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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

925. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. Mai 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

925. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. Mai 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. Mai 2021: 9.03 – 23.01 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maß­nahmengesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein neues Tierärztegesetz erlassen und das Tier­ärztekammergesetz geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

7. Punkt: Bericht des Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2021 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2021 und des Acht­zehnmonatsprogramms des Rates für 2020/2021

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler ge­ändert wird

9. Punkt: Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten König­reich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Einführungsgesetz zur Exekutionsordnung, die Insolvenzordnung, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Unternehmens­gesetzbuch, das EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschaftsgesetz, das GmbH-Ge­setz, das Aktiengesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Ein­ge­­tra­gene Partnerschaft-Gesetz, das Urkundenhinterlegungsgesetz, das Rechtspflegergesetz,


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 2

das Sicherheitspolizeigesetz, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Asylgesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Mineralrohstoffgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden sowie die Anfechtungsordnung und das Vollzugsgebührengesetz in die Exekutionsordnung übernommen werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Bundes­ver­waltungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Bundes­finanzgerichtsgesetz geändert werden

12. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz (vertreten durch Bundesminister Mag. Werner Kogler) betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2021 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des deutschen, portugie­sischen und slowenischen Ratsvorsitzes

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird

14. Punkt: Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus

15. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Anna Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel (291/A(E)-BR/2021)

16. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Anna Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorgegebene Verbot der Qualzucht zu erreichen (292/A(E)-BR/2021)

17. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der intensivmedizinischen Versorgung statt Regierungs-PR in Corona-Zeiten in der Höhe von 210 Millionen Euro (293/A(E)-BR/2021)

*****

Inhalt

Bundesrat

Erklärung des Bundeskanzlers Sebastian Kurz und des Vizekanzlers Mag. Werner Kogler gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­ten­schutz – Bekanntgabe ...................................... 14

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 14

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ................................................................................ 17

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ...................... 14

RednerInnen:

Dr. Karlheinz Kornhäusl ......................................................................................... ..... 19

Korinna Schumann ................................................................................................. ..... 22

Christoph Steiner .................................................................................................... ..... 25

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ..... 28

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... ..... 30

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................ ..... 32


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 3

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ..... 38

Ingo Appé ...................................................................................................................... 40

Andrea Michaela Schartel ........................................................................................... 43

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 46

Günter Kovacs ........................................................................................................ ..... 47

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ärztemangel bekämpfen“ – Annahme (347/E-BR/2021) ...................................  42, 48

Wortmeldung des Bundesrates Christoph Steiner betreffend die Gültigkeit eines Abstimmungsergebnisses nach dessen Verkündung ................................................. 117

Ersuchen des Bundesrates Karl Bader um Abhaltung einer Stehpräsidiale ...  117, 126

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................  117, 122, 127

Wortmeldung der Bundesrätin Korinna Schumann betreffend Dringliche Anfrage hinsichtlich deren Ressortzuständigkeit .................................................................................................... 127

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsident Mag. Christian Buchmann ....................................................................... 226

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 229

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 14

Aktuelle Stunde (85.)

Thema: „Breitband-Turbo für Österreich: 1,4 Milliarden Euro für den raschen Ausbau digitaler Infrastruktur“ ................................................................................................................ 49

RednerInnen:

Silvester Gfrerer ...................................................................................................... ..... 49

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 51

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 52

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 55

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ...............................................................  56, 66

Karl Bader ................................................................................................................ ..... 58

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ..... 60

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ..... 61

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 63

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... ..... 64

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Amtsenthebung von Herrn Bundesminister Rudolf Anschober gemäß Art. 74 Abs. 3 B-VG bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Dr. Wolfgang Mückstein zum Bundes­minis­ter für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß Art. 70 Abs. 1 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................ 71

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...........................................  72, 73


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 4

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 74

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  67, 229

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Familien in Not – Herr Bundeskanzler, tun Sie endlich etwas!“ (3876/J-BR/2021) ............................................................................................ 122

Begründung: Mag. Daniela Gruber-Pruner ............................................................... 122

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 127

Debatte:

Dominik Reisinger .................................................................................................. ... 134

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ... 136

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab ....................................................... ... 138

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 141

MMag. Elisabeth Kittl, BA ...................................................................................... ... 144

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... ... 147

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ............................................................................. ... 148

Mag. Sandra Gerdenitsch ...................................................................................... ... 150

Thomas Dim ............................................................................................................ ... 156

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Richtlinien zum Familienhärteausgleich“ – Ableh­nung ....................  136, 158

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Unterhaltsgarantie sofort umsetzen!“ – Ableh­nung .........................  156, 158

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1468/A und 800 d.B. sowie 10608/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 75

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 75

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1465/A und 802 d.B. sowie 10609/BR d.B.) ................................................................. 75

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 75

RednerInnen:

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ..... 75

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ..... 79

Johanna Miesenberger ........................................................................................... ..... 81


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 5

David Egger .................................................................................................................. 82

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ............................................................................................ 86

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................ ..... 88

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aktion 100.000 gegen Corona-Langzeitarbeitslosigkeit“ – Ablehnung  76, 89

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesundheitsgefährdendes Ethylenoxid in Corona-Test­stäbchen, Mund-Nasenschutz-Masken und Desinfektionsmitteln“ – Ablehnung .....................................................................  77, 89

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Egger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung des NR-Beschlusses betreffend die Anerkennung von Antigen-Selbsttests als Berufs- und Zutrittstests“ – Ablehnung .......................................................................................  85, 89

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 89

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 89

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1466/A und 813 d.B. sowie 10620/BR d.B.) .................................................................................................... 89

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 90

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (814 d.B. sowie 10621/BR d.B.) ...................................................................... 89

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 90

RednerInnen:

Markus Leinfellner .................................................................................................. ..... 90

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ..... 94

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 96

Heike Eder, BSc MBA .................................................................................................. 98

Ingo Appé ...................................................................................................................... 99

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................... 101

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................ ... 104

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 105

Karl Bader ................................................................................................................... 108

Josef Ofner .............................................................................................................. ... 109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 111

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 111

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein neues Tierärztegesetz erlassen und das Tierärztekammergesetz geändert wird (732 d.B. und 807 d.B. sowie 10610/BR d.B.) ............................................................................................................. 111


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 6

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................... 111

RednerInnen:

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ... 112

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ... 113

Andrea Michaela Schartel ...................................................................................... ... 114

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 114

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein neues Tierärztegesetz erlassen und das Tierärztekammergesetz geändert wird (732 d.B. und 807 d.B. sowie 10610/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Ablehnung ..............................  114, 116

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1477/A und 792 d.B. sowie 10617/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 117

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner ............................................................ 118

RednerInnen:

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ... 118

Horst Schachner ..................................................................................................... ... 119

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 158

Andreas Lackner ........................................................................................................ 159

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher .............................................................. ... 161

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aktion 40.000“ – Ablehnung ..............................................................................  121, 162

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 162

7. Punkt: Bericht des Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2021 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2021 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2020/2021 (III-743-BR/2021 d.B. sowie 10618/BR d.B.) ............................... 162

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ............................................................................... 162

RednerInnen:

Korinna Schumann ................................................................................................. ... 162

Heike Eder, BSc MBA ................................................................................................ 165

Mag. Bettina Lancaster .............................................................................................. 167

Andreas Lackner ........................................................................................................ 169

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher .............................................................. ... 169

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, den Bericht des Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2021 gemäß Artikel 23f Ab­satz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2021 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2020/2021 (III-743-BR/2021 d.B. sowie 10618/BR d.B.), zur Kenntnis zu nehmen – Annahme ..............................................................................................................................  166, 171

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Retten Sie 8.000 Arbeitsplätze in Steyr. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich, Herr Bundeskanzler!“ – Ablehnung ...........................................................................................................  168, 171


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 7

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler geändert wird (1475/A und 789 d.B. sowie 10619/BR d.B.)   171

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 172

RednerInnen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................ ... 172

Eva Prischl ............................................................................................................... ... 174

Markus Leinfellner .................................................................................................. ... 175

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 176

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ................................................................... ... 177

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 178

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend eine Ver­einbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar (631 d.B. und 785 d.B. sowie 10613/BR d.B.) ................... 179

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................... 179

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 179

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Einführungsgesetz zur Exekutions­ordnung, die Insolvenzordnung, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ge­richtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Unternehmens­gesetzbuch, das EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschaftsgesetz, das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwaltstarif­gesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, das Urkundenhinterlegungs­ge­setz, das Rechtspflegergesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungs­über­tretungen erklärt werden, das Asylgesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufent­haltsgesetz, das Mineralrohstoffgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungs­ge­setz geändert werden sowie die Anfechtungsordnung und das Vollzugsgebühren­gesetz in die Exekutionsordnung übernommen werden (Gesamtreform des Exeku­tionsrechts – GREx) (770 d.B. und 786 d.B. sowie 10614/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 179

Berichterstatterin: Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................... 180

RednerInnen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA ...................................................................................... ... 180

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ............................................................................. ... 181

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 183

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 185

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. ... 187

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Morden an Frauen durch Männer­gewalt“ – Ablehnung .........  185, 189


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 8

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 189

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Bundesverwaltungs­ge­richtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Bundesfinanz­ge­richts­gesetz geändert werden (769 d.B. und 787 d.B. sowie 10615/BR d.B.) ............................................................................. 189

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................... 189

RednerInnen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA ...................................................................................... ... 189

Sebastian Kolland ................................................................................................... ... 190

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 191

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 192

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 193

12. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz (vertreten durch Bundesminister Mag. Werner Kogler) betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Euro­pä­ischen Kommission für 2021 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des deut­schen, portugiesischen und slowenischen Ratsvorsitzes (III-741-BR/2021 d.B. sowie 10616/BR d.B.) ............................................................................ 193

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................... 193

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 194

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................... 197

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 198

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 200

Eva Prischl ............................................................................................................... ... 202

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. ... 205

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesamtgesellschaftliche Sensibilisierungsoffensive gegen antisemitische Verschwörungstheorien“ – Ablehnung ...........................................................................................................  202, 206

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der Wiener Zeitung als älteste Tageszeitung der Welt“ – Ablehnung ....  204, 206

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-741-BR/2021 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ....................................................................................................................................... 206

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (643 d.B. und 776 d.B. sowie 10611/BR d.B.) ... 206

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 206

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 207

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend eine Erklä­rung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus (632 d.B. und 777 d.B. sowie 10612/BR d.B.) ...................................... 207


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 9

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 207

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 207

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Anna Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel (291/A(E)-BR/2021 sowie 10622/BR d.B.) ............................................ 207

Berichterstatterin: Eva Prischl .................................................................................... 208

16. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Anna Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorgegebene Verbot der Qualzucht zu erreichen (292/A(E)-BR/2021 sowie 10623/BR d.B.) .................................................................................................. 207

Berichterstatterin: Eva Prischl .................................................................................... 208

RednerInnen:

Elisabeth Wolff, BA ................................................................................................. ... 208

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ... 209

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ... 211

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 212

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 214

Antrag der BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, dem gegenständlichen Entschließungs­antrag 291/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maß­nah­men gegen den illegalen Welpenhandel“ die Zustimmung zu erteilen – Ableh­nung  210, 215

Antrag der BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, dem gegenständlichen Entschließungs­an­trag 292/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorgegebene Verbot der Qualzucht zu erreichen“ die Zustimmung zu erteilen – Ablehnung ...................  211, 215

17. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der intensivmedizinischen Versorgung statt Regierungs-PR in Corona-Zeiten in der Höhe von 210 Millionen Euro (293/A(E)-BR/2021 sowie 10624/BR d.B.) .................. 216

Berichterstatter: Christoph Steiner ............................................................................ 216

RednerInnen:

Dr. Karlheinz Kornhäusl ...................................................................................  216, 225

Christoph Steiner .................................................................................................... ... 218

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 221

Ingo Appé ................................................................................................................ ... 223

Günter Kovacs ........................................................................................................ ... 225

Antrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, dem gegenständlichen Entschließungsantrag 293/A(E)-


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 10

BR/2021 der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Ausbau der intensivmedizinischen Versorgung statt Regierungs-PR in Corona-Zeiten in der Höhe von 210 Millionen Euro“ die Zustimmung zu erteilen – Ablehnung ...........................................................................................................  220, 226

Eingebracht wurden

Petition

Petition betreffend „Schließung des öffentlichen Eisenbahnüberganges in Schönau an der Triesting Bahnkilometer 36,441 (Niederösterreich)“ (Ordnungsnummer 46) (überreicht von Bundesrat Martin Preineder)

Antrag der BundesrätInnen

Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (294/A-BR/2021)

Anfragen der BundesrätInnen

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Breitbandausbau in der Steiermark (3872/J-BR/2021)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Video- und Telefondolmetsch in steirischen Bildungseinrichtungen (3873/J-BR/2021)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Still­stand bei S 8 Marchfeld Schnellstraße (3874/J-BR/2021)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Krankenkassenbeiträge für Asylwerber in den Jahren 2018, 2019 und 2020 (3875/J-BR/2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Familien in Not – Herr Bundeskanzler, tun Sie endlich etwas! (3876/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Ergebnisse der Gesprächsrunden der Frauenministerin mit Expertinnen (3877/J-BR/2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Familien in Not – Herr Bundeskanzler, tun Sie endlich etwas! (3878/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Geplante Einstellung der Wiener Zeitung (Folgeanfrage) (3879/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zoom-Bombing – Aktuelle Gefahrenlage und Strategie der Behörden in Österreich (3880/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend pandemische Aussagekraft von Corona-Tests (3881/J-BR/2021)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 11

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Entschließung des Bundesrates zur täglichen Bewegungs- und Sporteinheit (3548/AB-BR/2021 zu 3832/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Was tun, wenn das Internet zerreißt?“ (3549/AB-BR/2021 zu 3840/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschließung des Bundesrates zur täglichen Bewegungs- und Sporteinheit (3550/AB-BR/2021 zu 3831/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Was tun, wenn das Internet zerreißt?“ (3551/AB-BR/2021 zu 3838/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Christlich-islamisches Team-Teaching an steirischen Schulen (3552/AB-BR/2021 zu 3843/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ent­schließung des Bundesrates zur täglichen Bewegungs- und Sporteinheit (3553/AB-BR/2021 zu 3833/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend kläglicher Umgang mit Kinderrechten in Österreich (3554/AB-BR/2021 zu 3835/J-BR/2021)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschließung des Bundesrates zur täglichen Bewegungs- und Sporteinheit (3555/AB-BR/2021 zu 3830/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen David Egger, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem „9. Mittelfristigen Investitionsprogramm“ (3556/AB-BR/2021 zu 3845/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tunneltrasse Koralmbahn – Projektstand und begleitende Maß­nahmen (3557/AB-BR/2021 zu 3844/J-BR/2021)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend kläglicher Umgang mit Kinder­rechten in Österreich (3558/AB-BR/2021 zu 3837/J-BR/2021)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Was geschah mit dem Betrag von 1 Million Euro für die Betreuung von Geflüchteten in Bosnien-Herzegowina ? (3559/AB-BR/2021 zu 3834/J-BR/2021)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 12

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend kläglicher Umgang mit Kinder­rechten in Österreich (3560/AB-BR/2021 zu 3836/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuerlicher Ausbruchversuch aus der Justizanstalt Graz-Karlau (3561/AB-BR/2021 zu 3842/J-BR/2021)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Was tun, wenn das Internet zerreißt?“ (3562/AB-BR/2021 zu 3841/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Was tun, wenn das Internet zerreißt?“ (3563/AB-BR/2021 zu 3839/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend fortgeführter Maskenzwang für Schüler in der Unterrichtszeit (3564/AB-BR/2021 zu 3846/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend unzureichende Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes im Zusammenhang mit der Artikel 15a B-VG Vereinbarung zur Kinder- und Jugendhilfe (3565/AB-BR/2021 zu 3850/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderschutz in der Schule (3566/AB-BR/2021 zu 3848/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versorgungslage psychiatrisch erkrankter Kinder und Jugendlicher (3567/AB-BR/2021 zu 3849/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ACG-Nutzerbeirat (3568/AB-BR/2021 zu 3847/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reduzierung von Vogelsterben in Windparks durch KI-Technologie (3569/AB-BR/2021 zu 3851/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Geplante Einstellung der Wiener Zeitung (3570/AB-BR/2021 zu 3854/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorerkrankungen von Corona-Intensivpatienten (3571/AB-BR/2021 zu 3852/J-BR/2021)

des Bundesministers für Arbeit auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend AMS-„Corona“-Kurse (3572/AB-BR/2021 zu 3853/J-BR/2021)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 13

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Bettina Anna Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend Investitionsprämie als Anstoß für Neuinvestitionen (3573/AB-BR/2021 zu 3856/J-BR/2021)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Bettina Anna Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend Investitionsprämie als Anstoß für Neuinvestitionen (3574/AB-BR/2021 zu 3857/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Mobilfunkgebühren durch A1, Magenta und Drei (3575/AB-BR/2021 zu 3855/J-BR/2021)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 14

09.03.00Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Christian Buchmann, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA, Vizepräsident Dr. Peter Raggl.

09.03.09*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich darf Sie sehr herzlich zur 925. Sitzung des Bundesrates begrüßen und diese hiermit offiziell eröffnen.

Zu Beginn darf ich daran erinnern, dass die Gesundheitsbehörden das Tragen einer FFP2-Maske, um sich und andere zu schützen, empfehlen. Ich appelliere an Sie, aus Solidarität insbesondere den Mitarbeitern des Parlaments gegenüber dieser Empfehlung zu folgen.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 924. Sitzung des Bundesrates vom 30. März 2021 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates MMag. Dr. Michael Schilchegger.

09.03.57Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen zur Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.

Ich begrüße Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz, Herrn Vizekanzler Werner Kogler und alle weiteren anwesenden Mitglieder der Bundesregierung recht herzlich bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Besonders begrüße ich Herrn Staatssekretär Magnus Brunner, der uns an seinem Geburtstag die Ehre gibt. – Herzlichen Glückwunsch! (Allgemeiner Beifall.)

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler und vom Herrn Vizekanzler abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz zur Abgabe einer Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.


9.05.12

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung! Vor allem aber sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Gestatten Sie mir, bevor ich zum Hauptthema des heutigen Tages und dieser Sitzung komme, ein Wort zu den Geschehnissen von gestern Nacht zu sagen. Sie alle haben es wahrscheinlich mitverfolgt: Es gab in der Nacht von gestern auf heute wieder zwei Frauenmorde – diesmal im Westen Öster­reichs, in Wals-Siezenheim, einer Region, die ich selbst gut kenne und die ich schon oft auch besucht habe. Diese Morde erschüttern uns natürlich nicht nur, weil jede dieser


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 15

Taten stets erschütternd und verachtenswert ist, sondern vor allem auch aufgrund der Häufigkeit, zu der es hier mittlerweile kommt.

Ich möchte zunächst einmal natürlich den Angehörigen, der Familie, den Verwandten und Freunden mein Mitgefühl aussprechen, ich möchte vor allem aber auch festhalten, dass ich es als sehr wichtig empfinde, dass der Innenminister, die Frauenministerin und die Justizministerin gemeinsam Maßnahmen vorbereiten, um alles zu tun, um Opfern bestmöglich zu helfen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wieso erst jetzt?), um Präventions­arbeit zu leisten, damit solche Taten so gut wie möglich verhindert werden, dass aber auch, wenn es dazu kommt, die Täter mit voller Härte bestraft werden. Solche Ver­brechen dürfen in unserem Land keinen Platz haben! Ich hoffe, dass wir hier partei­übergreifend dagegen ankämpfen können. – Vielen Dank.

Ich darf, sehr geehrter Herr Präsident, nun zum Hauptthema der heutigen Sitzung kom­men und möchte Ihnen, geschätzte Mitglieder des Bundesrates, zunächst einmal einen Überblick über die aktuelle Pandemiesituation geben.

Ich habe Ihnen ja schon mehrfach im vergangenen Jahr berichten dürfen, und ich kann Ihnen jetzt mittlerweile wirklich einen Bericht mit sehr viel Optimismus, mit sehr viel Hoffnung und mit sehr viel Zuversicht geben.

Wir haben ein herausforderndes Jahr der Pandemie hinter uns: eine erste Welle, die wir alle gemeinsam in Österreich Gott sei Dank sehr schnell, sehr gut abwehren konnten, eine zweite Welle, die uns, so wie viele andere Staaten, hart getroffen hat, und jetzt eine dritte Welle, in der sich mehr und mehr zeigt, dass unsere Strategie der FFP2-Masken, dass unsere Strategie des intensiven Testens sehr, sehr gut wirkt.

Es ist in den letzten Monaten gelungen, dass wir trotz dritter Welle in ganz Europa nicht in allen Bundesländern einen harten Lockdown durchführen mussten. Die Strategie der Regionalisierung hat sich mehr als nur ausgezahlt. Es war möglich, in sechs Bun­desländern einen harten Lockdown abzuwehren, zu verhindern, in drei Bundes­ländern war dieser notwendig, aber auch diese Bundesländer haben mittlerweile den harten Lockdown verlassen.

Die Zahlen sind im Moment auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir haben stark sinkende Ansteckungszahlen quer durch Österreich, in allen Bundesländern. Es hatten alle Bundesländer einen Peak auf einem Niveau der Siebentageinzidenz von 200 bis 350, und in allen Bundesländern, auch in denen, wo es nicht notwendig war, einen harten Lockdown durchzuführen, sinken die Ansteckungszahlen.

Wir wissen – das sehen wir an den Todeszahlen –, dass die Todeszahlen auch durch das intensive Testen, durch das Tragen der FFP2-Masken Gott sei Dank deutlich nied­riger gehalten werden konnten als in anderen Ländern auch in unserer Nachbarschaft.

Gerade in der dritten Welle hat sich gezeigt, dass wir durch das massive Testen, das ja zu Beginn auch von vielen infrage gestellt worden ist, nicht nur einen besseren Infek­tionsgeschehensüberblick haben konnten, sondern es ist auch gelungen, Infektions­ketten zu durchbrechen und so eine stärkere Ausbreitung zu verhindern. Durch intensi­ves Testen sind natürlich die Siebentageinzidenzen, die Ansteckungszahlen oft höher, aber das, was wirklich zählt, ist ja die Zahl der Toten, die Zahl der schweren Verläufe, die Zahl der Hospitalisierten, und da merken wir auch im Vergleich mit unseren Nachbar­ländern, dass diese intensiven Testungen, aber sicherlich auch die FFP2-Masken Wir­kung gezeigt haben.

Insofern bin ich nicht nur froh, dass wir in sechs Bundesländern einen Lockdown verhindern konnten – drei Bundesländer hatten diesen zwar, konnten ihn aber auch schon wieder beenden –, sondern ich bin vor allem sehr optimistisch für den 19. Mai. Wenn sich die Ansteckungssituation weiter so entwickelt, und davon ist aus heutiger


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 16

Sicht auszugehen, dann haben wir für die Öffnungen am 19. Mai eine perfekte Aus­gangs­basis.

Wir haben Gott sei Dank mit den Tests und mit den FFP2-Masken sehr wirksame Tools. Wir haben durch den steigenden Impffortschritt eine immer stärker werdende Sicherheit und einen immer stärkeren Schutz für die vulnerablen Gruppen, und wir haben natürlich auch saisonale Effekte, die bei Pandemien, bei Viruserkrankungen definitiv eine Rolle spielen.

Was mich auch sehr positiv stimmt, ist der Impfturbo, der Impffortschritt. Sie wissen, wir können im Moment über 50 000 Menschen pro Tag impfen, im Juni werden wir noch mehr Menschen impfen können. Wir haben bald 2,5 Millionen Menschen, die zumindest eine erste Impfung erhalten haben. Nach Alterspyramide vorzugehen hat sich als richtig herausgestellt, die älteren Menschen zuerst zu schützen hat sich als richtig heraus­gestellt – nicht nur weil wir dadurch bei diesen Menschen einen schweren Verlauf oder Todesfälle verhindern können, sondern auch weil das natürlich auch zu einer Entlastung der Intensivstationen führt.

Ich habe Ihnen gesagt, dass die Ansteckungszahlen sinken, und das sieht man auch in den Spitälern. Die Zahl der Hospitalisierten, die Zahl der Intensivpatienten geht zurück. Das ist auch logisch, denn die größte Gruppe waren dort immer die über 65-Jährigen, und bei den über 65-Jährigen haben wir mittlerweile eine Durchimpfungsrate von deutlich über zwei Dritteln, in einigen Bundesländern sogar schon über 70 Prozent. Das heißt, die Menschen wollen sich impfen lassen, die Menschen wollen sich schützen lassen. Die Impfung wirkt. Sie verhindert schwere Verläufe und sie rettet Leben und sie ist, wie auch immer prophezeit, unser Ticket zurück zur Normalität.

Wir werden daher mit 19. Mai umfassende Öffnungsschritte setzen können – mit Sicher­heitsstandards, mit Vorsichtsmaßnahmen, mit Maske, mit Tests, mit Abstandsregelun­gen, damit wir da weiterhin vorsichtig und behutsam vorgehen. Wenn aber alle mit­machen, wenn jeder seinen Beitrag leistet und wir uns gemeinsam an diese Standards halten, dann werden wir, da bin ich sehr, sehr optimistisch, die Öffnungsschritte in ge­planter Art und Weise durchführen können und dann in Richtung Sommer schrittweise – auch mit entsprechendem Impffortschritt – die Sicherheitsstandards herunterfahren kön­nen.

Das ist nicht nur für unser aller Lebensqualität entscheidend, sondern das ist auch ganz positiv für die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Wir sehen, dass mit den entsprechenden Öffnungsschritten die Arbeitslosigkeit natürlich sinkt, mehr und mehr Menschen wieder in Beschäftigung zurückkehren können. Auch diesbezüglich sind wir auf einem guten Weg, das von der Regierung gesetzte Ziel, dass wir bis zum nächsten Jahr 500 000 Men­schen wieder in Beschäftigung bringen, zu erreichen und somit das zu gewährleisten, was ganz wichtig für eine Gesellschaft ist, nämlich dass Menschen arbeiten gehen können, für sich selbst und für ihre Familien sorgen können und ein selbstbestimmtes Leben in einem wirtschaftlich erfolgreichen Land mit hoher Lebensqualität führen kön­nen.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, noch ein Wort des Dankes an Rudi Anschober, der sehr lange in dieser Pandemie in der Bundesregierung einen wesent­lichen Beitrag geleistet hat. Die Aufgabe als Minister ist stets eine herausfordernde, insbesondere natürlich in Zeiten einer Pandemie. Wir haben mittlerweile drei Regie­rungsmitglieder – eine Staatssekretärin, einen Minister, eine Ministerin –, die während des letzten Jahres ausgeschieden sind. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle für ihren Beitrag noch einmal ein Danke sagen, ganz besonders natürlich Rudi Anschober, der zuletzt aus gesundheitlichen Gründen die Politik verlassen hat.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 17

Minister zu sein ist eine Herausforderung, und da manche gesagt haben, man muss auch den Menschen hinter dem Politiker sehen, vielleicht auch noch einmal der Appell – weil ich glaube, dass das sinnvoll wäre –, das durchaus auch zu tun, wenn Menschen noch im Amt sind, und nicht erst dann, wenn sie ihr Amt zurückgelegt haben. Ich glaube, ein wechselseitig wertschätzender Umgang in der Politik ist im Interesse aller Beteiligten, im Interesse der Bevölkerung. Ich glaube, jeder Einzelne kann da einen Beitrag leisten. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich möchte ganz herzlich, obwohl das jetzt fast schon ein bisschen überholt ist, unseren neuen Bundesminister Wolfgang Mückstein in der Bundesregierung begrüßen. Ich sage deshalb überholt, weil wir in den letzten Wochen schon so intensiv zusammengearbeitet haben – angefangen vom grünen Pass über die Öffnungsschritte am 19. Mai, die Impfkampagne bis hin zur Beschaffung von neuen Impfstoffen für 2022/23, den Austausch über die Regelungen im Sommer, der Frage, wie wir mit Jugendlichen umgehen, der Frage, wie wir mit Mutationen umgehen sollen.

Wir haben in den letzten Wochen bereits in so zahlreichen Themen zusammen­gear­beitet, dass ich mir fast schwertue, dich heute hier vorzustellen. Insofern erspare ich mir das, darf mich für die Zusammenarbeit, die in den letzten Wochen ausgezeichnet angelaufen ist, bedanken und freue mich, dass das Miteinander im Regierungsteam so gut funktioniert und wir, glaube ich, auch die notwendigen Entscheidungen gemeinsam gut treffen können – manchmal sind sie populärer, manchmal sind sie unpopulärer, beides gehört beim Regieren dazu.

Wie gesagt  noch einmal –: Willkommen im Team! Auf weitere gute Zusammenarbeit! Möge sich die Sache in den nächsten Wochen und Monaten so gut entwickeln, wie das in den letzten Wochen der Fall war. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.16


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen.

Nunmehr erteile ich Herrn Vizekanzler Werner Kogler zur Abgabe einer Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Vizekanzler.


9.16.30

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geschätzter Bundes­rat! Auch ein Wort zu den schrecklichen Frauenmorden: Das ist nicht nur entsetzlich und abscheulich, es wird auch mehr geschehen müssen, um das so gut es geht von Gesellschaft und Politik hintanzuhalten; ob es immer geht, wissen wir nicht, aber es sollte öfters gehen. Da wird im Übrigen auch uns Männer eine gewisse Mitverantwortung treffen. Jedenfalls werden die runden Tische und Gipfel der nächsten Tage und Wochen auch die Opferschutzorganisationen und Frauenorganisationen miteinbinden, und da wird es auch um das Thema der möglichen und sinnvollen finanziellen Mittelaus­wei­tungen gehen.

Jetzt zum Thema der Erklärung und der darauf folgenden Debatte: Rudi Anschober wurde noch einmal angesprochen. Tatsächlich ist es auch für mich, was den Wechsel mit dem neuen Kollegen Dr. Wolfgang Mückstein betrifft – herzlich willkommen im Übri­gen! –, schon fast so, als wäre es ziemlich lange her. Wir merken in der Regierung schon, dass es innerhalb weniger Wochen einen irrsinnig dichten Takt an Entschei­dungsabläufen gibt, und insofern sind wir vielleicht schon wieder ein bisschen in der Routine, es sollte uns aber nicht daran hindern, uns vielleicht daran zu erinnern, dass Rudi Anschober etwas aus meiner Sicht ganz Wesentliches – vielleicht gerade für einen


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Gesundheitsminister – gesagt hat: Für Krankheit braucht sich niemand zu schämen und soll sich niemand schämen! – Das darf auch in der Politik gelten.

Rudi Anschober hat schon, glaube ich, ein paar Dinge eingebracht, die nicht alltäglich sind. Er hat sich da eingearbeitet und  er hat ja schon sehr hohe Kompetenz im Sozial­politischen mitgebracht, hat sich aber immer noch mehr hinzuerarbeitet – hat sich einfach voll – voll! – engagiert; das möchte ich nicht unerwähnt lassen. Und dass da oder dort, ja, Fehler passieren: Er hat auch versucht, sie auszutarieren, zuzugeben, einen Umgang damit zu finden; auch das wollte ich nicht unerwähnt lassen. Vielen Dank noch einmal, Rudi Anschober, für das riesige Engagement in dieser schwierigen Zeit! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Der Herr Bundeskanzler hat ja schon Themen angesprochen, um die es eben wieder geht, und was die Entwicklung und die Bekämpfung der Pandemie und die Folgen der Pandemie betrifft, dürfen wir im Übrigen jetzt viel zuversichtlicher sein, als wir es noch vor ein, zwei, drei Monaten waren. Wolfgang Mückstein ist der richtige Mann am richtigen Platz, auch weil er aus der Praxis – in mehrfacher Hinsicht –, also vom Fach kommt. Er war in der ärztlichen Praxis einer der Ersten oder überhaupt der Erste, der ein Primär­versorgungszentrum mit vorangetrieben hat und im 6. Bezirk in Wien mitgegründet und eröffnet hat. Viele, die sich mit Gesundheitspolitik beschäftigen, wissen, wie wichtig und relevant das ist, und zwar nicht nur in den Städten, sondern zunehmend auch in den Regionen.

Da Wolfgang Mückstein aus der Praxis kommt, bedeutet das auch, dass er im Fall von Erkrankungen nicht nur mit Covid-Verläufen vertraut ist, er kann wahrscheinlich auch bei vielen die Erleichterung feststellen, wenn sie einmal geimpft sind. Wenn man die Breite des Ressorts anschaut, in dem ja auch die Sozialpolitik beheimatet ist, wird es aber auch darum gehen, die psychosozialen Folgen in den Entscheidungen immer mitabzuwägen und in der Folge diesbezüglich auch etwas zu tun und dort anzusetzen. Auch dazu haben wir schon einiges gehört, da brauche ich jetzt nichts zu wiederholen. – Ich finde, das ist eine hervorragende Mischung.

Die Zeiten bleiben herausfordernd, keine Frage, aber es wird von Wolfgang Mückstein sehr viel Kompetenz mitgebracht und es ist erst recht wieder viel Engagement zu erwarten. Nicht ganz unerwähnt wollte ich seine Erfahrungen in der Ärztekammer lassen. Diese ist ja in Österreich bekanntermaßen eine wichtige Institution, auch wenn sie nicht immer von allen gleich bewertet wird. Dennoch dürfen wir, glaube ich, werten, dass jemand, der dort jahrelange Erfahrung gesammelt hat, diese auch in der österreichi­schen Gesundheitspolitik gut brauchen kann: in der Zusammenarbeit mit den Kranken­hausträgern und den Bundesländern – wir kennen die Kompetenzaufteilungen. Ich denke, auch das ist eine gute Voraussetzung.

Apropos Bundesländer und Zukunft: Ja, wir gehen gemeinsam mit den Ländern und auch mit anderen Entscheidungsträgern – namentlich den Sozialpartnern, die da immer wieder involviert sind – verantwortungsvolle Öffnungsschritte. Ich glaube, wir hatten auch im Bundesrat Gelegenheit, kurz über die Öffnungskommission zu reden, bei der ja viele mitgewirkt haben. In dem Fall ist es, glaube ich, eine gut ausgewogene Mischung: auf der einen Seite sehr viel zuzulassen und gleichzeitig vielen Lebensbereichen – eigentlich fast allen – mit jeweils sinnvollen Sicherheitsvorkehrungen eine Perspektive zu geben. Wenn man so will, dann sind das manchmal sogar Gürtel und Hosenträger.

Das macht uns zuversichtlich, dass wir das – manche sagen: riskieren – dürfen. Ja, es bleibt immer ein Restrisiko. Auf der anderen Seite geht es aber nicht nur darum, das Virus einzuhegen und einzudämmen – das ist gesundheitspolitisch natürlich die Haupt­aufgabe –, sondern auch – im Übrigen nicht zuletzt gesundheitspolitisch – um andere Ziele. Ich habe sie vorhin erwähnt: Es geht darum, die psychosozialen Folgen der


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 19

ständigen harten Lockdowns abzuwenden. Denken wir nur an Kinder und Jugendliche, aber auch an viele andere. In Wahrheit betrifft es alle Menschen.

Insofern ist also schon wieder wesentlich mehr Zuversicht angebracht. Woher schöpfen wir die? – Der Herr Bundeskanzler hat es gesagt, das muss ich nicht wiederholen. Österreich ist in manchen Bereichen durchaus einen speziellen Weg gegangen, der erfolgreich zu sein scheint, denn was uns von vielen Ländern unterscheidet, ist auch die Tatsache, dass wir mit weniger harten Lockdowns eigentlich bessere Verläufe erzielt haben. Das könnte man jenen Maßnahmen zuordnen, die uns eben von anderen unterscheiden. Auf diesem Weg kann man fortsetzen.

Bei diesen Möglichkeiten, sich wieder stärker am Leben zu beteiligen, haben wir immer auch die sogenannten Eintrittstests dabei. Hoffentlich funktioniert das entsprechend. Da oder dort wird es sicher noch haken, aber wenn man bedenkt, dass innerhalb weniger Tage oder weniger Wochen oft Millionen Tests durchgeführt werden, kann schon einmal irgendwo etwas passieren. Schauen wir dann, bitte schön, vielleicht auf die 99,5 Prozent, die trotzdem super funktionieren! Jedenfalls ist das eines dieser Sicherheitsnetze, von denen die Rede war.

Sollte es da oder dort trotzdem noch zu – hoffentlich nur, davon gehen wir aber aus, regionalen – Auffälligkeiten oder Clusterbildungen kommen, dann besteht immer noch die Möglichkeit, regional einzuschreiten. Diese Möglichkeit wollen wir dann, bitte schön, sinnvoll nutzen. Im Übrigen passiert das in vielen Bundesländern auch jetzt schon, und so soll es auch bleiben. Auch das ist eine weitere parallele Sicherheitsmaßnahme.

Ansonsten sollten wir uns dann, glaube ich, auch wieder vermehrt der wirtschaftlichen und sozialen Frage widmen und darauf die Antworten liefern. Da ist mit den Konzepten des Rausinvestierens aus der Krise und den Möglichkeiten, am Arbeitsmarkt im besten Sinne des Wortes wieder anständig Gas zu geben, ja sehr viel auf den Weg gebracht. Insofern dürfen wir auch da sehr zuversichtlich sein. Vielleicht möchten Sie das ja in Ihre Debatte miteinfließen lassen. – Vielen Dank.

Ich möchte mich noch entschuldigen, weil ich aufgrund einer anderen parlamentarischen Verpflichtung 1, 2 Minuten vor 10 Uhr weggehen muss. Es handelt sich um die Teil­nahme am Sportausschuss, der aufgrund der engen Termindichte ohnehin schon einmal verschoben wurde. Ich bitte also um Nachsicht. Wir sind ja auf der Regierungsbank trotzdem, denke ich, hervorragend vertreten. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.25


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Kollege.


9.26.06

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Verehrte Mitglieder der Bundes­regierung! Vor allem: Lieber Herr Gesundheitsminister Mückstein! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die via Livestream zugeschaltet sind! Ich denke, an einem Tag wie heute kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Ich nehme an, Sie waren ebenso bestürzt wie ich, als ich in der Früh von diesem grausamen Doppelmord in Wals-Siezenheim gehört habe. Eine Kollegin ist ja unter uns, die aus dieser Gemeinde kommt und die Getöteten gekannt hat.


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Das lässt einen sprachlos zurück, das schockiert einen. Gleichzeitig müssen wir alles daransetzen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren wird. Ich bin sehr froh, dass der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich zu Dr. Wolfgang Mückstein komme, ein paar Worte zu seinem Kollegen Rudolf Anschober zu sagen: Ich möchte mich seitens der ÖVP-Bundesratsfraktion, aber auch ganz persönlich für seinen unglaub­lich couragierten Einsatz in dieser Pandemie herzlich bei ihm bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Mir ist natürlich klar, dass Dankbarkeit keine Tugend der Politik ist. Sie kommt meistens im Nachhinein oder gar nicht. Jetzt könnte man sagen: Das ist unfair, das nützt einem wenig. Ich denke aber, Rudolf Anschober verdient diesen Dank und diesen Respekt, weil er sich für die Gesundheit der Menschen im Land eingesetzt hat und dabei seine eigene nahezu aufs Spiel gesetzt hat. Das Gespür für die eigene Gesundheit und den eigenen Gesundheitszustand nicht zu verlieren – das sage ich als Arzt, aber auch als Mensch – ist eine Eigenschaft, die nicht vielen Leuten gegeben ist. Rudolf Anschober hat das für ihn Richtige getan. Ich wünsche ihm nochmals alles Gute für die Zukunft und viel Gesundheit! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir dürfen aber nun – auch das darf ich im Namen meiner Fraktion tun – Wolfgang Mückstein ganz herzlich hier im Bundesrat erstmals willkommen heißen. Es freut mich natürlich doppelt, da Wolfgang Mückstein und ich ja einerseits Berufskollegen sind und wir andererseits eine langjährige gemeinsame Vergangenheit in der Österreichischen Ärztekammer haben: er in Wien, ich in der Steiermark und in der Bundesärztekammer.

Wolfgang Mückstein hat das Ministerium in sehr aufgeregten Zeiten übernommen, das hat unser Bundeskanzler schon gesagt. Auch ich denke, dass die Annahme eines Ministeramts immer eine große Herausforderung ist. Gesundheitsminister in Zeiten einer Pandemie zu sein, ist jedoch nochmals ein Stück fordernder. Als Arzt mit langjähriger Erfahrung ist es Kollege Mückstein aber gewohnt, in sehr aufgeregten und stürmischen Zeiten zu arbeiten. Aus diesem Grund, lieber Herr Bundesminister: Ich bin dir sehr, sehr dankbar und habe mich ehrlich gefreut, dass du diese Aufgabe angenommen hast. Noch einmal: Willkommen im Bundesrat, Herr Kollege! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ärztinnen und Ärzte sind in der Politik nichts Unge­wöhnliches. Sie sind und waren MandatarInnen in Gemeinderäten, in Landtagen, im Parlament, auch in Regierungsfunktionen – ich will kein Namedropping betreiben, jeder kennt Ärztinnen und Ärzte in der Politik. Arzt und Politiker zu sein ist kein Widerspruch, ganz im Gegenteil, denn was ist denn das ureigenste Anliegen, die wesentlichste Auf­gabe der Medizin? – Den Menschen Gutes zu tun. Gutes tut man, das ist meine tiefe Überzeugung, indem man oft auch einfach nur zuhört. Da komme ich jetzt zu dieser großen Schnittmenge mit der Politik: hinhören, zuhören, auf die Menschen zugehen, so wie der Arzt und die Ärztin sich für die Patienten einsetzen und sich um sie kümmern, so tut das Politik für die Menschen im Land.

Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder Arzt automatisch ein guter Politiker ist, aber Ärztinnen und Ärzte sind immer Fachleute für Gesundheit, und in diesem Sinne ist Wolfgang Mückstein eine ausgezeichnete Wahl, nicht nur, weil er das Gesundheits­system – der Vizekanzler hat es auch schon angesprochen: er war viele Jahre in der Ärztekammer tätig – in seiner ganzen Komplexität kennt, nicht nur, weil er die wesent­lichen Player im System kennt, nein, sondern weil er auch seit vielen Jahren Menschen behandelt, egal, aus welchen Schichten sie kommen, und sich um ihre Anliegen und Sorgen gekümmert hat.

Da war es dann auch mehr als passend, als der ORF am 2. Mai getitelt hat: „Mückstein will Unentschlossene aufklären“. Die Zahlen sind vielversprechend und erfreulich – unser


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Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sie genannt –, wir haben allen Grund zur Hoffnung, zur Freude – und man spürt das auch, wenn man mit den Leuten redet, es herrscht eine Aufbruchsstimmung –: Über 30 Prozent sind bereits geimpft, rund 50 000 Menschen werden jeden Tag geimpft, und es werden mehr, jede Woche erreicht eine knappe halbe Million Impfdosen Österreich. So erfreulich diese Zahlen auch sind, wir müssen jene erreichen, die noch schwanken, und sie davon überzeugen, dass es wichtig ist, sich impfen zu lassen. Da muss man eben reden, reden und reden, da muss man Aufklärung betreiben, da muss man die Fakten den Fakenews gegenüberstellen und versuchen, den Menschen ihre Bedenken entsprechend zu nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei övp und Grünen.)

Aufklärung kann man auf die unterschiedlichste Art und Weise betreiben. Ich habe unlängst ein Interview mit einem Arzt gelesen, der das seinen Patientinnen und Patien­ten folgendermaßen erklärt: Wenn man 18 Millionen Menschen ein gratis Käsebrötchen in die Hand drückt, dann wird es so sein, dass sich ein paar daran verschlucken. – Dieser Arzt ist kein Österreicher, er ist Deutscher, er ist auch kein Politiker, er ist auch nicht als Arzt bekannt geworden, und trotzdem werden ihn viele kennen, es ist der Bassist der Band „Wir sind Helden“, der trotz des Erfolgs in der Musikbranche Arzt geblieben ist und auch weiterhin, vor allem jetzt in der Pandemie, seinen Teil beiträgt, indem er einmal die Woche in einem Hamburger Impfzentrum selber impft.

Es ist natürlich eine Selbstverständlichkeit, dass man die Sorge um Nebenwirkungen respektiert und ernst nimmt. Ich halte überhaupt nichts von flapsigem Herunterspielen, ich halte aber auch gar nichts von einer übertriebenen Dramatisierung. Da braucht es Angemessenheit, das ist eine ärztliche Verantwortung, das ist aber – und da sind wir alle betroffen – auch eine politische Verantwortung, hier angemessen vorzugehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Coronapandemie bestimmt die gesundheits­politi­sche Debatte – das ist verständlich, das ist unvermeidbar. Darüber hinaus gibt es aber zahlreiche gesundheitspolitische Herausforderungen, die es auch dann noch geben wird, wenn Corona nicht mehr jeden Tag die Schlagzeilen in den Medien bestimmt. Da wird es vor allem um eine zentrale Frage gehen, nämlich darum, wie man in allen Lebensphasen, in allen Facetten, in jedem Lebensalter bestmöglich unsere österreichi­sche Bevölkerung versorgt.

Dazu fällt mir als Erstes gleich der Pflegekräftemangel ein, oder – um es positiver zu formulieren – die Pflegereform, die bereits unter Rudolf Anschober begonnen wurde und zu der jetzt auch schon erste Beschlussfassungen ins Haus stehen werden.

Wir müssen dem Ärztemangel, vor allem am Land, vehement entgegentreten. Da geht es um Fragen der Ärzteausbildung, da geht es um die Attraktivierung der Allgemein­medizin, da geht es generell darum, das Kassensystem attraktiver zu gestalten, damit eine junge Ärztin oder ein junger Arzt noch tätig sein will. Ich schaue da ganz besonders in die Gesichter unserer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die hier im Plenum sitzen, denn sie wissen, wie schwierig es ist, vor allem am Land Kassenarztstellen zu besetzen; und das gleichzeitig vor dem Hintergrund, dass 10 000 Kolleginnen und Kollegen in Österreich wahlärztlich tätig sind. Da müssen wir Lösungen anbieten, da müssen wir Antworten finden, und diese gehen vom Hausarzt, wie wir ihn kennen, über Jobsharingmodelle bis hin zu Gesundheitszentren und zu unseren hoch spezialisierten Spitälern. Die Versorgung der Zukunft muss in der Vielfalt liegen, und ich bin froh, dass es Wolfgang Mückstein ist, der diese Aufgabe anpacken wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt für den Gesundheitsminister viel zu tun, aber nicht nur für ihn. Diese großen Themen, die angesprochen wurden, kann kein Wiener Hausarzt lösen, kann auch kein Grazer Internist lösen, die kann auch kein Bürger­meister, kein Landeshauptmann, keine Landeshauptfrau lösen – das können wir nur


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gemeinsam als Politik schaffen. Das wird kein einfacher Weg, und zwar wird das deshalb kein einfacher Weg, weil es viele Interessen gibt, weil viele Stakeholder diesbezüglich ihre Interessen haben, aber es wird diesen gemeinsamen Kraftakt brauchen. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir es gemeinsam schaffen werden, uns in der sprich­wörtlichen Mitte der Brücke zu treffen, um das Beste für die Gesundheit der Österreiche­rinnen und Österreicher zu erreichen.

Ich darf zum Schluss kommen und vor allem als Mitglied des Bundesrates noch einmal unsere Länderkammer in den Fokus rücken. Vergessen wir bitte nicht, dass Entschei­dungen vor allem im Gesundheitsbereich, die auf Bundesebene getroffen werden, die Bundesländer betreffen und in den Bundesländern gelebt werden müssen, auch finan­ziell! Das geht nur im Konsens, das geht nur mit Respekt vor den regionalen Gegeben­heiten, und nicht mit Föderalismusbashing. Das geht aber auch nicht, wenn jeder versucht, sein eigenes Süppchen zu kochen. Das Zauberwort, sehr geehrte Damen und Herren, heißt Zusammenarbeit. Vergessen wir bitte nie darauf!

In diesem Sinne: Alles Gute, lieber Wolfgang Mückstein! Alles Gute Ihnen, bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.37


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin: Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


9.37.42

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zusehe­rinnen und Zuseher! Bevor ich in meine Rede zu Ihrer Erklärung einsteige, lassen Sie mich Folgendes sagen: Mit heute sind es elf Frauenmorde in vier Monaten – das ist unglaublich erschütternd und muss endlich aufhören! Es zieht einem das Herz zusam­men, das darf es nicht geben! Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass alle Frauen in Sicherheit leben können – und das einfach immer: in den eigenen vier Wänden, in der Arbeit, in der Freizeit. Das, werte Bundesregierung, ist Ihre Verantwor­tung! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mir gerade heute wichtig, darauf hinzuweisen, weil wir es nicht hinnehmen können und wollen und weil wir es nicht schweigend hinnehmen werden, dass so viele Frauen ermordet werden. Wir sind es den ermordeten Frauen schuldig, ebenso den schwer leidenden Hinterbliebenen, denen ich unser Beileid aussprechen und unsere Anteil­nahme von ganzem Herzen zum Ausdruck bringen möchte.

Nun zu dem von Ihnen angesprochenen Thema der Wertschätzung in der Politik und damit zur heutigen Debatte: Beginnen wir mit dem Notwendigen, aber Grundlegenden, dem Wesen des Parlaments: Parlamentarische Entscheidungen haben üblicherweise den Charakter, dass Mehrheiten für Vorhaben gefunden oder nicht gefunden werden. Im Bundesrat braucht zumindest die Mehrzahl der zu behandelnden Themen für eine solche Mehrheit mehr als die Hälfte der Stimmen aller Anwesenden. Bei voller Anwesenheit sind das 31 Mitglieder des Bundesrates, wie auch immer sich diese zusammensetzen. Wenn sich nun für ein Vorhaben keine Mehrheit findet, bleibt es in der Minderheit und ist somit für acht Wochen blockiert – so geschehen zum Beispiel beim Epidemie- und COVID-19-Maßnahmengesetz.

Nun werden Sie sich, werte Kolleginnen und Kollegen, fragen: Was erzählt uns die? Wir wissen das natürlich! – Tatsächlich erkläre ich es nicht für Sie, sondern für unseren Herrn Bundeskanzler.


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Er hat sich – vielleicht aufgrund fehlender Kenntnis oder schlecht beraten – zu der Aus­sage hinreißen lassen, die besagten Gesetze seien im Bundesrat mit allen Tricks ver­hindert worden.

Nein, Herr Bundeskanzler, das sind keine Tricks, sondern ganz einfach Mehrheiten, und die sind zustande gekommen, weil drei Bundesräte der Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne gefehlt haben und Sie nicht mit der Opposition geredet haben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sie haben also hier bewusst, ganz bewusst die Unwahrheit gesagt, und darauf ist hinzu­weisen, weil das auch ganz klar zeigt, wie viel Respekt Sie für das Parlament übrig haben.

Nein, im Bundesrat sind wir keine Taschenspielerpartie, die Tricks anwendet, sondern das ist einfach ein demokratischer Ablauf.

Das gilt übrigens auch für all jene Regierungsmitglieder, die diesen Spin übernommen haben – ausschließlich solche der ÖVP –, wie auch Tourismusministerin Köstinger. Und da frage ich mich schon, wie die föderalistische Seele der ÖVP und das parlamen­tarische Gewissen das aushalten. Vielleicht helfen Sie bitte – auch die KollegInnen von den Grünen – den Regierungsmitgliedern, Ihren Regierungsmitgliedern und den Kolle­ginnen und Kollegen im Nationalrat einmal auf die Sprünge! Das wäre ganz offensichtlich dringend notwendig.

Es gibt aber auch Erfreuliches, und dem möchte ich mich jetzt ganz zuwenden: Mit dem menschlich nachvollziehbaren und zugleich außergewöhnlich emotionalen Rücktritt von Rudolf Anschober hat sich diese Regierung neuerlich verändert. Dass diese Verände­rung eingetreten ist, ist mit Sicherheit auch dem innerkoalitionären Klima und dem Umgang miteinander geschuldet.

Ich möchte an dieser Stelle Rudolf Anschober rasche Genesung, alles Gute für seine persönliche Zukunft und viel Freude bei der Fertigstellung seines Buches wünschen. Wir sind gespannt, was wir darin lesen werden, und ich werde sicher eine der Ersten sein, die sich dieses Buch kaufen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist aber auch Anlass, den neuen Minister zu begrüßen. Herr Gesundheitsminister Mückstein, herzlich willkommen hier im Bundesrat im Namen der SPÖ-Fraktion. Sie haben ja bereits Ihren Einstand im Nationalrat gehabt. Insofern konnten wir ja schon einen ersten Eindruck davon gewinnen, worauf Sie Ihren Fokus legen werden. Dort – und das kann man Ihnen durchaus attestieren – haben Sie authentisch, klar und ambitioniert gewirkt, und wir hoffen, dass Sie vieles von dem, was Sie dort angekündigt haben, dann auch wirklich umsetzen können, trotz Ihres Koalitionspartners. (Bundesrat Bader: Na, na!)

Sie sind ein Praktiker – das ist in der aktuellen Situation sicherlich von Vorteil – und Ihre Ankündigungen machen Hoffnung, zum Beispiel jene, dass es Psychotherapie auf Krankenschein braucht. Da sehen wir, dass es gerade im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, aber auch ganz grundsätzlich Nachholbedarf gibt. Wir werden Sie bei diesem Anliegen ganz sicher, so gut wir können, unterstützen.

Auch dass Sie einen Fokus auf Menschen mit Behinderung legen, freut mich ganz besonders. Die Gruppe der Menschen mit Behinderung ist eine, die auch im Parlament nicht so sehr beachtet wird, aber sie ist eine ganz, ganz wichtige Gruppe, gerade in der Pandemie und gerade hinsichtlich der Frage ihrer Zukunft auf dem Arbeitsmarkt.

Sie wissen aus Ihrer praktischen Tätigkeit: Menschen, die in Armut leben, sind häufig krank, haben Erkrankungen, die unmittelbar mit der Armut zusammenhängen, und sterben auch früher an den Folgen der Armut. So ähnlich haben Sie es auch in Ihrer


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Rede über Ihre Tätigkeit beim Ganslwirt und im Neunerhaus angeführt, und Sie haben damit vollkommen recht. Das Schlimme daran ist: Diese Krise wird die Armut in diesem Land noch verschärfen, und es gilt, hier endlich entschlossen dagegenzuhalten, auch weil dieses Virus die Ungleichheiten noch schärfer hervortreten lässt.

Das Robert-Koch-Institut hat für Deutschland in Studien festgestellt, dass vor allem Menschen, die finanziell schwächer, armutsgefährdet oder sogar von Armut betroffen sind, ein um 50 Prozent höheres Risiko aufweisen, sich mit dem Virus zu infizieren, und dass es in ökonomisch schwächeren Gebieten ebenso höhere Inzidenzen gibt.

Dieses Virus lässt also die ungerechten Voraussetzungen, die sich entlang von Ver­mögensverteilung und Zukunftschancen entspinnen und die sich natürlich auch im gesamtgesundheitlichen Zustand niederschlagen, noch stärker hervortreten. Insofern wäre auch hier ein Fokus auf Forschung und Prävention in Österreich zu legen. Hier müssen Sie bitte als Gesundheitsminister tätig werden.

Ich muss Sie aber auch als Sozialminister fragen: Herr Minister, was ist geplant, damit man diese Armut mildert? Ist das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das wir als Sozial­demo­kratie in dieser Form immer abgelehnt haben, aus Ihrer Sicht wirklich das passende Mittel? Finden Sie es richtig, dass von Teilen der Regierung immer wieder eine Neiddebatte gegen finanziell Schwächere und bezogene Sozialleistungen angezettelt wird, obwohl die Ungerechtigkeiten ja ganz woanders liegen? Das sind schon Fragen, die uns sehr interessieren und bei denen es auch – wenn Sie auch neu in Ihrer Funktion sind – leider keinen Aufschub geben kann.

Wir werden heute noch eine Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler richten, die sich mit der Frage der Situation von Familien beschäftigt. Wir sehen hier massive Folgen der Pandemie. Jetzt braucht es Antworten, wie Sie diesen Menschen helfen.

Oder schauen wir in die drängenden Bereiche in Ihrem Ressort! Eines der größten Felder ist natürlich die Pflege. Wir befinden uns mitten in einem Pflegekräftemangel, das wurde bereits angesprochen, aber ich darf Ihnen als Gewerkschafterin sagen: Die Situation für die Beschäftigten in der Pflege – und Sie als Arzt werden das wissen – ist furchtbar belastend. Die Beschäftigten in der Pflege sind wirklich am Limit mit all den Belastungen in dieser ganzen Pandemiesituation, mit dem, was sie tragen müssen, und die große Gefahr ist, dass viele Menschen sagen: Ich werde diesen Pflegeberuf nicht mehr weiter ausüben, weil ich einfach zu sehr belastet bin.

Da heißt es, Antworten zu geben, da heißt es, Lösungen zu finden und diesen Beruf attraktiver zu gestalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist immer noch bestürzend, dass unsere Forderung, die wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und auch als GewerkschafterInnen aufgestellt haben, nach dem Coronabonus, dem Coronatausender noch nicht umgesetzt ist. Da geht es um Wert­schätzung, und das wäre das Mindeste gewesen, das man hätte tun können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind positiv überrascht, dass Sie die bessere Bezahlung für Pflegekräfte endlich an­gehen wollen, das ist gut, und auch Praktika bezahlen wollen, auch das ist gut, aber wichtig wäre auch, die Pflegekräfte in die Schwerarbeitsregelungen für die Pensions­leistung einzubeziehen. Das wäre die Anerkennung, die die Beschäftigten dort brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr Ressort ist enorm groß, und ein weiterer Punkt, der ganz, ganz dringend angegangen werden muss, ist die Frage der Pensionen, die Absicherung im Alter. Wir müssen schon sagen: Es ist unglaublich schlecht gewesen, die Hacklerpension abzuschaffen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir haben ganz wenig Verständnis dafür, wie Sie da mit hart arbeitenden Menschen umgegangen


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sind. Ich darf Ihnen noch sagen: Bei einer Pensionsschere von 42 Prozent zwischen Frauen und Männern bedarf es anderer Handlungsschritte als jener, die Sie gesetzt haben. Es braucht die Anrechnung der Kindererziehungszeiten, damit Frauen im Alter nicht von Armut gefährdet sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie werden sich auch dem Konsumentenschutz widmen müssen; das ist ein wichtiges Thema, gerade für die Menschen in diesem Land. Leider – und das wundert mich ganz besonders, weil es immer ein starkes grünes Thema war – ist die finanzielle Absicherung des VKI bis jetzt noch nicht geschehen. Ich glaube, da wären auch ganz dringend Handlungsschritte zu setzen.

Die Felder, die vor Ihnen liegen, sind also riesig groß und die Aufgaben zahlreich, das ist uns bewusst. Wir wünschen Ihnen dafür alles Gute und sind überall dort, wo es sinnvoll und notwendig ist, ganz sicher gesprächsbereit.

Herr Minister, eines muss ich Ihnen aber auch mitgeben: Wir können Sie in der aktuellen Situation nicht schonen, das lassen die Versäumnisse im Gesundheitsressort, für die neben Ihrem Vorgänger auch der Herr Bundeskanzler maßgeblich verantwortlich ist, in den Bereichen der Impfungen, der Impfstoffbeschaffung, der lückenhaften Test­stra­tegie – die Selbsttests sind noch immer nicht geregelt – und der nicht durchdachten und ungeplanten Auf-und-zu-Politik nicht zu.

Jeder Tag zählt, und das wissen Sie als Mediziner natürlich genau. Packen wir es gemeinsam an, damit wir bald wieder ein Stück Normalität zurückbekommen! Dabei unterstützen wir Sie gerne, wenn auch Sie den Schulterschluss mit der Opposition suchen – und den werden Sie dank Ihres Koalitionspartners ganz dringend brauchen; wenn Sie uns jetzt nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht zumindest Ihrem Vorgänger. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.49


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.49.41

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Lassen Sie auch mich als Fraktions­ob­mann der freiheitlichen Fraktion hier im Bundesrat allen Angehörigen der Opfer unser tiefstes Mitgefühl aussprechen! Das sind Taten, die man einfach als normaler Mensch nicht verstehen kann. Es fehlen einem dafür wirklich die Worte, und man sieht, wenn man sich das anschaut, dass das jetzt immer mehr wird und zunimmt. Dieses Thema darf jetzt kein Randthema mehr sein. Jetzt braucht es nicht noch fünf runde Tische, sondern jetzt, liebe Bundesregierung, müssen Sie handeln! (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Herr Minister Mückstein, es ist nun an der Zeit, es braucht ein Umdenken. Es ist nämlich genug! Seit einem Jahr leben wir in Österreich mit massivsten Einschnitten in unsere Grundrechte, in unsere Freiheitsrechte. Unseren Unternehmern hat man die Luft abge­schnürt, unseren Unternehmern hat man die Freiheit genommen, Unternehmer sein zu dürfen. Ganz Österreich leidet massiv unter den Aktionen dieser Bundesregierung – Kinder, die psychisch erkranken, Großeltern, die vereinsamen, deren Erkrankungen aufgrund der Isolierung viel, viel schneller voranschreiten und die dann auch noch allein und verlassen, ganz ohne Angehörige, sterben mussten. Diese Regierungspolitik hat viele Schäden in Familien, in der Gesellschaft, Zigtausende Schicksale, die man nicht einfach so wieder reparieren kann, verursacht. Diese Regierung ist für sehr viel Leid in diesem Land verantwortlich.


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Reden wir über die vielen Personen, die als einzigen und letzten Ausweg nur noch den Suizid gesehen haben! Reden wir einmal über die vielen Unternehmer, die jetzt vor den Scherben ihrer Existenz stehen! Reden wir einmal darüber, wie viele Kinder massive Probleme aufgrund dieser Regierungspolitik haben! Reden wir einmal darüber, wie diese Regierung unsere Gesellschaft spaltet, bis tief hinein in die Familien! Reden wir einmal darüber, dass unsere Hobbyvereine, unsere Sportvereine, unser Vereinsleben in Österreich am Ende steht! Reden wir einmal darüber, welches Leid diese Regierung wirklich über dieses Land gebracht hat! (Beifall bei der FPÖ.)

Die von all diesen Problemen Betroffenen haben nämlich keine Lobby, und deshalb spricht man auch nicht darüber. Aber, liebe Kollegen von der Regierung, nur deshalb, weil man nicht darüber spricht, heißt das ja noch lange nicht, dass es diese Probleme nicht gibt. Diese unzähligen Schicksale sind keine Einzelfälle, das sind Schäden dieser Regierungspolitik, und jetzt braucht es endlich ein Umdenken. Ich hoffe aber, dass nicht nur wir als Freiheitspartei, als FPÖ, uns große Sorgen um die Zukunft unseres Landes machen. Leider habe ich aber immer öfter den Eindruck – und bekomme hier herinnen auch oft die Bestätigung dafür –, dass wir die einzige Partei sind, die unsere Grund­rechte, unsere Freiheit, selbst entscheiden zu können, noch verteidigt. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister Mückstein, es gibt ja den Spruch: Es sind große Fußstapfen, in die man tritt. Ich weiß, Sie haben es zu Recht vermieden, diesen Spruch zu bemühen, denn die Fußstapfen von Rudi Anschober sind weder sonderlich groß, noch wäre es ratsam, in diese Fußstapfen zu treten und denselben Irrweg weiterzustolpern. Herr Minister Mückstein, Ihr Weg in das Ministerium war ja schon von mehreren Stolperern geprägt – und jetzt rede ich gar nicht über Ihre Turnpatschen, mit denen Sie da auf dem Teppich in der Hofburg gestanden sind, nein, Herr Minister, ich rede von Ihren Auftritten in diversen TV-Sendungen. Jetzt will ich gar nicht auf Ihr Verständnis betreffend die Frage, ob die Impfung in das Blut geht oder nicht, eingehen, denn viel mehr Sorgen hat mir Ihre Drohung im Fernsehen bereitet. Ein Minister, der sich hinstellt und ernsthaft sagt: Impfen oder Lockdown, etwas anderes gibt es nicht!, und somit der österreichischen Bevöl­kerung ganz unverhohlen droht, ein solcher Minister hat es sich verdient, dass ihm die Freiheitliche Partei sehr genau auf die Finger schauen wird! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, jetzt hört man ja, dass Sie ein wenig wankelmütig sein sollen und dann nur zu gerne Ihre eigene Meinung im Ministerrat zugunsten jener des Kanzlers ändern und gegen diese austauschen. Nun bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob wir uns in Zeiten wie diesen einen wankelmütigen Gesundheitsminister überhaupt leisten können, denn jetzt braucht es doch einen Gesundheitsminister – und das wünschen sich die Österreicher –, der faktenbasiert, mit Hausverstand, mit Empathie und mit dem nötigen Vertrauen agiert, einen Minister, der endlich einmal das nötige Verständnis für unsere geplagten Bürger aufbringt, einen Minister, der das Zahlenchaos beseitigt, der endlich evidenzbasierte Fakten anerkennt. Wir haben das Recht auf wahrheitsgemäße Zahlen! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister Mückstein, jetzt braucht es einen Gesundheitsminister, der mit seinen Verordnungen versucht, dieses Land wieder zu einen und nicht weiter zu spalten. Wir müssen doch – Sie sind Arzt – zurück zur guten alten ärztlichen Diagnostik. Krank ist man nämlich nach einer Diagnose und nicht nach einem Test, wie man es in Tirol sieht – Hunderttausende Tests sind falsch, die Leute wurden aufgrund falscher Tests isoliert und eingesperrt! –, wo die ÖVP-Landesregierung husch, pfusch Aufträge über 8 Millio­nen Euro vergeben hat, und jetzt stellt sich heraus, dass die halben Tests falsch waren! Das muss man sich einmal vorstellen! Und man hat die Bürger eingesperrt und mit Ausreisetests schikaniert! – Das ist die ÖVP, und das nicht nur in Tirol, sondern im ganzen Land Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)


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Deshalb, Herr Minister, verlassen Sie bitte den Irrweg des Rudi Anschober und kommen Sie zurück auf den Pfad des Gemeinsamen, auf den Pfad des Hausverstandes. Als positives Signal, das muss ich Ihnen zugestehen – ich hoffe, da fallen Sie nicht um –, sehe oder deute ich Ihre Kritik am Projekt des Kanzlers, den grünen Pass für Österreich im Alleingang aus dem Boden zu stampfen. Ich hoffe jetzt für Österreich und für mich persönlich, dass dieser grüne Pass das gleiche Schicksal erleiden wird wie das tolle Kaufhaus Österreich der Ministerin Schramböck, denn wenn dieser Pass kommt, dann dient dieser einzig und allein der Sammlung von Daten, Bewegungsdaten, und zu sonst nichts.

Ich kann mich aber erinnern, in Österreich gibt es ja, glaube ich, ein Daten­schutz­grundgesetz – das eigentlich immer noch gilt, hoffentlich; mir ist nicht bekannt, dass man das aufgehoben hätte. Das heißt, eigentlich bräuchte man in der Praxis dann für jeden Eintrag in den grünen Pass eine Unterschrift von mir. Jetzt erklärt mir einmal, wie das dann in der Praxis funktionieren soll!

Und was bedeutet jetzt der grüne Pass in der Praxis? Wo, wie und von wem werden denn die Daten gesammelt und gespeichert? Wer weiß dann, Herr Minister Mückstein, dass der Steiner mit dem Mückstein einen Kaffee trinken war? (Heiterkeit bei der FPÖ.) Wer weiß das dann? Wo wird das gespeichert, wo wird das gesammelt? Wer weiß dann, dass der Sebastian mit dem Werner im Après-Ski war? Wo wird das gespeichert, wo wird das gesammelt? Wo werden dann die Daten gesammelt, wenn der Gernot mit dem Thomas in irgendeinem Etablissement war? Wer speichert das, wer weiß das dann? Wie funktioniert das in der Praxis? – Wahrscheinlich wie in China, wo feinsäuberlich getrennt wird zwischen systemfreundlichen Bürgern und Systemkritikern. (Bundesrat Bader: Ich würde mir an deiner Stelle gleich einen grünen Pass ausstellen lassen!)

Das ist ein Riesenschritt zum komplett gläsernen Menschen, der dann auch durch die Regierungen wunderbar steuerbar sein wird, und in Zukunft müssen wir uns dann – wie billigste Ware – mittels QR-Code in unser Leben scannen. Stellt euch einmal vor, das hätte man vor einem Jahr verlangt! Na was wäre da in Österreich los gewesen? Wo sind sie denn jetzt, all die linken Datenschützer, die immer sofort zur Stelle waren, wenn irgendetwas, ein Wort von der FPÖ gekommen ist? Da waren sie sofort mit ihren angeblichen Expertenmeinungen und Kommentaren zur Stelle. Jetzt sucht man sie vergeblich.

Mir ist da ein Spruch zu Ohren gekommen, der gut zu den Linken und zu den Grünen passt und der da lautet: Früher ging es den Linken um die Befreiung der Unterdrückten, heute um die Unterdrückung der Freien.

So weit habt ihr es gebracht, ihr Grünen – herzliche Gratulation! (Beifall bei der FPÖ.)

Und – dieses Spiel kennen wir ja schon –: Es wird wieder einmal in gute und schlechte Bürger getrennt – in jene, die geimpft sind, und in jene, die sich aus irgendwelchen Gründen nicht impfen lassen können oder wollen. Bist du nicht geimpft, erschweren wir dir den Zugang zum Leben, den Zugang zu deinen Rechten. – Ja, diese Regierung erschwert diesen Personen den Zugang zur Freiheit. Genau aus diesen Gründen lehnen wir von der FPÖ diese Klassifizierung der Bürger mittels grünem Pass kategorisch und klar ab, denn eines können wir als FPÖ euch versprechen: Wir werden niemals so sein, wie ihr uns wollt. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister Mückstein, zum Abschluss noch: Bitte nehmen Sie sich kein Vorbild an Ihrem Vorgänger! Um als Gesundheitsminister beliebt zu werden, braucht es nichts anderes, als die Leute einfach in Ruhe zu lassen. Mehr wünschen wir uns gar nicht von Ihnen.


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Abschließend darf ich mir als Obmann des Gesundheitsausschusses von Ihnen zu­künftig eine Zusammenarbeit mit Hausverstand, aber vor allen Dingen auf Prävention beruhend wünschen – im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger, dessen Mittel immer die Entrechtung von Bürgern war und der immer nur reagiert hat. Herr Minister, es muss jetzt endlich Schluss sein mit diesem Wahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.)

10.01


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.


10.01.49

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bun­des­regierung! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin tief schockiert und erschüttert über den elften Frauenmord in Österreich in diesem Jahr. Wir in Österreich sind auf dem Weg, ein zweifelhaftes, schreckliches Alleinstellungsmerkmal innerhalb der EU zu erhalten. Wir dürfen nicht länger wegsehen und müssen handeln – als Politikerinnen und Politiker und auch als Gesellschaft. Ich glaube, das soll in der nächsten Zeit im Fokus unseres Tuns stehen. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, der Staffelstab im Gesundheitsministerium ist übergeben, und Wolfgang Mückstein wird als Minister dankenswerterweise fortsetzen, was Rudi Anschober in einem Jahr der Pandemie an großartiger Arbeit geleistet hat. Dazu an dieser Stelle auch von meiner Fraktion und mir persönlich einen herzlichen Dank an Rudi Anschober für seine geleistete Arbeit! (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Über die Biografie des Ministers wurde im Vorfeld der Angelobung schon sehr umfas­send berichtet. Ich möchte mich jetzt im Rahmen dieser Debatte auf die bevorstehenden, wahrlich großen Aufgaben des Gesundheits- und Sozialministeriums und – um mit dem Elefanten im Raum zu beginnen – die Coronapandemie konzentrieren.

Seit einem Jahr beherrschen Corona und die Bewältigung von Corona alle Diskurse. Mittlerweile gibt es Gott sei Dank von der EMA zugelassene Impfstoffe, die zur Ver­fügung stehen. Unsere Devise – ich glaube, das wird von vielen hier im Haus auch so gesehen – soll jetzt nur noch lauten: impfen, impfen, impfen! Bis zum 30. April – wir haben die Zahlen heute auch schon differenzierter vom Herrn Bundeskanzler gehört – wurden tatsächlich schon über drei Millionen Impfdosen verimpft. Im April waren es 1,2 Millionen Impfungen, die durchgeführt werden konnten, da genügend Impfstoff vorhanden war.

Die Entwicklung zeigt tatsächlich, dass sich das Impftempo enorm gesteigert hat. Jetzt, im Mai – ich sehe es in meiner täglichen Umgebung –, sind wir schon in die Phase 3 eingetreten, die bereits darauf abzielt, die breite Bevölkerung zu impfen. Spätestens ab Juni wird damit gerechnet, dass in Österreich tatsächlich mehr Impfstoff zur Verfügung stehen wird, als es derzeit Impfwillige gibt. Sie, Herr Gesundheitsminister, haben in diesem Zusammenhang schon festgestellt und ganz klar gesagt, dass wir die Menschen, die jetzt noch zögern, sich impfen zu lassen, von der Sinnhaftigkeit der Impfung über­zeugen sollen. Was wir auch mit absoluter Sicherheit sagen können, ist, dass das Risiko der Schutzimpfung nicht mit den wirklich schweren Folgen einer Coronaerkrankung zu vergleichen ist.

Wir setzen ab Mitte Mai die lang ersehnten Öffnungsschritte in Kultur, Gastronomie, Hotellerie, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Die Frage der Zutrittsvoraussetzung ist da­bei eine sehr essenzielle, weil sie auch die verschiedenen Gruppen in der Bevölkerung


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sichtbar machen wird. Bislang galt für alle in Österreich lebenden Menschen, FFP2-Maske zu tragen, Abstand zu halten und die Hände zu desinfizieren.

Mit der steigenden Durchimpfungsrate wird jedoch auch die Gruppe derjenigen größer, die das Versprechen, zu ihrem alten Leben ohne einschränkende Maßnahmen zurück­kehren zu können, einlösen will. Dabei gilt es, Ungleichbehandlungen zu vermeiden, und zwar zwischen den geimpften, den getesteten und den genesenen Personen. Dabei sollten wir auch besonders auf die Gruppe der jüngeren Menschen achten, die bislang noch keinen Zugang zur Impfung hatte – aber in Kürze sicherlich haben wird – und doch eine sehr mobile Bevölkerungsgruppe ist. Sie soll bei den Öffnungsschritten auf keinen Fall diskriminiert werden. Das wird sie auch nicht, weil wir diesen Personen ja immer noch die Möglichkeit einräumen, dass sie sich fast überall flächendeckend und zeitnah testen lassen können.

