)

12.55

12.55.12


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 73

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.55.376. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartell­gesetz 2005 geändert wird (94/A und 11 d.B. sowie 10273/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 6 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


12.55.59

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Natio­nalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird. Mit diesem Gesetzesvorschlag wird die Finanzierung der Tätigkeit des Vereins für Konsu­menteninformation im Jahr 2020 sichergestellt.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Dezember 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. Ich erteile es ihr.


12.57.04

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um wen und worum geht es heute in dieser Debatte? – In dieser Debatte geht es um den Verein für Konsumenteninformation, wobei ich glaube, dass wir uns parteiübergreifend einig sind: Wir wollen und wir brauchen den Verein für Konsumenteninformation.

Festhalten darf ich auch, dass dort sehr gute Arbeit geleistet wird. Dies soll auch für das Jahr 2020 abgesichert werden, indem die bisherige Finanzierung um 600 000 Euro auf insgesamt 4,75 Millionen Euro angehoben wird. Das ist heute ein starkes Signal, das wir für den Konsumentenschutz in Österreich setzen.

Konsumentenschutz geht uns nämlich alle an. Es ist auch ein klares Bekenntnis zum Konsumentenschutz und zur Rolle des VKI, die er in diesem Bereich einnimmt. Gleichzeitig geben wir auch ein klares Bekenntnis ab, dass wir durch die Evaluierung, die den VKI betrifft, die Finanzierung für die darauffolgenden Jahre sicherstellen.

Die Themenbereiche des VKI sind sehr umfangreich. Er berät, er vertritt und er bietet Informationen. Einen Themenbereich, der mir persönlich sehr wichtig ist, darf ich aus dem umfangreichen Portfolio herausnehmen: Es sind dies das Internet und die Online­angebote. Viele Menschen wollen eine unabhängige Meinung zu Informationen im Umgang mit Onlineshops, mit Verträgen und so weiter – eine unabhängige, unpartei-


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 74

ische Meinung also. Keinem unbekannt sind die Schattenseiten des Internets wie krimi­nelle Onlineshops, Fakes oder gekaufte Onlinewerbungen – sie beeinflussen natürlich auch die Meinungen –, oder es gibt Sicherheitslecks in den Apps.

Dort, wo Realität herrscht, braucht es gute Informationen und entsprechende Beratung, um gar nicht erst in diese Falle zu kommen und seine eigenen Rechte durchsetzen zu können. Kritik wurde aber laut, dass seitens der Wirtschaft kein Interesse an einem starken Konsumentenschutz bestehen soll. – Das möchte ich auf das Schärfste zurückweisen, denn gerade jene redlichen Unternehmen, die sich an Gesetze, an europäische Verordnungen, an Vorgaben halten, müssen geschützt werden, und gerade ausländischen Onlineshops, die auch nach Österreich liefern und die Konsu­mentenschutzrechte nicht beachten, muss etwas entgegengehalten werden.

Wir alle wissen sehr wohl, dass wir aufgrund der Neuwahlen, aufgrund der Übergangs­situation und auch aufgrund dessen, dass wir bis dato kein Budget beschließen konnten, heute bewusst sagen können: Wir müssen eine Übergangslösung für 2020 schaffen und auf Basis der Evaluierung eine langfristige Lösung ins kommende Budget einarbeiten. Ich glaube sehr wohl, dass dies im Sinne des Staates und der Bürgerinnen und Bürger ist. Ich nenne dies verantwortungsvoll handeln.

Verantwortungsvolles Handeln bedeutet, einen Schritt zurückzugehen, zu planen, zu analysieren und zu bewerten. Mit diesem Gesetz zeigen wir, dass wir Verantwortung gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und den Konsumentinnen und Konsumenten tragen. Wir wollen sie mittragen, tragen wir diese Verantwortung gemeinsam! – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Novak, Gross und Lackner.)

13.01


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf Frau Bundesministerin Dr.in Brigitte Zarfl ganz herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allge­meiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile es ihm.


13.01.44

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und via Livestream! Vorweg, lieber Karl Bader, recht herzlichen Dank für deine Präsidentschaft. Du hast das sehr gut gemacht. Ich danke dir und wünsche schon heute dem neuen Präsidenten das notwendige Quäntchen Glück, das man bei einer Vorsitzführung braucht.

In diesem Sinne, meine geschätzten Damen und Herren, komme ich zum VKI-Finanzierungsgesetz 2020. Zur finanziellen Absicherung gab es ja zwei Initiativanträge im Nationalrat: das von SPÖ und FPÖ eingebrachte VKI-Finanzierungsgesetz 2019 und das von ÖVP und Grünen vorgelegte VKI-Finanzierungsgesetz für das Jahr 2020. Beschlossen wurde – das ist kein Geheimnis – das VKI-Finanzierungsgesetz 2020 von ÖVP und Grünen. Im Gegensatz zum SPÖ-FPÖ-Entwurf eines VKI-Finanzierungs­ge­setzes 2019 sieht dieses Gesetz lediglich eine einmalige Förderung für das Jahr 2020 vor. Damit wird das Ziel einer nachhaltigen und langfristigen Sicherung der Finanzie­rung des VKI nicht erreicht, meine Damen und Herren. Das wäre aber notwendig.

Der Verein für Konsumenteninformation leistet seit nunmehr 60 Jahren einen unver­zicht­baren Beitrag zum Schutz der Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten. Ob Rechtsberatung, Produkttests oder Klagen gegen rechtswidrige Vertragsklauseln: Der VKI ist gemeinsam mit der Arbeiterkammer eine zentrale Säule des österreichischen Konsumentenschutzes.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 75

Eine dauerhafte und mit Valorisierung versehene öffentliche Finanzierung wäre viel sinnvoller und nachhaltiger gewesen. Es ist nun völlig unklar, in welcher Höhe der Bund den VKI ab 2021 unterstützen wird. Wir stehen ja knapp vor Weihnachten, daher sage ich das sehr bewusst: Wenn man Mitarbeiterin/Mitarbeiter in einem Unternehmen ist, dessen Finanzierung nicht gesichert ist, dann macht man sich natürlich Sorgen um den Arbeitsplatz. Das heißt, es geht um 120 VKI-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, für die das ganz sicher keine angenehme Situation ist.

Die Finanzierung einer Konsumentenschutzeinrichtung ist eine öffentliche Aufgabe, denn Konsumentinnen und Konsumenten, meine Damen und Herren, sind wir doch schließlich alle. Daher hat sich vor allem die SPÖ bereits im Regierungspro­gramm 2013 dafür eingesetzt, dass Bußgelder des Kartellgerichtes teilweise für den VKI zweck­gewidmet werden. Leider konnte dies erst 2018 umgesetzt werden. Es sollte jährlich ein Betrag von 1,5 Millionen Euro aus den Kartellstrafen an den VKI fließen.

Es war kein leichter Weg, bis diese Zweckwidmung von der SPÖ gesetzlich durch­gesetzt werden konnte, und nun, meine Damen und Herren, wird dies ganz einfach wieder für eine lediglich einjährige gesetzliche Finanzierungszusage gestrichen. Ich finde das mehr als bedauerlich. Vor allem finde ich es bedauerlich, dass die Grünen bei dieser einjährigen Finanzierung mit an Bord sind und bei dieser Streichung mi­tgemacht und damit zu einer Verschlechterung der Finanzierungsbasis des VKI beige­tragen haben.

Es wäre auch denkbar gewesen, dass man diese Zweckwidmung nur für ein Jahr aussetzt, aber diese Möglichkeit wurde bedauerlicherweise nicht aufgegriffen.

Zweck des § 1 Abs. 2 und 3 ist wohl der Schutz vor zu starken Vorgaben durch den Bund bei einer Verwendung der 4,75 Millionen Euro. Es wird die grundsätzliche Absicht, dass der VKI autonome Entscheidungen über die Mittelverwaltung treffen kann, unterstützt. Einerseits wird in dieser Bestimmung auf die Statuten verwiesen, andererseits dürfen die „Förderverträge [...] keinen Einfluss auf die Auswahl der Gegenstände der Vereinstätigkeit nehmen“. – Was das nun genau zu bedeuten hat und bedeuten soll, ist aber meines Erachtens unklar, denn diese Formulierung ist aus meiner Sicht sehr vage. Eine eindeutigere Formulierung im Sinne von mehr Rechts­klarheit, vor allem für die Vollziehung, wäre wohl besser gewesen.

Ich weiß aus meiner früheren Tätigkeit als Arbeiterkammerpräsident, dass der Bund sowohl Förder- als auch Werkverträge mit dem VKI abgeschlossen hat, und es ist aus meiner Sicht fraglich, ob diese Verträge nach dieser Regelung weitergeführt werden können.

Im § 2 des VKI-Finanzierungsgesetzes 2020 ist auch eine gemeinsame Vollziehung durch das Sozialministerium und das Finanzministerium vorgesehen – schade, dass der Herr Finanzminister nicht mehr hier ist. Anders ist das im Antrag von SPÖ und FPÖ, der eine Vollziehung nur durch das Sozialministerium vorsieht. Der Sinn einer gemeinsamen Vollziehung ist mir nicht wirklich ersichtlich, das erzeugt nur unnötigen bürokratischen Aufwand. Im Sinne einer klaren Ressortzuständigkeit und effizienten Vollziehung sollte das für den Konsumentenschutz zuständige Bundesministerium allein zuständig sein.

Ich komme noch ganz kurz zur Debatte im Nationalrat. Dort gab es folgende Be­gründung in der Debatte – ich zitiere –: „In diesen Beschlüssen hat der NR zum Ausdruck gebracht, dass Struktur und Tätigkeit des VKI evaluiert werden sollen, um auf dieser Grundlage die Finanzierung der Tätigkeit des VKI durch den Bund sowie durch andere öffentliche und private Mitglieder auf geeignete und dauerhafte Weise sicher zu stellen. Im Sinne einer dauerhaften und professionellen Lösung im Interesse der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten und deren berechtigten Anlie-


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 76

gen soll dies so rasch wie möglich geschehen, vom VKI wird eine entsprechende Mitwirkung erwartet.“

Es ist – ich komme nun wieder zu meinen Schlüssen – aus meiner Sicht ganz klar darauf hinzuweisen, dass dies im Widerspruch zu den Grundsätzen der Vereinsauto­nomie und den Mitgliedschaftsrechten steht.

Es ist keinesfalls Aufgabe des Nationalrates, die Struktur und Tätigkeit eines privaten Vereines zu evaluieren beziehungsweise zu bestimmen. Welche Mitglieder und welchen Tätigkeitsbereich ein Verein haben soll sowie die Statuten werden, wie gesagt, vom Verein festgelegt.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, dass der VKI hervorragende Arbeit leistet. Das wird auch auf internationaler, auf europäischer Ebene sehr geschätzt. Ich habe mir das ein bisschen angeschaut: Im Vergleich dazu hat kein anderer Staat Europas im Gremium einer Konsumentenschutzorganisation ein so weites Mitsprache­recht, wie es der Bund beim VKI hat. Es ist aber selbstverständlich, dass die Verwen­dung von Steuergeldern, das möchte ich auch sehr klar zum Ausdruck bringen, natürlich vom Bund überwacht werden soll.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen – wir haben das in den Ausschüssen auch getan –, dass sich der VKI zu 70 Prozent selbst finanziert. Ich bedaure es, das sage ich sehr offen, dass die anderen Sozialpartner wie Wirtschaftskammer, Landwirt­schafts­kammer oder der ÖGB aus dem VKI ausgeschieden sind. Ich glaube, es ist besser, wenn man Dinge in einem Verein gemeinsam ausdiskutiert, aber die Entscheidungen der Organisationen sind zu respektieren.

Lassen Sie mich ganz kurz zu meinen Schlussfolgerungen kommen: Aus meiner Sicht hätte der Entwurf von SPÖ und FPÖ die nötige langfristige Absicherung der Finan­zierung des VKI gesichert. Dass auch die Grünen – ich kann Ihnen das nicht erspa­ren – nur eine einjährige Finanzierungszusage unterstützen, ist bedauerlich und für mich, wie gesagt, nicht nachvollziehbar. Besonders schmerzhaft ist die Abschaffung der Zweckwidmung der Bußgelder des Kartellgerichtes für den VKI.

Die neue Regierung ist nun aufgefordert, für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen, und da ist natürlich, das sage ich auch sehr offen, die Vereinsautonomie zu respektieren. Sollte dies nicht geschehen, hege ich den begründeten Verdacht, dass eine allfällige neue Bundesregierung den VKI an die kurze Leine beziehungsweise an das Gängelband nehmen will.

Meine Damen und Herren Bundesräte, egal ob Sie von der ÖVP, von der FPÖ, von den Grünen oder von der Sozialdemokratie – da gehe ich sowieso davon aus – sind: Ich glaube, Sie stehen zu einer nachhaltigen Finanzierung des VKI. Geben Sie sich daher einen Ruck! Ich glaube, das ist notwendig und wichtig, denn ohne den VKI gibt es keine unabhängige Information über österreichische Produkte. Im Zeitalter von Faketests, verzerrenden Vergleichsplattformen und manipulierten Userbewertungen braucht es einen unabhängigen VKI.

Ich komme zum Schluss: Wir werden gemeinsam für die Zukunft des VKI kämpfen. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Rudolf Kaske, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dauerhafte Finanzierung des VKI“

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 77

„Die zukünftige Bundesregierung wird aufgefordert, eine dauerhafte Finanzierung des VKI im Sinn der KonsumentInnen und der Belegschaft des VKI vorzuschlagen und sicherzustellen.“

*****

Frohe Weihnachten! Ein herzliches Glückauf! Alles Gute dem VKI, aber insbesondere auch uns. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.14


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Der von den Bundesräten Kaske, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­antrag betreffend „dauerhafte Finanzierung des VKI“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Begrüßen darf ich bei uns im Bundesrat den – ich habe es gelernt – mittlerweile Vize­kanzler außer Dienst Justizminister Dr. Clemens Jabloner. – Herzlich willkommen. (All­gemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


13.14.48

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Wertes Plenum! Werte Zuseher! Das war schon fast eine Weihnachtsrede. Rudi Kaske, ich habe gemerkt, du bist vom Fach, du hast nichts verlernt, du kommst von der Arbeiterkammer, warst deren Präsident und kennst dich da aus. Du hast vieles selbstkritisch angebracht, nämlich auch, dass leider Gottes die Sozialpartner abhandengekommen sind und dass gerade beim Thema des Verbraucherschutzes, der uns alle betrifft, die Finanzierung schon lange leidet.

Betreffend den Schutz der Verbraucher wird es niemanden geben, der sagt: Das brauchen wir nicht! – Da wollen wir Nachhaltigkeit haben, und deswegen ist es auch so wichtig, dass man nicht nur Einmallösungen hat, sondern dass man auch Planungs­sicherheit hat. Diese Planungssicherheit muss es auch für die Angestellten des VKI geben. Deswegen wundert es mich, dass Frau Ulrike Fischer von den Grünen, die ja praktisch beim VKI ist, da nicht weitergedacht hat beziehungsweise gemeinsam mit der ÖVP gesagt hat: Machen wir einmal für ein Jahr eine Planung, und dann werden wir schon weitersehen!

Dieses Weitersehen haben wir schon des Öfteren gehabt, und wir haben auch ge­sehen, dass nicht einmal die Evaluierungen des einzigen Mitglieds, der Arbeiterkam­mer, stattgefunden hat und der VKI wirklich ausgehungert war. Grund dafür ist wahrschein­lich auch – wenn man die Personalmaßnahmen der Vergangenheit beleuchtet –, dass die von den Sozialpartnern ganz einfach ausgelagerten Mitarbeiter dort untergebracht werden sollten.

So ein Knatsch in einer solch wichtigen Sache kommt ja nicht von ungefähr, sondern das waren Befindlichkeiten, die wir da auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen haben. Deswegen ist es jetzt ganz wichtig, dass wir uns eindeutig zu Nachhaltigkeit, Transparenz, Planungssicherheit und Unabhängigkeit bekennen. Unabhängigkeit muss gegeben sein, damit wir einen ordentlichen Konsumentenschutz haben.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 78

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bun­des­gesetz über die Finanzierung bestimmter Aufgaben des Vereins für Konsumenten­information durch den Bund (VKI-Finanzierungsgesetz 2020)“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, spätestens bis zum 31. Jänner 2020 dem Nationalrat eine Regierungs­vorlage über ein Bundesgesetz über die Finanzierung bestimmter Aufgaben des Ver­eins für Konsumenteninformation durch den Bund (VKI-Finanzierungsgesetz 2020) mit nachfolgendem Inhalt zuzuleiten:

Artikel 1

Bundesgesetz über die Finanzierung bestimmter Aufgaben des Vereins für Konsumen­teninformation durch den Bund (VKI-Finanzierungsgesetz 2019)

Finanzierungsbetrag

§ 1. (1) Der Bund hat dem Verein für Konsumenteninformation für Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Verbraucher jährlich einen Gesamtbetrag von 4,75 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

(2) Zu den Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Verbraucher gehören insbe­sondere die Verbraucherinformation, die Durchführung von Abmahnungen und Ver­bandsklagen (§§ 28 und 28a KSchG) und die Führung von Musterprozessen.

(3) Der Finanzierungsbetrag ändert sich in dem Ausmaß, in dem sich das arithme­tische Mittel zwischen den Mindestgehältern der Verwendungsgruppe IV der Kollektiv­verträge für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung in Infor­mation und Consulting und für Angestellte im metallverarbeitenden Gewerbe ändert.

(4) Die Auszahlung des Finanzierungsbetrags hat über die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zu erfolgen.

Verträge über die Leistungen des Vereins für Konsumenteninformation

§ 2. (1) Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz hat mit dem Verein für Konsumenteninformation Verträge über die Leistungen abzu­schließen, die mit dem Betrag gemäß § 1 finanziert werden. Dabei ist auf eine ausge­wogene Aufteilung des Finanzierungsbetrags auf die in § 1 Abs. 1 und 2 angeführten Maßnahmen zu achten.

(2) Die in den Verträgen vereinbarten Entgelte haben dem Kostendeckungsprinzip zu entsprechen, wobei auch Gemeinkosten anteilig zu berücksichtigen sind.

(3) Die Verträge haben Bestimmungen zu enthalten, die eine wirksame Kontrolle sicherstellen. Entgelte für vereinbarte Leistungen, die vom Verein für Konsumen­teninformation nicht erbracht wurden, sind von diesem zurückzuzahlen.

(4) Die Verträge können auch für die Dauer von mehreren Jahren oder auf unbe­stimmte Zeit abgeschlossen werden.

Schutz der Interessen der Verbraucher und der Vereinsautonomie

§ 3. Unwirksam sind Vereinbarungen in den Verträgen, die

1. den Interessen der Verbraucher widersprechen;


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 79

2. dem Verein für Konsumenteninformation Verpflichtungen auferlegen, die nicht den Umfang und Inhalt der vereinbarten Leistungen oder die Kontrolle ihrer ordnungs­mäßen Erbringung betreffen; oder

3. den Statuten des Vereins oder Beschlüssen seiner Organe widersprechen oder aus anderen Gründen mit der Vereinsautonomie nicht vereinbar sind.

Vollziehung

§ 4. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betraut.

Inkrafttreten

§ 5. Dieses Bundesgesetz tritt am 1. Jänner 2020 in Kraft.

Artikel 2

Änderung des Kartellgesetzes 2005

Das Kartellgesetz 2005 – KartG 2005, BGBl. Nr. I Nr. 61/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2017, wird wie folgt geändert:

1. § 32 Abs. 2 lautet:

,(2) Von den Geldbußen sollen jährlich 1,5 Millionen Euro für Zwecke der Bundes­wett­bewerbsbehörde verwendet werden.‘

2. § 86 wird folgender Abs. 10 angefügt:

,(10) § 32 Abs. 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2019 tritt mit 1. Jänner 2020 in Kraft.‘“

*****

Mit unserem Antrag wird sichergestellt, dass dieser wichtige Konsumentenschutz auch weiterhin gewährleistet wird, sodass auch in Zukunft die großen Herausforderungen, die noch kommen werden, auch was die Importe betrifft, bewältigt werden können. Auf jeden Fall müssen wir sicherstellen, dass wir gegenüber der großen Industrie – wie wir es in der Automobilindustrie gesehen haben, in der falsche Angaben über die Norm­verbrauchswerte gemacht wurden, aber auch in der Lebensmittelindustrie, in der phar­mazeutischen Industrie und, und, und –, gegen die sich die einzelnen Bürger praktisch nicht durchsetzen können, ein Instrument haben, das unabhängig gewährleisten kann, dass die Einhaltung der Gesetze für den Verbraucher durchgesetzt wird.

Ich hoffe, dass wir da bei den Grünen, weil sie die Materie durch die Kollegin Fischer doch sehr gut kennen müssten, auch Zustimmung finden werden, wenn es darum geht, dass die Nachhaltigkeit gewährleistet wird. (Beifall bei der FPÖ.)

13.24


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Der von den Bundesräten Rösch, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungs­antrag ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile es ihm.


13.24.53

Bundesrat Andreas Lackner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Steiermark): Herr Prä­sident! Hohes Haus! Werte Frau Bundesminister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Als frisch angelobter Bundesrat freue ich mich sehr, hier zu stehen. Ich komme aus der


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Südoststeiermark, lebe dort in einem kleinen Dorf, gelegen zwischen Mureck und Bad Radkersburg. Für alle, die jetzt noch rätseln, wo das ist: Auf der Österreichkarte rechts unten bin ich zu finden.

Ich betreibe dort eine Landwirtschaft im Nebenerwerb mit Schwerpunkt Gemüsebau, und wie es sich für einen Steirer gehört, produziere ich natürlich auch Kürbiskernöl. Ich sehe daher den VKI aus Produzenten- und Konsumentensicht.

Die Diskussion um den VKI in den letzten Wochen ist für mich ein bisschen wie der Streit um des Kaisers Bart. Alle sind sich prinzipiell einig, dass Konsumentenschutz wichtig ist, dass er finanziell gut ausgestattet und abgesichert sein soll und dass der VKI hier eine wichtige Rolle zu spielen hat – so weit herrscht Einigkeit. Umso ärger­licher ist es jedoch, dass sich in den letzten Tagen ein Parteienhickhack mit teilweise unsachlichen Anfeindungen entwickelt hat, den ich hier an dieser Stelle aber nicht weiter kommentieren möchte.

Fakt ist, dass der VKI ein dringendes Finanzierungsproblem hat und die Geschäfts­führung ohne Reform noch im Dezember die Liquidierung einleiten müsste. Es besteht also dringendster Handlungsbedarf.

Der Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember sichert den VKI und damit einen starken Konsumentenschutz zunächst einmal für das Jahr 2020 ab. Das ist ein erster, aber aufgrund der Dringlichkeit sehr wichtiger Schritt, um vor allem einmal die dro­hende Liquidierung abzuwenden.

Im nächsten Jahr wird es dann darauf ankommen, eine nachhaltige Finanzierung zu entwickeln, um den Konsumentenschutz auf starke Beine zu stellen. Von einem star­ken Konsumentenschutz profitieren wir alle. Und so hoffe ich, dass bei den weiteren notwendigen Schritten wieder Vernunft und Einigkeit unter den Parteien einkehren und eine langfristige Absicherung eines unabhängigen und gut ausgestatteten Konsumen­tenschutzes gelingt. – Danke. (Beifall der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.)

13.27


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Brigitte Zarfl. – Bitte, Frau Minister.


13.27.32

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Dr. Brigitte Zarfl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass es in der heutigen Debatte wie auch in der National­rats­debatte eine so grundsätzliche Zustimmung zu einem starken Konsumentenschutz in Öster­reich gibt.