Ein weiteres Thema, das mir im Zusammenhang mit der Coronapandemie wichtig ist, ist die medizinische Versorgung der Menschen, die bereits eine Coronaerkrankung durch­gemacht haben, denn rund ein Drittel der Erkrankten – was im Vergleich zu anderen Viruserkrankungen besonders viel ist – zeigt Spätfolgen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gedächtnisverlust oder Herzrasen. In Wien wurde bereits die erste Long-Covid-Ambu­lanz eröffnet, der Bedarf wird aber leider um ein Vielfaches größer sein, und die Deckung dieses Bedarfs wird mit den derzeitigen Personalressourcen nur schwer zu bewältigen sein. Dafür braucht es dringend mehr Kapazitäten in allen Bundesländern.

Ein Thema abseits des Pandemiegeschehens, das aber natürlich auch mit diesem verknüpft ist, ist die Armut. In Österreich gelten 1,5 Millionen Menschen als armuts­ge­fähr­det, davon ist jede vierte Person ein Kind. Armutsgefährdet sind besonders Allein­erzieherInnen, Familien mit drei oder mehr Kindern und Menschen mit Beeinträchtigung. In der aktuellen Auswertung der EU-Silc-Daten sind Folgen der Coronapandemie wie Kurzarbeit und Jobverlust noch nicht enthalten.

Herr Sozialminister Mückstein hat ein sehr klares Ziel für die Bundesregierung formuliert: die Armut in Österreich zu halbieren. Ein wesentliches Instrument der Armuts­bekämp­fung ist die Mindestsicherung – oder sie war es, sage ich einmal, denn die Sozialhilfe nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist aus der Perspektive der Armutsbekämpfung denkbar ungeeignet. Allein dass nur mehr Höchstsätze für den Bezug von Leistungen festgeschrieben sind, ist eine völlige Trendumkehr im Vergleich zum System der Mindestsicherung, die, wie der Name schon sagt, das Mindeste definierte, was ein Mensch zum Leben braucht.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz zu neuen Härtefällen führt, ist die Deckelung von Leistungen für Haushaltsgemeinschaften von erwachsenen Menschen, die in einer Unterkunft für Obdachlose, einer Notwohnung oder einer Wohn­gemeinschaft für Menschen mit Behinderung leben. Sie müssen bloß aufgrund ihrer Wohnsituation mit finanziellen Einbußen bei der Sozialhilfe rechnen.

Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele, die zeigen, dass sich die Sozialhilfe nach dem neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz häufig als sehr ungeeignet für die Armutsbekämp­fung herausstellt, und in Zukunft gilt es, dort hinzusehen. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Als Drittes möchte ich noch auf das Thema der Pflege zu sprechen kommen. In den letzten Jahren gab es sehr viele Publikationen, die uns auf die Dringlichkeit und den Handlungsbedarf in diesem Bereich hingewiesen haben. Ich erinnere an die Studie „Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich“ der Gesundheit Österreich GmbH, den Bericht des Rechnungshofes zur Situation der Pflege in Österreich und zuletzt den Bericht der Taskforce Pflege, welcher fünf prioritäre Themenfelder für die Pflegereform definierte, 17 Ziele festlegte und 63 Maßnahmen formulierte.


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Am drastischsten führte uns jedoch die Coronapandemie vor Augen, wie wir als Gesell­schaft auf das Pflegepersonal angewiesen sind und wie knapp die Ressourcen in manchen Bereichen bemessen sind. Am allerdeutlichsten macht es das Beispiel der Kapazität bei den Intensivstationen, die sich, was Betten betrifft, natürlich leicht erhöhen lässt, es braucht aber auch entsprechend ausgebildetes Pflegepersonal, und das lässt sich leider nicht so schnell und so leicht aufstocken. Das Personal ist ein Schlüsselfaktor, diese Erkenntnis hat sich aber mittlerweile herumgesprochen, und neben der besseren Bezahlung braucht es bessere Rahmenbedingungen, damit Menschen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden, diesen auch länger ausüben können und wollen.

Die Pflegereform wird in Zukunft eine der dringlichsten Aufgaben für das Gesund­heits­ministerium sein, denn der Pflegebedarf steigt in unserer alternden Gesellschaft, und die Zahl der Pflegenden wächst leider nicht im notwendigen Ausmaß mit.

Alleine diese drei Themenfelder zeigen, dass der Gesundheitsminister beide Hände voll zu tun haben wird, und für diese Aufgabe wünsche ich vonseiten der grünen Fraktion alles Gute! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.11


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.11.33

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Und vor allem sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie meine Vorred­nerinnen und Vorredner bin auch ich tief betroffen vom Doppelmord an zwei Frauen letzte Nacht in Salzburg. Die bisherige Ankündigungspolitik der Regierung reicht auch beim alarmierenden Problem der Femizide nicht aus, und mit einem weiteren runden Tisch ist es beileibe nicht getan. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Jetzt zum eigentlichen Thema: Der Rücktritt von Bundesminister Anschober ist uns eine Mahnung, respektvoll miteinander umzugehen und die Person hinter dem Amt zu sehen. Es ist wesentlich, sich untereinander diesen Respekt zu erweisen. Trotzdem will ich klarmachen, dass wir NEOS vielem, was in der Regierung passiert ist und was Rudi Anschober gemacht hat, sehr kritisch gegenübergestanden sind. Jetzt starten wir sozu­sagen mit einem neuen Gesundheitsminister neu. Natürlich ist das auch eine Gelegen­heit für einen Neustart in der Pandemiepolitik, denn da ist vieles falsch gelaufen.

Österreich ist nicht besonders gut durch die Krise gekommen, auch wenn uns und den Menschen in Österreich die millionenteuren Regierungsinserate und dieses Regieren per Rhetorik, per Pressekonferenz und Selbstlob immer wieder das Gegenteil weis­machen wollen.

Österreich ist weder gesundheitlich noch wirtschaftlich gut durch die Krise gekommen, im Gegenteil, wir stehen im europäischen Vergleich mit unserer Bilanz schlecht da. Daher ist es jetzt umso wichtiger, in die Zukunft zu schauen und darauf zu achten, dass aus Ihrem Comebackplan nicht tatsächlich nur ein Comeback – zurück zum alten Hinwursteln –, sondern ein wirklicher Neustart wird, im Zuge dessen diesen Ankündi­gungen auch Taten folgen, denn Ankündigungen und Pressekonferenzen haben wir in den vergangenen Monaten genug gehabt.

Ich möchte drei Grundsätze ansprechen, die ich dem Herrn Gesundheitsminister in Bezug auf seine Arbeit mitgeben möchte.

Der erste Punkt ist die Achtung des Parlaments. Wir NEOS haben oft den Eindruck, dass die Regierungsparteien das gerne wegwischen – da es mühsam ist, da es im Parlament


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nur Streit gibt –, wobei aber, ganz im Gegenteil, das Parlament die gewählte Volks­ver­tretung ist.

Der erste Aspekt davon ist, dass wir es leider schon viel zu lange gewohnt sind, dass nicht nur das Regieren, sondern vor allem die Rechtsetzung per Verordnung passiert. Mit einer ungleichen Machtfülle ausgestattet agieren und regieren die Minister, vor allem der Gesundheitsminister, per Verordnungen außerhalb des Parlaments, was dazu führt, dass ganz wesentliche Debatten hier herinnen nicht geführt werden.

Insbesondere die weitgehenden Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Men­schen werden hier nicht so debattiert, wie es sein sollte, sondern sie werden per Verord­nung gemacht, und das ist ein krasser Gegensatz dazu, da eine Achtung des Parlaments gerade in Krisenzeiten eine lebendige Demokratie ausmacht.

Der zweite Aspekt dieses Punktes ist, dass Gesetzentwürfe, die insbesondere aus Ihrem Ressort kommen, Herr Gesundheitsminister, oft dem Prinzip folgen, dass zwar nach außen hin appelliert wird, dass ein Schulterschluss zwischen allen Parteien vorgenom­men werden möge, es in der Praxis dann aber so ausschaut, dass nach dem Prinzip: friss oder stirb!, ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, nicht mit den Oppositionsparteien verhandelt wird und versucht wird, etwas durchzuboxen, anstatt Mehrheiten zu suchen.

Wie wir ja wissen, haben die Regierungsparteien hier in dieser Kammer keine Mehrheit. Diese Mehrheit wäre in vielen Punkten möglich, sie wird aber nicht gesucht, und dann kommen die larmoyanten Kommentare, vor allem von Ihnen, Herr Bundeskanzler, wenn dann hier in dieser Kammer etwas abgelehnt wird – was unser gutes Recht ist. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Der zweite Grundsatz ist die Transparenz. Die Coronakrise hat eine katastrophale Datenlage im österreichischen Gesundheitswesen offengelegt. Am Anfang hat das Ministerium nicht einmal gewusst, wie viele Spitalsbetten es überhaupt gibt. Als dann der Impfstoff da war, hat man im Ministerium, das für die Pflege zuständig ist, nicht gewusst, wie viele Pflegeheime, wie viele Altersheime es gibt, wo diese überhaupt sind und wie groß sie sind. Man hat nicht gewusst, wie viele Beatmungsgeräte es gibt, und wir wissen erst seit Kurzem – nach über einem Jahr –, mit welchen Vorerkrankungen die Patienten, die aufgrund von Covid hospitalisiert werden, ins Spital kommen. Die PCR-Tests sind bis dato nicht in der Elga erfasst – wie soll da die Wissenschaft arbeiten? Die Mehrheit der Ärzte ist nicht ans Elga-System angeschlossen, die Kassenärzte bekannt­lich schon, aber Wahlärztinnen und -ärzte, Schulärztinnen und -ärzte, Militärärzte, Amtsärzte nicht, und die Labore, die die PCR-Tests machen, auch nicht.

Der dritte Grundsatz, der uns NEOS ganz besonders wichtig ist, ist die Rechtsstaat­lichkeit. Wir haben im letzten Jahr öfters gehört – auch von Ihnen, Herr Bundeskanzler –, dass die Verordnungen, die aus dem Hause Ihres Vorgängers, Herr Bundesminister, gekommen sind, sollte der Verfassungsgerichtshof zum Erkenntnis kommen, dass sie nicht gesetzeskonform sind, dann ja eh nicht mehr in Kraft sind. Der Verfassungs­gerichtshof hat leider im letzten Jahr oft einschreiten müssen, die Bilanz ist verheerend. Es waren insgesamt zehn Verordnungen, zehn zentrale Verordnungen Ihres Vorgän­gers, in denen Bestimmungen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden muss­ten.

Die Hoffnung ist daher, dass Sie aus Respekt gegenüber der Verfassung, aus Respekt gegenüber unserer Demokratie und aus Respekt gegenüber den Menschen in Öster­reich den Rechtsstaat und die Verfassung mehr als Ihr Vorgänger achten werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen versuchen, wir sollen versuchen, hier so etwas wie einen Neustart zu wagen. Neustart bedeutet aber auch, dass Schluss mit Ankündigungen sein muss und dass den Ankündigungen Taten folgen müssen.


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In Ihrem Ressort gibt es drei weitere große Baustellen. Exemplarisch: Die erste große Baustelle sind die Pensionen, wo ein gewaltiges Loch aufgeht. Es ist prognostiziert, dass das Pensionsloch innerhalb der nächsten vier Jahre um 31 Prozent auf 26,7 Milliarden Euro im Jahr aufgeht. Die zweite große Baustelle ist die Pflege, es wurde bereits ange­sprochen. Ihr Vorgänger hat gesagt, die Pflegereform sei fertig – das glauben wir erst, wenn wir es sehen. Die dritte große Baustelle, auch das wurde schon angesprochen, ist die Sozialhilfe, bei der neun Bundesländer immer noch mit neun Systemen vor sich hin arbeiten und Sie als Gesundheitsminister zuschauen müssen.

Der Gesundheitsminister ist nur in der Pandemie eine wichtige Figur, und wenn die Pan­demie dann überwunden ist – und wir hoffen, dass das bald der Fall ist –, ist der Gesund­heitsminister wieder ein Titel ohne Mittel. Dann folgt der wirklich harte Job als Sozial­minister. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir NEOS jedenfalls strecken Ihnen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit unsere Hand entgegen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.20


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu seiner ersten Erklärung im Bundesrat hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesminister.


10.20.18

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat und auch sehr geehrte Zuseher zu Hause! Ich möchte, so wie auch meine Vorredner, zuerst einmal meine tiefe Bestürzung über die neun Frauenmorde (Bundesrätin Steiner-Wieser: Elf! – weitere Rufe bei der SPÖ: Elf!) – ja, mit heute elf –, die es in den letzten Monaten, seit Jahresbeginn gegeben hat, ausdrücken. Neun Mal hat ein Mann entschieden, dass eine Frau ihr Leben nicht weiterführen darf.

Da muss man schon auch klar dazusagen: Es gibt für Mord keine Grauzone, keinen Interpretationsspielraum: Mord ist Mord! Ich glaube, seitens der Bundesregierung, seitens Frau Familienministerin Raab wurde schnell und richtig reagiert, auch Innen­minister Karl Nehammer war da an Bord. Der Bereich Opferschutz steht da natürlich ganz darüber.

In mein Ressort fällt das Thema Prävention gegen Männergewalt, und mir geht es jetzt im ersten Schritt darum, zum einen präventive Maßnahmen zu fördern, aber auch Männer, die sich in Trennungssituationen befinden, zu unterstützen. Zum Beispiel macht das der Dachverband für Männer-, Burschen- und Väterarbeit. Auch den Notruf Män­nerinfo möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Wir sind seitens der Bundesregierung in Endabstimmung, da finanzielle Mittel bereitzustellen.

Zu meiner Person: Mein Name ist Wolfgang Mückstein. Ich bin Vater von zwei Töchtern; im August sind beide Teenagerinnen. Ich habe Medizin studiert, war in den letzten zwölf Jahren in meiner Ordination in 1060 Mariahilf tätig. Warum erzähle ich Ihnen das? – Weil diese beiden Dinge, nämlich meine beiden Töchter und meine berufliche Laufbahn als Kassenpraktiker in Wien, mich wahrscheinlich am meisten geprägt haben, und ich möchte Ihnen sozusagen gleich einen Beipackzettel für meine Person mitgeben, denn diese beiden Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren dabei gemacht habe, werden natürlich auch in Zukunft mein politisches Tun wesentlich mitbestimmen.

Ich steige am Höhepunkt der dritten Coronawelle, Pandemiewelle ein, und ich glaube, wir sind jetzt an einem Punkt – und das muss man gerade jetzt sagen –, der besonders gefährlich ist, weil er trügerisch ist. Das ist noch nicht vorbei! Und zu signalisieren, dass


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wir Ende Juni wieder Party machen können, einen unbeschwerten Sommer haben werden und dass der Herbst und Winter in Ordnung sein werden, ist aus meiner Sicht eher fahrlässig. Wir müssen die Leute darauf vorbereiten, dass es im Herbst eine weitere Impfung geben wird, eine dritte und vierte Teilimpfung. Wir müssen uns auf die Fragen vorbereiten: Was machen wir mit den Schulen? Wie können wir so testen, dass wir einen permanenten Präsenzunterricht erreichen? Wie überzeugen wir Eltern, wenn Impfstoff für Kinder zugelassen wird?

Wir haben heute gelesen: In Kanada ist der Kinderimpfstoff von Pfizer bereits zugelas­sen, in den USA hat man angesucht, da geht es wahrscheinlich um wenige Wochen. Pfizer hat auch in Europa schon angesucht. Das wird, wenn wir Glück haben, wahr­scheinlich Ende August bei uns bereits der Fall sein, dass 12- bis 15-Jährige geimpft werden. (Bundesrat Steiner: Finger weg von unseren Kindern!) Es ist ganz wichtig, die 12- bis 15-Jährigen zu impfen, weil, wie wir wissen, in Schulen natürlich oft Übertragun­gen stattfinden. Das heißt, wir müssen alle gemeinsam Überzeugungsarbeit leisten, dass die Eltern sich dafür entscheiden, ihre Kinder impfen zu lassen.

Es ist ein gefährlicher Punkt auch deswegen, weil zum einen natürlich in der Bevölkerung der große Wunsch besteht, wieder aufzusperren. Wir haben eine verdammt lange Zeit mit Einschränkungen hinter uns, und wir alle wünschen uns unser altes Leben zurück. Auch ich wünsche mir mein altes Leben zurück. Ich möchte wieder meine Freunde treffen, ich möchte wieder auf Urlaub fahren können, zum Wirten gehen, ins Kino, und ich möchte wieder öfter meine Eltern besuchen. Dieser Wunsch der Bevölkerung ist verständlich und diesen Wunsch habe ich auch.

Auf der anderen Seite müssen wir aber bedenken, dass wir eine Balance zwischen den Öffnungsschritten und den Beschränkungen finden müssen. Das heißt, wir müssen schauen, dass die Menschen in Österreich verstehen, wie wichtig die Einhaltung der Schutzmaßnahmen ist – unter anderen Abstand halten, Hände waschen und FFP2-Maske tragen – und dass wir diese Öffnungsschritte überhaupt nur mit maximalen Sicherheitsvorkehrungen machen können. Das bedeutet: Eintrittstests, Registrierungen und natürlich Maskentragen. Nur so kann das funktionieren. Das ist ein gemeinsames Ziel, und es soll bitte ein gemeinsames Ziel von uns allen sein, da mitzuhelfen.

Ich war in der ersten Woche, an meinem ersten vollen Arbeitstag, in der Klinik Favoriten, habe dort mit Ärztinnen und Ärzten geredet, aber auch mit Intensivschwestern, die mich gefragt haben: Warum impft ihr unsere Männer nicht? Wenn nämlich die Kinder von Intensivschwestern krank sind, müssen diese zu Hause bleiben und können nicht arbeiten. Wenn sie geimpfte Männer haben, dann können sie eben arbeiten gehen – vollkommen verständlich. Die waren müde, die waren ausgelaugt, die haben 15 Monate Intensivstation in den Beinen und in den Händen. Die Patienten werden immer jünger, das ist eine gefährliche Krankheit. Die Liegedauer in den Spitälern hat sich verlängert – von Long Covid werde ich später noch berichten. Es ist eine immer noch dramatische Situation, vor allem auch in Wien, auf den Intensivstationen, wobei Wien heute erstmalig unter der kritischen Auslastungsgrenze von 33 Prozent liegt – eine gute Nachricht.

Das heißt: Oberste Maxime, und da sind wir uns in der Bundesregierung auch einig, ist das Freihalten von Intensivkapazitäten. Das muss immer das oberste Ziel sein, und auf Basis der Prognosen, die wir haben, werden wir am 19. die bekannten Öffnungsschritte setzen, unter Einhaltung maximaler Sicherheitsvorkehrungen.

Betreffend die Intensivbetten möchte ich noch eines sagen: Da geht es bitte nicht nur um Leute, die Covid-19 haben. Da geht es um uns alle. Da geht es um Personen, die einen Herzinfarkt haben, die in eine Massenkarambolage auf der A 4 verwickelt sind. Wenn das Burgenland – was nicht der Fall ist – nur noch wenige Intensivbetten frei hat, wo fahren denn dann die intensivpflichtigen Patienten hin? – Nach Wien, nach


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Niederösterreich. Wir müssen also schauen, dass Intensivkapazitäten frei sind, und das muss ein gemeinsames Anliegen sein. Derzeit haben wir Gott sei Dank sinkende Beläge auf den Intensivstationen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Auch hier im Bundesrat hat es unterschiedliche Auffassungen darüber gegeben, wie die nächsten Wochen und Monate der Pandemiebekämpfung aussehen sollen. In der Folge gab es auch keinen Konsens für die Gleichstellung geimpfter oder genesener Mitbürgerinnen und Mitbürger mit den getesteten. Ich sage Ihnen an dieser Stelle schon auch: Ich glaube, dass diese Diskussionen nicht geholfen haben, in der Pandemiebekämpfung weiterzukommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: In einer Demokratie darf man das schon machen, oder? Ich glaube, das ist erlaubt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Weiters möchte ich Ihnen sagen, dass ich glaube, dass wir uns besonders um das Thema Impfen kümmern müssen. (Bundesrat Steiner: Das ist schon ein hartes Stück! Das ist schon ein hartes Stück!) Impfen ist ganz wichtig, denn Impfen ist der Weg zurück in unser altes Leben – und es ist der einzige Weg zurück in unser altes Leben. Darum appelliere ich: Wenn wir wieder zum Wirten gehen wollen, wenn wir die Freunde wieder treffen wollen, wenn wir die Eltern wieder treffen wollen, wenn wir wieder reisen wollen, dann appelliere ich an alle: Bitte lassen Sie sich zum erstmöglichen Zeitpunkt impfen! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Danke für die Erlaubnis! Ihr seid ja so gütig! Wie in einer Diktatur! – Bundesrat Steiner: ...-Diktatur!)

Mir ist bewusst, dass derzeit immer noch oder gerade noch zu wenig Impfstoff vorhanden ist. Das beginnt sich zu drehen. Wir wären ungefähr um den 24. Mai herum ohne die Million Pfizer-Dosen an dem Punkt gewesen, wo wir mehr Leute gehabt hätten, die sich gerne impfen lassen wollen, als Impfstoff. Jetzt dreht sich das genau einen Monat später um. Das heißt, wir werden Ende Juni einen Zustand haben, wo wir so viel Impfstoff haben, dass wir die Leute suchen müssen, die sich impfen lassen wollen.

Bitte denken wir ein Jahr zurück! Da haben uns die Experten gesagt, wir würden frü­hestens im Sommer 2021 überhaupt einen Impfstoff bekommen. Andere haben gesagt, es würde zwei, drei Jahre dauern. Denken wir an die britische Variante und an den Jänner zurück, als es mit dem Impfen losgegangen ist und wir nicht gewusst haben, wann wir genug Impfstoff kriegen! Jetzt haben wir genug Impfstoff – bitte, das ist doch eine gute Nachricht! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ausgegebene Ziel auch des Bundeskanzlers, dass wir in der Lage sein werden, bis Ende Juni alle impfwilligen Österreicherinnen und Österreicher zu impfen, ist jetzt mög­lich, wenn wir genug Leute motivieren können, sich impfen zu lassen. Die Impfbereit­schaft steigt: Wer heute Radio gehört hat, hat erfahren, dass sie von knapp 50 Prozent auf jetzt 55 Prozent gestiegen ist – auch das ist eine gute Nachricht.

Auch die folgende Zahl wurde heute, glaube ich, schon genannt: Wir haben mit Stand heute bereits 3,3 Millionen Impfdosen verabreicht. Im Mai kommen jede Woche circa 500 000 Dosen nach Österreich, im Juni werden es noch mehr sein – da rechnen wir mit ungefähr 700 000 Dosen, die pro Woche kommen –, das heißt, es ist genug Impfstoff da.

Lassen Sie mich noch kurz zu den EU-Impfdosen, die gestern im Ministerrat beschlos­sen worden sind, etwas sagen: Das bedeutet, dass wir 2022 und 2023 42 Millionen zusätzliche Impfdosen über die EU bekommen, also doch eine ganz außergewöhnlich große Anzahl. Noch ein Hinweis: Das sind zu 90 Prozent MRNA-Impfstoffe, das heißt, die Vektorimpfstoffe werden in Zukunft wahrscheinlich weniger wichtig werden.

Die Kombination aus Impfen und Testen wird uns in den nächsten Monaten unser altes Leben zurückbringen. Bitte motivieren Sie mit Ihren Möglichkeiten die Leute, sich testen


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zu lassen, lieber einmal mehr zum Testen zu gehen. Und: Impfen, impfen, impfen – der gemeinsame Weg zurück in unser altes Leben ist das Impfen! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Neben der aktuellen Situation auf den Intensivstationen geht es mir aber auch besonders um die Kollateralschäden, und da geht es mir nicht um die medizinischen Kollateral­schä­den, die entstanden sind, es gibt nämlich auch andere: Es gibt Kinder, die Schlafstörun­gen haben, die stärkere Belastungsstörungen entwickelt haben, es gibt Depressionen bei Kindern, weil die Kinder ihre sozialen Kontakte verloren haben, ihre Freunde nicht mehr haben treffen können, nicht mehr in die Schule haben gehen können. Es gibt aber auch Patienten, die aus Angst, dass sie sich bei uns in der Ordination anstecken könnten – ich rede jetzt von mir –, einfach nicht in die Ordination gekommen sind. Wir haben Vor- und Nachsorgeuntersuchungen nicht machen können, wir haben chronische Wunden nicht behandeln können, Zuckerkranke waren schlecht eingestellt und so weiter. Das heißt, wir wissen jetzt noch gar nicht, welcher Schaden da eigentlich entstanden ist, wir wissen aber, dass sich diese Situation in der zweiten Welle Gott sei Dank gebessert hat und die Leute wieder verstärkt zu ihrem Arzt und zu ihrer Ärztin gegangen sind.

Diese psychischen Erkrankungen, die ich vorhin angesprochen habe, gilt es jetzt über­haupt erst einmal zu evaluieren und aufzudecken, deswegen ist mir die Psychotherapie auf Krankenschein ein ganz großes persönliches Anliegen. Nicht nur bei Kindern, sondern insgesamt haben wir da, glaube ich, Nachholbedarf. Auch im Regierungs­über­einkommen steht, dass wir eine bedarfsorientierte Versorgung mit dem Ziel der Voll­versorgung bis Ende der Legislaturperiode erreichen wollen.

Noch kurz, weil immer wieder die Frage gestellt wird, wie gefährlich Covid-19 eigentlich ist: Wir haben seit einigen Wochen das Thema Long Covid. Long Covid betrifft haupt­sächlich Menschen zwischen 20 und 40, so mittelalterliche, aber auch Kinder. Wir wissen, dass ungefähr 10 Prozent, vielleicht sind es sogar 15 Prozent der Patienten, die Covid-19 gehabt haben, eben 12 Wochen nach der Infektion immer noch müde sind, nichts riechen, nicht auf die Beine kommen. Das heißt, wir müssen uns hier auch darauf vorbereiten, dass wir neben dem Leid dieser Personen auch einen großen volkswirt­schaftlichen Schaden haben werden, weil diese Menschen einfach nicht arbeiten kön­nen. Die können nicht arbeiten!

Diesbezüglich sind wir jetzt dabei, erstens einmal diese Information an die Frau/an den Mann zu bringen, damit die Menschen überhaupt wissen, dass sie Long Covid haben. Es geht aber auch um den Ausbau von ambulanten Betreuungssettings, aber vor allem auch um den Bereich der Kuraufenthalte und der Rehaeinrichtungen danach.

Meine Damen und Herren, wir waren noch gar nicht bei den großen sozialen Folgen der Krise. Da stimme ich überein: Ich bin jetzt hauptsächlich Gesundheitsminister und weni­ger Sozialminister, aber das wird sich hoffentlich in den nächsten Wochen und wenigen Monaten umdrehen. Erst dann werden wir sehen, was eigentlich die sozialen Auswirkun­gen dieser Coronapandemie waren. Die Zahl von knapp 1,2 Millionen armen oder armutsgefährdeten Menschen in Österreich ist bitte die Zahl vor Corona. Wir wissen überhaupt noch gar nicht, wie viele arme und armutsgefährdete Menschen es heute in Österreich gibt. Da müssen wir, glaube ich, ansetzen: Wir müssen zuerst einmal schauen, wie viele es gibt, wo man ansetzen kann, wie man die ärmsten unterstützen kann. Es ist heute auch schon erwähnt worden, dass ich im Ganslwirt gearbeitet habe – das ist eine Drogenberatungsstelle im 6. Bezirk, das ist das letzte Sicherheitsnetz für Leute, die keine Wohnung mehr haben, schwer drogenabhängig sind, multipler Substanzkonsum, Hepatitis, TBC, HIV –, ich war auch im Neunerhaus und habe dort Wohnungslose ärztlich betreut. Ich weiß, wie es den Leuten geht. Von denen gibt es jetzt mehr, und die Mittel sind weniger geworden. Es muss uns allen klar sein: Da ist eine Riesenaufgabe, die vor uns liegt!


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Schauen wir auch in die Familien! Schauen wir, was Covid-19 mit uns allen gemacht hat – auch ich habe zwei Töchter. Schauen wir uns zum Beispiel einmal die Allein­erzieherinnen an, die im Homeoffice waren und gleichzeitig Homeschooling machen mussten. In 50 Prozent der Fälle sind die armutsgefährdet! Kennen Sie zwei Alleinerzie­herinnen? – Davon ist eine armutsgefährdet. Das ist doch unglaublich! Und das sind Frauen, die häufiger in Voll- und Teilzeitbeschäftigung stehen, als Frauen, die in einer Partnerschaft sind. Ich glaube also, das ist ein Auftrag zu handeln.

Die Pandemie stellt natürlich, das ist heute auch schon angesprochen worden, Men­schen, die in Sozial- und Gesundheitsberufen arbeiten, vor eine große Herausforderung. Das sind vor allem Pflegerinnen – und ich sage absichtlich Pflegerinnen, weil das fast nur Frauen sind –, die in Spitälern, in Altersheimen, aber natürlich auch im privaten Umfeld diese Betreuung übernehmen, die Großartiges leisten und denen ich auch an dieser Stelle meinen großen Dank und meine Anerkennung ausdrücken möchte. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Lob ist immer gut – auch die Ärztinnen und Ärzte sind viel gelobt worden, wie auch die Pflegerinnen und Pfleger viel gelobt worden sind –, das ist in ideeller Hinsicht schön, aber ich glaube, das muss sich auch in finanzieller Richtung auswirken. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das Lob alleine ist nach 15 Monaten Pandemie vielleicht nicht ausreichend. (Bundesrätin Grimling: Das haben wir schon oft gehört! – Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Zum Thema Pflegereform – das ist heute auch schon angesprochen worden –: Da geht es um das Große, um den Finanzausgleich, um die Umsetzung der Pflegesysteme in den Ländern, es geht aber auch um das Thema, wie wir überhaupt Leute in Pflegeberufe kriegen. Wir haben einen Riesenmangel! Wir wissen, dass bis 2030 hunderttausend Pflegerinnen und Pfleger fehlen. Wir wissen, dass wir zum Beispiel zu wenige Ausbildner dafür haben – das heißt, wir haben noch nicht einmal die Leute, die ausbilden, und es fehlen uns jedes Jahr mehr Pfleger.

Wir müssen auch das Berufsbild attraktivieren, wir müssen den jüngeren Personen Angebote machen, sodass sie verstärkt Pflegekräfte werden wollen. Auch andere For­men gehören berücksichtigt: Die Pflegelehre ist angesprochen worden, die Wertschät­zung von pflegenden Angehörigen zu Hause, deren sozialversicherungsrechtliche Absicherung und so weiter. Das heißt, es gibt sozusagen das große Ganze, das vielleicht noch ein bisschen brauchen wird – es ist unter Rudi Anschober ja nicht nichts ge­schehen, da kann man gut ansetzen –, es gibt aber sicherlich Dinge, die man auch rascher und unmittelbar machen kann.

Auch Menschen mit Behinderung sind mir ein besonderes Anliegen. Wir haben ein Prob­lem betreffend die berufliche Teilhabe dieser Menschen, auch betreffend ihre Teilhabe am öffentlichen Leben. Wir haben im Regierungsübereinkommen – das war der Teil, bei dem ich dabei war – ausgemacht, dass wir die UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich in Form des Nationalen Aktionsplans Behinderung umsetzen. Auch da werde ich in den nächsten Monaten einen Schwerpunkt setzen.

Ich möchte auch den Tierschutz ansprechen: Wer Bilder von Vollspaltböden gesehen hat, dem, glaube ich, wird schlecht; also da, denke ich, kann man schon einmal genauer hinschauen. Das muss man natürlich auch mit dem Landwirtschaftsressort besprechen – das ist eine Querschnittsmaterie, da gibt es unterschiedliche Interessen –, aber das ist mir ein persönliches Anliegen.

Ein weiteres Anliegen – das hat nur indirekt mit dem Tierschutz zu tun – ist mir die Kennzeichnung von Lebensmitteln, weil ich der Meinung bin, dass der Konsument und die Konsumentin am Ende selber entscheiden sollen, was sie kaufen, wie sie die Kaufentscheidung treffen, und dazu ist die Voraussetzung, dass Lebensmittel ausreichend


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gekennzeichnet sind. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) 

Da heute auch das Thema Konsumentenschutz und der VKI angesprochen worden sind: Nicht nur der VKI, sondern auch das Reiserecht, die Stornobedingungen, die durchaus im letzten Jahr zumindest in einem Graubereich gelegen sind, sind ja Thema. Für den Verein für Konsumenteninformation braucht es eine anständige Finanzierung, nicht immer nur eine für jeweils ein Jahr. Ich glaube, der VKI hat – das sieht man auch an den Verkaufszahlen der Zeitschrift „Konsument“ – eine sehr hohe Compliance in der Bevölkerung und eine gute Reputation. Da gilt es, glaube ich, dieses Informations­angebot, aber natürlich auch die Möglichkeiten bezüglich Klagen, die der VKI macht, abzusichern und auszubauen. (Bundesrat Schennach: ... Koalitionspartner!)

Ich möchte schon noch eines zum grünen Pass sagen, weil der heute auch immer wieder angesprochen worden ist: Wir haben das auf den 19.5. vorgezogen – das ist dankens­werterweise auch mit Ihrer Zustimmung beschlossen worden –, dass Geimpfte Gene­senen gleichgestellt werden. Das bedeutet, dass wir am 19.5. sagen können, dass alle, die zumindest drei Wochen vor diesem Tag geimpft worden sind, also den ersten Stich bekommen haben, sich nicht mehr testen müssen. Das ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass uns die Länder gesagt haben, dass sie natürlich um den 19. herum einen verstärkten Testaufwand erwarten – damit die Leute eben wieder zum Wirten gehen, ins Kino gehen und ihre Leute treffen können.

Das heißt, wir machen nun keinen österreichischen QR-Code, weil es keinen Sinn macht, denn wir haben bereits am 4.6. – bitte, das ist in weniger als einem Monat! – die Möglich­keit, den QR-Code, der in der ganzen EU gültig sein wird, zu implementieren. Damit gehören wir zu den ersten Ländern Europas, die das überhaupt können; das ist schon eine Erfolgsgeschichte. Wir machen das am 4.6., und das ist drei Wochen bevor die EU das dann eigentlich überhaupt vernetzen kann und bevor die Pilotprojekte abgeschlos­sen sind.

Es wird – das zu sagen ist mir in der Kommunikation wichtig – immer auch die Mög­lichkeit analoger Nachweise geben. Das heißt, man hat einen Zettel, auf dem steht, man war im Spital, man hat ein Testergebnis, oder man hat den alten Impfpass oder, wenn man technikaffiner ist, einen Ausdruck über die Bürgerkarte. Das wird alles gelten; das wird auch im Juli und im August und noch weiter gelten. Zusätzlich haben aber die Österreicherinnen und Österreicher ab 4.6. – das wird halten, sagen die Experten – die Möglichkeit, das zum Beispiel mittels einer Green App nachzuweisen und – das ist neu – auch mit der E-Card, was eine ganz interessante Entwicklung ist.

Die E-Card hat hinten eine Nummer aufgedruckt – das ist nicht die Sozialversicherungs­nummer –, und diese wird vom Wirt mit seiner Scannerapp eingescannt, wodurch der Gast identifiziert wird. Es gibt 3,7 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die vorne auf der E-Card bereits ein Foto haben – nicht alle, aber schon der überwiegende Teil, würde ich sagen. Das heißt, die Person dreht dann die E-Card einfach um und weist sich gleichzeitig damit aus. Es wird gemeldet und dann geschaut – das erfährt der Wirt nicht –, ob die Person getestet, geimpft oder genesen ist, und dann kriegt diese ein grünes Hakerl. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Zu den Datenschutzbedenken, die wir natürlich auch haben: Es wird nicht möglich sein, dass ein Tracking erfolgt, also dass dann irgendjemand weiß, dass man in der Früh im Kaffeehaus gesessen ist, mittags zum Friseur und am Abend ins Theater gegangen ist, also irgendjemand weiß, was man den ganzen Tag gemacht hat – das ist nicht möglich (Bundesrätin Schartel: Euch vertraue ich nicht!); wir haben die Datenschutzbedenken sehr ernst genommen.


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Mit 4.6. wird das gesetzlich möglich sein. Es gibt dann den europäischen QR-Code, der auch gleich gilt. Ich glaube, das ist schon ein großer Erfolg der Bundesregierung insge­samt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zum Schluss möchte ich auch meinem Vorgänger Rudi Anschober recht herzlich dan­ken. Ich habe mich jetzt in 14 Tagen nicht viel mehr als im Haus orientieren können. Rudi Anschober hat schon viele, viele Probleme gehabt, als er sein Ressort übernommen hat. Das war ein Haus, in dem wesentliche Schlüsselfunktionen nicht besetzt waren. Ich erinnere daran, dass es zum Beispiel keine Chief Medical Officerin gegeben hat – Frau Dr. Katharina Reich, die das nun macht, wird bekannt sein – oder die Medizinrechts­sektion vollkommen unterdimensioniert war – kein Wunder, auch das Gesundheits­minis­terium ist natürlich nie für eine Pandemie konzipiert worden. Ich habe ein Haus über­nehmen dürfen, in dem Rudi Anschober alle diese Dinge repariert hat – die funktio­nieren –, in dem es eine starke Medizinrechtssektion gibt. Ich werde jetzt von diesen Reformschritten im Haus profitieren.

Ich beginne nun langsam zu spüren, was das für eine große Verantwortung war, die Rudi Anschober übernommen hatte. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.45


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.45.22

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! An Sie besonders, sehr geehrter Herr Bundesminister: noch einmal herzlich willkommen im Bundesrat! Sie haben vorhin einen kurzen Einblick in ein Klinikum gegeben, ins Wiener Klinikum Favo­riten, und ich darf Sie zu einem kurzen Blick in ein niederösterreichisches Landes­kran­kenhaus, das Landesklinikum Baden-Mödling – mein Heimatkrankenhaus – mitnehmen.

Ich war dort selbst viele Jahre lang Mitarbeiterin. Ich habe erlebt, mit wie viel Know-how, mit wie viel Professionalität, auch mit wie viel Herzblut die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter dort arbeiten, wie sehr sie in schwierigen Situationen zusammenhalten, und das haben sie auch im vergangenen Jahr in einer ganz besonderen Art und Weise getan. Sie haben in der Krisenbewältigung, in der Pandemiebekämpfung in unserer Region eine ganz zentrale Rolle übernommen. Es wurde an beiden Standorten, in Baden und in Mödling, eine eigene Covid-Station eingerichtet. Als ich diese Woche einmal nachgefragt habe, wie die Situation auf diesen Stationen ist, war zum ersten Mal eine Entspannung zu bemerken, da war zum ersten Mal die Möglichkeit, ein bisschen durchzuschnaufen, wenngleich es auf den Intensivstationen nach wie vor sehr, sehr eng ist – aber auch da können wir in Niederösterreich mit der guten Zusammenarbeit im Rahmen der Landesgesundheitsagentur gut austarieren.

Was zeigt uns dieser Einblick? – Er zeigt uns, glaube ich, dass der Lockdown, der noch­malige Lockdown, in Niederösterreich notwendig war und dass er gewirkt hat. Lassen Sie mich das ganz klar sagen – weil immer so viel über die wenigen berichtet wird, die sich nicht an die Maßnahmen halten –: Der überwiegende Teil der Bevölkerung hat die Maßnahmen mitgetragen und hat auch jetzt einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Einblick zeigt uns auch, dass wir durchaus zuversichtlich sein und Öffnungen wagen können, aber dass wir dabei weiterhin vorsichtig und umsichtig sein müssen. Ich glaube, es ist kein Widerspruch, dass wir uns alle auf die Öffnungen ab Mai freuen und dass wir


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diese Freude mit viel Sorgfalt und mit viel Vorsicht verbinden. Ich möchte da wirklich auch ein großes Danke an unsere Bundesregierung, an unseren Bundeskanzler für die Klarheit aussprechen, die geschaffen wurde, dass wir in allen Bereichen ab dem 19. Mai öffnen. Das schafft ganz, ganz viel Planbarkeit für die Unternehmerinnen und Unter­neh­mer. Ich glaube, dass es auch in Wien ganz wichtig ist, dass wir diese klare Perspektive schaffen und dass wir uns gemeinsam auf etwas freuen können – und zwar auf die Rückkehr in die Normalität. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Bei dieser Rückkehr in die Normalität bringt uns jede Impfung einen Schritt näher zur Normalität und jede Testung gibt uns für den Moment Sicherheit. Der grüne Pass wird uns in Zukunft einen Nachweis darüber geben, und er wird nichts anderes sein als eine Bestätigung. – Deswegen, Herr Kollege Steiner: Ich teile und verstehe die große Angst vor diesem grünen Pass nicht. (Bundesrat Steiner: ... muss man nicht verstehen! Ist nicht so wichtig!) Es ist eine Bestätigung, als Zettel ausgedruckt oder per Handyapp. Ich glaube, diese Bestätigung hilft uns, damit wir wirtschaftlich wieder durchstarten können, und das ist es ja, was wir alle wollen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ich freue mich, dass wir beim Impfen und beim Testen so gut unterwegs sind. Wir haben es gehört, es kommt immer mehr Impfstoff nach Österreich. Es gelingt uns auch, diesen Impfstoff in den Bundesländern wirklich sehr, sehr rasch zu verimpfen. Ich freue mich sehr darüber, dass gerade Niederösterreich auch das erste Bundesland sein wird, in dem sich ab Montag jeder, der möchte, auch für die Impfung anmelden kann, und ich kann nur an alle appellieren, davon zahlreich Gebrauch zu machen.

Das Testen ist heute in Österreich so einfach und flächendeckend möglich (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel) wie sonst nirgends auf der Welt. Ich war erst heute in der Früh (Bundesrat Steiner: Tirol macht es super!) wieder in der Teststraße in meiner Heimat­gemeinde, in der Hinterbrühl; das ist eine von 400 Testmöglichkeiten, die wir in den niederösterreichischen Gemeinden geschaffen haben. (Bundesrat Steiner: Tirol ist auch super!) Gemeinsam mit den Apotheken und gemeinsam mit den Selbsttests ist das wirklich ein starkes Netzwerk, und es ist, glaube ich, ein Netzwerk, das zeigt, was in Öster­reich in einem guten Miteinander von Bund, Ländern und Gemeinden möglich ist. – Vielen Dank an alle, die da engagiert sind, und auch vielen Dank an unseren Bundes­kanzler. (Beifall bei der ÖVP.)

Es sind noch einige Schritte in dieser Pandemie zu gehen. Es ist noch ein Weg zum Comeback, aber ich möchte Sie ganz bewusst, Herr Minister, heute nicht nur als Pande­miemanager ansprechen, sondern auch als Gesundheitsminister. Ich glaube, wir können in Österreich zu Recht stolz auf unser Gesundheitssystem sein, auf das beste Gesund­heitssystem der Welt, und es muss unser gemeinsames Ziel sein, alles zu tun, damit wir auch in Zukunft flächendeckend die beste Versorgung haben, von der Geburt bis ins hohe Alter.

Dabei spielt die Infrastruktur eine wesentliche Rolle. Die Länder investieren sehr viel, das sieht man am Beispiel Landesklinikum Baden-Mödling, dort sind beide Häuser neu gebaut worden. Was wir aber für die optimale Versorgung natürlich brauchen, sind die hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich glaube, es ist ganz wichtig und richtig, einen Fokus auf die medizinische Ausbildung zu lenken. Dabei habe ich auch die große Bitte, dass wir in Zukunft noch mehr Medizinstudienplätze schaffen.

Wir brauchen sie aber nicht nur in der Medizin, auch in der Pflege haben wir einen erhöhten Betreuungsbedarf. Wir werden auch mehr Menschen brauchen, die sich in der Pflege und der Betreuung engagieren. Dazu möchte ich Sie als Pflegeminister ansprechen. Ich glaube, unter Ihrem Vorgänger wurden bereits die ersten Schritte gesetzt. Meine


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große Bitte ist, diese Schritte weiterzuführen und gerade auch unter maximaler Ein­beziehung der Länder eine grundlegende Reform der Pflege sicherzustellen.

Last, but not least darf ich Sie noch als Sozialminister ansprechen. Sie haben es ange­sprochen, es war ein Jahr im Ausnahmezustand für die Spitäler, aber für uns alle, für jeden Einzelnen, der in Österreich lebt. Ich bin froh und dankbar, dass Sie das so klar angesprochen haben. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir das hoch oben auf die politische Agenda setzen.

Lassen Sie mich abschließend als junge Frau sagen: Wir haben im letzten Jahr sehr, sehr viel von Zusammenhalt gesprochen. Ich glaube, dass wir diesen Zusammenhalt, diese soziale Kohäsion, ganz besonders auch jetzt brauchen. Wir erleben immer mehr Menschen – das ist schön und das ist gut –, die geimpft sind, die auch in die Normalität zurückkehren können. Es gibt aber immer noch genügend, die im Homeoffice sind, die im Distancelearning sind. Es gibt Maturantinnen und Maturanten, die im letzten Jahr fertig geworden und jetzt an den Unis sind und ihre Kolleginnen und Kollegen noch nicht kennen. Ich glaube, dass wir für sie diesen Zusammenhalt auch weiterhin ganz, ganz dringend brauchen.

Im letzten Jahr ist es uns mit dem Fokus auf Ältere und Risikogruppen gelungen, die vulnerablen Gruppen in Österreich bestmöglich zu schützen. Wenn wir jetzt zusammen­halten, gemeinsam den Fokus auch auf die jungen Menschen in unserem Land richten, können wir auch dabei ganz, ganz viel erreichen und diesen Menschen alle Chancen geben. Davon bin ich überzeugt. Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit mit Ihnen und der gesamten Bundesregierung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.52


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.53.00

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler, der im Moment nicht hier ist! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Lieber Magnus, auch von meiner Seite alles Gute zum Geburtstag! (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte am Beginn meines Redebeitrags, wie es meine Fraktionsobfrau schon festgehalten hat, nochmals die Behauptung des Herrn Bundeskanzlers, die Opposition habe im Bundesrat getrickst, nicht kommentarlos stehen lassen. Es hat hier niemand getrickst, sondern man muss demokratische Entscheidungen im Parlament zur Kenntnis nehmen, und die Äußerungen sind in diesem Fall – auch wenn sie vom Bundeskanzler sind – komplett entbehrlich. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Nochmals zur Erinnerung, falls es noch nicht ganz durchgesickert ist: Der Ausgang der entsprechenden Abstimmung war dem geschuldet, dass drei Bundesräte der Regie­rungs­parteien nicht anwesend waren, aus gesundheitlichen Gründen an der Sitzung leider nicht teilnehmen konnten, und daher das entsprechende Ergebnis zustande ge­kommen ist. Vielleicht hat er aber das aufgebaute System der Messagecontrol nun nicht mehr so im Griff, und man wird halt lernen müssen, mit diesen Ergebnissen auch umzu­gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Auch ich möchte an dieser Stelle als Gesundheitssprecher dem aus dem Amt geschie­denen Bundesminister Rudi Anschober recht herzlich danken, der im letzten Jahr sicher den undankbarsten Regierungsjob innehatte, aber stets auch ein guter Gesprächs­part­ner hier im Bundesrat war. Alles Gute für die Zukunft!


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Wie stand es auf der Titelseite der „Kleinen Zeitung“? – „Das unmögliche Amt“, „Allein­gelassen und mit der Kraft am Ende“. „Rudolf Anschober verlor im letzten Auftritt kein Wort über Kanzler Kurz und die ÖVP.“ „Schon bei Schönwetter geht Spitzenpolitik oft an die Grenzen des Zumutbaren. Nach einem Jahr Pandemie kann Gesundheitsminister Rudolf Anschober nicht mehr und geht. Wolfgang Mückstein ist sein Nachfolger.“ – So weit die „Kleine Zeitung“ als Beispiel von vielen Pressemeldungen zu diesem Thema.

Dem neuen Gesundheitsminister wünschen wir im Sinne der Gesundheit von uns allen für sein Wirken alles Gute. Herr Bundesminister, Gesetzgebung passiert aber im Parla­ment, in Nationalrat und Bundesrat, und ob förderlich oder nicht förderlich, sie erfolgt demokratisch.

Es warten noch viele Baustellen auf Sie, Herr Bundesminister. Kollege Arlamovsky sprach von drei Baustellen, ich möchte noch sechs hinzufügen.

Die erste ist das Kabinett und Beamtenquerelen, haben doch im Pandemiejahr unge­schickte Kabinettsvorstöße und interne Beamtenquerelen das Gesundheitsministerium ausgehöhlt – Herr Bundesminister, Sie haben es selbst angesprochen –: Wissensträger wurden ins Abseits gestellt, sind weg, wichtige Abteilungen nicht oder nur interimistisch besetzt; so sorgte zum Beispiel die Abschaffung der Abteilung für Angiologie mitten in der Krise für Entsetzen und Fassungslosigkeit bei Experten.

Baustelle zwei, Coronaampel und Co: Rudi Anschober hat in seiner Ära versucht, viele gute Ideen hervorzubringen, nur gelang es nicht, diese auch erfolgreich umzusetzen. Zukünftig wird es auch notwendig sein, österreichweit Vernetzungen und Ressourcen besser zu nutzen, um rasche und effektive Maßnahmen einleiten zu können, beispielhaft die Ages, die GÖG, die Gesundheitsreferenten der Länder und so weiter.

Baustelle drei, der wirkungslose E-Impfpass: Dieser hält bis dato nicht, was er ver­sprochen hat. Da stehen wir auch in Bälde vor der Entscheidung, wie EU-konform der sogenannte grüne Pass realisiert werden soll. Es ist zu hoffen, dass die großen Ankün­digungen nicht dann wieder bitter von der Realität eingeholt werden.

Viertens, verwirrende Anordnungen und Verordnungen: Wenn wir an das Anordnungs­wirrwarr zurückdenken, bei dem sich keiner mehr auskannte, was nun wirklich gilt, dann haben Sie, Herr Bundesminister, noch sehr viel aufzuarbeiten. Was den Bundesrat als Länderkammer betrifft, gilt es, auch wieder die Länder ins Boot zu holen und Vertrauen aufzubauen – da braucht man zum Beispiel nur an die Probleme der EU bei der Impf­stoffbeschaffung zu denken.

Fünftens, Pandemie- und Impfplan: Auch wenn hier vielerorts vom Licht am Ende des Tunnels gesprochen wurde – Sie haben es selbst angeführt –, ist eines klar: Wir werden auch zukünftig über Jahre hinweg mit diesem Virus leben müssen, und da wird sich die Frage stellen, wie es dann im Herbst und im Winter weitergeht, denn weitere Lockdowns werden wir uns so nicht mehr leisten können.

Da jetzt schon für 2022 und 2023 der Kauf von 42 Millionen Impfdosen im Wert von 800 Millionen Euro unter Dach und Fach ist, wird auch eine durchdachte Impfstrategie notwendig sein, um diese auch rasch und unbürokratisch an die Impfwilligen zu bringen. Ich bitte, keine PR-Raketen wie die Sputnik-Impfungen zu starten, sondern das Ganze mit Hausverstand anzugehen, um das gewünschte Resultat dann auch zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Schlussendlich sechstens, die Finanzierung: Ebenfalls und vielleicht die größte Heraus­for­derung ist das Aufbringen der finanziellen Mittel für die Bewältigung der zukünftigen Problemstellungen, wie Einbindung der niedergelassenen Ärzte in die Pandemie­be­kämp­fung, die Bekämpfung des Ärztemangels, auf den ich abschließend noch eingehen


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möchte, die Zahl der Intensivbetten, dringend anstehende Probleme bei der Pflege und so weiter und so weiter.

All dies sind nur kurz umschriebene Eckpunkte, neben vielen anderen, die Sie, Herr Bundesgesundheitsminister, als Manager, ich hoffe aber auch als Friedensstifter und Stratege, vor allem aber auch in Ihrer Funktion als Fachmann zu lösen haben werden. Wir hoffen, es möge Ihnen gelingen.

Wie bereits vorhin angesprochen, möchte ich noch auf den zu bekämpfenden Ärzte­mangel eingehen.

Als praktischem Arzt ist Ihnen ja, Herr Bundesminister, diese Problematik in keinster Art und Weise unbekannt, betrieben Sie doch bisher in einer Gemeinschaftspraxis das erste Primärversorgungszentrum in Wien. Daher wissen Sie Bescheid, wie massiv die haus­ärztliche Versorgung in Teilen Österreichs mittlerweile ausgedünnt ist. Damit verbunden besteht Gefahr für das bisher gewohnte Angebot der medizinischen Grundversorgung durch die Leistungsträger der Gebietskrankenkassen und in der Nähe des Wohnortes für die Menschen in unserem Land. Gerade diese Wohnortnähe ist für die Menschen, vor allem für die, die nicht oder nicht mehr mobil sind, unheimlich wichtig. Zugleich sind die sinkenden Zahlen von niedergelassenen ÄrztInnen im ländlichen Raum bekannt. Auch ist diese Versorgung ein wichtiger Teil der Lebensqualität, und sollte – besonders im ländlichen Raum – diese nicht mehr gegeben sein, trägt das massiv dazu bei, dass die Abwanderung in die Zentralräume stattfindet.

Die verheerende Epidemie, die unser Land seit mehr als einem Jahr im Griff hat und die von der Bundesregierung nur unzureichend bewältigt wird, tut das ihre, um die Prob­lematik noch zu verschärfen. Gerade deshalb braucht es sinnvolle Maßnahmen, die unmittelbar greifen und den Trend nicht nur stoppen, sondern auch umkehren können. Neben der Etablierung und dem Ausbau der Primärversorgungszentren ist auch hin­sicht­lich der Attraktivierung der Kassenverträge und der Lebensumstände der ÄrztInnen Vorsorge zu treffen.

Es freut mich daher, heute hier einen Allparteienantrag einbringen zu dürfen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ärztemangel bekämpfen“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanz­lers gemäß § 37 Abs. 4 Gemeindeordnung - -, ah, Geschäftsordnung des Bundesrates (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ) – das passiert, wenn man mehr auf der Gemeindeebene unterwegs ist (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ) – anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz.

Daher stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgenden

Antrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend Maßnahmen zu erarbeiten und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat zur Beschlussfassung vorzulegen, die dem


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Ärztemangel entgegenwirken und die flächendeckende hausärztliche Sachleistungs­ver­sorgung durch Kassenvertragsärzt*innen sicherstellt. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf folgende Punkte zu legen, die durch diese Maßnahmen sichergestellt sein müssen:

-            die erhöhte Praxiserfahrung in der Ausbildung,

-            Anreize für Medizinstudierende und Ärzt*innen im Land zu bleiben und/oder Allgemeinmediziner*in zu werden,

-            Anreize zur Übernahme von Kassenverträgen (insbesondere der ÖGK)

-            die Reduktion der Belastung von Ärzt*innen durch Delegation von Aufgaben an andere Gesundheitsberufe,

-            der raschere Ausbau der Primärversorgungseinheiten

-            die Aufwertung von Ärzt*innen in der Primärversorgung durch Ausbildungsver­pflichtungen von Turnusärzt*innen sowie

-            die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu ermöglichen

Ferner wird die Bundesregierung aufgefordert, jährlich die entscheidenden Kennzahlen (absolute Anzahl der Hausärzt*innen, Kassenverträge, Verteilung nach Bundesländern und Auslastungsgrad) zu erheben und in einem Hausärzt*innen-Report zu veröffent­lichen sowie die Abdeckung durch hausärztliche Versorgung in einem Hausärzt*innen-Atlas für ganz Österreich abzubilden.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

11.04


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Karl Bader, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ärztemangel bekämpfen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.04.34

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Werte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Herr Gesundheitsminister Dr. Mückstein! Beim ersten Auftritt, den Sie vor der Presse hatten, bei dem Sie vom Herrn Vizekanzler als Nachfolger des scheidenden Gesundheitsministers Anschober vorgestellt wurden, haben Sie in mir die Hoffnung geweckt, dass nun eine sehr kompetente Person diesem Ressort vorste­hen wird, dieses Ressort leiten wird.

Meine besondere Aufmerksamkeit hat Ihnen damals gegolten, weil Sie als einer der Ersten erwähnt haben, welche Kollateralschäden die Maßnahmen dieser Regierung bei der Bevölkerung in Österreich angerichtet haben. Die Zahl der psychisch erkrankten Kinder ist exorbitant in die Höhe geschossen, vor allem jener, die eine stationäre Betreuung brauchen. So hat Univ.-Prof. DDr. Paul Plener, der klinische Leiter im AKH Wien, bereits am 24.2. vor dieser Situation gewarnt. Er musste in diesem Zusam­men­hang sogar das Wort Triage in den Mund nehmen.


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Sie haben heute in Ihren Ausführungen auch erwähnt, dass es sehr, sehr viele Men­schen gibt, die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus haben, wenn sie in die Ordination gehen, wenn sie eine Nachuntersuchung oder Vorsorgeuntersuchung machen sollten. Ich weiß nicht, ob Sie es vergessen haben, aber ich sage es Ihnen gerne zur Erinnerung: Wer hat denn diese Angst geschürt? Wer hat es denn in Presse­konferenzen nicht verabsäumt, immer wieder darauf hinzuweisen, wie viele Menschen bald sterben werden und dass jeder Einzelne einen davon kennen würde? – Das war die Regierung mit dem Bundeskanzler, Herr Dr. Mückstein. Dann darf man sich nicht wundern. (Beifall bei der FPÖ.)

Es stimmt natürlich: Österreich hat ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem. Wir haben tolle Mediziner, hoch qualifiziertes Pflegepersonal, aber gerade die Pandemie hat in zwei Bereichen dieses Gesundheitssystems die Schwachstellen aufgezeigt. Vor allem im Bereich der Pflege, in den Krankenanstalten und in den Alten- und Pflegeheimen, hat sich gezeigt, dass es große Schwachstellen gibt, aber nicht, weil die Qualität des Pflegepersonals so schlecht ist. Im Gegenteil: Es sind so hervorragende, liebevolle Menschen, die sich in ihrem Beruf aufopfern. Würde es diese Menschen nicht geben, dann wäre es um Österreich viel, viel schlechter bestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Für mich liegen die Ursachen vor allem in zwei Dingen, das sind die Einsparungsmaß­nahmen und die Gewinnoptimierung in diesem Bereich. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: In meinem Bundesland zum Beispiel wird, seit die ÖVP für das Gesundheitsressort zuständig ist, ein Spital nach dem anderen zugesperrt. Dann darf man sich natürlich nicht wundern, wenn es in so einer besonders herausfordernden Zeit zu Problemen, zu Engpässen und zu Schwierigkeiten kommt. Hätte man eine vorausschauende, eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik gemacht, hätte man wahrscheinlich das eine oder andere vermeiden können. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Bereich der Altenpflege: Sie wissen genau: Am Anfang der Pandemie mussten leider sehr, sehr viele Menschen, die vertrauensvoll in die Hände stationärer Einrich­tungen gegeben wurden, durch schwere Covid-Erkrankungen ihr Leben lassen. Das hängt nicht damit zusammen, dass die dort verantwortlichen Menschen nicht ordnungs­gemäß mit diesen Menschen umgegangen wären, nein.

Es stand am Anfang fast gar keine Schutzausrüstung zur Verfügung und später zu wenig. Wissen Sie, was ich an dieser Situation so zynisch finde? – Dass man hergeht und Heilmasseure, die meistens Einpersonenunternehmen sind, mit Schutzausrüstung, Desinfektionsmitteln, Schutzbrillen überschüttet, soviel es nur geht, und die, die das wirklich bräuchten, haben diese nicht. Ich weiß von sehr vielen, die diese Schutzausrüs­tungs­pakete erhalten haben, dass sie die Gott sei Dank in ihren Gemeinden an die zuständigen Krankenanstalten und an die Pflegeheime verteilt haben. Danke für diese tolle Tätigkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wie gesagt: Die Dinge, die ich jetzt erwähnt habe, sind Dinge, die passiert sind. Wir sollten aus diesen Fehlern lernen.

Schauen wir ein bisschen in die Zukunft: Ich bin davon überzeugt, dass es, um diese Schwachstellen, die jetzt so sichtbar wurden, wirklich in den Griff zu bekommen, eine Aufstockung der Kapazitäten der Intensivstationen braucht, nicht nur personell, sondern auch beim medizinischen Equipment – weg von Sparzwang und von Gewinnoptimie­rung!

Ist das nicht eine Schande, dass bei uns in Österreich der Betrieb von Alten- und Pflege­heimen als lukratives Renditenmodell möglich ist? Sollten wir uns dafür nicht alle schämen?

Man sollte jetzt für die Zukunft planen und gestalten, also agieren statt reagieren. Ich möchte Ihnen das am Beispiel der Pflegebetreuung zeigen: Zurzeit hat der österreichische


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Staat das Glück, dass 80 Prozent aller Menschen, die einer Pflege bedürfen, zu Hause von den Angehörigen – meist, wie wir wissen, von Frauen – gepflegt werden.

Wie reagiert die Politik? – Ich kann wieder ein Beispiel aus der Steiermark – nach wie vor ÖVP-geführtes Gesundheitsressort  nennen: Die sperren einfach die Betten bei den stationären Einrichtungen für Alten- und Pflegebetreuung, das heißt, sie kürzen die Anzahl der Betten, denn die werden ja momentan nicht gebraucht. Wissen Sie, wie kurzsichtig das ist? Die Generation, die jetzt bereit ist, ihre Angehörigen zu pflegen, wird in 15 Jahren unter Umständen selber Betreuung oder Pflege brauchen. Das weiß man jetzt schon genau: Unsere Kinder werden diese häusliche Pflege teilweise nicht über­nehmen können oder wollen, also brauchen wir in spätestens 15 Jahren die vorhan­de­nen Kapazitäten. Es wäre deshalb, finde ich, viel vernünftiger, wenn man nicht Kapa­zitäten kürzt, sondern die vorhandenen Überkapazitäten zum Beispiel als Kurzzeit­pfle­ge­betten anbietet, was den pflegenden Angehörigen eine immense Entlastung bringen würde. Wir würden es uns ersparen, jetzt wieder etwas zuzusperren, um damit nachher in eine Situation zu kommen, in der uns das sicher wieder auf den Kopf fällt! (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Beer und Schachner.)

Mir ist natürlich klar, dass wir dazu vor allem mehr gutes, ausgebildetes Personal brauchen. Deshalb, finde ich, ist es wichtig, das wurde schon oft erwähnt, dass der Pflegeberuf sowohl in Krankenanstalten als auch in der Alten- und Pflegebetreuung reformiert, aufge­wertet, besser bezahlt werden muss und vor allem familienfreundliche Arbeitszeit­modelle angeboten werden müssen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass jemand, der sich für einen Gesundheitsberuf ent­scheidet, das nicht aus dem finanziellen Blickwinkel betrachtet. Der macht das, weil er davon überzeugt ist, eine Liebe zu den Menschen und den äußersten Drang zu helfen hat. Wir müssen deswegen die Rahmenbedingungen so schaffen, dass diese Menschen wirklich mit Freude ihren Beruf so lange ausüben können, bis sie selber vom Alter her sagen: Jetzt freue ich mich auf meine wohlverdiente Pension! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das Konzept, das jetzt herumschwirrt, ist für mich zu kurzfristig gedacht: Man schult Personen, die aufgrund der Pandemie unter Umständen ihren Beruf nachher gar nicht mehr vorfinden – weil er weg ist oder sich so stark verändert hat –, zu Pflegepersonal um. Glauben Sie wirklich, dass das funktioniert, dass jemand, der vorher als Stewardess gearbeitet hat, sagt: Ich bin die beste Alten- oder Krankenpflegerin?! Das ist genau so, wie Ihre Vorstellung, dass man mit Reden und Sitzkreisen Gewalt gegen Frauen in irgendeiner Art und Weise verhindern kann.

Sie haben am Montag in Ihrem Redebeitrag im Nationalrat erwähnt, dass es im Feber bedauerlicherweise einen Vorfall gab: Eine Frau, die im Krankenhaus war, weil sie von ihrem Mann verprügelt wurde, wurde, nachdem sie entlassen wurde, von ihrem Mann erwürgt. Jetzt stelle ich mir die Frage: Warum ist so etwas überhaupt möglich? Wie kann es sein, dass jemand eine Gewalttat verübt und dass man ihm sogar noch Gelegenheit gibt, eine zweite Gewalttat zu verüben? Läuft da nicht bei unserer Justiz unter Um­ständen irgendetwas falsch? Oder kann es sein, dass die Strafen, die man für Gewalt gegen Frauen verhängt, zu gering sind? Ich persönlich habe das Empfinden, dass Steuerhinterziehung härter bestraft wird als der Mord an einer Frau. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Zunahme von Gewalt an Frauen hat sicherlich mehrere Ursachen, aber ich bin auch davon überzeugt, dass eine hausgemacht ist: Die Verantwortlichen haben viel zu lange unkontrolliert Menschen in unser Land gelassen, die aufgrund ihrer Kultur, ihrer Religion, ihrer Überzeugung nach wie vor der Meinung sind (Unruhe bei der SPÖ), dass Gewalt gegen Frauen das übliche Kommunikationsmittel in einer Ehe ist, dass ein Mord an einer Frau sogar als Ehrenmord bezeichnet werden kann.


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Mir ist klar, dass das viele von Ihnen nicht hören wollen. (Bundesrätin Schumann: Nein!) Ich darf Ihnen jetzt eine Passage eines Interviews, das Frau Johanna Brodträger mit der Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser geführt hat, vorlesen (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann): - -


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die 10 Minu­ten längst erschöpft sind. Im Sinne der Fairness würde ich Sie bitten, zum Schluss zu kommen.


Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (fortsetzend): - - „Nun ist es aber genauso falsch, zu sagen, dass Migration in dieser Entwicklung gar keine Rolle spielt. Die steigen­den Zahlen der Frauenmorde sind dramatisch – und es ist notwendig, anzuerkennen, dass sie mit der Migrationsbewegung zu tun haben.“ – Interview mit der Geschäfts­führerin der Wiener Frauenhäuser.

Ich sage Ihnen, Herr Dr. Mückstein, gerade bei diesem Thema hilft kein Arbeitskreis, es hilft kein Redekreis. Handeln Sie, setzen Sie Taten, handeln Sie aktiv, anstatt immer schöne Worte zu reden! (Beifall bei der FPÖ.)

11.16


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Lackner. – Bitte schön.


11.16.25

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Werte Mitglieder der Bundesregie­rung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ein Wort zu meiner Vorrednerin: Auch ich bin angesichts der Ereignisse der letzten Tage – der Femizide – persönlich betroffen, aber es ist, ob Sie das jetzt zur Kenntnis nehmen wollen oder nicht, wissenschaftlich erwiesen, dass dieses Phänomen nichts mit der Herkunft zu tun hat. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herzlich willkommen, Herr Bundesminister, herzlich willkommen, Wolfgang Mückstein! In Zeiten wie diesen ist Gesundheitsminister und Sozialminister nicht unbedingt der entspannendste Job, den man und frau sich so vorstellen kann. Es gehört schon auch eine gewisse Portion Mut dazu, sich dieser Aufgabe zu stellen. Ich danke dir, dass du bereit bist, hier wichtige Verantwortung zu übernehmen. Ich freue mich auf die Zusam­menarbeit in den Bereichen Soziales und Konsumentenschutz, die ich hier im Bundesrat für die Grünen vertrete. Bisher ist es aufgrund vieler sozialpolitischer Maßnahmen der Regierung gelungen, zu verhindern, dass aus einer Gesundheitskrise eine veritable soziale Krise wird. Das unterscheidet uns von etlichen anderen Ländern. Wir haben einen guten Sozialstaat, und gerade die Covid-Krise hat gezeigt, wie wertvoll das ist.

Was diese Regierung auch kennzeichnet, ist eine Rückkehr zum Dialog mit den Sozial­partnern. (Heiterkeit der Bundesrätin SchumannZwischenruf bei der FPÖ.) Das war unter Türkis-Blau anders. Offensiv einen Dialog mit der Zivilgesellschaft, mit den Sozial­partnern, mit den betroffenen Gruppen, mit dem Sozialbereich, mit der Armutskonferenz zu führen war etwas, was Rudi Anschober ausgezeichnet hat wie kaum jemand anderen. Ich möchte mich, lieber Rudi, an dieser Stelle auch sehr herzlich für deine unermüdliche Arbeit und vor allem für deine Art und Weise, andere Meinungen miteinzubeziehen und auch Fehler einzugestehen, bedanken.

Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass dieser Dialog von Wolfgang Mückstein weiter­geführt wird. Wir haben einen guten, wir haben einen funktionierenden Sozialstaat, der aber durchaus auch seine Lücken hat. Die Lücken haben sich gerade in der jetzigen Krise offen gezeigt, teilweise haben soziale Sicherungssysteme nicht rasch genug ge­wirkt. Auch wenn wir – verglichen mit anderen Ländern – vieles getan haben, um die


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sozialen Auswirkungen so gut es geht abzufedern, und auch wenn wir die Armuts­gefährdung so einigermaßen in Grenzen halten konnten, steht uns noch sehr viel bevor.

Auch die Mammutaufgabe Pflegereform war schon vor der Covid-Krise ein Bereich mit dringendem Handlungsbedarf und ist es jetzt natürlich umso mehr. 

Positiv zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Ausbildungsinitiative im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe. Es ist gut, da mehr Ausbildungsangebote zu schaffen und Ausbildungen auch finanziell zu fördern. Wir müssen aber gerade betreffend Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung genauer hinsehen, um letztlich auch Rahmenbedingungen zu schaffen, durch die Beschäftigte in der Pflege motiviert werden, auch langfristig in diesem Bereich zu arbeiten.

Genauer hinsehen bedeutet auch, Betroffene in den Dialog miteinzubeziehen. In diesem Sinne wünsche ich Wolfgang Mückstein alles Gute und viel Erfolg als Sozial- und Gesundheitsminister! (Bundesrat Steiner: Er ist ja gar nicht da!) Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.20


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.20.48

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Eine Ministerin ist noch da: Herzlich willkommen, Frau Minister! Herr Staatssekretär! Der Herr Kanzler fehlt, der Herr Minister fehlt. (Bundesrätin Schumann: Die Staatssekretärin ist da!) Entschul­digung, die Frau Staatssekretärin ist auch noch da. Sorry! Der Herr Bundeskanzler und der Herr Minister sind aber nicht da.

Dabei wollte ich den neuen Minister jetzt eigentlich loben, und ich werde das auch tun, denn seine Antrittsrede hier im Bundesrat war sehr gut. Wenn man nämlich inhaltlich genau zugehört hat, konnte man feststellen, dass er einige Aspekte eingebracht hat, die sehr wichtig sind. Er hat die Armut in Österreich und das, was sich momentan abspielt, angesprochen. Er kennt das aus seiner Ordination. Er hat mich bei seiner Antrittsrede auch dadurch begeistert, dass er gesagt hat, dass er jenen Menschen hilft, die nicht so viel haben, dass er, unerheblich, ob jemand viel oder wenig verdient, jeden in seiner Ordination behandelt. – Das hat mich sehr begeistert. Und auch in seiner heutigen Rede hat er gesagt, dass es ihm ein sehr, sehr großes Anliegen ist, Menschen zu helfen, die weniger haben.

Umso mehr hat es mich doch verwundert, dass Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger gesagt hat, dass es ihr Ziel ist, die Armut in Österreich zu halbieren. Ich als Sozialde­mokrat sage: Wir wollen sie nicht halbieren, wir wollen gar keine Armut mehr in Öster­reich! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Das ist der entscheidende Punkt. Ich weiß gar nicht, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, Armut nur zu halbieren! – Das ist das Erste.

Zweitens – Frau Kollegin Schumann hat es angesprochen –: Es geht darum, dass Menschen, die 45 Jahre arbeiten, einen Abzug von 400 Euro im Monat haben. Vor wenigen Monaten haben Sie da mitgestimmt und waren nicht dagegen, und die ÖVP war auch dabei. Was ist mit diesen Menschen, die um 400 oder 500 Euro im Monat weniger haben? (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Ist das dann vielleicht ein bisschen Altersarmut? In diese Falle tappen die Menschen hinein! Ihr wart dafür. Das ist ein Widerspruch in sich. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat sich in seiner super Art heute hierhergestellt und gesagt, dass es ganz wichtig ist, dass wir Respekt vor Politikern haben, dass wir darauf achten


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sollen, dass wir keinen beleidigen und dass wir einander immer respektvoll auf Augen­höhe begegnen sollen. – Ich erinnere allerdings daran: Was hat er vor wenigen Wochen getan? – Wir alle wissen es noch: Er hat Bundesminister Anschober, als dieser damals im Spital gelegen ist, ausrichten lassen, dass sein höchster Beamter, nämlich Herr Auer, nichts zusammenbringt. Herr Bundesminister Anschober war im Spital und konnte sich nicht einmal wehren. Das ist der Respekt des Herrn Bundeskanzlers Kurz? Das ist doch kein Respekt! Das ist letztklassig! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Man kann immer diesen Ablauf beobachten: Er stellt sich – fast wie bei einer Presse­konferenz – hierher und betet uns vor, welche rosige Zukunft es in Österreich geben wird, was sich da so alles abspielen wird und wie toll das sein wird. Dabei vergisst er aber ganz, wo er heute ist. Er ist nicht im Nationalrat, er ist nicht irgendwo im Euro­päischen Parlament, sondern er ist heute im Bundesrat. Was aber hat er heute nicht gemacht? – Er hat sich in der Länderkammer nicht bei seinen Bundesländern bedankt. Er hat sich nicht für diese großartigen Leistungen bedankt, die die Bundesländer jetzt vollbringen. Ich glaube, dazu haben wir alle eine Meinung: Unsere Bundesländer und unsere Landeshauptleute, egal ob rot oder schwarz, erbringen gute Leistungen, und daher gehört diesen einmal Dank ausgesprochen! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat nichts zu den Gemeinden gesagt. Er hat nichts zu den Bür­ger­meistern gesagt. Er hat heute keine Rettungsorganisation – keinen Samariterbund, kein Rotes Kreuz – erwähnt, er hat das Bundesheer nicht erwähnt. Er hat jene, die sich wirk­lich jeden Tag bemühen, um das Land wieder auf Vordermann zu bringen, nicht erwähnt.