Der VKI ist seit fast 60 Jahren in diesem Bereich tätig und hat, auch in Umsetzung europarechtlicher Bestimmungen, vom Bundesgesetzgeber Aufgaben übertragen be­kommen. Wir haben in den letzten Jahren – das wurde heute auch schon ausführlich dargelegt – zunehmend Veränderungen in der Vereinsstruktur des VKI zur Kenntnis nehmen müssen, die eine verstärkte Finanzierung durch die Bundesseite erforderlich gemacht haben.

Der letzte Versuch in diesem Zusammenhang war die Einführung von Bußgeldern aus Kartellstrafen, die heute auch schon erwähnt wurde. Diese Finanzierungsinitiative hat sich aber in der Alltagssituation in der Umsetzung als sehr holprig und schwierig ge­zeigt, sodass auch das nicht wirklich zu Erfolg geführt hat.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 81

Die Ihnen zur Beschlussfassung vorliegende Gesetzesinitiative sieht jetzt die Sicher­stellung der Finanzierung für ein Jahr vor. Mein Ressort wird so wie auch schon in der Vergangenheit sehr aktiv weiter mitarbeiten, um die für weiterführende Finanzierungen des VKI erforderlichen Informationen bereitzustellen. Wir arbeiten seit vielen Monaten intensiv mit dem VKI an erforderlichen Reformschritten. Wie Ihnen bekannt ist, wurde auch eine neue Geschäftsführung ausgeschrieben, und wir sind sehr zuversichtlich, dass wir zügig, im ersten Halbjahr die für die weiterführende Beschlussfassung über eine dauerhafte Finanzierung des VKI aus Bundesmitteln notwendigen Informationen auch dem Bundesrat werden vorlegen können.

Ich danke noch einmal für Ihre grundsätzliche Unterstützung dieser Angelegenheit. Ich darf dem Herrn Bundesratspräsidenten für seine halbjährige Vorsitzführung meinen großen Dank aussprechen und meine Anerkennung zollen und darf Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, frohe Feiertage im Kreise Ihrer Lieben und auch ein bisschen Erholung und uns allen Glück und Erfolg im kommenden Jahr wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

13.30


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. Ich erteile es ihr.


13.30.42

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher auf der Galerie und via Livestream! Ich freue mich, dass Sie heute gekommen sind, sich Zeit für die Bundesratssitzung nehmen. Sie konsumieren heute ja sozusagen ein Paket Demokratie, verpackt in den Namen Bundesratssitzung, und ich hoffe, dass der Inhalt den Erwartungen ans Parlament entspricht, nämlich eine konstruktive Auseinan­dersetzung mit Gesetzesvorhaben darstellt und damit Weichenstellungen in der Republik bewirkt.

Nun zum vorliegenden Antrag und Gesetzesvorschlag – die wesentlichen Eckpunkte haben meine Vorredner schon erläutert, daher von meiner Seite nun noch eine kurze Zusammenfassung –: Wir geben ein klares Bekenntnis zu einem starken Konsumen­tenschutz ab. Seit 1979 bildet das Konsumentenschutzgesetz die rechtliche Grundlage für vertragliche Beziehungen zwischen Verbrauchern und Unternehmen. Der Verein für Konsumenteninformation spielt dabei eine zentrale Rolle. Er achtet darauf, dass die Rechte der Verbraucher geschützt werden, und stärkt damit auch die seriös agie­renden Unternehmen. (Präsident Bader übernimmt den Vorsitz.)

Wir bekennen uns klar zu einem unabhängigen Konsumentenschutz, unabhängig auch in dem Sinn, dass der Verein auf Werbeeinschaltungen verzichten kann, sei es bei seinem Onlineauftritt oder in dem sehr bekannten und beliebten Printmagazin „Konsu­ment“. Das erfordert eine solide finanzielle Ausstattung, und mit diesen zusätzlichen 600 000 Euro, also einer Steigerung des Budgets um fast 13 Prozent, geben wir ein starkes Signal in diese Richtung ab.

Wir fordern aber auch Unabhängigkeit in dem Sinn, dass der Konsumentenschutz, dass der VKI auf breitere Beine gestellt wird. Historisch gewachsen, besteht er momentan nur aus einem einzigen Mitglied, nämlich der Arbeiterkammer, und damit ist Unabhängigkeit schwer zu gewährleisten.

Wir bekennen uns zu einem unabhängigen und nachhaltigen Konsumentenschutz. Jedes Unternehmen muss auf Veränderungen reagieren und nachjustieren, muss sich Fragen stellen wie: Was sind meine Kernaufgaben? Was hat sich geändert? – Es hat


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 82

sich sehr viel verändert: Die Produktzyklen werden kürzer, dies bedeutet mehr Arbeits­aufwand in der Testung. Der Onlinehandel ist sprunghaft angestiegen, der eigene Auftritt des VKI muss modernisiert werden, egal ob das die Homepage oder Social-Media-Auftritte betrifft. Auch der VKI muss sozusagen an das digitale Zeitalter heran­geführt werden.

Nun ist der VKI in eine finanzielle Schieflage geraten, und grundlegende strukturelle Fragen brauchen neue Antworten. Deshalb werden wir keinem Automatismus, wie von der FPÖ gefordert, zustimmen, wir bekennen uns aber durchaus zu einer nachhaltigen Finanzierung des VKI und stellen mit dem jetzigen Beschluss auch die Finanzierung für 2020 sicher. Ich bin zuversichtlich, dass in dieser Übergangszeit mit Beteiligung des VKI neue Antworten gefunden werden und dass wir mit diesem Beschluss den Weg zu einem starken, unabhängigen und nachhaltigen Konsumentenschutz ebnen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schererbauer.)

13.34


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte sehr.


13.34.29

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren, die hier im Saal und zu Hause zuschauen! Nachdem ich mir das jetzt angehört habe – und ich bin ja an­scheinend der letzte Redner dazu –, habe ich den Eindruck, dass wir eigentlich nur unterschiedliche Zugänge haben, denn wir wollen im Grunde genommen alle das Gleiche, und schlussendlich steht oben drüber, dass das Ganze finanziert wird.

Bei uns zu Hause ist es ja so – ich weiß nicht, wie es bei euch ist –: Wenn wir als Bürgermeister reden, dann redet hintennach keiner mehr. Heute wäre es bei der Frau Bundesministerin das Gleiche, also dass man nach der Frau Bundesministerin nicht mehr spricht, aber Sie erlauben, dass wir das doch noch machen. (Bundesrat Schennach: Weil du Bürgermeister bist, nur deswegen! – Heiterkeit bei Bundes­rätIn­nen der SPÖ.) – Ja, eben. (Bundesrat Schennach: Nur nach dir darf jetzt nie­mand mehr reden!) Ich habe aber einen anderen Zugang – vielleicht ist der ein bisschen interessanter, wenn auch nicht für alle.

Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass vom VKI mehrfach Studien präsentiert worden sind, die vor allem Spuren dieses Totalherbizids Glyphosat in Nahrungsmitteln und Produkten des täglichen Lebens aufzeigen. Aufgrund einer dieser Studien und vieler anderer Studien, die es gegeben hat, haben wir dann im Juli dieses Jahres mit großer Mehrheit ein Verbot von Glyphosat beschlossen.

Was ist passiert? – Wir waren doch etwas erstaunt, dass die entsprechende Gesetzes­novelle zwar veröffentlicht wurde, allerdings nicht in Kraft getreten ist, weil die EU-Kommission die Meinung vertrat, dass das unmittelbar nach dem Nationalrats­be­schluss eingeleitete Notifizierungsverfahren zu spät erfolgte. Die Frau Bundeskanzlerin ist dem gefolgt und hat sich daher außerstande gesehen, das Inkrafttreten dieses Gesetzes kundzumachen. Irgendwie verstehe ich da jetzt irgendetwas nicht. Vielleicht kann mir das jemand erklären, aber irgendetwas ist danebengegangen. Ist da ge­schlampt worden? Ist da etwas verhindert worden? Ist etwas vergessen worden? – Also diese Frage sollte man uns schon einmal beantworten.

Tatsache ist aber – und das darf nicht sein –, dass mit diesem Pflanzenkiller Glyphosat unsere in Österreich weitgehend gesunde Umwelt nachhaltig geschädigt wird. Ganz abgesehen davon, dass sich durch diese Gifte die Artenvielfalt verändert, gelangt das Gift auch in unsere Nahrungskette. Wir in Kärnten, Landeshauptmann Peter Kaiser und


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sein Team, haben das schon lange vorher erkannt und die notwendigen Maßnahmen gesetzt.

Eines müssen wir, glaube ich, auch festhalten: Es darf nicht sein, dass verant­wor­tungsbewusste, unseren Kindern verpflichtete Politik nicht zulassen darf, dass das so ist. Auf den Tellern sollen in Zukunft gesunde Lebensmittel aus biologischer und aus auf Pestizide verzichtender Landwirtschaft landen. Ich glaube, das ist das oberste Grundgebot.

Dazu fällt mir auch noch ein – und das haben wir in dieser letzten Sitzung auch be­schlossen; ich hoffe nicht, dass Mercosur noch einmal bei uns aufschlägt, weil wir genau wissen, dass zum Beispiel auch in Brasilien Nahrungsmittel und Futtermittel mit Pestiziden und Glyphosat höchstgradig verunreinigt sind –: Es ist mittlerweile leider Tatsache, und das kann nicht geleugnet werden, dass in vielen Produkten und Lebens­mitteln, in diversen Produkten bis hin zu den Babywindeln, Glyphosat nachweisbar ist, und auch im Blut von Mensch und Tier ist es nachweisbar. Man weist Glyphosat und Pestizide also in uns Menschen nach! Das ist, glaube ich, doch alarmierend, und da müssen wir einen Riegel vorschieben.

Meine Damen und Herren! Wenn wir also kein Glyphosat in unseren Lebensmitteln haben wollen, dann braucht es konsequente Verbote in allen Bereichen. (Die Bundes­rätinnen Schulz und Zwazl: Zum Thema!) – Das ist das Thema! (Bundesrat Schennach: Konsumentenschutz!) Das ist Konsumentenschutz durch den VKI und ist das Thema (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl): ein Verbot in allen Bereichen.

Entscheiden wir uns für eine Zukunft ohne Umweltgift – das wollen Sie nicht hören, ich weiß natürlich, dass die Landwirte das nicht hören wollen –, für gesunde Lebensmittel, für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und für Lebensmittel, die das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten auch tatsächlich verdienen! – Das sollten eigentlich vor allem Sie (in Richtung Bundesrätin Zwazl) als Präsidentin forcieren.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss: Gehen wir nicht das unnötige Risiko ein, unser aller Gesundheit aufs Spiel zu setzen!

Ich möchte folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen,

eingebracht im Zuge der Debatte zum Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein – (in Richtung der miteinander sprechenden Bundesrätinnen Eder-Gitschthaler und Zwazl:) horchen Sie zu!; nicht schwätzen, zuhören! – VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird

betreffend „österreichisches Glyphosat-Verbot“

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher den

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundeskanzlerin bzw. die zuständigen Bundesministerinnen und Bundesminister werden aufgefordert, unverzüglich einen mit der Regelung des § 18 Abs. 10 Pflan­zenschutzmittelgesetz 2011 im Beschluss 193/BNR des Nationalrates identen Entwurf eines Glyphosat-Verbots an die Europäische Kommission zu notifizieren und zu prüfen,


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ob dem VKI die Kosten für die Testung von Alltagsprodukten auf Glyphosat-Verunrei­nigung ersetzt werden können.“

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.40


Präsident Karl Bader: Der von den Bundesräten Novak, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „österreichisches Glyphosat-Verbot“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile es ihm.


13.41.00

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Werte Damen und Herren, die uns zuhören! Ich darf zum Ent­schließungsantrag des Kollegen Novak etwas ergänzen, weil das so nicht stehen bleiben kann.

Es ist interessant, wenn du dich auf eine Studie des VKI beziehst, die aufzeigt, in welchen Lebensmitteln Glyphosat gefunden wurde. Ich möchte nur wissen, woher diese Lebensmittel stammen, weil in Österreich geltende Rechtslage ist, dass Glyphosat nicht auf Lebensmittel ausgebracht werden darf, sondern nur auf Pflanzen zum Schutz des Bodens vor Erosion, auf Gründüngungspflanzen, auf Pflanzen, die als Zwischenfrucht angebaut werden. Auf diese darf in Österreich Glyphosat angewendet werden. Das ist geltendes Recht in unserem Rechtsstaat.

Damit kann man sagen, Österreich ist glyphosatfrei, wenn es um Lebensmittel geht. Wir essen glyphosatfrei. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Wenn Sie Glyphosat irgendwo finden, dann möglicherweise in Lebensmitteln, die importiert werden.

Ich bitte Sie da um ein bisschen Verständnis für die österreichische Landwirtschaft. Es wird in Zukunft nicht möglich sein, immer wieder strengere Richtlinien für die Land­wirtschaft zu fordern, mehr Biodiversität, besseren Pflanzenschutz, gesündere Pflan­zen­ernährung, mehr Tierschutz – all das wird gefordert (Bundesrat Schennach: Weni­ger Diesel!) –, und wenn es dann darum geht, die Lebensmittel, die in Österreich nach den gesunden Standards produziert werden, auch zu erwerben, dann zählt das nicht.

Ich als Biobauer kenne die Forderung nach mehr Bio in der Landwirtschaft, aber ich sage Ihnen, wir brauchen mehr Bio bei den Konsumenten. Über 20 Prozent werden in Österreich bereits biologisch produziert, aber es werden nur 10 Prozent in unserem Land abgesetzt, 10 Prozent müssen exportiert werden.

Kollege Schabhüttl! Zur Forderung: 100 Prozent Bio im Burgenland!, kann ich nur sagen: Bitte 100 Prozent der Konsumenten, und dann können wir über die Produktion weiterreden.

Kollege Novak, weil du gefragt hast, was da in Brüssel schiefgelaufen ist: Kärnten hat bereits ein Glyphosatverbot, das der EU entspricht. (Bundesrat Novak: Ich habe gesagt, was in Österreich schiefgelaufen ist!) Es wurde notifiziert; es wurde so notifi­ziert, wie es eben möglich ist. – Ich habe dir auch zugehört.

Es wurde so notifiziert, wie es eben möglich ist, nämlich ein Glyphosatverbot für den öffentlichen Bereich, ein Glyphosatverbot für private Anwender, nicht in der Land­wirtschaft – das ist die Kärntner Glyphosatregelung, die wir für in Ordnung empfinden.


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Daher mein Wunsch: Wenn man bei diesem Tagesordnungspunkt schon so populis­tisch agiert und den Antrag betreffend Glyphosatverbot einbringt – das ist da wirklich sehr weit hergeholt, das weißt du selbst auch –, dann würde ich bitten, mit zu beden­ken, wie das Kärntner Glyphosatverbot ausschaut, und auch zu bedenken, wenn Gly­phosat in Lebensmitteln gefunden wird, dass das nicht Lebensmittel sind, die in Österreich produziert wurden, sondern über die Grenze gekommen sind, weil woan­ders die Anwendung auf Lebensmitteln gestattet ist – was in Österreich schon lange nicht mehr der Fall ist.

Klare Kennzeichnung von Lebensmitteln, klares Glyphosatverbot in Lebensmitteln, aber auch für Importlebensmittel! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.44

13.44.17


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Kaske, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „dauerhafte Finanzierung des VKI“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundes­rätin­nen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (267/E-BR/2019)

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Rösch, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Bundesgesetz über die Finanzierung bestimmter Aufgaben des Vereins für Konsumenteninformation durch den Bund (VKI-Finanzie­rungs­gesetz 2020)“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundes­rätin­nen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (268/E-BR/2019)

Es liegt schließlich ein Antrag der Bundesräte Novak, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „österreichisches Glyphosat-Verbot“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätin­nen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (269/E-BR/2019)

13.46.167. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundesamt zur Korrup­tionsprävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozeßordnung 1975 zur Umsetzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert werden (1 d.B. und 14 d.B. sowie 10276/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.


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Berichterstatter zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.


13.46.37

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptions­prävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozessordnung 1975 zur Um­setzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Dezember 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Karl Bader: Danke für den Bericht.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr. Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.


13.47.39

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuhörer auf der Besuchergalerie und zu Hause via Livestream! Mit dem vorliegenden Gesetz setzen wir eine EU-Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug in Österreich um.

Dieser Gesetzesvorschlag wurde ja vom Nationalrat in dritter Lesung angenommen, und ich denke daher, dass auch wir im Bundesrat einen Konsens finden werden. Ich werde mich daher auf die aus meiner Sicht essenziellen Fakten beschränken. Auch wenn wir vor Weihnachten grundsätzlich an eine stille Zeit denken, so ist es, denke ich, doch wichtig, zu diesem Tagesordnungspunkt definitiv nicht zu schweigen; deshalb in Kürze das, worum es geht.

Es geht um die Bekämpfung von Missbrauch, von Betrug mit EU-Geldmitteln, im Detail geht es um Förderungsmissbrauch und Subventionsbetrug. Wir führen zwei neue Straftatbestände ein: Erstens geht es um ausgabenseitigen Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union und zweitens um missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Inter­essen der Europäischen Union.

„Das Vorhaben trägt zum Wirkungsziel“ – wenn ich das jetzt vorlesen darf – „,Gewähr­leistung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens [...]‘ der Untergliederung 13 Justiz im Bundesvoranschlag des Jahres 2018 bei.“ 

In anderen Worten: Was wollen wir damit erreichen? – Wir bekämpfen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Bestechung, Vorteilszuwendung zum finanziellen Nachteil der EU. Und diese Bekämpfung der Korruption muss in allen 27 Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Zieht man dabei Österreich heran: Österreich hat als siebentgrößter Nettozahler selbst­verständlich großes Interesse daran, dass diesem Missbrauch von EU-Fördermitteln ein Ende gesetzt wird. Die europäischen Bürger und Bürgerinnen müssen darauf vertrauen können, dass ihr Geld auch ordnungsgemäß verwaltet wird. Schaut man sich einen Bericht aus dem Jahr 2017 an, dann stehen 2,5 Milliarden Euro als Betrugsvolu-


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men im Raum; das ist in Relation zum geplanten Gesamtetat von 153,6 Milliarden Euro für das Jahr 2020 ein durchaus überschaubarer Betrag. Das zeigt – und darüber bin ich auch sehr froh –, dass es generell eine durchaus fördergerechte und rechts­kon­forme Verwendung von Fördermitteln gibt.

Dennoch, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen – ich komme auch schon zum Schluss –, ist jeder Schritt in diese Richtung ein wichtiger und ein richtiger Schritt. Jeder Schritt, der dazu beiträgt, unser Rechtssystem an aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedingungen anzupassen und Betrugsbekämpfung voranzutreiben, ist ein richtiger Schritt. Daher wird dieser Gesetzesvorschlag von uns unterstützt.

Auch von meiner Seite ein frohes Weihnachtsfest und eine stille Zeit! Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie der Bundesrätin Grimling.)

13.51


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Jürgen Schabhüttl. Ich erteile es ihm.


13.51.37

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir sprechen jetzt von der allerersten Regierungsvorlage in dieser neuen Gesetzgebungsperiode, und diese richtet sich gegen den Förderbetrug zulasten der Europäischen Union. Meine Vorrednerin hat ja schon einiges dazu ausgeführt. Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang, dass wir nur einen geringen Änderungsbedarf haben, da in der Vergangenheit schon sehr, sehr viel in diese Richtung umgesetzt wurde.

Es werden zwei neue Tatbestände eingeführt. Erstens ist das § 168c des Straf­ge­setzbuches, der vom ausgabenseitigen Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union spricht, und zweitens § 168d, der von einer missbräuchlichen Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interes­sen der Europäischen Union spricht.

Gleichzeitig wird der bestehende § 153b StGB, Förderungsmißbrauch, auf nationale Förderungen beschränkt. Hierzu ein kleiner statistischer Wert: Zwischen 2012 und 2017 kam es nach diesem § 153b StGB lediglich zu zwei Verurteilungen. Auch wenn künftig mit keinem großen oder eklatanten Anstieg an Verurteilungen zu rechnen ist: Die Umsetzung des Gesetzes ist trotzdem wichtig, erstens weil wir EU-rechtlich natürlich dazu verpflichtet sind und zweitens weil die Zielsetzung grundsätzlich die richtige ist.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Zielsetzung der Betrugsbekämpfung im Bereich der Fördermittel der EU sehr wichtig ist – speziell auf uns bezogen, da wir, wie schon vorhin erwähnt wurde, Nettozahler sind und natürlich großes Interesse daran haben sollten, dass diese Fördermittel in einer gewissen Höhe und unter gewissen Voraussetzungen jene bekommen, denen sie rechtlich auch zustehen.

Aus den genannten Gründen werden wir seitens der SPÖ-Fraktion diesem Gesetz natürlich gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


Präsident Karl Bader: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Michael Schilchegger. – Sehr geehrter Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


13.54.03

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren!


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 88

Der vorliegende Gesetzesbeschluss bezweckt, wir haben es schon gehört, die Um­setzung der Unionsrichtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finan­ziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug. Zu diesem Zweck werden für den ausgabenseitigen Betrug zum Nachteil dieser finanziellen Interessen der EU ein neuer Spezialtatbestand und ebenso ein weiterer Spezialtatbestand für die missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interes­sen der Europäischen Union geschaffen. Ich bin schon sehr gespannt, wie dann in der Rechtspraxis dieser unbestimmte Rechtsbegriff der finanziellen Interessen der Euro­päischen Union tatsächlich ausgelegt wird.

Natürlich waren derartige Fälle von Betrug oder Förderungsmissbrauch bisher nicht straflos, sondern, wir haben es schon gehört, von den Straftatbeständen im StGB grundsätzlich erfasst, nur ist es aufgrund diverser Unterschiede zu den Richtlinien­vorgaben im Detail – und weil in Bezug auf diese speziellen Tatbestände auch auf­grund der Richtlinie besondere Zuständigkeiten der europäischen Organe normiert werden – für den österreichischen Gesetzgeber natürlich zweckmäßig, das nicht in die bestehenden Tatbestände zu integrieren, sondern in Spezialtatbestände auszulagern.

Der Gesetzesbeschluss beschränkt sich im Wesentlichen auf die Umsetzung der Richtlinie. Ein Gold Plating wird ebenso wie eine unnötige Verkomplizierung dieser ohnehin schon komplizierten Materie vermieden, daher werden wir diesem Gesetzes­beschluss unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.55

13.55.35


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.56.048. Punkt

Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (III-685-BR/2019 d.B. sowie 10270/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. – Ich bitte Sie um den Be­richt.


13.56.33

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2018 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Dezember 2019 den Antrag, den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregu­lierung und Justiz, zur Kenntnis zu nehmen. – Danke.

13.57


Präsident Karl Bader: Ich danke sehr.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 89

Als Erste ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.57.38

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer auf der Galerie und via Livestream! Alles staatliche Handeln in der Gesetzgebung, in der Verwaltung und in der Gerichtsbarkeit muss aufgrund der Verfassung erfolgen. Als oberster Hüter der Verfassung leistet der Verfassungsgerichtshof einen wichtigen Bei­trag zum Schutz jedes Einzelnen und von Minderheiten, aber auch zur Sicherung des gesellschaftlichen Friedens in unserem Land. Unsere demokratische Gesellschafts­ordnung ist ja leider auch innerhalb Europas nicht überall selbstverständlich.

Der aktuelle Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes wurde damals noch von Bundesminister Dr. Moser dem Parlament zugeleitet; er kommt erst heute in den Bundesrat.

Ich muss Sie jetzt mit einigen Zahlen ein bisschen drangsalieren, und ich bitte darum, diese vorlesen zu dürfen:

Im Jahre 2018 wurden beim Verfassungsgerichtshof 5 665 neue Fälle anhängig. Das entspricht einer Steigerung von mehr als 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Ver­gleich zu 2014 beträgt die Steigerung sogar 89,15 Prozent. Für die Steigerung waren hauptsächlich die Asylrechtssachen und die Fälle aus dem Glücksspielrecht verant­wortlich.

2018 wurde mit Frau Dr. Brigitte Bierlein erstmals eine Frau Präsidentin, und Herr Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter wurde als Vizepräsident ernannt. Obwohl aufgrund von Pensionierungen frei gewordene Richterstellen erst im Laufe des ersten Halbjahres nachbesetzt wurden, konnten trotz des erneut gestiegenen Arbeitsanfalls fast 5 500 Rechtsfälle erledigt werden. Die durchschnittliche Erledigungsdauer konnte sogar noch weiter verbessert werden. Sie betrug weniger als vier Monate.

Den 5 665 neu anhängig gewordenen Verfahren sowie den 1 339 aus dem Vorjahr übernommenen Verfahren standen 5 481 abgeschlossene Verfahren gegenüber. Durch die weiter gestiegene Zahl neuer Fälle ist leider die Zahl der zum Jahreswechsel noch offenen Verfahren angestiegen. Die Erfolgsquote für die Einschreiter ist aber nach wie vor niedrig, nur in 8 Prozent der Fälle gaben die Verfassungsrichter dem Beschwer­deführer recht. Demgegenüber stehen 2 144 Ablehnungen, 228 Zurückweisungen und 103 Abweisungen. Über Anträge auf Verfahrenshilfe wurde 2 487 Mal negativ entschie­den und es gab 81 sonstige Entscheidungen, zum Beispiel Einstellungen. Im Asylbe­reich wurden 2 830 Fälle erledigt.

Die Gesetzesprüfungsverfahren sind für uns natürlich besonders interessant, und ich darf berichten, dass es 538 Gesetzesprüfungsverfahren gab, bei denen 244 Normen einbezogen worden sind; lediglich drei Bundesgesetze und 74 Landesgesetze wurden beanstandet.

Ich greife jetzt einige Entscheidungen heraus, die von öffentlichem Interesse waren oder sind beziehungsweise auf starkes mediales Interesse gestoßen sind: Als nicht zulässig wurde das Verbot der Verrechnung von Entgelten für Bargeldbehebungen bei Geldausgabeautomaten erachtet. Die im Urheberrecht festgelegte prozentuelle Speichermedienvergütung wurde ebenfalls als verfassungswidrig erkannt, während gegen die Wartefrist für die Familienzusammenführung bei subsidiär Schutzberechtig­ten kein Einwand erhoben wurde.

Einzelne Bestimmungen betreffend die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in den Bundesländern Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich und Wien wurden aufge-


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hoben. Die Selbsterhaltungsfähigkeit wurde als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erkannt.

Interessant ist auch, dass die Eintragung des Geschlechts bei intersexuellen Personen zulässig ist, ebenso die Einzeladoption durch einen ehemaligen gleichgeschlechtlichen Partner. Die Verpflichtung zur Durchführung von Endenergieeffizienzmaßnahmen ist als verfassungskonform erachtet worden.

Ich habe jetzt nur einige wenige Entscheidungen herausgegriffen. Der Bericht ist außerordentlich interessant und umfangreich, und ich möchte wirklich betonen, dass es unabdingbar ist, dem Verfassungsgerichtshof jede Hilfestellung zu geben, die er für seine wichtige Arbeit benötigt. So wäre es zum Beispiel wirklich hilfreich, wenn jeder Ständige Referent oder jede Ständige Referentin drei wissenschaftliche Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen zur Verfügung gestellt bekommen würde.

Im Bericht wird ausdrücklich erwähnt, dass jede Beschleunigung der Erledigung von Asyl- und Fremdenrechtssachen zu einer Kostenersparnis in Millionenhöhe im Bereich der Grundversorgung führen würde.

Gerade im Licht der vorgestrigen Veröffentlichung möchte ich auch sagen, dass jede Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Respekt verdient und auch anzuerkennen ist, auch wenn einem nicht jede Entscheidung – unter Anführungszeichen – „wirklich passt“. Das ist aber gesellschaftlicher Konsens.

Abschließend möchte ich allen Richterinnen und Richtern und allen Mitarbeitern am Verfassungsgerichtshof für die verlässliche Arbeit im Sinne unserer Gesellschaft dan­ken. Ihr Wirken bildet das rechtliche Fundament für alles, und die Raschheit der Erledi­gungen ist nicht nur national, sondern auch international vorbildlich; sie ist gegenüber 2017 noch einmal verbessert worden, nämlich von 140 auf 112 Tage. Dieses Ergebnis zeigt den Einsatz aller  vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

14.04


Präsident Karl Bader: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Eli­sabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.


14.04.50

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Rahmen meiner Ausführungen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Höchstgerichte mei­nen Dank aussprechen. Danke für diese wichtige, intensive Arbeit!

Meine Vorrednerin, Kollegin Neurauter, hat schon ausgeführt, wie viel an Arbeit da zu bewältigen war. Es ist wirklich beachtlich, dass es gelungen ist, die durchschnittliche Verfahrensdauer weiter zu reduzieren, denn wir wissen, dass ein zeitnahes Ende eines Verfahrens auch ein wesentliches Element eines fairen Verfahrens im Sinne der Euro­päischen Menschenrechtskonvention ist. Es gelingt dem Verfassungsgerichtshof wirklich gut, diesem Prinzip gerecht zu werden. Da ist auch sehr, sehr viel Einsatz, Engagement und Herzblut dabei. Wir wissen, was wir an unseren Höchstgerichten haben – also ein ganz, ganz großes Danke dafür!

Der Bericht ist auch ein lebendiges Zeugnis dafür, wie schnelllebig die Politik in Zeiten wie diesen ist. Wenn man sich ansieht, wer den Bericht des Verfassungsgerichtshofes unterzeichnet hat: Das war die ehemalige Präsidentin Brigitte Bierlein, jetzige Bundeskanzlerin. Der Bericht des Verwaltungsgerichtshofes wurde vom jetzt hier sitzenden Justizminister in seiner vorherigen Funktion unterzeichnet. Es ist also alles im Fluss, und wir erleben da in Zeiten wie diesen auch wirklich ein besonderes Stück Geschichte.


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Wir sehen auch, dass der Bericht Zeugnis davon gibt, welch vorausschauendes Werk unsere Bundesverfassung ist. Unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat ja unsere Bundesverfassung gerade in diesen schwierigen Zeiten als sehr elegantes, belastbares Werk gelobt. Wir sehen auch anhand dieser Berichte, wie wichtig es ist, dass wir genau diesen Stufenbau der Rechtsordnung haben, damit die Menschen auch vor Willkür staatlichen Handelns geschützt sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wurden ja heute bei unserer Gelöbnis­formel daran erinnert, dass alles staatliche Handeln, von der Gesetzgebung bis zur Vollziehung, in Verwaltung und Gerichtsbarkeit, aufgrund der Verfassung und im Einklang mit der Verfassung erfolgen muss. Genau darüber wacht der Verfassungs­gerichtshof, denn es ist in einem funktionierenden Rechtsstaat so, dass die Politik sehr wohl dem Recht folgen muss und nicht umgekehrt, wie sich das ein ehemaliger Innenminister vorgestellt hat, als er offensichtlich von einem Totalumbau des Staates geträumt hat. Er ist damit – ich muss sagen, zum Glücke Österreichs – Gott sei Dank gescheitert.

Der Stufenbau der Rechtsordnung mit der Verfassung und dem europäischen Regel­werk an der Spitze schafft Stabilität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen Struk­turen und bietet wie gesagt Schutz vor politischer Willkür.

Der Bericht 2018 zeigt auch in einigen Beispielen, dass sich der Gesetzgeber nicht alles erlauben darf. Ich habe mir, wie Frau Kollegin Neurauter, auch einige Beispiele aus diesem Bericht herausgesucht, etwa das niederösterreichische Mindestsicherungs­gesetz: Eine Deckelung der Mindestsicherung auf 1 500 Euro, unabhängig davon, wie viele Personen im Haushalt leben und wie hoch deren tatsächlicher Bedarf ist, ist eben nicht verfassungskonform, da dies gleichheitswidrig und unsachlich ist; sie wurde vom Verfassungsgerichtshof aus diesem Grund auch aufgehoben.

Das hätte für einen verantwortungsvollen Gesetzgeber Richtschnur dafür sein können, wie eine Sozialhilfe Neu gestaltet werden muss. Wir haben aber gesehen, dass sich die ehemalige türkis-blaue Bundesregierung, eben getreu dem Motto Kickls, relativ wenig um die Verfassung – salopp gesprochen – geschert hat. Das hat eben auch dazu geführt, dass das Gesetz zur Sozialhilfe Neu aufgehoben wurde, und das war – für uns zumindest – nicht überraschend. Wir als sozialdemokratische Bundesrats­frak­tion haben es als konsequente Umsetzung der zitierten Gelöbnisformel gesehen, gegen dieses offensichtlich verfassungswidrige Gesetz vorzugehen und einen Gesetzesprü­fungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu richten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einem Kind nur 1,50 Euro pro Tag zuzu­gestehen, das kann nicht menschenrechtskonform sein, das geht einfach nicht (Beifall bei der SPÖ), genauso wenig wie die Totalüberwachung, die im sogenannten Sicher­heitspaket vorgesehen ist, das Datenschutz und das Recht auf Privatheit gänzlich ignoriert. Das kann nicht verfassungskonform sein – und war es ja auch nicht, wie wir gesehen haben. Auch diesbezüglich haben wir erfolgreich einen Gesetzesprüfungs­antrag gestellt, und der Verfassungsgerichtshof ist unseren Argumenten gefolgt.

Ich denke, genau durch unser aktives Amtsverständnis als sozialdemokratische Bun­desratsfraktion haben wir das Profil des Bundesrates als unsere gemeinsame Insti­tution sehr geschärft, nämlich als Kontrollorgan der Gesetzgebung. Das wollen wir auch weiterhin so halten, selbstverständlich auch gemeinsam mit anderen Fraktionen, die wir herzlich dazu einladen, ein solch aktives Amtsverständnis an den Tag zu legen, unabhängig davon, welche Regierungskonstellation – das wissen wir ja alle noch nicht – uns gegenüberstehen wird.

Der Verfassungsgerichtshof trifft auch immer wieder wichtige Klarstellungen, über die sich die Gesetzgebung nicht immer in dieser Klarheit und Deutlichkeit drübertraut. Wir


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haben das schon bei der vollkommenen Öffnung der Ehe für alle gesehen; wir haben an dieser Stelle auch schon eingehend darüber gesprochen. Im Juni 2018 ist die Ent­scheidung betreffend das Recht auf individuelle Geschlechtsidentität gekommen, in der klargestellt wurde, dass das Personenstandsgesetz eben so weit ausgelegt werden muss, dass alternative Geschlechtsidentitäten – das dritte Geschlecht, wie man sagt, intersexuelle Personen – auch umfasst sind. Für viele Familien, für viele Eltern be­deutet das praktisch, dass sie eben nicht gezwungen werden, sich bei intersexuellen Kindern zu entscheiden, als Geschlechtsidentität entweder männlich oder weiblich anzugeben. Es gibt ja oft sehr dramatische Fälle von aufgezwungenen Umoperationen; das soll dadurch eben wesentlich hintangehalten werden.

Ja, es gibt viele Entscheidungen – die Einzeladoption hat die Frau Kollegin schon angesprochen –, in denen Klarstellungen erfolgt sind, die eben auch zeigen, wie wichtig unsere Höchstgerichte sind.

In diesem Sinne spreche ich nochmals ein ganz großes Danke aus und darf Ihnen auch ein wunderschönes Weihnachtsfest und alles Gute im neuen Jahr wünschen. Auf gute Zusammenarbeit! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Lackner.)

14.13


Präsident Karl Bader: Als Dritter in der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt ist Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


14.13.52

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Bericht des Verfassungsgerichtshofes 2018 nehmen wir gerne zur Kenntnis. Be­merkenswert ist, dass aktuell nur die Hälfte der Verfahren vor dem Verfas­sungsge­richtshof mit all seinen Ressourcen, allen rechtswissenschaftlichen Mitarbeitern und Assistenzkräften Entscheidungen in gewöhnlichen Rechtsmaterien betreffen, von A wie Abfallwirtschaftsrecht bis Z wie Zahlungsdienstegesetz. Die andere Hälfte aller Entscheidungen betrifft allein Fremden- und Asylrechtsfälle, die von Fremden, vor allem natürlich von abgelehnten Asylwerbern, nach Abschluss eines rechtskräftigen Verfahrens an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden.

Wir reden hier also von Fällen, die die zuständige Asyl- und Fremdenrechtsbehörde bescheidförmig ablehnend entschieden hat und die bereits von unabhängigen Richtern des Bundesverwaltungsgerichtes noch einmal überprüft und – natürlich unter Berücksichtigung des verfassungs- und unionsrechtlichen Rahmens – mit Erkenntnis als rechtskonform bestätigt wurden. Zwei Instanzen haben also zu diesem Zeitpunkt schon entschieden, eine davon ein unabhängiges Gericht. Dennoch, meine Damen und Herren, werden diese rechtskräftig entschiedenen Asylfälle von freundlichen Helfern an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, die 50 Prozent seiner Res­sourcen blockieren, natürlich auch deshalb, um Abschiebungen zu verzögern und zu verhindern, um illegalen Einwanderern doch noch ein Bleiberecht zu ermöglichen – und das alles auf Kosten der österreichischen Steuerzahler, die sich ihre Gerichts­verfahren meistens selbst bezahlen müssen. Das ist Ausdruck dieser NGO-Zuwan­derungsmaschinerie, die von uns Freiheitlichen schon seit Jahren und Jahrzehnten kritisiert und von allen anderen Fraktionen in diesem Haus unterstützt oder still­schweigend protegiert wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Lassen Sie mich noch ganz kurz auf das aktuelle Erkenntnis des Verfassungs­gerichts­hofes zur Sozialhilfe Neu eingehen, das auch meine Vorrednerin angesprochen hat! Erstens ist es allgemeiner Konsens – ich hoffe, auch in diesem Haus –, dass Erkennt-


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nisse des Verfassungsgerichtshofes akzeptiert, umgesetzt und in der künftigen Gesetz­gebung berücksichtigt werden. Zweitens ist es meine persönliche Auffassung – ich hoffe, hier besteht auch darüber Konsens –, dass es zulässig ist, Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes auf fachlicher Ebene zu kritisieren, ohne dadurch die Legiti­mation des Verfassungsgerichtshofes infrage zu stellen und ohne deshalb die gebo­tene Umsetzung der Entscheidung infrage zu stellen.

Ich möchte nun aus den Entscheidungsgründen des Verfassungsgerichtshofes zitieren, und zwar nicht zum aktuellen Erkenntnis, sondern zum Erkenntnis betreffend Min­dest­sicherung, die oberösterreichische Variante der Mindestsicherung, aus dem Jahr 2018. Da führt der VfGH wörtlich aus – ich zitiere –: „Gerade bei Haushalts­gemeinschaften von Familien mit (vielen) Kindern ist auf die teils großen Synergieeffekte hinzuweisen, die sich etwa dadurch ergeben, dass die Besorgungen und Verrichtungen des Alltags typischerweise für die Familie insgesamt erfolgen und die Kinder in Familien, vor allem in großen bzw. sehr großen Familien, typischerweise altersmäßig gestaffelt sind, wes­halb das notwendige ‚Mehr‘, das für jedes weitere Kind zu beschaffen ist, mit der Zahl der Kinder abnimmt und den Aufwand pro Kind deutlich reduziert. [...] In diesem Zusammenhang darf auch auf die Erhöhung der Familienbeihilfe für jedes weitere Kind auf Grund der Geschwisterstaffelung hingewiesen werden.“

Eine „Regelung, die je Haushaltsgemeinschaft einen Pauschalbetrag und ab einer gewissen Haushaltsgröße einen bestimmten, nicht unterschreitbaren Betrag je weiterer minderjähriger Person vorsieht“, gewährleistet, dass „unter Einbeziehung der hinzu­tre­tenden Familienleistungen für die jeweilige Haushaltsgemeinschaft insgesamt ein zur Vermeidung sozialer Notlagen ausreichender Betrag zur Verfügung steht“ und „nicht der – vom Verfassungsgerichtshof als unsachlich qualifizierte – Fall eintreten kann, dass der Lebensunterhalt für eine minderjährige Person im Rahmen eines Mindest­sicherungssystems ausschließlich mit der Familienbeihilfe bestritten wird.“

Zur degressiven Staffelung: Staffelungen zur Abgeltung des Mehraufwandes bei Min­derjährigen können zulässigerweise vom Gesetzgeber geregelt werden, erforderlich ist jedoch, dass die Familienbeihilfe zuzüglich eines gewissen Mindestbetrages pro Per­son gewährt wird. Daher hat der Verfassungsgerichtshof vor einem Jahr auch die Re­gelung der schwarz-blauen oberösterreichischen Landesregierung als verfassungs­konform bestätigt. Mit seiner nunmehrigen Entscheidung hat der Verfassungs­gerichts­hof eine rechnerisch völlig funktionsgleiche Regelung im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz aufgehoben. Kritik ist daher schon deshalb gerechtfertigt, weil sich der VfGH in einen auffallenden Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung gesetzt hat.

Die Rechtsfolge aus dem Erkenntnis ist klar: Die Länder sind nun frei, insoweit selbst Regelungen zu schaffen. Soll eine möglichst funktionsgleiche Ersatzlösung getroffen werden, die dem Grundgedanken des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes entspricht, bietet es sich natürlich an, genau jene Deckelregelung zu übernehmen, die der Verfas­sungs­gerichtshof betreffend das oberösterreichische Mindestsicherungsgesetz bereits be­stätigt hat. – So viel zu meinen fachlichen Anmerkungen.

Ich gratuliere natürlich der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion zu ihrem Anfech­tungserfolg vor dem Verfassungsgerichtshof. Sie haben zunächst sehr viele Punkte in diesem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz politisch kritisiert, juristisch aber nicht angefoch­ten – wahrscheinlich deshalb, weil Sie keine Erfolgsaussichten dafür gesehen haben. Von allen Regelungen, die Sie politisch kritisiert haben, haben Sie nun 13 Regelungen als verfassungswidrig angefochten. Der Verfassungsgerichtshof ist Ihrer Rechts­mei­nung in drei Punkten gefolgt. Alle anderen Regelungen – alle anderen zehn Regelun­gen – wurden bestätigt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich kann den naheliegenden Einwand schon hören: Alle anderen zehn Anfechtungs­punkte waren nebensächlich, waren relativ unwichtig. – Ich überlasse Ihnen jetzt selbst die Beurteilung, ob Sie die folgenden Regelungsaspekte des Sozialhilfe-Grund­satz­gesetzes als wichtig oder unwichtig bewerten wollen: der Ausschluss von Fremden mit Ausnahme von erwerbsaktiven Unionsbürgern und Asylberechtigten; die degressive Staffelung der Leistungen für Erwachsene samt Haushaltsdeckelungen für Wohnge­meinschaften; der Vorrang von Sachleistungen; die zwölfmonatige Befristung von Bescheiden; die verpflichtende Miteinbeziehung von Altfällen bis Mitte 2021 und die effektive Sanktionierung der Deutschlernpflicht für Zuwanderer, soweit sie Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen, bis auf das Niveau B1.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, all das wurde von Ihnen mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit angefochten. (Bundesrätin Schumann: Teile! So einfach ist das nicht!) Der VfGH hat die Verfassungskonformität aber bestätigt.

Was schreiben nun die Medien? – „Verfassungsgericht kippt türkis-blaue Sozial­hilfe­reform“; ein weiteres Zitat: „Nackenschlag für Türkis-Blau“. Das sind die Überschriften, meine Damen und Herren. Ich empfehle Ihnen einen Blick in die Historie der Min­destsicherung, die ja bisher in der alleinigen Verantwortung der Landesgesetzgebung war. Mindestsicherungsgesetze der Länder wurden bisher elfmal angefochten. In acht Fällen hob der Verfassungsgerichtshof angefochtene Regelungen auf – in acht von elf Fällen! Also in Vorarlberg, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich und – man höre und staune! – auch im Burgenland und auch in Wien wurden Regelungen zur Mindestsicherung als verfassungswidrig aufgehoben.

Ja, waren denn nun in Gesetzgebungsorganen in ganz Österreich nur Dilettanten am Werk oder haben sich, Frau Kollegin Grossmann, die Landesregierungen im Burgen­land und in Wien nicht um die Verfassungskonformität des Gesetzes, wie Sie es ausdrücken, „geschert“? (Bundesrätin Schumann: Das hilft alles nichts!) – Die Antwort kennen Sie bei nüchterner Betrachtung natürlich, meine Damen und Herren: natürlich nicht. Überall dort, wo die Gesetzgebung neue Wege beschreitet, und überall dort, wo schon aufgrund der Abstraktionshöhe der Materie ein verfassungsrechtlicher Grau­bereich zur Begründung der Sachlichkeit einer Regelung entsteht, ist es unmöglich, mit Sicherheit zu prognostizieren, ob eine neue Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof standhält oder nicht.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, in Bezug auf die Verfassungskonformität der Sozialhilfe Neu haben Sie sich insgesamt zehnmal geirrt (Bundesrätin Schumann: Geh!), die türkis-blaue Regierung hat sich dreimal geirrt. (Beifall bei der FPÖ. – Heiter­keit bei der SPÖ. – Die BundesrätInnen Schennach und Schumann: Das tut weh!)

Für diese drei punktuellen Regelungen, die nun aufgehoben wurden, können sehr leicht und werden auch sehr leicht Ersatzregelungen gefunden werden. Im Übrigen wurde das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wie gesagt bestätigt und ist nun auch natürlich im roten Bundesland Wien umzusetzen. Sie werden daher beispielsweise fremde Sozial­touristen, auch aus der EU, subsidiär Schutzberechtigte und ausreisepflichtige Perso­nen von der Mindestsicherung auszuschließen haben. Andernfalls wird das Min­dest­sicherungsgesetz in Wien insoweit mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit versehen und über kurz oder lang auch durch den Verfassungsgerichtshof aufzuheben sein. (An­haltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Novak: Das ist leider in die Hosen ge­gangen, Herr Mag. Dr.!)

14.22


Präsident Karl Bader: Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ist als Nächster zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.



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14.22.53

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (ohne Fraktionszugehörigkeit, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Der Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes dokumentiert unseres Erachtens ein beeindruckendes Leis­tungspensum, vor dem man jedenfalls sehr großen Respekt haben darf und muss, wobei es ja nicht – unter Anführungszeichen – „nur“ um eine quantitative Leistungs­bilanz geht, sondern eigentlich geht es ja um viel mehr.

Der Verfassungsgerichtshof ist der Hüter der Einhaltung der Bundesverfassung, die Bundesverfassung ist ja immerhin das Fundament unserer Republik. Damit ist der Verfassungsgerichtshof eine der wichtigsten Einrichtungen überhaupt in unserem Land. Deswegen sind auch seine Arbeitsfähigkeit und Unabhängigkeit absolut unab­dingbar, weil ja kaum etwas so wichtig für ein funktionierendes Staatswesen in einem liberalen Staat ist. Das sehen wir so im Unterschied zur FPÖ, von der ich heute gehört habe, ein liberaler Staat sei kein Wert. Das sehen wir grundlegend anders. Und für einen liberalen freien Staat ist die Einhaltung der Grundrechte essenziell.