Und was unsere Bundesländer betrifft, so sage ich ganz im Vertrauen, Herr Bundes­kanzler: Seien wir froh, dass die Bundesländer vor wenigen Monaten das Ruder über­nom­men haben. Ich glaube nämlich nicht, dass das mit den Impfungen sonst so verlau­fen wäre und wir so gut dastehen würden, wie wir momentan dastehen.

Als Bundesrat des Burgenlandes darf ich das Burgenland erwähnen: Wir liegen bei den Impfungen jetzt schon bei knapp 30 Prozent. Wir haben die besten Inzidenzzahlen von ganz Österreich. Meine Frage: Wer hat das gemacht? – Nicht Landeshauptmann Doskozil! Er würde nie sagen, dass er das allein im Burgenland getan hat. Nein, er hat das mit der Bevölkerung im Burgenland gemacht. Die Bevölkerung ist in den letzten Wochen mitgezogen, und deshalb stehen wir im Burgenland so gut da. Darauf bin ich sehr, sehr stolz, und das ist auch der Grund, warum ich heute herausgekommen bin. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, jetzt sind Sie ja wieder da: Ich möchte Ihnen noch einmal gra­tulieren. Ich wünsche Ihnen alles Liebe und Gute für die nächste Zeit und die wichtigen Aufgaben, die auf Sie zukommen! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.26

11.26.25


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Karl Bader, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Ärztemangel bekämpfen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (347/E-BR/2021)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 49

11.27.09Aktuelle Stunde


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Breitband-Turbo für Österreich: 1,4 Milliarden Euro für den raschen Ausbau digitaler Infrastruktur“

mit Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger, die ich an dieser Stelle recht herzlich im Bundesrat willkommen heißen darf. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise des­sen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgen wiederum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend eine Wort­meldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils 5 Minuten Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass seine Redezeit entsprechend der Vereinbarung in der Prä­sidialkonferenz 10 Minuten beträgt. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.28.24

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Seit 15 Mo­naten kämpfen alle Länder der Welt und auch wir in Österreich – in den Bundesländern beziehungsweise tatsächlich in jeder Gemeinde sowie der überwiegende Teil unserer Bevölkerung – durch das Einhalten notwendiger Maßnahmen gegen die Coronapan­demie. Ich getraue mir heute zu behaupten, das geschieht mit großem Erfolg. Die Zahl der täglich neu Infizierten geht seit Wochen deutlich zurück. Die Zahl der Genesenen steigt Gott sei Dank, und jeden Tag erhöht sich der Schutz durch viele Impfungen.

Wir – und damit meine ich wirklich ganz Österreich mit seiner Bundesregierung – sind, was uns, wie ich glaube, alle freuen sollte, an einem Punkt angelangt, an dem wir die Fesseln der Coronapandemie bald abschütteln können und uns neben der Krisen­be­wältigung mit den wesentlichen Themen der Zukunft, die auch zu einem großen Teil der Pandemie geschuldet sind, beschäftigen können.

„Breitband-Turbo für Österreich: 1,4 Milliarden Euro für den raschen Ausbau digitaler Infrastruktur“ – liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die richtige Ansage für eine Aktuelle Stunde. Schnelles Internet, Breitbandausbau, Digitalisierung sind die Zukunfts­themen schlechthin. Sie werden darüber entscheiden, ob wir im Speziellen dem länd­lichen Raum in seiner Vielfalt und wirtschaftlichen Stärke Zukunft geben oder nicht.

Es wurde uns in der Vergangenheit ganz klar aufgezeigt, wie wichtig eine funktio­nie­rende digitale Infrastruktur für unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben ist. Unser Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Städte und Regionen in ganz Österreich hängen unmittelbar mit einer zeitgemäßen digitalen Verbindung in eine globale Welt zusammen.

Das Ziel unserer Bundesregierung ist ein sehr ambitioniertes: Bis 2030 soll eine flächen­deckende Versorgung mit festen und mobilen gigabitfähigen Anschlüssen sichergestellt werden. Im Ministerrat wurde das größte Breitbandprojekt mit 1,4 Milliarden Euro bis


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 50

2026 vor allem für ländliche Regionen beschlossen. – Das ist mutige Politik mit Ent­schlossenheit und klaren Zielen!

Ich möchte mich bei dir, liebe Frau Bundesminister, und bei der Bundesregierung für diese Offensive sehr, sehr herzlich bedanken.

Finanziert wird dieses Paket mit 890 Millionen Euro aus dem Resilienzfonds der EU, die Österreich beantragt hat. 390 Millionen Euro kommen von zweckgebundenen Erlösen der Frequenzvergaben aus Auktionen aus den Jahren 2019 und 2020, 166 Millionen Euro sind bereits im aktuellen Budget vorgesehen.

Unser Augenmerk gilt im Besonderen dem ländlichen Raum, um Abwanderung zu vermeiden, um eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. In Salzburg konnte bis 2020 eine nahezu flächen­deckende Versorgung mit hochleistungsfähigen Breitbandanbindungen erzielt werden. Salzburg ist aufgrund des funktionierenden privatwirtschaftlichen Ausbaus und zahl­reicher Förderprojekte das bestversorgte Bundesland Österreichs. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Dies ist natürlich für die allgemeine Wirtschaft, aber im Besonderen für eine stark ausgeprägte Tourismuswirtschaft wie in Salzburg von größter Bedeutung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei Beispiele aus meiner Nachbar­gemeinde Hüttschlag bringen, einer Gemeinde mit circa 950 Einwohnern. Es gibt in den Gemeinden viele junge Menschen, die auf der Suche nach Wohnungen, nach Eigentum, nach Arbeitsplätzen sind. Eine Wohnung zu kaufen oder zu mieten, ein eigenes Haus zu bauen, ist nur mit einer zeitgemäßen Infrastruktur möglich.

Ich kenne eben in Hüttschlag Häuslbauer, die während des Baus vor fünf, sechs, zehn Jahren noch nicht einmal Handyempfang hatten. Jeder, der sich am Bau nur ein bisschen auskennt, weiß, wie oft man an einem Tag zum Telefon greifen muss.

Betriebsgründungen ohne schnelles Internet sind heutzutage logischerweise undenkbar. In besagter Gemeinde haben sich vier Jungunternehmer zusammengeschlossen, einen Grund erworben und sind jetzt dabei, ein gemeinsames Firmengebäude zu errichten. Diese Unternehmer sichern durch viel Fleiß und Optimismus, durch mutige Investitionen in die Zukunft 30 Arbeitsplätze. In der Regel sind davon 25 bis 30 Familien betroffen – und dies in einer kleinen Gemeinde!

Das letzte Breitbandförderprojekt, dotiert mit 1 Milliarde Euro, hat schon gezeigt, wie notwendig und richtig solche Investitionen sind, und diese als Beispiele angeführten Projekte haben einen schnellen Internetanschluss bekommen.

Solche oder ähnliche Beispiele gibt es in vielen Gemeinden, die Bürgermeister wissen davon sicherlich zu berichten. Wir als Politiker sind verpflichtet, der Jugend Perspektiven und Rahmenbedingungen zu geben, damit sie ihre Pläne und Ideen auch umsetzen kann. Für die Gemeinden bedeutet das weniger Auspendler, dass der Standort gesichert wird; auch der Bildungsbereich und die Kinderbetreuung im Kindergarten können so abgesichert werden.

Was auch wesentlich und sehr positiv ist: Die Menschen sind stark mit ihrer Heimat­gemeinde verbunden und wollen dort sesshaft bleiben. Dies hat wiederum für das gesell­schaftliche Zusammenleben in einer Gemeinde, für das Vereinsleben, für das Ehrenamt, einfach für alle Gemeindebürger und für das Zusammenwirken in der Gemeinde, starke positive Auswirkungen.

Jetzt geht es darum, mit dem neuen Förderpaket entlegene Wohnstandorte, Tourismus- und Handwerksbetriebe, aber auch die landwirtschaftlichen Betriebe mit der digitalen


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Welt zu verbinden. Schnelles Internet macht es möglich, direkt zu Hause Arbeitsplätze zu schaffen. Wer hätte sich das vor zehn Jahren gedacht?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist mir noch besonders wichtig: Es gibt sehr viele Menschen, die durch die Pandemie in irgendeiner Form stark belastet sind. Ich bin zutiefst überzeugt, dass eine mutige Politik mit Optimismus, mit Zuversicht, mit Haus­verstand und dem positiven Glauben an eine gute gemeinsame Zukunft für die Men­schen in unserer wunderschönen Heimat wesentlich zu einer schnelleren Gesundung beiträgt. Also: Nehmen wir die Zukunft in die Hand, gestalten wir gemeinsam für uns Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.37


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Günther Novak. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.37.12

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren zu Hause! Die Digita­lisierung mit ihren neuen Kommunikationstechnologien, die die schnellere Verbreitung von Informationen ermöglicht, ist längst Teil unseres täglichen Lebens geworden, wie es auch Herr Gfrerer schon gesagt hat. Sie verändert Gesellschaft, Politik und Wirtschaft beinahe täglich: egal ob Homeoffice, Homeschooling oder einfach nur Videostreaming am Abend. Das vergangene Coronakrisenjahr hat diesen Prozess noch gewaltig be­schleunigt.

Die unabdingbare Basis dafür ist aber eine entsprechende Infrastruktur, und die ist in Österreich bei Weitem – und das sage ich jetzt noch einmal: bei Weitem – nicht auf dem gewünschten Stand, schon gar nicht in ländlichen Regionen. Leider zeigt die aktuelle Situation, dass gerade dort ein professionelles Homeoffice oder digitales Lernen oft an den zu geringen Bandbreiten scheitert. Dabei ist uns allen klar, dass Digitalisierung eine Vielzahl von Chancen in nahezu allen Lebensbereichen bietet: Sie ermöglicht neue Arbeitsplätze, verhindert die Abwanderung – was wir gerade in den Tälern so bitter notwendig haben – und bringt neue Möglichkeiten in der Bildung, in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen.

Unternehmen, Gemeinden, Schulen und alle Bürgerinnen und Bürger brauchen eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur, um den Anschluss an die Zukunft nicht zu verlieren. Diese Gefahr ist in Österreich durchaus reell. Es zeigt sich leider, dass Österreich im europäischen Vergleich nicht einmal im Mittelfeld liegt, sondern zu den Schlusslichtern gehört, was die Versorgung mit schnellem – mindestens 30 Mbit pro Sekunde oder mehr – oder ultraschnellem Internet – mindestens 100 Mbit pro Sekunde – angeht. Wir liegen an der 24. Stelle von 28 EU-Ländern. Nur 7 Prozent der Bevölkerung in Österreich haben Zugang zum Glasfasernetz! Das ist eigentlich unvorstellbar.

Die bisher verfolgte Strategie der österreichischen Bundesregierung, auf Wettbewerb zu setzen, die Firmen dazu einzuladen und darauf zu vertrauen, dass dieser Ausbau dadurch vorangetrieben wird, hat sich als Irrtum herausgestellt.

Ich kann nicht alles so positiv darstellen, wie es Herr Gfrerer getan hat. In vielen Regio­nen in Österreich rechnet sich der Ausbau ganz einfach nicht. Diese Regionen dürfen nicht einfach dem Markt überlassen werden. Es liegt da ganz deutlich in der Verant­wortung des Staates, für ein Gleichgewicht und für eine Gleichbehandlung der Lebens­räume zu sorgen. (Beifall bei der SPÖ.) Meine Kollegin Hahn wird später noch Näheres dazu sagen und detaillierter darauf eingehen.

Wenn die Regierung nun im Museumsquartier mit Bundeskanzler und allem Pipapo ein großes Breitbandausbauprogrammpaket mit Mitteln in der Höhe von 1,4 Milliarden Euro


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bis 2026 ankündigt, so kommt dies nicht nur reichlich spät, sondern es zeigt auch deutlich, dass die bisher immer kolportierte Breitbandmilliarde in Wahrheit nicht existiert hat, weil diese nicht budgetiert wurde (Heiterkeit der Bundesministerin Köstinger– das sollte man bei dieser Gelegenheit auch einmal sagen; da gibt es nichts zu lachen! –, denn 900 Millionen Euro von diesen 1,4 Milliarden Euro sollen aus dem österreichischen Anteil des Wiederaufbaufonds kommen, also aus den 3,4 Milliarden Euro, die da zur Verfügung gestellt werden.

Dazu muss man dann vielleicht noch eines sagen, weil das auch teilweise in der Zeitung gestanden ist: Man muss wissen, dass dieses 600 Seiten umfassende Kunstwerk – ich nenne es das Opus Magnum – schlussendlich ohne Einbindung der Sozialpartnerschaft, ohne Einbindung der Länder und ohne Einbindung der Menschen entstanden ist. Nach Wochen der Geheimniskrämerei wurde oft genug verlangt, einmal zu verdeutlichen, was da eigentlich so von der EU gefordert wird.

Der Rest von diesen 1,4 Milliarden Euro kommt aus der Zweckbindung der Erlöse der Frequenzvergaben. Die sind jedoch wesentlich geringer ausgefallen als man erwarten durfte: 187 Millionen Euro waren es aus der Auktion 2019, 202 Millionen Euro aus der Auktion 2020. Nun vergleichen wir das einmal mit Deutschland: 2020 erzielte Deutsch­land 6,6 Milliarden Euro. Bei uns fehlt es da hinten und vorne an Kohle; das kann man halt nicht verniedlichen, es ist einfach so. (Heiterkeit der Bundesministerin Köstinger.)

Das Geld der EU sollte als wichtige zusätzliche Konjunkturbelebung genutzt werden, meine Damen und Herren. Wenn wir uns das nun genau anschauen, zeigt sich, dass das eigentlich zum Füllen von Budgetlücken hergenommen wird. Was heißt das? – Das heißt, eingereicht wurden zu 90 Prozent alte Projekte, keine neuen, in die Zukunft gerichteten Projekte, die die Wirtschaft jetzt nach Corona stärken, nachhaltig und inten­siv ankurbeln könnten.

Das ist die Situation – ich weiß schon, dass das nicht in die Öffentlichkeit hinausdringt. Nun von einem Breitbandturbo zu sprechen, Frau Bundesministerin, kommt also reich­lich spät und ist falsch. (Bundesrat Spanring: ... das ist derselbe Schmäh! – Heiterkeit der Bundesministerin Köstinger.) Sie haben es bis heute verschlafen. Ich hoffe, dass wir das, was für die Zukunft versprochen wird, in weiterer Folge umsetzen können. (Beifall bei der SPÖ.)

11.43


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte schön.


11.43.45

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Der nächste Regierungsturbo, nun mit dem Namen Breitband. Bis 2026 sollten 1,4 Milliarden Euro für die digitale Infrastruktur bereitgestellt werden, um den Breitbandausbau zu beschleunigen. Dass eine leistungsfähige digitale Infrastruktur teilentscheidend für Österreichs Wiederaufbau nach dem türkis-grünen Desaster ist, ist unumstritten.

Nicht erst das letzte Jahr hat gezeigt, wie wichtig schnelles Internet für uns alle im Alltag ist: Homeschooling, Homeoffice, Videokonferenzen, Einkaufen, Amtswege. Durch die türkis-grüne Einsperroffensive mit dem Namen Corona haben sich die Anforderungen an unsere digitale Infrastruktur mit einem Schlag massiv erhöht.

Unter dem von Türkis-Grün angekündigten sogenannten Ausbauturbo, welcher sich hoffentlich nicht wieder als PR-Gag herausstellt, stellen wir Freiheitliche uns nicht vor, dass dieser wieder nur ein Starthilfespray für den Langhubdiesel ist, der laut der Frau


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 53

Bundesministerin genau zur richtigen Zeit kommt. Zusätzlich ergänzte der Kanzler bei der Pressekonferenz: „Noch nie wurde mehr Geld in den Breitband-Ausbau investiert, als mit diesem Paket.“ – Zu den Details komme ich später noch.

Es wäre wichtig und richtig, anstatt der vielen türkis-grünen Pressekonferenzen, des Versendens von SMS-Nachrichten und Beidlgate (Heiterkeit des Bundesrates Steiner) zu arbeiten, aber nicht auf Kosten der österreichischen Bevölkerung den nächsten Turbo­schaden zu produzieren. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

Jedes Mal, wenn die Regierung etwas verschläft, benötigt man anschließend einen Turbo: Die türkis-grüne Regierung hat unsere Wirtschaft zerstört. Da helfen auch die Turbozündungsankündigungen über die Förderschiene nicht, da die Förderungen bei vielen Wirtschaftstreibenden zu spät oder gar nicht ankommen.

Die türkis-grüne Regierung hat sich schuldig gemacht, da sie die besonders gefährdeten Personengruppen nicht ausreichend geschützt hat. Die türkis-grüne Regierung hat es nicht zustande gebracht, für die Personen, die sich impfen lassen wollen, ausreichend Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Anschließend benötigte es den Impfturbo.

Die türkis-grüne Regierung hat es auch im Hinblick auf das Thema der heutigen Aktuellen Stunde nicht zustande gebracht, zur richtigen Zeit – ich möchte daran erinnern, dass der Kalender für den heutigen Tag den 6. Mai 2021 festhält – die neuen öffentlichen Fördermittel – bis spätestens 31.12.2020 – zu fixieren, die neuen Förderrichtlinien in Konsultation zu schicken und der EU zur Notifikation zu übermitteln. Darum benötigte die türkis-grüne Regierung – im Wissen, dass der Ausbau seit fast einem Jahr aufgrund der fehlenden Richtlinien stockt – auch beim Breitbandausbau einen Turbo.

Kaufhausturbo, Impfturbo, Breitbandturbo und so weiter – jeder Mechaniker, der so mit der Wartung der Turbos umgeht, wäre schon längst fristlos entlassen! (Beifall bei der FPÖ.)

Für uns Freiheitliche muss gewährleistet sein, dass die Bevölkerung gleiche Chancen hat – in ländlichen Gebieten genauso wie in Ballungsräumen. In der ausgelaufenen Breitbandstrategie 2020 hatte sich die österreichische Bundesregierung in der Periode 2008 bis 2013 das Ziel gesetzt, möglichst vielen Menschen die Teilhabe an der Wissens- und Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu ermöglichen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür stellt unter anderem ein gut ausgebautes Breitbandnetz dar.

Zielsetzung und Aufgaben von damals: „Die Infrastruktur der Informationsgesellschaft wird künftig eine noch zentralere Rolle für eine wirtschaftlich erfolgreiche und nachhaltig stabile Volkswirtschaft spielen und damit auch eine große Bedeutung für die Aufrecht­erhaltung von Wohlstand und sozialem Zusammenhalt haben.

Daher müssen wir die Voraussetzungen schaffen, damit Österreich zu den besten Län­dern aufschließen kann, und eine nahezu flächendeckende Verfügbarkeit von Breitband-Hochleistungszugängen erreichen.“

Die damals gesetzten Ziele waren:

„Bis 2013 sollen die Rahmenbedingungen für die Versorgung der Bevölkerung mit 25 MBit/s erreicht sein.

Bis 2018 sollen in den Ballungsgebieten (70 Prozent der Haushalte) ultraschnelle Breitband-Hochleistungszugänge zur Verfügung stehen.

Bis 2020 soll eine nahezu flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit ultra­schnellen Breitband-Hochleistungszugängen erreicht sein.“

Nun zum aktuellen Stand der Breitbandversorgung: Fast alle der rund 3,9 Millionen österreichischen Haushalte haben bereits eine Grundversorgung mit Festnetzbreitband.


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89 Prozent davon sind schneller als 30 Mbit pro Sekunde. Ultraschnelle Anschlüsse über 100 Mbit pro Sekunde sind bereits für 80 Prozent der Haushalte verfügbar und 43 Prozent verfügen sogar über gigabitfähige Anschlüsse. (Heiterkeit der Bundesminis­terin Köstinger.) Prinzipiell würden sich die Werte nicht ganz so schlecht anhören, nur leider werden durch die Einmeldepflicht auch die Kupfernetze (Zwischenrufe der Bundesräte Novak und Steiner) eingemeldet und dadurch in der Theorie positive Werte erzielt, die aber in der Praxis nicht haltbar sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rätInnen der SPÖ.)

Nun zu einigen Details des Breitbandförderungspaketes, welches prinzipiell positiv zu werten ist: Bis 2026 werden, wie zuvor auch schon von den Kollegen erwähnt, insgesamt 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Diese neuen Mittel bestehen aus 891 Millio­nen Euro aus dem Resilienzfonds der EU, weiteren 166 Millionen Euro aus dem Budget und weiters aus Geldern aus der Zweckbindung der Erlöse der Frequenzvergaben von 2019 und 2020 in der Höhe von 389 Millionen Euro.

Die nächsten Schritte im Breitbandausbau – spät, aber doch –: Da nun die öffentlichen Fördermittel fixiert werden, wurden die neuen Förderrichtlinien, anhand derer das Geld vergeben werden soll, in Konsultation geschickt. Es ist geplant, sie anschließend der EU zur Notifikation zu übermitteln.

Parallel wird an einer Novelle des Telekommunikationsgesetzes gearbeitet, um mög­lichst investitionsfreundliche Maßnahmen für den privatwirtschaftlichen Ausbau von festem und mobilem Internet zu schaffen.

Außerdem wurde kürzlich die Plattform Internetinfrastruktur Austria 2030 ins Leben gerufen, die dazu dient, den Breitbandausbau zu koordinieren und zu beschleunigen. Ein­gebunden sind Bundesländer, Gemeinden und der private Sektor. Die Plattform soll bestehende Initiativen bündeln und dafür sorgen, dass die Synergien bestmöglich genutzt werden können. Ein für mich wesentlicher Punkt, der verbesserungswürdig wäre, ist die maximale Förderquote von 65 Prozent, welche mit Landesmittel auf 75 Pro­zent erhöht werden kann. Zuzahlungen von Gemeinden in der Größenordnung von 25 Pro­zent werden den gewünschten Turboeffekt nicht erreichen, womit wir wieder beim Diesel­vergleich wären, jenem des Turbodiesels mit der alten Langhubsaugdiesel­techno­logie.

Ich denke, man sollte zusätzlich auch die Möglichkeit schaffen, zum alten, ausgelau­fe­nen Programm, dem sogenannten Leerrohrprogramm für den Glasfaserkabelausbau, zurückzukehren und es in das neue Programm übernehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zuzahlungen von Gemeinden dürfen in der Bandbreite von 0 bis 10 Prozent liegen.

Zum Schluss komme ich zu den Themen Technologieneutralität, Glasfaser und 5-G –oder in Zukunft 7-G, 8-G und so weiter –: Obwohl in den letzten Jahren in vielen Regio­nen schon einiges passiert ist, haben wir bei den Glasfaseranschlüssen bis ins Haus noch immer einen sehr großen Aufholbedarf. Schnelle Internetverbindungen sind wich­tige Zukunfts- und Standortfaktoren für die Menschen in all unseren Gemeinden. Wer in diese wichtige Infrastruktur nicht investiert, verliert den Anschluss an die Zukunft und die Welt. Der flächendeckende Breitbandausbau braucht jetzt gewaltige Anstren­gungen, die wir rasch gemeinsam in Angriff nehmen müssen.

Glasfaser ist nicht nur ein wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge, sondern die Autobahn des 21. Jahrhunderts. Im Fokus des Ausbaus müssen die Stärkung des ländlichen Raums und gleichwertige Lebensbedingungen für alle Menschen in Österreich stehen.

Wenn man bei diesem Thema die Nachhaltigkeit berücksichtigt, sollte man den Glas­faserausbau mit einem Turbo unterstützen und nur für die Lückenschlüsse für 5‑G- und andere höherwertige Netze verwenden. (Beifall bei der FPÖ.)

11.52



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 55

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.53.01

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben – und ich glaube, das eint uns alle – im letzten Jahr die Digitalisierung und die Notwendigkeit von Digitalisierung live miterlebt. Wir alle kennen das wahrscheinlich: Wenn man mit Teilnehmern aus ganz Österreich eine Videokonferenz abgehalten hat, sah man relativ gut, welche Regionen ganz gut mit Breitband ausgebaut sind und wo es Schwierigkeiten gibt. Erkenntlich war dies an Bitten wie: Kannst du bitte einmal deine Kamera abschalten, damit wir dich gut hören!, und ähnliche Dinge. Ich glaube, wir kennen das mittlerweile alle, und so konnten wir auch sehen, dass es noch Regionen gibt, wo Nachholbedarf besteht.

Dies ist ein Thema, das uns, glaube ich, verfolgt. Ich bin 2011 zum ersten Mal in den Bundesrat gekommen. Dieses Thema verfolgt uns als Länderkammer, die vor allem in die Regionen schaut, logischerweise in einem ganz besonderen Ausmaß. Wir haben darüber schon viel diskutiert, und deswegen ist es immer dann erfreulich, wenn auch wirklich etwas passiert.

Ich verstehe meine Vorredner schon, es gibt immer Dinge, die man kritisieren kann, das ist auch richtig so, das muss man auch machen, aber 1,4 Milliarden Euro – he, Leute! – sind ja wirklich nicht Nichts! 1,4 Milliarden Euro sind sehr, sehr viel Geld!

Zum Digitalisierungsturbo, der jetzt notwendig ist: Die Notwendigkeit ist aus der Gesell­schaft selbst entstanden. Das wollte ich gerade ansprechen: Wir diskutieren die Digitali­sierung schon sehr lange, die Pandemie aber hat dazu geführt, dass die Leute tatsächlich gezwungen waren, zu lernen, die Digitalisierung in Anspruch zu nehmen. Dabei sieht man natürlich die großen Chancen, aber auch, wo es technische Schwierig­keiten gibt.

Übrigens ist das nicht nur in der Wirtschaft so, das ist auch im Privatleben so. Unsere Familie zum Beispiel hat jetzt einen Fixtermin, wir haben einmal im Monat unseren Familienzoom – und das werden wir auch nach der Pandemie beibehalten. – So geht es vielen Österreicherinnen und Österreichern.

Die Notwendigkeit der Digitalisierung betrifft im Grunde alle Bereiche. Ich habe mir, weil wir die Tourismus- und Landwirtschaftsministerin hier im Bundesrat haben, diese zwei Themen bewusst angeschaut.

Im Tourismus ist die Digitalisierung eine ganz große Notwendigkeit, wie es mir ein Wiener Hotelier einmal gesagt hat. Er erzählte: Ich muss mittlerweile schon auf der Website schreiben, wie viele Megabit in der Sekunde im Hotelzimmer angeboten wer­den, weil die Leute danach fragen! Es ist mittlerweile so wichtig wie Wasserversorgung und Strom, dass es ein gutes Internet gibt.

Im Bereich des intelligenten Tourismus werden Echtzeitdaten auch eine ganz wichtige Rolle spielen, zum Beispiel bei überlaufenen Ausstellungen: Gibt es Slots, kann ich hinein, wenn ich gerade dort stehe?; in Seilbahnen: Gibt es gerade Plätze in Seilbahnen? Nebenbei bemerkt spart man sich damit auch lange Warteschlangen und frustrierte Gäste. Mit intelligenten Systemen ist es möglich, für die Zukunft des Tourismus sehr viel zu erreichen, und es gibt zum Glück auch einen Innovationhub, die Initiative Next Level Tourism Austria, wo zum Beispiel genau diese Digitalisierungsfragen im Tourismus diskutiert werden.

Ähnlich ist es in der Landwirtschaft – aber da kennen sich Kollege Lackner, Kollege Preineder und viele andere besser aus als ich –: Precision Farming oder Smart Farming


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 56

sind Begriffe, die man vor einigen Jahren noch gar nicht kannte, die aber jetzt ganz wichtige Themen in der Landwirtschaft sind, denn Robotik, künstliche Intelligenz und vor allem aber aktuelle Daten – Geodaten, Umweltdaten – sind auch für die Landwirtschaft eine ganz, ganz wichtige Sache.

1,4 Milliarden Euro, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sind schon was! – Ich weiß, für den Ausbau von Glasfaser – und Glasfaser ist eine teure Technologie – muss man viel Geld in die Hand nehmen. Das ist uns allen bewusst. Es ist erfreulich – der Kollege von der FPÖ hat die Daten ja auch genannt –, dass von den 3,9 Millionen Haushalten in Österreich 89 Prozent ein schnelleres Internet als 30 Megabit pro Sekunde haben – das ist nicht Nichts. (Bundesrat Novak: Kupfer!) – Ich bin noch nicht fertig! – Die Kupfer­technologie war die Technologie von gestern, das ist richtig. Wenn man in die Gigabit­society gehen will – und das wollen wir –, dann müssen wir – das wissen wir und deshalb machen wir das ja auch; deswegen heißt es, nebenbei bemerkt, auch Glasfaserausbau – Geld in die Hand nehmen, und genau das tun wir jetzt. Das ist ein Riesenschritt, das muss ich schon festhalten.

Was ich auch sagen will: Die Investitionen, die wir jetzt tätigen, sind entscheidend dafür, wie wir aus der Krise kommen. Ich nenne zum Beispiel nur die Investitionsprämie, die wirklich eine Erfolgsgeschichte ist. Ganz Europa schaut auf uns und fragt: Wie macht ihr das in Österreich, wie habt ihr es geschafft, dass die Betriebe so viel in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Lifesciences, also Gesundheitsförderung, investieren? (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Digitalisierung ist tatsächlich ein ganz, ganz entscheidender Bereich, denn sie erleichtert das Leben übrigens nicht nur für Unternehmer und Unternehmen, sondern auch für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. In sie zu investieren und so aus der Krise herauszuinvestieren ist einfach eine ganz, ganz wichtige Sache.

Dazu haben wir nicht nur diese 1,4 Milliarden Euro, die wir jetzt in die Digitalisierung und in den Breitbandausbau stecken, wir wollen auch sehr viel in den Klimaschutz inves­tieren. Zusätzlich gibt es den Resilienzfonds und den Wiederaufbaufonds der Europä­ischen Union. 891 Millionen Euro von diesen Digitalisierungsinvestitionen, die wir täti­gen, haben wir der europäischen Zusammenarbeit zu verdanken, und ich halte es für ganz wichtig, dass wir das auch sagen.

Das Anlaufen der Wirtschaft nach der Krise ist eine ganz wichtige Sache. Die Digitalisie­rung ist eben ein Beispiel, der Klimaschutz ein anderes, wo wir sehr viel investieren wollen. Ich möchte aber schon auch auf eine Aktion hinweisen, die eben gestern prä­sentiert worden ist: die Aktion Sprungbrett. Auch das ist eine Investition, die wir tätigen werden, um 50 000 Menschen, die jetzt noch ohne Perspektive sind, eine Perspektive zu geben.

Mir ist es auch wichtig, dass man das zusammen sieht: Wir schauen, wo die Zukunfts­themen sind und wo wir hinein müssen, um auch klug aus dieser Krise herauszu­kommen. Wie gesagt, Digitalisierung und Breitband sind dabei ein ganz wichtiger Faktor. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.00


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Für eine erste Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elli Köstinger. Ich erteile es ihr. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten bitte nicht überschreiten.


12.00.58

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzte Damen und Herren im Bunde­srat! Ich freue mich sehr, heute in der Aktuellen Stunde zum Thema Breitbandausbau im Hohen Haus


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 57

Gast sein zu dürfen. Bitte erlauben Sie mir, auch etwas Verwunderung über die Aus­führungen des Herrn Bundesrates Günther Novak kundzutun. Schaut man sich nämlich die Geschichte des Breitbandausbaus an, so zeigt sich, dass bis zum 18. Dezember 2017 eigentlich fast durchgängig ein SPÖ‑Infrastrukturminister oder eine SPÖ-Infra­strukturministerin dafür zuständig war. Im Umkehrschluss macht es dann auch wieder Sinn, heute falsche und alte Zahlen bezüglich Gigabitversorgung in Österreich vorzu­legen, weil das ja eben auch auf diese Zeit zurückzuführen ist.

Die Fortschritte – das sage ich auch ganz ehrlich dazu – hefte nicht ich mir auf die Fahnen, sondern die gehen auf Infrastrukturminister Norbert Hofer zurück, der bereits 2018 im Förderbereich vieles umgestellt hat. Vonseiten der SPÖ ist mehrmals eben auch Kupfer genannt worden, diese Investitionen hat es in dieser Zeit nicht mehr gegeben. Es war vor allem auch Norbert Hofer, der die 5G-Auktion und damit eben auch die neue Technologie in diesem Land in Umsetzung gebracht hat. Das führt uns dazu – ich werde später noch darauf eingehen –, dass wir im Breitbandausbau in den letzten Jahren mittlerweile wirklich Fahrt aufnehmen konnten und die Versorgung um ein Vielfaches besser ist und vor allem eben auch schneller funktioniert.

Geschätzte Damen und Herren im Bundesrat! Wir haben im Rahmen der Regierungs­klausur in der letzten Woche das größte Investitionspaket beschlossen, das es jemals im Bereich Breitband gegeben hat: 1,4 Milliarden Euro – frisches, neues Geld – werden bis zum Jahr 2026 zur Verfügung stehen und vor allem massiv in den Ausbau in den ländlichen Regionen fließen. Es ist auch bereits angesprochen worden, dass es vor allem die ländlichen Gebiete sind, wo der Ausbau natürlich um ein Vielfaches kosten­intensiver ist und in denen auch die Besiedlungsdichte bei Weitem nicht so groß ist, dass sich das in irgendeiner Art und Weise in ein Geschäftsmodell überführen lässt. Für uns als Bundesregierung jedoch, vor allem auch in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, ist es das oberste Ziel, in diesem Land Chancengleichheit herzustellen, damit es keinen Unterschied mehr macht, ob ich mein Büro irgendwo am Bezirksrand von Schärding oder in der Wiener Innenstadt habe. Es muss überall eine gleichwertige Internetversorgung sichergestellt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir zünden damit den Breitbandturbo. Die Mittel werden vonseiten der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt: 891 Millionen Euro kommen aus dem  Resilienzfonds der Euro­päischen Union, der uns eben auch für die wirtschaftliche Unterstützung zur Verfügung steht. Das alles folgt natürlich auch dem  Comebackplan der österreichischen Bundes­regie­rung. Wir befüllen das wirklich mit konkreten Projekten, vor allem vor Ort in Ihren Gemeinden und Bundesländern.

Ein ganz entscheidender Budgetbestandteil ist für uns auch die Zweckbindung der Erlöse aus den Frequenzvergaben. Wir haben erstmals seit 2018 5G-Auktionen in Öster­reich in Umsetzung. Die letzte 5G-Auktion erfolgte auch unter einem gänzlich neuen Design. Wir haben dabei die Frequenzauktion auch mit Versorgungsauflagen verknüpft. Das heißt: Ein Drittel des Ausbaus erfolgt im urbanen Bereich, und damit eben auch als Businesscase, und zwei Drittel des Ausbaus – für jene, die die Frequenzen ersteigert haben – müssen in den unterversorgten ländlichen Regionen erfolgen. Das ist zum einen schon einmal ein sehr großer Erfolg für die 5G-Auktion gewesen, und zum anderen haben wir jetzt auch neue Mittel für den Breitbandausbau. Das sind insgesamt 187 Mil­lionen Euro aus dem Jahr 2019 und 202 Millionen Euro aus dem Jahr 2020; 166 Millio­nen Euro nehmen wir aus dem aktuellen Budget.

Sie wissen, dass sich die Bundesregierung für den Ausbau sehr klare Ziele gesetzt hat: Bis 2030 wollen wir in ganz Österreich eine flächendeckende Versorgung mit festen oder mobilen Gigabitanschlüssen. Speziell das Thema 5G treibt uns sehr an. Das hilft uns auch in den ländlichen Regionen, diese letzten Kilometer in sehr oft auch entlegene


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 58

Gebiete zu schaffen. Wir werden damit auf jeden Fall die Chancen der Digitalisierung besser nutzen können.

40 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben in ländlichen Regionen. Da geht es primär um Chancengleichheit. Zum Zweiten ist natürlich Breitbandversorgung wettbe­werbsentscheidend: Industrie findet im ländlichen Raum statt. Industriebetriebe findet man nicht in Innenstädten, sondern sie sind eben sehr oft ein ganz wichtiger Arbeitgeber in den Regionen. Auch da ist die digitale Infrastruktur für uns eine wichtige Lebensader. Die Digitalisierung ist vor allem auch ein ganz wichtiger Baustein dafür, dass wir weiterhin eines der lebenswertesten Länder der Welt bleiben und die Lebensqualität bis in die kleinste Region erhöhen.

Österreich – das möchte ich abschließend feststellen – hat in den letzten Jahren wirklich Fortschritte gemacht. Seit 2015 haben wir über die Breitbandförderung des Bundes den Breitbandausbau in 1 284 österreichischen Gemeinden initiiert und damit rund 1,1 Millio­nen BürgerInnen einen Ausbau ermöglicht, der sonst aufgrund der zu hohen Kosten nicht durchführbar gewesen wäre. Wir haben insgesamt Investitionen in der Höhe von 2,3 Milliarden Euro ausgelöst – so viel auch dazu, dass dieses Geld auch ein wichtiger Konjunkturmotor ist.

Aktuell haben wir laut Versorgungsbilanz 43 Prozent der österreichischen Haushalte mit gigabitfähigen Anschlüssen ausgerüstet und für nahezu alle der rund 3,9 Millionen Haushalte besteht eine Grundversorgung mit Festnetzbreitband. Die Verfügbarkeit von Anschlüssen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 30 Megabit pro Sekunde liegt bei 89 Prozent der Haushalte, die Verfügbarkeit mit ultraschnellen Anschlüssen, die leis­tungsfähiger als 100 Megabit pro Sekunde sind, bei rund 80 Prozent, und gigabitfähige Anschlüsse, die schneller als 1 000 Megabit pro Sekunde sind, sind aktuell für 43 Pro­zent der Haushalte verfügbar.

Das zeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Breitbandförderung der Vergangenheit trotz der großen Unterschiede zwischen den Bundesländern und trotz der unterschiedlichen Ausbaumodelle, die jeder für sich verfolgt, schon gewirkt hat. Wir arbeiten aktuell an einer kompletten Neukodifizierung des Telekommunikationsge­set­zes. Wir stellen gemeinsam mit den Bundesländern die Breitbandförderung neu auf und wir zünden den Breitbandturbo mit 1,4 Milliarden Euro an neuem Geld für Breitband­investitionen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.08


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Ich danke der Frau Bundesminister für ihre Ausfüh­rungen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Fraktionsvorsitzender Karl Bader. – Bitte.


12.08.32

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren, die Sie diese Debatte via Livestream mitverfolgen! Für mich ist der heutige Tag ein besonderer Freudentag für die Länderkammer, für die Vertreter aus den Bundesländern und aus dem ländlichen Raum. Wir zünden den Breitbandturbo – das ist der Titel dieser Aktuellen Stunde, und in der Debatte hat, nach vielem Herumjam­mern am Beginn, sogar Kollege Bernard am Schluss zugegeben, dass es ein Turbo ist,


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 59

der hier gezündet wird. Dafür möchte ich der Frau Bundesministerin und der Bundes­regierung gleich vorweg recht herzlich danken (Beifall bei ÖVP und Grünen – Bundes­rätin Schumann: Danke! Danke!) und dazu gratulieren, dass es gelungen ist, mit der Breitbandmilliarde – tatsächlich sind es 1,4 Milliarden Euro – gemeinsam diesen Turbo zu zünden.

Das passt perfekt auch zum Comebackplan für Österreich: aus dieser Krise hinaus in die Zukunft dieses Landes.

Für mich ist es ganz besonders deshalb ein Freudentag, weil ein Schwerpunkt meiner Bundesratspräsidentschaft ja die Zukunft des ländlichen Raums war. Daher liegt mir die Aktion Breitbandausbau und Glasfaserausbau natürlich ganz besonders am Herzen.

Es ist eine der größten Herausforderungen für die Entwicklung des ländlichen Raums und damit auch für die Entwicklung des gesamten Landes, da die Chancen und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu erkennen und auch zu nutzen.

Genau das, meine Kolleginnen und Kollegen, macht die Bundesregierung mit diesem Breitbandförderpaket bis 2026, eben diesen 1,4 Milliarden Euro – das größte Breitband­förderprojekt dieser Republik. Das ist wirklich eine großartige Leistung, auch verbunden mit einer Novelle des Telekommunikationsgesetzes, um für privatwirtschaftlichen Aus­bau auch entsprechende investitionsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die flächendeckende Breitbandinfrastruktur ist unverzichtbar. Gemeinsam mit dem Thema Dezentralisierung, mit dem Thema Deregulierung ist das das Entscheidende, was den Standortfaktor betrifft, was den Standortfaktor für die Unternehmerinnen und Unternehmer draußen im ländlichen Raum betrifft und auch was die Standortqualität und damit die Lebensqualität vieler Familien betrifft. Wir haben es heute schon gehört und ich denke dabei natürlich insbesondere an die Themen Homeoffice, Homeschooling und so weiter. Gerade in der Pandemie hat das ja auch einen gewaltigen Schub bekommen und hier müssen wir auch entsprechend weitertun.

Die Mittel des Bundes allein werden nicht reichen. Es wird also auch notwendig sein, dass weitere Mittel aus den Ländern, aus den Gemeinden aufgestellt werden, weil das natürlich ein Thema der Daseinsvorsorge ist, das wir heute hier diskutieren, mit großer Leidenschaft und großer Freude diskutieren.

Niederösterreich beispielsweise – das möchte ich hier erwähnen und anführen – hat dazu auch ein neues Breitbandfördermodell aufgesetzt. Gemeinden und Land inves­tierten da 100 Millionen Euro, um weitere 115 000 Haushalte und Betriebe in peripheren Lagen mit Breitbandinternet zu versorgen. Da wird den Gemeinden auf die Bundes­förde­rung diese zusätzliche Förderung aufgezahlt, um gerade in geografisch abgeschiedenen Gebieten eine Breitbandversorgung sicherzustellen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist in einem Flächenbundesland wie Niederösterreich natürlich eine ganz besondere Herausforderung, der wir uns auch entsprechend stellen wollen.

Es ist eine wichtige Zukunftstechnologie, es ist aber auch ein Turbo für die regionale Wirtschaft. Der Glasfaserausbau ist auch Thema im Hinblick auf Beschäftigung und Wertschöpfungseffekte, allein für Niederösterreich erwarten wir 5 600 zusätzliche Arbeitsplätze.

Ich glaube, dass dieser Turbo ein enormer Schritt, eine große Chance für die Zukunft und ein ganz besonderes Bekenntnis zur Stärkung des ländlichen Raums und der länd­lichen Regionen ist. Der digitale Wandel ist voll im Gange, nutzen wir ihn, um den ländlichen Raum zu stärken!

Daher noch einmal ein herzliches Dankeschön, dass wir hier Vollgas geben, und viel Erfolg für dieses Projekt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.13



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 60

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Vizepräsidentin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.


12.13.24

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren zu Hause via Livestream! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit Desi beginnen, das ist Ihnen sicherlich ein Begriff: der Digital Economy and Society Index der Europäischen Kommission, also der Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft.

Dieser Index ist nämlich hochinteressant, denn wenn man jetzt die vorangegangenen Reden mitverfolgt hat und da den Jubelschreien sozusagen gefolgt ist, wird man schnell merken, dass Österreich in Wahrheit im europäischen Mittelfeld liegt und kein bisschen weiter vorne.

Desi untersucht immerhin fünf Bereiche, was die gesamte Digitalisierung betrifft. Allein in zwei von diesen Bereichen befindet sich Österreich etwas über dem EU-Durchschnitt, nämlich bei den Humanressourcen und bei den digitalen Diensten. Das heißt, wir schnei­den im europäischen Vergleich gut ab, was das E-Government betrifft, was Onlinever­fahren betrifft, Onlineformulare, digitale Ausweise und dergleichen – wir haben es heute schon gehört –, die Bürgerkarte beispielsweise, ebenso aber auch beim Humankapital. Da liegt Österreich eben erfreulicherweise deswegen über dem EU-Durchschnitt, weil wir, gerade was digitale Fähigkeiten und IT-Spezialisten, die wir in unserem Land haben, betrifft, sehr gut aufgestellt sind.

Was aber das Breitband betrifft, also die 4G-Abdeckung und insbesondere Netze mit sehr hoher Kapazität, ist Österreich – ja, kann man schon fast sagen – zwar nicht Schlusslicht, aber aus meiner Sicht ein Nachhilfeschüler. Mit Rang 22 von 27 besteht nicht nur aus meiner Sicht also noch wirklich großer Aufholbedarf. Dabei hat man bereits in der letzten Breitbandstrategie 2020 angekündigt, dass eine flächendeckende Versor­gung mit ultraschnellen Anschlüssen bis 2030 gewährleistet sein soll.

Ich muss auch darauf hinweisen, wir haben es heute auch schon gehört: Die Krise hat uns im vergangenen Jahr ganz, ganz deutlich vor Augen geführt, wie bedeutsam eine digitale Infrastruktur in Wahrheit für das Homeoffice, für Homeschooling et cetera ist. Ohne gute Bandbreiten ist dieses sinnvolle digitale Arbeiten nur schwer möglich und wirklich sehr, sehr mühsam für alle Betroffenen.

Sie können sich vielleicht nicht wirklich vorstellen, wie schwierig es ist, zum Beispiel eine Onlineunterrichtsstunde abzuhalten, wenn man ständig Dinge hört wie: Frau Lehrerin, ich kann Sie gerade nicht hören, mein WLAN ist so schlecht. Oder: Könnt ihr meinen Bildschirm sehen? Nein, schon wieder nicht? Oje! Meine Mama und mein Papa machen auch gerade Homeoffice, ich muss die Kamera abdrehen, denn sonst haut es mich aus dem WLAN. – Das sind Originaltöne, die ich tagtäglich in meiner Schulpraxis erleben darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei hat die Frau Ministerin noch Mitte Jänner ganz stolz präsentiert: Jeder zweite Haushalt ist mit 5G abgedeckt. – Ja, aber!, kann man da nur sagen. Ich habe mir den Breitbandatlas, der erst kürzlich – auch recht stolz – präsentiert und relauncht wurde, einmal ganz genau angeschaut, und ich komme – noch einmal eigentlich – zu einer Erkenntnis (eine Abbildung aus dem Breitbandatlas zum Mobilfunknetz in Österreich in die Höhe haltend): Nach superschnellem Internet sucht man besonders im Mobil­funk­netz vergeblich.

Ich habe mir das genauer angeschaut: Ich finde kein einziges Kasterl im Raster, keine Region mit einer Downloadrate von über 1 Gigabit, kein einziges Kasterl im gesamten öster­reichischen Bundesgebiet. Beim Festnetz schaut es etwas besser aus (eine Abbildung


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 61

aus dem Breitbandatlas zum Festnetz in Österreich in die Höhe haltend), aber auch da bestätigt sich das Bild des Desi: Aufholbedarf an allen Ecken und Enden. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt wollte ich es aber noch genauer wissen und habe bei mir zu Hause einmal einen Netztest durchgeführt. Es hat sich herausgestellt: Ich habe eine Downloadrate von 7,4 Megabit pro Sekunde und eine Uploadrate von 0,63 Megabit pro Sekunde. In Ampelfarben dargestellt wäre das gelb und rot.

Also ich bin jetzt nicht unbedingt die große Technikerin, aber ich habe das Gefühl: 5G und ultraschnell ist das nicht, ganz im Gegenteil. Ich wohne auch nicht irgendwo in der Peripherie, ich wohne im Speckgürtel von Wien. Also jetzt wundert es mich nicht, dass gerade das Homeschooling, der Videounterricht manchmal so schwierig durchzuführen ist, wie es inzwischen ist.

Auch auf der Homepage der Nögig, der Niederösterreichischen Glasfaserinfrastruktur GmbH, habe ich nachgeschaut: Wo ist denn in meiner Umgebung Glasfaser verfüg­bar? – Siehe da: in einer Gemeinde von 22 im gesamten Bezirk, in dem ich zu Hause bin.

Weshalb erwähne ich das alles? – Weil ich mir große Sorgen mache. Ich mache mir Sorgen, dass in Österreich eben nicht alle Menschen gleichermaßen Zugang zu digitaler Infrastruktur haben, Zugang zu Informationen, zu Medien haben und die Möglichkeit haben, im Homeoffice zu arbeiten. Ich mache mir Sorgen, dass der Digital Divide, also die digitale Kluft, noch weiter aufgeht.

„Der Standard“ hat auch darauf hingewiesen, dass diese 50 Prozent Netzabdeckung zwar vielleicht gegeben sind, aber genutzt werden sie nicht, abgerufen werden sie nicht. Es wird nicht nachgefragt. Warum? – Auch dazu wieder ganz tagesaktuelle Daten: 100 Euro pro Monat für den Endkunden, für den Privathaushalt, um schnelles Internet nutzen zu können – das ist für viele Familien ein riesengroßer Teil ihres monatlichen Budgets.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Frau Vizepräsidentin, die Redezeit ist erschöpft. Ich bitte, zum letzten Satz zu kommen.


Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (fortsetzend): Ich komme daher schon zum Schlusssatz: Wir müssen wirklich darauf achten, hier die Kluft nicht weiter auseinander­klaffen zu lassen.

Eines darf ich Ihnen schon noch mitgeben: Vielleicht weniger auf den PR-Turbo setzen, frei nach Elvis Presley formuliert: A little less PR-Aktionismus, a little more action, please. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

12.19


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile es ihr.


12.19.56

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dass man 14 Tage vor Öffnung der Gastro Breitband beziehungsweise 5G in der Aktuellen Stunde thematisiert und diskutiert, hat mich ein bisschen verwundert. Ich bin für mich persönlich zu dem Schluss gekommen, dass das vielleicht doch ein bisschen von anderen Problemen in diesem Land ablenken sollte – aber sei es, wie es sei.

Wenn man sich den Breitbandatlas auf der Seite des Ministeriums anschaut, sieht man, dass mit dem Turbo schon ein bisschen etwas weitergegangen ist, aber einen Grund zu


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 62

jubeln haben wir da noch überhaupt nicht. Wenn man sich nämlich den Breitbandatlas ein bisschen genauer anschaut und diesen unter die Lupe nimmt, dann kommt man sehr schnell drauf, dass es sehr viele Gebiete gibt, die noch weiße Flecken darstellen. Dabei hätten Sie, Frau Minister – Sie haben es ja vorhin schon selbst gesagt, dass eigentlich Infrastrukturminister Hofer diesen Turbo ins Leben gerufen und angekurbelt hat –, nur dort weiterzumachen gebraucht, wo Ihr Vorgänger schon viel Energie und Arbeit hineingesteckt hat. Es liegt schon alles da, und ich hoffe doch, dass die ÖVP nicht alles geschreddert hat. Sie hätten nur die Schubladen aufmachen müssen, dann wäre nicht jetzt alles zwei Jahre lang – seit zwei Jahren ist Hofer nicht mehr Infrastrukturminister – brachgelegen.

Entscheidend wäre jetzt aber, den Netzausbau für eine flächendeckende Versorgung im ganzen ländlichen Raum voranzutreiben, denn während der Coronakrise ist uns ja deutlich vor Augen geführt worden, wie schnell unser Internet im Land ist, nämlich gar nicht schnell. Frau Minister, fahren Sie bitte einmal nach Salzburg in den schönen Lungau und nehmen Sie bitte Kollegen Gfrerer mit – er ist anscheinend schon länger nicht mehr vom Pongau in den Lungau gekommen –, dort geht nämlich gar nichts, dort haben wir wirklich einen ganz, ganz großen weißen Fleck. Dort geht gar nichts! Auch ich selbst mache Homeoffice und drehe fast durch, wenn ich einen Akt bearbeite, wenn ich, nachdem ich auf OK drücke, wieder 10 Minuten warten muss, bis der nächste Schritt eingeleitet wird.

Die Technologie ist ja gut, aber bitte nehmen Sie auch ernst, dass die Menschen im Zusammenhang mit 5G auch gesundheitliche Sorgen haben.

Es kommt mir aber, wie eingangs erwähnt, wirklich so vor, als ob man damit, dass man 14 Tage vor der Öffnung dieses Thema gewählt hat, ein bisschen ablenken möchte.

Beherbergung und Gastronomie tragen in Salzburg 11 Prozent zur Wertschöpfung bei – das ist doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt. Im Vorjahr ist die Sommersaison ja sehr mau gelaufen – in den Seengebieten sehr gut, aber der Städtetourismus hat völlig ausgelassen. Wir hatten in Salzburg ein Minus von 30 Prozent! Aber selbst wenn jetzt in Österreich mit 19. Mai die ersten Schritte einer Öffnung erfolgen, heißt das ja noch lange nicht, dass es ein lukratives Geschäft für die Wirte ist – wir kennen ja die ganzen Auflagen. Gott sei Dank stehen die Wirte jetzt auch selbst auf und sagen euch die Meinung! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Wirte müssen ja jetzt auch erst einmal ihr Personal zusammenstoppeln. Mindestens 10 Prozent sind nach einer nicht vorhandenen Wintersaison, nach einer halben Som­mersaison letztes Jahr in andere Branchen abgewandert. Es ist ja auch kein Wunder, denn sechs Monate lang war die gesamte Gastronomie geschlossen – alle Tourismus­betriebe, alle Beherbergungsbetriebe –, und das nur aufgrund dieser sinnlosen Maßnah­men dieser schwarz-grünen Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe es Ihnen im Jänner schon gesagt: Es war sinnlos, die Gastro und die Hotellerie im November zu sperren. Die Ages hat noch im Oktober gesagt, dass Gastro, Tourismus und die Hotellerie keine Verursacher von Clustern darstellen. 2 Prozent haben im Okto­ber die Cluster in der Gastro und im Tourismus ausgemacht – und Sie sperren im No­vember die ganze Gastro wieder zu. Ein Wahnsinn für die Wirtschaft! (Beifall bei der FPÖ.)

Dass sich jetzt die Tourismuswirtschaft nach über einem Jahr Pandemie mehr als grüne Pässe und gute Wünsche wünscht, ist ja voll und ganz nachvollziehbar und auch völlig


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 63

logisch. Denn: Was wird passieren, wenn die Wirte und die Hotels in zwei Wochen aufsperren? – Es wird ein großer, großer Ansturm sein, die Gasthäuser werden gestürmt werden, aber wie lange? Ich wünsche mir da keine Einmaleffekte, sondern ich möchte Kontinuität! Wir haben nach dem letzten Lockdown gesehen, wie es bei den körpernahen Dienstleistern abgelaufen ist: Da war zuerst der große Ansturm, dann ist die Flaute gekommen – und dann kamen postwendend die Pleiten dazu. (Beifall bei der FPÖ.)

Öffnungsschritte sind ja zu begrüßen, doch was momentan der Wirtschaft und den Menschen als Öffnung versprochen wird, ist doch in Wahrheit nur eine domestizierte Version des Lockdowns. Aufgrund der unglaublichen Zahl von Auflagen in der Gastro – Tests, Masken, Abstände, Sperrstunden, Gästelisten – werden sich die Menschen, die Bürger in diesem Land bald wieder sagen: Da setze ich mich lieber daheim in den Garten, oder ich bleibe daheim und lade mir ein paar Freunde ein!, und die Wirtschaft wird wieder darunter leiden. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesräte Schwindsackl und Seeber.)

Das ist genau das, wovor wir gewarnt haben – denn dann sind die Cluster nicht mehr nachvollziehbar! (Bundesrat Seeber  erheitert –: Breitband! Breitband wollen wir hören!)

Breitband: Diesen Turbo des Bereichs Breitband werden wir auch im Tourismus ein­setzen, aber ich kann Sie nur fragen: War es das wirklich wert? War es das wirklich wert, die Wirtschaft so an die Wand zu fahren? – Unsere Conclusio, unser Credo ist: Geben Sie den Menschen die Freiheit zurück! Wir wollen unser Leben wieder haben! (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Seeber.)

12.25


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm dieses.


12.26.00

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werte Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin halte ich den Breitbandausbau nicht für ein Ablen­kungsthema. Ein leistungsfähiger Internetzugang wird immer wichtiger, und die digitale Infrastruktur ist sozusagen die neue Straße, auf der wir uns bewegen. Investitionen in diesem Bereich sind notwendig, vernünftig und gut angelegtes Geld – und 1,4 Milliarden Euro sind nicht nichts.

Kollegin Hahn hat den Desi erwähnt. Wir haben speziell im Bereich Konnektivität im europäischen Vergleich ein Problem. Da hinken wir ein bisschen hinterher, da sind wir im letzten Viertel, und deswegen gilt es da wirklich in die Gänge zu kommen und auf­zuholen.

Die Breitbandversorgung ist regional sehr unterschiedlich. Es gibt vor allem in ländlichen Regionen nach wie vor eine Unterversorgung mit schnellem Internet. Zwar gab es bei der Versteigerung der 5G-Lizenzen Auflagen – und deswegen ist auch weniger Geld reingekommen; es gab die Auflage, eine bessere und flächendeckendere Versorgung sicherzustellen, das heißt, auch dort auszubauen, wo es sich vielleicht wirtschaftlich auf den ersten Blick nicht rentiert –, in der Praxis funktioniert das bisher aber eher mehr schlecht als recht.

Die Basis für die Förderkarte bezüglich Breitbandausbau ist der Breitbandatlas, der von der RTR zur Verfügung gestellt wird, und dabei stellt sich oft heraus, dass die im Atlas angegebenen Versorgungsqualitäten mit der Realität vor Ort nicht übereinstimmen.


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Daher ist es aus meiner Sicht notwendig, dass die derzeitige Ausgestaltung des Breit­bandatlasses hinterfragt wird. Es ist an der Zeit, eine stärkere Orientierung der Projekt­träger an regionalen Breitbandstrategien und Masterplänen zu erreichen. Bei geplanten Ausbauprojekten sollte es von Beginn an für den Projektträger ein Erfordernis geben, die Bauvorhaben im Vorhinein mit den Ländern und/oder Landesgesellschaften abzu­stim­men beziehungsweise bestehende Masterpläne und regionale Breitbandstrategien zu berücksichtigen, da auf regionaler Ebene sehr viel mehr Detailwissen über beste­hende Netze oder deren Betreiber vorhanden ist.

Ein wichtiger Grundsatz der aktuellen Breitbandinitiative ist, bisher unterversorgte Ge­meinden prioritär zu behandeln. Das ist aus meiner Sicht auch besonders wichtig. Wir müssen dabei aber vor allem die operative Ebene, also die konkrete Umsetzung, im Auge behalten und diesmal wirklich darauf achten, dass die Förderungen auch dort ankommen, wo bisher sehr wenig passiert ist.

Konkret läuft es ja so ab, dass eingereichte Projekte innerhalb einer Nuts-Region nach einem Kriterienkatalog der FFG, als der Forschungsförderungsgesellschaft, bewertet werden. Eine Nuts-Region besteht aber aus mehreren Bezirken und ist, was Zersie­delung und Bevölkerungsdichte betrifft, nicht homogen. Das bedeutet oft, dass in der Praxis wieder Gebiete zum Zug kommen, in denen mehr Haushalte erreicht werden. Wenn wir den Grundsatz, bisher unterversorgte Gemeinden prioritär behandeln zu wollen, ernst nehmen, dann müssen wir diese Praxis ändern und die Förderrahmen­bedingungen so gestalten, dass nicht die größere Zahl der erreichten Haushalte ent­scheidend ist.

Zudem müssen wir sicherstellen, dass der 5G-Ausbau genutzt wird. Jeder 5G-Mast braucht ja eine Glasfaseranbindung, also müssen wir sicherstellen, dass, wenn gefördert Leitungen verlegt werden, auch Dritte anknüpfen können. Ich weiß zum Beispiel von einem Fall in meinem Bezirk, in dem die Telekom gefördert eine 2,5 Kilometer lange Glasfaserleitung zur Anbindung eines ihrer Mobilfunkmasten verlegt hat und es abge­lehnt hat, dass sich die betroffene Gemeinde mit einer Leerverrohrung dranhängt.

Noch einmal zusammengefasst: Diese Breitbandinitiative ist sehr begrüßenswert, aber wir müssen in der Umsetzung darauf achten, dass regionale Breitbandstrategien und bestehende Landesgesellschaften besser miteinbezogen werden, dass Synergien er­möglicht und insgesamt die Förderrahmenbedingungen so gestaltet werden, dass bisher unterversorgte Gebiete diesmal auch wirklich zum Zug kommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.31


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky ist zu Wort gemel­det. Ich erteile es ihm.


12.31.17

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich ein­gangs bemerken, Frau Bundesministerin, dass Sie sehr vorbildlich das Thema der Aktuellen Stunde manifestieren, indem Sie seit einer halben Stunde an Ihrem Endgerät die digitale Infrastruktur hier im Haus testen. (Heiterkeit bei SPÖ und Grünen. – Bun­desministerin Köstinger – ein Blatt Papier in die Höhe haltend –: Mitschreiben zählt auch, oder?)

Jetzt zum eigentlichen Thema: Der Glasfaserausbau in Österreich läuft leider sehr schleppend, und das trotz diverser Initiativen: Da gab es die Breitbandstrategie 2020,


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 65

die Breitbandstrategie 2030, die Breitbandmilliarde, Ihre neue Taskforce PIA 2030, in der sich die relevanten Stakeholder zur Novelle des TKG austauschen sollen.

Der Breitbandausbau in Österreich zieht sich schon seit Ewigkeiten dahin, wird aber in regelmäßigen Abständen als der große Wurf verkauft. Wir haben uns das heraus­ge­sucht: 1999 eröffnete Bundeskanzler Klima – die Älteren werden sich erinnern – die Initiative Österreich ans Internet, 2003, unter der schwarz-blauen Bundesregierung, wurde eine Breitbandinitiative vereinbart, 2008 präsentierten Gusenbauer und Molterer die Internetdeklaration für Österreich, 2014 schrieb sich Vizekanzler Spindelegger den Breitbandausbau auf die Fahnen, und nun zuletzt, im April 2021, unter der aktuellen Bundesregierung, kam der sogenannte Turbo für den Breitbandausbau.

Im europäischen Vergleich sind wir leider trotzdem Schlusslicht (Bundesrat Novak: Stimmt!) – 2019 mit 1,9 Prozent auf dem letzten Platz –, über Europa hinausgehend, auch in OECD-Berichten, im Mittelfeld. Im jüngsten OECD-Ranking lag Österreich bei den Glasfaseranschlüssen mit 10 Prozent weit unter dem Länderschnitt von 37 Prozent. In konkreten Zahlen – die aktuellsten, die für Österreich vorliegen, sind aus dem dritten Quartal 2020 –: Nur 111 000 Haushalte in Österreich sind bis zum Haushalt mit Glas­faser versorgt, wobei aufgrund der Glasfaserleitungen sogar jetzt schon zehnmal so viel möglich wäre, weil zum Beispiel die Glasfaserleitungen in den Straßen, in denen sich diese Haushalte befinden, verlegt sind, aber die Haushalte nicht angeschlossen sind. Im internationalen Vergleich: Länder wie Schweden, Spanien und Portugal sind jetzt schon bei 70 Prozent.

Diese 70 Prozent sind auch eine Schwelle, allerdings für eine andere Messzahl, nämlich eine Bandbreite von 100 Megabit pro Sekunde – unabhängig davon, mit welchem Werk­stoff man diese Bandbreite erreicht. Es war das Ziel, dass wir bis 2018 70 Prozent mit dieser Bandbreite ausstatten können. Heuer, im Jahr 2021, haben wir noch nicht einmal das für damals gesetzte Ziel erreicht: Wir halten bei 68 Prozent. Das ist natürlich für die Bürgerinnen und Bürger ärgerlich, aber vor allem schwächt es den Wirtschaftsstandort, insbesondere in den ländlichen Gegenden.

Der Netzausbau wird in erster Linie von privaten Investoren, also den Providern, voran­getrieben. Die Breitbandmilliarden sollten die Provider unterstützen, aber auch die Ge­meinden. Ausbezahlt wurden im Zeitraum 2015 bis 2019 nur 150 Millionen Euro davon, das hat letztes Jahr eine NEOS-Anfrage im Nationalrat ergeben. Sie haben damals gesagt, dass die schlechten Zahlen auf die fehlende Nutzung der vorhandenen An­schlüsse zurückzuführen sind, weil die Glasfaseranschlüsse teuer sind und daher auch die Pakete der Anbieter.

Was jetzt leider den angekündigten Turbo der Bundesregierung massiv bremsen wird, ist die TKG-Novelle in der derzeitigen Fassung, mit der weder die RTR noch die Netz­betreiber einverstanden sind, weil sie nicht eingebunden waren. Sie haben sich diesen Entwurf nämlich offensichtlich nur mit den Gemeinden ausgemacht – anders kann man sich das nicht erklären. Der wesentlichste Kritikpunkt ist dabei die Regelung der Lei­tungsrechte, bei der in erster Linie das Interesse der Grundeigentümer berücksichtigt worden zu sein scheint und in der unter anderem eine Haftungsbefreiung für Schäden an der Infrastruktur durch die EigentümerIn vorgesehen ist. Wenn also zum Beispiel ein Bauer mit dem Traktor über eine Leitung fährt und sie beschädigt, bleibt der Betreiber auf dem Schaden sitzen.

Wenn diese Novelle also nicht überarbeitet wird, wird der Breitbandausbau nicht ange­kurbelt, sondern gebremst, einfach deshalb, weil der Standort Österreich für Betreiber


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 66

nicht mehr attraktiv ist. Man kann dann noch so viele Breitbandmilliarden ankündigen, aber wenn es niemanden gibt, der die Förderungen abholt, ist das alles nur heiße Luft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.36


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Elisabeth Köstinger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.


12.36.43

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzte Damen und Herren BundesrätInnen! Ich bedanke mich sehr für die sehr interessante Aktuelle Stunde. Ich glaube, dass wir uns zumindest beim Ziel alle einig sind: den raschen Ausbau des leistungsfähigen Internets in Österreich voranzutreiben. Ich teile auch sehr viele der Argumente, vor allem, wenn es dann um die historische Abhandlung über die Kupfernetze und die entsprechende Förderung dazu geht.

Wir arbeiten aktuell wirklich an sehr vielen Stellen an der Umsetzung. Was ich auf das Schärfste zurückweise, ist, dass mit einzelnen Stakeholdern im Rahmen der Erarbeitung der TKG-Novelle nicht gesprochen worden sei. Ich finde es immer ganz interessant, wie von unterschiedlichen Seiten immer wieder gesagt wird, da nicht oder dort nicht.

Wir haben einen sehr breiten Prozess aufgesetzt, vor allem die RTR als unabhängiger Regulator ist da auch sehr hilfreich, und wir setzen vor allem auf Dialog. Es gibt sehr unterschiedliche Interessenlagen, natürlich auch großes wirtschaftliches Interesse, vor allem vonseiten der Telekombetreiber. Das ist nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil, wir als ÖVP sind eine Wirtschaftspartei, aber uns geht es natürlich auch um einen flächen­deckenden Breitbandausbau, und da spielen vor allem unsere Gemeinden, unsere Bundesländer eine ganz zentrale Rolle – um das an dieser Stelle auch gesagt zu haben.

Der Ausbau von fester und mobiler Internetinfrastruktur – das vielleicht noch abschließend dazu – beruht für uns auf drei Säulen: Zum einen sind 60 Prozent der österreichischen Haushalte privatwirtschaftlich durch die Unternehmen angeschlossen, und damit ist der Ausbau erfolgt – auch noch einmal ein Danke an die Unternehmen, die da aktiv sind.

Zum Zweiten haben wir natürlich die ländlichen Regionen, die benachteiligten Gebiete, für die es gezielt diese öffentliche Unterstützung gibt. Diese 1,4 Milliarden Euro frisches Geld, frische Investitionen in die Infrastruktur im ländlichen Raum, gekoppelt mit den neuen Förderrichtlinien, um den Ausbau optimal zu gestalten, werden in den nächsten Jahren wirklich für massive Investitionen in unseren Regionen sorgen.

Das Dritte ist der Ausbau des Mobilfunks. – Es gibt, glaube ich, um das auch noch einmal zu sagen, sehr viele Mythen über den Desi. Man kann sich natürlich immer das eine der fünf Kriterien herausziehen, das einem gerade passt, aber speziell im 4G- und im 5G-Ausbau sind wir in Österreich ganz, ganz weit vorne – bei 5G sogar an der Spitze –, aber das ist, wie gesagt, eben nicht mehr unter Ihrer Regierungsbeteiligung passiert.

Zum Ausbau des Mobilfunks also: In der jüngsten Auktion vom August gab es, wie gesagt, breite Versorgungsauflagen, die wir vor allem auch nutzen, um noch einmal ziel­gerichtet in die ländlichen Regionen zu gehen.

Wir arbeiten an mehreren Maßnahmen. Ich darf das Hohe Haus wirklich sehr herzlich um Unterstützung bitten. Wir werden vor dem Sommer mit einer der komplexesten Ge­setzesmaterien überhaupt in den Nationalrat und dann auch in den Bundesrat gehen.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 67

Da wird es eine intensivere Auseinandersetzung als die oberflächliche, die wir heute zum Teil erlebt haben, brauchen, weil man sich natürlich auch mit sehr vielen technischen und rechtlichen Materien zu befassen haben wird.

Zusätzlich dazu haben wir im März die neue Plattform Internetinfrastruktur Austria 2030 ins Leben gerufen, mit allen relevanten Stakeholdern, weil es mir auch wichtig war, dass die unterschiedlichen Stakeholder, die gegensätzliche Interessen haben, sich das vielleicht auch einmal in einem Raum gegenseitig ausrichten und in Gesprächen zuei­nanderfinden. Ich glaube nämlich, das ist der einzige Weg, wie wir mit dem Breitband­ausbau in die Gänge kommen, nicht nur was das Geld betrifft  das haben wir als Bun­desregierung jetzt geschafft , sondern auch den Bau vor Ort, in den Gemeinden. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.40


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesminister.

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

 

12.40.45Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfrage­be­antwortungen,

eines Schreibens des Bundeskanzleramtes betreffend Enthebung von Herrn Bundes­minister Rudolf Anschober gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleich­zeitiger Ernennung von Herrn Dr. Wolfgang Mückstein zum Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß Art. 70 Abs. 1 Bundes-Verfas­sungs­gesetz durch den Herrn Bundespräsidenten mit Entschließung vom 19. April 2021,

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union sowie

eines weiteren Schreibens des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betref­fend Aufenthalt von Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angele­gen­heiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. am 6. Mai 2021 in Prag bei gleichzeitiger Vertretung durch die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger gemäß Art. 73 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bunderates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 11)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 68

2. Schreiben des Bundeskanzleramtes

Enthebung von Herrn Bundesminister Rudolf Anschober gemäß Art. 74 Abs. 3 B-VG bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Dr. Wolfgang Mückstein zum Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß Art. 70 Abs. 1 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten mit Entschließung vom 19. April 2021 (Anlage 2)

3. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Landesverteidigung, Mag. Klaudia Tanner am 5. und 6. Mai 2021 in Brüssel (Anlage 3)

und

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Mag. Alex­ander Schallenberg, LL.M. am 6. Mai 2021 in Prag bei gleichzeitiger Vertretung durch die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Elisabeth Köstinger gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG (Anlage 4)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

(siehe Tagesordnung) sowie

6. Österreichischer Familienbericht 2009 bis 2019, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration (III-749-BR/2021)

zugewiesen dem Ausschuss für Familie und Jugend

3. Petition

Petition betreffend „Schließung des öffentlichen Eisenbahnüberganges in Schönau an der Triesting Bahnkilometer 36,441 (Niederösterreich)“, überreicht von Bundesrat Martin Preineder (46/PET-BR/2021)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

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BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 69


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 70

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BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 71

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BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 72

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BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 73

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BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 74

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zuge­wiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie

den Entschließungsantrag 291/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel“,

den Entschließungsantrag 292/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorgegebene Verbot der Qualzucht zu erreichen“, und

den Entschließungsantrag 293/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Christoph Steiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Ausbau der intensivmedizinischen Versorgung statt Regierungs-PR in Corona-Zeiten in der Höhe von 210 Millionen Euro“

auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 3 und 4 sowie 15 und 16 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ihre Verantwor­tungs­losigkeit stürzt Familien in Not – Herr Bundeskanzler, tun Sie endlich etwas!“ an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

*****

Ich darf zum zweiten Mal Dr. Wolfgang Mückstein, unseren Bundesminister, hier im Plenum begrüßen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 75

12.44.391. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1468/A und 800 d.B. sowie 10608/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1465/A und 802 d.B. sowie 10609/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


12.45.33

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz ge­ändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2021 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2021 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. Ich erteile ihm dieses.


12.46.37

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Laut Abänderungsantrag zum COVID-19-Zweckzuschussgesetz sollen nun im Sinne einer einheitlichen Regelung generell Aufwandsentschädigungen für bei Testungen oder bei Impfstellen nicht hauptberuflich tätige unterstützende Personen bis zur Höhe von 1 000,48 Euro im Kalendermonat nicht als Entgelt im Sinne des § 49 ASVG gelten.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 76

Das ist der Grund, warum wir diesem Antrag diesmal keine Zustimmung geben können: weil es eine Ungleichstellung der Tausenden freiwillig und ehrenamtlich tätigen Men­schen in diesem Land ist, die tagtäglich für unsere Gesellschaft Großartiges leisten und dafür keinen Cent erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine bessere Unterstützung der Betriebs-, vor allem aber der Hausärzte, die ihre Patien­ten großteils jahrelang kennen und individuell auf ihre Wünsche, Bedürfnisse, aber auch Ängste eingehen können, wäre richtig und zielführend.

Es ist für mich etwas unverständlich, gut 1 000 Euro steuerfrei problemlos für Personen in Test- und Impfstraßen zur Verfügung zu stellen und auf der anderen Seite eine Null­lohnrunde für alle Bediensteten im Gesundheitswesen zu verlangen, wie dies in der Steiermark der Fall war, was schlussendlich durch die Intervention der FPÖ und das daraus resultierende große Medieninteresse nicht zustande gekommen ist.