Ich lese Artikel 7 der Bundesverfassung vor, denn einige haben es ja notwendig, dass man das tut: „Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausge­schlos­sen.“ – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, wie die Erfahrung eben zeigt, ist es immer wieder ein Vorteil, dass der Verfassungsgerichtshof beispielsweise an diesen Artikel 7 erinnert – nicht nur daran erinnert, sondern aktiv nachhilft und korrigieren muss, sodass auch Grundrechte in diesem Land eingehalten werden.

Da hat es leider gerade die vorige Regierung oftmals nicht so genau mit der Verfas­sungskonformität genommen. Immer wieder wurden höchstgerichtliche Regelungen beanstandet und aufgehoben. Das allein zeigt eigentlich schon einen durchaus be­denklichen Umgang mit der Verfassung.

Immer wieder wurden vom Verfassungsgerichtshof – einige Beispiele sind erwähnt worden – diskriminierende und gleichheitswidrige Bestimmungen, gerade im Sozialbe­reich, aufgehoben, Beispiel Mindestsicherung, in mehreren Bundesländern. Vorgestern erfolgte das Erkenntnis zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Das war eine höchst erfreu­liche Entscheidung, die richtigerweise eine Ungleichbehandlung von Kindern und eine Reduktion von Sozialleistungen abhängig von Sprachkenntnissen untersagt.

Man ist es ja gewohnt, aber trotzdem, es geht mir immer noch so, es ist irgendwie unfassbar und entlarvend, was dann für Reaktionen kommen, vor allem seitens der FPÖ. Da gibt es offenbar die Haltung: Wenn einem etwas nicht passt, eine politische Haltung, dann wird gegen den Rechtsstaat ausgeholt, dann wird gegen den Verfas­sungs­gerichtshof ausgeholt, indem ihm Parteilichkeit unterstellt wird. So hat Kickl gesagt – den kennen Sie, glaube ich –, die „Verfassungsrichter hätten die Segel für eine sich abzeichnende schwarz-grüne Regierung gesetzt“. – Ich meine, das sind Aus­sagen, die einfach mit einer demokratischen, rechtsstaatlichen Haltung wirklich nicht mehr viel zu tun haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Wieso nicht?)

Herr Schilchegger, Sie versuchen, das jetzt eben schönzureden. Tatsache ist aber, dass ganz wesentliche Elemente des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, für die sich die FPÖ starkgemacht hat, einfach gekippt worden sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das nehmen wir eh zur Kenntnis! Man darf wohl darüber reden!) Ich gebe Ihnen einen guten Tipp, auch nach Oberösterreich: Schreiben Sie Mindestsicherungsregelungen aus anderen Bundesländern ab, aus Vorarlberg zum Beispiel! Diese Regelung ist verfassungskonform und sehr in Ordnung, auch jene aus Wien. Beide gehören sicher mit Abstand zu den besten Mindestsicherungslösungen, die wir haben und die wir auch gesetzeskonform hingebracht haben.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 96

Einen weiteren Beweis dafür, wie Sie es mit dem Rechtsstaat halten, haben Sie vorhin angetreten, indem Sie sich darüber beschwerten, dass Menschen, die zu uns geflohen sind, den Instanzenzug in Anspruch nehmen, und sagen, es würde damit irgendwie der Verfassungsgerichtshof blockiert. Das finde ich einfach ein starkes Stück. Selbst­verständlich steht das jedem Menschen zu, die haben genauso das Recht, den Instan­zenzug auszuschöpfen. Ich danke den NGOs ausdrücklich dafür, dass sie den Men­schen, die sonst keine Hilfe bekommen, dabei helfen, sich für ihre Rechte einzusetzen. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger, Lackner und Schreuder.)

Vor rund einer Woche ist noch etwas Wichtiges gekippt worden, Teile des türkis-blauen Bürgerüberwachungspakets – auch das war ganz, ganz wichtig –, mit dem Bundes­tro­janer voran. Auch das war eine wichtige Entscheidung zum Schutz der BürgerInnen, zur Sicherstellung auch in der Verfassung verbriefter Rechte.

Das ganze Thema Gleichstellung in Österreich ist überhaupt dem Verfassungs­ge­richts­hof zu verdanken, der da quasi die Arbeit der Regierung gemacht hat und ganz, ganz wichtige Entscheidungen getroffen hat. Die wichtigsten Entscheidungen sind bereits zitiert worden, das wiederhole ich jetzt nicht.

Das zeigt auf, dass der Verfassungsgerichtshof ein wichtiger Anwalt der BürgerInnen und vor allem jener ist, die sich selbst nicht so gut wehren können, die nicht so eine starke Lobby haben. Nicht zuletzt deswegen gebührt dem Verfassungsgerichtshof ein sehr großer Dank für diese gute und absolut unverzichtbare Arbeit in diesem Staat. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger, Lackner und Schreuder.)

14.28

14.28.42


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.29.129. Punkt

Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (III-695-BR/2019 d.B. sowie 10271/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Nun gelangen wir zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin wurde Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling nominiert. – Ich bitte um den Bericht.


14.29.32

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichts­hofes für das Jahr 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, De­regulierung und Justiz, liegt Ihnen schriftlich vor. Daher verzichte ich auf die Ver­lesung und komme gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 97

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 17. Dezember 2019 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Dezember 2019 den Antrag, den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregu­lierung und Justiz, zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Karl Bader: Ich danke sehr herzlich für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein, die von Bundesrätin Mag. Doris Schulz eröffnet wird, die als Erste zu Wort gemeldet ist. Ich erteile es ihr.


14.30.48

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Ich darf auf den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2018 eingehen.

Im österreichischen Verwaltungsgerichtshof sind derzeit 68 Richterinnen und Richter beschäftigt. Der Arbeitsumfang ist mit der Installierung eines fünften Asylsenats mit einer zeitlich befristeten zusätzlichen Richterstelle und zwei Experten leichter bewältig­bar geworden. Die Verfahrensdauer liegt daher bei durchschnittlich 4,1 Monaten, das sind also 123 Tage. Man kann dazu nur gratulieren.

Die 47 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Unterstützung der Richterinnen und Richter bei der Ausarbeitung von Entscheidungen sehr wichtig. So kann eine zügige Abwicklung der Verfahren und eine solide Erledigung gewähr­leistet werden.

Wir reden da – und jetzt kommen einige Zahlen, die ungefähr auch die Größen­ver­hält­nisse darstellen – von 7 873 neuen Verfahren und 7 998 Erledigungen im Jahr 2018. Die Fallzahl ist gegenüber 2017 um 6 Prozent gestiegen. Die Zahl der Asylbe­schwer­den stieg sogar um 27 Prozent auf 2 939 und machte damit einen großen Sprung nach oben. Grund dafür sind die Nachwirkungen der Flüchtlingswelle von 2015 und 2016. Dieser Trend wird trotz Befürchtungen eines höheren Ausmaßes im heurigen Jahr, 2019, aber rückläufig sein.

Daneben betreffen die häufigsten Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes das Frem­denrecht mit 625 Fällen und das Glücksspielrecht mit circa 500 Fällen, wobei Be­schwerden im letztgenannten Bereich mit minus 48,8 Prozent gegenüber 2017 signif­ikant rückläufig waren. Ebenso rangierten Beschwerden in den Bereichen Baurecht – 428 Fälle –, Bodenreform – 386 Fälle –, Abgaben – 369 Fälle –, Sozialversicherung – 296 Fälle – sowie Straßenverkehrsordnung und Kraftfahrgesetz mit 265 Fällen erneut weit oben.

Beispielhaft sind in diesem Bericht viele Fälle dargestellt, zum Beispiel wichtige Ent­scheidungen über UVP-Verfahren, über den Entzug von Waffenbesitzkarten von soge­nannten Staatsverweigerern, über Energieübertragung durch Handauflegung als medi­zinische Maßnahme. Die bunte Vielfalt setzt sich fort mit Entscheidungen zu Hühner­ställen im Wohngebiet oder dazu, dass es keinen Rechtsanspruch auf standesamtliche Trauungen an einem bestimmten Ort gibt. Das pralle Leben in seiner Vielfalt bildet sich also in den Fällen des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Der intensive fachliche Austausch mit den Verwaltungsgerichten des Bundes und der Länder sowie internationale Informations- und Vernetzungsarbeit zeigen die Kompe­tenz und Notwendigkeit des Verwaltungsgerichtshofes und was er im Jahr 2018 ge­leistet hat.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 98

Vonseiten der ÖVP bedanke ich mich sehr herzlich für diese Arbeit, aber auch für die Leistungsbilanz. (Beifall bei der ÖVP.)

14.34


Präsident Karl Bader: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm.


14.34.48

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch noch ein bisschen auf diesen Bericht, auf diesen TOP 9, den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes, eingehen. Frau Mag. Schulz hat schon viele Zahlen, Daten und Fakten erwähnt. Was sie nicht erwähnt hat, ist der Appell von Herrn Präsidenten Rudolf Thienel. Er sagt, dass der Personalstand nicht ausreichend ist, dass der Ver­waltungsgerichtshof keine ausreichenden Ressourcen mehr zur Verfügung hat, um die Arbeit zu leisten. Nebenbei hebt er im Bericht hervor, dass die budgetären Vorgaben schon in der Vergangenheit, auch im vorigen Jahr, 2018, nur durch die verzögerte Nachbesetzung von Planstellen eingehalten werden konnten. Auch seien alle Möglich­keiten der Effizienzsteigerung durch interne Maßnahmen ausgereizt und der ohnehin relativ geringe Sachaufwand nicht weiter reduzierbar. Erfolgreich ausgedehnt wurde laut Thienel das Modell der Unterstützung der RichterInnen im Asylbereich durch eigene Teams wissenschaftlicher MitarbeiterInnen. Es kommt nun auch im Glücks­spielbereich zum Einsatz.

Die Zahlen, Daten, Fakten sind schon genannt worden. Unglaublich: 7 873 neue Fälle, 7 998 Verfahren wurden erledigt. Das ist dem Rückstau aus den vorigen Jahren geschuldet. Bei den Asylbeschwerden stieg die Zahl der Verfahren „sogar um 27% auf 2.939 und machte damit nach 2017 (+47%) noch einmal einen deutlichen Sprung“. Abgeschlossen hat der Verwaltungsgerichtshof die genannten 7 998 Verfahren. „Somit waren zum Jahresende noch 2.696 Fälle offen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 4,1 Monate“, das sind 123 Tage, und konnte damit gegenüber 2017 von 4,6 Monaten noch weiter reduziert werden.

1 340 BeschwerdeführerInnen waren erfolgreich. „Die Chance für Beschwerdefüh­rerIn­nen, vom Verwaltungsgerichtshof Recht zu bekommen, ist grundsätzlich keine schlechte, wobei der Prozentsatz der Stattgaben, also der Aufhebung oder Abänderung ange­foch­tener Entscheidungen, bei ordentlichen Revisionen mit 29% wieder signifikant höher war als bei außerordentlichen Revisionen (17%). Rechnet man sämtliche Ver­fah­ren ein, ergibt sich für die Stattgaben ein Wert von 17%“ – das sind 1 340 Fälle –, „dazu kommen 216 Abweisungen (3%), 3.391 Zurückweisungen (42%), 488 Einstellun­gen (6%) und 2.563 ‚sonstige Erledigungen‘“.

Neben dem Asylrecht mit den genannten 2 939 Verfahren betrafen die häufigsten Verfahren auch im vergangenen Jahr wieder das Fremdenrecht und das Glücks­spielrecht. Das waren im letztgenannten Bereich immerhin circa 500, wobei die Zahl der Beschwerden mit minus 48,8 Prozent im Vergleich zum Jahr 2017 signifikant rückläufig war.

Im Bericht werden auch wieder einige ausgewählte Entscheidungen des Verwaltungs­gerichtshofes angeführt. So hat der Verwaltungsgerichtshof zum Beispiel „entschieden, dass sich jemand, der eine Eisenbahnkreuzung trotz rot blinkendem Licht überquert, nicht auf den Grundsatz ‚Beraten statt Strafen‘ berufen kann, da dem Haltegebot an Bahnübergängen sowohl in Bezug auf die Verkehrssicherheit als auch auf den Schutz von Leben und Gesundheit der VerkehrsteilnehmerInnen große Bedeutung zukommt. Gleiches gilt für die Missachtung von Stoppschildern bei Straßenkreuzungen. Eine


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über eine Hausverwaltung verhängte Geldstrafe wegen im Stiegenhaus befindlicher Blumentöpfe, Fahrräder, Kinderroller und Kinderwägen wurde hingegen mit dem Argu­ment aufgehoben, dass es sich hierbei um keine ‚brandgefährlichen Gegenstände‘ handelt.“

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich recht herzlich für die Aufmerksamkeit. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Herr Minister, bei Ihrem gesamten Team. Meine Fraktion wird diesen Bericht natürlich zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.39


Präsident Karl Bader: Als nächster Redner ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


14.39.25

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Aus dem Tätigkeits­bericht des Verwaltungsgerichtshofes ist eines ganz klar herauszulesen, nämlich dass die Zahl der anhängigen Verfahren seit 2014 kontinuierlich gestiegen ist.

Die letzten Jahre hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Berichten immer wieder über die enorme Arbeitsbelastung geklagt. Die Arbeit wurde ja stetig mehr, nur das Personal eben nicht. Das hat die türkis-blaue Regierung aber sehr wohl geändert und hat eine Richterplanstelle und zwei Planstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter ge­schaffen. Dafür hat sich die Frau Vizepräsidentin im Ausschuss auch recht herzlich bedankt. Leider ist es so, dass die eine Richterplanstelle mit Ende des Jahres 2019 ausläuft, es steht eine Pensionierung ins Haus. Es wird dann eben an der neuen Regierung liegen – wie auch immer eine mögliche oder, so wie es derzeit aussieht, eher unmögliche Regierungskonstellation aussehen mag –, auch wieder für die Nach­besetzung samt Planstelle zu sorgen.

Im Bericht steht zwar, dass der Verwaltungsgerichtshof weiter mit Personalknappheit zu kämpfen hat, im Ausschuss wurde dann auf genauere Nachfrage von mir aber sehr wohl gesagt, dass es sich mit höchster Kraftanstrengung aller jedoch ausgeht. Ich möchte hier aber schon davor warnen, sich jetzt als Politiker zurückzulehnen und zu glauben, irgendwie wird es schon weitergehen. Es kann immer etwas passieren, wodurch ein oder mehrere Mitarbeiter für eine bestimmte Zeit ausfallen, und wenn es keine Reserven gibt, meine Damen und Herren, dann kann eben eine Kleinigkeit dazu führen, dass man wieder in Rückstand gerät. Es ist mir auch wichtig, Folgendes zu sagen: Wer immer – egal bei welcher Art von Arbeit, ob das geistige oder körperliche Arbeit ist – unter voller Auslastung arbeitet, läuft auch Gefahr, dass er ausbrennt. Alleine aus diesen Gründen ist es schon die Pflicht der Politik, dafür zu sorgen, dass so etwas eben nicht passiert, und das funktioniert eben nur über genügend Personal.

Ein paar Zahlen – wir haben die meisten Zahlen ja schon gehört –: Positiv ist die Zahl 125; es gab um 125 mehr Erledigungen, als es neue Verfahren gab, das heißt, 7 873 neuen Verfahren standen 7 998 Erledigungen gegenüber. Diese 7 873 neuen Verfah­ren bedeuten wiederum ein Plus von 6 Prozent gegenüber 2017, da waren es noch 7 315 neue Verfahren.

Aus all diesen Zahlen ist ganz klar ersichtlich, aus welcher Ecke diese extreme Belas­tung kommt. Allein im Asylbereich gab es knapp 3 000 Fälle. Im Vergleich zu 2017 – die Zahl war schon in diesem Jahr im Vergleich zu den Jahren davor sehr hoch – gab es wieder eine enorme Steigerung. Um gleich auf 2019 vorzugreifen: Diese Zahl, also die 3 000 neuen Verfahren im Asylbereich, wird gleich hoch bleiben. Da muss ich


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Kollegin Schulz widersprechen, die Frau Vizepräsident hat im Ausschuss sehr wohl gesagt, dass 2019 die Zahl an Asylverfahren, an neuen Verfahren in etwa gleich hoch bleibt. Diese Zahl nenne ich auch ganz bewusst, vor allem um den Toleranzroman­tikern die türkis-schwarz-grüne-Brille abzunehmen.

Gesamt gesehen wird es dann 2019 einen leichten Rückgang des Arbeitsanfalls geben. Das ist aber vor allem im Bereich des Glücksspiels der Fall, wo bereits 2017 der Höchststand erreicht wurde; 2018 hat sich die Fallanzahl in diesem Bereich auf circa 500 Fälle halbiert, und auch im Jahr 2019, also in der Vorschau, zeichnet sich ein weiterer Rückgang ab.

Nun, wie ist das möglich, dass bei einem Anstieg der Anzahl an Verfahren auf der einen Seite auf der anderen Seite mehr Fälle abgeschlossen werden konnten, als neue dazukamen? – Natürlich war das einerseits durch die drei Planstellen, die dank der blauen Regierungsbeteiligung dazukamen, möglich. Auf der anderen Seite liegt es vor allem daran, dass sich die durchschnittliche Verfahrensdauer auf, wie wir schon gehört haben, 4,1 Monate verkürzt hat. Diese 123 Tage sind rekordverdächtig, da muss man wirklich allen Mitarbeitern im Verwaltungsgerichtshof gratulieren.

Zusammengefasst: Natürlich ist an diesem Bericht die Handschrift der verfehlten Politik der unkontrollierten Massenzuwanderung aus dem Jahr 2015 ganz klar ablesbar. Auch die Nachwehen dieser Politik beschäftigen uns nicht nur tagtäglich in den Schlagzeilen, sie werden uns auch noch die nächsten Jahre beschäftigen, und das wird auch weiterhin sehr viel Geld kosten. Das ist immer etwas, das man gerne beiseiteschiebt, aber was glauben Sie, was das kostet, wenn ein kompletter Gerichtshof knapp die Hälfte des Jahres nur mit diesen Verfahren beschäftigt ist?

Stellvertretend für die freiheitliche Fraktion bedanke ich mich bei allen, die an diesem Bericht mitgearbeitet haben, und auch bei allen Mitarbeitern des Verwaltungs­gerichts­hofes für ihr Engagement in der Vergangenheit und natürlich auch in der Zukunft. Wir werden diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.45

14.45.33


Präsident Karl Bader: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich darf auf der Besuchergalerie sehr herzlich eine Besuchergruppe der Sportunion aus dem Bezirk Lilienfeld willkommen heißen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Brunner: Jetzt war ganz Lilienfeld schon da im Bundesrat!) Der Herr Bürgermeister meiner Bezirkshauptstadt, Wolfgang Labenbacher, und Hermi Labenbacher, die diesen Gruppenbesuch organisiert hat, sind auch da. Herzlich willkommen hier im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

14.46.2510. Punkt

Datenschutzbericht 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfassung, Refor­men, Deregulierung und Justiz (III-684-BR/2019 d.B. sowie 10272/BR d.B.)


Präsident Karl Bader: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 101

Berichterstatter für diesen Tagesordnungspunkt ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Ich bitte dich um den Bericht.


14.46.48

Berichterstatter Andreas Arthur Spanring: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Datenschutzbericht 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17.12.2019 den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Karl Bader: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte.


14.47.30

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, ganz besonders aus dem Bezirk Lilienfeld! Wissen Sie, welches Wort zum österreichischen Unwort des Jahres 2018 gekürt wurde? (Heiterkeit des Bundesrates Brunner. – Zwischenrufe bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)  Sie ahnen es vielleicht, mancher denkt vielleicht noch mit einem gewissen Unbehagen daran: Es war das Wort Datenschutz-Grundverordnung.

Als Erklärung geben die Sprachforscher der Karl-Franzens-Universität Graz Folgendes dazu an: „Verordnung der Europäischen Union für die an sich wichtige Zielsetzung des Schutzes der privaten elektronischen Daten mit mangelhafter Umsetzung“.

Ich finde, die Forscherinnen und Forscher bringen es damit schon ganz schön gut auf den Punkt, denn: Einerseits geben wir sonst oft sehr sorglos und bereitwillig und ohne weitere Bedenken unsere Daten her, hinterlassen digitale Spuren und Fußabdrücke, die rückverfolgbar sind, die unsere Aktivitäten und unser Handeln nachvollziehbar und transparent machen, und andererseits wurden sehr hohe bürokratische Hürden aufge­baut. Es wurde viel Raum für Spekulationen, manchmal sogar für das Schüren von Ängsten geschaffen.

Während internationale Konzerne längst einen Weg gefunden hatten, mit der DSGVO umzugehen, haben sich viele Klein- und Mittelbetriebe, viele unserer heimischen Un­ter­nehmerinnen und Unternehmer, Vereine und ehrenamtlichen Organisationen auf einmal mitten im DSGVO-Labyrinth wiedergefunden. Das betrifft den Schlosserei­be­trieb, der plötzlich alle Arbeitsschritte, bei denen kundenbezogene Daten verarbeitet werden, einzeln dokumentieren muss; das Hotel, das noch mal eine Einwilligung seiner Stammgäste einholen muss, um zukünftig auch Newsletter verschicken zu dürfen; die Vereine, da beim örtlichen Vereinsfest jede einzelne Besucherin, jeder einzelne Besucher darauf aufmerksam gemacht werden muss, dass sie oder er dort fotografiert wird.

All das sind Beispiele, wie sie vermutlich jeder von Ihnen auch erzählen kann – Fälle, in denen für unsere KMUs ohne entsprechende technische und personelle Infrastruktur eines dazugekommen ist: Bürokratie, zusätzliche Kosten für juristische Beratungen und trotz aller oft sehr gewissenhaften Vorbereitungen am Ende doch eine gewisse Unge­wissheit, wie es weitergehen wird, wie sich die DSGVO auf die jeweilige Branche, auf unser aller Leben auswirken wird.


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Ich glaube, so ist es nicht überraschend, dass das Wirken der Datenschutzbehörde im Jahr 2018 jedenfalls auch davon geprägt war: vom Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung mit 25. Mai 2018.

Organisatorisch brachte der 25. Mai 2018 für die österreichische Datenschutzbehörde einen geänderten Aufgabenbereich. Sie ist nun für die Führung von Individualverfahren auf Antrag und von amtswegigen sowie von internationalen, grenzüberschreitenden Verfahren zuständig, sie nimmt sogenannte Databreachmeldungen, also Datenschutz­vorfälle, entgegen und bearbeitet sie, und sie ist dafür zuständig, Verordnungen zu Datenschutz-Folgenabschätzungen zu erlassen.

Ein Blick in den Tätigkeitsbericht und in die Statistiken zeigt, dass das Jahr 2018 einen massiven Anstieg sowohl der Individual- als auch der grenzüberschreitenden Be­schwerden im Datenschutzbereich brachte. Die Zahl der Individualbeschwerden stieg auf 1 036 Eingangsstücke im Jahr 2018 und hat sich, wie wir im Verfassungs­aus­schuss gehört haben, auch für 2019 auf einem ähnlich hohen Niveau eingependelt.

Gefragt war die DSB auch bei Rechtsauskünften. Die Anzahl der Anfragen hat sich fast verdoppelt: Sie ist im Jahr 2018 bei 4 052 gelegen. Gerade der Anstieg der Rechts­auskünfte zeigt auf der einen Seite, dass das Bewusstsein für Datenschutz gestiegen ist – und das ist, glaube ich, sehr positiv zu bewerten.