Ich darf dazu zwei Entschließungsanträge einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aktion 100.000 gegen Corona-Langzeitarbeitslosigkeit“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Bundesrat einen Umsetzungsplan in finanzieller, personeller und organisatorischer Hinsicht bis zum 30. Juni 2021 vorzulegen, der folgende Eckpunkte umfassen soll und geeignet ist, 100.000 Arbeitslose aus dem Bereich der schützenswerten bzw. unterstüt­zungswerten Arbeitnehmergruppen mit einer hohen Arbeitslosigkeit wieder in Beschäfti­gung zu bringen:

1) Bündelungen und Ausbau folgender arbeitsmarktpolitischer Instrumente:

- Kombilohnbeihilfe

- Eingliederungsbeihilfe

- Weiterbildung 50+

- Facharbeiterstipendium

- Aus- und Weiterbildungshilfen

- Beihilfen für Arbeitsprobung oder Arbeitstraining

- Arbeitsplatznahe Qualifizierung

- Weiterbildungsgeld

- Bildungsteilzeitgeld

- Umschulungsgeld

- Förderung der Lehrausbildung betrieblich und überbetrieblich

2) Schaffung neuer arbeitsmarktpolitischer Instrumente

[...]

3) Nutzung der ,Ankerfunktion‘ des Bundes als öffentlicher Arbeitgeber

[...]

4) Nutzung der Beteiligungen in der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)“


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 77

 – und zu guter Letzt  –

„5) Eine entsprechende budgetäre Bedeckung für die Fördermaßnahmen und die Adap­tierung der Personalpläne des Bundes und der betroffenen Unternehmungen.“

*****

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ge­sund­heitsgefährdendes Ethylenoxid in Corona-Teststäbchen, Mund-Nasenschutz-Mas­ken und Desinfektionsmitteln“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, folgende gesundheitspolitische Forderungen unmittelbar umzusetzen:

Die Überprüfung einer möglichen Gesundheitsschädlichkeit von Medizin- und Hygiene­produkte in Österreich, wie Mund-Nasenschutz-Masken und Tests, die mit Ethylendoxid sterilisiert wurden

Die Wiedereinführung der amtswegigen Überprüfung der Wohnzimmer- und Laientests durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen“

*****


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat Schererbauer, darf ich Sie kurz unter­brechen? – Die Geschäftsordnung sieht die vollständige Verlesung vor. Sie haben beim ersten Entschließungsantrag die Unterpunkte zu den Punkten 3) und 4) sowie 5) nicht ausgeführt. Diese müssen Sie bitte auch verlesen, damit er gültig eingebracht ist. – Danke.


Bundesrat Thomas Schererbauer (fortsetzend): Selbstverständlich. – So, dann kom­me ich nochmals zum ersten Entschließungsantrag betreffend „Aktion 100.000 gegen Corona-Langzeitarbeitslosigkeit“ zurück:

„2) Schaffung neuer arbeitsmarktpolitischer Instrumente

 - Kombinations- und Ergänzungsmodelle gemeinsam mit der öffentlichen Hand als Arbeitgeber (Bund, Länder und Gemeinden), die auf den Erfahrungen der Vergangenheit mit projektierten und ausgerollten Beschäftigungsmodellen, wie etwa auch der ,Aktion 20.000‘ oder anderer Modelle aufbauen

3) Nutzung der ,Ankerfunktion‘ des Bundes als öffentlicher Arbeitgeber

- Einstellungsoffensive, um in den nächsten fünf bis zehn Jahren den demographischen Wandel in seiner Personalstruktur nachhaltig zu bewältigen

- Schaffung zusätzlicher Verwaltungspraktiumsplätze im öffentlichen Dienst mit ent­sprechender Übertrittsoption

- Lehrlingsoffensive des Bundes

4) Nutzung der Beteiligungen in der der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 78

- Beschäftigungspakt mit der ÖBAG für schützenswerten bzw. unterstützungswerten Arbeitnehmergruppen nach Maßgabe der betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten

- Lehrlingsoffensive der ÖBAG nach Maßgabe der betriebswirtschaftlichen Möglich­keiten

5) Eine entsprechende budgetäre Bedeckung für die Fördermaßnahmen und die Adap­tierung der Personalpläne des Bundes und der betroffenen Unternehmungen.“

*****

Zum zweiten Entschließungsantrag der BundesrätInnen Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesundheitsgefährdendes Ethylenoxid - -


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Entschuldigen Sie, Herr Kollege, diesen Antrag haben Sie schon richtig verlesen. Das passt alles!


Bundesrat Thomas Schererbauer (fortsetzend): Okay, ich habe gedacht, ich bin noch nicht ganz fertig gewesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ziel der Politik muss es sein, Probleme aufzugreifen und gemeinsam Lösungen zu finden. Und genau in dem Wort gemeinsam, das ja von vielen sehr oft strapaziert wird, liegt meines Erachtens das Problem. Jeder Mensch, egal, wie dessen Zugang zu den verordneten Maßnahmen der Bundesregie­rung oder zum Coronavirus generell ist, wünscht sich, dass dieser Spuk bald ein Ende findet. Und ich glaube nicht, dass wir dem Ziel schneller näher kommen, wenn wir uns hier im Hohen Haus gegenseitig verbal bekämpfen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder – in Richtung FPÖ –: Da hat er eh recht, aber das ist an euch gerichtet!) – Ich kann nur für mich selbst sprechen, ich werde mich an dem nicht beteiligen.

Die Leute wollen das schlicht und einfach nicht mehr. Wir diskutieren in den letzten Tagen und Wochen ständig über die Masken, dabei sollten wir doch zuvorderst über die Alltagssorgen der Menschen reden. Und ja, es kann schon sein, dass die ÖVP mit dieser Maskendiskussion von den eigenen Verfehlungen etwas ablenken will, aber dafür gibt es die Justiz, die sich darum zu kümmern hat. Ich glaube nach wie vor an den Rechts­staat, an die Republik Österreich, denn würde ich das nicht mehr tun, hätte ich hier im Parlament, im Hohen Haus wahrscheinlich nichts mehr verloren.

Wir sollten im Kampf gegen diese Pandemie auch unsere persönlichen Befindlichkeiten etwas zurückschrauben und endlich mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen aufhö­ren, denn das bringt uns am Ende des Tages keinen Millimeter weiter, genauso wenig wie dieses ständig ins politisch linke oder rechte Eck Stellen. Anstatt über links oder rechts sollten wir uns vielmehr Gedanken über richtig oder falsch machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Richtig ist, uns um die vergessenen Opfer der Pandemie zu kümmern, nämlich um die Kinder, die mit Depressionen, Suizidgedanken, Essstörungen und so weiter zu kämpfen haben. Die viel beschworene Triage ist nicht auf den Intensivstationen eingetreten, son­dern in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Eine aktuelle Studie der Uni Salzburg zeigt die dramatischen Auswirkungen der Covid-Krise auf Kinder im Volksschulalter. Rund 79 Prozent der 531 Befragten geben an, dass es ihnen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie schlechter geht. Jedes dritte Kind ist oft wütend oder genervt, jedes fünfte ist öfter traurig oder fühlt sich einsam, jedem zweiten Kind macht der Umfrage zufolge die aktuelle Situation Angst, jedes dritte Kind schläft aktuell schlechter.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 79

Was mich als Sportler ganz besonders schockiert, ist die Tatsache, dass fast neun von zehn Kindern im Vergleich zu vor der Pandemie weniger aktiv sind. Gleichzeitig verbrin­gen drei Viertel mehr Zeit mit Smartphone, Fernsehen, Konsole, Spielkonsole oder Tablet. Am meisten fehlt den Schülern der Befragung zufolge Normalität. Jeweils ein Drittel wünscht sich, Sport ohne Maske betreiben zu können, um die Gesichter der Men­schen zu sehen, beziehungsweise Freunde ohne Einschränkungen treffen zu können.

Außerdem müssen wir uns noch viel intensiver um armutsgefährdete Familien und vor allem um deren Kinder kümmern. Fragt man genauer zu den einzelnen Maßnahmen der Regierung nach, zeigt sich, dass viele armutsbetroffene Familien nicht ausreichend informiert wurden. So kennt die Hälfte der Befragten den Familienhärtefonds nicht. Von den übrigen 50 Prozent findet etwa ein Drittel die Einmalzahlung aus dem Familien­härtefonds zu gering. Da müssen wir einen viel besseren, auch schnelleren Informations­fluss möglich machen.

Viele Kinder der befragten Familien tragen in der Coronakrise auch große Verant­wor­tung, weil ihre Eltern oder Geschwister zur Risikogruppe gehören. Eine Mutter mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung erzählt: Meine Kinder wollen nicht mehr raus, aus Angst, dass sie die Krankheit mit nach Hause bringen.

Schon vor der Coronakrise lag eine überdurchschnittliche Armutsbetroffenheit für Haus­halte vor, in denen eine erwachsene Person eine Behinderung aufwies – eigentlich ein Armutszeugnis für ein wohlhabendes Land wie Österreich, in dem sich Menschen mit Behinderung eine bessere Unterstützung verdient hätten. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Gleichzeitig hat Armut signifikante gesundheitliche Risken und begünstigt etwa die Chro­nifizierung verschiedener Symptome, wie zahlreiche Studien zeigen. All diese Umstände verschärfen sich noch weiter durch die Pandemie. Armut macht Kinder krank und traurig. Beides könnten wir ändern, und das ist auch unsere verdammte Pflicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch eine persönliche Bemer­kung: Obwohl die Lage in unserem Land durch die Pandemie immer noch sehr ernst und angespannt ist, dürfen wir auf keinen Fall unseren Humor verlieren, und in so manchen Situationen sollten wir gelassener agieren und reagieren.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein Satz ein, der da lautet: Ich freu’ mich, wenn es regnet, weil wenn ich mich nicht freu’, regnet es auch! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.57


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Aktion 100.000 gegen Corona-Langzeitarbeitslosigkeit“ ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der von den BundesrätInnen Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „gesundheitsgefährdendes Ethylenoxid in Corona-Teststäbchen, Mund-Nasenschutz-Masken und Desinfektionsmitteln“ ist genügend un­ter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


12.58.07

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 80

und Zuseher! Das Thema Gesundheit und vor allem auch Gesundheitsschutz stehen heute wieder an erster, wichtiger Stelle auf der Tagesordnung.

Ich möchte nicht so weit gehen, zu sagen, dass wir nach mehr als einem Jahr quasi pandemieerprobt sind, denn das wird wahrscheinlich nie der Fall sein – hoffentlich wird keine weitere Pandemie kommen. Aber was wir inzwischen haben, das sind Erfah­rungen, Erfahrungen gesammelt mit Maßnahmen, die gut funktionieren, und eine davon ist das Testen. Beim Testen sind wir tatsächlich im europäischen Vergleich absoluter Spitzenreiter, und das ist auch gut so, denn nur so schützen wir unsere Mitmenschen und uns selber und können auch bei asymptomatischen beziehungsweise präsympto­matischen Verläufen die Infektionskette so schnell wie möglich unterbrechen.

Die Zahl der Neuinfektionen sinkt, die Lage auf den Intensivstationen ist ausreichend stabil, wenn man so sagen kann; so vernehmen wir zumindest von ExpertInnen in dem Bereich. Daher werden wir heute in späterer Folge noch entsprechende Erleichterungen für Personen beschließen, von denen eine geringe epidemiologische Gefahr ausgeht. Aber in dieser jetzt zur Debatte stehenden Gesetzesänderung geht es vor allem um das Testen, darum, dass den Ländern von Bundesseite der Aufwand für das Testen im Zuge einer Entschädigung abgegolten wird. Das wird gleichsam für die Impfstraßen anzuwen­den sein.

Lassen Sie mich kurz auch noch ein paar Worte aus oberösterreichischer Sicht sagen: In meinem Bezirk, in Vöcklabruck, funktioniert das Testen seit langer Zeit hervorragend, man kann sich also in Einrichtungen, von der örtlichen Apotheke bis hin zu Testzentren, quasi rund um die Uhr niederschwellig und ganz unproblematisch testen lassen. Heute kommt noch der Beschluss hinzu, dass in Zukunft auch Hausärztinnen und Hausärzte asymptomatische Personen testen können. Das betrifft circa 900 Hausärztinnen und Hausärzte, und von dieser Änderung werden wahrscheinlich gerade auch ältere Men­schen, die nicht so mobil sind und sich nun bei den Hausärzten ihres Vertrauens testen lassen können, profitieren. Jede zusätzliche Testmöglichkeit ist zu begrüßen, da sie weiterhin einen guten Überblick über die Coronalage bedeutet.

Im Zusammenhang mit den Teststraßen ist es aber auch wichtig und wesentlich, genug Personal für diese zu haben. Wir alle wissen: Ohne das Engagement Hunderter, ja geradezu Tausender freiwilliger Helferinnen und Helfer in den letzten Wochen und Mon­a­ten wäre die Organisation der Teststraßen, wäre auch die Organisation der Impfstraßen schlichtweg nicht möglich gewesen. Mitglieder von Freiwilligenorganisationen, Arbei­terInnen, Angestellte, PensionistInnen, StudentInnen, auch Menschen, die in der Krise ihren Job verloren haben: Viele von ihnen sind seit langer Zeit in der Pandemie­bekämp­fung aktiv, und sie werden – und ich glaube, da müssen wir uns leider auch nichts vormachen – auch weiterhin aktiv sein müssen, weil es ohne ihre Hilfe schlichtweg nicht gehen wird.

Es wurde bereits beschlossen, dass wir Freiwilligen in Teststraßen eine Aufwandsent­schädigung von 10 beziehungsweise 20 Euro je Stunde zahlen. Es wurde auch bereits die Aufstockung des monatlichen Betrages, der steuer- und sozialversicherungsfrei ist, auf 1 000 Euro beschlossen, und das soll jetzt auch auf die Freiwilligen in den Impfstraßen ausgeweitet werden – nämlich am 21.4. im Nationalrat. Das ist eine Re­gelung – das ist auch noch zu erwähnen –, die derzeit befristet bis zum 30. Juni gilt, und es ist auch ausdrücklich eine Maßnahme, die wir im Rahmen der Bewältigung der Covid-19-Krise ergreifen.

Was durch unseren heutigen Beschluss klar festzuhalten ist, ist, dass diese Aufwand­sentschädigung für freiwillige Hilfe, für freiwilliges Engagement nicht auf Sozialleis­tungen wie Familienbeihilfe, Stipendien, auf die Mindestsicherung, auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung oder auch auf die Ausgleichszulage angerechnet wird, denn


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niemand soll durch seine temporäre Tätigkeit als freiwilliger Helfer, als freiwillige Helferin auf seine Sozialleistungen verzichten müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, kurz zusammengefasst: Freiwillige HelferInnen in den Teststraßen und Impfstraßen werden mit diesem heutigen Beschluss gleichge­stellt. Gemeinden und Ländern soll jede Möglichkeit gegeben und die bestmögliche Unterstützung geboten werden, um notwendige Impfstraßen so gut wie möglich zu organisieren. Ohne Freiwillige ist das nicht machbar, und daher von dieser Stelle aus – ich glaube, man kann es auch nicht oft genug sagen – ein herzliches Dankeschön an alle freiwilligen Helferinnen und Helfer, die dabei mithelfen, die Pandemie, die Krise zu überwinden! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir müssen auch nach diesem nun schon wirklich langen Jahr, nach dieser schon wirklich langen Zeit unsere Kräfte nochmals bündeln und zusammenhalten, weiter testen und jetzt vor allem impfen, damit wir das Infektionsgeschehen in den Griff bekommen, denn jede und jeder einzelne Erkrankte ist einer zu viel. – Bleiben Sie gesund! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.04


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich erteile ihr dieses.


13.04.19

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich Ihnen, Herr Bundesminister, zu Ihrer Ernennung recht herzlich gratulieren und Ihnen für die verantwortungsvolle Aufgabe als Minister die nötige Kraft und Ausdauer wünschen.

Ja, Kraft und Ausdauer fordern die nächsten Wochen auch noch von uns. Obwohl wir weitere Öffnungsschritte geplant und auch terminisiert haben, ist es jetzt wichtig, nicht leichtsinnig zu handeln und gerade jetzt nicht gleich alle Vorsicht über Bord zu werfen. In Österreich haben wir, wie es schon einige Kolleginnen und Kollegen vor mir ange­sprochen haben, derzeit eine durchaus stabile Lage mit leicht sinkenden Infektions­zahlen. Auch merken wir, dass das Sterberisiko sinkt. Da sehen wir auf jeden Fall die Auswirkungen der bisher durchgeführten Impfungen.

Wir sehen aber auch, dass bei den Neuinfektionen das Durchschnittsalter der Erkrankten deutlich sinkt, und das heißt, dass zunehmend jüngere Menschen am Virus erkranken. Das sind Menschen, die mitten im Erwerbs- und Arbeitsleben stehen, und gerade für diese ist es umso wichtiger, sich jetzt bei den weiteren Lockerungen bis zur möglichen Impfung auch gut zu schützen.

Wenn wir uns also weiter solidarisch verhalten, uns gemeinsam an die Maßnahmen halten und dazu auch regelmäßig das Testangebot nutzen und uns testen lassen, kön­nen wir gemeinsam verhindern, dass möglicherweise Öffnungen wieder zurückgenom­men werden müssen. Daher: Gehen wir also kein Risiko ein! Haben wir noch etwas Geduld und schauen wir zuversichtlich in die Zukunft!

Der Sommer beziehungsweise die Urlaubs- und Reisezeit der Österreicherinnen und Österreicher steht unmittelbar bevor, und das Motto, das voriges Jahr unseren Urlaub geprägt hat – Almen statt Palmen –, muss auf jeden Fall auch heuer unser Motto sein. Ein Sommer in der Freiheit wie letztes Jahr ist unbedingt auch für 2021 unser Ziel. Daher ist es jetzt wichtig, dass wir unbedingt an der intensiven Teststrategie festhalten, denn diese sichert uns auch die weiteren Öffnungsschritte ab.

Der heutige Beschluss, die Aufwandsentschädigungen für Helferinnen und Helfer in den Teststraßen nun auch auf die freiwilligen HelferInnen in den Impfstraßen auszudehnen,


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 82

ist notwendig, um auch weiterhin genügend Personen für die Umsetzung der Test- und Impfstrategie zu motivieren. Diese Freiwilligenentschädigung wird rückwirkend zum 1.1.2021 betraglich unbegrenzt von Steuern und Abgaben sowie betraglich begrenzt von SV-Beiträgen befreit.

Mit der heutigen Änderung des Covid-19-Zweckzuschussgesetzes wird auch sicher­gestellt, dass bestimmte Aufwendungen der Länder zur Bekämpfung der Coronapan­demie noch bis Ende September 2021 durch Zweckzuschüsse vom Bund aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds gedeckt werden können.

Das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Gemeinden war und ist in der Bewältigung der Krise ganz, ganz wesentlich. Das Engagement der Freiwilligen in den Gemeinden zeigt uns: Nur dort, wo das Gemeinsame vor das Trennende gestellt wird, kann auch wirklich von einem Erfolg ausgegangen werden. So kann die Bedeutung von Tests im Kampf gegen das Coronavirus nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Mit den Teststraßen, Testbussen, Tests in den Apotheken und verschiedenen Selbst­test­möglichkeiten ist auch ein sehr gutes und breites Testangebot für die Menschen in unserem Land geschaffen worden. Durch die neue Möglichkeit, das Testangebot durch die Hausärzte, die eine ärztliche Hausapotheke führen, zu erweitern, wird dieses engmaschige Netz jetzt zusätzlich verstärkt. Die Hausärztinnen und Hausärzte sind für die Menschen oft Bezugspersonen, sie sind Vertrauenspersonen, und mit den Gratis­coronatests bei den Hausapotheken führenden Hausärzten schließen wir eine Lücke gerade für die Menschen in peripheren, in den ländlichen Gemeinden.

Mit diesen verschiedenen Testmöglichkeiten, die wir dann anbieten können, gibt es wirklich für jede und für jeden ein wohnortnahes Angebot, was besonders für mobilitäts­eingeschränkte Personen, für ältere Personen Sicherheit und eine zusätzliche Erleich­terung darstellt. Wie schon erwähnt: Es stehen damit für die zukünftigen Öffnungsschritte zusätzliche Testkapazitäten zur Verfügung.

Es ist also unsere wichtige Aufgabe, auch wirklich jede Ressource, die wir haben, im Kampf gegen das Virus zur Verfügung zu stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich persönlich freue mich – wie wir alle – auf die weite­ren Lockerungen, nachdem im Besonderen unser soziales Leben wirklich stark ein­geschränkt war. Wir alle freuen uns auf den ersten Besuch im Wirtshaus, im Gast­haus, im Restaurant, im Café, im Konzert, bei Kulturveranstaltungen, im Theater oder einfach auf den nächsten Urlaub.

Die Coronapandemie wird uns aber noch länger fordern und uns vorerst dazu zwingen, mit diesem Virus zu leben.

Die Auswirkungen dieser Gesundheitskrise werden wir alle gemeinsam und insbe­sondere hier im Parlament noch länger spüren, aber zu arbeiten und zuversichtlich nach vorne zu schauen muss für uns klar im Fokus sein – und das ist auch unser gemein­samer Auftrag. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

13.10


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. Ich erteile ihm dieses.


13.10.58

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehbildschirmen! Herr Minister, auch aus Salzburger Sicht ein herzliches Willkommen bei uns im Bundesrat und viel Kraft für Ihre Arbeit!


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 83

Wir haben es heute schon von Kollegen Kornhäusl gehört, und auch ich war schockiert, als ich heute Früh aufgewacht bin, einen ersten Blick auf das Handy gewagt habe und diese schockierende Nachricht aus meinem Heimatbundesland gelesen habe.

Auch ich kenne die Gemeinde Wals-Siezenheim sehr, sehr gut und habe dort Bekannte. Das ist eine abscheuliche Tat – das möchte ich an dieser Stelle anführen und mich den Worten des Vizekanzlers anschließen, der heute gesagt hat, es wird etwas geschehen müssen, denn für Ankündigungen ist es zu spät und mit Ankündigungen können wir keine Morde verhindern. Deswegen sind wir alle, auch die Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen, herzlich dazu eingeladen, die SPÖ-Petition zu Gewalt gegen Frauen zu unterstützen. Ich sage an dieser Stelle schon ein Dankeschön! (Beifall bei der SPÖ.)

Was das COVID-19-Zweckzuschussgesetz betrifft: Es werden bestimmte Aufwendun­gen der Länder im Zusammenhang mit der Pandemie aus finanziellen Mitteln des Bun­des abgegolten. Das ist wichtig und gut so. In naher Zukunft wird es aber auch noch mehr brauchen. Alle Bürgermeister, Vizebürgermeister, Gemeindevertreter, Gemeinde­räte, Stadträte hier im Bundesrat wissen, dass den Gemeinden das Wasser bis zum Hals steht, teilweise sogar noch höher. Da wird es also in Zukunft noch viel Geld brauchen. Das ist aber ein erster, guter Schritt in diese Richtung, deswegen werden wir das auch unterstützen. Insbesondere geht es um den Aufwand im Zusammenhang mit Schutzaus­rüstungen, wie wir heute schon gehört haben, die Gesundheitsberatung unter der Rufnummer 1450 und den administrativen Aufwand im Zusammenhang mit den Testun­gen und den Impfungen.

Eines möchte ich ganz besonders hervorheben: Die Länder sollen auch die Aufwen­dungen für die freiwilligen Helferinnen und Helfer in den Teststraßen und Impfstraßen erstattet bekommen. Das ist mir ein besonders wichtiges Anliegen.

Ich möchte, weil das auch ein bisschen zu kurz gekommen ist, an dieser Stelle einen besonderen Dank an das Bundesheer, an die Polizei, an die Rettungsorganisationen, an die Feuerwehr und an die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, teilweise aus den Vereinen in den Gemeinden – die Vereine sind oft die Stütze der Gemeinden, was besonders wichtig ist –, richten. Danke natürlich auch an das Gemeindepersonal, an die Bediensteten dort. Wir haben gesehen, dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die wahren Krisenmanager vor Ort sind, deswegen auch ein herzliches Dankeschön an alle an dieser Stelle! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss die Emotionen aber schon auch ein bisschen bremsen, denn Applaus allein zahlt nicht Mieten, Applaus allein zahlt nicht die Schulsachen wie das neue Tablet, das man für den Homeschoolingunterricht vielleicht braucht, und Applaus allein zahlt schon gar nicht die Tankfüllung, die man braucht, um in die Nachtschicht, vielleicht in einem Krankenhaus, zu kommen.

Von der FPÖ-Kollegin Schartel haben wir heute schon von der Belastungsgrenze gehört. Das sind auch die Erzählungen, die ich selbst von den Pflegerinnen und Pflegern höre. Das ist völlig richtig. Es ist schockierend, wenn die Pflegerinnen und Pfleger erzählen, dass sie sich wie in einem Hamsterrad vorkommen. Sie sehen nur mehr das Auto, die Autotür, schlafen ganz wenige Stunden, fahren nur mehr in die Arbeit, kommen nach Hause und gehen vielleicht zur Abwechslung in den Supermarkt, um ein bisschen Essen einzukaufen.

Noch viel mehr schockiert hat mich die Erzählung einer Bekannten, die als Pflegerin arbeitet und gesagt hat: Okay, jetzt beiße ich noch einmal durch, aber die Belastungs­grenze ist erreicht, ich kann nicht mehr, ich schmeiße das hin, wenn diese Krise vorbei ist!


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Die Pflegerinnen und Pfleger sind so solidarisch – Herr Doktor, das wissen Sie wahr­scheinlich selbst aus Ihrer Arbeit –, dass sie sagen, sie kämpfen sich für die Gesell­schaft, für das Allgemeinwohl noch einmal durch, aber dann, das muss man sich vorstel­len, sind sie so fertig, dass sie es hinschmeißen wollen. Da müssen wir die Reißleine ziehen! Da können nur wir vonseiten der Politik, Sie, Herr Gesundheitsminister, mit Ihren Regierungskollegen die Reißleine ziehen, und die muss schnell gezogen werden, denn sonst kommen wir in eine richtige Pflegekrise hinein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Wir haben heute schon ein paar Lösungsvorschläge gehört – mehr Personal, man muss über Arbeitszeitregelungen sprechen –, und diese muss man wirklich umsetzen. Das ist ganz dringend notwendig.

Wir haben heute schon von überfüllten Jugendpsychiatrien gehört. Das darf nicht sein! Die Kinder und Jugendlichen erleben in dieser Krise einen unglaublichen Druck. Sie befinden sich in einem Alter, in dem man sich mit Freunden treffen will, in dem man Sport machen und auf den Sportplatz gehen möchte. Es ist gut und wichtig, ihnen das jetzt rasch wieder zu ermöglichen. Als Mediziner wissen Sie es selbst: Die Sportmediziner warnen vor den Langzeitfolgen des Nichtbewegens. Wir wissen, wie wichtig die Be­wegung für die Gesundheitsvorsorge ist. Ein Drittel macht seit der Coronakrise weniger Sport. Die sind ganz weit weg vom Sport, sitzen zu Hause und – ganz schlimm! – nur mehr vor der Spielekonsole. Das sollte eigentlich nicht sein, man sollte rausgehen an die frische Luft, nichts ist gesünder als Bewegung im Freien. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass man die jungen Leute dazu motiviert, Sport zu machen. Das liegt mir, wie man vermutlich merkt, besonders am Herzen, weil ich mit Leidenschaft und mit Herzblut Sportler bin. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie der Bundesrätin Miesenberger.)

Die Experten aus dem Bildungsbereich haben es heute auch schon gesagt – wir haben die Frau Vizepräsidentin gehört –: Die Kinder und Jugendlichen tun sich mit dem Home­schoolingunterricht schwer. Da hat auch die Digitalisierung natürlich ihre Barrieren, es ist nicht alles so, als würde man durch eine türkise oder rosarote Brille schauen, sondern es gibt auch in Österreich große weiße Flecken. Das darf und soll nicht sein und da müssen wir, muss ich ehrlich sagen, ein bissel aufs Tempo drücken.

Auch die Bildungsrückstände machen mir ehrlich gesagt Sorgen. Da müssen wir uns rasch etwas einfallen lassen, damit wir vonseiten der Länder, aber auch vonseiten des Bundes die jungen Leute unterstützen und Nachhilfe sowohl in den Schulen als auch außerhalb der Schulen ermöglichen, um diese Bildungsrückstände so rasch wie möglich aus der Welt zu schaffen, denn die jungen Leute sind die Zukunft in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Gesundheitsminister, da Sie, wie Sie heute schon richtig erwähnt haben, auch Sozialminister sind, möchte ich noch eines ansprechen: Wir haben Rekordarbeitslosig­keit, wir haben noch immer unglaublich viele Leute in Kurzarbeit, und die wollen etwas machen. Ich selbst kenne in meinem Wohnblock drei Leute aus der Gastronomie, die mich jede Woche gefragt haben, wann sie endlich wieder als Kellner oder als Koch anfan­gen können. Die wollen ja etwas machen! Jetzt frage ich mich, wir vonseiten der SPÖ fragen uns, aber auch die Leute draußen fragen sich: Wo bleibt die echte Hilfe für diese Hunderttausenden Arbeitslosen in diesem Land? Für die muss man etwas tun! Und das geht nicht mit einer 210 Millionen Euro teuren PR-Maschinerie, da muss mehr kommen. Herr Minister, ich bitte Sie, Ihre Regierungskollegen davon zu überzeugen. Ich bin guten Mutes und habe ganz, ganz viel Hoffnung, dass Sie das machen und schaffen werden.

Einen Satz noch zum Antrag der FPÖ: Herr Steiner, ich schätze die Arbeit mit euch sehr, aber es war doch Ministerin Hartinger-Klein, die die Aktion 20 000 gemeinsam mit den


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Türkisen abgeschafft hat, was sehr, sehr schade ist. (Bundesrat Steiner: Hat aber nichts mit unserem Antrag zu tun!) Sie hat das wörtlich als DDR-Arbeitsbeschaffung betitelt (Bundesrat Steiner: Das hat nichts mit unserem Antrag zu tun!), aber ich muss auch dazusagen, dass euer Antrag natürlich von uns unterstützt wird, denn die Leute in Beschäftigung zu bekommen, das ist, glaube ich, das Wichtigste, das wir am heutigen Tag im Bundesrat tun können. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Aktion 20 000 ist so ...!)

Wir wollen eine echte Anerkennung für die Leistung der Pflegerinnen und Pfleger, wir wollen eine echte Anerkennung für die fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch im Handel und in allen anderen wichtigen Bereichen. Das haben wir immer schon gefordert.

Wir brauchen auch eine echte Erleichterung. Weil wir heute schon von den Öffnungs­schritten gesprochen haben: Eine echte Erleichterung wäre es, die sogenannten Selbst­tests, die Antigenselbsttests, die man zum Beispiel zu Hause im Wohnzimmer durchfüh­ren kann, auch als Berufs- und Zutrittstests anzuerkennen.

Das haben wir immer schon gefordert, dieser Forderung hat sich dankenswerterweise auch der Salzburger Landeshauptmann angeschlossen; da schlagen wir in die gleiche Kerbe. Es hat sich auch der Wirtschaftskammerpräsident aus Salzburg angeschlossen, er hat es diese Woche wieder unterstützt. Ich finde es toll, dass unsere Ideen auch von dieser Seite positiv aufgegriffen werden. Deswegen hoffe ich doch, dass die ÖVP-Bundesräte aus Salzburg heute auch entsprechend abstimmen werden. Ich freue mich schon auf das Abstimmungsverhalten.

Wir wollen den Friseuren, wir wollen den Nagel- und Kosmetikstudios, wir wollen den Yogastudios, wir wollen den körpernahen Dienstleistern, wir wollen den Kaffee- und Wirtshäusern einfach die Umstände ein bisschen erleichtern und den Menschen zu Hause diesen Schritt in die Freiheit, in die Normalität, den wir uns alle so sehr wünschen, erleichtern.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Egger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung des NR-Beschlusses betreffend die Anerkennung von Antigen-Selbsttests als Berufs- und Zutrittstests“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sofort eine Verordnung zu erlassen, mit der die Anerkennung von Antigen-Tests zur Eigenanwendung als Berufstests und als Zutrittstests umgesetzt wird.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

13.21


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten David Egger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Umsetzung des NR-Be­schlusses betreffend die Anerkennung von Antigen-Selbsttests als Berufs- und Zutritts­tests“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 86

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Holzner. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.21.56

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich wünsche Ihnen Kraft und Erfolg für Ihre Aufgabe und ich wünsche allen Mitgliedern der Bundesregierung nach den Mühen dieses Jahres, dass nun die Freude über die Öffnungsschritte spürbar wird.

Der Impffortschritt, kombiniert mit unserer Teststrategie, erlaubt unter Auflagen ein Auf­machen am 19. Mai. Die rechtlichen Grundlagen dieses Tagesordnungspunktes – unter anderem erhöhte Aufwandsentschädigungen für freiwillige Helferinnen und Helfer in den Teststraßen – wurden von meinen Vorrednern schon ausführlich dargestellt.

Ein Jahr Pandemie, ein Kapitel in unserer Geschichte: Allein am Handlungsstrang Tes­ten lässt sich ablesen, wie komplex die sich ständig verändernden Herausforderungen durch das Virus sind. (Bundesrat Steiner: Vor allem in Tirol!) Manchmal kommt es mir so unwirklich vor, fast wie ein Computerspiel, auf dem wir in verschiedenen Schwierig­keitsstufen gegen das Virus kämpfen. Ebene eins: Covid-19 tritt auf. Ebene zwei: Man steckt unwissend Mitmenschen an, weil man sich selbst gesund fühlt, und von diesen angesteckten Menschen können so viele so schwer erkranken, dass sie eine Spitals­behandlung oder im schlimmen Fall eine Intensivbehandlung brauchen. Zu Beginn der Pandemie waren das 10 beziehungsweise 1 Prozent der positiv Getesteten.

Und die langfristigen Folgen einer Covid-Erkrankung werden erst jetzt so langsam bekannt. Ich habe mir am Anfang immer gedacht, Hauptsache, meine Eltern bekommen sie nicht, ich überstehe das leicht. Mittlerweile denke ich mir aber oft, ich will es nicht kriegen, und ich bin sehr froh, dass ich gestern ein Impfangebot in meinem Heimatbezirk Braunau für nächste Woche bekommen habe. (Bundesrat Steiner: Wer will schon krank werden?)

Ich habe den Eindruck, dass die Mitglieder des Freiheitlichen Parlamentsklubs, allen voran Klubobmann Herbert Kickl, auf dieser Ebene zwei stehen geblieben sind. Sie haben bis heute die Strategie, Infektionsketten zu durchbrechen, nicht verstanden. Was Sie perfektioniert haben, ist ein Verwirrspiel um Masken, Testen, Impfen und Co. (Bun­desrat Ofner: Das macht schon ihr!) Ich sage bewusst Freiheitlicher Parlamentsklub, denn zum Beispiel der oberösterreichische freiheitliche Landtagsklub sieht das wesent­lich differenzierter als Sie. (Bundesrat Steiner: Die Tiroler Teststrategie ist ja sensatio­nell, Frau Kollegin! Da gratuliere ich!) Und zum Glück gibt es nur wenige freiheitliche Gemeinderäte, die sich so weit verwirren lassen, dass sie nicht mehr wissen, was Rücksicht heißt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Na, gratuliere!)

Die Vorfälle in der Gemeinde Rüstorf sind zum Glück traurige Einzelbeispiele. Die Frei­heit endet nämlich dort, wo die Freiheit des anderen beginnt, und das gilt noch immer. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Genau!)

Die Freiheit ist leider für uns alle zu kurz gekommen, aber wir werden sie uns als Gesellschaft gemeinsam zurückerobern. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr schränkt die Freiheit ein! – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Zurück zum Handlungsstrang Tests – ein kurzer Abriss. (Bundesrat Steiner: Das war lustig! Die Regierung schränkt ein! Ihr seid lustig! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Bitte, ich bin am Wort! Ich bitte, die Gepflogenheiten zu beachten! – Im März vor einem Jahr – man stelle sich das vor! – hat es nur ein paar Firmen weltweit gegeben, die Tests zur Diagnostik des neuartigen Coronavirus herstellen konnten. Die Produk­tions­kapazitäten waren dementsprechend gering. Dieser genbasierte PCR-Test wurde


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seit der ersten Etablierung weiter verfeinert und angepasst, er gilt als sehr zuverlässig und somit als Goldstandard. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Er ist allerdings sehr zeitaufwendig, da der Test nur im Labor durchgeführt werden kann, und je nach Auslastung der Laborkapazitäten kann es bis zur Übermittlung der Diagnose mehrere Stunden bis Tage dauern. (Bundesrat Steiner: Wie in Tirol!)

Strategisch denken: Es geht darum, zusätzliche Testkapazitäten für asymptomatische Personen zu finden, um sonst unerkannte Infektionen herauszufiltern (Bundesrat Steiner: Das funktioniert in Tirol tadellos! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) – ich habe schon gesagt, Sie sind auf Ebene zwei stehen geblieben – und damit das Gesundheitswesen zu entlasten.

An dieser Stelle ein großes Dankeschön an das Gesundheits- und Pflegepersonal, das seit einem Jahr an der Grenze der Belastbarkeit arbeitet. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist eigentlich auch kaum vorstellbar, dass diese Antigentests, die Virusbestandteile innerhalb weniger Minuten ohne Labor nachweisen, erst seit dem Spätherbst 2020 verfügbar sind. Österreich hat es geschafft, sie in ein paar Monaten flächendeckend einzuführen. (Bundesrat Steiner: Tirol auch!) – Österreich, Tirol gehört noch zu Österreich. – Dazu braucht es viele Player, Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit ihren Mitarbeitern, eine Bundesregierung, die das Potenzial erkennt, Ärzte und Apotheken, einen Gesetzgeber, der die Grundlagen schafft, eine Verwaltung, die die Strukturen schafft, Eltern, PädagogInnen und Schüler, die mithelfen, dass die Tests in den Schulen reibungslos durchgeführt werden können, die Gemeinden, damit die Test­strategie breitflächig ausgerollt werden kann, Betriebe, die Teststraßen aufbauen, und vor allem Menschen, die hauptberuflich mit vollem Einsatz daran mitarbeiten, und freiwillige Helfer, ohne die diese Teststraßen und infolge nun auch die Impfstraßen nicht geführt werden könnten.

In der letzten Sitzung haben wir beschlossen, dass die Ärzte mit Hausapotheken asym­pto­matische Personen testen können, und damit ist das Angebot bis in ländliche Gemeinden, wie bei mir zu Hause, flächendeckend.

Es ist auch fast schon selbstverständlich geworden, dass sich die Menschen vor einem Besuch, einem Treffen, einer Sitzung testen, um die Mitmenschen zu schützen. Dabei hilft das niederschwellige Angebot der kostenlosen Selbsttests, das nun von fünf auf zehn erhöht wird, sehr viel.

In unserem Gemeindeamt wird es mit den Öffnungsschritten jeweils samstagvormittags kontrollierte Selbsttests geben. Kollege Egger, da ist noch einmal eine Sicherheitsstufe eingeschaltet, und es ist doch sehr praktikabel. Dann steht dem lange ersehnten Besuch beim Wirten oder einer Veranstaltung am Wochenende im Dorf nichts mehr im Wege.

Kollegin Steiner-Wieser, Sie haben wohl einen Artikel aus den „Salzburger Nachrichten“ übersehen. Unter dem Titel „Salzburgs Gastronomie erwacht aus dem Coronaschlaf“ wird beschrieben: „Es wird geputzt, vermessen und an neuen Konzepten getüftelt. Den 19. Mai betrachten unsere Wirtinnen und Wirte als Wiederauferstehung einer sozialen Errungenschaft namens Wirtshaus“, so Peter Gnaiger. Wir freuen uns alle darauf und wünschen den Wirten, der Gastronomie und den Vereinen ganz viel Erfolg. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) – 3. Mai!

Ich appelliere, die Auflagen jetzt noch weiter einzuhalten. Mit dem Impffortschritt ge­winnen wir Boden unter den Füßen und dann jeden Tag ein Stück mehr Freiheit. Die Krise hat ein Schlaglicht darauf geworfen, wo Versäumnisse sind, wo Strukturen veraltet sind, wo wir zu behäbig reagieren, aber insgesamt hat uns die Regierung gut durch diese Krise navigiert. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Da hat sie müssen selber lachen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 88

Ich bin dankbar, in diesem Land zu leben (Beifall bei der ÖVP – Bundesrat Steiner: Ich auch!), und ich bin zuversichtlich, dass es uns durch dieses gute Zusammenspiel vieler Menschen, wie am Beispiel Testen skizziert, gemeinsam gelingt, auch die Nachwirkun­gen dieser Krise gut zu meistern. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.30


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


13.30.29

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! An sich ist das Allermeiste gesagt worden, da braucht es nicht mehr viel von meiner Seite. Allerdings möchte ich um die Zustimmung werben, deswegen braucht es das schon.

Zweckzuschüsse, glaube ich, sind sinnvoll: für Schutzausrüstungen – wir haben die selber bekommen –, natürlich für die telefonische Gesundheitsberatung 1450 – das ist eh allgemein bekannt –, für den administrativer Aufwand und eben dann die Aufwands­entschädigung für nicht hauptberuflich tätige unterstützende Personen.

Ich möchte noch nachreichen, weil das Thema im Gesundheitsausschuss war: Die Kosten werden auf – das ist natürlich jetzt grob geschätzt – zwischen 60 und 80 Millio­nen Euro geschätzt; nur, damit das hier auch gesagt wird und damit das bei der Abstim­mung bekannt ist.

Zu Tagesordnungspunkt 2: Das ist, glaube ich, wirklich sehr sinnvoll. Die Testung von Symptomatischen bei den Hausärzten gibt es ja schon seit, glaube ich, 23. Oktober, also drei Wochen nachdem die Tests überhaupt in Europa angekommen sind; Roche hat diese, eine Woche bevor die Verordnung gekommen ist, zugelassen. Da waren wir ganz am Anfang dabei.

Jetzt dürfen asymptomatische Österreicherinnen und Österreicher nur in Apotheken und natürlich in den Teststraßen und den anderen Infrastrukturen getestet werden, und da soll zusätzlich eben die Möglichkeit geschaffen werden, dass auch in ärztlichen Haus­apotheken, also in Kassenpraxen auf dem Land, die Hausapotheken haben, asympto­matische Personen getestet werden können. Das finde ich sehr sinnvoll. 25 Euro ist der gleiche Preis wie auch in den Apotheken.

Vielleicht kann man das auch nachreichen: Es gibt 1 400 öffentliche Apotheken, im Verhältnis dazu 850 Arztpraxen mit Hausapotheken. Das sind die Zahlen, die ich mir gegoogelt habe. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Ich ersuche um Zustimmung. Ich glaube, beide Tagesordnungspunkte sind Dinge, die man durchaus breit unterstützen kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32

13.32.55


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen. (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und Grünen.) – Keine Wortmeldung? (Bundesrätin Schumann: Nein, nein!) – Okay. Die Debatte bleibt geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Die Plätze sind eingenommen.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 89

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April die­ses Jahres betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Aktion 100.000 gegen Corona-Langzeit­arbeits­losigkeit“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist da­mit abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte David Egger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Umsetzung des NR-Beschlusses betreffend die Anerkennung von Antigen-Selbsttests als Berufs- und Zutrittstests“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „gesundheitsgefährdendes Ethylenoxid in Corona-Teststäbchen, Mund-Nasenschutz-Masken und Desinfektionsmitteln“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist da­mit abgelehnt.

13.36.143. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1466/A und 813 d.B. sowie 10620/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (814 d.B. sowie 10621/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punk­ten 3 und 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 90

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich ersuche um die Berichte.


13.36.52

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu TOP 4: Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2021 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates eben­falls keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke der Berichterstatterin für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.38.15

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Gesundheits­minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Der Herr Bundeskanzler hat es heute ja schon gesagt: Schöne Worte im Nachhinein helfen nicht.

Wer mich kennt, der weiß aber, dass ich schöne Worte im Nachhinein gerade für diesen gescheiterten Bundesminister Anschober nicht für angebracht halte, für einen Bundes­minister, der uns mehr als ein Jahr lang mit verfassungswidrigen Verordnungen drang­saliert hat, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Ganze wird aber nicht besser, denn mit diesen Gesetzesänderungen, die wir heute wieder vor uns haben, ist, glaube ich, schön langsam der Gipfel der Abscheulichkeiten erreicht.

Was macht der Herr Bundeskanzler? Was macht diese ÖVP? Was machen diese Grünen? – Sie heucheln heute einem gescheiterten Gesundheitsminister hinterher, den man in Wahrheit vor 14 Tagen noch bei der Tür hinausgetreten hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Und ja, bei unserem gescheiterten Bundesminister Anschober könnte ich mir vorstellen, dass im Spruch: Etwas Besseres kommt nicht nach!, doch ein Funke Wahrheit steckt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 91

Ja, ich glaube, der Zeitpunkt, zu dem wir uns Bundesminister Anschober wieder zurück­wünschen, wird mit Sicherheit auch nicht kommen, aber ich sage, der Wunsch nach dem geschlossenen Rücktritt dieser schwarz-grünen Chaosregierung wird von Tag zu Tag größer. Da kann ich nur empfehlen: Also Bundesminister übers Wochenende, ja, das hätte auch etwas. Bundesminister übers Wochenende, das kann man sich auch in den Lebenslauf hineinschreiben. Ich glaube, den Österreicherinnen und Österreichern wäre damit geholfen, unserem Land wäre geholfen, und wir würden das Land vor größerem Schaden bewahren. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Herr Bundesminister, es ist mir wirklich ein Anliegen gewesen (der Redner holt aus einer mitgebrachten Papiertasche ein Paar Herrenschuhe aus Leder und stellt diese auf das Rednerpult), Ihnen eine Kleinigkeit mitzubringen: Schuhe, sportlich-elegant – sie passen zu jedem Anzug, ich werde sie Ihnen im Anschluss übergeben. (Beifall bei der FPÖ.) Ich glaube, das wäre auch ein Schritt für den Außenauftritt, auch über die Landesgrenzen, über die Bundesgrenzen hinweg, da hätten wir nämlich einen Verbesserungsbedarf, und dadurch wird das Fremdschämen für uns vielleicht kleiner. Beim Anzug, den Sie bei Ihrem Amtsantritt getragen haben, müssen Sie, glaube ich, selber für eine Erneuerung sorgen – das Sakko heute passt ja schon viel, viel besser –, denn bei der Halbwertszeit der grünen Regierungsmitglieder glaube ich, dass Sie bis zu Ihrem Rücktritt in diesen Anzug von der Angelobung nicht mehr hineinwachsen werden. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann schüttelt den Kopf.)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Klubobmann hat es bereits im Natio­nalrat gesagt: Einen Staatsmann hätten wir gebraucht, einen Dressman haben wir bekommen, aber wie Sie wissen, sind auch Grasser und Petzner bereits daran ge­scheitert, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bundesrat Steiner: Das stimmt!)

Nun aber zu den heutigen Gesetzentwürfen, ich kann da einiges nicht verstehen. Herr Bundesminister, Sie kommen ja bitte aus der Chinesischen Medizin, Sie haben am Bereich der Chinesischen Medizin Freude gefunden, Sinn gefunden, und heute werden Sie zum Vorzeigeimpffetischisten in diesem Land. Also irgendetwas ist ja da falsch gelaufen, Herr Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr Ausweg aus dieser Krise ist die Impfung oder der Lockdown – jene Impfung, die nicht ins Blut geht, Herr Bundesminister. Vielleicht lassen Sie sich da noch einmal Nachhilfe von irgendeinem Unterstufenschüler geben. Die wissen das nämlich wahrscheinlich besser, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Nun komme ich auch schon zum grünen Pass, der 22 Tage nach der ersten Impfung auf grün geschalten wird. Sie haben es ja heute schon revidiert, Sie haben gesagt: Wenn man den Termin zur zweiten Impfung nicht wahrnimmt, dann wird dieser Pass wieder auf rot geschaltet. – Mit dieser ersten Impfung aber, von der wir wissen, dass damit maximal eine Teilimmunisierung gegeben ist, sind diese Leute auf grün geschaltet und dürfen alle Veranstaltungen besuchen.

Was wir aber inzwischen auch wissen – wir brauchen ja nur nach Israel zu schauen –: 60 Prozent der Covid-positiven Fälle sind inzwischen die Geimpften, Herr Bundes­minister, Sie aber geben diesen Menschen einen Freifahrtschein für das nächste Jahr mit, und das ist etwas, das ich nicht nachvollziehen kann.

Diese Bundesregierung hat den Menschen eine Freiheit genommen, die Sie jetzt mit Ihrer Politik Stück für Stück zurückgeben wollen, aber nur den braven Österreichern, die sich impfen lassen, den braven Österreichern, die sich testen lassen. Die dürfen ins Gasthaus gehen, die dürfen zum Friseur gehen, die dürfen in die Sportstätte gehen, denn das sind die guten und die braven Österreicher. Die Grund- und Freiheitsrechte bekommen die zurück, die Ihren Anweisungen Folge leisten, die sich impfen oder testen lassen. Bei den anderen, den bösen Österreichern, die sich nicht impfen lassen, wäre


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 92

es dieser Bundesregierung am liebsten, wenn sie sich zu Hause einsperren würden. (Bundesrat Steiner: Traurig!) Ich finde es höchst bedenklich, dass wir in diesem Land inzwischen an einem Punkt angekommen sind, an dem der gesunde Österreicher beweisen muss, dass er gesund ist, um seine Grund- und Freiheitsrechte in diesem Land ausüben zu dürfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich finde es höchst bedenklich, dass es für diese Bundesregierung keine gesunden Men­schen mehr gibt. Es gibt nur Menschen, die geimpft sind, und Menschen, die unmittelbar vor einer Infektion stehen, aber die gesunden Österreicher, die hat diese Bundesregie­rung in unserem Land abgeschafft, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

„So sind wir nicht!“, hat unser Bundespräsident einmal gesagt. Ich kann Ihnen nur sagen: Genau so sind Sie, meine Damen und Herren. Genau so sind Sie, Sie spalten die Bevölkerung, Sie nehmen den Menschen Ihre Grundrechte, Sie nehmen den Menschen Ihre Freiheitsrechte, Sie zwingen den Menschen eine Impfung auf (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), die sie weder wollen noch brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Der überwiegende Grund, warum sich die Menschen impfen lassen, ist nicht die Gesund­heit. Der überwiegende Grund ist, damit sie ein Stück ihrer Grund- und Freiheitsrechte wieder zurückbekommen (Bundesrätin Schumann: Nein!), nämlich jene Grund- und Freiheitsrechte, die ihnen diese Bundesregierung nie und nimmer hätte nehmen dürfen. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder. Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Hintergrund gibt es da ja auch noch den ehemaligen ÖVP-Minister Bartenstein, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wer ihn nicht kennt: ein Pharmaproduzent, ein Pharmahersteller aus der Steiermark, aus Lannach, der gerade jetzt zwei leere Hallen auf seinem Areal stehen hat. Auch das könnte eine Entscheidungsgrundlage dieser Bundesregierung dafür sein (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), dass man bei 0,3 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die positiv sind, 100 Prozent der österreichischen Bevölkerung impfen möchte, meine sehr geehrten Damen und Herren (Beifall bei der FPÖ), und zwar mit einem Impfstoff (Zwischenruf des Bundesrates Preineder), von dem wir bis heute nicht wissen, ob er schützt, ob er wirkt, ob er vor einer Übertragung schützt, selbst nicht wissen, ob er überhaupt hilft. Wie ich es Ihnen bereits vorhin gesagt habe: 60 Prozent der positiven Fälle in Israel sind die Geimpften, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Diese ganze Absurdität gipfelt dann darin, dass Sie jetzt auch noch unsere Kinder impfen wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie wollen unsere Kinder als Versuchs­kaninchen missbrauchen. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Zwazl: Das gibt’s ja nicht! Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Eines aber kann ich sagen: Wenn Sie glauben, unsere Kinder als Versuchskaninchen missbrauchen zu können, dann werden Sie auf Widerstand stoßen. Da werden Sie auf Widerstand von der Freiheitlichen Partei stoßen (Zwischenruf bei der ÖVP), da werden Sie auf Widerstand von der Bevölkerung stoßen! Finger weg von unseren Kindern – das kann ich Ihnen hier an dieser Stelle nur ins Stammbuch schreiben, Herr Gesundheitsminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn es tatsächlich um die Gesundheit der Menschen geht, dann frage ich mich schon, warum man das Geld nicht für die Forschung einsetzt, für die Forschung nach einem Medikament. 0,3 Prozent positive Fälle, und Sie wollen  bei 0,3 Prozent Positiven! 100 Prozent der Bevölkerung impfen. Sie wollen den Gesunden helfen! Herr Gesund­heits­minister, ich würde Ihnen schon empfehlen: Helfen Sie den Kranken! Das kann nur mit der Forschung nach einem Medikament passieren, aber nicht mit der Impfung von gesunden Personen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 93

Wir haben – oder unsere Österreicher haben – ein funktionierendes Immunsystem aufgebaut. Ich weiß schon, Sie wollen das nicht hören, aber ich kann nur von mir aus­gehen. Ich war in meinem ganzen Leben noch keinen Tag krank. Ich habe ein funktionie­rendes Immunsystem, und ich glaube, ich kann mich auch auf dieses Immunsystem verlassen. Herr Gesundheitsminister, ich weiß es nicht, Sie sind Mediziner, vielleicht können Sie es mir sagen: Wie wirkt sich dieser Impfstoff, diese Impfung auf mein Immunsystem aus? Ich weiß es nicht. Vielleicht können Sie mir das beantworten: Funktioniert das eigene Immunsystem im Nachhinein noch immer gleich gut, funktioniert es schlechter, wird es im Hintergrund abgebaut? – Ich weiß es nicht, und ich glaube, niemand kann diese Frage seriös beantworten. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass diese Bundesregierung will, dass sich jeder in diesem Land impfen lässt. (Ruf bei der ÖVP: Ja!) Für mich – das kann ich Ihnen nur sagen – sind das die wahren Gefährder der österreichischen Gesundheit. (Beifall bei der FPÖ.)

Dafür aber, dass sich der Österreicher da als Versuchskaninchen hergibt, bekommt er ein kleines Stück seiner Grund- und Freiheitsrechte wieder zurück, die ihm in Wahrheit sowieso von Grund auf zustehen würden, deswegen heißen sie ja auch Grund- und Freiheitsrechte, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Ich kann Ihnen nur sagen: Sie können einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, Sie können das ganze Volk einen Teil der Zeit täuschen, aber Sie können nicht das gesamte Volk die gesamte Zeit täuschen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die Grund- und Freiheitsrechte sind den Menschen wichtig. Die Grund- und Freiheits­rechte sind etwas, für das sie auch kämpfen werden (Zwischenruf bei der ÖVP), das kann ich Ihnen heute und hier an dieser Stelle sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist absurd, dass in einem Land gesunde Menschen beweisen müssen, dass sie gesund sind. Es ist absurd, dass gesunde Menschen vom öffentlichen Leben abgehalten werden. Es ist absurd, dass diese Politik unsere gesunden Menschen mit ihren Entscheidungen und Verordnungen krank macht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und es ist absurd, dass Kinderpsychiatrien gefüllt sind, aber die Sportplätze und Spielplätze leer sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Diese ganze Absurdität gipfelt dann noch darin, dass Sie als praktizierender Mediziner bei diesem Spiel auch noch mitspielen. Aber wie geht das Ganze weiter? Wie geht das Ganze in diesem Land weiter?

Zu Beginn der Pandemie wurden wir Verschwörungstheoretiker genannt, wenn wir gesagt haben, der Maskenzwang wird in diesem Land kommen, der Testzwang wird in diesem Land kommen, und der Impfzwang wird in diesem Land kommen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Als Verschwörungstheoretiker haben Sie uns bezeichnet! Na wo sind wir denn heute, meine sehr geehrten Damen und Herren? Wo sind wir denn heute? – Wir haben den Maskenzwang, wir haben den Testzwang, unsere Grund- und Freiheitsrechte sind beschnitten worden, und Sie drängen dieses Land in eine Gesundheitsapartheid hinein, in der man zwischen dem guten Österreicher und dem bösen Österreicher trennt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) All das, wovor wir immer gewarnt haben, ist wahr geworden!

Auch das, was ich Ihnen jetzt sage, wird wahr werden, und das Jahr 2021 wird noch nicht aus sein, bis es wahr wird: Die Teststraßen werden schön langsam zurückgefahren werden, die Gratistestmöglichkeiten werden irgendwann auslaufen, dann gibt es noch die Möglichkeit: Impfen oder alle 48 Stunden für einen Test zu bezahlen! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das ist jener Impfzwang, vor dem wir seit rund einem Jahr tagtäglich warnen. Und nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist schlicht und ergreifend die


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 94

Wahrheit und nicht irgendeine Verschwörungstheorie, wie Sie es beim Maskenzwang oder beim Testzwang auch schon abgehandelt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schen­ruf der Bundesrätin Schumann.)

Das ist jene Politik, die unsere Österreicher schön langsam, aber sicher satt haben, und ich kann Ihnen nur sagen: Wer seine Augen nicht zum Sehen verwendet, der wird sie irgendwann zum Weinen brauchen! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein!) Eines aber können Sie mir glauben: Immer mehr Österreicher beginnen zu sehen, und immer mehr Österreicher sehen auch den Ausweg aus dieser Krise. Der einzige Ausweg aus dieser Krise ist der geschlossene Rücktritt dieser Bundesregierung (Beifall bei der FPÖ), denn diese Bundesregierung - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Kollege Leinfellner, ich darf auf die Rede­zeitvereinbarungen hinweisen.


Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Herr Präsident, dafür werde mich in der nächsten Runde kürzer fassen. Vielen Dank – ich komme schon zum Ende. (Bundesrat Beer: Das war schon voriges Mal so! – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Zum Schluss kann ich Ihnen nur sagen: Der Wunsch nach dem Rücktritt dieser Bun­desregierung wird von Tag zu Tag größer. Sie führen nicht dieses Land durch die Krise, Sie führen die Krise durch das Land!

Abschließend, Herr Bundesminister – es ist mir wirklich ein Bedürfnis –, darf ich Ihnen noch ein Paar Schuhe übergeben. – Vielen Dank. (Der Redner überreicht dem Gesund­heits­minister ein Paar Schuhe. – Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

13.54


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.54.51

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Was soll ich sagen? Was soll ich sagen? (Bundesrat Hübner: Nicht lesen, sagen! – Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich kann eigentlich nur sagen: Ich kann dem Herrn Kollegen ein bisschen bei­pflichten, wenn er sagt, er kann so einiges nicht verstehen; ich vermute, er hat das ganze Pandemiethema nicht verstanden. (Heiterkeit bei Grünen und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin tatsächlich sehr froh, dass der Nationalrat in seiner Sondersitzung am Montag noch die zwei heute zu beschließenden Gesetzesänderungen verabschiedet hat. Als wichtiger und wesentlicher Punkt ist die Verankerung der Gleichstellung von Getesteten, Geimpften und Genesenen zu nennen.

Wir sind in Österreich wirklich in der glücklichen Lage, eine sehr zügig voranschreitende Zahl Geimpfter in der Bevölkerung zu erreichen. 2 360 698 Menschen – das sind 31 Pro­zent der impfbaren Bevölkerung – haben mindestens schon eine Coronaschutzimpfung erhalten, und 11,49 Prozent besitzen bereits den vollständigen Impfschutz.

Grundsätzlich gibt es aber in Österreich 7,5 Millionen Menschen, die impffähig sind, wenn man alle, die 16 Jahre oder älter sind, einrechnet. Wir haben allerdings auch 600 000 Menschen in Österreich, die als genesen gelten, die schon in irgendeiner Form Kontakt mit dem Coronavirus hatten und daher eine temporäre Immunität gegen das Virus besitzen. Sie werden wahrscheinlich in weiterer Folge im Herbst oder sechs bis acht Monate nach ihrer Infektion mit nur einer Impfung ausreichenden Schutz, aus­reichende Immunität haben.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 95

Ich hoffe wirklich sehr, dass wir bis in den Sommer so viele Menschen in Österreich geimpft haben, dass es zu einer sogenannten Herdenimmunität kommt, dass wir uns der Herdenimmunität annähern. Die braucht es nämlich schlussendlich, damit wir diesem Virus den Garaus machen können, und da möchte ich noch einmal – ich habe es eh in meiner anderen Rede eben auch schon betont – an alle Menschen, die im Zweifel sind, appellieren, sich impfen zu lassen – zu ihrem eigenen Schutz, aber in der Folge natürlich auch, um eine Herdenimmunität erreichen zu können, denn nur, wenn sich möglichst viele der impfbaren Personen impfen lassen, kann es einen Schutz für die Menschen geben, die sich aus gesundheitlichen Gründen oder wegen ihres Alters – da spreche ich insbesondere die Kinder an – nicht impfen lassen können. Es ist auch ein Zeichen der Solidarität in unserer Gesellschaft, dass wir die schützen, denen es selber nicht möglich ist, die Impfung zu bekommen. (Bundesrat Spanring: Nicht durch evidenzbasierte Geschichten, sondern aus Solidarität, genau!)

Das scheint in Oberösterreich wirklich sehr gut zu funktionieren. Ich kenne extrem viele Menschen, die schon die erste oder auch zweite Impfung bekommen haben. Aus persönlicher Erfahrung und aus Gesprächen mit bereits sehr vielen geimpften Personen weiß ich: Eine Infektion mit dem Coronavirus ist eine ganz andere Liga im Sinne der Belastung für den Körper und die Psyche, als es eine Impfung jemals sein kann.

Wenn ich das jetzt so sage, habe ich noch gar nicht von der Lebensgefahr gesprochen, die eventuell durch einen schweren Verlauf entstehen kann. Wovon wir jetzt auch vielleicht zu sprechen anfangen werden, sind die Spätfolgen aufgrund von Long Covid, und die werden uns noch in voller Härte treffen. Darum sage ich noch einmal – und vielleicht auch nicht das letzte Mal heute –: Impfen, sobald es möglich ist, denn nur so können wir uns schlussendlich wirksam schützen!

Die Impfungen sind, auch das habe ich schon gesagt, tatsächlich ausgezeichnet orga­nisiert und schnell erledigt. Man bekommt in der Früh einen Link und kann zwischen Impforten im ganzen Bundesland wählen, dann gibt es ein Zeitfenster von 10 Minuten, das exakt eingehalten wird: Impftermin 13.30 Uhr, um 13.40 Uhr ist quasi alles erledigt – besser kann es im Prinzip nicht sein.

Jetzt möchte ich nochmal auf den Nachweis – GGG – zurückkommen: Dieser Nach­weis – wir haben es heute vom Herrn Minister schon gehört – wird zukünftig auch mit der EU Abstimmung finden müssen, aber wir in Österreich haben ihn eben jetzt schon schneller, und diese Erleichterung ist auch gut und wesentlich.

Was nun auch noch neu geregelt wird, sind die betrieblichen Testungen – anstatt der in der letzten Bundesratssitzung nicht zustande gekommenen Berufsgruppentests. Da werden nicht nur bestimmte Berufsgruppen miteinbezogen, sondern da geht es um die Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz aufgrund von physischer Nähe, eben unabhängig von der Berufsgruppenzugehörigkeit.

Um auch weiterhin das Testen im großen Ausmaß möglich zu machen – die Kollegin hat es vorhin eh schon gesagt –, wird erstens die Gratisabgabe der Tests in Apotheken bis 31. August verlängert, zweitens wird die Menge von fünf Tests, die derzeit gratis in der Apotheke abgeholt werden können, auf zehn Tests pro Monat erhöht. Für gelernte Vieltester mag das eigenartig klingen. Ich habe ja auch so eine Vieltesterin zu Hause – ich weiß nicht, wie oft sich meine Tochter im letzten Jahr hat testen lassen; für sie war es eher ungewöhnlich, wenn sie sich nicht einmal wöchentlich hat testen lassen. (Bundesrat Steiner: Das arme Kind!)

Man sollte es gar nicht glauben: Es wird vermutet, dass 40 Prozent der Bevölkerung sich noch nie haben testen lassen. Mir ist der Gedanke gekommen, dass ein zu Hause durchgeführter Test eventuell auch die Hemmschwelle senken kann, eine Testung durchzuführen, weil man ja dann dort schon sieht: Das Ergebnis ist negativ. Gerade auch


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 96

diese 40 Prozent der Bevölkerung, die sich noch nie haben testen lassen, sollten zumindest die Möglichkeit der Abholung der Selbsttests in der Apotheke nutzen, um auch eine gewisse Form der Sicherheit über ihren Gesundheitszustand zu erlangen.

Um noch einmal bei meinem Fußballbeispiel zu bleiben: Österreich – so ist meine Ein­schätzung, und wahrscheinlich nicht allein meine – spielt in der Pandemiebekämpfung in der Champions League, wenn man das als Nichtfußballerin so sagen kann. Für uns alle wird es wichtig sein, dass wir mit unserer Mannschaft Österreich nicht in eine Verlängerung gehen müssen, und deshalb noch einmal mein Appell (Bundesrat Steiner: Ja, mit der Regierung vor allen Dingen wollen wir nicht in die Verlängerung gehen!): Bündeln wir die Kräfte, machen wir alle mit, dann werden uns diese letzten Minuten des Fußballspiels auch gelingen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Ofner: Die nächsten zwei Wochen werden entscheidend sein!)

14.02


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Johannes Hübner. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.02.27

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was wir von der Regierung und von meiner Vorrednerin gehört haben und vom Herrn Minister heute noch hören werden, wäre alles in Ordnung, vertretbar und sachlich durch­aus richtig gewesen, wenn wir heute den März 2020 hätten. Wir haben aber den 6. Mai 2021. Da gibt es einige neue Erkenntnisse, und ich glaube, es ist einmal Zeit, die Augen auch vor diesen Erkenntnissen zu öffnen, damit man später nicht weinen muss.

Besonders an den Herrn Minister gerichtet: Wir haben einiges gesehen, das in völligem Widerspruch zu dem steht, was wir da tun. Schauen Sie, was in den letzten Monaten über dem Teich, in Amerika, wo die Impfstoffe ja herkommen – zumindest soweit wir sie hierzulande verwenden, mit Ausnahme von Astra Zeneca –, passiert ist! Seit Jän­ner 2021 haben die amerikanischen Bundesstaaten – einer nach dem anderen, insge­samt sind es nun 22 – die Covid-Restriktionen komplett aufgehoben. Begonnen hat Tennessee, dann sind Texas, Florida und so weiter dazugekommen.

Ich kann mich noch gut erinnern, weil ich mir den Tag gemerkt habe: Am 3.3. hat der amerikanische Präsident Biden, der ja bis in die Haarwurzeln politisch korrekt ist und in seiner Art, wie er seine Politik verkauft, wie er sie begründet und so weiter, perfekt zu unserer Regierungspolitik passt, gesagt: Diese Aufhebung ist eine Neandertaleraktion!

Herr Obermedikus Fauci hat gemeint: Wir stehen in diesen Staaten nunmehr vor einem Tsunami der Coronatoten. Was ist in den 22 Staaten, die die Maßnahmen großteils voll­ständig aufgehoben haben – keine Maskenpflicht, alles offen, keine Testverpflichtung, keine Zutrittskontrollen, nichts –, passiert? – Von den 22 Staaten waren es sechs, in denen die Infektionszahlen leicht gestiegen sind, in den anderen 16 sind die Infektionen und die Todeszahlen teilweise sehr stark zurückgegangen. Sie sind stärker zurückge­gangen als in maskenliebenden Staaten wie New York, wo wir teilweise Plusbewegun­gen gehabt haben.

Die Reaktion des dortigen Establishments war natürlich die Forcierung des Impfpasses: Wenn es schon solche unvorsichtigen Neandertaler gibt, dann müssen sich alle impfen lassen! Daraufhin hat zuerst Florida reagiert und eine Enquete eingerichtet, ob es mit den amerikanischen Grundwerten vertretbar ist, dass man einen Impfpass braucht, um die Bürgerrechte voll ausnutzen zu können, dass mit einem Impfpass entschieden wird, wo man hineindarf und wo nicht, ob man Schifferl fahren darf, ob man Florida verlassen darf, ob man sich ein Auto ausborgen darf und dergleichen. Die dort beigezogenen juristischen Verfassungsexperten haben gesagt: Undenkbar! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 97

Der Senat des Staates Florida hat dann vor ein paar Wochen – ich glaube, es war am 22. April, soweit ich mich richtig erinnere – mit 27 zu neun Stimmen einen Beschluss gefasst, ein Gesetz zu verabschieden, das es untersagt und strafbar macht, als Voraus­setzung für irgendetwas einen Test zu verlangen. Die Strafe beträgt 5 000 Dollar pro Fall – nicht verhandelbar –, wenn man etwa als Schulleiter oder als Schifferlbetreiber, Geschäft oder Ähnliches einen Test als Voraussetzung für die Erbringung einer Leistung verlangt. Dieses Gesetz ist inzwischen auch mit einer Mehrheit von weit über zwei Drittel durch das Repräsentantenhaus von Florida gegangen und liegt nun beim Gouverneur, der es, glaube ich, heute unterschreiben wird.

Das ist auch eine Möglichkeit. Es wird natürlich hierzulande ausgeblendet, davon lesen Sie bei uns nichts. Der Herr Minister wird es hoffentlich wissen; wenn er es weiß, ver­schweigt er es. Nun kann man natürlich sagen: Die USA sind mit Europa nicht vergleich­bar, denn die USA sind ja God’s own country, und vielleicht haben sie irgendwelche überirdischen Kräfte, die diesen Staaten, die von Neandertalern beherrscht werden, helfen, die Covid-Infektionen im Griff zu haben (Zwischenruf bei der FPÖ) – kann man ja sagen.

Gehen wir daher nach Europa: Da haben wir leider nur ein einziges Land, das es gewagt hat, der Diktatur des Mainstreams zu widerstehen, und das ist Schweden. Deswegen wird ja bei uns auch nichts über Schweden berichtet. Ich habe Schweden hier zweimal Ihrem Vorgänger gegenüber erwähnt, und jedes Mal ist sofort der Einwand gekommen: Ja, aber die machen nun auch einen Lockdown! – Okay, bis jetzt ist er nicht gekommen, vielleicht machen sie morgen den Lockdown. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Die nächsten zwei Wochen werden in Schweden entscheidend sein!)

Ich glaube, es zahlt sich nicht nur aus, Herr Minister, sondern es ist eine Verpflichtung, sofern Sie den Minister nicht nur spielen, sondern seriös darstellen wollen, sich mit den dortigen Ereignissen zu befassen und die dortigen Zahlen in die Überlegungen einfließen zu lassen. (Bundesrat Schreuder – einen Laptop in die Höhe haltend, auf dem eine Europakarte mit unterschiedlich eingefärbten Ländern zu sehen ist –: Herr Kollege, schauen S’ einfach mal!) – Herr Kollege, ja, ich schaue. (Bundesrat Schreuder: Schau­en S’ einfach mal!) Geben Sie ihr Bilderl weg, nun wird geredet und nicht Bilderl geschaut! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Sie werden sicherlich in den entsprechenden Medien immer ein Bilderl finden, auf dem Schweden als superböses Land rot oder schwarz eingezeichnet ist (neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder), weil es keine Coronamaßnahmen setzt. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.) Nur zu den Fakten: Wie Sie wissen, liegt Schweden exakt im Durchschnitt Europas, was die Todeszahlen pro 1 000 Einwohner betrifft. (Bundesrat Bader: Stimmt ja überhaupt nicht! – Bundesrat Spanring: Ja, weil du es weißt, genau!) – Ja, Sie werden das dann für uns richtigstellen. Sie liegen exakt - - (Bun­desrat Steiner: Der Herr Bader ist nun der Coronabeauftragte von Schweden!) Ich habe nicht die heutige Zahl – vielleicht hat es sich heute um sieben geändert –, aber vor zwei Tagen, als ich hineingeschaut habe, lag Schweden exakt im Schnitt. Bei der soge­nannten dritten Welle, also der Frühlingswelle, die wir haben, liegt Schweden bei den Todeszahlen deutlich unter dem Schnitt aller Coronamaßnahmen durchführenden Staaten.

Was heißt Schweden? (Bundesrat Bader: Das ist die halbe Wahrheit! – Bundesrat Steiner: Maske, Maske, Maske! – Bundesrat Bader: Da haben sie die höchsten Zahlen! – Bundesrat Steiner: Herr Bader, Maske!) – Ja, Sie sind Philosoph, Herr Kolle­ge. Jede Wahrheit ist nur eine halbe Wahrheit. Diese Sprüche sind auch mir bekannt, jaja. Vielleicht ist es gut, wenn wir beachten, dass in jeder Wahrheit auch ein Körnchen Unwahrheit steckt oder dass sogar die schlimmste Lüge eine Portion Wahrheit beinhaltet,


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wie die chinesischen Philosophen meinen – aber das ist nicht das Thema unserer heutigen Auseinandersetzung. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

In Schweden sind die Schulen nie geschlossen gewesen, und es ist nie ein Geschäft geschlossen worden. Ich habe das ein bisschen verfolgt. Es hat eine Skisaison wie immer gegeben: Alle Skiressorts waren offen, alle Hotels und Hütten voll und gut besucht. Nun könnte man sagen: Es hat in Schweden ja gar nichts gebracht, sie sind ein Risiko eingegangen und haben dieselben Probleme wie wir. – Sie haben tatsächlich geringe Einbußen durch die weltweite Situation erlitten, aber – der Kollege hat sicherlich die Zahlen wieder im Kopf, nicht? – wir haben 2020 rund 7 Prozent BIP-Rückgang gehabt; die Schweden haben rund 2 Prozent gehabt.

Das ist ein Unterschied von 5 Prozent. Der Schaden allein aus dem Nichtrückgang des BIPs – wir haben ein BIP von 450 Milliarden Euro, also können Sie es sich ausrechnen – liegt bei ungefähr 22 Milliarden Euro. Im ersten Quartal 2021 – auch das ist interessant – haben wir ein Schrumpfen gegenüber dem bereits sehr schwachen und negativ wachsenden ersten Quartal 2020 von 2,7 Prozent, glaube ich. Schweden hat ein Wachstum von 1,9 Prozent. Da haben wir eine BIP-Differenz von 4. Ich möchte nicht noch einmal nachrechnen, was das für ein Schaden ist.

Schweden verzeichnet keinerlei Anstieg bei den psychischen Problemen von Jugend­lichen, Minderjährigen und Sonstigen, keinen Anstieg der Selbstmordrate, nichts von all dem, was wir leider, leider überdeutlich verzeichnen müssen. All das, liebe Kollegen, sollte in eine Überlegung einfließen, und all das sollten wir in einer fairen, an den Interessen des Bürgers und der Wahrheit orientierten Politik berücksichtigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sollten nicht unser ganzes Handeln und unsere ganze Botschaft an die Staatsbürger, die Wähler, die uns Unterworfenen – nicht uns Unterworfenen, aber der Regierung als Exekutive Unterworfenen – auf Lockdown oder Impfen beschränken. Das ist diesem Staat nicht würdig, Herr Minister. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

14.11


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Kollegin.


14.11.57

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Lieber Herr Minister, herzlich willkommen im Bundesrat! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim via Livestream! Eine Trainingseinheit im Fitnesscenter, ein Kinobesuch und davor vielleicht noch ein Aperol im Gastgarten – all das wird ab 19. Mai gelebte Realität dank unserer hervorragenden Test- und Impfstrategie, die wir in Österreich haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ein, zwei Worte möchte ich noch an meine Kollegen von der Freiheitlichen Partei richten, da Sie ja sehr stark kritisieren, dass der heutige Gesetzesbeschluss massiv die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung einschränken wird. Ich stimme Ihnen insofern zu, als die Grundrechte in einer Pandemie immer in einem Spannungsverhältnis stehen. Es ist einfach immer eine Abwägung, ob das eine oder das andere Grundrecht gerade wichtiger ist. Das Recht auf Freiheit des einen endet einfach dort, wo das Recht auf Unversehrtheit des anderen beginnt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schartel: Aber Kinder haben auch Rechte!)

Es ist die Aufgabe der Politik, zu bestimmen, welches Grundrecht in welcher Situation überwiegt, und den größtmöglichen Interessenausgleich zu schaffen. Für das gesamte Parlament mit Ausnahme der Freiheitlichen Partei ist völlig klar, dass in einer Pandemie


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 99

als oberstes Prinzip gilt, die Bevölkerung in unserem Land zu schützen. Ihnen ist das offensichtlich nicht klar. Sie schaffen es nicht einmal, hier Ihre Parlamentskollegen zu schützen, indem Sie Masken aufsetzen und sich an die Hausordnung halten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir setzen heute jedenfalls Geimpfte, Genesene und Getestete gleich. Es ist wichtig, zu betonen, dass es keine Diskriminierung gibt. Da stimmen wir mit der Freiheitlichen Partei nicht überein. Sie sehen das anders. Es ist keine Diskriminierung von Nichtgeimpften oder Nichtgenesenen (Zwischenrufe bei der FPÖ), weil es eine Ersatzmöglichkeit gibt: Man hat durch das Testen die gleichen Zutrittsmöglichkeiten wie Geimpfte. (Bundesrat Steiner: Na klar!) Testen ist überhaupt kein Problem, es geht schnell, tut nicht weh und ist unkompliziert. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Testen und Impfen werden uns also noch eine ganze Weile begleiten, damit wir auch gut durch den Sommer kommen. Testen und Impfen werden auch das Um und Auf sein, um aus der Krise zu kommen. Deshalb bitte ich wirklich alle, sich impfen zu lassen. Jede einzelne Impfung bringt uns näher an unser Ziel, nämlich zurück zur Normalität.

Unsere Teststrategie wird mit dem heutigen Beschluss nochmals verbessert, indem statt wie bisher fünf nun zehn Gratisselbsttests in den Apotheken erhältlich sind. Das inten­sive Testen wird uns über die Öffnungsschritte hinaus noch einige Wochen sehr stark beschäftigen. Das haben wir bei uns in Vorarlberg gesehen. Wir haben bekanntlich bereits seit 15. März – also fast eineinhalb Monate schon – die Gastronomie geöffnet und testen mittlerweile wöchentlich sechsmal so viel wie vor den Öffnungsschritten. Allein letzte Woche haben wir beispielsweise die gesamte Vorarlberger Bevölkerung einmal komplett durchgetestet. Das erlaubt es uns auch, je nach Infektionslage und Clusterbildungen sehr direkt, sehr adäquat und sehr schnell zu reagieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Genau das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, machen wir jetzt auch mit den breiten Öffnungsschritten ab 19. Mai in ganz Österreich, und ich bin wirklich sehr zuver­sichtlich, dass dies mit den gesetzten Maßnahmen gelingen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.16


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm das Wort.


14.16.16

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Zu den genannten Tagesordnungspunkten kann vonseiten der Sozialdemo­kraten festgehalten werden: Inhalt der Einigung sind die gleichen Zutrittsrechte für Geimpfte, Getestete und Genesene. Uns erscheint es sinnvoll, dass geimpfte Menschen gleich behandelt werden wie Menschen, die getestet sind oder die Krankheit bereits überstanden haben. Wir Sozialdemokraten sind natürlich gerne bereit, der Regierung aus der Patsche zu helfen, weil es nicht sein soll, dass sich bereits geimpfte Menschen in Teststraßen anstellen müssen und dort die notwendigen Ressourcen unnötig blockie­ren.

Es ist aber auch festzuhalten, dass es heute in keinster Weise um den grünen Pass geht. Es wurde zwar in den Medien laufend berichtet, die SPÖ stimme heute dem grünen Pass zu, das entspricht jedoch in keinster Art und Weise der Realität. Bis zu dieser Beschluss­fassung sind noch viele Hausaufgaben zu erfüllen, das wird für die Gesetzgebung noch eine große Herausforderung. Jetzt ist die Bundesregierung in der Verantwortung, so schnell wie möglich die Grundlagen dafür zu schaffen, dass es eine bundesweit einheitliche


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 100

Lösung für die Test- und Nachweisdokumentation gibt und diese auch ordentlich und praktikabel funktioniert.

Es soll die Grundlage dafür geschaffen werden, dass Reisen und unser tägliches Leben miteinander leichter möglich werden. Notwendig wird es auch sein, dass es eine kluge europaweite Lösung gibt, die kostenfrei und leicht zugänglich ist und für die Bürgerinnen und Bürger sowohl in digitaler Form als auch in Papierform zur Verfügung steht. Die Praxis hat in den letzten Monaten gezeigt, dass viele Menschen mit einer rein digitalen Lösung komplett überfordert waren. Nicht nur die ältere Generation, auch andere Bevöl­kerungsteile sind vom digitalen Zeitalter noch weit entfernt, und diese dürfen wir da nicht alleine lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gut ist auch, dass die Voraussetzungen für notwendige Berufsgruppentestungen für die ArbeitnehmerInnen geschaffen wurden, um diese besser schützen zu können. Daher werden wir dieser Verordnung die Zustimmung erteilen.

Neben den geplanten Öffnungsschritten ist mir ein Punkt besonders aufgefallen. Laut Bundesministerin Köstinger soll es nun zukünftig auch Kindern möglich sein, mittels negativen Schultests ein Gasthaus zu besuchen. Alles recht und schön, aber da habe ich ein großes Problem, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Wenn es um die Gast­wirtschaft geht, ist auf einmal vieles möglich, aber als es darum gegangen ist, dass die Schultests für die sportlichen Tätigkeiten der Kinder am Nachmittag in Vereinen aner­kannt worden wären, war das ein Ding der Unmöglichkeit. Gasthäuser sind erlaubt, Sportstätten nicht. – Das kann nicht sein! (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Diese Doppelmoral muss man uns einmal erklären. Apropos Kinder und Jugendliche – sie wurden heute ja schon mehrfach angesprochen –: Vergessen wir bitte unsere Kleinkinder nicht! Auch für sie gilt in Zukunft das bekannte Motto: testen, testen, testen. Die aktuellen Zahlen sprechen für sich: Die positiven Bestätigungen für die Altersgruppe null bis fünf steigen rapide an – auch nachweislich in der Modellregion Vorarlberg. Schaffen Sie so rasch wie möglich auch Testungen für diese Altersgruppe mittels Spuck- oder Lollipoptests in den Kinderbetreuungseinrichtungen! Es kann nicht sein, dass die Gemeinden diesbezüglich wieder selbst die Initiative ergreifen müssen, wie zum Beispiel die Gemeinde Traiskirchen auf Initiative von Bürgermeister Babler, die dieses Modell schon sehr erfolgreich praktiziert und somit auch die Infektionszahlen hintanhalten kann.

Es tun sich dabei noch viele Fragen auf: Wen interessieren die Covid-Langzeitfolgen bei Kindern und Jugendlichen? Wie sieht es mit der Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen aus, mit Schutzmaßnahmen und den Langzeitfolgen aufgrund der Covid-Maßnahmen? Seit mehr als einem Jahr tragen Kinder und Jugendliche diese Maß­nahmen mit. Sie werden in ihrem Lebensalltag massiv eingeschränkt, werden auch noch als verlorene Generation – lost generation – sowie als Gefährderinnen und Gefährder der älteren Generation bezeichnet und vieles mehr.

Doch was unternimmt diese Bundesregierung zum Schutz dieser Kinder und Jugend­lichen? Aus welcher Perspektive betrachtet die Bundesregierung Kinder und Jugend­liche? Wie nimmt sie Kinder und Jugendliche eigentlich wahr – ihre Bedürfnisse, ihre Empfindungen, ihre Erfahrungen, ihre Lebensrealitäten? Hört mensch aktuell Kindern oder Jugendlichen zu?

Spricht man mit ihnen, lässt sich die zentrale Aussage so zusammenfassen: Wir werden nicht als Kinder oder Jugendliche wahrgenommen, sondern wir kommen zuerst nur als Schülerinnen oder Schüler vor. Das Einzige, worum es für uns jetzt geht, ist, dass wir ab Mitte Mai wieder in die Schule gehen können und mit Tests und Schularbeiten überhäuft werden. Niemand fragt uns. Ist die Schule unser einziger Lebensinhalt? Noch dazu bedeutet die Schulöffnung nun, gemeinsam mit allen SchulkollegInnen auf engstem


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Raum im Unterricht durchgehend Mund-Nasen-Schutz oder FFP2-Masken zu tragen – manche 4 Stunden, manche 8 Stunden am Tag.

In einem Jahr Pandemie war es nicht möglich, etwa Klassenräume mit geeigneten Luftreinigungsgeräten auszustatten, obwohl mittlerweile nachgewiesen ist, dass damit 374 Infektionen in Kindergärten oder Schulen hätten verhindert werden können. Da wären die 210 Millionen Euro, die von der Bundesregierung für PR-Maßnahmen verwen­det wurden, besser investiert gewesen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Ofner und Spanring.)

Nun kehren die Kinder und Jugendlichen Mitte Mai wieder bewusst völlig schutzlos in die Klassenräume zurück, obwohl bekannt ist, dass das Infektionsgeschehen bei ihnen am höchsten ist und sie nicht durch Impfungen geschützt werden. Freizeit und Ausgleich sind für sie jedoch mit massiven Auflagen verbunden oder gar untersagt. Chronische Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen – um nur einige zu nennen – sind die Nebenaspekte dieser Maßnahmen.

Wie werden Jugendliche, welche an Long Covid leiden, unterstützt oder entlastet? Wie sieht die Forschungslage dazu aus? Gibt es Handlungsempfehlungen für Ärztinnen und Ärzte, Pädagogen und Fachkräfte im Kontext von Jugendlichen, Kindern und Familie? Gibt es Behandlungszugänge und die Berücksichtigung bei Leistungsnachweisen? Oder sind solche Maßnahmen geplant?

Sie sehen, Herr Bundesminister, es besteht auch da massiver Handlungsbedarf. Ich bitte Sie: Lassen Sie unsere Kinder und Jugendlichen nicht im Stich! Sie haben ja bereits bei Ihrer Antrittsrede darauf hingewiesen, als Vater von zwei Töchtern sehr viel Verständnis für diese Situation aufzubringen. Wir hoffen da auf Ihre Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.24


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.24.43

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bin heute schon kurz darauf eingegangen: Wir beschließen heute die mehrheitsfähigen Teile eines Gesetzespakets, das vor sechs oder sieben Wochen hier keine Mehrheit gefunden hat, weil die Regierungsparteien ein Paket geschnürt hatten, in dem für alle Oppositionsparteien mindestens ein Dealbreaker drinnen war – dies noch einmal zum Thema, zum Stil bei den Gesetzentwürfen, die aus Ihrem Ressort, aus dem Ressort Ihres Vorgängers, gekommen sind, der nicht hilfreich war.

Heute holen wir das nach. Wir greifen einige Punkte aus diesem Gesetzespaket heraus, die hier im Haus eine breite Mehrheit haben und auch von uns NEOS sowohl im Natio­nalrat als auch hier unterstützt werden. Ein Punkt, der endlich erfüllt wird, betrifft die Berufsgruppentests in Form der Testpflicht an Betriebsstätten. Jetzt wird endlich darauf geschaut. Ich habe diese Inkonsistenz nie verstanden, dass man zum Beispiel an den Schulen erkannt hat, dass ein großes Infektionsrisiko entsteht, wenn sich viele Personen aus verschiedenen Haushalten in geschlossenen Räumen lang miteinander aufhalten, und man dort, um die Infektionen wesentlich zu verringern, oft testen muss, das aber an den Arbeitsstätten bisher nicht passiert ist. Teilweise hat es diesbezüglich geheißen, dass die Anforderungen an den Arbeitsplatz bereits durch Präventionskonzepte erfüllt werden – dafür würden auch Plexiglasscheiben ausreichen. Wir sehen es deshalb sehr positiv, dass diese Testpflicht jetzt auch für Betriebsstätten gelten wird, an denen Infek­tionen vorkommen können.


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Der zweite Punkt, der endlich erfüllt wird und den wir NEOS schon seit Dezember, als das Konzept der Eintrittstests zum ersten Mal aufgekommen ist, fordern, ist, dass geimpfte Personen genesenen Personen bezüglich der Eintrittstests endlich gleich­ge­stellt werden. Sie bekommen – auch das ist schon oft erwähnt worden – weitreichende Verordnungsermächtigungen und stehen dabei in einer großen Verantwortung, diese normativ gut umzusetzen, weil ja im Gesetz noch nicht festgelegt wurde, was genau im Hinblick auf Impfungen für eine Gleichwertigkeit ausreicht. Das beginnt mit der Frage: Welche Impfstoffe gelten? Ab wann nach einer Impfung gilt die Gleichwertigkeit? Wie lange nach einer Impfung gilt die Gleichwertigkeit?

In diesem Kontext: Wenn die Gleichwertigkeit bereits 22 Tage nach der ersten Impfung – in diesem Fall: der ersten Teilimpfung – gilt, wie das medial schon oft kolportiert wurde und wie dies zum Beispiel auch bei der Einstufung als K1- statt als K2-Kontaktperson gilt, dann muss man – wie Sie das, glaube ich, heute auch schon erwähnt haben – darauf achten, dass das nicht dazu führt, dass sich einmal geimpfte Personen denken: Jetzt ist für mich eh schon alles erledigt, ich kann mich schon zurücklehnen, was das Ansteckungs­risiko betrifft!, und dann vielleicht sogar auf die zweite Impfung verzichten. Ich habe Zahlen aus den USA gesehen. Dort sind es, glaube ich, knapp 10 Prozent, die sich ihre zweite Teilimpfung nicht abholen. Dem muss man definitiv entgegenwirken.

Eine Methode, die im Gesundheitsausschuss von Ihrem Mitarbeiter schon genannt worden ist, würde darin bestehen, zu überlegen, die Gültigkeit für die Gleichwertigkeit nach der ersten Teilimpfung nur vorläufig und befristet wirken zu lassen, nämlich – natürlich mit einem gewissen Spielraum – bis zur planmäßigen zweiten Impfung. Das wäre gut so.

Was in dem heutigen Gesetzesbeschluss nur mit einer Gültigkeit von ungefähr einer Woche – nämlich bis zum Inkrafttreten des liegengebliebenen Gesetzes – beschlossen wird, ist leider der Punkt, der die Frage behandelt, wo überall Eintrittstests verordnet werden dürfen. Bisher gilt ja, dass Eintrittstests nur dort verordnet werden dürfen, wo das Ansteckungsrisiko aufgrund einer länger andauernden Interaktion mit anderen Per­sonen relevant ist. Diese Bestimmung wird ersetzt, es wird ganz anders formuliert, aber die Voraussetzung der länger andauernden Interaktion kommt jedenfalls nicht mehr vor.

Diesbezüglich ist von Ihrem Vorgänger beziehungsweise den Regierungsparteien oft thematisiert worden, dass es dann auch möglich sein wird, Eintrittstests für Betretungen von Betriebsstätten, zum Beispiel Betriebsstätten des Handels, vorzuschreiben. Das wäre keine gute Idee, nämlich aus drei Gründen.

Erstens: Es muss ein gewisses Ansteckungsrisiko bestehen, damit so ein Eintrittstest Sinn macht. Das, glaube ich, ist auch von vornherein die gesetzliche Anforderung, ohne dass es im Gesetz jetzt ausdrücklich mit einer länger andauernden Interaktion umschrie­ben würde, weil es sonst wahrscheinlich bereits verfassungswidrig wäre.

Die zweite Frage ist die Kontrollierbarkeit.

Der dritte Grund ist das Argument, das dann oft gebracht wird: Selbst wenn im Einzel­handel keine hohe Ansteckungswahrscheinlichkeit zwischen Kundinnen und Kunden besteht, dann wäre das doch die Möglichkeit, dass man für viele Personen einen Anreiz schafft, sich testen zu lassen, damit sie sich eben, wenn sie im stationären Handel ein Buch kaufen wollen, testen lassen, dass man Personen, die sich ansonsten nicht testen lassen würden, so zum Testen bringt.

Das ist eine ganz schlechte Idee, weil gerade der Einzelhandel eine Sparte ist, der durch den Onlinehandel sehr, sehr leicht substituierbar ist. Extra um in ein Buch- oder ein Schuhgeschäft zu gehen, wird sind definitiv niemand testen lassen. Eine derartige Verordnung würde nur dazu führen, dass der stationäre Handel in Österreich zulasten


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der Onlinehändler – und zwar auch internationaler Onlinehandelskonzerne – Marktan­teile und Umsätze verlieren würde.

Zum nächsten Punkt, dem sogenannten grünen Pass: Ich sage sogenannt, weil es weder im Gesetz noch in der Verordnung drinnen stehen wird. Worum es da geht, ist weder ein grünes Ding, noch ist das Ding ein Pass, sondern es geht in Wirklichkeit um die Zusammenführung von Datenbanken, aus denen man einen bestimmten Status und eine bestimmte Eigenschaft der Person erkennen kann, nämlich die Eigenschaft, ob diese Person entweder schon geimpft ist – womit, wie lange, wann –, ob sie eine Infektion hinter sich hat oder ob sie aktuell einen Eintrittstest gemacht hat, der noch gilt.

Die Frage ist: Warum wird das Ganze – leider – überall grüner Pass genannt? – Ich nehme an, weil es in Israel ein derartiges Ding gibt (Bundesrat Schennach: Genau!) und sich unser Herr Bundeskanzler wieder mit den Federn der israelischen Pande­miebekämpfung schmücken möchte. Das ist leider sehr irreführend, weil der israelische grüne Pass etwas anderes ist als das, was bei uns kommen soll. Der israelische grüne Pass ist nämlich im Wesentlichen ein Impfnachweis, teilweise auch ein Genesungs­nach­weis für vormals erkrankte Personen. In Israel ist das System aber ein definitiv anderes, weil es dort das System der Eintrittstests nicht gibt, das bei uns nämlich die Grundlage für die Nachweispflichten sein wird.

Also ich finde die Bezeichnung missverständlich, ich finde sie auch kontraproduktiv, weil man dadurch der Impfverweigerung Vorschub leistet, und ich wäre dafür, dass man das Ding auch tatsächlich beim richtigen Namen nennt.

Wichtig bei der Zusammenführung der Datenbanken von Impfungen, Genesungen und Eintrittstests ist definitiv – wie wir das heute auch schon gehört haben –, dass man auf den Datenschutz schaut, dass damit auf keinen Fall Bewegungsprofile gemacht werden können. Wir haben sowohl im Nationalrat als auch hier schon jedes Mal, als das Thema war, darauf hingewiesen, dass das Ganze besser in Elga hätte zusammengeführt werden sollen, anstatt dass die Daten aus Elga in andere Register überspielt werden. Warum? – Weil man als Elga-Teilnehmer Einsicht in Abfragen aus der Datenbank hat. In die neu geplante Datenbank wird man als Bürgerin/Bürger kein Einsichtsrecht haben. Es besteht die große Gefahr, dass das wieder ein Digitalisierungsprojekt ist, das bei der Umsetzung vermasselt wird, wie das Kaufhaus Österreich.

Die Frage ist, ob es sich überhaupt für die paar Wochen, bis das europäische Zertifikat kommt, auszahlt, eine eigene österreichische Insellösung aufzusetzen, die allenfalls damit sogar inkompatibel ist, denn am 19. Mai wird das österreichische Zertifikat sowieso nicht in Kraft treten, wie wir gehört haben, sondern erst im Juni. Dann sind es vielleicht drei Wochen, bis das europäische Zertifikat in Kraft tritt. Die Frage ist: Zahlt sich das überhaupt aus?

Letzter Punkt: Eine weitere Verordnungsermächtigung, die Sie bereits haben und für die die Gesetzesänderungen heute gar nicht relevant sind, bei der aber auch die Frage der Gleichstellung Geimpfter relevant ist, ist die Einreiseverordnung: die Einreise nach Österreich von Geschäftsreisenden, Touristen, aber auch die Rückkehr von Öster­reichern, die ins Ausland gereist sind, oder von Auslandsösterreichern, die Heimaturlaub machen möchten.

Auch dort stellt sich die Frage, wie mit den Anforderungen oder den Auflagen, die an die Einreisenden nach Österreich gestellt werden, mit der Testpflicht und mit der Quaran­tänepflicht für Geimpfte umgegangen wird. Werden dort die gleichen Anforderungen gestellt, die für die Gleichstellung in Österreich bei den Eintrittstests gestellt werden? Wie würde man argumentieren, dass es andere Anforderungen sind?


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Ein großes Problem, das die Einreiseverordnung aufweist, was ich – wie die Kolleginnen und Kollegen wissen – auch jedes Mal Minister Anschober gesagt habe, ist die Inkonsis­tenz in der Länderliste im Anhang der Einreiseverordnung. Dort gibt es zwei Länder­listen: Die eine Länderliste ist quasi die grüne Liste, das sind die Staaten, aus denen man quarantänefrei nach Österreich einreisen kann. Die andere Liste ist die Liste der Hochinzidenzstaaten, aus denen man verschärfte Auflagen hat. Beide Listen sind inkonsistent, weil in beiden Listen Länder fehlen.

Auf der Liste der Länder mit quarantänefreier Einreise hätten ja angeblich Länder mit einer Siebentageinzidenz unter 50 sein sollen. Tatsächlich wird die Schwelle sehr viel niedriger angesetzt, wenn man sich die Inzidenz anschaut. Damit ein Land auf diese Liste kommt, darf die Inzidenz offenbar maximal 25 sein, denn die Länder, die in der Inzidenz zwischen 25 und 50 liegen, fehlen dort.

Jetzt sind von den europäischen Staaten nur Finnland, Island und der Vatikan auf dieser Liste. Finnland hat eine Inzidenz in der Gegend von 25, Island hat ungefähr 11. Die anderen europäischen Staaten mit einer ähnlichen Inzidenz fehlen aber dort. Portugal hat eine Inzidenz von 25, Großbritannien eine Inzidenz von 20, Albanien hat auch eine Inzidenz von ungefähr 20. Warum die einen Länder drauf sind und die anderen nicht, ist unerfindlich. Jetzt könnte man sagen, das wäre ja egal, man irrt sich da auf der sicheren Seite. Das Problem ist: Auf der Liste der Hochinzidenzstaaten fehlen auch Länder.

Jetzt zu den Ländern in Europa mit der aktuell höchsten Inzidenz: Die ersten zwei auf dieser Liste sind, so wie es gehört, Zypern in der Gegend von 450, Schweden - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat, ich bitte, die Redezeitusancen zu beachten.


Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (fortsetzend): Schweden ungefähr mit 340, aber das Land mit der dritthöchsten Inzidenz fehlt. Das wäre Litauen mit einer Inzidenz in der Gegend von 300. Dann kommen aber wieder Länder mit einer Inzidenz in der Gegend von 300 – Kroatien, Niederlande –, dann Frankreich mit einer Inzidenz von 200, dann kommen aber Länder, die eine Inzidenz haben, die niedriger ist als die österreichische, die aber auf der Hochinzidenzstaatenliste stehen. Das passt alles nicht zusammen. Da wäre es notwendig, dass Sie die Versäumnisse Ihres Vorgängers bezie­hungsweise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Ihrem Vorgänger die Liste zum Unterschreiben vorgelegt haben, ausbessern.

Ich komme jetzt zum Schluss. Wieder zurück nach Österreich: Man sieht, wenn man sich die Entwicklung der Inzidenzen an den beiden geografischen Extremen Österreichs – im Burgenland und in Vorarlberg – anschaut, ganz verschiedene Ausgangsbedingungen, aber an den Entwicklungen der Inzidenzen beider Bundesländer sieht man, dass weder die Ausgangsbeschränkungen noch die Schließung von Einzelhandel, Museen, Friseur­salons oder Schulen die Conditio sine qua non ist, um Ansteckungen deutlich zu ver­ringern. Ich hoffe, dass Sie da auch vom Vorbild Ihres Vorgängers abweichen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

14.39


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein. – Bitte.


14.40.01

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Herr Präsident! Bevor ich ganz kurz auf die beiden Tagesord­nungspunkte zu sprechen komme, danke ich für die Schuhe! Das ist sehr freundlich, ich trage aber lieber Sneakers, wie bekannt ist (allgemeine Heiterkeit sowie Beifall bei den


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 105

Grünen und bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ), und werde sie daher dem Verein Hemayat spenden.

Hemayat ist ein Verein, der mit Folter- und Kriegsüberlebenden arbeitet. Die freuen sich natürlich über jede Spende. Ich bin der Sneakerstyp, aber ich bin ganz sicher, dass wir jemanden finden, der sich noch einmal darüber freut. Dann habe ich mich jetzt gefreut, und der freut sich dann später noch einmal, dann freuen sich zwei. So werden wir das machen – danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Ich muss schon wieder Danke sagen, weil es natürlich ganz wichtig ist, dass jetzt diesen Teilaspekten der Novelle des Epidemiegesetzes doch die Zustimmung erteilt wird. Vielen Dank – es ist wichtig, dass wir das nicht erst am, glaube ich, 24.5. oder 25.5. machen können, sondern schon am 19.5., dass nämlich Personen, deren Impfung mindestens drei Wochen zurückliegt, den Genesenen gleichgestellt werden.

Das ist wichtig – ich habe das heute schon einmal ausgeführt –, weil damit Testkapa­zitäten frei werden, weil diese Personen, deren Impfung mindestens drei Wochen zurückliegt, eben nicht mehr getestet werden müssen. Und diese Testkapazitäten brauchen wir dringend, weil viele Leute um den 19.5. oder nach dem 19.5. dann eben wieder ihre Lieben besuchen, ins Gasthaus gehen, Kunst- und Kulturveranstaltungen besuchen oder Sport machen wollen. Das ist ganz wichtig, danke dafür!

Zum Thema Berufsgruppentestung: Es ist, glaube ich, eine gute Sache, dass man das grundsätzlich jetzt ganz generell an Arbeitsorten, wo zu anderen Personen Kontakt besteht, ermöglicht, das kann also dann verordnet werden.

Aus der Situation in Vorarlberg kann man in diesen Tagen viel lernen. Was wir auch gesehen haben, ist zum Beispiel, dass sich Lagerarbeiter in Klein- und Mittelbetrieben dort häufiger angesteckt haben, wie überhaupt prekäre Beschäftigungsverhältnisse dazu führen, dass sich Leute leichter mit Cov-19 anstecken.

Es waren so viele Fragen, ich habe nur ein paar mitgeschrieben. An die NEOS wegen der ersten Teilimpfung, die irgendwann erlöschen soll: An sich ist es so, dass bei MRNA-Impfstoffen nach 42 Tagen die Zweitimpfung erfolgen muss, sonst wird das grüne Hakerl wieder zu einem roten X, bei Vektorimpfstoffen hingegen sind das zwölf Wochen. Es ist also schon geplant, dass man mit der ersten Teilimpfung nicht ad infinitum ein grünes Hakerl bekommt.

Ich bedanke mich also, wie gesagt, mehr für die Zustimmung der SPÖ, aber auch für die Schuhe. – Vielen Dank. (Allgemeine Heiterkeit sowie Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.43


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Spanring. (Bundesrätin Schumann: Na bitte!)


14.43.40

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wir haben es gerade gehört: Medizinisch ist es nicht begründbar, aber die Testkapa­zitäten sind der Grund, warum wir das Ganze machen.

Fakt ist: Die Sondersitzung des Nationalrates und auch dieser Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung wären gar nicht notwendig gewesen, denn der Gesundheitsminister, also Ihr Vorgänger, hat ja auch bisher alles immer per Verordnung festgelegt, nämlich wer mit welchem Nachweis wo wann wohin darf. Dann hätte man eben die Verordnung entsprechend an die Impfung angepasst.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 106

Worum geht es jetzt also? Wieso wird das trotzdem veranstaltet? – In Wahrheit geht es um Inszenierung, wie so oft. (Beifall bei der FPÖ.)

Sebastian Kurz, der Allmächtige, unser Heiland, der es zuerst geschafft hat, zusätzliche Impfdosen für Österreich zu organisieren, ist jetzt quasi der Erfinder in Sachen grüner Pass in der EU. Mitnichten, meine Damen und Herren, mitnichten, alles nur billige Show­politik – also genau genommen sauteure Showpolitik, der Steuerzahler darf ja diese ÖVP-Kurz-Propaganda bezahlen.

Das ändert nichts daran, dass wir weder mehr Impfdosen von Biontech/Pfizer bekom­men, noch dass Kurz irgendetwas erfunden hätte. Der Kanzler behauptet ja auch bis heute, er hätte die Balkanroute geschlossen. Dabei wissen wir, dass im Schnitt täglich 55 Personen illegal österreichischen Boden betreten, und die Hälfte davon über die Balkanroute.

Zusammenfassend kann man sagen: Wenn uns die ÖVP etwas erzählt oder erklärt, kann man davon ausgehen, dass die Hälfte falsch und der Rest mit Halb- und Unwahrheiten gespickt ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Zurück zum grünen Pass oder zum sogenannten grünen Pass: Wir alle dürfen jetzt Kanzler Kurz auf Knien kriechend dafür danken, dass er uns Teile unserer Freiheit zurückgibt – die aber er zuvor eingeschränkt hat, meine Damen und Herren!

Wenn ich höre, Sie geben uns unsere Grundrechte zurück, Herr Bundeskanzler, dann muss ich entgegnen: Nein, falsch! Ein Grundrecht – und darum heißt es ja so – ist unteilbar, und das können Sie uns gar nicht wegnehmen, zumindest nicht in einer Demokratie. Und soviel ich weiß, leben wir ja noch in einer Demokratie (Bundesrat Steiner: Na ja, da bin ich mir nicht so sicher! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), auch wenn diese ÖVP sich manchmal so benimmt, als wären wir in einer Art Diktatur. Es gibt ja nämlich nur eine Wahrheit, die Wahrheit der ÖVP, und diese Wahrheit ist alternativlos, wie wir wissen. Da kann ich nur sagen: Kim Jong-un lässt grüßen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Anstatt – und diese Kritik richtet sich auch an Sie, Herr Minister – echte Vorbilder zu nehmen, die das Beste für ihre Bürger wollen, nimmt sich diese Regierung Staaten wie China als Vorbild, wo die totale Überwachung den supergläsernen Bürger hervorbringt. Der Staat weiß dort, was wann wo passiert, wer sich mit wem trifft; und wenn das, was dort passiert, dem Staat missfällt, dann schränkt er die Menschen ein. Dann kann man vielleicht nur mehr 10 Euro pro Tag von seinem Konto abheben. Abhängige Bittsteller statt unabhängigen Bürgern, das würde wahrscheinlich auch der ÖVP bei uns gefallen, aber, meine Damen und Herren, das wird es mit uns Freiheitlichen so nie spielen! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesrat Hübner hat es ja vorhin gesagt: Florida wäre so ein Beispiel für ein gutes Vorbild. Der Gouverneur von Florida sagt, ich zitiere: Es ist völlig inakzeptabel, dass eine Regierung, dass Behörden oder dass private Unternehmen Bürgern vorschreiben, dass sie einen Impfnachweis oder einen Testnachweis vorzeigen müssen, um am täglichen Leben teilzunehmen. – Zitatende.

Am täglichen Leben, meine Damen und Herren! – Wir reden nicht davon, dass Sie mit dem grünen Pass auf die Malediven oder nach Australien fliegen, sondern es geht darum, ob Sie am Abend bei Ihrem Wirt ums Eck ein Bier trinken dürfen, ob Sie in Ihrer Lieblingskonditorei einen Kaffee zu sich nehmen können, ob Sie ins Fitnessstudio dürfen und ob Sie beim nächsten Fußballspiel in der Kantine ein Wurstsemmerl konsumieren dürfen. Darum geht es, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren von Schwarz-Grün, machen aus ungeimpften Bürgern – und es muss jedem freistehen, ob er sich impfen lässt oder auch nicht – Bürger zweiter


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Klasse. Diese Regierung teilt die Bevölkerung in Brave und nicht Brave auf, wobei die Braven diejenigen sind, die nach eineinhalb Jahren Angstpropaganda nun alles genau so machen, wie es diese Regierung will.

Ja, ich kann es nachvollziehen, dass viele Menschen Angst haben, und auch, dass sie sich nicht länger einschränken lassen wollen. Diese Regierung hat eineinhalb Jahre lang alles gemacht, was die Menschen eingeschüchtert hat.

Diese Regierung hat zwar beim Schutz der älteren Menschen in den Alten- und Pfle­geheimen versagt, diese Regierung hat unzählige Arbeitsplätze vernichtet, Firmen in die Pleite getrieben, diese Regierung hat unzählige Kollateralschäden unvorstellbaren Aus­maßes fabriziert. Diese schwarz-grüne Regierung hat es geschafft, dass Kinder und Jugendliche ein ganzes Bildungsjahr verloren haben, und diese Regierung hat die Kinderpsychiatrien gefüllt. Diese Regierung hat Selbstmorde zu verantworten und auch Tote, weil Menschen nicht behandelt wurden, und diese Regierung hat ein verfassungs­widriges Gesetz nach dem anderen produziert.

Diese Regierung hat es verabsäumt, genügend Impfstoff zu kaufen für jene, die sich impfen lassen wollten – diese Diskussion haben wir schon seit Monaten –, und diese Regierung hat es auch verabsäumt, auch nur irgendwelche validen Daten zu sammeln und auch vorzuweisen, welche ihre Coronamaßnahmen in Österreich auch nur annä­hernd wissenschaftlich rechtfertigen würden. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Regierung hat den Großteil der Bevölkerung mithilfe der gekauften Medien einge­schüchtert, in Angst und Unruhe versetzt. Darum verstehe ich jeden, der Impfen geht und allen Ernstes glaubt, dass sich damit dann etwas ändern wird – aber ich fürchte, meine Damen und Herren: Nein, das wird nicht der Fall sein.

Gestern war zu lesen, dass Österreich 42 Millionen Impfdosen für die Drittimpfung gekauft hat, und auch Herr Minister Mückstein spricht heute ganz unverblümt aus, dass fröhlich weitergeimpft werden wird: dritte Impfung, vierte Impfung, jetzt natürlich auch die Kinder. (Bundesrat Schreuder: ... „fröhlich“! Meine Güte!) Also seien Sie versichert: Diese Regierung treibt das Spiel noch weiter – so lange, bis der letzte ÖVPler genügend an den Coronamaßnahmen verdient hat, „koste es, was es wolle“, so lange, bis jeder Bürger dieser Regierung willfährig aus der Hand frisst. (Beifall bei der FPÖ.)

Und die Bösen in diesem Land, die sich nicht impfen lassen wollen, die um ihre Grund- und Freiheitsrechte kämpfen wollen, die werden (Bundesrat Schreuder: Die werden sich testen lassen!) weiter drangsaliert. (Bundesrat Schreuder: Die werden sich testen las­sen!) Sie werden genötigt, sich impfen zu lassen, ansonst verlieren sie ihren Job. Wir haben unzählige dahin gehende Mails. Also es ist quasi eh freiwillig! – Ach so, das stimmt nicht? Herr Kollege Schreuder weiß das! (Bundesrat Schreuder: Dann lassen sie sich testen!) Sie werden als Idioten und als Gefährder hingestellt.

Apropos Gefährder, da habe ich dann auch gleich eine Frage an den Herrn Minister. Herr Minister – Sie sind ja auch Arzt –, eines müssen Sie mir noch erklären: Wenn ein Ungeimpfter ein Gefährder für einen Geimpften ist, was bringt dann die Impfung dem Geimpften? Können Sie das erklären?

Also dieser grüne Impfpass ist kein Schritt in Richtung Freiheit, er ist ein Schritt in Richtung Abhängigkeit vom Staat, ein Schritt hin zu totaler Kontrolle und Überwachung. Der grüne Pass ist ein staatliches, polizeiliches Führungszeugnis, ein Gnadenakt der Regierung, um als Staatsbürger und Steuerzahler am halbwegs normalen Gesellschafts­leben teilnehmen zu dürfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche stehen für Freiheit und für die Grundrechte des Einzelnen. Niemand muss sich stechen lassen, um Freiheitsrechte zu bekommen. Heute Morgen habe ich auf der „Public Health“-Seite ein interessantes Statement zum


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grünen Pass gelesen, und angesichts von Kommentaren, die ich hier herinnen vereinzelt gehört habe, ist es noch viel passender:

„Für den ,grünen Pass‘ gibt es keine medizinische oder gesundheitliche Begründung. Er ist eine rein politische und wirtschaftliche Entscheidung. Wie auch immer, das Chaos ist vorprogrammiert.“ – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren von dieser schwarz-grünen Regierung! Ihnen möchte ich schon eines sagen: Schämen Sie sich! Schämen Sie sich in Grund und Boden! Seit Corona gibt es ja anscheinend nur noch getestet, genesen und geimpft – nur gesund gibt es offenbar nicht mehr!

Ich sage Ihnen noch etwas: Freiheit ist nicht impfbar! (Beifall bei der FPÖ.) Und nur in einer kranken, in einer wirklich kranken Gesellschaft muss ein gesunder Mensch bewei­sen, dass er gesund ist. (Beifall bei der FPÖ.)

14.54


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Fraktionsvorsitzender Karl Bader. – Bitte.


14.55.02

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede von Herrn Kollegen Spanring würden mir ja Fragen einfallen, die ich hier gar nicht zu stellen wage, aber: Wo Spanring draufsteht – das haben wir in den letzten Sitzungen immer wieder miterlebt –, ist Kickl drin. (Bundesrat Spanring: Danke für das Kompliment! Danke für das Kompli­ment! Danke schön!) Wo Spanring draufsteht, ist ganz einfach Bundeskanzlerbashing drinnen. Wo Spanring draufsteht, ist Regierungsbashing drinnen. Eines aber ist auch klar: Wo Spanring draufsteht, ist massive Inszenierung und Märchenstunde der Freiheit­lichen drinnen. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Das, was Sie hier abgehalten haben, ist eine Märchenstunde, mehr nicht – das sage ich Ihnen. (Bundesrätin Schartel: Das sind Fakten! – Bundesrat Hübner: Wo ist da ein Märchen?) – Sie zeichnen Bilder, die rein Ihren Fantasien entspringen. Sie haben an­scheinend noch immer nicht mitbekommen, dass wir es in diesem Land, auf diesem Kontinent, auf der Welt mit der größten Pandemie seit 100 Jahren zu tun haben.

Ja, wachen Sie auf: Corona ist da! Diese Krankheit gibt es! Sie können sogar in den Reihen Ihrer eigenen Partei nachfragen, welche Auswirkungen davon viele zu spüren bekommen haben – und Sie stellen sich hierher und zeichnen Bilder, die ungeheuerlich sind.

Wir erleben Menschen auf Intensivstationen, wir erleben Menschen, die diese Menschen dort betreuen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wir erleben gesunde Menschen!) Reden Sie mit einer Krankenpflegerin, mit einem Krankenpfleger auf einer Intensivstation (Bun­desrätin Steiner-Wieser: Wir erleben gesunde Menschen!), was die, was der seit 15 Monaten zu leisten hat! Was Sie hier machen, ist unverantwortlich – und das ist die Inszenierung, das werfe ich Ihnen in jedem Fall vor! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Regierung hat Verantwortung – Sie hingegen haben sich von der Verantwortung verabschiedet –, und für diese Verantwortung der Regierung möchte ich Danke sagen: dem Bundeskanzler an der Spitze und den Gesundheitsministern. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Ihr müsst ja Danke sagen! Ihr verdient ja alle dran!) Hier ist Verantwortung gefragt! (Bundesrat Spanring: Natürlich sagt ihr Danke: Danke für die Aufträge und für die Millionen!)


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Es geht hier nicht um: Danke, danke!, es geht darum, die Menschen bestmöglich durch diese Pandemie zu führen, und wir haben Maßnahmen gesetzt, um jene, die Einschrän­kungen unterliegen, auch entsprechend zu unterstützen.

Da kann man bei dem einen oder anderen schon darüber diskutieren, ob das eine mehr Sinn machen würde oder das andere, und keiner stellt sich hierher und behauptet, dass alles, was gemacht wurde, das Richtige war. Natürlich ist es einem Diskussionsprozess unterworfen, natürlich ist dieser Diskurs notwendig, auch in dieser Pandemie, aber das Ziel ist, Verantwortung für die Menschen in dieser Republik zu tragen. Sie bestreiten ständig, dass Sie Corona verleugnen, aber Sie tun es immer wieder durch die Aussagen, die Sie hier heraußen tätigen, und Sie anerkennen auch noch immer nicht die größten Leistungen der Wissenschaft, in kürzester Zeit Impfstoffe produziert zu haben (Zwi­schenruf bei der FPÖ), und dass diese Impfstoffe uns aus dieser Krise herausführen werden. Das ist unverantwortlich! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Dim.)

Schauen wir uns an, was Sie sonst in dieser Krise tun: Wir sind eingeschränkt, auch wir, und es macht keinen Spaß, Einschränkungen zu verordnen, und es macht auch keinen Spaß, mit Einschränkungen umzugehen (Bundesrat Steiner: Da haben wir ein anderes Gefühl!) – ja, Herr Kollege Steiner, das mag vielleicht da und dort ein bisschen Ihre Fantasie sein (Bundesrat Steiner: Das ist ja Realität!) –, aber Sie negieren auch die am wenigsten einschränkenden Maßnahmen, die wir haben.

Das geringste Problem in dieser Krise, das sage ich Ihnen – reden Sie diesbezüglich auch draußen mit den Menschen! –, ist, Maske zu tragen. (Ruf bei der FPÖ: Stunden­lang!) Wir erleben hier in diesem Haus, wie Sie damit umgehen, weshalb auch wir einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung eingebracht haben, weil Sie als gewählte Mandatare nicht bereit sind, sich an die Hausordnung dieses Hauses zu halten, und damit ein Signal nach außen setzen (Bundesrat Steiner: Was sagen Sie dann zur ÖVP-Kollegin? Schau, deine ÖVP-Kollegin da hinten hat sie auch nicht auf! Da hinten deine ÖVP-Kollegin! – Bundesrätin Berger-Grabner setzt ihre Maske auf – Bundesrat Steiner: Ja, ganz schnell aufsetzen!) – Herr Kollege Steiner, ich bin am Wort –, das uns zwingt, einen Antrag einzubringen, und wir haben diesen eingebracht. (Bundesrat Steiner: Weil ihr euch selber nicht daran haltet! – Ruf: Aber jetzt ...!)

Sie tragen draußen Masken, wo es notwendig ist, Sie tragen Masken sogar auf frei­heitlichen Parteitagen, und Sie tragen keine Maske – als Provokation – hier im Plenum.

Das ist nicht akzeptabel, das ist unsolidarisch, das ist eine Zumutung für die Mitar­beite­rinnen und Mitarbeiter in diesem Haus. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Mitarbeiter ...!) Das ist ganz einfach – und da können Sie schreien, was Sie wollen – ein unsolidarisches Verhalten, das ist unfassbar. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, das ist das, was Ihr Partei­obmann auch gesagt hat: Das ist Selbstüberhöhung, mit der Sie sich über die Menschen stellen, die bereit sind, diese Masken zu tragen. Das ist eine Abgehobenheit und das ist eine Ignoranz gegenüber der Gesundheit anderer Menschen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.00


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu vor. Ich bitte Herrn Kollegen Ofner ans Rednerpult. (Unruhe bei der SPÖ.)


15.01.07

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Der Herr Bun­desminister hat uns jetzt leider verlassen, weil er anscheinend das, was Herr Bader hier


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zum Besten gegeben hat, auch nicht mehr ausgehalten hat. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Eines ist klar, Herr Kollege Bader: Wo Bader draufsteht, ist Gust Wöginger drin (Heiter­keit des Bundesrates Steiner), denn das war die gleiche Rede – die hast du wahrschein­lich kopiert gekriegt. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf dir aber eines sagen: Wo Spanring oder FPÖ draufsteht, ist Freiheit drinnen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Jawohl!) Freiheit ist ein Wort, mit dem ihr nichts anfangen könnt, ein Programm, mit dem ihr nichts anfangen könnt, weil ihr Freiheit mittlerweile wirklich so verabscheut wie der Teufel das Weihwasser (Zwischenruf des Bundesrates Bader), weil ihr natürlich komplett andere Intentionen habt und weil – wie es Kollege Spanring gesagt hat – die ÖVP ja auch an dieser Krise verdienen muss, und das fängt ganz oben im Bundeskanzleramt an. Deswegen kann man den Leuten die Freiheit nicht zurückgeben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader. – Ruf bei der FPÖ: Danke!)

Herr Kollege Bader, du kannst dich dann zu Wort melden. Du sagst, niemand wird da unter Druck gesetzt – na bitte! (Bundesrat Bader: Habe ich nicht gesagt!) Und Herr Kollege Schreuder – ja habt ihr überhaupt noch ein Bild von den Menschen, oder seid ihr in der Regierung so in eurem Elfenbeinturm eingekesselt, dass ihr überhaupt nicht mehr wahrnehmt, was den Menschen draußen Sorge bereitet? Die werden unter Druck gesetzt, ob als Lehrer, ob in Gesundheitsberufen. Ihnen wird gesagt, dass sie sich impfen zu lassen haben, denn andernfalls können sie ihren Beruf nicht mehr ausüben. Viele Menschen – ich sehe das in vielen Bereichen – lassen sich nicht deshalb impfen, weil sie diese Impfung wollen, nein, sie lassen sich impfen, weil sie durch Ihre Politik eingeschränkt werden. Kollege Schreuder hat gesagt: Wir haben ja nie einen Zwang gehabt! – Sie haben immer negiert, dass es einen Testzwang gibt. Jetzt sagen Sie: Ja wer sich nicht impfen lassen will, muss sich halt testen lassen! – Entschuldigung, was ist das dann? Das ist dann ein Testzwang, oder? (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie, Herr Kollege, vom Schutz reden, dann erklären Sie mir bitte einmal – vielleicht wissenschaftlich oder medizinisch, Sie können es sich aussuchen –: Warum haben Sie drei Testarten? Da gibt es jetzt diese Nasenbohrertests, dann gibt es die Antigentests und dann gibt es die PCR-Tests. Sie verkaufen das den Leuten so: Der eine hält 24 Stunden, der andere hält 48 Stunden und der dritte 72 Stunden. Jetzt muss ich Sie schon einmal fragen: Ich glaube oder habe den Zugang – und viele Mediziner haben diesen Zugang –, dass ich mich leider wenige Minuten nach der Testung infizieren kann. Jetzt erklären Sie einmal wissenschaftlich, wie dann ein PCR-Test 72 Stunden halten kann, wie ein Antigentest 48 Stunden halten kann. Das ist nämlich nicht erklärbar. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Was auch nicht erklärbar ist, ist die Maskenthematik, die Kollege Bader wieder gebracht hat. Das ist dieses ÖVP-Steckenpferd, bei dem man ja eigentlich nur mehr lachen muss, denn es sind nämlich genau die ÖVP-Kollegen, die es nicht einmal dort einhalten – die Abstände, das Maskentragen –, wo es vorgeschrieben ist und wo es zum Beispiel die Freiheitlichen einhalten. Was uns selbstverständlich nicht klar erscheint, ist, dass man nur zum Zweck der Inszenierung hier herinnen Masken trägt, nur damit man nach außen ein Bild vermittelt, das Sie in Wahrheit gar nicht leben, sondern nur für die Kameras leben. Ihr Programm ist einfach nur Inszenierung. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

In Ihrem Klub geht es nicht anders zu als in jedem Klub hier im Bundesrat: Na selbst­verständlich, wenn man da vier Tage zusammen ist und wenn man in einem Beruf tätig ist, bei dem man eigentlich mehr mit dem Klub als mit der eigenen Familie zusammen ist – und dort trägst du wahrscheinlich auch keine Maske, Herr Kollege Bader –, na klar, da trägt man keine Maske, da hat in Ihrem Klub keiner die Masken auf, auch wir nicht in


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unserem, aber wenn Sie hier hereinkommen, dann verfallen Sie wieder der Inszenie­rung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Diese Inszenierung ist es auch, die es nicht ermöglicht, dass Sie dieses Land durch die Krise führen, sondern Sie führen die Krise durch das Land. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

15.05

15.05.54


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Die Plätze sind eingenommen, wie ich sehe.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, 1466/A und 813 der Beilagen sowie 10620/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden, 814 der Beilagen sowie 10621/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.07.195. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein neues Tierärztegesetz erlassen und das Tierärztekammergesetz geändert wird (732 d.B. und 807 d.B. sowie 10610/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


15.07.45

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein neues Tierärztegesetz erlassen und das Tierärztekammergesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2021 infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Lancaster. – Bitte, Frau Bundes­rätin.


15.08.26

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte Zuse­herinnen und Zuseher via Livestream! Das Erlassen eines neuen Tierärztegesetzes und eine Änderung des Tierärztekammergesetzes sind unbedingt notwendig – darüber sind wir uns einig. Die Sozialdemokratie würde dem auch die Zustimmung geben, wenn die Regierungsparteien auf zwei Verbesserungsvorschläge eingegangen wären.

Ja, daran ist nichts Neues: Das hartnäckige Festhalten und die nicht vorhandene Bereit­schaft, den Diskurs zur Optimierung zu führen, sind symptomatisch für diese türkis-grüne Regierung. Es ist ein Machtspiel: Das Beste für die Menschen in Österreich erhält dabei zwangsläufig eine niedrigere Priorität, wenn es um den Erhalt der eigenen Machtposition geht. Ja, es fällt besonders dem türkisen Teil der Regierung schwer, zuzugeben, dass Oppositionspolitiker und -politikerinnen wertvolle und richtige Beiträge einbringen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Da wird wider besseres Wissen und Gewissen abgeblockt, auch auf das Risiko hin, mit der Verfassung in Widerspruch zu geraten. Durch die sehr teure und aufwendige PR-Maschinerie des Bundeskanzlers wird dann alles gedreht und geframed, damit die konstruktiven Oppositionspolitikerinnen und -politiker in der Öffentlichkeit als die Kom­promisslosen hingestellt und angepatzt werden. Ja, es hat Methode, es hat System: Es wird auf Manipulation gesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zurück zum Tierärztegesetz und zum Tierärztekammergesetz, zu unseren Verbes­serungsvorschlägen: Wir fordern eine mehr als 50-prozentige Beteiligung der Tierärzte bei Tierärztegesellschaften ein. Im Sinne der Tiergesundheit, der öffentlichen Gesund­heit und in der Folge im Sinne der Lebensmittelsicherheit müssen die Rahmenbedingun­gen für unabhängige, weisungsfreie und fachlich korrekte Entscheidungen gesichert werden. Dies ist nur bei einer Stimmenmehrheit durch berufsberechtigte Tierärztinnen und Tierärzte gegeben. Tierärzte und Tierärztinnen sind sowohl an ethische als auch fachliche und standesrechtliche Regeln gebunden und können bei Nichteinhaltung ent­sprechend belangt werden. Eine wirksame Kontrolle über Tierärztegesellschaften durch berufsberechtigte Tierärzte muss sichergestellt bleiben.

Der Dienstleistungsrichtlinie des europäischen Binnenmarktes wird man auch bei einer Minderheitsbeteiligung durch Berufsfremde gerecht, es entspräche sozusagen der Umsetzung des EuGH-Urteils. Eine 50:50-Beteiligung von Tierärzten und Berufsfremden wie in der vorliegenden Novelle ist widersinnig, birgt das Potential der Handlungsunfähig­keit in sich und sollte in der Praxis ausgeschlossen werden.

Warum wurde also dieser von der Sozialdemokratie eingebrachten Verbesserung seitens der Regierung keine Zustimmung erteilt? – Für mich kommen dabei nur zwei Gründe in Frage: erstens, weil sie von der Sozialdemokratie stammt und Türkis da aus Prinzip keine Bereitschaft zeigt, eine gemeinsame Lösung zu finden – Ausnahmen finden sich nur dort, wo Türkis eine Oppositionspartei braucht, um etwas durchzu­brin­gen; da kann es dann schon auch einmal vorkommen, dass etwas von der Sozialdemo­kratie übernommen wird –, oder zweitens schlichtweg deshalb, weil Interessen irgend­welcher Dritter bedient werden müssen.

Jetzt noch zu einem Punkt, der uns Sozialdemokraten von größter Wichtigkeit ist: Die Regelung des § 19 Abs. 2 der Novelle stellt aus unserer Sicht eine Benachteiligung angestellter Tierärzte und Tierärztinnen da. Es besteht kein ausreichender Schutz bei Sonn- und Feiertagsdiensten. Offensichtlich ist da eine Abrechnung der erbrachten


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Leistungen mit Werkvertrag vorgesehen. Das halten wir für sozialversicherungsrechtlich falsch. Da wäre die eindeutige Formulierung notwendig, dass angestellte Tierärzte und -ärztinnen auch im Notdienst als angestellte Tierärzte behandelt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich bei allen Tierärztinnen und Tierärzten bedanken. Sie stehen ganz vorne, wenn es um die Sicherheit unserer Lebensmittel tie­rischen Ursprungs geht. Zustimmen können wir Sozialdemokraten dieser Gesetzesvor­lage aus oben genannten Gründen nicht. Die Konsensfähigkeit ist eben nicht in der DNA der Türkisen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.14


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.14.58

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Tierärztinnen und Tierärzte sind in vielen Lebensbereichen von großer Wichtigkeit. Sei es ganz klassisch in der Landwirtschaft, bei der Versorgung der Nutztiere, oder im Bereich der Haustiere: TierärztInnen sind uns ständig wichtige BegleiterInnen.

In den letzten Jahrzehnten hat der Berufsstand der TierärztInnen enorm an Wichtigkeit gewonnen. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass die Haustierhaltung gesell­schaftlich einen enormen Stellenwert erlangt hat. Gerade wenn ein vierbeiniger Freund uns viele Jahre begleitet, mit uns im Haushalt lebt, ist es auch wichtig, dass die Tier­ärztinnen und Tierärzte dem Tierhalter mit Rat und Tat zur Seite stehen, und das passiert in Österreich seitens der TierärztInnen in allerprofessionellster Art und Weise.

An dieser Stelle erscheint es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass in Österreich die Veterinärmedizin im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern als Gesundheitsberuf eingestuft ist. Soweit ich mich erinnere, sind wir das einzige europäische Land, in ande­ren europäischen Ländern fallen Tierärzte nämlich in den Bereich der Dienstleis­terInnen.

Damit hängt es auch ein bisschen zusammen, dass wir heute eine Änderung im Gesetz durchführen müssen. Wir folgen damit den Vorgaben der Europäischen Dienstleistungs­richtlinie sowie des EuGH-Erkenntnisses C-209/18.

Es ist wahrscheinlich auch wichtig, zu erwähnen, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Gemeinschaftspraxen gestiegen ist, und das hängt auch damit zusammen, dass viele Frauen als Tierärztinnen arbeiten. Um Beruf und Familie vereinbaren zu können ist es wichtig, sich zu Praxisgemeinschaften zusammenzuschließen.

Ich kenne eine Tierärztin in Wels, die eine mobile Tierärztin für Pferde ist. Sie berichtet oftmals von einer 60-Stunden-Woche, denn es geht ja nicht, dass sie, wenn jemand anruft und sagt: Mein Pferd hat eine Kolik!, nicht kommt, weil sie schon 40 Stunden gearbeitet hat. Es ist ja insbesondere bei den Tierärztinnen auch immer eine Mischung zwischen Beruf und Berufung: anstrengend genug für die Frauen, Hochachtung aber vor den Frauen, die sich auch um Großtiere kümmern.

Mit dieser Gesetzesänderung wollen – oder sollen – wir nun die neuen Formen von Tier­ärztegesellschaften verankern, es soll damit auch einem Fremdinvestor, Fachfremden möglich sein, sich an einer Praxis zu beteiligen.

Die Kollegin hat es schon angesprochen: 50 Prozent können in fachfremder Hand sein, nicht aber 51 Prozent, und das ist eine Pattsituation. – Das muss ja nicht sein, das können auch 5 oder 10 Prozent sein, auf keinen Fall aber mehr als 50 Prozent. Es liegt ja sowieso auch im allgemeinen Interesse – und ich glaube, da sind wir uns im Sinne


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des Gesundheitsschutzes einig –, die fachliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Tierärztinnen und Tierärzten in Tierarztgesellschaften sicherzustellen.

Was wir heute auch noch neu regeln werden, sind klare Hausapothekenregelungen und eine zeitgemäße Regelung der tierärztlichen Berufsausübung unter Einbeziehung von etwaigen Hilfspersonen. Diese Änderungen im Tierärztegesetz werden vonseiten der Tier­ärztekammer begrüßt. Ich habe ja für die Vorbereitung auf diesen Tagesord­nungspunkt viele Tierärztinnen und Tierärzte im Vorfeld kontaktiert und mit dem Prä­sidenten der oberösterreichischen Tierärztekammer, der selber an den Verhandlungen sehr intensiv beteiligt gewesen ist, gesprochen. Unisono werden die Änderungen, die heute beschlossen werden sollen, begrüßt. Sie stellen für die Tierärztinnen und Tierärzte Verbesserungen dar.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen zu TOP 5, Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein neues Tierärztegesetz erlassen und das Tierärzte­kammergesetz geändert wird, in der 925. Sitzung des Bundesrates

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einge­brachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein neues Tierärztegesetz erlassen und das Tierärztekammergesetz geändert wird, keinen Ein­spruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.20.30

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Inhaltlich wurde von meinen beiden Vorrednerinnen schon alles gesagt. Ich kann auch für unsere Fraktion nur sagen: Genau aus diesen Gründen, die Kollegin Lancaster angeführt hat, können wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.20


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vize­präsident Dr. Peter Raggl. – Bitte.


15.20.58

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Manchmal geht es schneller, als man denkt. Ich darf jetzt auch


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 115

noch auf das Tierärztegesetz und das Tierärztekammergesetz Bezug nehmen. Ich darf mich bei Kollegin Hauschildt-Buschberger bedanken, sie hat die Inhalte sehr gut und umfassend beschrieben, ich darf aber trotzdem noch die eine oder andere Problematik im Zusammenhang mit den Tierärzten, vor allem die kleinstrukturierte Landwirtschaft im Westen Österreichs betreffend, ansprechen, mit der man sich auseinandersetzen muss.

Kollegin Hauschildt-Buschberger hat schon angesprochen, dass sich das Berufsbild der Tierärzte durchaus geändert hat. Ich habe vor Kurzem bei einer Geburtstagsfeier eines 70-jährigen Tierarztes sein Berufsbild kennengelernt. Er hat mir gesagt, er ist jetzt über 40 Jahre Tierarzt im Tiroler Paznauntal, fährt täglich, 365 Mal im Jahr, sonn- und feier­tags, wirklich an jedem Tag, von Galtür das Paznauntal raus, dann durch das Stanzer Tal – wer sich auskennt – wieder rein bis nach St. Anton. Das sind rund 100 Kilometer. Diese Tour macht er täglich, um seine Bauern mit ihren kleinbäuerlichen Betrieben zu betreuen, die wahrscheinlich durchschnittlich nicht einmal zehn Stück Tiere haben.

Dieser Tierarzt kennt keinen 8-Stunden-Tag, der kennt keine 40-Stunden-Woche, keine Fünftagewoche, seine Arbeitszeit geht weit darüber hinaus. Er ist selbstständiger Tierarzt und ist mit seinem Job so aufgewachsen, sodass er das immer so gemacht hat. Dass man mit dieser Jobbeschreibung heute keine Tierärzte mehr bekommen kann, ist, glaube ich, selbstverständlich, und daher braucht es auch diese wichtigen Änderungen im Tierärztegesetz Richtung Tierarztpraxisgemeinschaften, Tierärztegesellschaften, da­mit man Beruf und Familie wirklich vereinbaren kann. In der Zwischenzeit sind auch viele Frauen in der Tierärzteausbildung beziehungsweise schon fertig ausgebildete Tierärzte; für sie ist es natürlich sehr wichtig, dass sie Beruf und Familie irgendwie miteinander vereinbaren können.

Wir haben folgendes Problem: nicht nur, dass diesen Job in der alten Form niemand annimmt, sondern, dass generell viel zu wenige Tierärzte wieder zurück in den Westen kommen. Ich habe mir das angeschaut: Es gibt im Bewerbungsverfahren an der Vetmed derzeit durchschnittlich 1 500 Bewerber, 250 davon schaffen es, die Ausbildung zu beginnen, und schließen das Studium dann auch irgendwann ab. Wir haben da das gleiche Problem wie in der Humanmedizin: Die rechtlichen Vorgaben müssen natürlich so sein, dass EU-Ausländer und auch Angehörige von Drittstaaten in Österreich studie­ren können, was das Problem mit sich bringt, dass ein Drittel der Studierenden nicht aus Österreich kommt.

Das Jobprofil hat sich auch ausgeweitet, es geht jetzt viel weiter und umfasst nicht nur Großtiere, wie das früher ausschließlich der Fall war, weshalb der Beruf auch sehr männlich dominiert war. Es geht heute weiter und schließt Kleintiere, aber auch Pferde mit ein. Sehr interessant in den Zentren, im urbanen Bereich sind vor allem auch Jobangebote in den Bereichen Forschung, Pharmaindustrie, Medizintechnik und so weiter.

Das Problem ist, dass durchschnittlich nur sechs Absolventen pro Jahr in den Westen Österreichs zurückkommen. Ich darf auch noch Südtirol dazunehmen, weil auch sehr viele Südtiroler in Wien Veterinärmedizin studieren, und die haben das gleiche Problem. Wir müssen hier unbedingt gegensteuern, weil eine flächendeckende landwirtschaftliche Bewirtschaftung sehr eng mit einer ausreichenden Abdeckung mit praktizierenden Tierärzten zusammenhängt. Wenn diese Rund-um-die-Uhr-Betreuung – bei den Tieren ist es ähnlich wie im Humanmedizinbereich, es kann jederzeit ein Notfall sein, das kann am Sonntag sein, es kann auch in der Nacht sein –nicht aufrechterhalten werden kann, dann werden wir auch die flächendeckende landwirtschaftliche Bewirtschaftung nicht aufrechterhalten können.

Tirol spielt ernsthaft mit dem Gedanken – das darf ich Ihnen mitgeben, Herr Bundes­minister –, eine dezentrale Tierarztausbildung im Westen von Österreich einzurichten.


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Wir hätten sogar schon einen Standort gefunden. Wir brauchen das. Wir brauchen eine praxisnahe Ausbildung, wir brauchen eine Ausbildung, in deren Rahmen auch mit den vorhandenen Tierarztpraxen zusammengearbeitet wird. Wir brauchen eine Ausbildung, die die Studenten zu der sie erwartenden Tätigkeit, vor allem im Großviehbereich, hinführt und unsere kleinteiligen Strukturen berücksichtigt. Bei uns ist ja leider nicht die Situation gegeben, dass es Großbetriebe gibt, die zum Teil sogar selber einen Tierarzt beschäftigen können. Das läuft bei uns ganz anders, deshalb brauchen wir eine Lösung, eine eigene Ausbildungslösung, die dafür sorgt, dass wieder mehr Tierärzte Richtung Westen gehen.

Da steht also viel auf dem Spiel. Wir brauchen eine flächendeckende Betreuung und wir brauchen in dieser Frage die Unterstützung des Bundesministers sowie der gesamten Bundesregierung.

Am Schluss darf ich mich als bäuerlicher Vertreter bedanken: Ich darf mich im Namen unserer Landwirte für den Fleiß und für den Einsatz unserer Tierärzte, die, wie ich es beschrieben habe, rund um die Uhr für uns da sind, bedanken. Nur wenn wir hier gemein­same Anstrengungen unternehmen, können wir den dringend notwendigen Nachwuchs finden und hoffentlich auch dazu bewegen, diesen so wichtigen Beruf auch in klein­strukturierten Gebieten ausüben zu wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.27

15.27.15


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen, und ich ersuche die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses. (Bundesrat Köck betritt den Saal und eilt zu seinem Platz. – Bundesrätin Schartel: Nein, nein, nein, das ist zu spät! – Bundesrat Steiner: Herr Kollege, dafür bist du zu schwer, um dich hereinzuschleichen! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Wenn es zum Vorteil von den Schwarzen ist, dann darf er das! Und wenn es zum Nachteil ist, dann geht das nicht! Grauenhaft! Da ist er ruhig, der Fraktionsvorsitzende Bader! – Bundesrat Steiner: Er ist die fleischge­wor­dene Geschäftsordnung! – Bundesrat Seeber: Hat eh gepasst! Alles hat gepasst!)

Das ist die Stimmengleichheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt. Ein Beschluss des Bundesrates ist somit nicht zustande gekommen.

Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Es ist dies der Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 - - (Unruhe im Saal. – Bundesrat Steiner: Ja, aber es ist schon zu spät! Es ist das Ergebnis verkündet! – Rufe bei der FPÖ: Das Ergebnis ist verkündet! – Bundesrat Steiner: Laut Geschäftsordnung ist es jetzt zu spät! Ergebnis ist verkündet – laut Geschäftsordnung ist es erledigt! Ergebnis ist verkündet! Ich spreche zur Geschäftsordnung! – Bundesrätin Schartel – auf Bundesrat Steiner deutend –: Zur Geschäftsordnung!)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 117

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Bundesrat Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Fraktionsvorsitzender.

*****


15.30.57

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Wir haben ja diese Diskussion jetzt schon öfter gehabt, und dann haben wir uns darauf geeinigt – der Herr Präsident weiß es auch ganz genau, Herr Fraktionschef Bader weiß es, Frau Fraktionschefin Schumann weiß es –: Sobald das Abstimmungsergebnis verkündet ist, gilt es. Somit ist, glaube ich, die Diskussion beendet. (Bundesrat Seeber: Es muss ja richtig auch sein! – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

15.31


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Also es hat einen Irrtum bei der Stimmen­zählung gegeben, weil bei der FPÖ nicht alle anwesend waren und 30 Stimmen dafür waren. Wir sind von Stimmengleichheit ausgegangen, weil unter Berücksichtigung des fehlenden Kollegen Schilchegger an sich die Oppositionsparteien auch mit 30 Stimmen vertreten gewesen wären – jedoch haben bei der FPÖ vier gefehlt. (Bundesrat Steiner: Aber verkündet ...!) Das Ergebnis ist allerdings verkündet worden, ja. (Bundesrat Steiner: Das steht in der Geschäftsordnung! – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Kollege Bader hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.32.08

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Ich würde bitten, dass wir zu einer kurzen Stehpräsidiale zusammenkommen. – Danke. (Bundesrat Dim: Ja ... wieder eine neue Geschäftsordnung!)

15.32


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich unterbreche die Sitzung für eine kurze Stehpräsidiale.

*****

(Die Sitzung wird um 15.32 Uhr unterbrochen und um 15.41 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf berichten, dass kein Einver­nehmen darüber erzielt werden konnte, den Beschluss einer Korrektur zuzuführen. Daher ist der Beschluss in dieser Form gegeben.

15.42.016. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1477/A und 792 d.B. sowie 10617/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesord­nung.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 118

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Ich bitte um den Bericht.


15.42.30

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungs­gesetz 1977 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte schön, Herr Bundes­rat.


15.43.16

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Es kehrt wieder Ruhe und vielleicht sogar auch wieder eine gewisse Stille ein – vor allem auch passend zu dem Thema.

Täglich werden wir in Zeiten der Pandemie mit Begriffen wie Not, Unglück, Furcht, Armut, Elend, Untergang, Leid konfrontiert – Wörter, die negative Emotionen auslösen, die von Medien und natürlich auch von Oppositionspolitikern und Oppositionspolitikerinnen befeuert werden. Der amtierende Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, der stei­rische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, hat klar und unmissverständlich ausgesprochen, was Sache ist: Bei der Pandemie handelt es sich um eine Krise, aber keine Notsituation, wie sie unsere Eltern und Großeltern nach dem Krieg erleben muss­ten. Die Grundversorgung ist gesichert, die Apotheken, die Krankenhäuser sind mit lebensrettenden Medikamenten und Einrichtungen ausgestattet und die Test- und Impfstraßen funktionieren flächendeckend.

Diese Maßnahmen wurden von der mit hoher Verantwortung, mit hohem Verantwor­tungsbewusstsein ausgestatteten Bundesregierung gesetzt, um die drei Produktionsfak­toren Menschen, Technologien und Maschinen nach der Pandemie wieder in Einsatz und Schwung zu bringen. Doch jetzt sind noch einige wichtige gesetzliche Beschlüsse notwendig, wie die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes.

Arbeitslosigkeit und Notstand sind harte Realität zu einem Zeitpunkt, zu dem drei Krisen gleichzeitig Österreich und die Welt belasten: Die Gesundheitskrise hat eine Wirtschafts- und Arbeitskrise zur Folge. Es sind derzeit viele Menschen langzeitarbeitslos und be­ziehen bereits Notstandshilfe – sie sind unverschuldet in eine Krisensituation hineinge­schlittert.

Keine Arbeit bedeutet: kein eigenes Einkommen und kein Beitrag zum Sozialstaat. Das ist belastend für jene, die sich in dieser Notlage befinden, und natürlich auch belastend für den Staat. Die Bundesregierung reagierte auch da rechtzeitig und helfend, indem sie die Notstandshilfe an die Höhe des Arbeitslosengeldes anpasste. Diese soziale Leistung ist ein notwendiges Hilfsmittel, sie ist und kann aber keine Dauerlösung sein. Es muss


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 119

unser Ziel sein, in den kommenden Wochen und Monaten den Faktor Arbeit – nach der katholischen Soziallehre gehört dies zur Sinnerfüllung des Lebens – zu starten.

Wie stellte Bundeskanzler Sebastian Kurz klar?  Nicht Politik sichert und schafft Jobs, sondern die mutigen Unternehmerinnen und Unternehmer und die fleißigen Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer in unserem Land. Die Politik hat die Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn eine Partei oder auch der ÖGB davon spricht: Wir schaffen Arbeits­plätze! – nachzublättern in Inseratenkampagnen zum 1. Mai vor wenigen Tagen –, dann können nur die eigenen und jene in den jeweiligen Institutionen oder Vereinen gemeint sein.

Der katastrophale Umgang der sozialdemokratischen Wirtschaftsflaggschiffe Konsum und Bawag bedurften keiner Pandemie (Ruf bei der SPÖ: Na, geh! – weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ), da reichten einige Funktionäre. Mit der Erhöhung der Not­standshilfe bis Ende 2021 soll allen Menschen (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann), die sich bereits in einer schwierigen Lage befinden, geholfen werden. Das österreichi­sche soziale Dreisäulenmodell, bestehend aus Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Sozialhilfe, ist einzigartig, und es ist unverständlich, dass manche es noch immer als für zu wenig empfinden oder es gar schlechtreden.

Was bedeutet das für die Betroffenen? – Normalerweise beträgt die Notstandshilfe 92 bis 95 Prozent des Arbeitslosengeldes. Durch die Aufstockung erhalten die Men­schen, die in der Phase der Notstandshilfe sind, 100 Prozent des Arbeitslosengeldes – das sind ungefähr 55 Euro zusätzlich im Monat –, und davon profitieren 220 000 Men­schen in Österreich. – Herzlichen Dank, Herr Bundesminister Dr. Kocher! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Minister Kocher hat das Programm Sprungbrett ins Leben gerufen, damit 50 000 Lang­zeitarbeitslose wieder in Beschäftigung kommen. Der Fokus liegt auf Personen, die bereits vor der Krise langzeitarbeitslos waren und spezielle Risikofaktoren wie Alter, aber auch gesundheitliche Einschränkungen aufweisen. Danke für diese großartige Initiative und die weitblickende Maßnahme zum Wohle aller sich auf eine gewisse Normalität der Lebensabläufe wieder freuenden Österreicherinnen und Österreicher. – Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.48


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf den inzwischen eingetroffenen Bun­desminister für Arbeit, Herrn Dr. Martin Kocher, herzlich im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. – Bitte schön.


15.49.30

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Bevor ich zur offiziellen Begrüßung kom­me, möchte ich einer Kollegin, die auch aus der Steiermark kommt, recht herzlich zu ihrem heutigen Geburtstag gratulieren – dem Herrn Staatssekretär haben wir schon gratuliert –: Liebe Isabella Kaltenegger, herzliche Gratulation zu deinem heutigen Ge­burtstag! (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes soll die Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeits­losengeldes gehoben werden, wie es auch schon seit Beginn der Krise bis zum 31. März 2021 der Fall war. Wir reden aber heute nicht nur von Arbeitslosigkeit, sondern diese


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Regierung hat seit Beginn der Krise auf dem Arbeitsmarkt vor mittlerweile 15 Monaten Arbeitsverweigerung betrieben, sonst hätte es nämlich schon längst Erfolge bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit gegeben, lieber Ernstl. (Beifall bei der SPÖ.)