Der Anstieg der Anfragen ist aber auch ein Spiegel, was die eingangs zitierte man­gelhafte Ausführung betrifft, denn nicht selten brachte die intensive Beschäftigung mit der DSGVO, die Vorbereitung in den einzelnen Unternehmen oder bei den Vereinen wenig Klarheit, aber oft umso mehr offene Fragen. Daher möchte ich an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der österreichischen Datenschutzbehörde, die das Inkrafttreten der DSGVO in Österreich so professionell begleitet haben, herzlich danken. Frau Dr. Jelinek ist auch persönlich anwesend. – Vielen herzlichen Dank an Sie und Ihr Team, vor allem für die hohe Beratungskompetenz, die Sie gezeigt haben!

Ein großes Dankeschön möchte ich an dieser Stelle aber auch an alle anderen richten, die dazu beigetragen haben, Österreich DSGVO-fit zu machen, ganz besonders an die Sozialpartner, an die Wirtschaftskammer, die unzählige Unternehmerinnen und Unter­nehmer auf diesem Weg begleitet hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen am Ende dieses Jahres und sozu­sagen vor dem Sprung in ein neues Jahrzehnt. Vieles ist da noch unsicher, eines jedoch ist gewiss, nämlich dass Daten immer mehr das Geld unserer Zeit werden. Ich glaube, es wird an uns liegen, wie wir mit dieser Problematik umgehen, ob und wie wir das Grundrecht auf Datenschutz wahren und wie wir den neuen Herausforderungen begegnen können. Vor allem aber sind wir alle gefragt, wenn es darum geht, beste Bedingungen und praktikable Lösungen für unsere heimischen, rot-weiß-roten Betriebe im internationalen Wettbewerb zu schaffen.

Lassen Sie mich abschließend noch vom Unwort des Jahres zu einem Wort kommen, das das zweite Halbjahr und unser Wirken im Bundesrat sehr stark geprägt hat, nämlich Niederösterreich. Herr Präsident Karl Bader, ich darf dir an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön sagen, nämlich für die gute Zusammenarbeit und für deine ausgezeichnete Präsidentschaft. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem upcoming president Robert Seeber.

An dieser Stelle vielen Dank an alle! Frohe Weihnachten und vielen Dank für das gute Miteinander hier im Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP.)

14.54


Präsident Karl Bader: Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin!


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Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Wolfgang Beer. Ich erteile es ihm.


14.55.00

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte BundesrätInnen! Sehr geehrte Zuseher! Die Datenschutz­behörde ist eine unabhängige Behörde. Sie ist keiner Dienst- und Fachaufsicht unter­worfen. Wir haben die Aufgabe, diese Datenschutzbehörde mit genügend Geldmitteln und auch mit genügend Personal auszustatten.

Wir haben vorhin gehört, wie in diesem Bereich die Zahlen exorbitant ansteigen. Es gibt in der Datenschutzbehörde 34 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und wir haben in einem Jahr eine Steigerung von 3 400 auf 7 100 Geschäftsfälle zu verzeichnen. Ich bin sehr froh und sehe dieses Thema anders, als es die Kollegin vorhin ausgeführt hat, nämlich dass es nur Hindernisse gäbe und es ein Wahnsinnsaufwand wäre. Ich möchte eigentlich schon, dass meine Privatsphäre geschützt wird, und darum gibt es unsere Datenschutzbehörde.

Wir haben an den ansteigenden Zahlen bezüglich Rechtsauskünften wahrnehmen kön­nen, dass die Sensibilität in der Bevölkerung, wie schon gesagt wurde, steigt. Die Datenschutzbehörde bezieht sich auch immer wieder auf Gerichtsurteile, und diese Gerichtsurteile sind im Datenschutzbericht sehr schön, nicht personenbezogen, nachzulesen.

Im Jahr 2018 gab es für den Bereich des Datenschutzes vom Verfassungsgerichtshof keinen Entscheid. Wir sind heute mit der Sitzung ein bisschen zu früh dran, denn für 2019 gibt es einen Entscheid. Dieser besagt, dass diese Trojanerfantasien rechtsun­wirksam sind, dass es also wirklich eine Gefahr darstellt, wenn wir unsere Handys, unseren PC, unseren Laptop, unsere Tablets einfach nicht mehr als sicher empfinden können.

Abgesehen von den privaten Hackern hackt dann plötzlich unser Staat, und alles, was sich auf einem Handy befindet, alles, was wir hier geschrieben haben, ob wir eine E-Mail bekommen, ob wir über Whatsapp, über Facebook, über Twitter kommunizieren, alles das bekommt dann die Behörde, die das veranlasst hat, mit.

Ich möchte eigentlich nicht, dass meine Daten über Kameras erfasst werden und dass plötzlich eine Vorratsdatenspeicherung beginnt. (Bundesrätin Mühlwerth: ... sowieso!) Ich möchte nicht, dass Bewegungsprofile von mir erstellt werden können; ich möchte nicht, dass in diesem Bereich, wenn ich mit meinem Handy bezahle, alles offen liegt (Bundesrätin Mühlwerth: Aber das passiert ja schon, aber nicht bei uns!): wo ich eingekauft habe, wann ich einkaufe, was ich einkaufe. Ich meine, jeder, der eine Jö-Karte hat, ist selbst schuld (Heiterkeit des Bundesrates Schennach), denn die ver­knüpfen das. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, eben! – Bundesrat Steiner: Nur Bares ist Wahres!) Da hat man aber wenigstens die Entscheidung. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, nur hat man dieses subjektive Gefühl, es ist nicht so!) – Ja, auch wenn es doch leider Gottes so weit ist.

Wir haben in diesem Bereich noch viel nachzuholen. Wir haben neulich bei dem einen Verfahren, bei dem das Handy eines ehemaligen Spitzenpolitikers beschlagnahmt wurde, ja gesehen, was für einen Aufschrei es in dieser Partei deswegen gegeben hat. Hätten wir den Bundestrojaner, dann hätten wir das gar nicht gewusst. Es sind die Daten halt so ausgelesen worden. Und jetzt, mit einem wunderbaren, ganz wunder­baren Gerichtsurteil, ist das einfach nicht möglich.

Das betrifft auch die Bauern: Die Bauern haben dann auch nicht mehr die Möglichkeit, bei den Quadratmeterangaben betreffend ihre Almen zu schwindeln – denn wir zahlen


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ja eigentlich sehr viel Geld, weil es nicht passt, weil da immer wieder falsche Angaben gemacht werden.

Wir sollten uns wirklich überlegen, ob wir so etwas in Zukunft überhaupt zulassen. Wir haben hier davor gewarnt, wir wollten das nicht. Wir hätten eine Lösung finden können, weil es nicht nur gegen den Terrorismus gerichtet ist, sondern weil es jeden einzelnen Bürger trifft, der dann ganz einfach keine Möglichkeit mehr hat, Schutz oder irgend­etwas anderes zu bekommen. Es braucht wirklich nur eine Kundschaft oder ein Partner im Bereich der Arbeitswelt eine kriminelle Handlung zu begehen, und man ist auf der Verdächtigenliste. – So kann es eigentlich nicht sein. (Vizepräsident Wanner über­nimmt den Vorsitz.)

Was mich auch sehr gestört hat: Herr Bundesrat Schilchegger, Sie sagen, man kann, vereinfacht ausgedrückt, ein Gesetz nicht so gestalten, dass man weiß, was dann passiert – oder habe ich das falsch verstanden? (Bundesrat Schilchegger: Zu ver­einfacht!) Wieso zu vereinfacht? Sie haben gesagt, man kann es nicht abschätzen! (Bundesrat Schilchegger: Im Graubereich!) – Ja, Graubereich! Wir sind doch da nicht in einem Graubereich. Stellen Sie sich vor, es kommt ein Installateur zu Ihnen, Sie geben ihm einen Auftrag und er sagt: Ja, das wird vielleicht so werden, aber wie es genau wird, weiß ich nicht, weil ich einen Graubereich habe!, und dann haben Sie die Rohre nicht in der Wand, sondern vor der Wand verlegt. Das geht doch nicht! (Heiter­keit und Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wir haben da also auch eine Verpflichtung, eine Verantwortung, in deren Rahmen wir darauf schauen sollten, dass wir nicht Learning by Doing machen. Von Abgeordneten ist nämlich schon zu verlangen, dass sie ganz einfach wirklich sehr, sehr restriktiv mit solchen Maßnahmen wie jenen, die hier aufgehoben wurden, umgehen. (Der Redner begibt sich wieder zu seinem Platz als Schriftführer.) – Jetzt kämpfe ich mich wieder zurück. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wiesner.)

15.03


Vizepräsident Michael Wanner: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile es ihm. (Bundesrätin Mühlwerth: Da kannst du gleich alles klarstellen!)


15.03.19

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Justizminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Darf ich ganz kurz noch auf meinen Vorredner eingehen: Ich habe natürlich nicht ge­meint, dass es niemals vorhersehbar ist, wie etwas verfassungsrechtlich oder unions­rechtlich entschieden wird, sondern es gibt einfach in der Juristerei immer bestimmte Graubereiche – gerade was Rechtsmaterien oder was neue Regelungen betrifft, in denen es noch keine Präjudizien gibt und in denen es Argumente dafür – die für die Sachlichkeit einer Regelung sprechen – und auch Argumente dagegen gibt. Daher ist die Kritik einfach fehl am Platz.

Ich komme nun zum Datenschutzbericht 2018, den wir sehr gerne zur Kenntnis neh­men. Die Datenschutzbehörde vollzieht den rechtlichen Rahmen ordnungsgemäß, teils vertretbar, teils überzeugend; auch da kann man natürlich immer juristisch argumen­tieren, ob eine bestimmte Entscheidung falsch, vertretbar, überzeugend, was auch im­mer ist. Das ist einfach das, was die Rechtswissenschaft ausmacht: Manchmal ist es eindeutig, manchmal aber auch nicht.

Ganz klar ist aber für uns: Wer punktuelle Änderungen oder weitflächige Änderungen im datenschutzrechtlichen Rahmen fordert oder wer mit dem datenschutzrechtlichen Rahmen, so wie er ist, nicht einverstanden ist, darf seine Kritik nicht an die Behörde,


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sondern muss sie an den Gesetzgeber, an den österreichischen und europäischen Rechtssetzer richten, der diese Regelungen zu verantworten hat. Die Behörde vollzieht ja nur das, was geltendes Recht ist, und die Kritik richtet sich da ja vor allem auch an die Europäische Kommission mit ihrem Initiativmonopol.

Da ist natürlich aus unserer Sicht auch zu überlegen, ob nicht bestimmte Bereiche der DSGVO noch einmal überarbeitet werden müssen, um bestimmten Bedenken Rech­nung zu tragen. Meine Vorredner haben teilweise erwähnt, welchen unverhältnismäßi­gen bürokratischen Aufwand das alles auslöst: Der Vorstand eines kleinen Vereins haftet nach geltendem Datenschutzrecht beispielsweise dafür, dass der unbekannte Gast einer Veranstaltung, der dort neben vielen anderen Teilnehmern fotografiert wird, auch mit der Verarbeitung seiner Bilddaten einverstanden ist, und es darf weder pau­schal ein überwiegendes Interesse des Vereins noch eine stillschweigende Einwilli­gung des fotografierten Gastes angenommen werden.

Damit man aber die hohen Formalanforderungen für eine wirksame Einwilligung ein­halten kann, braucht man dafür schon fast einen Rechtsbeistand – ebenso wie für die Frage, welche Verpflichtungen ich denn bezüglich der Information des Betroffenen erfüllen muss. Auch da hat die DSGVO ganz neue Wege beschritten und diesen Bera­tungsbedarf ausgelöst. Diese Informationspflichten gelten ja auch unabhängig davon, auf welche Rechtsgrundlage man nun die Datenverarbeitung stützen will. Auch Verar­beitungsverzeichnisse sind erstmals von den Verantwortlichen selbst zu erstellen.

Die datenschutzrechtlichen Vorschriften treiben auch solche seltsamen Blüten, dass sich ein Schwarzfahrer, dessen Daten von der Polizei aufgenommen werden, erfolg­reich gegen die Weitergabe dieser Daten an Organe des Verkehrsbetriebes wehren kann, wodurch natürlich auch eine zivilrechtliche Verfolgung dieser Schwarzfahrt ver­un­möglicht wird. Da verweise ich auf Seite 20 des vorliegenden Datenschutzberichts.

Jedenfalls ist die Effektivität des Datenschutzrechtsrahmens auch vorbildlich – und zwar angesichts der Androhung hoher und höchster Verwaltungsstrafen. In dieser Rechtsmaterie ist interessanterweise auch niemand der Meinung, dass Strafen wenig bringen würden und dass Menschen ihr Verhalten aufgrund des gesetzlichen Straf­rahmens in einem bestimmten Bereich nicht ändern würden – eine interessante Sache.

Ich ziehe eine kurze Zwischenbilanz: Datenschutz nimmt einen hohen Stellenwert in der europäischen und österreichischen Rechtsordnung ein. Die effektive Durchsetzung ist, auch und gerade durch die vorbildliche Vollziehungstätigkeit der Datenschutz­be­hörde, gewährleistet. – Das ist einmal das eine.

Umgekehrt muss man aber schon konstatieren, dass gerade die verwerflichsten Miss­achtungen des Grundrechts auf Datenschutz oft straflos bleiben, nämlich dann, wenn beispielsweise personenbezogene Daten ohne jedwede Rechtsgrundlage aus Unter­suchungsausschüssen, aus der Staatsanwaltschaft, aus den Strafgerichten heraus an Medien weitergespielt werden und dann von den Medien zu Zwecken einer Sensa­tionsberichterstattung veröffentlicht werden. Die genannten Rechtsträger sind durch den Rechtssetzer vom Anwendungsbereich des Datenschutzrechts einfach ausgenom­men worden, und auch der zivil- und medienrechtliche Rahmen reicht zur erfolgreichen Abwehr derartiger Verletzungen von Persönlichkeitsrechten nicht aus.

Diese Privilegien für die genannten Rechtsträger, für diese staatlichen und privaten Organisationen, mögen unter Umständen für Sie, meine Damen und Herren Kollegen hier im Bundesrat, in Ordnung sein, solange Sie nicht selbst von diesen Grundrechts­verletzungen betroffen sind, aber das Grundprinzip des derzeitigen Datenschutz­rechts­rahmens, nach dem einerseits sämtliche komplexen Anforderungen des Datenschutz­rechts bis ins bürokratische Detail unter Androhung hoher und höchster Verwaltungs­strafen von jedweder Privatperson und jedweder Organisation einzuhalten sind, ande-


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rer­seits Teile des Staatsapparats und große Medienunternehmen pauschal von diesen Verpflichtungen ausgenommen werden, passt nicht zusammen und wird aus meiner Sicht auf Dauer auch nicht aufrechtzuerhalten sein. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

15.08

15.08.36

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.09.0711. Punkt

Petition betreffend „Regulierung des Wolfes in Österreich“, überreicht von Bun­desrat Silvester Gfrerer (45/PET-BR/2019 sowie 10278/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


15.09.23

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bür­gerInnenrechte und Petitionen über die Petition betreffend „Regulierung des Wolfes in Österreich“.

Der Ausschussbericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, die gegenständliche Petition zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm.


15.10.11

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Bundesminister ist keiner mehr da. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher hier – zwei haben wir noch da, die uns zuhören (Bundesrätin Mühlwerth: Jeder oder was?) – und zu Hause vor den Geräten! Der Wolf. (Bundesrat Steiner: Der am Küniglberg?) – Das ist eine schwierige Diskussion oder wird eine schwierige Diskussion werden, keine Frage, und sie ist emotionell aufgeladen, wie wir in der Ausschusssitzung gesehen haben.

Natürlich gibt es da eine sehr schwierige Abwägung zwischen dem Artenschutz, dem strengen Artenschutz für Wölfe auf der einen Seite und den Interessen der Landwirte, Bauern und Touristiker auf der anderen Seite.

Bei mir zu Hause ist vor zwei Wochen – jetzt werden ein paar lachen – ein Glockhap gerissen worden. Die Bauern oder die, die mit Landwirtschaft zu tun haben, wissen, was das ist. Die DNA ist anscheinend zu spät genommen worden, es hat ein bisschen länger gedauert, schlussendlich ist herausgekommen, dass es ein Fuchs war. Wenn ein Glockhap gerissen wird, kann man sich von der Größenordnung her nicht vor­stellen, dass es ein Fuchs war. Das ist wahrscheinlich nicht möglich, aber es ist so dargestellt worden und da gibt es auch keinen anderen Zugang.


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Die Jäger haben alle gesagt, das war sicher ein Wolf, aber er ist nie wieder aufge­taucht, er wurde nicht mehr gesehen. Wir wissen ja alle, dass sich ein Wolf über 100 Kilo­meter weit am Tag bewegen kann.

Da das Thema ja erst kurzfristig aufgekommen ist, habe ich mir diesen Schutzstatus einmal angeschaut und gelesen, dass der Wolf in dieser Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in den Anhängen II und IV aufgeführt wird. Erklärtes Ziel der Richtlinie ist die Erreichung eines günstigen Erhaltungszustands für die betreffenden Arten und Lebensräume. Da­von sind wir in Österreich, was den Wolf betrifft, noch sehr weit entfernt. Das steht auch in der Punktation dieser Petition, dass diese Regeln überdacht und aufgehoben werden können. Dabei wünsche ich aber viel Vergnügen mit dem Naturschutzbund.

Die Frage bei der Gelegenheit war auch: Was nützt uns der Wolf? – Ja okay, über den Artenschutz müssen wir schon reden, wir reden auch über Artenvielfalt und Bio­diversität. Es zeigt sich immer wieder – und das wissen auch alle, die hier sitzen –, dass rund ein Drittel der in Österreich vorkommenden Pflanzen und Tiere auf der Roten Liste stehen. – Also so viel auch dazu.

Meine Frage war dann noch: Wie oft ist ein Wolf verhaltensauffällig geworden? Hat er Menschen angefallen und so weiter? Kollege Köck – ich glaube, er redet nach mir – hat betreffend Russland eine Zahl genannt, die ich nicht bestätigen kann, ich habe sie nicht gefunden, aber vielleicht nenn er sie, wenn er dann selbst am Rednerpult ist. Ich habe auf jeden Fall Dr. Google gefragt und festgestellt, dass es in Europa plus Russland zwischen 10 000 und 17 000 Wölfe gibt und dass es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten keine nennenswerten, nur vereinzelte Fälle und seit 2000 kein aggressives Verhalten gegenüber Menschen gegeben hat. In Russland ist eine Frau zu Tode gekommen, das war ein Wolfsrudel. In einem schwedischen Tierpark ist eine Frau, die auf die Tiere aufgepasst hat, durch ein Wolfsrudel zu Tode gekommen. Einzelne sind auch durch Tollwut zu Tode gekommen.

Was ich jetzt unbedingt vermeiden würde: Kollege Bernard hat im Ausschuss versucht, das Ganze in eine Angstmache umzudirigieren und zu sagen, die Menschen müssen aufpassen, jetzt kommt der Wolf, das ist gefährlich und so weiter. Also das würde ich auf jeden Fall nicht machen. Damit gewinnen Sie auch keine Stimmen im Wahlkampf, mit dem Wolf sind keine Stimmen zu machen; da kann ich jetzt schon gratulieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines ist auch klar: Ein Wolf lässt sich nicht domestizieren. Warum ich das weiß? – Weil ich als Bürgermeister bei einer Veranstaltung war, da hat die Arbeitsgemeinschaft der Jagdverbände des Südostalpenraumes bei uns in Mallnitz getagt, da waren ganz gescheite Leute dabei, alle außer mir waren Jäger. Die Südtiroler haben über das Leben mit dem Wolf referiert. Was mich sehr beeindruckt hat, jetzt nenne ich auch den Namen, Dr. Ivan Kos hat zum Thema „Monitoring des Wolfes – warum und wie?“ in Slowenien gesprochen. Dort sind alleine fünf Leute dafür angestellt, dass sie sich mit dem Wolf auseinandersetzen. Das war eine ganz interessante Geschichte. Bei uns waren noch Ferdinand Gorton, der jetzt nicht mehr Landesjägermeister ist, und die Jäger, die sehr vehement darauf gedrängt haben, dass sich auch Frau Bundesminister Köstinger, die zur damaligen Zeit dafür zuständig war, in diese Richtung bewegen müsste, dass etwas passiert.

Ich habe mir das noch einmal angeschaut, das war ganz interessant, diese Arbeits­gemeinschaft insgesamt, nein, Deutschland habe ich mir angeschaut, und wie viele Wölfe es dort derzeit gibt. Mit dieser Situation hat sich der Bundestag zwei bis drei Tage auseinandergesetzt, ich glaube, da ist es fürchterlich rundgegangen, aber sie haben sich dann geeinigt; es gibt dort 73 Rudel und derzeit 266 Welpen. Wir wissen, dass ein Rudel aus fünf bis zehn Tieren besteht. Jetzt reden wir über Österreich. Es


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sind anscheinend 35 Tiere, zwei bis vier Rudel, die sich in Österreich bewegen. Wie ich von den Niederösterreichern gehört habe, gibt es aber viele Grenzgänger, die ein­mal dort und einmal da sind.

Ich glaube, man hätte einfach länger mit uns diskutieren oder uns miteinladen müssen, damit wir dieser Petition zustimmen. Wir sind nicht so weit auseinander. Wir sind auf der einen Seite der Meinung, dass es, da es keine Verletzungen oder Unfälle durch Wölfe gibt, doch noch so ist, das man noch immer vergrämen kann, da unterscheiden wir uns wesentlich. Der Abschuss eines Wolfs darf nur in letzter Konsequenz, zum Schutz des Menschen sein. – Dem stimmen wir auch zu, das ist auch unsere Meinung, dass das zu tun ist. Wir sind aber auch der Meinung, dass die Landwirtschaft den Schaden zahlen soll. Darüber kann man wahrscheinlich auch diskutieren, von eurer Seite wird diese Petition bereitgestellt, die öffentlich sein sollte.

Was uns auch noch interessieren würde, da wird mir vielleicht auch noch jemand eine Antwort geben können: Dieses Österreichzentrum, das jetzt gegründet worden ist, war ja zumindest ein Schritt in die richtige Richtung, aber keiner weiß, was dort passiert, außer, dass Leute angestellt werden. Ob diese Länderkoordinationsstellen, die es derzeit gibt, das schlecht machen? – Wie auch immer.

Abschließend vielleicht noch zum ersten Punkt, der die größte Problematik ausmacht, bei dem wir uns nicht treffen können: Die Niederösterreicher – sie werden es mir jetzt auch erklären – haben sehr klar in einem Ampelsystem und in 40 Punkten definiert, wie das ausschaut, wann ein Wolf abgeschossen werden sollte. Ich will das gar nicht alles vorlesen (ein Schriftstück in die Höhe haltend), aber es sind 40 Punkte, in denen man dann in diese Richtung geht.

Leider Gottes können wir dieser Petition nicht folgen. Reden wir miteinander! Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.18


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich bitte um seine Worte.


15.19.13

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucher hier im Haus oder Zu­schauer im Internet! Ich möchte meine Rede unter das Motto Wolf bleibt Wolf stellen.

Es ist nämlich die Darstellung von Wölfen nicht immer so, wie sie vielleicht tatsächlich sein sollte. Ich habe einmal in einer kleinen Kinderzeitung einen Bericht über Wölfe gesehen und gelesen. Da ist er ein liebes Plüschtier mit vertrauenserweckendem An­blick, um das man sich Sorgen machen muss. Und das, muss ich ehrlich sagen, sind Fakenews.