Insgesamt sind mit Ende April über 433 000 Menschen arbeitslos oder in Schulung, davon sind über 148 000 Menschen Langzeitbeschäftigungslose, und mit jenen in Schu­lung sind es mehr als 190 000 Langzeitarbeitslose. Es ist also richtig, heute diese Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zu beschließen.

Da kommt aber schon das erste Aber: Wieso haben wir die Menschen im Notstand mehr als einen Monat warten lassen? Auch von mir wurde hier am 30. März ein Unselb­ständiger Entschließungsantrag eingebracht, damit diese Erhöhung weiterläuft. Was ist passiert? – Er ist abgelehnt worden, und jetzt, heute reden wir darüber. Weil dies nicht rechtzeitig gemacht wurde, wird das AMS nun eine Nachverrechnung und Nachzahlung für den Monat April durchführen müssen. Übrigens sprechen wir – das hast du richtig angesprochen – von zwischen 45 und 55 Euro.

Du hast auch richtig 55 Prozent Nettoersatzrate angesprochen, das hört sich nach sehr viel an. Wisst ihr, was der Durchschnitt ist, wenn einer Arbeitslosengeld bezieht? – 900 Euro ist der Durchschnitt! Da kann man nicht von viel reden, mit 900 Euro kann man das Leben nämlich nicht bestreiten, und das ist ein riesengroßes Problem. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich komme schon zum zweiten Aber: Es ist ja abzusehen, dass die Krise jetzt nicht mit Juni aufhört. Warum hat man nicht dem Bundesminister für Arbeit eine beschränkte Verordnungsermächtigung gegeben, dass er das bis 2021 weiter machen kann?

Erst jetzt haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Türkis-Grün, bemerkt, dass es Langzeitarbeitslose gibt. Wie das halt so ist, habt ihr wahrscheinlich gedacht: Fangen wir gleich einmal mit Marketing an, das hören wir nämlich immer wieder!  Nachdenken kommt erst später. Deshalb gibt es schon einen guten Namen, nämlich Sprungbrett, aber noch kaum Inhalte. Als kleine Nebenbemerkung sei mir gestattet: Wenn ich ein erfahrener Spezialist bin – ob ich jetzt ein Elektriker, Kfz-Techniker oder sonst irgend­etwas bin – und in der Krise unverschuldet arbeitslos geworden bin, weil in der Firma, in der ich arbeite, in der Branche vielleicht nichts mehr geht, dann bin ich nicht an sport­lichen Begriffen wie Sprungbrett oder sonst irgendetwas interessiert, sondern ich brauche Hilfe und Unterstützung, damit ich so schnell wie möglich wieder Arbeit finde. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich fasse die Kritik an diesem Sprungbrett ganz schnell zusammen: zu kurz, zu wenig, zu spät, zu ungenau und nicht durchdacht, so ist das Ganze nämlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir von der Sozialdemokratie dagegen – Ernstl, du kannst ruhig lachen! – haben eine Aktion 40 000 gemacht. (Der Redner hält eine Tafel mit der Aufschrift „Her mit der Aktion 40.000“ in die Höhe. – Die BundesrätInnen der SPÖ halten Tafeln in die Höhe, auf denen unter anderem „Neue Jobs schaffen statt PR-Shows für Kanzler Kurz!“, „40.000 Jobs in Gemeinden und sozialen Einrichtungen“ und „146.000 Arbeitslose sind zu viel“ zu lesen ist.) Die kann man herzeigen, das ist durchdacht! Wir haben gesagt: Okay, was machen wir, damit diese Menschen schneller wieder in Arbeit kommen, be­ziehungsweise wie schaffen wir es, dass wir noch 40 000 Arbeitsplätze zusätzlich schaffen?

Der Vergleich mit unserem Programm 40 000, das vor Monaten aufgelegt worden ist, verdeutlicht meine Kritik. Wir als SPÖ wollen Arbeit, neue Arbeitsplätze in Kommunen,


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in gemeinnützigen Vereinen und sozialen Unternehmen schaffen, in denen es von Parkpflege bis zur Unterstützung beim Impfen und Testen tatsächlichen Bedarf gibt. Die Bundesregierung möchte einfach Unternehmen fördern, ohne das irgendwie zu präzisieren. Wir wollen nur zusätzliche Arbeitsplätze fördern, während die Koalition mit ihrem Modell Verdrängungseffekte erzeugt, ohne unterm Strich neue Stellen zu schaffen. Daher sage ich, das eine Modell beziehungsweise die Aktion 40 000 ist gut durchdacht, und das andere Modell ist nicht durchdacht.

Wir bekennen uns auch zu einem Mindestlohn von 1 700 Euro. Es ist nicht unsere Absicht, Jobs zu schaffen, von denen man nicht mehr leben kann. Wir haben an Fort- und Weiterbildung während des Programms gedacht – die Regierung nicht. Wir wollen das Programm zwei Jahre laufen lassen, damit sich wirklich nachhaltige Effekte einstel­len können.

Die Aktion 40 000 bringt Hilfsmaßnahmen für Arbeitslose, die 12 Monate auf Jobsuche sind, eine kollektivvertragliche Entlohnung von mindestens 1 700 Euro brutto, staatliche Förderung der gesamten Lohnkosten für zwei Jahre – 100 Prozent für die ersten 12 Mo­nate, 75 Prozent für weitere sechs Monate und weitere 50 Prozent für die nächs­ten sechs Monate. Gefördert werden existenzsichernde Vollzeitdienstverhältnisse oder Teil­zeitbeschäftigungen ab 30 Wochenstunden. All das gilt aber nur für zusätzlich geschaf­fene Arbeitsplätze.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich denke, damit hinreichend klargemacht zu haben, dass unser Programm besser ist und die Fehler vermeidet, die die Regierung nach lan­ger Untätigkeit jetzt machen möchte.

Ich stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ak­tion 40.000“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, ein Beschäftigungsprojekt für 40.000 geförderte Arbeitsplätze bei öffentlichen und gemein­nützigen Trägern für die Beschäftigung von Langzeitbeschäftigungslosen und unter Be­reitstellung der erforderlichen zusätzlichen finanziellen Mittel auszuarbeiten und bis spätestens Juni 2021 umzusetzen.“ (Beifall bei der SPÖ.)

*****

So schaut ein Programm aus, lieber Ernstl. – Ich glaube, da sollten Sie darüber nach­denken und einmal genau schauen. Das würde dann sicherlich passen.

In diesem Sinne: Schauen wir auf unsere Leute, die in Österreich wohnen und arbeiten und keine Arbeit haben. – Alles Gute! Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

15.57


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Aktion 40.000“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 122

Ich frage Frau Bundesrätin Schartel, ob sie mit ihrer Rede beginnen möchte. Ich müsste um 16 Uhr, also in 2 Minuten, unterbrechen. – Gut, dann unterbreche ich jetzt die Sit­zung bis zum Beginn der Dringlichen Anfrage um 16 Uhr.

*****

(Die Sitzung wird um 15.58 Uhr unterbrochen und um 16.01 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung somit wieder auf und unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Ich begrüße an dieser Stelle Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt Susanne Raab. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP.)

16.02.00Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Familien in Not – Herr Bundeskanzler, tun Sie endlich etwas!“ (3876/J-BR/2021)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.02.35

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Werter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Warum wir heute eine Dringliche Anfrage stellen, sehr geehrte Damen und Herren? – Weil wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kra­ten uns Sorgen machen  Sorgen um die vielen Familien in unserem Land, Sorgen um die Eltern und Erziehungsberechtigten, Sorgen um die Jugendlichen und um die Kinder, die zu einem überwiegenden Teil jetzt, nach über einem Jahr Coronapandemie, einfach nicht mehr können.

Jede und jeder hier im Raum, die oder der denkt: Da muss man halt jetzt durch, da muss man die Zähne zusammenbeißen, das schaffen wir schon!, lebt in einer absoluten Blase und hat offensichtlich nicht mit den vielen Familien zu tun, die es sich nicht mehr einfach richten können. Familien, die aktuell nicht belastet sind, sind die absolute Ausnahme. Für all diese Familien, für alle, die gerade eine schwere Zeit haben, denen die Kraft ausgeht, die Sorgen haben, für all diese stellen wir diese Dringliche Anfrage an Sie, Herr Bundeskanzler.

Weil ich mir nicht sicher bin, ob Sie, Herr Kanzler, und alle Ihre Kollegen in der Regierung die Lebenssituation dieser vielen Familien in Österreich wirklich kennen, möchte ich Ihnen schildern, womit diese Familien zu kämpfen haben. Vielleicht wird Ihnen dann


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klarer, dass die aktuellen Maßnahmen für die Familien nicht ausreichen und dass Familien einfach mehr Respekt, mehr Verantwortung brauchen.

Thema Nummer eins: Familien kämpfen um ihre Existenzgrundlage. Immer wieder versuchen wir, Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Kollegen und Kolleginnen dafür zu sensibilisieren, was es denn bedeutet, wenn Elternteile den Job verlieren, arbeitslos werden und von jetzt auf gleich mit der Hälfte des Monatseinkommens auskommen müssen. Wie, frage ich Sie, soll man das bitte machen?

Schon die Kurzarbeit macht sich nach den vielen Monaten finanziell stark bemerkbar, und die Menschen haben größtenteils ihr Erspartes aufgebraucht. Das löst auch einen unglaublichen Stress, einen Druck aus. Wie kann man mit der Hälfte des Einkommens alle laufenden Rechnungen bezahlen? Warum kostet es Sie so eine Überwindung, sich vorzustellen, dass alle Menschen einfach halbwegs ordentlich abgesichert sind?

Es geht nicht um diesen unsäglichen Mythos der sozialen Hängematte. Die Menschen haben sich diese Situation nicht ausgesucht. Nein, hie und da einmal ein Almosen von 200 Euro nimmt den dauerhaften Stress nicht und lindert die Not nicht nachhaltig. Solche Almosen sind nicht treffsicher. Leute, denen es gut geht, reiben sich die Hände und freuen sich über ein paar Hundert Euro, Menschen aber, die zu wenig haben, hilft so etwas nicht dauerhaft. Da muss schon eine Änderung des Systems her, wie beispiels­weise eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent oder eine Kindergrund­sicherung, wie sie die Volkshilfe vorschlägt. Solche Ideen würden Familien in der Not nachhaltig helfen.

Die Konsequenzen der monatelangen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit treffen mittlerweile auch die Mittelschicht. Damit trifft es auch die Kaufkraft in diesem Land, und darum ist es aus unserer Sicht nicht nur moralisch verwerflich, sondern einfach auch wirtschaftlich nicht schlau, so viele Menschen in Existenznot zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann gibt es da auch noch – ich weiß, Sie hören das nicht gern, Herr Bundeskanzler – die Familien, die bereits vor der Pandemie armutsbetroffen waren. Zweites Thema also: Familien kämpfen mit Armut.

Bei diesen Familien sind 350 000 Kinder betroffen, 350 000 Kinder in diesem Land sind von Armut betroffen! Wir wissen – alle von uns wissen das –, dass in Familien vieles vererbt wird, der Reichtum genauso wie die Armut. Das bedeutet, man bekommt Chancen und Möglichkeiten mitvererbt oder eben nicht. So ist das in Österreich, aber so, wie das bei uns ist, ist es halt nicht gut für eine Gesellschaft, und es müsste nicht so sein.

Armut – da bin ich mir ganz sicher – zuzulassen ist nicht gescheit, weil daraus ganz viele Folgen entstehen, die viel teurer sind, als Menschen von vornherein ordentlich abzu­sichern. Es ist Ihnen und Ihren Kollegen offenbar lieber, Herr Bundeskanzler, dass chronische Erkrankungen, die aus Armut resultieren, und mangelhafte Bildungs­ab­schlüsse, die oft durch Armut entstehen, im Erwachsenenalter teuer bezahlt werden, als jedem Kind ein Aufwachsen in ordentlicher Absicherung zu gönnen und damit auch Chancen zu ermöglichen.

Das ist für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wirklich schwer erträglich und schwer zu verstehen, denn die Aufgabe der Politik ist es, zu handeln, wenn es Missstände gibt, und dass in unserem Land fast 1,47 Millionen Menschen in Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung leben oder sogar manifest arm sind, ist ein Missstand und eine Schande für unser Land. Damit Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ja nicht glauben, wir adressieren nur Menschen, die arbeitslos sind: Fast 300 000 Menschen sind, obwohl sie arbeiten, obwohl sie einer Erwerbsarbeit nachgehen, arm. Das ist doch ein Wahnsinn!


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Drittes Thema: Familien kämpfen mit der psychischen Belastung. Eine dauerhafte exis­tenzielle Bedrohung – das wissen wir, oder zumindest diejenigen, die empathisch sind, wissen es – schlägt sich natürlich auch auf die körperliche Gesundheit und auf die psychische Gesundheit nieder.

Herr Bundeskanzler, Sie wissen, wie schlecht der psychische Gesundheitszustand der österreichischen Bevölkerung aktuell ist – dafür gibt es fast täglich neue Studienergeb­nisse. Die älteren Menschen leiden genauso wie die jüngeren, das kann man mittlerweile wie gesagt aus zahlreichen Studienergebnissen ablesen. Man kann das nicht mehr ignorieren, und ich frage mich: Was muss noch auf dem Tisch liegen? Welche Zahlen braucht es noch, um zu erkennen, dass es da Handlungsbedarf gibt? Man darf nicht immer warten, wie das Beispiel der Frauenmorde zeigt, bis die Dinge eskalieren. Man muss die Alarmglocken hören und man muss die Warnsignale sehen, denn psychische Dauerbelastung ist enorm gefährlich und auf lange Sicht ein Riesenproblem.

Herr Kanzler, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich hatte vor wenigen Tagen ein Onlinemeeting mit Kinder- und JugendpsychiaterInnen aus verschiedenen Bundes­ländern. Was sie schildern, ist alarmierend, die Zahlen in den Ambulanzen und in den Stationen gehen mittlerweile durch die Decke.

Es handelt sich um schwere Depressionen, es handelt sich um Suizidgefährdung, es handelt sich um Angststörungen und es handelt sich um Essstörungen massivster Art und Weise. Alle, die sich ein bisschen mit Essstörungen auskennen, wissen, die Behand­lung von Essstörungen dauert erheblich länger als die Behandlung anderer psychischer Erkrankungen, das heißt, die Betten und die Plätze sind länger belegt, und das parallel zu mehr Fällen und mehr Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Die Psychiatrien sind am Ende ihrer Kapazitäten, und es ist eine Frage der Zeit, bis es auch dort eskaliert und bis wir ich muss es so hart ansprechen die ersten Toten zu verzeichnen haben. Diese Verantwortung möchte ich nicht übernehmen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das bedeutet aktuell, Familien bekommen psychisch oder psychiatrisch kranke Kinder wieder mit nach Hause. Man muss sich das einmal vorstellen, in so einer Situation leben zu müssen. Die Volkshilfe berichtet uns, dass sich bei ihnen die Anträge um Unter­stützung für medizinische Angelegenheiten mittlerweile verdreifacht haben. Es ist eigent­lich beschämend, dass es eine nicht staatliche Organisation braucht, die solche Dinge abfängt, denn es fehlen uns, wir haben es heute schon mehrfach gehört, die Kassen­plätze in diesem Bereich, die Kassenplätze für Psychiatrie, für Psychotherapie. Es braucht nachhaltig mehr Ausbildungsplätze für Fachärzte und Fachärztinnen. Da brennt der Hut, Herr Bundeskanzler, und da hört man nichts von irgendwelchen nachhaltigen Maßnahmen oder Plänen.

Es muss doch für Sie als Verantwortungsträger, für Sie als Kanzler, gemeinsam mit dem Gesundheitsminister, möglich sein, einen Kinder- und Jugendgipfel einzuberufen, mit den FachexpertInnen zu schauen, wie man jetzt schnellstmöglich akute Entlastung bringen und nachhaltig die medizinische und psychiatrische Versorgung sicherstellen kann! (Beifall bei der SPÖ.) Das würden wir SozialdemokratInnen machen: sich mit denen, die die Lösungen kennen, an einen Tisch setzen und die Dinge umsetzen. Da müsste man halt kooperieren, man müsste auf Augenhöhe arbeiten, und das ist ehrlich gesagt meiner Meinung nach nicht Ihre Stärke, Herr Bundeskanzler.

Apropos psychische Belastung: Aus der psychischen Belastung, auch das wissen wir, kann Gewalt entstehen  und sie entsteht, wir wissen es. Ich habe gestern, als ich meine Rede geschrieben habe, noch von neun Frauenmorden, von neun Femiziden, ge­sprochen oder sie niedergeschrieben, heute muss ich das auf mittlerweile elf Frauenmorde in diesem Jahr und wir haben erst Mai! korrigieren. Das heißt, alle zwei Wochen wird in Österreich eine Frau ermordet. Ich meine, da muss jetzt doch endlich etwas passieren,


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um diese Gewaltexzesse zu verhindern! Es kann doch nicht sein, dass die Vorschläge zum Schutz von Frauen am Tisch liegen und sie nicht umgesetzt werden!

Hand aufs Herz, seit Monaten gibt es die Warnungen aus den Facheinrichtungen. Seit Monaten verschließen Sie die Augen vor der Realität, um jetzt, beim elften Mord zöger­lich zu sagen: Okay, es wird Geld geben, okay, wir werden uns Maßnahmen über­legen. Ehrlich, ist das die Antwort? Die Lösungen müssen heute her, es kann nicht riskiert werden, dass es noch weitere Frauenmorde gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Was so oft vergessen wird und worauf ich hinweisen möchte: Bei vielen dieser Frauen­morde sind auch Kinder betroffen. Teilweise sind sie ZeugInnen dieser Taten und meis­tens bleiben sie kleine Mädchen und Buben, die auch unseren Schutz und unsere Aufmerksamkeit brauchen als Teilwaisen oder als Waisen über und müssen ihre Traumata überwinden. Auch dafür braucht es jetzt Ressourcen, um diese Betroffenen gut begleiten zu können.

Zum Thema Frauen generell, Frauen in den Familien: Frauen haben im letzten Jahr eigentlich Unmenschliches geleistet. Sie arbeiten oft in Berufen im Handel, in der Pflege, im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich und halten quasi die Gesellschaft am Laufen. Dazu kommt neben dem üblichen Familienleben Kinder begleiten, Haushalt  jetzt noch oft die Rolle als Lehrerin, als Kindergärtnerin, als Pflegerin dazu. Es ist über­menschlich, das alles alleine stemmen zu müssen, als Alleinerzieherin beispielsweise. Ich weiß nicht, ob Sie sich das vorstellen können, was das körperlich, emotional, psychisch für eine Belastung bedeutet. Und dann muss man oft noch um Sonderbetreuungszeiten oder um den Unterhalt streiten. Warum, Herr Bundeskanzler, macht man diesen Frauen das Leben so schwer? Auch das kann ich nicht verstehen, denn bei all den Ausgaben, die derzeit gemacht werden, würde eine ordentliche Absicherung von zumindest den AlleinerzieherInnen mit ihren Kindern tatsächlich kaum ins Gewicht fallen.

Apropos kaum ins Gewicht fallen, ein kurzer Sidestep: Es würde auch kaum ins Gewicht fallen, wenn wir Familien aus den Elendscamps in Griechenland oder Bosnien bei uns aufnehmen. Es gibt genug Bereitschaft in der Zivilgesellschaft, genug Bereitschaft in den Gemeinden, da einzuspringen. Wenn Sie wahrscheinlich reflexartig sagen, wir müs­sen Hilfe vor Ort leisten: Diese Hilfe kommt nicht an, wir wissen es. Wir wissen, dass von den Sachspenden, die nach Griechenland geschickt wurden – zwölf Zelte , aktuell zwei in Kara Tepe stehen. (Bundesrat Steiner: Deswegen holen wir die ganze Welt nach Österreich, oder?) Zwölf Zelte, das ist keine Hilfe vor Ort, da kann man sich nicht abputzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein nächstes Thema: Familien kämpfen mit der Ungewissheit. Eltern haben aktuell keine Ahnung, wann Sie wohl geimpft sein werden. Das ist aber entscheidend für alle Per­spektiven und alle künftigen Planungen. Wie wird man den Sommer verbringen können? Wann kann man wieder unbeschwert Familienangehörige, Freunde treffen? Bei der aktuellen Impfsituation, bei der Deckelung beim Kauf von Impfdosen wie um alles in der Welt konnte so etwas von Ihnen entschieden werden, Herr Bundeskanzler? , bei dieser unüberschaubaren Impfstrategie kann das möglicherweise noch Monate dauern.

Da fragen sich aktuell wohl alle Eltern: Wie werden wir den Sommer meistern? Wie geht es in den Schulen bis zum Sommer weiter? Wie werden die Kinder mit ihrer Bildungs­situation, mit den Bildungslücken, mit ihrer Belastung aufgefangen? Schule auf, Schule zu: Wie wird dieses Schuljahr wohl abgeschlossen werden? Welche Lücken in der Bildungslaufbahn tun sich da auf? Schulen berichten von etlichen Schulanmeldungen speziell bei den Jugendlichen, weil sie diesem Druck, dieser knallharten Selbstverant­wortung zu Hause nicht mehr standhalten können.


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Eine breite Plattform an Kinder- und Jugendorganisationen, weit über die Bundesjugend­vertretung hinaus, fordert nun in einer gemeinsamen Kampagne einen sorgenfreien Sommer für alle Kinder. Diesen hätten sich die Kinder und genauso die Eltern wirklich verdient. Dafür bräuchte es aber jetzt Regelungen für Sommerangebote und Sommer­camps, dafür bräuchte es jetzt flächendeckend kostenlose oder zumindest kosten­günstige Angebote, wie beispielsweise die Wiener Summer City Camps. Dafür braucht es jetzt eine Perspektive. Die Lösungen liegen auch da bereits auf dem Tisch. Herr Bundeskanzler, Sie müssen sie nur aufgreifen, mit den Fachleuten reden und das eine oder andere umsetzen! Auch im Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit stehen alle mit Sicherheitskonzepten in den Startlöchern. Auch da verlangen wir einheitliche Regelungen, damit in diesem Bereich endlich wieder österreichweit durchgestartet werden kann.

Jedenfalls haben wir in unserer Dringlichen Anfrage für Sie alle versucht, zu be­schreiben, wie es Familien derzeit geht. Wie gesagt, das alles ist nicht von uns erfunden, Sie können es nachlesen, alles ist durch Studien belegt. Nein, wir haben nicht nur auf­gezeigt, wo der Schuh drückt und wo die Problemlagen sind, sondern wir haben in dieser Dringlichen Anfrage wirklich, wirklich viele Vorschläge und Konzepte verpackt, wie man Familien, wenn man es nur wirklich will, das Leben leichter machen könnte. Wir fragen Sie, Herr Bundeskanzler: Was Sind denn Ihre Konzepte, abseits der vielen Presse­konferenzen und Ankündigungen?

Man muss etwas wollen, um es zu tun, das ist der entscheidende Punkt. Man muss wollen, dass es allen Familien, und nicht nur ein paar wenigen privilegierten, gut geht. (Beifall bei der SPÖ.) Da geht es am Ende des Tages auch um eine gerechte Verteilung der vorhandenen Ressourcen, mit nachhaltigen, langfristigen Maßnahmen, die auch Mut und ehrlichen Respekt vor den Familien erfordern.

Wir haben in unserer Anfrage 38 Fragen an Sie gestellt, Herr Bundeskanzler, und wir erwarten uns klare Antworten auf unsere Fragen, nicht nur für uns, sondern natürlich auch für die Familien in diesem Land. (Bundesrat Bader spricht mit Bundeskanzler Kurz. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Herr Bundeskanzler, zum Thema Respekt, auch vor Mitgliedern des Bundesrates (Beifall des Bundesrates Steiner – Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling): Sie fordern ständig Respekt ein, bei Ihnen aber, Herr Bundeskanzler, vermissen wir diesen schmerzlich. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Übernehmen Sie bitte endlich Verantwortung für die Eltern, für die Jugendlichen, für die Kinder in diesem Land! Geben Sie uns Antworten auf unsere 38 Fragen und werden Sie bitte endlich aktiv! Es ist höchste Zeit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Zur Geschäftsordnung!)

16.21


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zur Geschäftsbehandlung, Herr Fraktions­vor­sitzender. – Bitte.

*****


16.21.37

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Dringliche Anfrage vorliegen, wobei ich gleich zu Beginn grundsätzlich anmerken muss – weil es sonst in der Diskussion wieder zu großen Debatten kommen wird –, dass viele Fragen, die hier gestellt wurden, nicht den Herrn Bundeskanzler direkt betreffen, sondern, wie wir recherchiert haben, fünf verschiedene Ressorts. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)


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Ich würde vorschlagen, dass wir, bevor wir in die Diskussion und in die Beantwortung eingehen, in einer Stehpräsidiale klarstellen, wie mit solchen Anfragen grundsätzlich um­zugehen ist.

16.22


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Frau Fraktionsvorsitzende, zur Geschäfts­behandlung. – Bitte.


16.22.23

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Auch zur Geschäftsordnung: Ganz bewusst wurde aufgrund der vielen Ressorts, die in diesem Themenkomplex der Dringlichen angesprochen wurden, der Kanzler als Regierungschef gebeten, die Beantwortung vorzunehmen. Die Materien betreffen ja eben nicht ein Res­sort, sondern sehr viele Ressorts, und damit sehen wir die Zuständigkeit des Kanzlers gegeben. Auch die Formulierung der Fragen haben wir bewusst darauf ausgerichtet, so ist es konzipiert. Ich glaube, es wäre ein schönes Zeichen, wenn der Herr Bundeskanzler die Fragen beantworten und sich nicht der Befragung entziehen würde. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

16.23


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich unterbreche dennoch für eine Steh­präsidiale, bitte. (Rufe bei der FPÖ: Schon wieder! Jetzt muss der Steiner schon wieder aufstehen! Sport!)

*****

(Die Sitzung wird um 16.23 Uhr unterbrochen und um 16.27 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und erteile dem Herrn Bundeskanzler zur Beantwortung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.


16.27.26

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Susanne Raab! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Mikro! – Das zunächst ausgeschaltete Mikrofon wird ein­geschaltet. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Hab ich doch gesagt! Kriegst ein Bussi dafür!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Die Pandemie ist eine für uns alle, glaube ich, unglaublich belastende und herausfordernde Zeit.

Ich habe gestern eine Debatte mitverfolgt, in der darüber gesprochen wurde, welche Gruppe denn jetzt am stärksten von der Pandemie getroffen wurde: jüngere Menschen, die vielleicht ein Jahr ihrer Ausbildung verloren haben, ihre Freunde nicht treffen konn­ten, die vielleicht gern gelebt hätten und gereist wären und etwas erlebt hätten? Ältere Menschen, die zurückgezogen waren, alleine waren, vielleicht teilweise stark vereinsamt sind?

Beim Verfolgen dieser Debatte kam ich zu dem zumindest für mich einzig richtigen Schluss, nämlich dass schlicht und ergreifend alle Menschen durch diese Pandemie ge­troffen wurden, dass alle Menschen in diesem Jahr eine ganz neue, belastende Erfah­rung machen mussten und dass dieses Jahr einfach für uns alle voller noch nie da gewesener Herausforderungen war.


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Es war ein Jahr der Krise, ein Jahr der Pandemie, ein Jahr des Wirtschaftseinbruchs, ein Jahr, in dem die Arbeitslosigkeit massiv angestiegen ist, und ein Jahr, das viele psychisch belastet und an ihre Grenzen gebracht hat.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass natürlich insbesondere Familien in dieser Zeit stark betroffen waren, in unterschiedlichster Art und Weise; Familien im weiteren Sinn, Großeltern, die ihre Enkelkinder vielleicht nicht sehen konnten und massiv darunter gelitten haben, und Familien im ganz engen Sinn, Kernfamilien, wo Eltern oftmals unter der Mehrfachbelastung von Homeschooling, Teleworking, Betreuungsarbeit und Fa­milien­arbeit gemeinsam mit Erwerbsarbeit, oftmals auf kleinem Wohnraum, extrem gelitten haben. Es war also eine ganz unterschiedliche Belastung, je nach Familien­verhältnissen.

Für die einen war dieses Jahr ein leises Jahr der Vereinsamung, für die anderen war es ein lautes Jahr auf engem Raum mit schulpflichtigen Kindern, in dem man vielleicht gar nicht mehr gewusst hat, wie man das alles ertragen soll.

Familien sind das Fundament unserer Gesellschaft, und daher habe ich seit dem Beginn meiner Tätigkeit als Bundeskanzler immer einen Schwerpunkt auf die Familienpolitik gelegt. Ich bin zum Beispiel sehr stolz darauf, dass es uns noch in der Vorgän­ger­regierung gelungen ist, den Familienbonus einzuführen – mit 1 500 Euro pro Kind die größte Familienentlastung aller Zeiten in der Geschichte der Zweiten Republik. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Nun werden wir ihn gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, den Grünen, sogar noch einmal weiter ausbauen und auf 1 750 Euro pro Kind ver­stärken. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sind damit, was die Familienleistungen betrifft, in finanzieller Hinsicht unter den top drei Ländern innerhalb der Europäischen Union, und ich möchte mich bei allen bedanken, die da mitgewirkt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Pandemie hat aber natürlich für viele Familien, und das soll man gar nicht be­schönigen, auch eine wirtschaftlich schwierige Situation bedeutet – Verlust des Arbeits­platzes oder für Menschen, die als Unternehmer tätig sind, andere Herausforderungen. All das hat für viele eine finanzielle Herausforderung mit sich gebracht, und ich bin daher sehr froh, dass wir in der Bundesregierung gemeinsam – ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten bedanken, auch bei den Sozialpartnern – ein, glaube ich, weltweit fast einzigartiges Modell der Kurzarbeit schaffen konnten. Wir haben in Europa eines der großzügigsten Modelle der Kurzarbeit und konnten so unglaublich viele Menschen unterstützen, Arbeitsplätze retten und natürlich vor allem bei Familien dafür sorgen, dass trotz des Einbruchs der Wirtschaft, trotz des Verlustes vieler Arbeitsplätze für viele eine Rettung des Arbeitsplatzes und ein geregeltes Einkommen ermöglicht wurde.

Wir haben darüber hinaus mit dem Familienhärtefonds und auch mit dem Kinderbonus noch zusätzliche Maßnahmen gesetzt, um insbesondere Familien in dieser Zeit finanziell zu unterstützen. Die Familienministerin wird darauf noch im Detail eingehen.

Zum Zweiten: Finanzielles ist nur ein Teil der Lösung. In vielen Familien war natürlich insbesondere der fehlende Präsenzunterricht eine große Herausforderung. Berufs­tätig­keit und Familienarbeit unter einen Hut zu bringen ist für viele noch schwieriger ge­worden. Ich habe das in meinem persönlichen Umfeld, in meinem Freundeskreis bei vielen miterlebt, die sich sonst schon schwertun, Familie und Beruf irgendwie unter einen Hut zu bringen. Das ist in Zeiten der Pandemie noch einmal massiv verschärft worden, und ich bin daher froh, dass wir mit der Sonderbetreuungszeit Möglichkeiten gefunden haben, da zumindest so gut als möglich unterstützend mitzuhelfen. Wegzaubern kann man diese Krise leider nicht – und daher auch nicht die damit verbundenen Heraus­forderungen und Konsequenzen.


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Das Wichtigste, sehr geehrte Damen und Herren, ist aber der dritte Punkt: Neben den finanziellen Leistungen, Sonderbetreuungszeiten und anderen Unterstützungsmaß­nah­men ist der dritte Punkt der wichtigste, nämlich der Blick nach vorne und das Bewusst­sein, dass diese Krise besiegt werden kann, dass diese Pandemie überstanden werden kann und dass wir schon bald zur Normalität zurückkehren können. In der dritten Welle war es möglich, in sechs von neun Bundesländern keinen vollständigen Lockdown durch­zuführen. Die Schulen sind offen geblieben. Leider waren in Wien, im Burgenland und in Niederösterreich noch einmal Schulschließungen notwendig, auch dort aber ist man mittlerweile wieder zum Präsenzunterricht zurückgekehrt.

Mit 19. Mai können wir in allen Bundesländern massive Öffnungsschritte setzen und auch in den Schulen zum vollständigen Präsenzunterricht zurückkehren und das Ende des Schichtbetriebs einläuten. Das alles bringt für die Familien eine Rückkehr zur Nor­malität.

Da wir es gewährleisten können, dass sich jeder, der sich impfen lassen möchte, auch bis zum Sommer impfen lassen kann, werden dann nicht nur diejenigen geschützt sein, die geimpft sind, sondern das wird für uns alle dazu führen, dass wir das Virus mehr und mehr in den Griff bekommen, die Ansteckungszahlen immer niedriger sein werden und wir endlich wieder zur Normalität zurückkehren können.

Das ist der wichtigste Punkt, denn wie vorhin schon gesagt: Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, mit Kurzarbeit, dem Familienhärtefonds, dem Kinderbonus und anderen Leistungen alles zu tun, um die Krise abzufedern – die Krise lässt sich aber nicht wegzaubern. Was funktioniert, ist die Pandemie mit der Impfung zu besiegen, und dieser Schritt wird der wahrscheinlich wichtigste für uns alle, insbesondere aber für die Familien sein. Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, ich spreche nicht nur für die Familien­ministerin und für mich, sondern für uns alle, wenn ich sage: Wir freuen uns schon sehr auf den 19. Mai, wir freuen uns auf die Öffnungen und wir freuen uns vor allem darauf, dass wir, wenn alle geimpft sind, endlich wieder in Normalität leben können. – Vielen Dank für Ihre Unterstützung auf diesem Weg. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Nun, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, komme ich zu Ihren Fragen. Ich glaube, Sie sind alle lang genug im Bundesrat und sind Profis genug, dass Sie wissen, dass Sie da Fragen an mich gerichtet haben, die im Fachzu­ständig­keits­bereich anderer Ressorts liegen. Ich glaube, Sie wissen das; Sie haben es trotzdem gemacht. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das respektiere ich natürlich, und ich habe auch kein Problem damit, Ihnen diese Fragen trotzdem so gut als möglich zu beantworten. (Bundesrätin Grimling: ... können S’ sie ja weiterleiten!)

Entspannen Sie sich, entspannen Sie sich, entspannen Sie sich – es ist alles gut! (Rufe bei der SPÖ: Wir sind entspannt, bitte sehr!) Bitte entspannen Sie sich und lassen Sie mich fortfahren! (Bundesrätin Schumann: Bitte!) Wir sind in der Bundesregierung in einer guten Abstimmung und in einer guten Zusammenarbeit unterwegs. Wir haben daher im Vorfeld der Sitzung auch mit allen zuständigen Ressorts Kontakt aufgenommen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), und ich kann Ihnen viele Fragen aus den unterschiedlichsten Ressortzuständigkeiten beantworten – auch wenn ich Sie gerne darauf hinweise, dass Sie selbstverständlich Profi genug sind, um zu wissen, dass diese Fragen größtenteils im Zuständigkeitsbereich anderer Ressorts liegen.

Ich komme zu Ihren Fragen, die ich nun so gut wie möglich beantworten werde:

Zur Frage 1:

Diese fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.


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Österreich ist Spitzenreiter bei den Familienleistungen und innerhalb der Europäischen Union unter den top drei, durch Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld und Ausbau der Kinderbetreuung.

Familienleistungen, die während der Coronapandemie auch noch zusätzlich erhöht worden sind, habe ich vorhin schon aufgezählt, und auch die zuständige Ministerin, der ich sehr herzlich danken möchte, wird darauf noch im Detail eingehen.

Zu den Fragen 2 und 3:

Auch diese fallen nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.

Bei der Kurzarbeit sind Einkommen und Ausfallstunden die wesentlichen Parameter. Der Familienstand der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spielt hierbei eine unter­ge­ordnete Rolle, weshalb dieser, nicht zuletzt auch aus datenschutzrechtlichen Gründen, nicht erhoben wird.

Zur Frage 4:

Auch diese ist zwar an mich gerichtet, liegt aber in einem anderen Ressortzuständig­keitsbereich.

Bei der Studie handelt es sich um einen Auftrag des Sozialministeriums. Ich bin mir sicher, der Endbericht wird nach Fertigstellung und Abnahme durch das verantwortliche Ressort vom Sozialminister dem Parlament übermittelt werden.

Zur Frage 5:

Auch diese liegt nicht in meinem unmittelbaren Zuständigkeitsbereich.

Der Bezieherkreis des Familienhärtefonds wurde mit der Richtlinienänderung bereits ausgeweitet.

Zur Frage 6:

Auch diese liegt in einem anderen Ressortzuständigkeitsbereich.

Mit dem Familienhärtefonds konnten wir innerhalb eines Jahres fast 100 000 Familien mit einem Budget von 130 Millionen Euro unterstützen. Bis Juni ist es weiterhin möglich, einen Antrag zu stellen. Ziel ist es, weiterhin möglichst viele Familien zu unterstützen – über jene hinaus, die bisher unterstützt wurden.

Zur Frage 7:

Die Bundesregierung informiert umfangreich über Leistungen für Familien in Österreich. Die Informationen stehen auf den Websites der zuständigen Ressorts zur Verfügung, und es gibt darüber hinaus von den zuständigen Ressorts zielgruppenspezifische Bro­schüren.

Zur Frage 8:

Auch diese liegt nicht im Kompetenzbereich des Bundeskanzleramts.

Während der Coronakrise unterstützt die Bundesregierung mit zahlreichen Instrumenten wie der Coronakurzarbeit, Einmalzahlungen und der Erhöhung der Notstandshilfe.

Zur Frage 9:

Auch diese liegt in einem anderen Ressortzuständigkeitsbereich.

Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz führt dazu Gespräche.


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Zur Frage 10:

Auch diese liegt in einem anderen Ressortzuständigkeitsbereich. (Heiterkeit der Bundes­rätin Schumann.)

Österreichweit gibt es rund 400 Familien- und 171 Frauenberatungsstellen, die für Be­ratung und Unterstützung zur Verfügung stehen. Meiner Meinung nach sind sie eine ganz wesentliche Säule unserer Gesellschaft. Aufgrund der mit der Pandemie einher­gehenden Beschränkungen wurde das Angebot in den letzten Monaten auf telefonische Beratung, E-Mail- und Videoberatung erweitert.

Zur Frage 11:

Diese liegt ebenfalls in einem anderem Ressortzuständigkeitsbereich.

Es ist eine Reform des Unterhalts- und Unterhaltsvorschussrechts sowie die Beschleu­nigung des diesbezüglichen Verfahrens geplant. Das alles ist im Regierungsprogramm vorgesehen und wird derzeit vom Justizministerium ausgearbeitet.

Zur Frage 12:

Dafür ist wiederum ein anderes Ressort zuständig.

In ganz Österreich stehen rund 400 Einrichtungen in allen Bezirken zur Verfügung. Der Ausbau von niederschwelligen Familienberatungsangeboten ist als Ziel im Regierungs­programm verankert.

Zu den Fragen 13 und 14:

Dafür ist wieder einmal ein anderes Ressort zuständig, in diesem Fall das Ressort für Arbeit.

Das Modell der Sonderbetreuungszeit steht seit Frühjahr 2020 zur Verfügung und beruht auf einer Sozialpartnerabsprache. Derzeit befinden wir uns in Phase vier, die seit 1. No­vember 2020 läuft. Bisher – über alle vier Phasen hinweg – erhielten im Summe 24 000 El­tern Unterstützung, 35 000 Kinder werden zu Hause betreut und über 10 Millionen Euro an Fördermitteln wurden bereits ausbezahlt.

Zur Frage 15:

Dies ist auch nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes.

Die Bundesregierung wird bei Bedarf zeitnah über weitere Schritte informieren.

Zur Frage 16:

Die diesbezügliche Zuständigkeit liegt beim Arbeitsministerium.

Es ist natürlich der Bundesregierung und auch mir ein wichtiges Anliegen, dass Schü­lerinnen und Schüler auch in Krisenzeiten die bestmögliche Bildung erhalten, deswegen kehren die Schulen so rasch, wie es die Infektionslage zulässt, wieder in den Präsenz­unterricht zurück. Am 17. Mai ist der nächste Öffnungsschritt geplant. Der Schichtbetrieb in der Sekundarstufe wird beendet. Damit befinden sich wieder alle Schülerinnen und Schüler im Präsenzunterricht. Zusätzlich zu den Sicherheitsmaßnahmen werden die Schüler dreimal pro Woche getestet, während ein Großteil der Lehrerschaft bereits das Angebot der Coronaschutzimpfung angenommen hat.

Zu den Fragen 17, 21 und 23:

Da gibt es ebenfalls eine andere Zuständigkeit.

Seit Beginn der Pandemie haben wir als Bundesregierung darauf geachtet, begleitende Maßnahmen für Kinder und Jugendliche zu setzen. Die Unterstützung zeigt bereits seit


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Beginn der Krise Wirksamkeit. Die bestehenden Angebote wurden bedarfsorientiert neu ausgerichtet und die Zuständigkeit und Erreichbarkeit erweitert und verbessert.

Zu den Fragen 18 und 20:

In dem Fall gilt die Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums.

Das Gesundheitsministerium ist in dieser Angelegenheit im Rahmen seiner Kompe­tenzen bereits aktiv. Dies benötigt allerdings Vorlaufzeiten im Hinblick auf den Ausbau der Bettenkapazitäten und zusätzliches Personal, auch vor dem Hintergrund, dass in diesem Bereich bereits vor der Pandemie Rekrutierungsprobleme bestanden und Fach­ausbildungen mehrere Jahre dauern.

Festzuhalten ist, dass der Ausbau in diesem Bereich als wichtiges mittelfristiges Vor­haben gilt. Daher wird im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit umfassend an der Attraktivierung der Mangelberufe in der psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Es darf darauf hingewiesen werden, dass diesbezüglich auch mit den Ländern zusammengearbeitet wird, da die Bereitstellung der stationären Ver­sorgung Kompetenz der Bundesländer ist.

Zur Frage 19:

Das aktuelle Regierungsprogramm sieht bedarfsgerechte Ressourcen für psycho­lo­gi­sche, psychiatrische und sozialarbeiterische Betreuung vor. Unser Ziel ist es selbst­verständlich, einen Ausbau zu gewährleisten, denn insbesondere die Pandemie hat gezeigt, dass da ein gesteigerter Bedarf vorhanden ist.

Zur Frage 22:

Das Bundeskanzleramt hat im Laufe der Pandemie bereits mehrere Maßnahmen ge­setzt, die diesem Anliegen entsprechen. Die Jugendministerin ist mit den Jugend­sprechern der Nationalratsfraktionen, der Bundesjugendvertretung und anderen Stakeholdern re­gelmäßig im Austausch dazu.

Zur Frage 24:

Jungen Menschen eine Perspektive zu geben ist unser oberstes Ziel. Das gilt für den Arbeitsmarkt, für Bildungseinrichtungen, natürlich aber auch für den Freizeit- und gesell­schaftlichen Bereich. Mit der Taskforce Jugendbeschäftigung wird zum Beispiel ressort­übergreifend an Maßnahmen gerade für jüngere Menschen gearbeitet, und das, wie mir scheint, sehr erfolgreich.

Zu den Fragen 25 und 26:

Auch das liegt nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramts.

Die Prävention und der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ist uns als Bun­desregierung von Beginn unserer Amtszeit immer ein zentrales Anliegen gewesen. Bundesministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer haben als Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse bereits am 3. Mai einen Sicherheitsgipfel mit den Lan­despolizeidirektoren einberufen, um weitere notwendige Verbesserungen im Gewalt­schutz zu treffen.

Zahlreiche konkrete Schritte und Maßnahmen werden nicht nur von diesen beiden Minis­tern, sondern auch von der Justizministerin und dem Gesundheitsminister vorbereitet. Uns ist es ein zentrales Anliegen, gegen Gewalt anzukämpfen, insbesondere wenn sie gegen Frauen gerichtet ist.


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Zur Frage 27:

Beginnend mit dem Jahr 2020 wurde die zielgerichtete Erhöhung und der Ausbau der Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen in ganz Österreich umgesetzt. Das Frau­enbudget wurde substanziell erhöht, nämlich um 43 Prozent im Vergleich zu den Jahren davor. (Bundesrätin Schumann: Zahlen! – Bundesrat Schennach: Dann sagen Sie doch die ... Zahlen in absolut!)

Zu den Fragen 28 bis 30:

Ich kann Ihnen dazu einige Zahlen nennen, wobei das im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums liegt.

Seit 2015 wurden in Österreich rund 203 000 Asylanträge gestellt und rund 130 000 Schutz­­gewährungen erteilt, davon rund 26 000 an Frauen und 58 000 an Minderjährige.

Zu den Fragen 31 und 32:

Auch das ist im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums, aber auch dazu eine Zahl: Es wurde – unabhängig ob unbegleitete oder begleitete Minderjährige – im Jahr 2020 rund 6 000-mal der Schutzstatus erteilt.

Zur Frage 33:

Es ist sehr nachvollziehbar, dass einzelne Fälle persönlich bewegen. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schumann und Schennach.) Abschiebungen werden immer dann durchgeführt, wenn das Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen ist, keine Schutzbedürftigkeit vorliegt und eine freiwillige Ausreise nicht in Anspruch genommen wird. Ich möchte betonen, dass das immer die Entscheidung eines unabhängigen und weisungsfreien Richters ist.

Zu den Fragen 34 bis 37:

Jugendorganisationen und Einrichtungen der offenen Jugendarbeit sind aus meiner Sicht eine wesentliche Basis für ein breites Angebot für junge Menschen. Das Bildungs­ministerium plant auch dieses Jahr wieder, in den letzten zwei Wochen der Som­merferien Schülerinnen und Schülern mit Aufholbedarf die Sommerschule anzubieten. Dieses Jahr, und das ist besonders, wird die Sommerschule auf alle Schulstufen aus­geweitet.

Zur Frage 38:

Wir gehen davon aus, dass noch vor den Sommerferien alle Menschen, die eine Impfung erhalten wollen, auch die Möglichkeit bekommen, sich impfen zu lassen. Das wird die Basis dafür sein, dass wir im Sommer wieder zur Normalität zurückkehren können.

Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit. Ich habe mich bemüht, all Ihre Fragen zu beantworten, auch wenn eine Vielzahl nicht im Zuständigkeitsbereich des Bun­des­kanzleramts ist. Sie können sich aber gerne auch, wenn Sie noch weitere Detailfragen haben, an die anderen Mitglieder der Bundesregierung zu deren Ressortzuständigkeiten wenden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.48


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 GO-BR die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile dieses.



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16.48.39

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler, es macht immer wieder aufs Neue fassungslos, wie Sie, ohne mit einer Wimper zu zucken, so wichtige und zentrale Fragen einfach vom Tisch wischen! Ich frage Sie hier: Wer sonst als der Regierungschef selbst ist in der Verantwortung, solche zentralen Fragen bei einem so wichtigen Thema zu beantworten – Ressort hin oder her? (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Ich kann Ihnen auch gleich sagen, dass wir nicht lockerlassen werden. Es folgen natürlich auch schriftliche Anfragen an Sie und an die Ministerien.

Nun zu meinem Redebeitrag. Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch liebe Zuhörerinnen zu Hause! „Allein­erziehende fordern nachhaltige Hilfen“, „Jeder sechste Haushalt kann Fixkosten nicht mehr stemmen“, „Wir züchten uns ein riesiges Armutsproblem“, „Armut erreichte Mitte der Gesellschaft“, „Eine Krise der Kinderarmut“, „Schau auf dich, schau auf mich: Wer schaut auf die Kinder?“ (Beifall bei der SPÖ.) – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das sind nicht meine Worte, nein, das ist ein Auszug von Schlagzeilen der letzten Wochen aus den österreichischen Medien. Es sind ernüchternde Schlagzeilen, die bei uns die Alarmglocken läuten lassen und uns eigentlich zum dringenden Handeln auffordern sollten.

Die Coronakrise – das ist kein Geheimnis mehr – hat sich längst von der Gesund­heits­krise zu einer Wirtschafts- und Finanzkrise ausgeweitet und schlägt gerade jetzt dra­matisch auf die Familien durch. Wenn ich ganz pauschal von Familien spreche, meine ich die unterschiedlichsten Familienformen, egal ob AlleinerzieherInnen, ob Ein- oder Mehrkindfamilien.

Es ist absolut alarmierend und für die Betroffenen beängstigend, wenn man sich an­schaut, wie sich die Coronakrise auf die wirtschaftliche Situation der Haushalte auswirkt. Jeder sechste Haushalt – das sind in Österreich rund 500 000 Haushalte – kann seine Fixkosten nicht mehr bezahlen. Vier von zehn Haushalten müssen finanzielle Einbußen hinnehmen. Im Schnitt sind das rund 640 Euro pro Monat, die weniger zur Verfügung stehen. Wird das Einkommen durch selbstständige Arbeit erwirtschaftet, erhöht sich das Minus sogar auf rund 1 000 Euro pro Monat.

Dann gibt es noch regionale Unterschiede, die sich durch den sogenannten Touris­mus­effekt ergeben. Das heißt, dass diese Einkommenseinbußen verstärkt vor allem in den Ländern Burgenland, Salzburg und Tirol auftreten.

Wenn man vor Augen hat, dass fast die Hälfte der Familien davon betroffen ist, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergeben. Dieses Gefühl habe ich aber, wenn ich mir das zögerliche Handeln der Bundesregierung anschaue. Herr Bundeskanzler, das von Ihnen als großer Wurf gefeierte Familienpaket ist kein großer Wurf, ganz im Gegen­teil, es hat enorme Schwachstellen. Es ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, es verpufft noch während der Beschlussfassung hier im Parlament, weil es einfach zu wenig ist, was Sie da für die Familien und die Kinder tun.

Mit diesen Maßnahmen sichern Sie unsere Familien nicht nachhaltig ab, mit diesen Maß­nahmen nehmen Sie unseren Familien die Ängste und Sorgen nicht – nein, mit diesem Paket, das mehr den Anschein einer Almosengabe als den eines echten Hilfspaketes hat, geht die Krise in die nächste Runde.

Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Glauben Sie echt, dass man einer Familie, die Sozial­hilfe beziehen muss, mit einer Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro wirklich und nachhaltig helfen kann? Wenn Sie das glauben, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn wir Ihnen Herz- und Empathielosigkeit vorwerfen.


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Eines möchte ich auch noch von Ihnen wissen: Wohin ist denn eigentlich Ihr Verant­wortungsbewusstsein als höchster Repräsentant der christlich-sozialen Volkspartei verschwunden? – Mit christlich-sozial hat Ihre Politik nämlich nur mehr sehr wenig am Hut. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Im Grunde wäre es sehr einfach, wenn Sie nur den Experten Ihr Gehör schenken würden, denn auch die Expertise der Fachwelt stellt den Regierungsmaßnahmen kein gutes Urteil aus. Unisono hört man, dass diese Hilfen zu wenig, nicht zielgerichtet sind, sprich, nicht bei den Richtigen ankommen. (Bundesrat Schennach: Und langsam!) – Und langsam.

Dazu kommt, dass sich die prekäre finanzielle Situation der Familien natürlich im Kon­sumverhalten niederschlägt. Die Menschen müssen sparen, um wenigstens die Fix­kosten abdecken zu können. Dass das auch volkswirtschaftliche Auswirkungen hat, ist selbstredend. Damit lässt sich auch der Wirtschaftseinbruch, den wir derzeit erleben, besser erklären. Kurzum: Mit Ihrer Politik, Herr Bundeskanzler, lässt sich diese Krise weder für die Familien noch für den Staat abwenden beziehungsweise abfedern.

Leider wird auch die Langzeitarbeitslosigkeit in der nächsten Zeit ansteigen, und damit steigt auch die Armutsgefahr für die Betroffenen, klarerweise auch für die Kinder. Diese Krise wird sich zuspitzen, die Folgen sind Perspektivenlosigkeit und eine enorme psychi­sche Belastung. Die aktuelle Kriminalstatistik zeigt, dass sich diese psychische Druck­situation in ihrer Ausweglosigkeit immer öfter in Form von Gewaltausübung entlädt. Die Opfer sind Frauen und Kinder: Unfassbare elf Frauenmorde bis jetzt in diesem Jahr – wir haben es heute schon mehrmals gehört – und überfüllte Kinderpsychiatrien sind eine erschütternde und beängstigende Bilanz, die wir als SPÖ keinesfalls hinnehmen können und werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Um dieser dramatischen Entwicklung entgegenzuwirken, ist dem Gewaltschutz jetzt oberste Priorität einzuräumen. Wo sind aber Ihre Konzepte dazu, Herr Bundeskanzler? Die Erfolgschancen des Gewaltschutzgipfels vom Montag sind ja gleich null, wenn man gleichzeitig ausruft, dass weder mehr Geld noch mehr Personal zur Verfügung gestellt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich gebe zu, Sie sind aufgrund des Drucks einen Tag später zurückgerudert, die gleichen Fragen aber bleiben: Was und wie viel kommt wann und hilft wem? (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Nun einige Worte zu den Vorgängen an unserer EU-Außengrenze: Auch davon sind Familien und Kinder massiv betroffen. Wir haben das mehrmals hier im Parlament thematisiert: Die Vorgänge sind beschämend, die Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sind mit unseren europäischen und auch österreichischen Grundwerten in keinerlei Hinsicht vereinbar. Andererseits wird – und da sage ich: Gott sei Dank – die Allianz der Hilfsbereitschaft immer und immer größer. Ob die Initiative Bürgermeister mit Herz aus Oberösterreich, die klare Positionierung der Bischöfe und der Kirche in dieser Frage oder die vielen Aktivitäten in der Zivilgesellschaft: Es werden täglich mehr, die da ein konsequentes Handeln der Regierung, vor allem die Rettung von Kindern und Familien aus diesen unmenschlichen Situationen, fordern. Herr Bun­deskanzler, stellen Sie sich nicht länger ins Abseits und werden Sie endlich aktiv!

In dieser Angelegenheit gibt es vielerorts Initiativen für die dringend gebotene mensch­liche Lösung, so auch in meiner Gemeinde Haslach in Oberösterreich. Ich darf das kurz schildern: Unter dem Motto Hassfasten, 40 Tage Menschlichkeit wurden vor Ostern die gesamte Fastenzeit hindurch von der Pfarre, der Katholischen Jugend und dem Verein Mensch & Arbeit Kundgebungen und Aktionen gesetzt. In diesen 40 Tagen wurden viele Botschaften aus der Bevölkerung gesammelt, und diese Botschaften wurden mir mit der


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Bitte übergeben, ich möge sie der Bundesregierung überreichen. Diese Aktion läuft noch immer.

Herr Bundeskanzler, bei nächster Gelegenheit werde ich Ihnen diese Botschaften­samm­lung zukommen lassen. Ich hoffe sehr, dass diese Botschaften Sie zum Umdenken bewegen und Ihrer Politik eine menschliche Wende geben werden. Menschenrechte enden nämlich nicht an der eigenen Haustür, sie enden auch nicht an Landesgrenzen, sie gelten überall, für jedermann und jede Frau. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Noch eine Botschaft an die Grünen: Es würde Ihnen gut stehen, wenn Sie gerade bei diesem Thema mehr Druck auf Ihren Koalitionspartner ausüben oder aussprechen könn­ten. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Richtlinien zum Familienhärteausgleich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, die Richtlinien des Corona-Familienhärtefonds dahingehend zu ändern, dass

- geringfügig Beschäftigte einen Anspruch auf Zuwendung auf den Familien­härte­aus­gleich erhalten;

- bei getrennt lebenden Eltern beide Elternteile Anspruch auf Zuwendung haben, sofern Unterhalt für die Kinder bezahlt wird;

- Selbstständige, unabhängig vom Anspruch auf Zuwendung durch den Härtefonds der WKO, Anspruch auf Zuwendung durch den Corona-Familienhärtefonds haben,

- Personen, die innerhalb der letzten 12 Monate mehr als drei Monate arbeitslos oder in Kurzarbeit waren, ein weiteres Mal Unterstützung aus dem Familienhärteausgleich er­halten.“

*****

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.00


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Richtlinien zum Familienhärteausgleich“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Des Weiteren zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses.


17.01.15

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kol­le­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Reisinger, Sie brauchen niemanden aufzufordern, aus der Defensive zu kommen: Diese Bundesregierung ist


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offensiv, diese Bundesregierung setzt ganz offensiv Schritte und löst ganz offensiv die großen Fragen dieser Zeit. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wir haben an dieser Stelle schon öfter und auch heute darüber gesprochen: Ganz Öster­reich, die ganz Welt befindet sich seit über einem Jahr im Ausnahmezustand, der jede und jeden Einzelnen trifft. Und ja, es ist ein Ausnahmezustand, der auch besonders für unsere Familien eine unglaublich herausfordernde und schwierige Situation bedeutet.

Wir erleben aber in dieser Zeit, dass die Familien unglaublich gut zusammenhalten und zusammenrücken, wir erleben, dass unglaublich viele Mitglieder der Zivilgesellschaft, viele Freiwillige und Ehrenamtliche Verantwortung für ihre Mitmenschen übernehmen. Wir erleben in der Wirtschaft, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer gerade jetzt alles tun, um ihren Mitarbeitern Sicherheit zu geben, dass sie ganz offen auf der Kommandobrücke stehen und ihr Unternehmen durch raue Zeiten führen. Genauso, meine Damen und Herren, übernimmt auch unsere Bundesregierung und allen voran unser Bundeskanzler in diesen schwierigen Zeiten, in diesem Ausnahmezustand tagtäglich – oft, glaube ich, auch nächtelang – Verantwortung. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Auf der Kommandobrücke steht er nicht!) – Entspannen Sie sich, Herr Kollege Schennach! Auch Sie können sich gerne zu Wort melden, jetzt bin ich dran! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Unsere Bundesregierung übernimmt Verantwortung, sie trägt mit ihrer Arbeit dazu bei, dass wir die vulnerablen Gruppen in unserem Land bestmöglich schützen. Sie trägt dazu bei, dass wir das Land wieder öffnen können, dass wir uns alle wieder auf Öffnungs­schritte freuen können, auf das wirtschaftliche, auf das kulturelle, auf das gesell­schaft­liche Comeback in Österreich, und sie setzt auch ganz zentral Maßnahmen, damit wir alle als Gesellschaft bestmöglich durch diese Zeit kommen.

Das gilt ganz besonders auch im Familienbereich. Wir können zu Recht stolz auf unsere Familien sein, und wir können zu Recht stolz auf das sein, was wir für die Familien in den vergangenen Jahren in Österreich erreicht haben. Gerade unter unserem Bundes­kanzler Sebastian Kurz haben wir in der Vergangenheit Meilensteine gesetzt. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ich erinnere Sie noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ: Sie erinnern sich vielleicht nicht so gerne daran, weil Sie damals nicht mitgestimmt haben, aber der Familienbonus Plus ist die größte Entlastung, die wir für unsere Familien geschafft haben. (Beifall bei der ÖVP. – Ah-Rufe bei der SPÖ. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.) Er kommt Jahr für Jahr bis zu 1,6 Millionen Kindern in Österreich zugute. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – Sie können sich beruhigen, sehr geehrte Damen und Herren!

Die Familien waren und sind der Volkspartei ein echtes Herzensanliegen. Jede Maß­nahme, die wir in den vergangenen Jahren für Familien und Kinder gesetzt haben, trägt die Handschrift der Österreichischen Volkspartei. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Es braucht auch keinen Weckruf, weil wir schon dabei und mitten drin sind und gerade im Familienbereich so viele Maßnahmen umgesetzt haben, um die Familien bestmöglich durch diese Krisenzeit zu begleiten und sie zu unterstützen. (Bundesrat Spanring: Natürlich sind euch die Familien wichtig! Ihr schreibt ja: Wir sind Familie!)

Zentral ist der Coronafamilienhärteausgleich, da stehen insgesamt 200 Millionen Euro für Kinder und für Familien zur Verfügung. Das ist Geld, das Familien zugutekommt, die durch diese Pandemie ganz plötzlich und unverschuldet in Not geraten sind, und denen helfen wir damit.

Wir haben eine Sonderfamilienbeihilfe im Umfang von über 100 Millionen Euro einge­führt. Wir haben den Familienkrisenfonds eingeführt, mit dem wir 250 000 Kinder aus Familien unterstützen, in denen die Eltern bereits vor der Krise in der Arbeitslosigkeit


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waren. Wir haben im September einen Coronabonus in der Höhe von 360 Euro für jedes ein­zelne Kind in Österreich ausbezahlt. Dazu kommt der Rechtsanspruch auf Sonder­betreuungszeiten, dazu kommt der erleichterte Zugang zum Unterhaltungsvorschuss, dazu kommt die Novelle des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes. Meine sehr geehrten Damen und Herren, erst in der letzten Sitzung haben wir gemeinsam die Än­de­rung des COVID 19-Gesetzes-Armut beschlossen, und auch damit haben wir neuer­liche Zuwendungen für Kinder in Sozialhilfe- und Mindestsicherungshaushalten beschlossen.

Sie kennen all diese Maßnahmen, Sie haben dieses Maßnahmenbündel zum Teil mit­beschlossen, und Sie wissen genauso gut wie wir, wie vielen Menschen in Österreich wir damit ganz zielgerichtet helfen konnten.

Wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie jetzt da und dort fordern, dass Budgetmittel aufgestockt werden, dann verstehe ich wirklich nicht, warum aus­gerechnet in der Stadt Wien das Frauenbudget im heurigen Jahr gekürzt wurde. (He-Rufe bei der ÖVP.) Es wurde gekürzt, und zwar um 500 000 Euro. Kollege Schennach wollte vorher absolute Zahlen: 500 000 Euro, die allein in Wien weniger zur Verfügung stehen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Bereich der Kinder- und Jugend­psych­iatrie möchte ich auch noch gerne ansprechen, der ist uns allen ein Anliegen. Es ist nicht erst in dieser Krise identifiziert worden, dass das ein Mangelbereich und ein Mangelberuf ist. Sie wissen aber genauso gut wie wir, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie eine unglaublich komplexe und mehrjährige Ausbildung erfordert und dass jede Maßnahme, die wir setzen, nur mittelfristig umgesetzt werden kann. Auch da habe ich eine Frage an Sie: Ich verstehe nicht, warum es im Burgenland nach wie vor kein Bett und keinen Arzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt und warum Niederösterreich nach wie vor einen Teil der Versorgung des Burgenlands mitübernehmen muss. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Sie haben keine Ahnung! Das macht Wien, nicht Nieder­österreich!) – Meine Kollegin, es machen die Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Hinterbrühl und die Tagesklinik im Landesklinikum Wiener Neustadt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe ein bisschen den Eindruck, dass wir in der politischen Debatte auf den letzten Metern der Pandemiebekämpfung ein bisschen den Fokus darauf verloren haben, wer eigentlich unser Gegner in dieser Pandemie ist. Den Gegner brauchen wir nicht auf der Regierungsbank, nicht in der Opposition, nicht auf einem Abgeordnetenplatz zu suchen, den müssen wir nicht links, rechts oder in der Mitte suchen, sondern der Gegner ist ein heimtückisches Virus. Dieses Virus können wir nur gemeinsam besiegen! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrätin Schumann: Ja, natürlich!)

Die Menschen in Österreich erwarten von uns zu Recht, dass wir ihnen das Leben erleichtern, dass wir sie bestmöglich durch diese Krise führen. Verstehen wir das doch alle gemeinsam als Auftrag, abseits von unterschiedlichen Meinungen und Ansichten! Verlieren wir doch den Fokus nicht aus den Augen und schauen wir, dass wir bestmöglich aus dieser Pandemie kommen, dass wir gemeinsam das Virus besiegen und dass wir uns umso mehr auch auf die Rückkehr in die Normalität, in unseren ge­wohnten Alltag freuen können! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.08


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Susanne Raab. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


17.09.01

Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzler­amt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr


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Bundeskanzler! Werte Damen und Herren Bundesräte! Werte Zuseherinnen und Zu­seher! Lassen Sie mich einfach aus gegebenem Anlass ausdrücken, dass mich, uns der Doppelmord an zwei Frauen heute Nacht zutiefst erschüttert und schockiert. Die Hinter­gründe werden jetzt gerade durch die Polizei geklärt, aber eines ist ganz klar, nämlich dass wir alles, was in unserer Macht steht, tun müssen und werden, damit Frauen und ihre Kinder in Österreich sicher sind.

Diese Morde sind nur die Spitze des Eisbergs, da geht es um ganz viel Gewalt, die vorgelagert ist. Wir müssen einfach besser in der Prävention werden, und dement­sprechend haben wir das als Bundesregierung auch nicht erst jetzt als unsere oberste Priorität gesetzt, sondern bereits seit Beginn der Legislaturperiode. Wir haben daher bereits im letzten Jahr das Frauenbudget um 43 Prozent erhöht. Wir haben bereits im November letzten Jahres einen Gewaltschutzgipfel zu diesen Themen der Vernetzung und der Frage, wie wir besser werden können, abgehalten. Die Justizministerin, der Innenminister und ich haben diese Woche einen Sicherheitsgipfel abgehalten, nächste Woche geht es mit den Opferschutzeinrichtungen weiter.

Natürlich sind auch bereits jetzt konkrete Maßnahmen beschlossen worden, die wir gemeinsam mit den Expertinnen und Experten erarbeitet haben. Der Innenminister wird jede Polizeiinspektion mit einer Präventionsbeamtin, einem Präventionsbeamten auf­stocken. Wir werden mehr Fallkonferenzen in den einzelnen Bundesländern einrichten, damit die Schnittstelle zwischen Polizei und Einrichtungen wirklich gut funktioniert. Es wird eine große Informationskampagne geben, weil wir in der Hilfe nur so gut sind, wie wir auch die Frauen erreichen. Es ist ja wichtig, dass die Frauen sich auch an uns wenden, dass sie eine Opferschutzeinrichtung aufsuchen, den Mut fassen, das zu tun, damit sozusagen das Radl erst ins Werken kommt und wir als Politik, die Behörden auch tätig werden können.

Ja, es wird mehr Geld geben, auch für den Gewaltschutz, für den Opferschutz. Eines ist mir aber auch ganz wichtig zu sagen: Das Geld alleine wird nicht reichen, es braucht inhaltliche Maßnahmen, es braucht aber auch die volle Härte des Gesetzes, wenn Männer ihre Frauen und Kinder schlagen. Wenn es Gewalt gibt, muss das Gesetz mit der vollen Härte zurückschlagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Thema der heutigen Sitzung möchte ich natürlich eingangs betonen – das wissen wir alle –, dass die Coronakrise eine sehr, sehr harte Zeit für die Familien war und die Familien Unglaubliches geleistet haben. Ich möchte aber auch einmal mit etwas Po­sitivem beginnen, es hat sich nämlich auch die Stärke der Familien in unserem Land gezeigt. Wenngleich ich als Familienministerin vielfach gesehen habe, wie schwierig die Situation für die Familien ist, habe ich auch gesehen, wie stark die Familien in dieser Zeit zusammengehalten haben, wie stark auch die Jugendlichen waren, indem sie die Älteren geschützt haben. All das muss man auch betonen, den Familien den Dank aussprechen, den Jugendlichen den Dank aussprechen, die da Unglaubliches geleistet haben, immer in dem Bewusstsein, dass vielleicht eine Coronaerkrankung für sie selbst nicht so dramatisch ist, sie haben aber immer in dem Gedanken, dass sie damit auch die Eltern und die Großeltern schützen, Unglaubliches geschultert und geleistet. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben als Bundesregierung alles versucht, um einfach diese schwierigen Situ­atio­nen für die Familien abzufedern, natürlich mit allen Leistungen, die abseits der klas­sischen Familienleistungen ergangen sind, wie die Kurzarbeit, die wirtschaftlichen Unter­stützungen, die Sonderzahlungen für die Kinder jener Eltern, die Mindestsicherung beziehen, Arbeitslosengeld, Einmalunterstützungen et cetera.


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Wir haben aber auch im Familienbereich wirklich viel auf die Beine gestellt. Als zentrales Instrument haben wir den Coronafamilienhärtefonds geschaffen, mittlerweile mit 200 Mil­lionen Euro dotiert; wir haben ihn ja jetzt noch einmal bis Ende Juni verlängert. Bisher wurden rund 130 Millionen Euro an rund 100 000 Antragstellerinnen und Antragsteller ausbezahlt. Ich will, dass so viele Familien wie möglich von diesem Instrument pro­fitieren, und ich kann Ihnen aufgrund der Antragszahlen sagen, dass es laufend weitere Familien gibt, die auf Basis der jetzigen Richtlinien diesbezügliche Anträge stellen. Mein Ziel ist es einfach, mit diesem zentralen Instrument so viele Familien wie möglich in Österreich zu unterstützen. Durchschnittlich werden rund 1 300 Euro pro Familie aus­bezahlt, und man kann bis zu 3 600 Euro aus diesem Familienhärtefonds bekommen.

Eines möchte ich auch als Frauenministerin sagen: Ein Drittel aller Anträge stammt von Alleinerzieherinnen. Das ist auch ein zentrales Instrument, um besonders allein­erzie­hende Mamas in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen.

Vor wenigen Wochen durften wir zum Zweiten auch die Sonderfamilienbeihilfe ein­rich­ten. Das bedeutet, dass jede Familie, die im letzten Jahr regulär ein Monat Familien­beihilfe bezogen hat, diese Familienbeihilfe für das gesamte Coronajahr, wenn ich so sagen darf, also von März des letzten bis Februar dieses Jahres beziehen kann. Das ist vor allem für Familien mit jugendlichen Kindern eine große Unterstützung. Das betrifft jene Familien, die die Familienbeihilfe verloren haben, weil der Bub zum Wehrdienst gegangen ist oder weil er zum Zivildienst gegangen ist oder auch weil junge Menschen die Matura gemacht haben und dann aufgrund der Coronaepidemie keinen Job gefun­den haben. 80 000 Kinder profitieren davon mit einem prognostizierten Budgetvolumen von rund 100 Millionen Euro.

Neben den finanziellen Maßnahmen ist es für uns als Bundesregierung immer das Wichtigste, dass wir, wenn wir Öffnungsschritte setzen können, wenn es die Pandemie und die epidemiologische Lage zulassen, dann natürlich stark auf die Schulen setzen und Präsenzunterricht möglich machen. Es ist mir auch besonders wichtig, dass Schulen und Kindergärten in dieser Krise immer geöffnet sind, auch wenn kein Präsenzunterricht stattfindet. Die Betreuungsmöglichkeit war zu jedem Zeitpunkt gesichert.

Wir haben auch gesehen, dass das Instrument der Sonderbetreuungszeit ein ganz wichtiges für die AlleinerzieherInnen ist, damit sie nicht in eine schwierige Situation kommen. Wenn die Schule aufgrund der Coronapandemie geschlossen ist, also Fälle in der Schule sind, in der Klasse direkt Fälle sind, das Kind in Quarantäne muss: Wie soll man denn das Kind zu Hause betreuen und gleichzeitig arbeiten gehen? Daher gab es den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuung, der besonders die AlleinerzieherInnen unter­stützt hat.

Im September 2020 haben wir den Kinderbonus für die Familien ausbezahlt, 360 Euro für jedes Kind. Das ist wirklich eine enorme finanzielle Unterstützung mit einem hohen Budgetvolumen. Der Justizministerin und mir war es auch immer wichtig, dass wir auch Unterhaltsvorschüsse leichter möglich machen, damit der Staat, wenn der Unterhalt als wichtiger Betrag im Familieneinkommen für AlleinerzieherInnen nicht zur Verfügung gestellt wird, schneller einspringen kann.

Wir werden jetzt in den letzten Monaten alles tun, damit wir die Kinder und Jugendlichen auch weiter unterstützen. Der Bundeskanzler hat die Sommerschule bereits ange­sprochen: Es ist wichtig, dass die Kinder da auch Förderung erhalten. Wir werden auch Elternkurse für die Eltern der Kinder anschließen, damit man mit diesen auch über Bildungschancen der Schüler spricht. Das sind ja primär auch Eltern mit Kindern, die einen Deutsch­förderbedarf haben. Es ist mir als Integrationsministerin auch wichtig, dass wir hier einhaken und unterstützen.


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Wir werden die Kinder und Jugendlichen weiter unterstützen. Frau Abgeordnete Gruber-Pruner, Sie haben natürlich zu Recht gesagt, es ist eine schwierige Situation für die Kinder und Jugendlichen, weil sie keinen geregelten Alltag haben und weil es natürlich eine psychische Belastung ist – da braucht man nur an seine eigene Jugend zu denken –, wenn man seine Kolleginnen und Kollegen nicht treffen kann.

Außerschulische Jugendarbeit war zu jedem Zeitpunkt one to one möglich, um die psychische Belastung von den Kindern abzuwenden. Wir haben dann recht rasch den Jugendsport geöffnet und die außerschulische Jugendarbeit bis zehn Jugendliche wie­der möglich gemacht.

Ich darf außerdem noch darauf hinweisen, dass wir Ministerinnen und Minister auch eine Taskforce für die Jugendbeschäftigung gebildet haben. Das ist etwas, was uns wichtig ist, denn es geht ja auch darum, dass die Kinder und Jugendlichen jetzt Jobperspektiven haben, dass sie einen Job finden, der ihnen Spaß macht, dass sie nach so einem schwierigen Coronajahr einfach Anschluss finden.

Lassen Sie mich einfach noch einmal mit dem Dank an die Familien und an die jungen Menschen abschließen, auch für das, was sie alles geschultert haben, dafür, dass wir gemeinsam durch diese Krise den weiten Weg bis hierher gegangen sind, und einfach auch mit einem positiven Blick in die Zukunft, auf dass wir in den nächsten Monaten wieder ein Stück weit von unserem Leben zurückbekommen können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.18


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses.


17.18.36

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, ich verstehe schon, dass diese Anfrage von den Sozialdemokraten an Sie gerichtet ist. Schließlich und endlich stehen Sie an der Spitze des Landes, dieser Regierung, bei Ihnen laufen alle Fäden zusammen. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Wie die Marionetten werden die Regierungsmitglieder herumgejagt. Sie sind derjenige, der die Linie vorgibt. Das Thema ist ressortübergreifend, und darum sind auch Sie für uns der Haupt­verant­wort­liche für die momentane Murkspolitik, egal in welchem Ministerium herumgewurschtelt wird. Momentan hat man das Gefühl, dass außer Versprechungen und Ankündigungen, außer leeren Worthülsen nicht viel kommt. Das Thema dieser Anfrage, Familie, trifft es ja genau: wie die Familien, die Kinder in über einem Jahr Coronapandemie belastet worden sind.

Was mir jetzt ganz, ganz erschreckend und frisch in Erinnerung ist, worauf ich bei diesem Thema hauptsächlich eingehen möchte, ist das Frauenthema. Von den schrecklichen Ereignissen der vergangenen Tage, der vergangenen Monate hätte vielleicht das eine oder andere vermieden werden können, wenn man früher reagiert hätte. Wir mussten heute Nacht Frauenmord zehn und Frauenmord elf erleben, Morde, die, wie ich gesagt habe, vielleicht hätten vermieden werden können. Österreich ist mit 11 Frauenmorden trauriger Spitzenreiter in Europa, aber alle Anträge, die die Opposition seit Beginn der Pandemie eingebracht hat, damit Verbesserungen der Situation der Frauen umgesetzt werden, wurden vertagt oder abgelehnt.

Wir Freiheitliche sind nicht mehr bereit dazu, zuzuschauen, wie die Regierung immer nur redet und nicht handelt. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.) Konkrete Schritte und Maßnahmen braucht unser Land und nicht immer nur Reden. Diese Ankündigungspolitik


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ist unerträglich geworden, die kennen wir zur Genüge. Wenn man das Problem nicht erkennt oder nicht erkennen will, dann ist es halt schwierig, dass man Lösungen findet.

Dass man dann immer wieder alte Ankündigungen aufwärmt, haben wir ja auch jetzt nach einem traurigen Anlassfall gesehen: Minister Mückstein und Frau Maurer wollen eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen haben. – Ja, das haben wir schon 2020 im Zuge des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen gehabt, aber da ist dann nichts mehr weiter geschehen, da hat es halt dann eine Kampagne gegeben, und dann war nichts mehr. Zadić und Raab kündigen einen runden Tisch an. Den hat es aber auch schon im November 2020 gegeben, und seither ist wieder nichts geschehen.

So kann man Probleme nicht lösen: wenn man nur Ankündigungen von einem Jahr ins andere mitnimmt. Was letztes Jahr schon angekündigt wurde, wird dieses Jahr einfach wieder angekündigt. Wir brauchen klare Lösungen, und wir brauchen Handlungen.

Bereits unter Innenminister Herbert Kickl hat es Handlungen und Lösungen gegeben. Er war es, der eine Screeninggruppe im BKA eingerichtet hat, um Muster zu erkennen, wenn Gefährdungen entstehen, aber anscheinend ist diese ganze Geschichte unter Minister Nehammer eingeschlafen. Nach dem elften Frauenmord im heurigen Jahr fehlt es im Gewaltschutz weiterhin an durchdachtem Konzept und wirksamen Maßnahmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf nur daran erinnern, dass die türkis-blaue Regierung bereits 2018 die Taskforce Strafrecht eingerichtet hat. Da hat sich dann Frau Edtstadler noch hingestellt, hat groß­artig präsentiert und groß angekündigt. Es ist auch am 13. Februar 2019 ein 20-seitiges Papier präsentiert worden, aber angekündigt – ich habe jetzt nachrecherchiert – ist das 2019 worden, 2020 ist angekündigt worden und jetzt, 2021, wieder.

Was ist denn daraus geworden? Was ist denn besser geworden, bitte? In dem Papier stehen zwei verschiedene Arten von Maßnahmen: solche, die durch Gesetzesänderung umgesetzt werden könnten, und solche, die einfach auf kurzem Weg im Ministerium gemacht werden könnten, die übrigens den größten Teil ausmachen. Jetzt frage ich Sie schon, Herr Kanzler: Hat Frau Edtstadler diese Ankündigung umgesetzt? Falls nicht, warum nicht?

Es zieht sich aber – ich habe es bereits gesagt: eine Querschnittsmaterie – durch fast alle Ministerien durch, dass zwar Frauenthemen und Präventionsmöglichkeiten da wä­ren, aber nichts umgesetzt wird.

Justizministerium: Da wurde zugesagt, die Exekutionsordnung dahin gehend zu refor­mieren, dass einstweilige Verfügungen auch nach einem Wohnsitzwechsel noch gelten. Da geht es um jene einstweiligen Verfügungen, die nach einem ausgesprochenen Betre­tungs­verbot verhängt wurden. Es geht auch um Verfahren nach dem Unterbringungs­gesetz, bei denen es um psychisch kranke Menschen oder Menschen mit Anzeichen von Selbst- oder Fremdgefährdung geht, darum, dass man dann auch andere Stellen, Behörden informiert, wie zum Beispiel Waffen- oder Führerscheinbehörden. Herr Kanz­ler, wurden diese angekündigten Maßnahmen, welche Ministerin Zadić vor mehr als zwei Jahren präsentiert hat, umgesetzt? Falls nicht, warum nicht?

Wir kommen zum Bildungsministerium. Angekündigt wurde ein verbesserter Aufklä­rungs­unterricht, der insbesondere darauf Wert legt, dass Jugendliche erkennen, was denn genau unter Freiwilligkeit beim Geschlechtsverkehr zu verstehen ist, weil es offenbar in manchen Milieus, sage ich jetzt einmal, sehr weite Interpretationen dieses Begriffs gibt. Versprochen wurde auch ein Leitfaden zum Umgang mit Cybermobbing, kinderpornographischen Darstellungen, Gewaltvideos an Schulen. Wissen Sie, Herr Kanzler, ob diese versprochenen Maßnahmen von Minister Faßmann umgesetzt wur­den? Falls nein, warum nicht? (Beifall bei der FPÖ.)


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Weiter zu Ihnen ins Bundeskanzleramt und zu den dort ansässigen Ministerien: Die Frauenministerin hat angekündigt, dass besonders gefährdeten Frauen der Wechsel in ein Frauenhaus in einem anderen Bundesland ermöglicht wird. Das wäre ja eine besonders wichtige Maßnahme. Was mich an dieser Geschichte aber ärgert, ist, dass die ganze ÖVP österreichweit anscheinend die Augen zumacht, wenn in Salzburg mit ÖVP-Regierungsbeteiligung die Strukturen des Salzburger Frauenhauses komplett zerstört werden. Es wurden alle Mitarbeiter gekündigt – wir haben eine NEOS-Lan­desrätin –, also das ist das Übelste. Die ganze Struktur der Frauenhäuser wurde zerstört, alle Mitarbeiter wurden gekündigt. Leidtragend sind die Hilfe suchenden Frauen. (Beifall bei der FPÖ.) Ich empfinde es als Armutszeugnis, dass man da redet, dass man zuschaut. Wo sollen denn die Frauen hingehen, bitte? Das ist alles zerstört worden.

Versprochen worden ist auch ein dreistelliger Opfernotruf. Ein weiteres Versprechen betrifft flächendeckende Fachberatungsstellen bei sexueller Gewalt, damit es wenigstens das in allen Bundesländern flächendeckend gibt. Da hat es ja letztlich noch Mängel in Niederösterreich, im Burgenland, in Kärnten und Vorarlberg gegeben. Ebenfalls ganz wichtig sind die Übergangswohnungen.

Jetzt frage ich Sie, Herr Bundeskanzler: Wurden diese Schritte von Ihnen und von Ministerin Raab umgesetzt? Falls nicht, warum nicht?

Innenministerium: Da wurde die Ausweitung des Betretungsverbots auf ein Annähe­rungsverbot ja bereits von Minister Kickl – der hat ja Gott sei Dank immer Nägel mit Köpfen gemacht – umgesetzt und dann auch abgestimmt. Was noch offen ist, was mo­mentan aber versprochen wird: die Etablierung der sogenannten dritten Gewaltschutz­säule, die beinhaltet, dass es bundesweit Gewaltschutzzentren gibt.

Offen sind auch: in Zusammenarbeit mit den Gewaltschutzzentren verbesserte Gefähr­dungseinschätzung und Sicherheitsplanung sowie verbindliche Fallkonferenzen mit allen zuständigen Organisationen.

Herr Kanzler, haben Sie geschaut, ob Minister Nehammer diese Versprechen und die weiteren Versprechen, die im Zuge der Taskforce Strafrecht gemacht wurden, umgesetzt hat? Falls nicht, warum ist das nicht umgesetzt worden? (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wir kommen zum Außenministerium. Da wurde ein spezielles Beratungsangebot zum Themenkreis Gewalt im Namen der Ehre versprochen. Es geht dabei etwa um Ehren­mord oder Zwangsheirat. Das Außenministerium wollte ja gemeinsam mit einschlägigen Organisationen in der operativen Arbeit einen stärkeren Fokus auf die Gewaltprävention bei Männern und Jugendlichen legen, für die das zur Natur gehört, weil Gewalt im Namen der Ehre ja oft ein Symbol für Männlichkeit ist. Das steht so in dem Taskforce­papier. Herr Kanzler, hat Herr Minister Schallenberg das umgesetzt? Was ist damit ge­schehen? Falls nicht, warum nicht?

Sie sehen, Herr Kanzler, Sie hätten jede Menge Arbeit. Eigentlich sollte diese Arbeit schon lange erledigt sein, weil es von Ihrer Seite seit über zweieinhalb, drei Jahren, versprochen wird.

Gewalt an Frauen gibt es ja nicht erst seit diesen elf Morden im heurigen Jahr. Wir hätten da vielleicht etwas verhindern können, und es ärgert mich so, dass da nichts weiter­gegangen ist. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wie ich eingangs erwähnt habe, sind Sie dafür verantwortlich, dass alle Ministerien reibungslos funktionieren. Es wäre wesentlich gescheiter, Ihre Energie dafür einzu­setzen, die angekündigten Versprechungen umzusetzen.


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Es darf in diesem Land keine Frau mehr Gewalt oder gar einem Mord ausgesetzt wer­den, nur weil wir eine Regierung haben, die schläft beziehungsweise alles verschläft. Das darf es nicht mehr geben. All die Krokodilstränen, die dann vergossen werden, wenn wirklich ein Unglück passiert, könnt ihr euch bitte bei diesen Vorfällen sparen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu glauben, dass man irgendwann unverletzlich wird, wenn man nach einer Verletzung ein Pflaster aufklebt, reicht in der Debatte rund um Gewalt an Frauen einfach nicht. Das dient höchstens der Symptomlinderung, aber keinesfalls der Ursachenbekämpfung.

Seit Beginn der Coronapandemie warnen wir Freiheitliche davor, dass es durch all die Lockdowns, durch das Einsperren der Menschen zu Spannungen in den Familien kommen wird. Zahlreiche Studien belegen ja mittlerweile schon, dass die Gewalt in den Familien dramatisch zugenommen hat, weil die aktuelle Lebensrealität die Familien einfach unheimlich belastet: Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Geldsorgen.

Die Leidtragenden sind die Kinder, die Jugendlichen. Die trifft es besonders hart. Kinder müssen nämlich die Spannungen, die Streitereien der Eltern miterleben. Sie sind oftmals selbst Opfer von Gewalt, und einige dieser Kinder wurden in den letzten Wochen und Monaten zu Waisen oder Halbwaisen gemacht. Die Kinderpsychiatrien sind übervoll, und es müssen Triagen gemacht werden.

Die völlig überzogenen Coronamaßnahmen dieser schwarz-grünen Regierung haben das Aufstauen und das Aufbauen von Aggressionen verstärkt und dazu beigetragen, dass den Menschen die Decke auf den Kopf fällt und dass sie nicht mehr können. Die Menschen haben die Nase gestrichen voll von Ihren Maßnahmen und von Ihren Experimenten. Die Menschen wollen endlich wieder frei leben, ohne Zwang, ohne Druck, ohne Drohungen oder Bestrafungen durch diese schwarz-grüne Bundesregierung. Was uns ganz wichtig ist: Geben Sie den Kindern ihr Lachen wieder zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

17.31


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Ich darf bei uns im Plenum unsere Frau Bundesminister Margarete Schramböck begrüßen. – Herzlich willkommen!

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.


17.31.42

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Gewaltschutz für Frauen und Kinder ist wichtig, gerade jetzt, aber nicht nur jetzt, sondern immer – leider.

Ich finde es auch schade, dass nicht alle betroffenen Ministerinnen und Minister da sind. Weil unsere Justizministerin nicht da ist, möchte ich sie kurz zu Wort kommen lassen. Ich möchte ihr für ihren Einsatz für den Schutz von Frauen vor häuslicher und sexueller Gewalt danken, denn sie erweiterte – und dazu kommen wir heute noch – die Rechte der Opferschutzeinrichtungen hinsichtlich stellvertretender Einbringung von einstweili­gen Verfügungen für die von Gewalt betroffenen Frauen, sie erleichterte die Vorgehens­weise gegen Hass im Netz immens, sie fokussiert auf die Sensibilisierung und Schulung von BeamtInnen, RichterInnen, StaatsanwältInnen, die im Bereich des Sexualstrafrechts tätig sind. Das alles sind wichtige und langjährige Forderungen, die jetzt umgesetzt werden. Ich bin auch froh, dass die Kampagne für die vorhandenen Hilfsangebote zum Gewaltschutz von Frauen verstärkt wird.

Ein weiterer wichtiger Schritt, der gerade gesetzt wurde, ist die Wiedererweckung der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen. Ich finde es eigentlich recht perfide, dass jetzt


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von den Blauen gefordert wird, dass sie wiederkommen – Sie waren es, die sie abge­schafft haben. Dass diese Fallkonferenzen noch zusätzlich von den Opferschutz­einrichtungen einberufen werden können, ist sehr begrüßenswert. Es handelt sich bei den Fallkonferenzen um die Zusammenarbeit verschiedener bei Gewalt an Frauen invol­vierter Stellen: Polizei, Opferschutzeinrichtungen, Gewaltschutzeinrichtungen und andere. Dort werden alle gesammelten Informationen über den Fall zusammengebracht, und es wird eine realitätsnahe Risikoeinschätzung abgegeben sowie die weitere Vorgehens­weise ausgearbeitet.

In fast allen Fällen – und das ist so wichtig – handelt es sich um keinen den Behörden unbekannten Täter. Oft ist es nicht die Polizei, die zuerst oder die überhaupt angerufen wird – der Innenminister hat es gesagt; er hat noch von neun Morden gesprochen, leider sind es jetzt elf –, es ist nicht die Polizei, die vorher kontaktiert worden ist, und das liegt nicht an fehlender Kenntnis der Notrufnummer 133. Vielmehr muss die Polizei dafür bekannt werden, dass sie sich, genauso wie die Frauenschutzeinrichtungen, sensibel um die von Gewalt betroffenen Frauen kümmert. Vielleicht hat sich das noch nicht herumgesprochen.

Daher ist es wichtig, dass die Zahl der für Sexual- und Gewaltdelikte an Frauen zustän­digen Beamtinnen nun um 60 Prozent aufgestockt wird. Das ist ein guter Schritt, denn es ist essenziell, dass die Polizeibeamtinnen da sensibel vorgehen, dass die Frauen schonend vernommen werden, dass die betroffenen Opfer von Sexual­straf­taten – und das ist ein weiterer wichtiger Punkt – darüber aufgeklärt werden, eine Vertrauensperson zur Einvernahme hinzuziehen zu können, und dass ihnen schon ab der Anzeige eine kostenlose psychosoziale und juristische Beratung zur Verfügung steht.

In der Verantwortung der Polizei liegt es aber auch, ausreichend Beweise für das Straf­verfahren zu sammeln. Das ist wichtig, denn sonst steht oft die Aussage des Täters gegen die Aussage des Opfers, und das Verfahren wird mangels Beweisen eingestellt, obwohl es NachbarInnen, ÄrztInnen, LehrerInnen, FreundInnen gäbe, die hätten befragt werden können.

Wieder ist eine Zusammenarbeit der Polizei mit den Opferschutzeinrichtungen wichtig, nämlich dann, wenn von der Polizei Wegweisungen, Betretungs-, Annäherungs- und Kontakt­aufnahmeverbote angeordnet werden. Dann müssen die Frauenschutz­einrich­tungen umgehend von der Polizei davon informiert werden, damit diese proaktiv auf die Betroffenen zugehen können, denn die Frauenschutzeinrichtungen können mit den Betroffenen in Ruhe und in geschütztem Rahmen überlegen, wie sie am besten weiter vorgehen. In einer solchen aufwühlenden Situation, in der die Frau aufgeregt, ge­schwächt und unsicher über Dinge sprechen muss, die extrem intim sind, werden Fehler gemacht, wird abgeschwächt, wird heruntergespielt.

Die Zeit der Wegweisung lässt durchatmen, um zu sich zu kommen, auch psychisch Abstand zu bekommen, um sich aus einer Gewaltbeziehung befreien zu können. In dieser Zeit können auch die Fallkonferenzen sowie weitere einstweilige Verfügungen eine wichtige Arbeit leisten. Die Vernetzung und die Zusammenarbeit zwischen den Opferschutzeinrichtungen und der Exekutive in den Fallkonferenzen sind unabdingbar, genauso aber zwischen den Ministerien, wo sie auch – heute hier gerade leider nicht, aber sonst – stattfinden.

Weil eben die Frauenschutzeinrichtungen so eine wichtige sachverständige und fürsorg­liche Rolle spielen, brauchen sie auch ausreichend Ressourcen, ja. Dank des gemein­samen Einsatzes und des politischen Drucks aller Fraueninitiativen haben auch Sie, Herr Bundeskanzler, zugestimmt. – Er ist nicht da. Schade! „Am Geld wird es nicht scheitern“, sagte er. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)


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Vergessen wir nicht: Das Frauenbudget wurde unter der jetzigen Regierung erstmals signifikant erhöht, und alle zuvor erwähnten Maßnahmen – und das ist ein wichtiger Punkt – kosten auch Geld. Alle Maßnahmen der verschiedensten Ministerien kosten Geld und werden finanziert, weit mehr als in den Zeiten, als die SPÖ in der Regierung war, als das Frauenbudget stagnierte und unter Schwarz-Blau sogar die Budgets gekürzt wurden.

Ja, es braucht jetzt mehr Ressourcen. Was in den letzten zehn Jahren verabsäumt wurde, kann in 16 Monaten nicht aufgeholt werden. Wir Grünen haben die Forderungen der Opferschutzeinrichtungen immer unterstützt, und wir unterstützen sie heute.

Weil wir hier eine Länderkammer sind: Auch die SPÖ-bestimmte Regierung in Wien kommt mit einem gekürzten Frauenbudget nicht so gut weg. (Zwischenruf der Bundes­rätin Schumann.) In Graz hingegen wurden die Förderverträge für die Opferschutzein­richtungen nun von jedes Jahr mühsam einzubringenden Förderansuchen durch grüne Initiative auf mehrjährige Förderungen ausgedehnt. Im oberen Tirolerland wurde auf­grund grüner Initiative endlich ein Frauenhaus gegründet.

Handeln wir alle! Wir sind jetzt alle betroffen und gefordert.

Und ja: Gewalt an Frauen hat durch die Pandemie und ihre Folgen aufgrund der angespannten häuslichen Situation in den Familien, durch die Enge der Wohnungen und die prekären Einkommensverhältnisse zugenommen. Ich glaube aber nicht, dass Gewalt an Frauen außerhalb der Pandemie grundsätzlich zugenommen hat. Sie wird aber jedenfalls öffentlicher: Es wird mehr angezeigt, es wird mehr darüber geredet, es wird gehandelt, auch von den Frauen durch Inanspruchnahme der Maßnahmen.

So wichtig und unerlässlich der Gewaltschutz ist: Er ist eine Symptombekämpfung. Die Wurzel liegt in den Gewalt befördernden Männerbildern und den unwerten Frauen­bildern. Eigentlich ist es mir ein Gräuel, immer wieder von den Opfern und über die Opfer reden zu müssen, denn eigentlich geht es um Männer, die Gewalt an Frauen ausüben, die Morde an Frauen begehen, die Frauen sexuell missbrauchen oder öffentlich sexuell anpöbeln. Es geht um die Täter, und es geht um ein toxisches Männerbild und ein Frauen betreffendes Besitzdenken sowie ein abwertendes Frauenbild.

Der Sozial- und Gesundheitsminister betonte heute die Männerarbeit. Ja, wir brauchen eine gesellschaftliche Grundhaltung, die Gewalt gegen Frauen, vor allem sexuelle Ge­walt, aber auch Hass im Netz, Obszönitäten, Stalking, sexuelle Anpöbelungen weder verharmlost noch toleriert. Es braucht endlich eine Veränderung der Rollenbilder schon in der Frühpädagogik. Es braucht aber auch das Erlernen von Zivilcourage in allen pädagogischen Einrichtungen, und es braucht Gewaltvermeidungstrainings schon ab der Elementarpädagogik in allen Schulstufen im Curriculum.

Es braucht Präventionsarbeit, um Gewalt zu vermeiden. Es braucht Täterarbeit, um wiederholte Gewalt zu vermeiden. Da ist die in den letzten Jahren immer weiter ausge­baute Arbeit von Neustart positiv hervorzuheben. Der Verein betreut derzeit mehr als 1 000 Männer. Neustart macht opferschutzorientierte Täterarbeit, bringt Täter dazu, sich mit ihrer Tat, der Gewalt und der zugrunde liegenden Haltung auseinanderzusetzen. Darum geht es, und es ist wichtig, dass der Sozialminister die bereits bestehenden Ange­bote noch weiter ausbauen wird.

Es braucht aber auch eine Aufwertung und bessere Bezahlung der typischerweise von Frauen ausgeübten Tätigkeiten. Es braucht Männer im Haushalt und in der Sorgearbeit. Es braucht Frauen in gut bezahlten Berufen und in Führungspositionen und, und, und. Wir könnten den ganzen Tag darüber reden, was es alles braucht, um die verzerrte Wertigkeit von Frauen und Männern zu entzerren.


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Da anzusetzen sind alle Ministerien gefordert – von selbst tut sich da wenig –, diese Schieflage in der Wertigkeit von Frauen und Männern wird sich sonst in letzter Konsequenz immer wieder in Mord und Gewalt manifestieren. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.40


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


17.41.00

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Familien gehören zu den am stärks­ten betroffenen Gruppen in dieser Krise. Sie müssen jeden Tag den Balanceakt zwi­schen Distancelearning, dem sogenannten Homeoffice, Erziehung und Haushalt schaf­fen. Das Leben im sogenannten Lockdown wird für viele Familien zur Belastungsprobe. Die Konflikte nehmen zu, die Zahl der Fälle von Gewalt in Familien steigt.

Gewalt an Kindern beispielsweise hat während der Coronakrise um 49 Prozent zuge­nommen. Die Umstände zeigen, dass in vielen Fällen die Perspektiven und Hoffnungen ausbleiben. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Druck in den Familien weiterhin zunehmen wird, mit der Folge, dass, wenn der Druck steigt, auch Konflikte mehr werden und das auch wieder vermehrt zu Trennungen, zu Scheidungen, auch zu gewalttätigen Situationen führt.

Eine wichtige Rolle im Kampf dagegen spielen die Familienberatungsstellen. Schon vor der Coronapandemie leistete die Familienberatung mit ihren rund 400 Familien­be­ratungs­stellen einen unverzichtbaren und unermesslich wertvollen Beitrag für die psycho­soziale Gesundheitsversorgung von Familien in Österreich. In Zeiten der Corona­pan­demie steht die Familienberatung vor außergewöhnlichen Herausforderungen und leistet einen wichtigen systemrelevanten Beitrag.

Mit der Dauer der Pandemie und den behördlichen Maßnahmen sowie den ein­schnei­denden Veränderungen schwinden die persönlichen Ressourcen zunehmend, und viele Menschen beziehungsweise Familien stoßen an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit. Die Familienberatung in diesen Zeiten nicht ausreichend zu fördern ist daher verant­wortungslos, denn bereits vor der Krise mangelte es der Familienberatung an finan­ziellen Mitteln.

Außerdem leiden besonders Kinder und Jugendliche unter den politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie. Laut einer aktuellen Studie der Donau-Univer­sität Krems leiden aktuell 26 Prozent der österreichischen Bevölkerung an depressiven Verstimmungen, 23 Prozent an Angstsymptomen und 18 Prozent an Schlafstörungen. Besonders besorgniserregend sind laut den Autorinnen und Autoren der Studie die Ergebnisse bei jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Da kam es zu einem sprunghaften Anstieg von rund 30 auf 50 Prozent Betroffene.

Expertinnen und Experten schlugen kürzlich auch medial Alarm, dass Essstörungen und psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen sich seit dem Beginn der Corona­krise häufen. Doch eine parlamentarische Anfrage unseres Nationalrats­abgeordneten Gerald Loacker an das Gesundheitsministerium brachte ein ernüchterndes Ergebnis: Es fehlen Hunderte Ärztinnen, Ärzte und Therapieplätze in der Kinder- und Jugend­psychi­atrie. In manchen Bundesländern ist nicht einmal ein Drittel der benötigten Therapie­plätze und Ärzte vorhanden.

In Wien müsste es 180 Betten geben, es sind aber nur 60 vorhanden, und das sind sogar weniger als vor ein paar Jahren. In der ganzen Stadt gibt es nur sieben niedergelassene Ärztinnen/Ärzte mit Kassenvertrag, benötigt werden aber 22.


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In Niederösterreich gibt es 78 Betten, zehn Kassenstellen, benötigt werden aber 164 Bet­ten und 20 Ärztinnen/Ärzte.

Im Burgenland, wie wir auch schon gehört haben, gibt es nicht ein einziges Bett und nicht einen einzigen Arzt, empfohlen werden 29 Betten und vier Ärztinnen/Ärzte.

Wie schon anfangs erwähnt hat die Gewalt während der Coronakrise zugenommen. Doch wie die aktuellen Umstände zeigen, hat Gewalt in der Familie leider viele Facetten.

Österreich hat ein Riesenproblem mit Femiziden. Nirgendwo sonst in Europa passieren verhältnismäßig so viele Frauenmorde wie bei uns. Die Regierungspolitik muss des­wegen mit den Lippenbekenntnissen und medientauglich inszenierten Gipfeltreffen auf­hören und endlich Maßnahmen zum Schutz von Frauen setzen, die über reine Anlass­politik hinausgehen und die wirklich nachhaltig greifen. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Es gibt eindeutig ein Problem mit Männergewalt. Das müssen wir auch klar als solches identifizieren und benennen. Da müssen wir ansetzen, das Problem an der Wurzel packen, nämlich bevor etwas passiert. Die Gewaltprävention muss daher bereits ab dem Kindergarten zum Einsatz kommen. Den respektvollen Umgang miteinander und die Gleichstellung von Mann und Frau müssen schon die Kleinsten verinnerlichen. Wir NEOS fordern daher umfassende Sensibilisierungs- und Präventionsmaßnahmen von Anfang an.

Darüber hinaus muss an besseren Täter- und Risikoprofilen gearbeitet werden, um Maß­nahmen noch konkreter setzen zu können, sowie an verpflichtenden Antigewalttrainings für straffällig gewordene Personen, und es braucht Gewaltambulanzen in allen Bun­desländern, in denen Opfer an einem einzigen Ort schnell, niederschwellig und anonym Zugang zu medizinischer, psychologischer und rechtlicher Unterstützung finden kön­nen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.46


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner. – Bitte.


17.46.32

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wenn man Ihnen von der Opposition so zuhört, bekommt man den Eindruck, dass Politikerbashing und speziell Bashing gegen unseren Bundeskanzler seit einigen Monaten so en vogue ist wie noch nie. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Man bekommt auch den Eindruck, dass es Ihnen darum geht, nach Fehlern zu suchen und, egal welche Maßnahmen getroffen wurden, mit Kritik zu kontern (Zwischenrufe bei der SPÖ), auch bei Maßnahmen, die unseren Familien helfen, bei denen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, nicht mitgestimmt haben, wie beispielsweise beim Familienbonus Plus, der 950 000 Familien mit rund 1,6 Millionen Kindern zugutekommt. (Bundesrätin Hahn: Aber was ist mit den anderen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Schererbauer hat das heute schon sehr sympathisch formuliert: „Ich freu’ mich, wenn es regnet, weil wenn ich mich nicht freu’, regnet es auch!“ – Genau so ist es doch auch in einer Pandemie. Wenn alles, was die Regierung unternimmt, schlecht­gemacht wird, wird sich das Virus davon nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil: Die Bevölkerung wird verunsichert, und wir blockieren uns gegenseitig, statt zu schauen,


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dass wir gemeinsam möglichst schnell aus dieser Krise herauskommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir Politiker sind Kritik gewohnt und halten sie meist auch ganz gut aus. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mutig, vor allem aber fair wäre es jedoch, wenn Sie auch einmal erwähnen würden, dass am Beginn der Coronapandemie und der damit einhergehenden welt­weiten Wirtschaftskrise die Bundesregierung ein Paket geschnürt hat, um Arbeitsplätze zu sichern, Unternehmen und Familien durch die Krise zu bringen. In Summe wurden da 33,5 Milliarden Euro ausbezahlt. Allein da zeigt der Vergleich mit anderen Ländern, dass in Österreich die Hilfen schnell und effizient fließen (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling) und wir da im europäischen Spitzenfeld Vorreiter sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Botschaft von unserem Bundeskanzler Sebastian Kurz war auch immer: Wenn es mehr Geld braucht, wird es dieses auch geben. (Bundesrätin Schumann: Bravo! Bravo! ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das hat sich zum Beispiel auch beim Frauenbudget gezeigt, welches um 43 Prozent angehoben wurde. Das heißt, auch da wurde der Bund aktiv.

Hingegen wurden in Wien unter einer rot-pinken Stadtregierung die budgetären Mittel in diesem Bereich um 500 000 Euro gekürzt (Bundesrätin Schumann: ... 10 Millionen!), ein Rückschritt beim Frauenbudget, der auf das Schärfste abzulehnen ist. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich komme nun zu einem Thema, angesichts dessen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können: zwei weitere brutale Frauenmorde vergangene Nacht, Morde, die uns alle zutiefst erschüttern. Allen Betroffenen möchte ich hier mein aufrichtiges Beileid aussprechen!

Meine geschätzten Damen und Herren, Gewalt an Frauen hat in Österreich nichts zu suchen. Wir verurteilen jeden einzelnen Mord auf das Schärfste! Wir müssen mit allen Mitteln gegen Gewalt an Frauen vorgehen. Ziel muss es sein, dass Frauen in Österreich sicher sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Unser Bundeskanzler hat auf die Kritik, dass es für den Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt mehr Geld braucht, wieder mit einer klaren Zusage für mehr Mittel reagiert. Danke auch an unsere Bundesministerin Susanne Raab, die sich hier jetzt gezielt für wichtige Gewaltschutzmaßnahmen starkmacht – konkrete Schritte wurden ja bereist definiert und werden jetzt auch umgesetzt.

Ich komme jetzt noch zu den Familien: Die Coronapandemie stellt Familien vor außer­gewöhnliche Herausforderungen, und auch da wurde reagiert. Etliche dieser Maßnah­men wurden bereits erwähnt. Ich denke, der Bundesregierung und insbesondere unse­rem Bundeskanzler da Säumnis vorzuwerfen gleicht schon fast einem Hohn (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann) in Anbetracht dessen, was für Familien in der Krise gemacht wurde und was damals unter den damaligen SPÖ-Frauenministerinnen verabsäumt wurde. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Allein in den letzten Jahren hat die Bundesregierung vier wichtige Meilensteine für Familienpolitik umgesetzt. Zum Beispiel ist Österreich – ich komme zum ersten Meilen­stein – im Spitzenfeld bei den finanziellen Familienleistungen. Wir haben es bereits gehört, Österreich liegt bei den finanziellen Familienleistungen unter den top drei in der EU, vor uns liegen nur noch Luxemburg und Estland. Im Speziellen ist das österreichi­sche Kinderbetreuungsgeld im europäischen Vergleich besonders großzügig.

Meilenstein zwei, die Erhöhung der Familienbeihilfe: Aktuell beziehen rund 1,1 Millionen Anspruchsberechtigte für rund 1,8 Millionen Kinder die Familienbeihilfe. Insgesamt wurden in den letzten zehn Jahren 37 Milliarden Euro an Familienbeihilfe ausgezahlt.


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Jährlich werden 3,5 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Das sind Zahlen, die sich tatsächlich sehen lassen können. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meilenstein drei, haben wir schon gehört, ist die Einführung des Familienbonus Plus.

Meilenstein vier: deutlicher Ausbau der Kinderbetreuung. Darin sind 442,5 Millionen Euro an Bundesmitteln geflossen. Die Zahl der betreuten Kinder unter drei Jahren hat sich ver­doppelt, und bei den drei- bis sechsjährigen Kindern wurde das Barcelona-Ziel, das ja eine Betreuungsquote von 90 Prozent definiert, bereits übertroffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin stolz darauf, dass Österreich in der letzten Dekade so viel für Familien erreicht hat und unsere Familien und Kinder sehr ernst nimmt.

Meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen von der Opposition, werden Sie aktiv, übernehmen Sie Verantwortung und helfen Sie mit, dass wir gemeinsam die Pandemie und ihre Folgen bewältigen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.54


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Sandra Gerdenitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.54.17

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Hohes Präsidium! Herr Kanzler! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause! Ja, wir sind aktiv, meine Herrschaften. Sie brauchen sich nur unsere Dringliche Anfrage anzuschauen, da gibt es sehr viele Punkte. Alles, was kursiv geschrieben ist, sind konkrete Lösungsvorschläge. Sie müssen jetzt nur her­gehen und das endlich umsetzen. (Beifall bei der SPÖ.) Also uns mangelnde Aktivität vorzuwerfen, das ist blasphemisch. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Wo fange ich da an? Ich brauche heute, glaube ich, mehr als 20 Minuten, aber schauen wir einmal. Ich habe eine 17-jährige Tochter. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Ist in Ordnung, danke. – Ich habe eine 17-jährige Tochter. Sie ist sehr interessiert an den politischen Vorgängen in Österreich. Ich habe ihr gesagt: Schau heute bitte zu, es geht um ein wichtiges Thema, es geht um die Familien in Österreich!

Wenn meine Tochter morgen im Homeschooling eine Deutschstunde hätte und eine Erörterung zu einem Thema ihrer Wahl schreiben müsste, so bin ich überzeugt, sie würde sich als Thema aussuchen: Der Kanzler fühlt sich in Österreich leider nicht zu­ständig für die Familien. Sie könnte sicher eine drei- oder vierseitige Erörterung dazu schreiben. Wenn ich Journalistin wäre, würde ich wahrscheinlich morgen in einer Tages­zeitung einen Artikel zu genau diesem Thema schreiben. Sie sind der Spitzenpolitiker der Republik Österreich und fühlen sich für so wichtige Themen, die die Familien betreffen, nicht zuständig. Ich hätte mir etwas mehr erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf vielleicht gleich kurz auf meine Vorrednerinnen und Vorredner eingehen. Wer profitiert vom Familienbonus? – Das sind die Familien oder die Verdienerinnen und Verdiener, die sowieso schon eher mehr verdienen, das ist also eher das Mittelfeld. Die soziale Treffsicherheit fehlt da absolut. (Bundesrätin Wolff: Sie dürfen nicht ...!) Wir hatten einen Vorschlag, nach dem die 1 500 Euro jedem Kind in Österreich zugute­gekom­men wären, denn für die Sozialdemokratie ist jedes Kind gleich viel wert (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler), unabhängig vom Ein­kommen der Eltern oder von der Herkunft, denn auch die Herkunft, je nachdem, in welche Familie man hineingeboren wird, entscheidet, ob man armutsgefährdet, arm oder bessergestellt ist.


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Zu Frau Kollegin Zeidler-Beck: Ich habe nicht erst seit gestern eine Ahnung, warum die Kollegin in ihren Reden so agiert, wie sie agiert. (Bundesrat Schennach: Sie will was werden!) – Danke, Stefan! – Der Unterhaltsvorschuss ist so eine Sache. Wir werden heute einen Antrag zur Unterhaltsgarantie einbringen. Das hilft den Familien und somit auch den Kindern wirklich, aus der Armutsfalle herauszukommen. Jedes Kind soll in Österreich gut leben können, alle Kinder in Österreich sollen wirklich gleiche Chancen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Frauenbudget: In Prozentzahlen hört sich das immer so an, als wäre es ja so viel, aber wenn man es sich in absoluten Zahlen anschaut, sind das genau 14,65 Millionen Euro. Schauen Sie sich einmal Ihr PR-Budget an oder das Budget für Pressekon­ferenzen, da sehen Sie, wo der Gap liegt! (Bundeskanzler Kurz: In Wien, oder?) – Nein, österreichweit. (Bundeskanzler Kurz: Ach so!)

In Wien beträgt das Budget für Frauen 10,155 Millionen Euro. (Beifall bei der SPÖ.) Das muss man jetzt einmal mit den Zahlen im Bund beziehungsweise österreichweit ver­gleichen. Zu sagen, dass das Frauenbudget in Wien gekürzt wurde, dass wir im Burgen­land nichts haben: Wir haben sehr wohl etwas. Wir haben jetzt auch das Frauenhaus ins Land eingegliedert, was das Frauenhaus absolut absichert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Über das Frauenhaus zu lachen, Herr Kollege, halte ich eigentlich für eine bodenlose Frechheit von Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Seeber.)

Zum Thema Frauenbudget in Wien: Es wurde nicht gekürzt. Schauen Sie sich die Zahlen an: 2019 betrug es 8,799 Millionen Euro, 2020 9,638 Millionen Euro, und 2021 beträgt es eben 10,155 Millionen Euro. Ich habe Ihnen das bereits im Dezember gesagt.

Frau Kollegin Berger-Grabner hat gesagt, dass der Kanzler gesagt hat, es wird immer Geld geben, wenn Geld notwendig ist. – Bravo, erhöhen wir doch bitte das Arbeits­losen­geld auf 70 Prozent! Ich bin sofort dabei. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Steiner-Wieser.)

Frau Ministerin Raab – sie ist leider nicht mehr da – würde ich gerne mitgeben, dass sie sich für den Gewaltschutz bitte nicht nur starkmachen, sondern jetzt endlich realisieren, umsetzen und wirklich etwas tun möge. Als ich gestern meine Rede vorbereitet habe, habe ich mir gedacht, neun Frauenmorde sind genau neun zu viel. Als ich heute in der Früh aufgestanden bin, haben wir schon Frauenmord zehn und elf gehabt. Bitte, worauf warten wir denn eigentlich noch?! Es ist höchste Eisenbahn, hätte mein Opa gesagt! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Es gab keinerlei Versäumnisse des Herrn Kanzlers, und das Impfmanagement? – Ach so, Entschuldigung, da war ja der Beamte schuld, ich vergaß. (Beifall bei der SPÖ.) Und das Thema Kinderbetreuung liegt doch bei den Gemeinden, oder täusche ich mich da? (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

So, jetzt zu meiner Rede (Bundesrat Steiner: Was?! – Heiterkeit bei der FPÖ): Wir haben es heute schon sehr oft gehört, und es ist offenbar ein wirklich wichtiges Thema. – Das war eine Information für Sie. – Es ist ein wichtiges Thema. Viele Familien in Öster­reich sind in Not und in großer Not, und das nicht erst seit der Krise, aber die Pandemie hat die Situation für viele Familien noch verschlimmert und viele Familien in prekäre Situationen gebracht.

Bedeutete Familie zu haben schon vor Corona einen Spagat, so haben die gestiegenen Anforderungen jetzt mit sich gebracht, dass Eltern nun einen Drahtseilakt hinlegen müssen, um alles halbwegs unter einen Hut zu bekommen. Ich weiß, wovon ich rede, und viele hier im Saal sicher auch.

Wir sind mit Ihrem Krisenmanagement unzufrieden, das habe ich heute schon gesagt. Wir stolpern durch diese Krise, und das hinterlässt Spuren. Den Familien geht in finanzieller


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wie auch in emotionaler Hinsicht die Luft aus. Diese Coronakrise stellt Familien nicht nur vor finanzielle Probleme, sondern diese Krise gestaltet sich als Zerreißprobe für die Familien.

Seit heute Nacht – ich habe es bereits erwähnt, auch viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner – blicken wir auf die Femizide Nummer zehn und Nummer elf. Die Zahl der Beratungen in den Familienberatungs- und auch in den Frauenberatungsstellen hat sich vervielfacht, ich weiß das aus vielen Gesprächen mit den zuständigen Betreuerinnen vor Ort.

Es kommen nicht nur Klientinnen und Klienten aus sozial schwachen Familien, sondern es sind auch Klientinnen und Klienten aus gut strukturierten Familien, aus einem einfachen Grund: weil die Familien überfordert sind. Es kommt zu Konflikten in allen sozialen Schichten.

Die Eltern müssen vielfach anspruchsvolle Arbeit leisten, müssen ihre Aufgaben im Job erfüllen und zusätzlich mehrere Kinder im Homeschooling betreuen. Wie so oft sind es zum überwiegenden Teil die Frauen, die diese familiären Aufgaben wie selbstver­ständ­lich übernehmen. Auch wir sind wieder im Rollenbild der 1950er-, 1960er-Jahre ange­kommen.

Wenn es dann auch noch zu pflegende Angehörige gibt, verschärft das die Situation noch einmal. Und wieder sind es die Frauen, die zu einem großen Teil diese Carearbeit leisten.

In großem Maß kommen auch Existenzängste hinzu, die Beziehungskonflikte, die wir heute schon mehrfach erwähnt haben, und natürlich der Druck in der Schule. Oder glauben Sie, dass es für die Schülerinnen und Schüler so einfach ist, beim Stoff mitzu­kommen und alles, was im Lehrplan vorgesehen ist, auch zu erlernen – bei der Art und Weise, wie jetzt Unterricht absolviert wird?

Ich bin Familiensprecherin, selbst zweifache Mutter und Vorstandsmitglied der Kinder­freunde Burgenland, mir liegen Kinder und Jugendliche besonders am Herzen. Man muss nicht unbedingt Expertin oder Experte sein, um zu erkennen, dass die psychischen Belastungen durch die Coronakrise, die Ausgangsbeschränkungen, die neue, die andere Form des Lernens für Kinder und Jugendliche sehr groß sind, sondern da reicht es, wenn man empathisch ist und Verständnis und ein Herz für die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft hat.

Kindern und Jugendlichen fehlt der soziale Kontakt, und sie haben mittlerweile zum Teil schon verlernt, diese sozialen Kontakte wieder aufleben zu lassen. Die Kinder verein­samen, sie werden traurig, sie verlieren die positive Sicht auf die Dinge, sie müssen nur mehr funktionieren, und oft schaut das Ergebnis nicht danach aus, wie viel Zeit sie darin investieren.

Ein unbeschwertes Aufwachsen ist zurzeit absolut utopisch, aber die Kinder haben sich ein unbeschwertes Aufwachsen verdient. Ich bin selbst Mutter zweier Teenager, ich habe es bereits erwähnt, ich weiß, wovon ich rede, und ich sehe es bei meinem fast 15-Jährigen: Trotz Motivation und der Aufforderung: Bitte, komm, geh raus, triff dich!, kommt die Antwort: Nein, wir sind eh über das Onlinespielen zusammen! – Sie verlernen wirklich die Fähigkeit, soziale Kontakte zu knüpfen. Es fehlen einfach die täglichen Abläufe, die tägliche Routine. Diese Routine brauchen die Kinder aber, um sich im Leben zurecht­zufinden. Diese Routine brauchen alle Menschen und erst recht Kinder und Jugendliche.

Zahlreiche Studien belegen, dass gerade die jungen Menschen unter den Folgen der Krise leiden. Kollege Schererbauer hat das ja heute bereits angesprochen. Die Donau-Uni Krems hat in Kooperation mit der Medizinischen Universität die psychische Gesund­heit von 3 000 SchülerInnen untersucht: Mehr als die Hälfte weisen eine depressive


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Symptomatik auf, ein Viertel leidet unter Schlafstörungen, und 16 Prozent denken an Suizid. Das ist alarmierend, Herr Bundeskanzler, finden Sie nicht auch? (Bundeskanzler Kurz: ... meine Schuld?) – Das habe ich nicht gesagt. Wenn eine der Grundaussagen der Ö3-Jugendstudie mit mehr als 35 000 Befragten ist, dass sich die Jungen nicht von der Politik gehört fühlen, dann sollte Ihnen das zu denken geben! Ich würde mir etwas dabei denken.

Die jungen Menschen haben Angst, dass sie die Folgen der Pandemie ausbaden müs­sen – ein mehr als deutlicher Hinweis für Sie und Ihre Bundesregierung, hier und jetzt etwas zu unternehmen. Sprechen Sie doch einfach mit der jungen Generation und han­deln Sie endlich!

Seit Monaten schlagen Kinder- und JugendpsychiaterInnen Alarm. Die ambulanten Kapazitäten reichen nicht, auf den Stationen muss entschieden werden, welcher Akutfall überhaupt aufgenommen wird. Wir haben einerseits viel mehr junge Menschen, die Hilfe benötigen, als vor der Krise, und in Gegensatz dazu stehen der seit Jahren bekannte Personalmangel und auch strukturelle Unterversorgung.

Nur gesunde Kinder und Jugendliche können zu gesunden Erwachsenen werden, die dann Österreich zu einem gesunden, sprich zu einem gut funktionierenden Land machen, mit florierender Wirtschaft und guten Lebensbedingungen. Ist das nicht das, was wir für die Zukunft wollen und auch brauchen?

Schnüren Sie daher jetzt bitte endlich einen Comebackplan für Kinder und Jugendliche! Wir haben das bereits vor 14 Tagen im Rahmen einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem Leiter des Psychosozialen Dienstes Burgenland, Dr. Grassl, gefordert.

Es hat sich klar gezeigt, dass viele an sich psychisch gesunde Minderjährige deutliche Symptome von psychischer Belastung, Lustlosigkeit, Abgeschlagenheit, trauriger Stim­mung, Sorge, Ängstlichkeit, sozialem Rückzug, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Ess­störungen und andere psychosomatische Beschwerden zeigen. Wir haben diesen Comebackplan für die Kinder und Jugendlichen gefordert, und dieser muss für alle Kinder und Jugendlichen in Österreich gelten. Bis jetzt haben wir dazu nichts von Ihnen gehört, außer dass Sie nicht verantwortlich dafür sind.

Wie gesagt, Sie sind der Spitzenpolitiker in diesem Land. Als solcher tragen Sie die Verantwortung für die Menschen im Land. Wer, wenn nicht Sie und Ihre Regierung, trägt die Verantwortung für die massiven Probleme, die jetzt schon eskalieren? Wer, wenn nicht Sie und Ihre Regierung, muss die Verantwortung für die stark zunehmenden psychischen Probleme übernehmen?

Sie alle scheinen eines vergessen zu haben: Kinder und Jugendliche sind system­rele­vant. Haben Sie sich das schon einmal überlegt? Um sie müssen wir uns besonders kümmern. Die Expertinnen und Experten der Kinder- und Jugendhilfe schlagen Alarm, und wir als Politikerinnen und Politiker sind verpflichtet, alle Auswirkungen der Krise zu beachten und Lösungen zu finden und umzusetzen. Kindern und Jugendlichen muss es wieder möglich sein, ungestört in den Bildungseinrichtungen zu lernen, unterrichtet zu werden, so wie es vor der Krise war, natürlich mit allen notwendigen Sicherheits­vor­keh­rungen. Da machen die Kinder und die Jugendlichen ohnehin brav mit, muss man sagen. Sie sind oft einsichtiger als die Erwachsenen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich auch die Frage: Wie können Kinder und Jugendliche ein entsprechendes Sportangebot konsumieren? Wie schaut es mit Sportwochen, mit Schullandwochen und so weiter aus? Auch all das fehlt den Kindern. Sie haben ja seit zwei Jahren nicht einmal Maturabälle gehabt, keine Ausflüge – das fehlt in der Entwicklung ganz einfach.

Herr Kanzler, bitte stellen Sie sich auf die Seite der Kinder und Jugendlichen, machen Sie ein halbwegs normales Leben für sie möglich und stellen Sie auch ein entsprechendes


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therapeutisches Angebot für die jüngsten und schutzbedürftigsten Mitglieder unserer Gesellschaft zur Verfügung – und tun Sie das rasch! Minister Mückstein sieht das ähnlich wie wir, und er spricht sich für Psychotherapie auf Krankenschein aus.

Ich darf noch zu Frau Kollegin Zeidler-Beck sagen: Im Rahmen des regionalen Versor­gungsauftrages haben wir Einrichtungen des Psychosozialen Dienstes. Es gibt das Heilpädagogische Zentrum Rust, und es gibt die Jugendpsychiatrie. Wir kooperieren mit unterschiedlichen Einrichtungen auch in anderen Bundesländern, und wir betreuen auch Kinder und Jugendliche aus anderen Bundesländern. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Im Rahmen des überregionalen Versorgungsauftrages müssen wir keine Station haben, aber Sie können uns ja gerne unterstützen, dass wir im Burgenland eine einrichten kön­nen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es passt, ich will nicht sagen, wie die Faust aufs Auge, aber die Zahl der Gewaltakte gegen Frauen und Kinder steigt, und ich bin immer noch absolut sprachlos über den zehnten und elften Femizid seit Jahresbeginn. Das sind genau elf Morde zu viel. Ich hatte hier in meiner Unterlage noch stehen: Neun Morde zu viel!, ich habe es jetzt durchgestrichen. Jeder tätliche Übergriff auf Frauen oder Kinder ist genau einer zu viel, und ich frage mich, ob man, wenn der mutmaßliche Täter aus Fall neun nicht diese traurige Berühmtheit hätte, auch so auf die Barrikaden gestiegen wäre oder ob man es bedauert hätte und nach zwei Tagen wieder zur Tagesordnung übergegangen wäre. Ich bin mir nicht sicher, ob das dann das in Bewegung gesetzt hätte.

Wir dürfen keine Zeit verlieren! Der Sicherheitsgipfel war viel zu kurz gegriffen. Alle Ein­richtungen müssen miteinbezogen werden, die genau wissen, worum es geht, die genau wissen, woran es fehlt. Es bringt auch nichts, nächste Woche einen runden Tisch zu machen, der eineinhalb Stunden dauert. Nicht etwas fordern, und wir werden schon und wir tun schon, sondern machen, ja, tun, t – u – n – um dieses Wort geht es jetzt! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Dieser einberufene Sicherheitsgipfel war eine absolute Augenauswischerei. Was wir brauchen, ist ein ständiger Krisenstab, den man am besten schon vorige Woche ein­gerichtet hätte (Bundesrat Spanring: Das ist die Regierung!), und das sofortige Einsetzen der Hochrisikofallkonferenzen und natürlich Budget für Gewaltschutz und Gewaltprävention – aber am Geld wird es nicht scheitern, Herr Bundeskanzler, so Ihre Worte. Wir werden Sie daran messen, wie rasch und wie viel Budget Sie für Gewalt­schutz und Gewaltprävention zur Verfügung stellen, und ich hoffe, dass wir bei der nächsten Bundesratssitzung nicht von Frauenmord zwölf, 13, 14, 15 oder mehr sprechen müssen.

Das alles ist für die Frauen, die zumeist auch Mütter sind, und die Kinder in diesem Land, denn Gewalt gegen Frauen wirkt auch oft auf die Kinder ein. Was heißt oft? – Immer.

Das Familienpaket haben Sie groß abgefeiert, aber dieses groß gefeierte Familienpaket bietet wieder nur Einmalhilfen. Die Menschen brauchen keine Almosen, die Menschen brauchen nachhaltige Unterstützung, nachhaltige strukturelle Hilfe, die langfristig Armut verhindert. Um Armut zu verhindern, brauchen wir kontinuierlich langfristige Maßnah­men. Jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht oder betroffen. Das ist ein Armutszeugnis für ein reiches Land wie Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

In Anbetracht dessen wird es Sie ja auch sicher nicht verwundern, dass Sie vor ein paar Wochen überlebensgroß mit einem kalten blauen Herz dargestellt wurden. Kinderarmut wird von vielen noch immer stark unterschätzt. Vielleicht haben Sie vom Projekt der Volkshilfe Burgenland gehört. Die Ergebnisse einer Befragung wurden präsentiert. Die Umfrage zeigt, dass die Coronapandemie die Lebensqualität von Kindern immens ver­schlechtert hat. Unter anderem kommt auch Felix, ein Kind aus einer armutsgefährdeten Familie, zu Wort. Er ist froh, dass es jetzt nicht mehr so viele Toastbrottage gibt. Wissen


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Sie, was ein Toastbrottag ist? – Ein Toastbrottag ist ein Tag, an dem die Familie nur Toastbrot isst, weil es billig ist und die Familie einfach kein Geld hat, sich anständige Lebensmittel zu leisten. Da brauche ich von Bioprodukten gar nicht zu reden, da wäre es einmal wichtig, dass ein ordentliches Stück Fleisch, Kartoffeln, Obst und so weiter auf den Tisch kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was unternehmen Sie gegen Armut? Als Oberhaupt Ihrer christlich-sozialen Partei sollte es Ihr oberstes Gebot sein, die Armut zu bekämpfen. Es fehlt Ihnen doch nicht der Bezug zu den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land – oder doch? Nicht jeder ist Vorstandsdirektor, Industrieller oder Mitglied der Adlerrunde.

Die Volkshilfe Burgenland hat nun eben das burgenländische Projekt einer Kinder­grund­sicherung gestartet. Dieses Projekt wird zeigen, wie man Kindern und damit auch ihren Familien nachhaltig helfen kann – dazu komme ich gleich. Die Zahl der Eltern, die das Leben ihrer Kinder mit Nicht genügend beurteilen würden, hat sich durch die Pandemie verdoppelt. Ich habe es bereits erwähnt: Psychische und körperliche Probleme nehmen zu. Helfen wir der Volkshilfe, Kinderarmut abzuschaffen!

Kollegin Daniela Gruber-Pruner hat es heute schon erwähnt: Es ist noch einmal ein Armutszeugnis für dieses reiche Land, dass eine nicht staatliche Organisation da so sehr dran ist, Armut zu bekämpfen. Aus unserer Sicht ist das die Aufgabe des Staates.

Nehmen Sie Ihren Auftrag wahr und handeln Sie entsprechend, auch wenn das offenbar nicht in Ihre neoliberalen Konzepte passt! Kinder und Jugendliche sind jene Menschen von morgen, die mit ihrer Leistung und Arbeitskraft dieses Land am Laufen halten wer­den. Diese Kinder sollen nicht die Arbeitslosen der Zukunft, sondern die Erwerbstätigen der Zukunft sein. Da darf ich Erich Fenninger, den Präsidenten der Volkshilfe Österreich, zitieren: Jedes Kind braucht eine – nämlich seine – Zukunft, und das muss eine Zukunft mit Perspektive sein.

Die burgenländische Kindergrundsicherung sieht wie folgt aus: Wir haben im Burgenland sieben Bezirke. Pro Bezirk wurde eine Familie definiert, die mit 100 Euro pro Monat unterstützt wird. Die Kinder fühlen sich gesünder, die Kinder fühlen sich fröhlicher – einfach dadurch, dass wieder Mittel zur Verfügung stehen, mit denen man Schulsachen kaufen, Schulausflüge ermöglichen, einen Ausflug ins Bad machen oder einfach einmal ein Eis essen gehen kann.

Gerne sagen wir Ihnen, Herr Kanzler, und Ihrer Bundesregierung, was jetzt wirklich nötig ist – da sehen Sie, wie aktiv wir sind, damit wir Familien nachhaltig unterstützen –: Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent, Einführung des kollektivvertraglichen Mindestlohnes von 1 700 Euro – das kommt vor allem Frauen zugute –, Etablierung effektiver Arbeitsmarktprogramme, speziell auch auf Frauen abgestimmt – Sie und die Bundesregierung tun zu wenig, um den Menschen Perspektiven zu geben und um die finanziellen Sorgen abzufedern; schauen Sie sich bitte die aktuellen Arbeitslosenzahlen und die Zahl jener Menschen, die sich in Kurzarbeit befinden, an! –, eine sofortige und nachhaltige Hilfe für Alleinerziehende. 91 Prozent davon sind Frauen, nur so nebenbei erwähnt, und 44 Prozent der Alleinerziehenden sind armutsgefährdet. Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger, die auch die prekäre Situation der Alleinerziehenden erkannt hat, hat das heute schon thematisiert. – Ich bin neugierig, ob Sie dann unseren Antrag unterstützen werden.

Die Umsetzung der Unterhaltsgarantie ist ein ganz wichtiger Punkt, um aus der Armut herauszukommen, außerdem die Erhöhung der Budgetmittel für die Familienberatungs­stellen, der Ausbau der finanziellen Ressourcen für Prävention und Gewaltschutz, ein um­fassender Rechtsanspruch auf bezahlte Sonderbetreuungszeit und, und, und. Von der Coronakrise sind – wie erwähnt – die Alleinerziehenden ganz besonders hart betroffen. Für Menschen, die in Einelternhaushalten leben, ist es ein täglicher Drahtseilakt.



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Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Kollegin, bitte um den Schlusssatz: Die Redezeit ist erschöpft.


Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (fortsetzend): Gut, dann bringe ich einen Antrag ein. Für eine effektive Unterstützung von Einelternfamilien stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterhaltsgarantie sofort umsetzen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt wird aufgefordert, umgehend eine Unterhalts­ga­rantie umzusetzen, indem über die Familienbeihilfe in Form eines, den Unterhalt sichern­den Ergänzungsbetrages zur Familienbeihilfe, für einen Lastenausgleich gesorgt wird. Der Ergänzungsbetrag wird subsidiär zu regulären Unterhaltsleistungen ausgezahlt, wo­bei sich die Höhe des Ergänzungsbetrages (Richtbeträge) an den Regelbedarfssätzen in der Höhe der ungefähren Kinderkosten orientiert.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

18.15


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Unterhaltsgarantie sofort umsetzen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Dim. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Kollege.


18.15.51

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, daran, dass gerade Familien in der von Corona geprägten Zeit natürlich besonders gefordert sind, besteht ja wohl kein Zweifel – der Bundeskanzler hat es ja auch schon gesagt. Die Eltern werden verstärkt auch in schulische Aufgaben eingebunden. Sie werden in Zeiten von persön­lichem Abstand und Fernunterricht quasi zu Ersatzlehrern vor Ort. In Zeiten, in denen persönliche Treffen mit Freunden nicht möglich sind und das Vereinsleben praktisch brachliegt, mutieren die Eltern zu Hause auch noch vielfach zu Familienanimateuren.

Das Zusammenleben in den Familien hat sich in den letzten Monaten gravierend ver­ändert – in einigen Fällen sogar zum Positiven, weil man mehr Zeit miteinander verbringt, in weitaus mehr Fällen haben sich dadurch aber Probleme ergeben, und wenn es die Probleme schon vorher gegeben hat, dann haben sich diese meist noch verstärkt. Die Sorge um den Arbeitsplatz, Homeoffice in einem dafür nicht optimalen Umfeld und zusätzliche pädagogische Aufgaben für die Kinder haben so manche Eltern an den Rand der Verzweiflung gebracht.

Jetzt kommt noch etwas dazu: Mit den – ich formuliere es einmal höflich – teils undurch­sichtigen und nicht nachvollziehbaren Verordnungen aus dem Gesundheitsministerium kam es auch noch zur Einschränkung der innerfamiliären oder nachbarschaftlichen Hilfe.


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Die Kinder trauten sich nicht mehr zu ihren Großeltern oder Verwandten, die Nachbarn, die sonst vielleicht beim Lernen geholfen haben, durften nicht mehr ins Haus, soziale Kontakte wurden massiv eingeschränkt und haben letztlich auch zu einer Vereinsamung, vor allem der älteren Bevölkerung, geführt, aber auch zu einem Bildungsrückstand bei den Kindern.

Einige Schüler schaffen es, in Zeiten von Fernunterricht selbstständig zu Hause zu lernen, aber viele Schüler brauchen gerade das gemeinsame Lernen in den Schulen, den täglichen Ansporn durch die Pädagogen, aber auch das gegenseitige Anspornen durch die Klassenkameraden. Wandertage, Exkursionen, Skiwochen und Sportwochen, die gerade für die Klassengemeinschaft unheimlich wichtig sind, konnten nicht statt­finden. Die Kinder und Jugendlichen leiden darunter, und auszubaden haben es letzt­endlich die Familien.

Meine Damen und Herren, ich bin bei Gott kein Coronaleugner, mir ist bewusst, wie gefährlich diese Krankheit ist. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass es auch nach der Pandemie zu Infektionskrankheiten kommen wird, wie es sie auch schon in der Vergangenheit gegeben hat. Die Menschen haben immer mit Krankheiten und letztendlich auch mit dem Tod umzugehen gelernt. Das gehört zum Leben, das bleibt keinem von uns erspart. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit dieser übertriebenen – ich sage bewusst übertriebenen – Angstmacherei, mit dem Schreckensbild einer Krankheit, die jeden von uns treffen kann – einige im Raum haben auch eine Coronaerkrankung hinter sich –, mit dieser Panikmache, wie sie in den ver­gangenen Monaten vollzogen wurde, sind aber auch viele Risse im familiären Umfeld entstanden. (Bundesrat Schreuder: Manche haben aber auch ...!) Der gesunde Haus­verstand wurde durch Verordnungen von oben ersetzt. Was wir zu tun und zu lassen hatten, wurde von der Regierung bestimmt und letztendlich auch noch von der Exekutive kontrolliert. Denunziantentum und Neidgesellschaft feiern fröhliche Urständ. (Beifall bei der FPÖ.)

Anstatt in den Familien und auch hier im Haus besonnen und ruhig mit den gegebenen Umständen umzugehen, wurden Diskussionen vielfach – auch in diesem Haus schon – zum Glaubenskrieg. Es gibt nur mehr Gut und Böse, es gibt nur mehr Schwarz und Weiß, es gibt nur mehr die Guten und die Coronaleugner – es gibt aber auch etwas in der Mitte, da stehe ich. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist eine Entwicklung in der Gesellschaft, wie ich sie mir nicht wünsche. Ich hoffe auch, dass sich das keiner in diesem Raum hier wünscht. Es ist höchste Zeit, dass wir wieder gegensteuern, dass wir wieder zu einem gesellschaftlichen Miteinander zurück­finden, dass wir mit Krankheiten wieder normal umgehen. Es ist Zeit für die Gesellschaft, dass wir auch das Vereinsleben, wie wir es in Österreich so dringend brauchen, wieder aufleben lassen, natürlich mit der nötigen Vorsicht, natürlich mit Hygienekonzepten, die schon seit Monaten in den Schubladen liegen. Die Bevölkerung will wieder Sport im Verein oder im Fitnessstudio betreiben, denn Sport und Bewegung sind Teil der Lösung und nicht das Problem. (Beifall bei der FPÖ.)

In absehbarer Zeit wird das auch wieder möglich sein – ich glaube, am 19. Mai ist es wieder so weit. Es ergibt sich aber schon wieder ein neues Ungleichgewicht, das heißt: Sport: ja, Musik: nein. Ich möchte mich daher jetzt auch noch für die vielen Musikkapellen in diesem Land einsetzen. Diese dürfen in absehbarer Zeit noch nicht proben, obwohl auch diese Vereine ihre Hygienekonzepte bereits lange erstellt haben.

Musik und Musikkapellen gehören genauso zum gesellschaftlichen Miteinander, und sinn­volle Freizeitgestaltung in Form von Musik bereichert jedes Ortsleben. Dazu genügt es aber nicht, dass die Musiker brav zu Hause üben, dazu muss zumindest einmal in der Woche eine Gesamtprobe stattfinden. Oft sind in den Kapellen auch viele Familienmitglieder


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beisammen. Aus meiner Vergangenheit kann ich sagen, dass wir bei unserem Spiel­mannszug in Ried bereits mit Mitgliedern aus nur vier Familien spielfähig waren. Ich kann aber auch aus meiner Zeit als Probenleiter und musikalischer Leiter berichten, wie wichtig es ist, zumindest einmal in der Woche eine Gesamtprobe abzuhalten, damit sich der gesamte Klangkörper aufeinander einspielt.

Viele Musikfeste, Wertungsspiele wurden heuer schon aufgrund der verbotenen Proben­arbeit abgesagt und verschoben. Es gibt aber auch noch andere gesellschaftliche Ereignisse, bei denen Musik einfach dazugehört, ich denke da zum Beispiel an die anstehenden Fronleichnamsprozessionen. Es wäre wichtig, so wie im Sport, zumindest einmal in der Woche jetzt schon eine Probe zu ermöglichen – wie gesagt: mit Vorsicht und mit Abstand. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, setzen Sie sich dafür ein, ermöglichen Sie neben Sport auch die Musikproben, gehen wir wieder normal mit Krankheiten um, öffnen wir das Vereinsleben! Die Bevölkerung und die Gemeinschaft in diesem Land haben es sich verdient, und das hilft letztendlich auch den Familien. (Beifall bei der FPÖ.)

18.23

18.23.05


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Richtlinien zum Familienhärte­ausgleich“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Die Schriftführung und der Vorsitzende machen vom Stimmrecht Gebrauch.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Unterhaltsgarantie sofort umset­zen!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Die Schriftführung und der Vorsitzende machen vom Stimmrecht Gebrauch.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

18.24.42Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesord­nung, zu Tagesordnungspunkt 6 wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.


18.25.10

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Wie gesagt, bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um eine befristete Verlängerung, darum, dass für Personen, die jetzt aufgrund der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit in die Notstandshilfe


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kommen würden, diese befristet bis 30. Juni auf die Höhe des Arbeitslosengeldes auf­gestockt wird.

Mein Vorredner, Herr Kollege Schachner, hat das auch schon erwähnt, im Ausschuss haben uns das auch die Beamten gesagt, dass diese Verlängerung nur deshalb bis 30. Juni erforderlich sein wird, weil sie davon ausgehen, dass ab Juli sozusagen auf einmal das große Wirtschaftswunder kommt und auf einmal sehr, sehr viele Menschen wieder in Arbeit kommen. – Ich bezweifle das sehr.

Warum bezweifle ich das? – Weil nach wie vor – vor allem bei den Unternehmern – noch irrsinnige Unsicherheit darüber herrscht, wie sich die Dinge entwickeln werden, unter welchen Rahmenbedingungen es überhaupt momentan möglich ist, sein Unternehmen zu führen, seinem Beruf, seiner Tätigkeit nachzugehen. Ich würde mir wirklich wünschen, Herr Arbeitsminister, dass wir auch in diesem Haus endlich einmal über zukunfts­orien­tierte Maßnahmen diskutieren können, die wirklich einen Anschub für den Arbeitsmarkt bringen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei allem Engagement, lieber Horst (in Richtung Bundesrat Schachner), das du bei deiner Rede zu dieser Aktion 40 000 gebracht hast: Ich schätze Engagement, also Leidenschaft, in allen Dingen sehr, aber das ist auch wieder zu kurz gegriffen. Warum? – Das war auch der Grund dafür, warum wir seinerzeit in der Regierung die Aktion 20 000 eingestellt (Bundesrätin Schumann: Genau!) haben: Wenn Gemeinden, wenn Kom­munen, wenn Vereine Arbeitsplätze hätten, dann brauchen sie keine zusätzliche Förde­rung, damit sie Menschen einstellen, denn dann brauchen sie diese Arbeitskraft ohnehin. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist auch so kurzfristig, weil das ja befristet ist. Ja glaubt ihr denn wirklich, dass die Menschen nach zwei Jahren, nach drei Jahren nicht wieder arbeitslos werden und dann wieder keinen Job haben? Es macht doch mehr Sinn, Geld für wirklich zukunftsorien­tierte Umschulungen in die Hand zu nehmen. Um ehrlich zu sein: Ich bin davon überzeugt, dass es zum Beispiel die Nachtgastronomie in Österreich nicht mehr geben wird, also muss man Geld in die Hand nehmen und sagen: Leute, das ist eine Idee, das würden wir brauchen, wir brauchen bei der Digitalisierung irrsinnig viele Leute, wir brauchen im Umweltbereich viele Leute, da muss man das Geld in die Hand nehmen.

Du hast über einen Mindestlohn von 1 700 Euro gesprochen – das ist sicherlich eine berechtigte Forderung, aber wer macht denn bei uns die Kollektivverträge? Nicht ihr von der Gewerkschaft? Dann verstehe ich zum Beispiel nicht (Zwischenruf des Bundesrates Schachner) – das hat mich immer schon geärgert –: Die GPA hat im Jahr 2018 in einem Kollektivvertrag, nämlich im KV Handel neu, in einem Bereich, in dem hauptsächlich Frauen beschäftigt sind, die Vordienstzeiten auf sieben Jahre beschränkt, sodass jede Frau, die jetzt frisch anfängt, um 300 Euro weniger kriegt. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

18.28


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm dieses.


18.28.45

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es geht um die Verlängerung der Anhebung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes. Angesichts der derzeit hohen Arbeitslosigkeit – 433 000 Menschen sind mit Stand Ende April ohne Job und knapp 150 000 davon sind langzeitbeschäftigungslos –, angesichts dieser Situation ist gerade die Anhebung der Notstandshilfe ein wichtiges sozialpoliti­sches Instrument, um der Armutsgefährdung entgegenzuwirken.


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Langzeitarbeitslosigkeit ist angesichts der Covid-Krise und der schwierigen Situation am Arbeitsmarkt ein Phänomen, das im Augenblick sehr viele Menschen trifft. Es hat sich gerade in dieser Krise gezeigt, wie wichtig die Notstandshilfe ist und welch wesentlichen Beitrag sie zur Stabilisierung der Einkommen und zum Kampf gegen die Armut in diesem Land leistet. Es zeigt sich auch ihr Vorteil gegenüber der Sozialhilfe.

Die beste Hilfe wäre natürlich ein neuer Job. Auch wenn es derzeit am Arbeitsmarkt zu einer leichten Verbesserung kommt und durch die in zwei Wochen folgenden Öffnungs­schritte eine weitere Entspannung zu erwarten ist, bedarf es gerade im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit großer Anstrengungen. Jede Wirtschaftskrise und die damit verbundene Krise am Arbeitsmarkt hinterlässt, wenn die Wirtschaftskrise längst schon wieder vorbei ist, eine gewisse Sockelarbeitslosigkeit – und diese verschwindet nicht von selbst.

Wir unternehmen da etwas! Die Aktion Sprungbrett wird sich Personen widmen, deren Problemlagen zu lange vernachlässigt wurden. Das durchaus ambitionierte Ziel ist es, 50 000 Langzeitbeschäftigungslose wieder in Beschäftigung zu bringen, also nicht 20 000, nicht 40 000, sondern 50 000. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Menschen, die sich abgehängt fühlen und von Ausgrenzungs- und Armutsgefährdung betroffen sind, wieder Perspektiven auf Teilhabe, auf Einkommen und gute Arbeit zu geben, ist etwas, wovon wir alle als Gesellschaft profitieren. Mit Beratung, Betreuung, Begleitung und der Übernahme eines Teils der Kosten im ersten Beschäftigungsjahr helfen wir Menschen, die in der Vergangenheit nicht ausreichend unterstützt wurden. Wir helfen aber auch durch ein Kombilohnmodell, bei dem 50 Prozent der Lohn- und Lohnnebenkosten Betrieben, die nach Ende der Gesundheitskrise neu durchstarten möchten, im ersten Jahr ersetzt werden. Die Aktion Sprungbrett richtet sich an die Privat­wirtschaft, an die Kommunen und an gemeinnützige Organisationen. Dieser Mix ist genau das, was wir jetzt brauchen, es braucht die Wirtschaft in ihrer ganzen Breite  den privaten, den öffentlichen und den gemeinnützigen Sektor , um Langzeitarbeitslosigkeit nachhaltig zu senken.

Noch ein paar Worte zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ: Ja, wir haben eine veritable Krise, eine Gesundheitskrise, eine Wirtschaftskrise, eine Krise am Arbeitsmarkt und mit all dem zusammenhängend eine soziale Krise. Ja, es gilt, weiter alle Anstren­gungen zu unternehmen, um die sozialen Auswirkungen abzufedern. Sich aber immer wieder hierher zu stellen und Forderungen aufzustellen, die Sie in jahrzehntelanger Regierungsverantwortung selbst nie erfüllt haben, wie zum Beispiel die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, das ist zu wenig. (Bundesrätin Grimling: ... immer das Gleiche! Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Sie haben in den vielen Jahren, als Sie den Kanzler gestellt haben, das Arbeitslosengeld um keinen Cent erhöht. Was war in den Folgejahren der Finanzkrise 2008 und danach?  Da ist nicht wirklich viel passiert. Also sich hinzustellen und jetzt, da Sie in Opposition sind, Forderungen zu stellen, die Sie in Regierungsverantwortung nie gestellt haben, ist schon etwas billig und nicht gerade sehr glaubwürdig. (Bundesrätin Grimling: Ja, ihr aber auch nicht!)

Diese Bundesregierung hat in den letzten eineinhalb Jahren eine Fülle von beschäfti­gungspolitischen, arbeitsmarktpolitischen und sozialpolitischen Maßnahmen gesetzt. Wir haben gehandelt und nicht nur davon geredet. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.33


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister für Arbeit Martin Kocher. – Bitte schön.



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18.33.49

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Sehr geehrte BundesrätInnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist natürlich immer noch eine Lage am Arbeitsmarkt, die nicht erfreulich ist. Allerdings, um auch den Fakten gerecht zu wer­den, muss man zwischen verschiedenen Bereichen des Arbeitsmarkts unterscheiden. Wir haben in gewissen Bereichen des Arbeitsmarkts schon gute Entwicklungen.

In der Industrie, im Bau, im Baunebengewerbe, teilweise auch im Handwerk gibt es eine Arbeitsmarktlage, die durchaus schon wieder als krisenfest bezeichnet werden kann. Dann gibt es Bereiche, die wir alle kennen  die Gastronomie, den Tourismus, den Be­reich der Veranstaltungen, den Kulturbereich –, in denen die Arbeitsmarktlage aufgrund der behördlichen Schließungen natürlich noch sehr trist ist. Uns allen ist bewusst, dass natürlich die langen behördlichen Schließungen auch zu einem Anstieg der Langzeit­arbeitslosigkeit geführt haben. Da muss man auch zwischen den Gruppen unter­scheiden: jene, wenn Öffnungsschritte möglich sind, die wahrscheinlich wieder rasch einen Job finden können, und diejenigen, die vor Corona schon arbeitslos waren, von denen wir wissen, dass sie es nach langen Phasen der Arbeitslosigkeit, nach langen Phasen der wirtschaftlichen Flaute besonders schwer haben, am Arbeitsmarkt wieder integriert zu werden.