Ein Wolf ist ein Tier, das sich ein Revier absteckt, keinen Konkurrenten, keinen Nah­rungskonkurrenten duldet und sein Revier auch gegen alles, was hereinkommt, vertei­digen wird, was er immer getan hat.

Ich möchte auch aufzeigen, wie sich eine Region entwickelt, wenn einmal ein Rudel Wölfe auftritt. Bei uns im nördlichen Waldviertel war das Ende des vorigen Jahres der Fall. Ab August gab es etliche Wolfsrisse. Bei acht Überfällen wurden 45 Schafe und bei zwei Überfällen zwölf Stück Damwild gerissen.

Ich bin beim ersten Betrieb am nächsten Tag vor Ort gewesen. Es sind acht Tiere angefallen worden; zwei wurden gefressen, vier waren tot und zwei halbtot. Der Anblick war grauenvoll. Die restlichen Tiere waren im Stall und gehen nicht mehr auf


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die Weide. Der Bock, der die Herde offensichtlich verteidigen wollte, ist in einem Eck gestanden und hat gezittert, als hätte er Schüttelfrost.

In diesem Jahr war kein Weidebetrieb mehr möglich. Der Bauer kommt nicht auf seine 180 Weidetage, die er für Bioauflagen braucht. Er hatte deshalb doch einigermaßen Konflikte mit den Behörden und musste die Herde im Stall füttern. Das heißt, er hat im Herbst das Winterfutter verbraucht und musste die Herde abbauen, weil er dort, wo die Herde geweidet hätte, nicht mähen konnte. So gibt es eben sehr viele Dinge, die hinterher dazukommen.

Im Jahr darauf hat er den Weidebetrieb eingestellt. Die anderen, kleineren Betriebe mit nur fünf, zehn, 15 Muttertieren, die auch Wolfsrisse in ihren Herden hatten, haben sogar die ganze Schafhaltung eingestellt. Das ist die Folge, wenn ein Wolfsrudel in einer Region mehrmals zuschlägt.

Eine weitere Folge ist, dass es bei den Bezirkshauptmannschaften einen sprunghaften Anstieg bei Anträgen auf Ausstellung von Waffenbesitzscheinen gegeben hat, weil es eben nicht mehr so lustig ist, wenn man in Einzellage lebt, wenn jede Nacht die Wölfe heulen und die Kinder in der Finsternis einen halben Kilometer oder 1 Kilometer zur Bushaltestelle gehen sollen. Das ist irgendwie nicht mehr so schön, und man macht das dann auch nicht mehr.

Davor hatten wir des Öfteren Diskussionen mit Vertretern aus dem Wiener Umland. Sie hatten dieses Bild vom lieben, putzigen Wolf, den man verteidigen muss, bis es zu Wolfsrissen in Klosterneuburg, zum Beispiel bei einem sehr prominenten Vertreter der Sozialistischen Partei, bei Karlheinz Demel, gekommen ist – zweimal innerhalb von zwei Wochen –, und auch er hat die Schafhaltung danach aufgegeben, weil man dann keine Motivation mehr hat. Zudem hat es die doch sehr interessante Aussage eines Bürgermeisters aus diesem Umland gegeben, der gesagt hat: Das geht ja gar nicht, dass bei uns Wölfe sind, wir leben ja nicht auf einem einsamen Stern im Waldviertel, bei uns leben ja auch Leute!

Daran sieht man, wie Menschen in der Stadt und in Stadtnähe denken: Da draußen kann es die Wölfe geben, wir aber wollen sie doch nicht in unserer Nähe. Ich glaube, wenn einmal ein paar Wölfe durch den Prater streichen, dann ändert sich auch die Haltung in Wien.

Es ist auch lustig, wie das Ganze von den verschiedenen Seiten betrachtet wird: Ein Verein hat gesagt, er habe sehr erfolgreiche Präsentationen über die Wölfe gemacht. Ich habe ihn beobachtet: In drei Stunden am Hauptplatz hat er vier Leute beraten. Wir haben 70 000 Unterschriften gegen die Wölfe am Land sammeln können. Das ist doch etwas anderes.

Dann gibt es immer wieder Experten, die sagen, man könne doch Herden schützen. – Ich kann Ihnen sagen, die Schafzuchtverbände Österreichs hatten in Kals am Groß­glockner ein Projekt mit dem WWF Österreich, um eine Herde mit Herdenschutz­hun­den zu schützen. Es gab keinen Wolfsangriff, das war nicht das Problem. Das Problem war, die Hunde sind die Wanderer angegangen. Es gab zwei Vorfälle, danach wurde das Projekt von der Nationalparkverwaltung sofort gestoppt.

Die Herde hat sehr viele Parasiten gehabt und eine sehr schlechte Leistung erbracht. Die vier Hunde haben die Lämmer gefressen und kosteten 14 000 Euro Futter. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie haben 80 Mutterschafe, verdienen damit gut und gern 4 000 Euro und brauchen 14 000 Euro Futter für die Herdenschutzhunde. Das wird sich nicht ausgehen.

Die anderen Experten erzählen immer wieder, das alles sei mit Elektrozäunen so ein­fach. Man hört immer, ein Elektrozaun mit 1,20 Meter Höhe wäre schon genug. – Bei


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den Rissen im Waldviertel war es so: Einmal ist ein Zaun mit 1,40 Meter Höhe über­wunden worden, einmal einer mit 1,70 Meter – mit dem Schaf zwischen den Zähnen, vom Wolfsbeauftragten so dokumentiert.

In der vergangenen Woche hat es einen Zeitungsbericht gegeben: Da ist ein Wolf aus einem umzäunten Gebiet über einen Zaun von 4 Meter Höhe ausgerissen. Also das mit den Zäunen wird nicht so einfach werden. In Deutschland sagen sie uns, ein richtiger Schutz sind nur zwei Zäune hintereinander, wobei der zweite 3 Meter hoch sein soll. Da zäunen sie einmal eine Alm ein! Gehen Sie einmal auf eine Alm, schauen Sie sich das an! Das geht, aber es kostet.

Wenn wir warten und zusehen, wie sich die Populationen verändern – und das geht ja dann oft sehr schnell –, werden die Beweidungen rasch zurückgehen, was der Touris­mus einige Jahre danach spüren wird. Der Wandertourismus wird nachlassen, wenn die Almen zuwachsen. So wird es eben in allen Bereichen Auswirkungen geben.

Natürlich gefährdet der Wolf den Menschen. Jedes Jahr gibt es über die ganze Welt verstreut Hunderte von Angriffen – bei uns natürlich nicht, aber in Kanada, in Indien, in Russland, überall. Bei uns ist das größte Problem, dass die Wölfe die Scheu vor dem Menschen verloren haben. In Niedersachsen hat es einen Vorfall gegeben, dass ein Jogger während des Laufens irgendetwas an seinen Fingern gespürt hat. Als er sich umdrehte, sah er: Es sind ihm zwei Jungwölfe nachgelaufen, die an seinen Fingern geschleckt haben. Die haben ja keine Angst vor uns, wenn wir ihnen nichts tun! Das ist das größte Problem.

Wir müssen danach trachten, dass Wölfe Angst vor dem Menschen und vor seinem Umfeld bekommen, dann ist auch ein Leben mit dem Wolf möglich. Wir wollen sie gar nicht ausrotten. Wir wollen sie bejagen, so wie Füchse auch, und die sind ja auch nicht ausgerottet.

Wenn das konsequent gemacht wird, so haben uns die Experten bestätigt, gibt es eine Rudelintelligenz, die innerhalb des Rudels weitergegeben wird, und dann werden die Wölfe den Lebensraum der Menschen meiden und auch die Herdentiere nicht mehr anfallen. Das ist das Einzige, was uns helfen wird. Ansonsten haben Wölfe keine Scheu vor Menschen, und das ist das Schlechteste, das es geben kann.

Es wird auch nicht gehen, dass Wölfe in die ländlichen Regionen zurückkommen, ohne die Menschen, die dort vor Ort leben, einzubinden. Es wird nicht gehen, dass die Menschen in der Stadt bestimmen, wie die Menschen auf dem Land zu leben haben; das werden sich die Menschen auf dem Land sicher nicht gefallen lassen. Deshalb unterstützen wir die Forderungen in dieser Petition, die unter anderem in Richtung „Schaffung einer gesetzlichen Regelung, um die Entnahme von Wölfen zu ermög­lichen“, gehen.

Die Regelung, die es derzeit gibt, gemäß der der Wolf dreimal kommen muss – mit drei Bescheiden in der Zwischenzeit –, damit man dann zum ersten Mal schießen darf, ist – nicht böse sein – Blödsinn. Weiters wird die „Überarbeitung des Wolfsmanagement­planes“ sowie ein „einheitliches, österreichweites Entschädigungsmodell“ für die Ge­schädigten gefordert. Die Schutzmaßnahmen müssen natürlich von der öffentlichen Hand bezahlt werden. Die Bauern wollen die Rückkehr der Wölfe nicht; das, glaube ich, ist überall dokumentiert. Wenn es die Allgemeinheit will und Milliarden hinein­stecken will, dann soll sie das bitte auch machen.

Wir fordern eine „Beweislastumkehr bei Wolfsrissen“, sodass nicht der Bauer die Be­weislast hat, weiters eine „Entnahme von Hybriden“ – es sind sehr viele Hybriden unterwegs, die sowieso abgeschossen werden können und sollen – sowie eine „un­büro­kratische Lösung bei Konflikten“, denn eines ist klar, so wie ich es am Beginn ge-


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sagt habe: Wolf bleibt Wolf. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

15.28


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gelangt Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile es ihm.


15.28.42

Bundesrat Andreas Lackner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Der Wolf: Das ist ein Thema, das in regelmäßigen Abständen circa alle zwei bis drei Jahre die Politik erreicht, und der Wolf hat dabei das Pech, dass er ein schlechtes Image hat. (Bun­des­rat Schennach: Genau!)

Als Hauptdarsteller in Gruselgeschichten und Märchen gilt er gemeinhin als böse und gefährlich, und als Held gilt der, der ihn erlegt. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass immer wieder sein Abschuss gefordert wird und vorgegaukelt wird, damit Probleme, die es bezüglich der Weidehaltung in der Tat gibt, zu lösen.

Die Diskussion dreht sich dabei seit Jahren im Kreis. Worum geht es, wovon sprechen wir eigentlich? – In Österreich leben derzeit etwa drei bis vier Rudel mit circa 50 Wöl­fen. Zum Vergleich – der Kollege hat es schon erwähnt –: Europaweit gibt es etwa 17 000 Wölfe.

Wölfe sind gesetzlich auf allen Ebenen streng geschützt, in den Bundesländern, in Österreich und EU-weit durch die FFH-Richtlinie, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Es ist also EU-weit strengstens verboten, Wölfe zu töten beziehungsweise zu jagen. Der Schlüssel ist der Herdenschutz, praktisch alle Studien zum Spannungsfeld Weide­haltung, Almwirtschaft und Wolf kommen zu diesem Schluss. (Bundesrat Raggl: Sagt der Gemüsebauer!) Der Wolf muss lernen, dass Schafe, Ziegen und unter Umständen auch Rinder keine leichte Beute sind, dann wird er von ihnen ablassen und sich wieder stärker dem Rot- und Schwarzwild widmen. (Bundesrat Steiner: Mit Förderungen geht das! Mit Schulungen, Wolfsschulungen! – Bundesrätin Mühlwerth: Vielleicht sollte man den Wolf umerziehen, da sind die Grünen eh Experten!) Wolfsfreie Zonen sind eine Illusion. Sie sind weder gesetzlich möglich, noch ist das praktisch durchführbar.

Der Europäische Gerichtshof hat erst im Oktober Genehmigungen zum Abschuss von Wölfen sehr enge Grenzen gesetzt. Ich möchte hier aus der Südtiroler Zeitung „der Vinschger“, die vorgestern erschienen ist, aus einem aktuellen Artikel, der über die „Tagung zum Thema Wolf und zur künftigen Weidewirtschaft“ berichtet, zitieren:

„Abschüsse können nur genehmigt werden, wenn die beantragenden Behörden ‚ein klares Ziel definieren und wissenschaftlich belegen, dass der Abschuss der Tiere diesem Ziel dient und dass es keine Alternativen gibt.‘ De facto heißt das [...], dass ein Abschießen erst dann in Erwägung gezogen“ werden „kann, wenn Herdenschutz betrieben wird. ‚Um den Herdenschutz kommen wir daher nicht herum‘ [...] Es sei eine Illusion zu glauben, dass die FFH-Richtlinie in absehbarer Zeit geändert wird. Illuso­risch seien somit auch Forderungen, wie etwa jene nach einem wolffreien Südtirol: ‚Alle, die sich dafür einsetzen, kämpfen für etwas, das nie kommen wird‘“. – Zitat aus (Bundesrat Brunner: Dem „Vinschger“!) dem „Vinschger“, genau.

Wir müssen also in den Herdenschutz investieren, um Konflikte mit und um den Wolf zu minimieren. Wenn die Kosten von entstandenen Schäden und die Kosten von Herdenschutzmaßnahmen den Landwirten angelastet werden, könnte das tatsächlich das Aus für die Weidehaltung in Wolfsgebieten bedeuten. Das können wir auf keinen Fall wollen, da Weidehaltung und Almwirtschaft für den Klimaschutz, für die Hintan-


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haltung von Naturkatastrophen essenziell wichtig sind. Almwirtschaft wirkt der Boden­erosion entgegen und ist natürlich auch wichtig für den Tourismus.

Ganz allgemein wäre eine von uns schon lange geforderte Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln in der Gastronomie eine gute Förderung der heimischen, klein­strukturierten Landwirtschaft. Überhaupt möchte ich festhalten, dass die Neubewertung der Einheitswerte oder die ungerechte Regelung betreffend Sozialver­sicherungs­bei­träge in der kleinstrukturierten bäuerlichen Landwirtschaft wesentlich mehr Schaden anrichten, als es der Wolf je können wird.

Dass Investitionen in den Herdenschutz stark gefördert werden sollten, findet meine klare Zustimmung. Es gibt auch da EU-Gelder, die bisher nicht konsequent abgeholt worden sind. Des Weiteren trete ich auch für ein österreichweites einheitliches und unbürokratisches Entschädigungsmodell, für mehr Forschung über den Wolf sowie für mehr Beratung und Aufklärung der Weidehaltungsbetriebe und der Bevölkerung ein. Bitte verabschieden wir uns aber von der populistischen, aus mehreren Gründen illuso­rischen Vorstellung, die Probleme mit dem Abschießen von Wölfen lösen zu können! – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.)

15.33


Vizepräsident Michael Wanner: Als nächster Redner ist Bundesrat Mag. Bernd Saurer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


15.34.06

Bundesrat Mag. Bernd Saurer (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseher auf der Galerie, da gibt es noch welche, und via Livestream! Die Vorrede, das Umerziehungsprogramm für Wölfe, erinnert mich ein bisschen mehr an Jägerlatein als an einen konstruktiven Zugang zu diesem Thema.

Wir Freiheitliche nehmen die Petition als solche einmal zur Kenntnis, wobei ich betref­fend die Rechtsqualität einer solchen Petition ein bisschen meine Zweifel habe, denn Rechtsfolgen löst sie, sagen wir jetzt einmal, bedauerlicherweise keine aus; und im Ausschuss wurde auch dargebracht, dass Naturschutzrecht und Jagdrecht eigentlich Landessache sind.

Nichtsdestotrotz war das eine sehr erquickliche und aufschlussreiche Ausschuss­sit­zung. Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders auf die Ausführungen der Experten, die uns zu diesem Thema dankenswerterweise Rede und Antwort gestanden sind und uns auf die Problematik hingewiesen haben, eingehen. (Bundesrat Schreuder: Das war nur die Landwirtschaftskammer! – Bundesrat Schennach: Die Experten waren von der Landwirtschaftskammer!) – Darf man da nicht als Experte bezeichnet werden? (Bundesrätin Mühlwerth: Eure linken Experten sind ja auch Experten, oder?! Jetzt tut’s nicht so!) Auf jeden Fall haben sie einen kompetenten Eindruck hinterlassen, einen besseren als manch andere. (Bundesrat Schennach: Die Experten waren von der Landwirtschaftskammer!) – Ob die Vortragenden im Ausschuss tendenziös vorge­gangen sein sollen, Herr Kollege Schennach, möchte ich nicht bewerten, und ich möchte mir auch nicht anmaßen, das zu unterstellen.

Zu den Fakten, es wurde schon angesprochen: In Österreich leben etwa drei bis vier Rudel mit einer Anzahl von fünf bis zehn Individuen pro Rudel, somit sind es 20 bis 30 Wölfe, die sich im nördlichen Niederösterreich und Oberösterreich angesiedelt haben. Jetzt zu den bedauernswerten Unfallopfern: Heuer wurden mehr als 100 Nutztiere gerissen, wir hatten keine menschlichen Opfer zu verzeichnen. – So weit, so über­schaubar, zumindest haben das die von Ihnen nicht geschätzten Experten so darge­bracht. Der Wolf an sich – das ist unbestritten – ist ein sehr anpassungsfähiges und


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schlaues Tier. Die Folge dieser Schlauheit – das wurde auch schon angesprochen – ist, dass herkömmliche Abwehrmechanismen gegen das Eindringen von Wölfen in Wildgehege erfolglos sind und nur teure Maßnahmen greifen; Kollege Köck hat das vorhin angesprochen. (Ruf: Ja die haben den Wolf ...!)

Ein Vergleich mit den französischen Bergregionen – das wurde noch nicht ange­schnit­ten –, wo der Wolf schon längere Zeit wieder heimisch ist, zeigt, dass kleine Land­wirtschaften zusperren mussten und nur noch Großbetriebe den wirtschaftlichen Auf­wand stemmen konnten, um den Wolf nachhaltig von den Nutztieren fernzuhalten. Also es gibt dann genau die Tendenz zu Großbetrieben, die wir verabscheuen.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass ein Wolfsrudel – auch das wurde schon dargebracht – einen eigenständigen Lebensbereich in der Größenordnung von ungefähr 200 Qua­drat­kilometern benötigt, eine Fläche – auch das wurde ausgeführt –, die es in ganz Österreich außerhalb eines menschlichen Einfluss- und Einzugsgebietes nirgends gibt. Daraus ergibt sich laut Experten als logische Folge, dass der Wolf in Österreich zwangsläufig auf menschliches Umfeld stößt und somit – wie auch schon ange­sprochen – auch sein Sozialverhalten ändert: keine Scheu mehr vor menschlichen Be­siedlungen und schnelles Anpassen an die Gegebenheiten bei der Beutesuche.

Jetzt zu den Almregionen, die oftmals zerklüftet und unwegsam sind: Laut den Exper­ten der Landwirtschaftskammer hat die Ansiedlung des Wolfes besondere Auswirkun­gen gezeigt. Almen werden ja, wie wir wissen, in der Regel durch Kleinbetriebe bewirtschaftet, die einen nicht hoch genug zu schätzenden Beitrag zur Landschafts­pflege leisten. Auch das ist uns natürlich ein hehres Ziel. Erst durch diesen unermüd­lichen Einsatz der Almbauern wird gewährleistet, dass die hochsensible Artenvielfalt in den Alpenregionen erhalten werden kann. Bei wirtschaftlicher Unrentabilität würden – im Umkehrschluss – Betriebe das Handtuch werfen und Almen binnen kürzester Zeit, was schon angesprochen wurde, verwildern und verwalden. Gerade unsere landwirt­schaftlichen Kleinbetriebe sind somit das Rückgrat einer gesunden und lebenswerten Natur.

Ich möchte abschließend noch erwähnen, dass gerade ich beziehungsweise auch andere als Städter diese Thematik nicht einfach unter dem Gesichtspunkt einer litera­risch-romantischen Verklärung à la Jack London oder von mir aus auch Rotkäppchen sehen sollten (Heiterkeit des Bundesrates Steiner), sondern tatsächlich auf die Belange der betroffenen Österreicherinnen und Österreicher einzugehen haben und wir, wie so oft, das gilt auch hier, nicht mit den Wölfen heulen sollten. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Brunner und Raggl.)

15.39


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Sil­vester Gfrerer. Ich erteile es ihm.


15.39.20

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte mich eingangs bei der FPÖ-Fraktion bedanken. (Bundesrat Schennach: In alter Freundschaft! – Bundesrat Steiner: Bitte gerne!), sie hat am Dienstag im Ausschuss dem Antrag betreffend diesen Bericht zugestimmt und so eigentlich die Behandlung und Diskussion hier im Plenum und im Hohen Haus ermöglicht. – Vielen Dank dafür!

Ich habe während des letzten Sommers und Jahres so oft wie noch nie die Frage ge­stellt bekommen: Wie geht es mit dem Wolf? Wie geht’s dir? Als betroffener Almbauer, als in Salzburg für die Almwirtschaft Verantwortlicher und auch als Bundesrat muss ich


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ganz ehrlich sagen: Mit diesem Thema geht es mir wirklich nicht sehr gut, und zwar aus zwei, drei Gründen. Wenn ich einen kurzen Rückblick auf das letzte Almjahr auf unserer Alm im Großarltal im Land Salzburg und eine Vorausschau auf den Som­mer 2020 – in fünf Monaten sollte die Weide- und Almsaison schon wieder beginnen – machen darf: Es gibt eigentlich nicht nur in unserer Region, sondern in ganz Österreich, in allen Bundesländern, große Sorge, Angst und Unsicherheit, wie es bei diesem Thema weitergeht, wie wir unsere eigentlich nachhaltige Landwirtschaft weiter­hin betreiben sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte unsere Alm ein wenig vorstellen und ein paar Ereignisse schildern, die zeigen, wie es uns im letzten Sommer ergangen ist: Wir bewirtschaften eine Alm – wir deshalb, weil wir eine Agrargemeinschaft von drei Grundbesitzern sind – mit einer Flächenausstattung von 650 Hektar. 40 Bauern treiben auf unsere Alm auf und überlassen uns ihr Vieh über den Sommer zur Betreuung. Aufgrund der Topografie haben wir jedes Jahr im Frühjahr 39 Kilometer Zaun zu errichten, im Herbst wieder abzubauen und im folgenden Frühjahr wiederum neu aufzustellen. Die Fläche ist in 22 Koppeln unterteilt, auf denen wir der Vegetation entsprechend zwischen 1 300 und 2 400 Metern Seehöhe Weidewirtschaft betreiben. Zusätzlich sind noch zehn Pferde und 130 Schafe oben.

Warum betreiben wir überhaupt Almwirtschaft? – Weil wir sie von den Eltern und Großeltern übernehmen durften, weil es eine traditionelle Bewirtschaftungsmöglichkeit in einem nachhaltigen Naturkreislauf ist, bei der keine Dünger ausgebracht werden, bei der kein Kraftfutter verwendet wird und bei der die Tiere die Flächen abweiden und so vor Verbuschung, vor Erosion schützen, und weil das Erholungsräume für Mensch und Tier sind.

Das Tierwohl spielt für uns eine ganz wesentliche Rolle. Für Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde gibt es speziell in der Jugend nichts Besseres und Gesünderes, als ein, zwei Jahre auf einer Alm zu sömmern. Natürlich dient die Almwirtschaft aber auch der Futterentlastung der Heimbetriebe, das heißt, würden wir sie in unserer kleinstruk­turierten Landwirtschaft nicht in dieser Form betreiben, könnten wir nur zwei Drittel der Tiere halten, weil die Almwirtschaft eine Futtergrundlage ist und wir dadurch mehr Heimfutter ernten können.

Begonnen haben die Ereignisse auf der Tofernalm in Großarl. Am 24. Juni war der Schafauftrieb, zwei Tage später der erste Wolfsriss. Es hat sich gesteigert: zwei Risse, drei Risse, vier Risse, und am 11. Juli dieses Sommers sieben Risse auf einmal. Da haben wir uns mit den Schafbesitzern zusammengesetzt und gesagt: Das Tierleid halten wir nicht mehr aus, das schaffen wir nicht mehr; die Tiere müssen nach drei Wochen Almbeweidung wieder in die Heimbetriebe zurückgetrieben werden! Das ist eine ungute Geschichte, nicht nur, weil man es immer nur mit toten Tieren zu tun hat, es ist einfach ganz, ganz schwierig, das auch menschlich zu ertragen. Der Wolf ist aufgrund des Schafabtriebes in andere Regionen gegangen, auf zwei Nachbaralmen, die in Fußdistanz von circa 2 Stunden liegen und auf denen man die gleiche Struktur vorfindet: 100, 150 Schafe. Dort hat der Wolf sein Werk fortgesetzt, die Situation ist also nicht besser geworden.

Was dann passiert ist – nachdem auch diese Bauern die Schafe abgetrieben haben –, das hat uns fassungslos gemacht, damit haben wir nicht gerechnet: Der Wolf ist auf unsere Alm zurückgekommen und hat die Rinder gepackt. Er hat drei Jungrinder innerhalb von 14 Tagen gerissen. – Da waren wir eigentlich schon zutiefst erschüttert.

Wie macht der Wolf das? – Er treibt die Rinderherde übers Gelände, spezialisiert sich auf ein Jungrind und jagt dieses so lange, bis es ermattet ist und am Boden liegt. Dann versucht er, den Drosselbiss anzuwenden, wie er das meist bei den Schafen macht.


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Da kommt er aber durch die Haut nicht durch, weil diese dick ist, und das Rind kommt nicht zu Tode. Während das Rind noch lebt, wendet er sich dem Körper zu und reißt den Körper auf – ich habe Fotos dabei, wenn es jemand sehen will. Das Rind schlägt mit dem Kopf immer zurück in Richtung Wolf. Wir konnten das deshalb nachvollziehen, weil wir früh genug zum Rind gekommen sind und das Rind seitlich von seinem eigenen Speichel nass war und noch Schaum vorhanden war. Da kann man sich vorstellen, was so ein Rind bei lebendigem Leibe mitmacht.

Die Bilanz auf unserer Alm: 27 Schafrisse, zwölf vermisste Schafe und drei Rinder. Die Bilanz im ganzen Tal, die die Nachbaralm und Ereignisse, die im Herbst noch passiert sind, miteinbezieht: an die 90 Schafe, die zum Teil gerissen wurden, zum großen Teil vermisst sind, also nicht mehr aufgefunden wurden, die drei Rinder, die ich schon erwähnt habe, und zwei Großrinder, die zu Tode getrieben wurden und abgestürzt sind, sowie eine großträchtige Kuh, die auch gejagt wurde und zu Tode gekommen ist.

Verursacher: ein einzelner Wolf, kein Rudel. Es wurde die DNA genommen und es ist bestätigt: Es war immer dieses grausame Tier. Wir haben in unserer Region eine kleinstrukturierte Landwirtschaft, wir haben keinen Strukturwandel, das möchte ich betonen, und wenn sich dieses Problem mit dem Wolf so weiterentwickelt, dann befürchte ich das Schlimmste. Die Experten im Ausschuss haben dies auch bestätigt.

Was wird passieren? – Die Nebenerwerbsbauern, die kleinere Betriebe haben – Kollege Köck hat es erwähnt –, werden die Stalltüren zusperren. Sie werden zumachen und ihrer Arbeit nachgehen. Ich weiß nicht, ob das gewünscht ist oder nicht. Rinder­halter werden bei den Ställen anbauen, werden eine Halle dazubauen. Die Rinder werden nicht mehr auf die Weide kommen, weil es einfach keinen Sinn mehr macht.

Was wollen wir? – Wir sehen kein Weidevieh mehr, weder auf den Almen noch in den Tallagen. Wenn das gewünscht ist, dann bitte ich darum, uns das einfach offen zu sagen. Ein Kollege im Ausschuss hat gesagt: Wir müssen lernen, mit dem Wolf umzugehen! Ich kann ihm zwar recht geben, muss aber antworten: Ich glaube, alle, die sich für den Wolf so sehr starkmachen, hätten Nachhilfeunterricht nötig und sollen sich zum einen mit den Bauern dieses Problem einmal anschauen; zum andern möchte ich aber auch wirklich alle einladen, mit mir auf unsere Alm zu gehen und 600 Hektar einzuzäunen – wolfssicher einzuzäunen.

Wir sind mit dem Naturschutzbund einen ganzen Tag lang unterwegs gewesen und in der zweiten Stunde waren wir uns darüber einig, dass es einfach unmöglich ist, einen wolfssicheren Zaun zu errichten. Ich habe dann dem Naturschutzbeauftragten gesagt: Wir haben in Salzburg 1 800 Almen, die Situation ist auf jeder Alm gleich. Er hat mir geantwortet: Dann müssen wir uns aber jede Alm eigens anschauen!

Das tut wirklich so weh, dieser Stich tief ins Herz hinein, wenn jemand daherkommt und sagt: Wir müssen lernen, mit den Wölfen umzugehen! (Bundesrätin Mühlwerth: Realitätsfremd!) Das wird nicht funktionieren (Bundesrat Schreuder: Willst du ausrot­ten? Ruf bei der FPÖ: Der grüne ...! – Bundesrat Schennach: Eine geschützte Tierart ausrotten, das ist ja absurd!), denn bevor auf einer Alm ein Herdenschutz umge­setzt wird, hören die Bauern auf. Die kleinstrukturierte Landwirtschaft wird die Türen zusperren und die übrigen Bauern werden andere Produktionsweisen anwen­den. Das hat sicherlich keine Zukunft. (Bundesrat Schreuder: Willst du ausrotten?)

Zu den Auswirkungen bringe ich ein Beispiel: Es muss jedem klar sein, dass die ländliche Region bei uns und in allen Bundesländern Österreichs durch die Verbuschung (Bundesrat Schreuder: Willst du ausrotten? – Zwischenrufe bei der SPÖ) ein komplett anderes Gesicht bekommt, dass der Erholungswert dieser Regio­nen verloren geht, dass es zu Erosion kommt. Für den Klimaschutz und auch die


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Biodiversität spielt die Bewirtschaftung auf unseren Almen eine wesentliche Rolle. (Vizepräsident Wanner gibt das Glockenzeichen.)

Ein Beispiel noch: Wir vermieten zu Hause drei Ferienwohnungen und drei Zimmer. Wir haben als Gäste zum größten Teil Familien. Ich kenne die leuchtenden Kinder­augen und auch die Augen der Eltern leuchten, wenn sie mit uns die Stallarbeit ver­richten, wenn sie die Kälber füttern, die Hasen füttern, beim Melken zusehen. So kön­nen wir vermitteln, wie wir Lebensmittel produzieren. (Bundesrat Schreuder: Willst du ausrotten?) Der Höhepunkt ist, wenn wir die Familien auf unsere Alm mitnehmen, um die Tiere zu besuchen, zu schauen, ob alle gesund sind, ob die Wasserversorgung stimmt, ob die Zäune in Ordnung sind. Sie machen dann Videos und reden Tage, Wochen und Jahre danach noch über dieses Erlebnis. Wir wollen diese Bergland­wirtschaft vermitteln, und wir wollen die Lebensmittel eigentlich regional produzieren. (Bundesrat Schreuder: Willst du ausrotten? – Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir alles schon verneint! – Bundesrat Steiner: Willst du es noch zehnmal rausschreien?)

Die Forderung: Die Definition der Population darf nicht einzelstaatlich, sondern muss europaweit geschehen. Es kann nicht sein, dass der Wolf geschützt wird, wenn er nicht vom Aussterben bedroht ist und wir hochgefährdete Tierrassen züchten, für die wir auch Prämien bekommen. Dieser Widerspruch ist nicht argumentierbar. Wir brauchen Weideschutzgebiete für unsere Tiere, und wir brauchen die Herabsetzung des Schutz­status.

Ich komme zum Schluss: Menschen können Fehler machen, die Politik kann auch Fehlentscheidungen treffen. Ich als Politiker möchte aber nicht – und das darf uns nicht passieren –, dass wir jungen Menschen, die Betriebe übernehmen wollen, die weiterhin Landwirtschaft im Rahmen der Berglandwirtschaft und der Almwirtschaft betreiben wollen, die Freude nehmen und dass sie sich die Frage stellen müssen, ob die ganze Arbeit noch einen Sinn hat; denn wenn uns das passiert, ist das nicht mehr zu reparieren. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.52

15.52.24


Vizepräsident Michael Wanner: Lieber Silvester, danke für die Zeitdisziplin. (Allge­meine Heiterkeit. – Bundesrat Schennach: Beim Wolf kann er nicht anders!)

Mir liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die gegenständliche Petition zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, angenommen.

15.53.0612. Punkt

Antrag der Bundesräte Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesminis­te­riengesetz 1986 geändert wird (269/A-BR/2019)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.



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15.53.41

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich glaube, wir sind uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass es gilt, den ländlichen Raum zu stärken, ihn auf den verschiedensten Ebenen aufzuwerten und die Landflucht einzudämmen. Ländlicher Raum muss wieder attraktiver werden, da sind wir uns eindeutig einig.

Es gibt verschiedene Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. Es braucht den Ausbau der Infrastruktur, des öffentlichen Verkehrs, der digitalen Versorgung, eine Antwort auf die Frage der besten Pflege älterer Menschen, Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz – sehr viele junge Mütter sagen uns, das fehlt im ländlichen Raum und das verunmöglicht ihnen Vollzeiterwerbstätigkeit völlig –; es braucht eine gute Gesundheitsversorgung, und es braucht qualitätsvolle Arbeitsplätze, Arbeit, von der man auch gut leben kann.

Ich möchte jetzt als positives Beispiel das Burgenland nennen, das diesbezüglich ganz wichtige Schritte gesetzt hat, um die Menschen bei den Herausforderungen gerade im ländlichen Raum zu unterstützen, in der Frage der Betreuung und in der Frage der Pflege. Das ist wirklich vorbildhaft. (Bundesrätin Mühlwerth: Das Burgenland, unglaub­lich!)

Was den Menschen besonders im ländlichen Raum Unwohlsein verursacht, ist das Gefühl des Zurückgelassenwerdens. Wenn die Polizeistation geschlossen wird, wenn es keine Post und kein Geschäft mehr gibt, dann fühlt man sich zurückgelassen. Da muss es Möglichkeiten geben, den ländlichen Raum zu unterstützen und ihn attraktiver zu machen.

Was wir sicher nicht unterstützen, ist eine aggressive Abgrenzung zu urbanen Zentren wie zur Bundeshauptstadt Wien. Vorausschauende Politik führt zusammen und divi­diert nicht auseinander. Die Wienerinnen und Wiener waren wirklich im größten Aus­maß bestürzt vom Sager des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz, der gesagt hat, dass in Wien immer weniger Menschen in der Früh aufstehen, um zu arbeiten, und in immer mehr Familien nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, um in die Schule zu gehen. (Bundesrat Steiner: Recht hat er gehabt! In einem anderen Bundesland schläft man nicht bis 11! Man schläft nur in Wien bis 11! – Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt auch! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Also ganz ehrlich: Keinem anderen würde das einfallen. Keinem von uns würde einfallen, über die Bewohner eines anderen Bun­deslandes so zu sprechen. (Bundesrätin Grimling: Wo wohnt er denn?) Ganz ehrlich: Das ist keine Politik, die wirklich gescheit ist und die Sinn macht, aber wirklich nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Recht hat er ...!)

Festzuhalten ist, dass eine Vielzahl von Dienststellen – Polizeidienststellen, das Sozial­ministe­riumservice, Bezirksgerichte, Arbeitsinspektorate und vieles mehr – in den Ländern angesiedelt sind, und zwar sehr erfolgreich zum Service der Menschen. Zwei Drittel der öffentlich Bediensteten arbeiten in den Bundesländern, ein Drittel in Wien. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Die Verantwortung und die Möglichkeiten für die Dezentralisierung liegen ja sehr wohl auch bei den Ländern, die da Schritte setzen können, um zu dezentralisieren und den ländlichen Raum zu stärken. Wenn man aber nur das Umweltbundesamt nach Klosterneuburg – ein paar Kilometer außerhalb von Wien – verlegt, dann ist das nicht jene Dezentralisierung und Stärkung des ländlichen Raums, von der wir reden. (Bundesrat Schennach: Das ist nur Schikane gegen die Beschäftigten! – Beifall bei der SPÖ.) Dieser Schritt wurde zu Recht vom Rech­nungshof und auch von der Belegschaft kritisiert. (Bundesrat Steiner: Schikane wie in der SPÖ-Zentrale: vor Weihnachten kündigen! Schennach, du Gscheiter! – Zwischen­ruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


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Es wäre wesentlich besser, eine andere Formulierung für dieses Gesetz zu wählen, etwa jene Formulierung, die von uns vorgelegt wurde, die da lautet: Erfordert demnach der Gegenstand der Vollziehung eine dezentrale Behördenorganisation, ist eine ausge­wogene Verteilung der Standorte der nachgeordneten Verwaltungsbehörden, Ämter und sonstigen Einrichtungen des Bundes auf das gesamte Bundesgebiet anzustreben.

Diese Formulierung wäre aus zwei Gründen sinnvoll gewesen. Erstens: Eindeutig klar ist, dass die ÖVP, die FPÖ und leider auch die Grünen die vorgelegte Formulierung beschließen werden und damit einen weiteren Keil zwischen Stadt und Land treiben – mit besonderer Zielrichtung auf die Stadt Wien. Zweitens ist die vorliegende Ge­setzesformulierung eindeutig verfassungswidrig. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die letzte Bundesregierung hat eines bewiesen: Sie war nicht willens, trotz mehrfacher Hinweise, Gesetze verfassungskonform und im Interesse der Menschen zu gestalten. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Gut war die Regierung!) Wenn man sich die großen Flaggschiffe der türkis-blauen Regierung ansieht, dann erkennt man, sie haben ihre Segel verloren oder sind im Sinken begriffen. (Bundesrätin Mühlwerth: Elf wurden aufgehoben in Wien!) Lassen Sie mich anführen: Überwachungspaket, Bundestrojaner, Sectioncontrol – aufgehoben (Bundesrätin Mühlwerth: Elf aufgehoben in Wien!); Teile der Sozialversicherungsreform – aufgehoben. (Zwischenruf des Bundesrates Schilchegger.) Natürlich waren wir auch nicht glücklich darüber, dass manche Teile nicht aufgehoben wurden, aber, Kollege Schilchegger, es hilft nichts, man muss die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes annehmen (Bundesrat Steiner: Das machen wir ja!); und das ist auch gut und richtig so. Das kann man nicht schönreden. Ich meine: Wenn etwas nicht geht, geht es halt nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und ganz ehrlich: Der Zustand, dass die Parität nicht aufgehoben wurde, ist ein großes politisches Problem, weil nun 160 000 Dienstgeber über - - (Bundesrat Steiner: Also das nehmen wir jetzt nicht zur Kenntnis?!) – Wir nehmen es zur Kenntnis, aber es bedarf einer politischen Veränderung. (Bundesrat Steiner: Nicht mit zweierlei Maß messen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)  Nein, das ist nicht zweierlei Maß. (Bundesrat Steiner: Ja, ja!) Der Verfassungsgerichtshofentscheid ist völlig in Ordnung (Zwi­schen­rufe der BundesrätInnen Hackl und Preineder), aber es gilt, eine politische Handlung zu setzen. 160 000 Dienstgeber entscheiden über die Beiträge und die Leistungen von 7,2 Millionen Versicherten. – Das kann es doch nicht sein, aber wirklich nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Arbeitgeberseite schafft an: An der Krankenordnung haben wir bereits gesehen, was sich die Arbeitgeberschaft gerne wünschen würde. Na, das glaube ich: ein Spitzel­tum in Bezug auf Krankenstände. (Ruf bei der ÖVP: „Spitzeltum“!) – Nur mit Müh und Not konnte das vonseiten der Gewerkschaft verhindert werden. So schaut es nämlich wirklich aus. (Bundesrat Steiner: Ja, weil die Gewerkschaft auch nicht mehr das ist, was sie einmal war!)  Oh, die ist aber stärker, als man denkt. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Die Sozialhilfe: Erst vorgestern wurde das nächste Urteil des Verfassungsgerichtshofes bekannt. Das Herzstück der Sozialhilfe Neu wurde vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannt und aufgehoben. – Na, bum! (Bundesrätin Mühlwerth: Was hat das mit dem Antrag zu tun? – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nicht umsonst hat die Bundesratsfraktion der SPÖ hier einen Prüfantrag eingebracht und Recht bekommen. Noch in starker Erinnerung sind uns die Wortspenden zum Thema Sozialhilfe Neu von ÖVP und FPÖ in Richtung Wien: „[...] ‚es wird nichts so heiß gegessen, wie gekocht wird. Wir schauen uns das alles in Ruhe an.‘ Danach werde die Regierung einen Entwurf vorlegen. Sollte Wien diesen nicht umsetzen, dann sei eine Verfassungsklage seitens des Bundes denkbar, so Hartinger-Klein.“


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Wie klug war es, in Wien diese Umsetzung gar nicht in Betracht zu ziehen. Für Bun­desländer wie Niederösterreich und Oberösterreich, die die Sozialhilfe Neu bereits umgesetzt haben, wird das Ganze nun ein bisschen schwieriger. Das hätte man sich ersparen können – auch, was die Verwaltungskosten anbelangt. Ebenso hätten wir uns das unwürdige Schauspiel, das zu großer Verunsicherung jener führte, die am drin­gendsten Unterstützung brauchen, ersparen können. (Bundesrätin Mühlwerth: Könnte man jetzt wieder zum Thema zurückfinden? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt, der uns wirklich bestürzt, ist, dass das Teileinspruchsrecht des Bundesrates, das wir nun gemeinsam mit der FPÖ einfordern, von der ÖVP und von den Grünen nicht unterstützt wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja und? Mehrheit ist Mehrheit!) – Es ist so, Mehrheit ist Mehrheit. Wir wollen aber schon darauf hinweisen, dass wir doch alle ein Interesse daran haben, den Bundesrat in seinen Möglichkeiten zu stärken. Wir wundern uns doch sehr, zumal doch die Landeshauptleute genauso wie die Landtagspräsidenten gefordert haben, den Bundesrat endlich zu stärken und ihm dieses Teileinspruchsrecht zu ermöglichen – und dann geht man da nicht mit. (Bun­desrat Brunner: ... SPÖ immer dagegen gewesen!) Das ist leider schade. Die ÖVP war da ebenso wenig zu Gesprächen bereit wie in der Frage der Dezentra­lisie­rung, was ich bedauere und auch politisch nicht verstehen kann. (Bundesrätin Mühlwerth: Wo seid denn ihr gesprächsbereit? – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Dieses Recht würde den Bundesrat aufwerten. (Bundesrat Brunner: Ihr wart immer dagegen bisher! Mein Gott, ist das peinlich!) Es wäre ganz, ganz wichtig und es tut uns sehr, sehr leid, vor allen Dingen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), weil der frühere Präsident des Bundesrates Weiss zweimal einen Antrag zur Möglichkeit des Teileinspruchsrechtes eingebracht hat, der einstimmig angenommen wurde, und Sie jetzt nicht mitgehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Man muss sich fragen: Warum geht man nicht mit? Ist es schon eine Vorleistung, damit der Bundesrat nicht an Stärke gewinnt? – Das tut mir sehr, sehr leid.

Abschließend kann ich nur sagen: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten standen bis zum Schluss für Verhandlungen zur Verfügung und sind auch weiterhin bereit, gemeinsam eine Lösung zu finden – jedoch eine, die sich im Rahmen der Ver­fassung bewegt und nicht Stadt gegen Land ausspielt. (Bundesrat Steiner: Es hat wieder niemand mit ihnen geredet!)

Stärken wir endlich den Bundesrat und stellen wir das Gemeinsame vor das Tren­nende! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Da gibt es bessere Anlaufstellen als uns! – Bundesrätin Mühlwerth: … normalerweise … Therapeuten!)

16.02


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Präsident Karl Bader. Ich erteile es ihm.


16.02.57

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nach dem Allerweltsmischmasch, der hier von meiner Vorrednerin zum Besten gegeben wurde, wieder zum Thema zurückkommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ist so!)

„Nah bei den Menschen. Bereit für die Zukunft“ ist nicht nur das Motto dieser Prä­si­dentschaft gewesen, sondern ist auch ein gelebter Teil dieser Präsidentschaft. (Bun­desrätin Hahn: Das große ...! – Ruf bei der SPÖ: Natürlich Klosterneuburg!) Daher möchte ich mich vorweg für das gemeinsame Einbringen bedanken, und auch dafür,


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dass diese Gesetzesinitiative, die die Prüfpflicht für die Einrichtung neuer Bundes­dienststellen betrifft, auf die heutige Tagesordnung gesetzt wurde.

Ich möchte aber auch klar und deutlich sagen, dass es schon ein bisschen vermessen ist, wenn man sich hierherstellt und Dinge fordert, die eigentlich über Jahre von der SPÖ blockiert worden sind und soeben möglicherweise aus politischen Gründen ange­sprochen wurden. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: … von der ÖVP!) Das, was da vorgelegt wurde, ist aus unserer Sicht nicht ausgegoren.

Das Zweite, was ich auch gleich vorweg anmerken möchte: Es ist auch so, dass wir die Berechtigung der Formulierung, dass das verfassungswidrig sei, nicht sehen (Bundesrat Beer: Deine Gesetze, die aufgehoben wurden! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) – aber das gibt es halt immer wieder, dass wir als Politiker Beschlüsse fassen, über die wir hier im Saal unterschiedliche Meinungen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, ich kann aber eines nicht akzeptieren, nämlich dass Sie sich hierherstellen und immer glauben, Sie haben die Weisheit mit dem Löffel gegessen. (Bundesrat Beer: Das ist ein starkes Stück! Einen Ordnungsruf an den Prä­sidenten! – Bundesrätin Grimling: Schon ein starkes Stück! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es wird Entscheidungen geben, es wird dann entsprechende Gesetzesbeschlüsse geben. Diese Gesetzesbeschlüsse, die wir hier fassen und die eine Mehrheit finden, sind natürlich alle einer Prüfung zu unterziehen – das ist ja überhaupt keine Frage. Das Ziel ist aber, einen ersten Schritt zu setzen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute mit diesem Antrag zur Änderung des Bundesministeriumsgesetzes (Ruf bei der SPÖ: Bundesministeriengesetz!) diesen ersten Schritt setzen, um dem Bestreben einer Dezentralisierung und der Verpflichtung zur Prüfung bei der Einrichtung neuer Bundes­dienststellen näherzukommen.

Die Alternativen sind für mich als Vertreter eines ländlichen Raumes nicht zufrieden­stellend; diesen unbefriedigenden Zustand weiterzuführen halte ich auch nicht für in Ordnung. Ich möchte an dieser Stelle, wie ich es auch in meiner Schlussansprache zu Beginn dieser heutigen Sitzung gesagt habe, betonen: Es geht hier um kein Bashing. (Bundesrätin Grimling: Nein, überhaupt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es geht hier um kein aggressives Abgrenzen zu Wien, ich habe das auch extra mit­ge­schrieben, es geht um ein Miteinander. (Ruf bei der SPÖ: Das macht es nicht bes­ser!)

Ich bin auch der Meinung – und da gebe ich Ihnen recht –, dass die Bundeshauptstadt Wien als Ballungsraum auch ihre Herausforderungen hat. Da geht es nicht nur um Wien, zu den Ballungsräumen zählt auch der Gürtel um Wien herum, das ist die Grazer Gegend und so weiter. (Bundesrat Beer: Das gehört nicht mehr zum Wiener Gürtel, Graz!) Das ist kein Keiltreiben. Es gibt unterschiedliche Herausforderungen, die anzu­nehmen und die auch in Ballungsräumen zu lösen sind – und solche, die ganz einfach draußen im ländlichen Raum zu lösen sind.

Wir machen heute diese Gesetzesinitiative, weil wir eben strukturschwache Regionen stärken wollen (Bundesrätin Grimling: Klosterneuburg!), weil wir das Bestreben zur Schaffung dezentraler Standorte unterstützen wollen, weil wir Bürgerinnen- und Bür­gernähe stärken wollen und weil wir zur Vermeidung unnötig langer Anfahrtswege auch die Pendlerströme verringern wollen. – Das sind die Themen, um die es uns geht. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Das Zweite ist natürlich auch das, was derzeit stattfindet, nämlich ein Braindrain Rich­tung Ballungsräume, und da geht es wieder nicht nur um Wien. Wien ist schon wichtig,


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Wien ist unsere Bundeshauptstadt (Bundesrat Beer: Ihr vergesst das immer!), aber Wien ist nicht der einzige Ballungsraum in dieser Republik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es muss entsprechend gegengesteuert werden. Ohne diese Gegensteuerung wird diese demografische Entwicklung weiter verschlechtert werden, davon bin ich über­zeugt.

Dazu, was wir in Österreich heute diskutieren, gibt es ja – und dazu hat auch unsere Enquete stattgefunden – genügend Beispiele dahin gehend, dass es in anderen Län­dern ganz einfach andere Strukturen gibt. Wir brauchen nur in die Schweiz zu schau­en, wir brauchen nur nach Deutschland zu schauen. Wir haben uns damit auseinan­dergesetzt, ich habe auch mit der bayerischen Landtagspräsidentin Gespräche geführt. Die Bayern haben diese Heimatstrategie sehr erfolgreich aufgesetzt, um Dienststellen in die Regionen hinaus zu verlagern.

Bei der Landtagspräsidentinnen- und -präsidentenkonferenz in Ehrwald in Tirol war ein Vertreter des Finanzministeriums aus München anwesend, der allen Kolleginnen und Kollegen die ganze Strategie erläutert hat. Eines, was er auch gleich zu Beginn gesagt hat, war Folgendes: Es wird bei euch die Diskussion geben, dass die Wiener glauben, es ist eine Aktion gegen Wien (Bundesrätin Grimling: Ist es ja auch!), das hatten wir in München auch! (Bundesrätin Grimling: Hätten wir verhandelt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, München hat davon keinen Schaden genommen. München wächst weiter und wird bis 2030 wachsen, auch wenn nebenbei die ländlichen Regionen gestärkt werden. Auch in Österreich wird die Situation so sein, dass Wien weiter wachsen wird, dass die Herausforderungen stärker werden, dass aber der ländliche Raum parallel dazu gestärkt werden kann. Warum kann es dieses Sowohl-als-auch nicht geben? – Ich bin davon überzeugt, dass es das geben kann und wird. (Bundesrat Beer: Weil wir es in Sankt Pölten im Regierungs­viertel sehen, wie toll das ist!)

Die Hessische Finanzverwaltung hat 500 Dienststellen in den ländlichen Raum hinaus verlagert. (Bundesrätin Grimling: ... auch sehr glücklich damit!) Auch in Schweden gibt es diese Projekte, die Initiative einer teilweisen und gänzlichen Verlagerung von zentralen Einrichtungen (Bundesrätin Hahn: Wie war das mit den Finanzen?), elf sind es an der Zahl, die in zwei Wellen durchgeführt werden. Die Finnen leben es vor. Die Dänen leben es vor. Es gibt europäische Agenturen, die über die gesamte Europäische Union verteilt angesiedelt sind. Warum sollen diese Beispiele nicht auch in Österreich möglich sein, wo wir die weiten Distanzen ja gar nicht haben? (Bundesrätin Schumann: Absolut! Hätten wir verhandelt! Wunderbar! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben auch ein Beispiel aus Niederösterreich in diese Präsidentschaft und in diese Diskussion eingebracht: Bis 2022 werden 500 Dienstposten aus der Landeshauptstadt Sankt Pölten in die Bezirke hinaus verlagert, vornehmlich in Landeseinrichtungen und Bezirkshauptmannschaften. (Bundesrat Beer: Wenn du nicht hinkommst ...!) Das ist ein Beispiel dafür, wie man diesen ländlichen Raum stärken kann. Meine Bezirkshaupt­stadt Lilienfeld mit dem Sitz der BH hat jetzt schon einige MitarbeiterInnen, die nun nicht mehr nach Sankt Pölten pendeln müssen, sondern ihre Dienststelle im Bezirk haben und vielleicht einmal in der Woche oder alle 14 Tage zu einer Dienstbe­sprechung nach Sankt Pölten fahren müssen.

Das ist auch ein Teil des Klimapakets, das wir umsetzen wollen, nämlich die Menschen draußen zu halten. Das, was wir heute beschließen wollen, ist ein erster Schritt. In einem weiteren Schritt muss es doch auch möglich sein, wenn in Sankt Pölten mit dieser Initiative jetzt beispielsweise Raumressourcen frei werden, dass der eine oder


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andere nicht mehr nach Wien pendeln muss, sondern in Sankt Pölten seinen Dienst versehen kann.

In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Initiativen. Salzburg ist auf dem Weg, 200 Dienstposten zu verlagern. In Tirol gibt es im Regierungsübereinkommen auch eine Festlegung, dass hierzu Initiativen gestartet werden. Das heißt, wir können mit solchen Maßnahmen eine entsprechende Stärkung im ländlichen Raum erreichen. Das wollen wir, ohne Wien damit schwächen zu wollen.

Zum Schluss stelle ich hier noch einmal fest: Das ist nicht das Thema, liebe Frau Kollegin Schumann! Man stellt sich ins Winkerl und sagt: Alle gehen auf mich los! Das stimmt ganz einfach nicht! (Bundesrätin Schuhmann: Was ist es dann?) Es geht um die Stärkung des ländlichen Raumes, ohne dass die Stadt etwas verlieren wird. (Bundesrat Beer: Die Stadt verliert etwas! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Die Aufgeregtheit wundert mich ein wenig. Ich nehme an, dass sie der Vorweih­nachts­freude geschuldet ist. (Bundesrätin Grimling: Na geh!) Ich bitte um Unterstützung für die Gesetzesinitiative. – Vielen, vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.11


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste ist Frau Klubvorsitzende Monika Mühlwerth zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


16.11.54

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ja, die Sozialdemokratie ist seit geraumer Zeit ziemlich wehleidig. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie sich beklagen. (Bundesrätin Schumann: Was ist da wehleidig?) Man rede nicht mit Ihnen, man rede zu wenig mit Ihnen und Sie seien nicht gefragt worden. Ihr seid aber in dem Fall schon gefragt worden. Ihr habt ja sogar einen Änderungsvorschlag eingebracht. (Bundesrätin Grimling: Und was war mit dem?) Ein Änderungsvorschlag kann eben angenommen oder auch abgelehnt werden. Das ist nun einmal so. Man merkt bei euch, dass ihr es überhaupt nicht gewöhnt seid, dass ihr nicht in einer Koalition seid. (Bundesrätin Schumann: Das ist schon länger so!) – Na ja, das sagen Sie jetzt, aber Ihre Reaktion besagt etwas ganz anderes und verrät Sie, denn Sie sind ja vom Beklagen eines angeblichen Wienbashings sofort nahtlos zu einem Bundesländerbashing übergegangen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Beer: Was war daran Bundesländerbashing?)

Wissen Sie, Frau Kollegin Schumann, in einer Demokratie gibt es nun mal wechselnde Mehrheiten. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Ihre Harmoniesucht ist ja geradezu rührend. Da geht die ÖVP jetzt beim Teileinspruchsrecht nicht mit. Ja, sowas aber auch! Gemein! (Bundesrätin Schumann: Die haben das früher mitgetragen!) Ja, aber so ist es eben in einer Demokratie. Wenn es für Sie gut ist, haben Sie mit den wech­selnden Mehrheiten, die es jetzt seit einem halben Jahr sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat gibt, normalerweise überhaupt kein Problem gehabt, weil es halt so ist. Ja, man ist mal mehr bei dem und mal bei dem, mal findet man das richtig, dann ein­mal das. Das ist der ganz normale Lauf der Demokratie und des Parlamentarismus. (Bundesrätin Grimling: Darum geht es da aber nicht!) Vergegenwärtigen Sie sich das bitte einmal! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie haben es sogar im Automatismus einer reflexartigen Ablehnung geschafft, die Enquete des eigenen Präsidenten abzulehnen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Es war nur dem guten Willen von ÖVP und FPÖ zu verdanken, dass Herr Präsident Appé diese Enquete doch abhalten konnte, weil wir ausnahmsweise gesagt haben: Okay, stimmen wir noch einmal ab, weil Sie halt nicht aufgepasst haben. Na, da


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braucht einen ja überhaupt nichts mehr zu wundern, da überrascht einen auch gar nichts mehr. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich hätte gerne gewusst, denn das ist mir nämlich nicht klar und Sie konnten es ja auch nicht ausreichend begründen, was genau an dem Text so dramatisch sein soll (Bun­desrätin Schumann: Da hätte man mit uns eben darüber reden müssen!), dass die „nachgeordneten Verwaltungsbehörden, Ämter und Einrichtungen“ so zu strukturieren sind, „dass sie den Grundsätzen der Wirkungsorientierung, Effizienz und Transparenz gemäß Art. 51 Abs. 8 B-VG dienen.“ Diese Regelung wird nun dahin gehend ergänzt, dass man „bei der Errichtung einer neuen Dienststelle des Bundes“ zu prüfen hat, „ob diese außerhalb der Bundeshauptstadt angesiedelt werden kann.“ – Ja, was jetzt? Wo ist das Problem?

Wir haben nicht nur eine Enquete gehabt, in der wir uns mit dem ländlichen Raum befasst haben. Und ja, jetzt werden vielleicht einige sagen, als Wienerin rede ich mich da ziemlich leicht, aber es haben uns ja alle Betroffenen gesagt, wie schlimm es ist und woran es liegt. Es ist ja letzten Endes auch von Ihnen gesagt worden, dass fehlende Infrastruktur, Kindergärten, Schulen, Betreuungsmöglichkeiten, Arbeitsplätze et cetera natürlich Gründe dafür sind, dass Menschen wegziehen, zuerst einmal die Frauen. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) – Ich weiß nicht, was daran lustig ist, aber Sie werden es ja hoffentlich wissen.

Natürlich muss man dem entgegenwirken. Wir wollen die Hauptstadt Wien nicht aus­hungern, und da ist vieles anders und nicht zum Besten. Das gilt auch für andere Bal­lungszentren. Sie waren ja immer so stolz darauf und haben es auch plakatiert: „Wien ist anders.“ Und das ist es tatsächlich. (Bundesrätin Schumann: Eben!) In vielen Din­gen gut und in vielen Dingen schlecht, weil Sie in Wien zu einem guten Teil auch schlechte Politik machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher meine ich: Jede Maßnahme, die dazu dienen kann, dass der ländliche Raum gestärkt wird, dass die Menschen gerne dort bleiben, die ja wahrscheinlich sowieso gerne dort bleiben würden, aber halt aufgrund fehlender Möglichkeiten sagen: Leider muss ich jetzt wegziehen!, ist gut. Das Wegziehen wollen wir verhindern, und das ist eine Maßnahme dazu. Wenn Sie da nicht mitstimmen können, müssen Sie das ohne­dies mit Ihrem eigenen Gewissen ausmachen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)

16.17


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile es ihm.


16.17.18

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (ohne Fraktionszugehörigkeit, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Bei der Errichtung einer neuen Dienst­stelle des Bundes ist jedenfalls zu prüfen, ob diese außerhalb der Bundeshauptstadt angesiedelt werden kann.“ (Bundesrat Steiner: Das hat die Kollegin gerade vorgelesen! – Bundesrätin Mühlwerth: Liest er es halt noch einmal vor! Zum besseren Verständnis!) Ja, mehr steht nicht drinnen. Der Antrag war auch schon anders gefasst mit ein bisschen anderer Bedeutung. Das ist der Kernsatz, und den unterstützen wir auch, denn Österreich ist laut Verfassung ein föderaler Bundesstaat. Daher ist es legitim, über die künftige Verteilung von neuen Bundeseinrichtungen nachzudenken. Daran können wir jetzt einmal nichts aussetzen. Das ist in Ordnung, das soll und kann man tun.


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Ich glaube auch tatsächlich, dass es Fälle geben kann und wird, bei denen einiges dafürspricht, dass man neu zu errichtende Bundesdienststellen außerhalb der Bun­deshauptstadt ansiedelt. Allerdings wird das große Sorgfalt und Behutsamkeit brauchen. Wichtig beim Unterstützen des Antrages war uns schon auch, nicht eine Debatte anzustoßen oder nicht neuerlich anzustoßen, so muss man es sagen, bestehende funktionierende Einrichtungen abzusiedeln. Das steht auch im Antrag nicht mehr drin.

Da gibt es ja leider ungustiöse Beispiele dafür. Das betrifft vor allem die Umsiedelung des Umweltbundesamtes nach Klosterneuburg, deren Sinn sich uns jedenfalls nicht erschließt. Wahrscheinlich ist es darum bei der Umsiedelung auch nicht gegangen. Das zeigt schon auf – so kritisch muss man jetzt auch als gelernter Österreicher schon sein –, wie wichtig die Kriterien sein werden, nach denen geprüft wird. Es darf nicht passieren, dass es irgendwie zu einem Kuhhandel über Ansiedelungsentscheidungen zwischen Landeshauptleuten und Ministern kommt. Das wollen wir alle nicht.

Was wir auch nicht wollen, das sage ich da auch sehr klar, und diese Sorge darf man haben, wenn man auf die österreichische Realpolitik in der Vergangenheit schaut, dass Auslagerungsdiskussionen zu einem Vehikel für vordergründige Debatten gegen die Bundeshauptstadt im Sinne von deren Schwächung werden. (Bundesrat Steiner: Das schaffen SPÖ und Grüne ganz allein! – Bundesrätin Mühlwerth: SPÖ und Grüne schaffen das allein!)

Die Sorge halte ich für berechtigt. Das hat sich diese Stadt auch nicht verdient, sage ich ganz offen. Da wird man in Zukunft sehr genau darauf schauen müssen, wie man damit umgeht, falls es zu einem solchen Schritt kommt. Trotzdem finde ich aber, man muss auch fair sein. Der Antrag, so wie er jetzt vorliegt, gibt das nicht mehr her. Da geht es um eine Prüfung und nicht um eine generelle Neuverteilung.

Wir haben den Antrag aus besagten Gründen miteingebracht. Was ich aber etwas anders einschätze als die Kollegen von der ÖVP, die den Antrag initiiert haben, ist die Wirkung auf den ländlichen Raum. Sie hoffen, damit eine Stärkung für den ländlichen Raum bewirken oder gar Abwanderung verhindern oder reduzieren zu können, wie man das der Antragsbegründung entnehmen kann. Lassen Sie es mich jetzt einmal so sagen: Da darf man zumindest skeptisch sein, denn ich glaube nicht, dass es so sein wird, dass man neue Bundeseinrichtungen künftig in abgelegenen Orten, abgelegenen Bezirken, Talschaften ansiedeln wird. Das ist wohl sehr unrealistisch, das wird nicht passieren. Wenn es dazu kommt, werden sie vorranging in urban strukturierten Ge­genden, in Landeshauptstädten oder vielleicht noch in größeren Bezirkshauptstädten angesiedelt werden.

Dafür gibt es Beispiele auch in Vorarlberg. Da haben wir schon längere Zeit eine Ver­teilung von Behörden. Es ist nicht alles in der Landeshauptstadt, allerdings sind sie alle in urbanen Räumen, in Räumen, die ohnehin einen Bevölkerungszuwachs verbuchen können. Die sind also auch nicht in Talschaften, über die wir Abwanderungsdebatten haben.

Die in der Antragsbegründung erwähnte Digitalisierung beziehungsweise diesbezüg­liche Versorgung des gesamten ländlichen Raumes mit Hochgeschwindigkeitsinternet wird daran auch nichts ändern, wiewohl – das möchte ich schon betonen – das eine ganz wichtige Maßnahme ist, um den ländlichen Raum zu stärken – unwidersprochen! Das sehe ich auch so, das ist absolut notwendig, weil es nur so möglich ist, dass sich viele Betriebe, softwarebasierte Betriebe auch außerhalb der Städte oder auf dem Land ansiedeln können, auch auf dem Land moderne Services eingerichtet werden können, Bestellleistungen, moderne Produktionstechniken eingeführt werden können


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und so weiter. Das sehe ich auch so, aber einen Zusammenhang mit Bundes­ein­richtungen sehe ich weniger.

Was tatsächlich wichtig ist, um Abwanderung zu verhindern – das ist einmal ein Ein­druck, den ich sicher auch geprägt durch unser Bundesland habe –, sind hochwertige Bildungseinrichtungen, vor allem Universitäten. Dabei geht es aber eigentlich auch mehr um den Ausbau solcher Einrichtungen und nicht um Umsiedlungen. Klar ist jedoch, und das sehe ich auch so, dass die Entwicklung Richtung Wissensgesellschaft weitergehen wird. Das spüren wir in Vorarlberg auch ein bisschen, da wir keine Uni­versität haben. Viele junge, engagierte, gescheite Leute gehen studieren, bleiben dann in den Universitätsstädten und kommen nicht mehr zurück. Dazu gibt es auch Statis­tiken. Das ist aus Landessicht natürlich bedauerlich, hat aber auch eine Logik, da ge­rade Universitätsstädte attraktiv sind, sodass sich dort Unternehmen ansiedeln.

Gut, wir werden sehen. Der Antrag hat noch einen langen Weg vor sich. Schauen wir, wie der Nationalrat damit umgehen wird! In österreichischer Klarheit könnte man jetzt ja sagen: Schauen wir mal, dann sehen wir weiter! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger, Lackner und Schreuder.)

16.23

16.23.27


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Mir liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Antrag der Bundesräte Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, der Bundesrat wolle gemäß Art. 41 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz dem Nationalrat den vorliegenden Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Be­hand­lung unterbreiten, ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Für die Tagesordnungspunkte 13 und 14 übergebe ich den Vorsitz an den Präsidenten. Das hat zwei Gründe. Der eine Grund ist: Ich mag mich nicht selber fragen müssen, ob ich die Wahl annehme, die jetzt kommt (Bundesrätin Mühlwerth: Das wäre mal was Neues!), und der andere ist: Ich glaube, es ist schön, wenn man seine Präsidentschaft selber beenden kann. (Vizepräsident Wanner schüttelt dem zum Präsidium kommen­den Präsidenten Bader die Hand.) – Danke und alles Gute!

16.24.4413. Punkt

Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Euro­parates


Präsident Karl Bader (den Vorsitz übernehmend): Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler zum Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 126

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ist somit als Ersatzmitglied in die Parlamen­tarische Versammlung des Europarates gewählt. Ich wünsche ihr für diese verant­wortungsvolle Aufgabe viel Freude und Erfolg.

*****

(Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

*****

16.25.3714. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 1. Halbjahr 2020


Präsident Karl Bader: Somit gelangen wir schon zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Mit 1. Jänner 2020 geht der Vorsitz hier im Bundesrat auf das Bundesland Ober­öster­reich über und gemäß Art. 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ist der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Robert Seeber, zum Vor­sitz berufen. Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsidenten/innen


Präsident Karl Bader: Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Michael Wanner lautet.

Ich bitte nunmehr jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zu­stimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage Herrn Vizepräsidenten Wanner, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Michael Wanner bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere sehr herzlich und wünsche alles Gute für diese Aufgabe im nächsten halben Jahr.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 127

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. lautet.

Ich bitte nunmehr jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

*****

Ich darf auch hier recht herzlich gratulieren und viel Erfolg und Freude bei der Arbeit als Vizepräsident im nächsten Halbjahr wünschen.

Wahl der Schriftführer/innen


Präsident Karl Bader: Nunmehr kommen wir zur Wahl der Schriftführerinnen und Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Mag.a Daniela Gruber-Pruner,, Marianne Hackl, Andreas Arthur Spanring, Wolfgang Beer und Mag.a Dr.in Do­ris Berger-Grabner für das 1. Halbjahr 2020 zu Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand besteht, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Es wird also kein Einwand erhoben.

Daher bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Marianne Hackl, Andreas Arthur Spanring, Wolfgang Beer und Mag. Dr. Doris Berger-Grabner bedanken sich und nehmen die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere zur Wahl und freue mich auf eine gute gemeinsame Arbeit.


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 128

Wahl der Ordner/innen


Präsident Karl Bader: Nunmehr kommen wir zur Wahl der Ordnerinnen und Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Dr. Peter Raggl, Elisa­beth Grimling, Christoph Steiner und Claudia Hauschildt-Buschberger für das 1. Halbjahr 2020 zu Ordnerinnen beziehungsweise Ordnern des Bundesrates zu wäh­len.

Falls kein Einwand dagegen erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es gibt keinen Einwand.

Daher bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies ebenfalls die Stimmen­ein­helligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Die Frage ergeht an die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Dr. Peter Raggl, Elisabeth Grimling, Christoph Steiner und Claudia Hauschildt-Buschberger bedanken sich und nehmen die Wahl an.)

*****

Ich danke sehr herzlich, gratuliere und wünsche für die Arbeit alles Gute.

Die Tagesordnung für die heutige Sitzung ist somit erschöpft.

16.30.22Einlauf und Zuweisung


Präsident Karl Bader: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung eine Anfrage, 3712/J-BR/2019, eingebracht wurde.

Eingelangt ist der Antrag 270/A-BR/2019 der BundesrätInnen Korinna Schumann, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Änderung des Bundes-Ver­fassungsgesetzes (Einführung des Instruments Teileinspruchsrecht des Bundesrates)“, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zugewiesen wird.

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Sollte das Notifizierungsverfahren betreffend Ölkesseleinbauverbotsgesetz bis dahin abgeschlossen sein, wird möglicherweise für Dienstag, 14. Jänner, 12 Uhr, eine zusätzliche Sitzung des Bundesrates anzuberaumen sein.

Sollte die Sitzung zu diesem Termin stattfinden, ist auch die Ausschussvorberatung für denselben Tag um 10 Uhr vorgesehen.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind nunmehr am Ende der Sitzung. Ich möchte an dieser Stelle für die Arbeit im auslaufenden Jahr noch einmal sehr herzlich Danke sagen. Danke auch für die Diskussionen, die teilweise rege waren, die teilweise emo-


BundesratStenographisches Protokoll899. Sitzung, 899. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2019 / Seite 129

tional waren. Das gehört zu unserer Arbeit dazu, aber ich denke, dass unterm Strich in diesem Hohen Haus ausgezeichnete Arbeit geleistet wurde, und sage ein herzliches Dankeschön.

Für die bevorstehenden Feiertage wünsche ich Ihnen und Ihren Liebsten, Familien, Freunden und guten Bekannten gute Besinnung, ein frohes Fest, und vor allem wünsche ich uns allen ein gesundes, zufriedenes und im Interesse der Bevölkerung und der Länder, die wir vertreten, auch ein kreatives Jahr 2020. Alles Gute!

Die Sitzung ist geschlossen.

16.32.16Schluss der Sitzung: 16.32 Uhr

 

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