Egal, ob jemand besonders große Schwierigkeiten hat, am Arbeitsmarkt integriert zu werden, oder ob jemand vielleicht auch relativ bald wieder einen Job findet: Es gibt viele Leute, die länger arbeitslos sind, aufgrund der Regelung in die Notstandshilfe fallen und deshalb Notstandshilfe und daher weniger als das Arbeitslosengeld bekommen würden. Deswegen ist es aus meiner Sicht eine ganz wichtige Maßnahme, dass wir die Not­standshilfe bis Ende Juni noch einmal auf das Niveau des Arbeitslosengeldes erhöhen. Es wurde schon genannt, es geht für die Betroffenen im Durchschnitt um 55 Euro zusätzlich, es geht um 220 000 Personen, die pro Monat davon profitieren und die im Moment meistens sehr wenige Chancen haben, in den Arbeitsmarkt aufge­nom­men zu werden.

Das wird sich aber  das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt  in den nächsten Wochen und Monaten ändern. Ich bin zuversichtlich, dass die Entspannung am Arbeits­markt voranschreiten wird, wenn die Öffnungsschritte aus Beschäftigungssicht Erleichte­rungen bringen. Wir haben – das möchte ich auch noch erwähnen – natürlich zusätzlich zu diesen Maßnahmen, die wir heute besprechen, auch weitere wichtige Maßnahmen, die uns im Aufschwung helfen, den Arbeitsmarkt wieder nach vorne zu bringen. Zwei Dinge möchte ich erwähnen: die Coronajoboffensive, das größte Qualifizierungs­pro­gramm, das wir je hatten, und das jetzt in Planung befindliche Programm Sprungbrett, um eben gerade den Langzeitarbeitslosen zu helfen, wieder Fuß zu fassen.

Ich glaube, dass wir mit beiden Maßnahmen gute Voraussetzungen für einen Auf­schwung haben, der  das ist aus meiner Sicht entscheidend  dann auch beschäftigungsintensiv ist. Wir hatten auch nach der Finanzkrise einen Aufschwung, dieser Aufschwung war auch beschäftigungsintensiv, allerdings wurde er nicht aus dem Pool der Arbeitslosen heraus, sondern aus verschiedenen anderen Quellen gespeist. Deshalb wird das große Ziel von mir weiter sein, den Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass diejenigen, die arbeitslos geworden sind, die jetzt vielleicht in der Notstandshilfe sind, im Aufschwung nach der akuten Gesundheitskrise möglichst gute Chancen auf möglichst gute Arbeitsplätze haben werden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.37

18.37.30


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 162

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich ersuche, die Plätze einzunehmen. – Danke schön.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Aktion 40.000“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

18.38.35 7. Punkt

Bericht des Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend betreffend EU-Jah­resvorschau 2021 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2021 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2020/2021 (III-743-BR/2021 d.B. sowie 10618/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich ersuche um den Bericht.


18.39.12

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­ten­schutz über den Bericht des Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2021 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG, auf der Grund­lage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2021 und des Achtzehn­monats­programms des Rates für 2020/2021.

An der Debatte im Ausschuss beteiligten sich die Mitglieder Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Korinna Schumann, Andreas Lackner und Sonja Zwazl. Ich wurde zum Bericht­erstatter gewählt.

Ein Beschluss über den Antrag, den eben genannten Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ist infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


18.40.16

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Bundesminister, wenn man Ihren Bericht zum Arbeitsprogramm 2021 liest, beschleicht einen das Gefühl, er wurde unter dem Motto: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!, erstellt, aber übermäßige Vorsicht verhindert notwendige Veränderun­gen zum Positiven.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 163

Oder ist diese extreme Zurückhaltung und teilweise sogar Ablehnung all der Ver­besserungsvorhaben der EU dem Umstand geschuldet, dass man bei der eigenen ÖVP-Spendergruppe nicht anecken wollte? Das wäre ganz schlecht, denn das geht auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Klein- und Mittelbetriebe.

Herr Bundesminister, können Sie bitte erklären, warum Sie sich nicht am Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping in Europa beteiligen? Der Kampf für europaweit faire Löhne und gegen Sozialdumping ist gerade jetzt eine der wichtigsten europäischen Bemü­hungen. Es liegt ein Vorschlag der EU vor, da aktiv zu werden die Richtlinie über ange­messene Mindestlöhne in der EU , und Sie lehnen ihn ab. Dabei ist der Vorschlag ja sehr umsichtig formuliert, er legt weder ein gemeinsames Mindestlohnniveau fest, noch verpflichtet er die Mitgliedstaaten zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne.

Länder, in denen weniger als 70 Prozent der ArbeitnehmerInnen tarifvertraglich abge­deckte Löhne haben, müssen demnach einen Aktionsplan vorlegen. Länder mit gesetz­lichen Mindestlöhnen sollen klare Kriterien zur Festlegung des Mindestlohns anwenden. Für 24 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa würde diese Richtlinie höhere Löhne bedeuten. Dazu muss man aber wissen, dass 20 Millionen Beschäftigte in Europa nicht von ihrer Arbeit leben können. Und wenn das eine Regierung nicht dazu motiviert, die Richtlinie zu unterstützen, dann fehlt ihr halt das Herz für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, aber das haben wir schon oft erlebt.

Wettbewerbsdruck und ein niedriger gewerkschaftlicher Organisierungsgrad sind nur zwei Gründe, warum Löhne und Gehälter auch in der EU oft nicht zum Leben reichen, Betriebspleiten in Krisen tun ihr Übriges. Jeder zehnte Beschäftigte in der EU ist trotz Arbeit armutsgefährdet. Zwar gibt es in 21 Mitgliedsländern gesetzliche Mindestlöhne, aber die sind vielerorts zu niedrig, das Gefälle zwischen den Ländern ist extrem groß. Liegt der Bruttomindestlohn in Luxemburg bei monatlich 2 140 Euro, so sind es in Bulgarien 310 Euro. Vor allem ist das nicht nur ein Problem vor Ort, sondern es hat Einfluss auf die umliegenden Staaten. Beispiel Österreich: Wenn in Ungarn, Tschechien und der Slowakei der Durchschnittslohn niedriger ist, bezahlen österreichische Betriebe ungarischen, tschechischen und slowakischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern viel weniger, als es in Österreich üblich ist. Ob Tourismus oder Gastronomie, Bau­gewerbe oder 24-Stunden-Betreuung: Sie funktionieren, weil ausländische Arbeitskräfte in Österreich zu Billiglöhnen arbeiten.

Die Betriebe drohen auch gern mit der Möglichkeit, ins billige Ausland abzuwandern. Wir erleben das ja jetzt ganz stark bei den Ereignissen rund um MAN. Österreich ist ein Hotspot für Arbeitskräftemobilität, mit vielen Pendlern und Pendlerinnen aus den angrenzenden Nachbarländern. Am Ende heißt das, Lohndruck für alle Beschäftigten in diesen Branchen. Ich darf darauf hinweisen, dass die Bruttomonatseinkommen bei Voll­zeitbeschäftigung in Bulgarien 617 Euro betragen, in Rumänien 955, in Ungarn 1 020, in Polen 1 167. Im Vergleich dazu liegt das Bruttomonatseinkommen in Österreich bei 2 946 Euro.

In Brüssel kursiert dazu ein Brief, den Sie, Herr Bundesminister, unterstützt und unter­zeichnet haben, gemeinsam mit den Ministern aus acht weiteren EU-Ländern. Sie ver­weisen auf ausstehende Erläuterungen des juristischen Dienstes, machen aber klar, dass Sie ohnehin keine verbindlichen Vorgaben zu Mindestlöhnen wollen, sondern bloß Empfehlungen. Folglich müsste ja niemand etwas in Bewegung setzen. „Wir denken,“ – so darf ich zitieren – „dass eine Empfehlung ein besseres rechtliches Instrument ist, weil es den Mitgliedsstaaten die Flexibilität ermöglicht, die Ziele des Vorschlags zu er­reichen“, schreiben Sie, Herr Bundesminister, und die Ministerkollegin in dem Brief. Das heißt übersetzt, an Empfehlungen müssen sich die Staaten nicht halten, weshalb sie flexibler in Bezug auf Mindestlöhne bleiben.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 164

Wir sind recht stolz und wirklich von ganzem Herzen stolz auf den hohen Grad der kollektivvertraglichen Deckung in Österreich. 98 Prozent der unselbstständigen Beschäf­tigungsverhältnisse sind durch Kollektivverträge geregelt – eine Leistung der funktio­nie­renden Sozialpartnerschaft in Österreich, im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch im Interesse der Wirtschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und auch die Gewerkschaft sehen den Richtlinienvorschlag als positiv. Die Gefahr der Aushöhlung des Kollektivvertrags­sys­tems in Österreich ist wohl nicht gegeben, da der Vorschlag ja sehr vorsichtig formuliert ist. Wir werden uns ganz vehement dafür einsetzen, dass aus der Richtlinie keine Empfehlung wird. Ich darf die klaren Worte des ÖGB-Präsidenten Katzian zitieren, er sagt: Eine Empfehlung ist zwar nett, aber am Ende des Tages kannst es einrexen, weil in Wirklichkeit kannst du dann machen, was du willst. – Zitatende. (Heiterkeit der Bun­desrätin Grimling.)

Herr Bundesminister, zaudern Sie auch nicht bei der Umsetzung der Verbesserung für Plattformbeschäftigte! Wenn sich die Regierung so intensiv der Förderung der digitalen Weiterentwicklung in unserem Land annimmt, was ja durchaus positiv ist, dann müsste ja der logische Schritt sein, dass Sie sich gegen die Ausbeutung von Menschen, die Dienstleistungen über Plattformen erbringen, einsetzen. Nein, logisch ist das nur, wenn man ein Herz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätte, und das fehlt der Regierung wieder einmal. Sie sagen im Bericht nur, dass Sie prüfen werden und verweisen auf einen bisher umfangreich bestehenden Rechtsbestand. Das heißt über­setzt, es braucht da keine Verbesserungen mehr, es ist eh schon alles da, ist schon alles vorhanden.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden den Bericht nicht zur Kenntnis nehmen. Diese brennenden Themen verlangen ein beherztes Handeln für die Zukunft Europas und die Zukunft der Arbeit. Die Haltung der Regierung wir prüfen und ist eh schon alles ausreichend geregelt oder wir lehnen ab  verhindert eine positive Ent­wicklung in Richtung eines wirklich sozialen Europas, eines Europas, in dem die Be­schäftigten gute Arbeitsbedingungen und gerechte Chancen haben und ordentlich be­zahlt werden.

Nur das wird in und nach der Pandemie den Zusammenhalt und den sozialen Frieden garantieren. Vom EU-Sondergipfel morgen und übermorgen in Porto könnte ein wich­tiges Signal des Aufbruchs ausgehen, eben die Initiative für europäische Mindestlöhne, Verbesserung der Plattformarbeit, mehr Demokratie in der Arbeitswelt und vor allen Dingen der Versuch, die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern zu schließen – da muss gehandelt werden, auf europäischer Ebene und auch in Österreich ist noch extrem viel zu tun, unsere Einkommensschere ist bei Weitem zu groß.

Im Zusammenhang mit den ambitionierten und ganz, ganz wesentlichen Klimazielen der EU werden wir nur dann erfolgreich sein, wenn die soziale Situation für alle Menschen abgesichert ist. (Beifall bei der SPÖ.) Ein sozial gerechter Übergang im bereits voll im Gange befindlichen Wandlungsprozess von Arbeit und Wirtschaft muss das Ziel allen politischen Arbeitens sein. Wir Sozialdemokraten wissen ganz sicher, ein Green Deal funktioniert nur mit einem Social Deal. Wir lassen niemanden zurück (Zwischenruf bei der ÖVP), dazu stehen wir auf jeden Fall. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie, Herr Minister, jetzt vielleicht sagen: Na ja, das ist das Gesagte, die übliche Oppositionskritik!, muss ich sagen: Nein, ganz und gar nicht! Diese Bundesregierung richtet ihr Handeln ja immer fokussiert auf Umfrageergebnisse aus, ich darf Ihnen das Ergebnis der Umfrage des Eurobarometers 2021 zur Kenntnis bringen: 88 Prozent der Europäerinnen und Europäer sagen, dass ihnen ein soziales Europa wichtig ist.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 165

Ich hoffe, dass Sie zumindest dieses Befragungsergebnis dazu motiviert, Ihre Haltung endlich zu ändern. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

18.48


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich begrüße bei uns im Bundesrat Frau Staats­sekretärin Andrea Mayer. Herzlich willkommen! (Beifall bei BundesrätInnen von Grünen, ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Ich erteile Frau Bundesrätin Heike Eder das Wort. – Bitte.


18.49.12

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream! Ja, die EU-Vorhaben im Bereich Arbeit fassen viele verschiedene wichtige Themen und Zielsetzungen ins Auge. Einige davon haben wir bereits von meiner Vorrednerin gehört, beispielsweise Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, aber auch Schutz prekärer Beschäftigungsverhältnisse, wie der Plattformarbeit.

Es gibt aber auch Zielsetzungen der EU, die einen besonderen Fokus auf eine Per­sonengruppe, nämlich auf Frauen, legen. Ich möchte in meiner Rede gerne auf diese besonderen Zielsetzungen der EU genauer eingehen.

Die EU-Jahresvorschau aus dem Bereich Arbeit setzt sich im Wesentlichen nämlich drei verschiedene Maßnahmen für 2021 zum Ziel, die alle auf das Konto der Geschlechter­gleichstellungsstrategie einzahlen und daher meines Erachtens nur begrüßt werden können.

Ein Ziel, das sich die EU gesetzt hat, sind verbindliche Maßnahmen zu mehr Lohn­transparenz, wodurch das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit von Männern und Frauen verbessert und der Genderpaygap verringert werden soll.

Obwohl sich in den letzten Jahren ein Rückgang der geschlechtsspezifischen Lohn­unterschiede zwischen Männern und Frauen abgezeichnet hat, ist es nach wie vor so, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer. Österreich zählt sogar zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. Im Jahr 2019 lag unser Genderpaygap bei 19,9 Prozent.

Doch nicht nur die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede fordern die Politik zum Handeln auf. Auch die Zielsetzung der EU – unter dem portugiesischen Vorsitz – der Gleichstellung der Geschlechter, was den Arbeitsmarkt, die Arbeitsbedingungen, aber auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben angeht, halte ich für essenziell, denn die Coronapandemie hat da schon den Finger in eine bereits offene Wunde gelegt und gezeigt, dass die Mehrfachbelastung durch Hausarbeit und Kinderbetreuung meist uns Frauen betrifft. Frauen und Männer sollten jedoch meines Erachtens in gleichberechtigten Partnerschaften leben. Wir Eltern sind ganz besonders gefragt, ja es ist sogar unsere Verantwortung, unseren Kindern ein gleichberechtigtes Lebensmodell vorzuleben, von dem sie auch lernen können!

Wir wissen, dass derzeit die Kindererziehung in vielen Fällen bei einem Elternteil ange­siedelt ist, der vielleicht auch Teilzeit arbeitet, und dass der andere Elternteil, meist der besser verdienende, als Familienerhalter fungiert. Beim derzeitigen System besteht einfach das Risiko, dass der Elternteil, der sich vermehrt in der Kindererziehung enga­giert und einsetzt – und das sind bis dato wir Frauen –, in die Altersarmut abrutscht. Da muss die Politik einfach gute Rahmenbedingungen schaffen, damit genau das eben nicht passiert.

Meines Erachtens gibt es drei Maßnahmen, die zielführend und wichtig sind, und auf die möchte ich ganz kurz eingehen.


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Erstens braucht es meines Erachtens eine verstärkte Information zu den Konsequenzen von Teilzeitarbeit und fehlenden Beitragsjahren. Ich denke, jede Familie sollte das Lebensmodell wählen, das am besten zu ihrem Lebenskonzept passt, aber diese Ent­scheidung sollte bewusst und vor allem mit voller Information getroffen werden.

Zweitens ist das automatische Pensionssplitting für mich ein zentraler Gedanke der Geschlechtergleichstellung (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), denn wenn man gemeinsam ein Kind in die Welt setzt, dann hat man auch eine gemeinsame Verantwortung für die Kindererziehung, und wenn ein Elternteil mehr Erwerbsarbeit leistet und der andere mehr in der Kindererziehung arbeitet, dann ist es doch logisch und absolut nachvollziehbar und verständlich, dass der Elternteil, der mehr Erwerbs­arbeit leistet, dem, der mehr in der Kindererziehung arbeitet, Pensionsansprüche abgibt. Das ist für mich ein zentraler Grundgedanke einer gleichberechtigten Partnerschaft.

Und drittens müssen Kinderbetreuungsangebote speziell in ländlichen Gebieten unbe­dingt ausgebaut werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Was diese Punkte betrifft, ist Österreich sicherlich auf einem guten Weg, dennoch ist Luft nach oben.

Ein weiteres von der EU angestrebtes Ziel in diesem Zusammenhang ist sehr wichtig: Die EU will den Frauenanteil in Verwaltungs- und Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen EU-weit erhöhen. Das ist meines Erachtens wichtig, denn Unternehmen mit Frauen im Topmanagement sind erfolgreicher. Ich wiederhole den Satz gerne noch einmal: Unternehmen mit Frauen im Topmanagement sind erfolgreicher! (Beifall bei der ÖVP.)

Das sage nicht ich, das ist nicht nur meine persönliche Meinung, das ergibt sich nämlich aus dem sogenannten Gender Diversity Index 2019. Er untersuchte die 100 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland mit Blick auf die Gleichstellung in der Unternehmensführung. Das Ergebnis war das folgende: Die 30 fortschrittlichsten Unternehmen in Sachen Geschlechtervielfalt schnitten im Schnitt um 2 Prozentpunkte besser ab als der DAX, der Deutsche Aktienindex.

Mit diesem Hintergrund, denke ich, könnten wir diese Strategie wirklich alle auch unter­stützen, denn wir alle wollen, dass unsere Unternehmen noch erfolgreicher werden.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gem. § 43 Abs. 1 GO-BR betreffend TOP 7: Bericht des Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2021 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2021 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2020/2021 (III-743-BR/2021 d.B. sowie 10618/BR d.B.), in der 925. Sitzung des Bundesrates

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen.“

*****

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.55


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 167

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, den vorliegenden Bericht des Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend betreffend EU-Jahresvorschau 2021 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2021 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2020/2021, zur Kenntnis zu nehmen, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Bettina Anna Lancaster. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte, Frau Kollegin.


18.55.53

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister!  Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Herr Minister, meine Klubvorsitzende, Korinna Schumann, ist bereits sehr konkret auf den Bericht Ihres Ministeriums zur Jahresvorschau 2021 der EU eingegangen. Um bei der EU zu bleiben: Ich komme aus der Nuts-3-Region Steyr-Kirchdorf, einer Region, die gerade durchgerüttelt wird. Die Unverschämtheit, mit der MAN in die Verhandlungen eingestiegen ist, sollte keinen, der mit Arbeit seinen Lebensunterhalt verdient, kaltlassen. Steyr geht uns alle an! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eigentlich unfassbar: Vor einem Jahr unterschreibt der MAN-Vorstand noch einen Vertrag, der den Standort bis 2030 garantieren sollte. Dafür haben die 2 356 Mitar­bei­terinnen und Mitarbeiter mehr gearbeitet, und der Staat hat Förderungen überwiesen. Am Standort Steyr wurden in den vergangenen Jahren von MAN stattliche Gewinne pro Jahr erzielt, aber das war und ist noch immer zu wenig für die Konzernführung. Ginge und geht es nach MAN, sind Verträge für andere da. Wer ist denn heute noch so naiv und glaubt, dass ein Konzern sein Wort hält, wenn keine Sanktionen zu befürchten sind?

MAN will sich aus der Verantwortung für die Region ziehen und wandert nach Polen ab. Der wirtschaftliche Wettlauf um kostengünstigere Standorte geht weiter, quasi mit Steu­erflucht und Lohndumping zu höheren Gewinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit nicht genug: Ein verantwortungsvoller Konzern, der mit Steuergeldern gefördert wurde, hätte von Anfang an Übernahmeverhandlungen mit mehreren Investoren führen müssen. Aber weit gefehlt: MAN entschied sich frühzeitig dafür, nur mit einem einzigen Investor – Siegfried Wolf – Verhandlungen zu führen. Warum das so war, bleibt offen. Jedenfalls war das Angebot Wolfs der Belegschaft und der Region gegenüber nicht gerade fair. Viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten bei diesem Angebot ihre Arbeit verloren, und obendrein hätte es für die Übriggebliebenen Lohneinbußen gegeben. Man stelle sich die erdrückende Situation vor, ein Abzählspiel: Eins und zwei, und du gehst, oder geht doch erst drei? Und eins, schätz du dich jetzt gefälligst glücklich, du bleibst. Dafür bekommst du 15 Prozent weniger. – Das ist kein Angebot, das ist ein Gegen­einanderausspielen! Das ist eine moralische Zumutung! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Konzernzentrale rührte dazu noch die Werbetrommel für Wolf, und Wolf war sich nicht zu schade, mit einem Detroit in Österreich zu drohen; so die Situation vor der Urabstimmung. Aber die Belegschaft ließ sich nicht auseinanderdividieren. In einem solidarischen Akt stimmte sie gegen das schlechte Angebot des Herrn Wolf.

Der Betriebsrat, die Gewerkschaften, Bürgermeister Gerald Hackl und die regionale Politik ließen und lassen nicht locker. Sie kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Ihr Einsatz zeigt erste Wirkungen.

Die gestern abgehaltenen Gespräche mit dem MAN-Konzern waren konstruktiv. Zum ersten Mal hat die MAN-Konzernleitung ein Entgegenkommen beim Sozialplan signa­lisiert. Ebenso konnten Fortschritte bei der Frage nach möglichen Investoren gemacht werden. Nachnutzungskonzepte unter Beteiligung der MitarbeiterInnen sollen möglich werden, wenn ein entsprechendes industrielles Konzept vorgelegt wird.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 168

Die Erfüllung der im Standortsicherungsvertrag festgehaltenen Investitionszusage bleibt in den Verhandlungen – ein Erfolg: ein Erfolg der Beschäftigten, der Gewerkschaft, ein Erfolg der regionalen Politiker und Politikerinnen! Unsere Wertschätzung soll ihnen uneingeschränkt entgegengebracht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben sich nicht mit dem abgefunden, was ihnen gnädigerweise zugedacht wurde. Anders der Bund: Der ließ alles ohne gestalterischen Beitrag laufen.

Wo sind die tauglichen Lösungen der Bundesregierung? Steht diesbezüglich irgend­etwas in den vorgelegten Berichten, Herr Minister? Das Problem ist ja nicht neu, bereits seit einem Jahr liegt der Fall MAN auf dem Tisch. Kanzler Kurz hat ihn sogar zur Chefsache gemacht – und geschehen ist: nichts.

Die Bundesregierung hätte zur Unterstützung viele Hebel bewegen können, um die über 8 000 Arbeitsplätze in Oberösterreich zu retten. Sie hätte damit den Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärken können. Der Bundeskanzler hätte eine öffentliche Ermahnung an den MAN-Konzern richten können – Verträge sollten ja doch für alle gelten. Auch die Beteiligung der Öbag hätte in den Raum gestellt werden sollen.

Aber die Regierung – und auch Sie, Herr Minister – glänzt durch noble Zurückhaltung und Abwesenheit, wenn es um den tatsächlichen Einsatz für die arbeitenden Menschen geht! (Beifall bei der SPÖ.)

Hauptsache, die Marketingmaschinerie läuft wie geschmiert, damit alle getäuscht werden können. Wir rufen nicht nach Verstaatlichung für gestrige Strukturen und Tech­nologien, wie uns die Türkisen mit ihren verschrobenen Retroansichten vorhalten. Es geht um etwas ganz anderes: Es braucht den Staat, um die Transformation der Indus­trieproduktion erfolgreich zu vollziehen. Dieser Wandel muss fair, sozial, ausge­wogen und auf Augenhöhe mit den Menschen erfolgen!

Wir brauchen die Transformation in eine Green Economy, und dazu brauchen wir auch einen Social Deal. Es braucht Tempo, es braucht Einsatz – nicht übermorgen, sondern jetzt!

Somit bringe ich einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Retten Sie 8.000 Arbeitsplätze in Steyr. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich, Herr Bun­deskanzler!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles dafür zu tun, den durch den VW/MAN-Konzern von der Schließung bedrohten LKW-Produktionsstandort in Steyr zu erhalten und damit rund 8.000 Arbeitsplätze in der Region zu sichern. Dafür sollen alle zur Verfügung stehenden Instrumente, dazu zählt auch eine mögliche Minderheitsbe­teili­gung gem. § 7 Abs. 5 des ÖIAG-Gesetztes, eingesetzt werden.“

*****

Gehen Sie mit, unterstützen Sie die arbeitenden Menschen in unserem Land! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Genossinnen und Genossen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Retten Sie


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8.000 Arbeitsplätze in Steyr. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich, Herr Bundes­kanzler!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der nächste Redner ist Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.05.20

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es geht um den Bericht des Ministeriums betreffend die EU-Jahresvorschau auf Grundlage des Arbeits­programms der Europäischen Kommission und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates.

Wir Grüne werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass er aus unserer Sicht Fehler enthält. Im Bericht steht – ich zitiere –: „Darüber hinaus befürwortet Österreich nach wie vor die Aufnahme einer Regelung zur Indexierung von Familienleistungen.“

Das ist so nicht richtig. Auch die Grünen sind Österreich, und wir lehnen es selbst­ver­ständlich – wie so ungefähr alle EuropäerInnen, alle EU-RechtlerInnen, wie die Kom­mission und die Mehrheit der EU-Länder – entschieden ab, über die Aliquotierung von Familienleistungen erstens das österreichische Unterhaltsrecht auszuhöhlen und zweitens Kinder zweiter Klasse zu schaffen! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist nicht die Position der österreichischen Regierung, dass Familienleistungen aliquotiert werden sollen. (Bundesrätin Schartel: Wer ist in der Opposition?) Wir sind hier für den europäischen Gedanken, dass jedes Kind in der EU gleich viel wert ist.

Diskutiert wird in diesem Bericht auch der Richtlinienvorschlag über angemessene Mindestlöhne in der EU. Es gibt dazu unterschiedliche Positionen. Aus unserer Sicht werden dadurch die Tarifautonomie der Sozialpartner in Österreich und damit unser bewährtes Kollektivvertragssystem nicht gefährdet.

Mindestlöhne auf EU-Ebene würden in einigen Ländern der EU Verbesserungen der Arbeitsbedingungen bringen. Sie wären eine wirkungsvolle Maßnahme gegen Sozial- und Lohndumping und wären endlich auch einmal ein Schritt in Richtung soziale Union.

Gerade Österreich sollte ein Interesse daran haben, stehen unsere Betriebe doch oft im Wettbewerb mit Unternehmen, die in Ländern produzieren, wo Lohn- und Sozialdumping zum traurigen Alltag gehören. Gerade durch den Brexit sind die Chancen gestiegen, in der EU endlich auch bessere soziale Mindeststandards durchzusetzen. Dies sollten wir nutzen, um Europa gerechter zu machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

19.08


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister für Arbeit Martin Kocher. – Bitte.


19.08.07

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Das letzte Jahr hat aus meiner Sicht gezeigt, dass die großen Herausforderungen, die es gibt – natürlich allen voran die Gesundheitskrise, aber auch die weiteren Herausforderungen im Bereich der Demo­grafie, im Bereich des Klimas und in anderen Bereichen –, nur gemeinsam von der Europäischen Union, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten bewältigt werden können.

Gleichzeitig hat die Krise aber auch gezeigt, dass es in den Mitgliedstaaten sehr unter­schiedliche Voraussetzungen und auch unterschiedliche Ansätze gibt und dass es daher


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eine gewisse Vielfalt unter den Staaten geben muss, was die Maßnahmen betrifft, um eben national maßgeschneiderte Programme zu haben. Es geht also um das Gleich­gewicht zwischen gemeinschaftlicher Zusammenarbeit und nationaler Autonomie, und dieses Gleichgewicht ist in der EU durch das Subsidiaritätsprinzip verwirklicht, das die österreichische Bundesregierung als wichtig erachtet.

Der Bericht, der sich auf das Arbeitsprogramm der Kommission und das Achtzehn­mo­nats­programm des Rates bezieht, hat verschiedene Aspekte.

Im Bereich Arbeit geht es vor allem um drei Themen: Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei prekären, insbe­sondere atypischen Beschäftigungsverhältnissen und den Einsatz von flexiblen Arbeits­formen wie Telearbeit.

Die Kommission hat dem Programm den Titel „Eine vitale Union in einer fragilen Welt“ gegeben und legt den Fokus vor allem auf die europäische Säule sozialer Rechte. Am 4. März 2021 wurde ein Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte präsentiert, der drei beschäftigungs- und sozialpolitische Ziele für 2030 vorsieht und Maßnahmen im Arbeits- und Sozialbereich ankündigt.

Diesen Freitag findet der Sozialgipfel in Porto statt, bei dem unter portugiesischer Präsidentschaft und unter der Einbettung und Einbindung der Sozialpartner die Zukunft der europäischen Arbeits- und Sozialpolitik diskutiert werden wird. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Gipfel.

Unabhängig vom Aktionsplan haben die Europäische Union und die Kommission natür­lich weitere Maßnahmen vorgelegt, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern und um zum Beispiel auch die Sozialwirtschaft zu unterstützen. Eine Maßnahme, die schon kurz angesprochen wurde, ist die Maßnahme zur Verbesserung der Lohntransparenz. Es gibt einen Richtlinienvorschlag zur Lohntransparenz, der sehr neu ist. Die ersten Sitzungen dazu haben in den zuständigen Ratsarbeitsgruppen stattgefunden. Der Vorschlag wurde in Brüssel diskutiert und er wird derzeit genau geprüft. Wir sind froh, dass es in diesem Vorschlag gute und interessante Ideen zur Weiterführung und Verbes­serung der Lohntransparenz gibt.

Bereits im Oktober letzten Jahres hat die Kommission ihren Richtlinienvorschlag für angemessene Mindestlöhne vorgelegt. Ich glaube, jeder hier im Haus stimmt zu, dass faire und angemessene Löhne ein Ziel sein müssen. Die Frage ist natürlich, wie man dieses Ziel am besten erreicht. Es wird eine breite Diskussion über die Maßnahmen und über die Ebene, die dieses Ziel verfolgen sollte, in Europa, aber natürlich auch in Österreich geben, und das ist gut so.

Ein weiterer Punkt, der diskutiert werden wird, ist die Frage, ob die Europäische Union die Zuständigkeit für die Festsetzung von Löhnen hat. Das ist nämlich im EU-Vertrag ausgeschlossen, und die Expertinnen und Experten wissen, dass die rechtliche Anbindung dieses Richtlinienvorschlags für Mindestlöhne eine fragliche ist. Es ist eine spannende Diskussion, die ich als Nichtjurist auch nur rezipieren und nicht vorantreiben kann.

Es gibt aber klarerweise auch inhaltliche Aspekte. Mir geht es um eine EU-rechts­konforme, aber vor allem auch um eine Lösung, die sicherstellt, dass die bewährte Sozialpartnerschaft in Österreich erhalten bleibt und die Kollektivvertragsautonomie nicht eingeschränkt wird. Wir sind mit diesem System sehr gut gefahren.

Ich glaube, es ist auch wichtig, zu sagen, dass es Länder mit sozialdemokratischen Regierungen gibt, die den kritischen, skeptischen Brief an die EU-Kommission unter­schrieben haben; das sind zum Beispiel Schweden und Dänemark – beide haben sozial­demokratische Arbeits- und Sozialminister. In Ländern, die sozialdemokratisch regiert


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sind, gibt es also auch Vorbehalte, die noch ausgeräumt werden müssen, um sicher­zustellen, dass bewährte Systeme der Kollektivvertragsverhandlungen und der Lohnfin­dung erhalten bleiben und nicht eingeschränkt werden.

Die Priorität der Kommission liegt auch auf der vollständigen Umsetzung und Inan­spruchnahme des Programms Sure. Darin geht es um arbeitsmarktpolitische Instru­mente wie die Kurzarbeit und deren Finanzierung. Ich halte dieses Programm und diese Maßnahmen für ein sehr gutes Beispiel für das Zusammenspiel von EU-Ebene und nationaler Ebene, in dem die EU-Mitgliedstaaten maßgeschneiderte Systeme, Kurz­arbeitssysteme entwickeln und die EU das Ganze mit den richtigen Rahmenbedin­gungen unterstützt.

Wir haben die gesundheitliche Krise leider noch nicht überstanden. Der Ausblick ist aus meiner Sicht wieder optimistisch. Gemeinsam können wir es schaffen, als Europäische Union gestärkt aus der Krise zu gehen. Dabei ist noch viel zu tun, wenn es darum geht, die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Effekte dieser Krise auch mittelfristig möglichst rasch zu überwinden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.14

19.14.06


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich sehe, die Plätze sind eingenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Schriftführung und Vorsitz machen von ihrem Stimmrecht Gebrauch.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Retten Sie 8.000 Arbeitsplätze in Steyr. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich, Herr Bundeskanzler!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

19.15.248. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungs­finanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler geändert wird (1475/A und 789 d.B. sowie 10619/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um den


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Bericht.


19.15.57

Berichterstatter Andreas Lackner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinan­zierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler, und ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.


19.17.05

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, von wo immer Sie uns jetzt noch zusehen und zuhören! Dieser Tagesordnungspunkt ist an sich ein sehr erfreulicher – wir helfen wieder den Künstle­rinnen und Künstlern. Das werde ich noch ausführen.

Lassen Sie mich noch einmal kurz auf diese schrecklichen Ereignisse der heutigen Nacht zurückblicken – aus meiner Betroffenheit als Gemeindebürgerin und als jemand, der die Situation persönlich kennt! Ich bedanke mich bei allen, die ihre Solidarität gezeigt haben. Ich habe mit dem Bürgermeister telefoniert, er bedankt sich auch. Es ist für uns einfach nicht greifbar, nicht zu fassen, wie jeder sagt. Meine Tochter hat dann geschrie­ben: Es war doch immer so weit weg und jetzt ist es da. – Das beschäftigt mich schon sehr, und ich bin froh, dass wir alle sagen: Es geht etwas weiter, wir machen etwas!, denn da kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. – Vielen Dank, dass wir eine so große Solidarität haben, wenn es darum geht, ein Bekenntnis gegen diese Frauenmorde abzulegen und dagegen aufzutreten.

Nun zu diesem sehr positivem Tagesordnungspunkt, denn – vielleicht spüren Sie es auch – es gibt eine Vorfreude im Land anlässlich dieses 19. Mai. Es sperren die Gasthäuser, die Hotels und auch die kulturellen Einrichtungen auf. Veranstaltungen können wieder stattfinden. Ich habe zwischenzeitlich sehr viele Informationen und Mails von Kulturveranstalterinnen und -veranstaltern bekommen, dass sich etwas tut. Ich darf nur ein paar bei uns in Salzburg nennen: Bei uns startet die Bachschmiede in Wals wieder ihr Programm, die Pfingstfestspiele werden stattfinden, die Szene Salzburg, die Choreografin Editta Braun, wird etwas performen, das Rockhaus in Salzburg gibt bereits am 20. ein hybrides Konzert, am 27. auch analoge Konzerte und wird am 28. schon wieder live performen.

Die Schlossbergspiele in Mattsee und die Seebühne Mattsee freuen sich schon auf Vorstellungen. Sie beginnen jetzt intensivst mit den Proben, denn sie wissen, es kann etwas aufgeführt werden. Das Straßentheater Salzburg – eine Institution der Kulturver­einigung Salzburg –, das letztes Jahr leider ausfallen musste, beginnt auch wieder mit den Proben. Die Künstler sind zuversichtlich, dass sie ab 14.7. durchs Land fahren können, und die Kulturvereinigung selbst wird bereits am 19.5. eine Lesung mit Michael Köhlmeier veranstalten.


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Das Jugendprogramm der Salzburger Festspiele wird mit drei öffentlichen Vorstellungen im Salzburg Museum, im Kulturzentrum Hof und in Bischofshofen wieder aufgenommen.

Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Es ist wirklich schön, dass sich etwas tut. Wir freuen uns aber noch viel mehr, dass die Kulturschaffenden wieder das tun können, was sie wirklich wollen. Sie wollen performen, sie wollen ihren Lebensunterhalt verdienen, sie wollen uns erfreuen – und das ist wirklich ein gutes Zeichen.

An einer Lösung für die Blasmusik – ich glaube, das wissen Sie, Frau Staatssekretärin – wird auch noch gearbeitet. Das ist ein ganz großes Anliegen. Die Blasmusik feiert heuer ihr 70-jähriges Jubiläum und es sind doch 2 182 Musikvereine dabei, die proben wollen, denn es kommen ja – Gott sei Dank – im Sommer wieder die Konzerte. Die müssen etwas vorbereiten. Vielleicht können Sie kurz darauf eingehen, wie der aktuelle Stand ist. Ich habe gehört, es gibt einen guten Ansatz. Es wäre die große Bitte, dass auch das wieder möglich ist. Dies gilt natürlich auch für die Chöre, die in die Überlegungen mit hineingenommen sind.

Wir beschließen heute die neuerliche Aufstockung des Überbrückungsfinanzierungs­fonds für selbstständige Künstlerinnen und Künstler, mit zusätzlichen 20 Millionen Euro auf 140 Millionen Euro. Wir haben im Ausschuss gehört, der aktive Auszahlungsstand liegt schon bei 116 Millionen Euro. Diese Woche wären die 120 Millionen Euro aus­geschöpft. Es gab bisher 41 683 Anträge von ungefähr 9 000 Personen, weil einige natürlich auch mehrmals beantragt haben.

Es ist gut, dass wir auf 140 Millionen Euro aufstocken. Damit wird sichergestellt, dass wir bis Ende Juni genügend Geld zur Verfügung haben. An dieser Stelle sage ich ein wirklich großes Dankeschön an alle verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SVS, die, wie wir immer hören, für eine sehr unkomplizierte und rasche Abwicklung dieser Hilfsleistung sorgen und auch nach wie vor sorgen werden – vielen Dank allen, die daran beteiligt sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben in dieser gesamten Pandemiezeit insgesamt schon 13 Unterstützungsmaß­nahmen für Kunst und Kultur auf den Weg gebracht, zum Beispiel den Fonds des KSVF, den Härtefallfonds, die Kurzarbeit et cetera, und damit insgesamt ungefähr 1 Milliarde Euro für Kunst und Kultur in die Hand genommen. Wir schaffen damit gerade für die Kunst- und Kulturschaffenden eine gute Möglichkeit, jetzt auch noch den Übergang gut zu bewältigen. Vielleicht, Frau Staatssekretärin, werden wir noch das eine oder andere brauchen, denn die Pandemiezeit ist ja noch nicht zu Ende. Wir sind am Ende des Marathons, aber viele können ja nicht gleich von Null auf Hundert starten. Es gibt Prä­ventionskonzepte. Viele können gar nicht zur Gänze, sondern nur zur Hälfte belegen. Ich weiß das von den Festspielen und auch von anderen. Da wird vielleicht die eine oder andere Unterstützung noch gebraucht. Ich denke, wir werden uns dann auch im Sinne unserer Kulturschaffenden großzügig zeigen müssen.

Das Wichtigste, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist aber, dass die österreichischen Künstlerinnen und Künstler wieder auftreten können. Das wollen wir alle; das wollen die Künstlerinnen und Künstler und das wollen wir auch. Wir wollen Kunst und Kultur wieder live erleben können, wo immer es für jeden Einzelnen passt, und den Künstlerinnen und Künstlern den notwendigen Applaus geben – das ist auch für sie notwendig.

Darum meine große Bitte: Gehen Sie jetzt hin, unterstützen Sie die Künstlerinnen und Künstler! – Ich habe Sie schon damals als die Museen wieder geöffnet wurden, gebeten: Gehen Sie in die Museen!, und nun bitte ich Sie: Gehen Sie zu den Veranstaltungen, Sie werden gebraucht! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

19.24



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Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Eva Prischl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


19.24.36

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich stehe heute auch mit Vorfreude da. Ich freue mich wirklich schon sehr auf die Öffnung der Theater, auf die Konzerte. Ich bin ein großer Kulturfan und freue mich schon, wie gesagt.

Doch nun zu meiner Rede: Während in Paris Theaterleute eine Bühne besetzen, um gegen die ihrer Meinung nach zu geringen Hilfen zu protestieren, haben im deutsch­sprachigen Raum Akteure unter dem Hashtag alles dicht machen eine Aktion ins Leben gerufen und damit medial und virtuell große Aufmerksamkeit erregt.

Ich will diese Videos überhaupt nicht bewerten. Sie haben sich in überzeichneter Weise mit den Coronamaßnahmen auseinandergesetzt. Die Berichterstattung in den Medien war entsprechend groß. Dieser „Tatort Kultur“ war jedenfalls ein Aufbegehren der Kulturbranche, der Kulturschaffenden, ein lauter Aufruf der Branche, um in Zeiten des Nicht-Auftreten-Könnens auf die verzweifelte Lage aufmerksam zu machen. Diese Zeit ist überbordend lang. Fast 200 Tage lang – so habe ich recherchiert – waren die Vorhänge geschlossen. Dieses Coronajahr ohne das Baden in der Menge, ohne Applaus und ohne Interaktion mit dem Publikum ist für die Kulturbranche unumstritten nachhaltig. Umso erfreulicher ist es, dass diese Vorhänge endlich wieder aufgehen und es wieder Leben auf den Bühnen geben wird.

Geplant ist die Öffnung der Veranstaltungsstätten mit 19. Mai – meine Vorrednerin hat es schon gesagt. Es ist eine Perspektive für die Kunst- und Kulturszene und für uns KulturliebhaberInnen, wenn ich das so sagen darf. Andrea ist auch mit Herzblut dabei, das merkte man bei ihrer Rede.

Die Vorfreude in meinem Bundesland Niederösterreich ist ebenfalls sehr groß. Ich habe auch ein bisschen recherchiert und darf ein paar Veranstaltungen nennen: Am 19. Mai ist im Landestheater der Stadt Sankt Pölten die Uraufführung von Teresa Doplers „Monte Rosa“. Das Festspielhaus Sankt Pölten bietet am 20. Mai Theater- und Zirkuskunst. Die Bühne im Hof startet mit Kleinkunstdarbietungen und das Programmkino Cinema Paradiso – die Kinos dürfen ja auch wieder aufmachen – zeigt am 19. Mai gleich zwei oscarprämierte Filme, und zwar in Sankt Pölten und in Baden.

Die Einschränkungen mit indoor bis zu 1 500 Personen und outdoor bis zu 3 000 Per­sonen, nur mit Bestuhlung und bis zu maximal 50 Prozent der Kapazität, sind massiv. Wirtschaftlich erfolgreich wird man so sicherlich nicht agieren können. Daher befür­wor­ten wir von der sozialdemokratischen Fraktion diese Aufstockung des Überbrückungs­fonds für selbstständige KünstlerInnen um weitere 20 Millionen Euro.

Insgesamt stehen damit 140 Millionen Euro für die Kulturschaffenden in Notlage und für weitere coronabedingte Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung. Als Bereichs­spreche­rin für Kunst, Kultur und Medien ist es mir auch ein Herzensanliegen, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, nochmals darauf hinzuweisen, dass es neben den angemessenen finanziellen Mitteln zur Überbrückung der Krise – für die wir herzlich danken – auch rechtliche Rahmenbedingungen braucht, um den Wiederaufbau der Kunst-, Kultur- und Kreativwirtschaft zu sichern. Die vielen Berufsfelder dieser Branche sollten neu bewertet und vor allem, wie ich finde, aufgewertet werden. Die Menschen, die in diesem Bereich tätig sind – und auch für uns tätig sind –, leisten wirklich wertvolle Arbeit.


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Abschließend möchte ich noch sagen: Ich wünsche allen Künstlerinnen, Künstlern und Kulturschaffenden für den Neustart toi toi toi. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

19.28


Präsident Mag. Christian Buchmann: Bundesrat Markus Leinfellner ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.28.52

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Dass dem Ressortzuständigen Vizekanzler Kunst und Kultur nicht wirklich ein Herzensanliegen sind, sehen wir, glaube ich, schon daran, dass er dafür eine Staatssekretärin eingesetzt hat. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Nein!)

Ihre Vorgängerin, Frau Staatssekretärin, Frau Ex-Staatssekretärin Lunacek hat ja recht rasch eingesehen, dass in der Kunst und Kultur alles schiefgelaufen ist, was nur schief­laufen sollte, und von Ihnen, Frau Staatssekretärin, haben wir bis jetzt sehr, sehr wenig gesehen. Falls also jemand die Dame links von mir nicht kennen sollte: Das ist die Zuständige für Kunst und Kultur, unsere Staatssekretärin Mayer – herzlich will­kom­men!

Wie aber schaut es im Bereich der Kunst und Kultur in Österreich jetzt wirklich aus? Die Künstler stehen vor den Scherben ihrer Existenz. Sie wissen nicht mehr, wie es weitergeht. Viele Entertainer, Musiker haben im vergangenen Jahr ihre gesamten Er­spar­nisse aufbrauchen müssen, damit sie überhaupt über die Runden gekommen sind, damit sie sich das Leben finanzieren konnten. Es gibt keine Perspektiven, keine Hoff­nung und keine konkreten Aussagen von Ihnen. Das Einzige, das wir immer hören: Die nächsten 14 Tage werden entscheidend sein. – Ja, Frau Staatssekretärin, die nächsten 14 Tage werden jetzt wirklich entscheidend sein, denn diese Menschen wissen nicht mehr, wie es weitergeht. Sie haben keine Zukunftsaussichten, und da helfen auch mitleidsvolle Worte nichts mehr. Diese Menschen brauchen endlich wieder Normalität.

Unsere Österreicher brauchen Normalität, aber vor allem unsere Künstlerinnen und Künstler, denn das letzte Jahr hatten sie es wirklich nicht leicht. Ja, natürlich werden wir dieser Überbrückungsfinanzierung zustimmen, auch wenn wir eine solche Über­brückungs­finanzierung ohne die Chaospolitik dieser Bundesregierung gar nicht bräuchten. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Man darf auch nicht vergessen, dass all diese Fördermaßnahmen, dieser gesamte Förderdschungel für all unsere Künstler und Kulturschaffenden nahezu undurchblickbar ist – ein Dickicht an Förderungen. Unterm Strich kommt meist sehr wenig heraus, weil die Voraussetzungen nicht oder sehr mangelhaft erfüllt sind. Indirekte Auftrittsverbote helfen unseren Künstlern nicht. Auch die völlig überzogenen Maßnahmen dieser Bun­desregierung helfen den Künstlern nicht. Gerade im Bereich der Kunst und Kultur ist es nicht fünf vor zwölf, da ist es in Wirklichkeit bereits fünf nach zwölf. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann Ihnen nur sagen: Hören Sie auf, die Krise durch dieses Land zu führen! Sorgen Sie endlich für Normalität! Unsere Künstler haben es sich wirklich verdient. Sie brauchen eine Zukunft, sie brauchen Perspektiven. Öffnen wir sämtliche Kunst- und Kulturein­rich­tungen und hören wir mit diesen völlig überzogenen Maßnahmen auf! (Beifall bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

Die einzige Möglichkeit, dass in diesem Land wieder Normalität einkehrt, ist der ge­schlossene Rücktritt dieser Bundesregierung, den ich Ihnen wieder ans Herz legen darf. (Beifall bei der FPÖ.)

19.32



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 176

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.32.38

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Wenn wir heute schon die ganze Zeit darüber sprechen, wie man Frauen behandelt – das ist ja doch ein ziemlicher Schwerpunkt unserer heutigen Sitzung –, und wenn dann mein Vorredner meint, es hätte der große Minister da zu sein, aber ich kriege ja nur eine Frau (Bundesrat Steiner: Das hat er ja gar nicht gesagt!), dann sagt das schon sehr viel über das Frauenbild einer Partei aus. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Genau das Gegenteil, Herr Kollege Leinfellner, ist der Grund: Wir haben eine Staats­sekretärin, die für Kultur zuständig ist, und ich finde, das ist das, was wichtig ist, und sie macht diesen Job toll. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich muss sagen, ich war über diese Aussage wirklich erschrocken. Das muss ich wirklich sagen. Nichtsdestotrotz: Wir beschließen heute etwas – ich glaube, einstimmig, was mich sehr freuen würde –, das durchaus sinnvoll ist. Ich möchte hier schon auch einmal etwas anmerken, weil ich schon den ganzen Tag die Debatten, die hier laufen, beob­achte: Manchmal hat man das Gefühl, die Republik steht am Abgrund und jeder stirbt oder alles ist kaputt und nichts funktioniert mehr. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Also eines möchte ich schon sagen – das möchte ich jetzt wirklich einmal sagen –: Ich bin in der Kulturszene wirklich gut vernetzt. Wenn ich dort erzähle, was wir für Töpfe und Fonds haben, zum Beispiel diesen Topf heute! – Wir haben diese Überbrückungs­finan­zierung geschaffen, nachdem wir schon Töpfe hatten, weil wir bemerkt haben, dass es eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern gibt, die nicht in die anderen Formate, zum Beispiel in den Nothilfefonds der Wirtschaftskammer, hineinpassen. Daher haben wir diesen Topf in der SVS eingerichtet, damit Leute, die dort nicht angemeldet sind, eine Möglichkeit haben, Hilfe zu bekommen, und sie haben diese Hilfe bekommen. Wir haben bei diesem Thema immer gesagt: Wenn es nicht reicht, dann treffen wir uns wieder, dann stocken wir auf, und genau das machen wir heute. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn ich das meinen Kolleginnen und Kollegen in den Niederlanden und in Deutschland erzähle, dann sagen sie: Pfoh! Ich finde, wir sollten gerade in dieser Pandemie schon auch sagen: Es gibt vernünftige und gute Dinge. Diese Überbrückungsfinanzierung ist so ein gutes Ding, eine gute Sache.

Wir werden – und darauf freue ich mich auch schon – am 19. Mai öffnen. Das ist wirklich eine der schönsten Nachrichten überhaupt. Wir werden natürlich gewisse Sicherheits­maßnahmen einhalten müssen. Wir werden eine FFP2-Maske aufsetzen müssen, es wird ein Sitzplatz zwischen den Besucherinnen und Besuchern im Theater frei sein. Wir werden gewisse Einschränkungen haben – aber bitte, liebe Leute, unterstützt eure Künstlerinnen und Künstler am besten dadurch, indem ihr Tickets kauft! Geht in die Theater, geht wieder ins Kino, geht in die Symposien und streitet euch! Macht es wieder so, wie es einmal war! Ich höre so oft: Wir wollen das alte Leben zurück. Wir sind noch nicht ganz so weit, dass es so geht wie früher, aber es geht wieder, und das ist, glaube ich, die beste Nachricht, die wir haben können. Es wird auch gehen, weil wir eine tolle Testinfrastruktur in Österreich haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist auch etwas, was mich die ganze Zeit wundert: Wenn ich hier herinnen sitze, dass ich dann das Gefühl vermittelt bekomme, Österreich ist ganz schlecht. Das wird nämlich suggeriert. Ich sage es wieder: Erzähle ich meinen Freunden und meinen Verwandten in den Niederlanden, dass man hier gratis Selbsttests nach Hause mitnehmen kann, dass Antigentests nichts kosten (Bundesrat Steiner: Das ist aber vom Steuergeld!), dass


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man in Wien – eine ganz tolle Sache – die Gurgeltests hat – da kriegt man super Tests, die wir zu Hause vor dem Handy durchführen und haben dann einen PCR-Test - - (Bundesrat Steiner: Aber das ist Steuergeld, das ist ja nicht gratis!) – Hättest du gerne, dass die Leute 40 Euro nur für einen Antigentest zahlen müssen, wie in den Nieder­landen, oder dass man 100 Euro zahlt? Wäre das euer Sicherheitskonzept, dass die Leute das aus der eigenen Tasche zahlen müssen? (Beifall bei Grünen und ÖVP.) – Nein!

Wir haben gesagt: Es ist im öffentlichen Interesse, dass Leute getestet werden können, und es ist im öffentlichen Interesse, dass Leute, die getestet, geimpft oder genesen sind, Kulturveranstaltungen besuchen können. Das ist der Weg zurück und es ist der einzig mögliche Weg zurück, um Menschenleben zu retten. Darum geht es und um nichts anderes. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.37


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staats­sekretärin Andrea Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.37.40

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundes­räte! Lassen Sie mich bitte am Beginn meiner Wortmeldung festhalten: Es ist unerträg­lich, dass in der vergangenen Nacht zwei weitere Frauen ihr Leben verloren haben. Meine aufrichtige Anteilnahme gilt den Angehörigen und allen Menschen, die in der näheren Umgebung sind und in deren Leben auf einmal die Gewalt so hineingeplatzt ist.

Es ist kein Beziehungsdrama, sondern ein kaltblütiger Akt männlicher Gewaltausübung. Diese Gewalt an Frauen ist ein strukturelles Problem in Österreich. Es muss ein Ende haben. Ich bin froh, dass die Bundesregierung unmittelbare Maßnahmen setzen wird.

Gewalt an Frauen hat aber viele Facetten. Mord ist der äußerste Akt dafür, Machtmiss­brauch begegnet Frauen bei vielen Gelegenheiten. Auch für mich ist es nicht lustig, hier hingestellt zu werden als die, die nicht gesehen wird, die nicht vorhanden ist. Ich arbeite von früh bis spät für diesen Bereich. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Wie gesagt: Machtmissbrauch hat viele Facetten. Auch der Kulturbereich ist davor nicht gefeit. Prekäre Arbeitsverhältnisse, sehr steile Hierarchien, oft sehr persönliche, enge Arbeitsbeziehungen tragen das ihre dazu bei. Mir ist wichtig, dass Frauen oder auch Männer, wenn sie in Bedrängnis gelangen, nicht alleingelassen werden. Jeder und jede, der/die von einem Missbrauch bedroht ist oder ihn schon erleben musste, soll wissen: Er oder sie ist in Österreich nicht allein. Deshalb haben wir im Kulturressort im Rahmen unseres Fairnessprozesses jetzt sehr zeitnah geplant, eine Vertrauensstelle für alle im Kunst- und Kulturbereich Tätigen einzusetzen.

Doch jetzt, sehr geehrte Damen und Herren, zum eigentlichen Thema: Nachdem die Museen und die Ausstellungshäuser auch in der Ostregion bereits seit 3. Mai wieder offen haben, freuen wir uns jetzt alle auf die Öffnungen am 19. Mai, wie wir seit heute wissen, in ganz Österreich, und das ist eine gute Nachricht!

Es wird eine neue Phase, die für uns alle, aber insbesondere für Künstlerinnen und Künstler in diesem Land, eine so notwendige Perspektive bietet. Für den Kulturbereich konnten wir sicherstellen, dass die Maßnahmen in diesem ersten Öffnungsschritt einen lebendigen, einen vielfältigen und auch einen praxistauglichen Betrieb möglich machen.

Ich bin in diese Verhandlungen zur Öffnung und in die Erstellung der Verordnung natür­lich auch für meinen Bereich involviert und darf Ihnen versichern, sehr verehrte Frau


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Bundesrätin, dass mir der Laienbereich auch sehr, sehr lieb ist, und ich weiß, wie wichtig er in Österreich ist. Die Theatervereine, die Blasmusik, die Chöre gehören zu unserem Land, sie halten unsere Gesellschaft zusammen – und das ist ein derzeit sowieso sehr, sehr wichtiger Bereich. Ich habe mich daher von Anbeginn auch dafür eingesetzt. Ich möchte jetzt der Endredaktion und der Veröffentlichung der Verordnung nicht vorgreifen, aber ich denke, es wird so sein, dass das Proben auch im Bereich der Chöre, Blasmusik und Laientheater möglich sein wird, und bei den Veranstaltungen wird nicht zwischen professionellen und anderen unterschieden.

Dennoch werden die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auch ab dem 19. Mai die Arbeitstätigkeit von freischaffenden Künstlerinnen und Künstler noch nicht vollum­fänglich möglich machen. Veranstaltungen werden unter kontrollierten Bedingungen stattfin­den müssen. Es wurde schon öfter erwähnt, welche das sind.

Damit diese Übergangsphase aber auch gelingt, haben wir erst vor Kurzem ein Neustartkulturpaket mit einer Gesamtdotierung von 20 Millionen Euro geschaffen, das neue Impulse für das Wiederaufleben der Kultur bringen soll.

Auch im Bereich der Unterstützungsleistungen müssen wir noch einmal nachschärfen, und damit komme ich zum ureigensten Thema dieses Tagesordnungspunktes. Wir mussten pandemiebedingt leider länger als ursprünglich prognostiziert mit einem weitge­henden Verbot von Veranstaltungen mit Publikum leben. Mit mehreren Sonderzahlun­gen haben wir diese Situation für die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler zumin­dest ökonomisch abzufedern versucht. Dies hat bei der Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler, die über die SVS abgewickelt wird, zu einem derzeitigen Auszahlungsstand von knapp über 115 Millionen Euro geführt. Diese Zahl muss man sich erst einmal vor Augen führen! Begonnen haben wir diesen Topf ja mit einer Dotierung von 90 Millionen Euro. Damals haben viele gesagt, so viel Geld werde man gar nicht brauchen. Seither haben wir aber zweimal erhöht, und auch heute werden Sie, sehr geehrte Damen und Herren, mit Ihrem Beschluss grünes Licht für eine weitere Erhöhung auf 140 Millionen Euro geben.

Insgesamt konnten wir mit dieser Überbrückungsfinanzierung über 9 000 Künstlerinnen und Künstler rasch und unbürokratisch in dieser Krise unterstützen. Mit dieser Erhöhung wird sichergestellt, dass wir bis Ende Juni – so lange laufen die aktuellen Richtlinien – gewährleisten können, dass genug Geld zur Verfügung steht, um alle Anträge bearbeiten zu können.

Ich möchte mit einer optimistischen Zukunftsprognose schließen: Auch wenn diese Überbrückungsfinanzierung als internationales Best-Practice-Beispiel gilt, soll die hier vorliegende Erhöhung hoffentlich die letzte dieser Art sein, denn das würde bedeuten, dass wir ab Juli Rahmenbedingungen setzen können, die Künstlerinnen und Künstlern umfassende Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten eröffnen. Auf diesen Kultursommer freue ich mich mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, jetzt schon. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.45

19.45.21

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Ich sehe, die Plätze sind bereits eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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19.45.489. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend eine Vereinbarung zwi­schen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europä­ischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar (631 d.B. und 785 d.B. sowie 10613/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um den Bericht.


19.46.22

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Grüß Gott, Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betref­fend eine Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten König­reich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar.

Die Unterlagen liegen Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

19.47.12


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen dazu keine vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

An dieser Stelle begrüße ich Frau Bundesministerin für Justiz Alma Zadić recht herzlich bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

19.47.4010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Einführungsgesetz zur Exekutionsordnung, die Insolvenzordnung, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gerichtsgebüh­ren­gesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Unternehmensgesetzbuch, das EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschaftsgesetz, das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz, die Notariatsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Ein­getragene Partnerschaft-Gesetz, das Urkundenhinterlegungsgesetz, das Rechts­pflegergesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Asylgesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Mineralrohstoffgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert wer­den sowie die Anfechtungsordnung und das Vollzugsgebührengesetz in die Exekutionsordnung übernommen werden (Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx) (770 d.B. und 786 d.B. sowie 10614/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 180

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner. – Ich bitte um den Bericht.


19.48.10

Berichterstatterin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend Gesamtreform des Exekutionsrechtes.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Bitte schön.


19.48.56

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Es liegt eine umfassende und praxisnahe Reform und Überarbeitung der Exekutionsordnung zur gerichtlichen Durchsetzung von Forderungen vor. Beide, GläubigerInnen- als auch SchuldnerInneninteressen, werden abgedeckt und Verfahren erleichtert.

Bei ­­dieser Reform geht es unter anderem um ein effizientes Zusammenspiel von Exe­kutions- und Insolvenzverfahren, Forderungen auf verschiedene Vermögenswerte werden in einem Exekutionspaket zusammengefasst, Verwalter und Verwalterinnen werden bestellt, die ein Vermögensverzeichnis erstellen und Gehaltsexekutionen durch­führen können, und bei offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten wird das Exekutionsverfahren abgebrochen und das Insolvenzverfahren eingeleitet.

Letztere Maßnahme trägt entscheidend dazu bei, die Verfahren abzukürzen, was für alle Beteiligten von Vorteil ist. Die Gerichte können sachgerechter arbeiten und werden entlastet. Für die GläubigerInnen klärt sich eine oft undurchsichtige Situation, denn durch die Zusammenführung der Exekutionsmittel in ein Exekutionspaket und durch die VerwalterInnen, die Vermögen kennen, ersparen sich die Gläubiger vergebliche Exeku­tionsanträge. Damit sparen sie Gerichtsgebühren und Zeit.

Hier ein Exkurs aus dem Ausschuss: Im Gegensatz zu den durch die Reform erhöhten Gebühren in anderen Verfahren, wie zum Beispiel bei Hass-im-Netz-Delikten, werden die Gebühren verringert. – Danke, Frau Ministerin. – Damit wird das Argument der überschießenden Kostendeckung durch die Einnahme von Gebühren entkräftet.

Für die Verpflichteten rückt die Entschuldung näher, und die Gefahr weiterer Verschul­dung wird durch die rasche Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit die Beschleu­nigung des Verfahrens vermieden. Es kommen keine weiteren Schulden durch erfolg­lose Exekutionen hinzu, und die Zinsanhäufung für die Verpflichteten wird gestoppt.

Ja, es wird zu Recht gesagt, Menschen tappen zu leicht in die Schuldenfalle. Daher ist es wichtig, die für die Betroffenen kostenlosen SchuldnerInnenberatungsstellen, die im Auftrag des Justizministeriums arbeiten, nicht zu vergessen. Durch die Novelle wird den


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Beratungsstellen ermöglicht, Einsicht in bestimmte Exekutionsdaten zu bekommen. Das hilft, um gemeinsam mit den SchuldnerInnen die Verfahren besser vorzubereiten.

Wer schon einmal in ein Gerichtsverfahren involviert war, weiß, wie anstrengend ein solches ist und wie sehr es gerade im Fall von Schulden belastet, immer wieder vor Gericht zu kommen, immer wieder den Sachverhalt von Neuem aufzurollen, in die Vergangenheit zu schauen und an die Misere zu denken, anstatt aktiv in die Zukunft zu blicken und entsprechend zu handeln. Daher ist diese Neuregelung und die in Aussicht gestellte Evaluierung 2026 sehr begrüßenswert.

Ein weiterer wichtiger Punkt – wir haben ihn heute schon angesprochen – der Reform der Exekutionsordnung betrifft eine bisher nur für die Coronazeit geltende Maßnahme, nämlich die Möglichkeit der Einbringung von Anträgen auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen durch Opferschutzeinrichtungen in Vertretung von Frauen, die von Gewalt und Stalking betroffen sind. Sie wurde legistisch überarbeitet und ins Dauerrecht überführt.

Das möchte ich nochmals kurz ausführen, weil es so wichtig ist, um weitere Gewalt zu vermeiden: Opferschutzeinrichtungen können künftig in Vertretung der Frauen, die von ihren Partnern oder Ex-Partnern mit Gewalt bedroht werden, Anträge auf einstweilige Verfügungen, auf Wegweisungen, auf Betretungs-, Aufenthalts- oder Kontaktverbote bei Gericht einbringen. Das hat sich bewährt, da Frauen in dieser Krisensituation Unterstüt­zung bedürfen.

Warum? – Schauen Sie sich den österreichischen Film an, eine Dokumentation von Carola Mair, sie nennt sich „Liebes:Leben“, in der von Gewalt betroffene Frauen erzäh­len, wie schwer es ist, aus solch einer leidvollen Beziehung auszusteigen. Sie haben es aber geschafft. Sie nennen auch die Gründe, warum es so schwer ist: finan­zielle und psychische Abhängigkeit, das Verantwortungsbewusstsein gegenüber Kin­dern, gesell­schaftlicher Druck, Isolation durch fehlenden Kontakt zu FreundInnen oder Familie, oder weil die Frauen glauben, selbst an der Gewalt schuld zu sein, sie zu provo­zieren, oder die Angst, damit noch mehr Gewalt hervorzubringen, und schließlich auch die Hoffnung auf Besserung. Das sind Gründe, warum es Frauen schwerfällt, selbst den entschei­denden Schritt zu setzen und zu Gericht zu gehen, um eine solche einstweilige Verfü­gung gegen ihren Ehemann, den Vater ihrer Kinder, Partner oder Ex-Partner zu setzen.

Diesen Schritt kann ihnen nun mittels Vollmacht eine Opferschutzeinrichtung abnehmen. Das gibt den Frauen Zeit, um Abstand zu gewinnen und um sich aus der Gewaltspirale einer toxischen Beziehung zu befreien. Das ist das Wichtigste. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.53


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin.


19.54.02

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Die gegenständliche Re­gierungsvorlage basiert auf einer umfassenden Evaluation des bestehenden Exe­ku­tionsrechts und adressiert die zahlreichen Verbesserungs- und Modernisierungs­mög­lichkeiten. Dies bedingt die Anpassung einer Vielzahl von Gesetzesmaterien. Insgesamt zielt dieses umfassende Reformpaket auf eine Steigerung der Effizienz und Effektivität des Exekutionsverfahrens ab.

Ziel der Vorlage ist unter anderem, eine Verbesserung für die Schuldner zu erreichen, indem eine nachhaltige Entschuldung erleichtert und eine Anhäufung von immer noch


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höheren Schuldenbergen verhindert werden soll. In vielen Fällen verhält es sich so, dass Exekution nicht nur betreffend eine unbeglichene Schuld, sondern betreffend mehrere geführt werden muss. Oft wissen die Verpflichteten gar nicht, dass sie bereits insolvent sind, und häufen entsprechend weitere Schulden an. Durch die nunmehr engere Verzah­nung zwischen Exekutions- und Insolvenzverfahren soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass es schneller zu einem Insolvenzverfahren kommt. Dadurch sollen ein Zins- und Kostenstopp und in weiterer Folge eine raschere und nachhaltigere Entschuldung erreicht werden.

Einen wesentlichen Kernpunkt der Vorlage stellt die Zusammenfassung der Exekutions­mittel dar. Wird von einem Gläubiger Exekution beantragt, ohne ein Exekutionsmittel zu nennen, so umfasst dies künftig als erweitertes Exekutionspaket die Fahrnisexekution, die Gehaltsexekution und die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses. Hierzu soll ein Verwalter bestellt werden, dem die Ermittlung der Vermögensobjekte, die Auswahl der geeigneten Objekte und die Durchführung des Verfahrens obliegt. Dies bringt eine ent­scheidende Effizienz für die Gläubiger, etwa weil der Rückgriff auf offene Forderungen des Schuldners bisher praktisch nur schwer möglich war.

Bei unselbstständigen Erwerbstätigen wird meist Fahrnis- und Gehaltsexekution ge­wählt, aber Unternehmer verfügen meist nicht nur über bewegliche Sachen, sondern auch über offene Forderungen und andere Vermögenswerte. Auch die Verwertbarkeit der Vermögenswerte wird durch die Reform entscheidend verbessert. Durch die Einset­zung eines Verwalters und dessen Einsichtsrechte in die Bücher des Verpflichteten sowie entsprechende Auskunftspflichten ergeben sich hier entscheidende Verbesserun­gen.

Die Vorlage bringt auch eine Erleichterung für die Arbeitgeber, und zwar bei der Lohn­pfändung. Bislang wurde immer wieder kritisiert, dass Beschlüsse des Gerichts über die Zusammenrechnung der Bezüge sowie die Erhöhung und Verminderung des Existenz­minimums nur auf das Verfahren wirken, in dem der Antrag gestellt und bewilligt wurde. Sind nun mehrere Exekutionsverfahren gegen einen Verpflichteten anhängig, ergab sich für die Arbeitgeber eine nur schwer durchschaubare Rechtslage. Die Zusammenfassung aller Verfahren bei einem Gericht bringt hier eine entscheidende Verbesserung. Dies ermöglicht es, vorzusehen, dass die Entscheidungen für alle Exekutionsverfahren des Verpflichteten wirken.

Dies ist schließlich auch zum Vorteil der betroffenen Arbeitnehmer, da die abschrecken­de Wirkung einer anhängigen Lohnexekution im Falle eines Arbeitgeberwechsels insbe­sondere aufgrund des bisherigen administrativen Aufwandes deutlich gemindert wird. Wenn ein Verwalter bestellt ist, weil der betreibende Gläubiger auf alle Forderungen des Verpflichteten Exekution führt oder das erweiterte Exekutionspaket gewählt hat, gibt es einen weiteren Vorteil für die Arbeitgeber als Drittschuldner: Die Arbeitgeber können in der Drittschuldnererklärung angeben, dass sie die Berechnung des unpfändbaren Be­trages, das heißt, des Existenzminimums, durch den Verwalter wünschen. Das ist vor allem für Klein- und Mittelbetriebe eine Entlastung und vermindert auch die Gefahr der Haftung der Drittschuldner.

Auch wir sind in unserem Unternehmen im Zuge der Lohnabrechnung immer wieder mit solchen Lohnexekutionsverfahren beschäftigt. Diese hier vorgesehenen Änderungen bringen in der Praxis wirklich eine Erleichterung, weshalb ich diese Gesetzesvorlage sehr begrüße.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei Ihnen, Frau Bundesministerin, bedanken, dass die Rückmeldungen und Anregungen in diesem Bereich in die Gesetzesänderungen mitaufgenommen wurden. Dies hilft, wie bereits erwähnt, nicht nur den Unternehmen,


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sondern auch den betroffenen Arbeitnehmern. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Speziell erwähnen möchte ich auch noch einen weiteren sehr begrüßenswerten Punkt, den meine Vorrednerin Kollegin Kittl bereits angesprochen hat: Die während der Corona­pandemie geschaffene Möglichkeit, wonach Opferschutzeinrichtungen Opfer häuslicher Gewalt vertreten dürfen, soll nun fix im Exekutionsrecht verankert werden. Auch wenn auf den ersten Blick der Zusammenhang mit dem Exekutionsrecht nicht hervorsticht, ist dies für betroffene Personen entscheidend. Wir sprechen hier von Personen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden und ihre Wohnung aus Angst vor ihren Peinigern nicht verlassen können oder wollen.

Wir haben heute schon einiges gehört, dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, um vor allem Frauen vor Gewalt zu schützen. Hier ist es in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach entscheidend, dass die Betroffenen, wie gesagt, auch nach der Corona­pandemie weiterhin Opferschutzeinrichtungen bevollmächtigen können, in ihrem Namen Anträge nach der Exekutionsordnung bei Gericht einzubringen, und zwar insbesondere dahin gehend, dass Opferschutzeinrichtungen Anträge auf Erlassung einstweiliger Ver­fügungen für die Opfer einbringen dürfen.

Abschließend kann man sagen, dass es sich insgesamt um ein sehr umfassendes Re­formpaket handelt, welches diverse Verbesserungen und Effizienzgewinne im Exeku­tionsrecht mit sich bringt.

Nach dem Ende der Coronapandemie und dem Auslaufen der Stützungsmaßnahmen ist damit zu rechnen, dass es zu vermehrten Exekutionsverfahren kommen wird. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir in Zukunft über ein effizientes Exekutionsrecht verfügen. Ich unterstütze aus all diesen genannten Gründen die geplanten Gesetzesänderungen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.00


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag.a Elisabeth Grossmann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


20.01.05

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schwarz-Fuchs hat wie immer die vorliegenden Gesetzesmaterien sehr präzise erklärt, sodass ich mir sehr viel Arbeit und Wiederholungen erspare.

Insgesamt ist zu sagen, dass die Reformen im Exekutionsrecht großteils begrüßenswert sind. Da Sie schon eingehend geschildert haben, was drinnen steht, komme ich jetzt eher auf die Kritikpunkte zu sprechen.

Ein Wermutstropfen ist schon die Gebührenerhöhung, die hier auch beschlossen werden soll. Ich habe schon öfters darauf hingewiesen, dass die Gerichtsgebühren in Österreich übermäßig hoch sind und wir überall dort, wo die Gebühren höher als der Kosten­deckungsbeitrag sind, in Wahrheit Steuern einheben. Das ist nun schon etwas unsauber, und diese Vermischung ist verfassungsrechtlich einfach bedenklich. Ich möchte einmal mehr darauf hinweisen, dass wir wirklich eine ganz saubere, exakte Trennung zwischen Steuern und Gebühren vornehmen müssen. Gerade im Justizwesen besteht diesbe­züglich einfach eine ganz große Schwachstelle, und das muss man sich näher ansehen.

Begrüßenswert ist aber auch, dass das von meiner Vorrednerin angesprochene sozu­sagen bisher coronabedingte Provisorium, wonach eben Opferschutzeinrichtungen bei sexueller Gewalt und in diesem Zusammenhang stehenden Deliktsgruppen auch Ver­tretungshandlungen vor Gericht vornehmen dürfen, nun ins Dauerrecht übernommen


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wird. Das ist begrüßenswert, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt viele Bereiche, die jetzt lockdownbedingt, pandemiebedingt als Provisorien eingeführt und zum Teil verlängert wurden, andere aber nicht.

Was bis jetzt noch nicht verlängert wurde, ist dieses vereinfachte Unterhaltsverfahren. Vielleicht, Frau Ministerin, sagen Sie dann auch noch etwas dazu, ob Sie eh vorhaben, zu verlängern, dass nämlich Unterhaltsvorschüsse auch dann geleistet werden, wenn noch nicht erfolgreich Exekution geführt worden ist, wobei insgesamt – und darauf weise ich auch noch einmal mehr hin – ein System der Unterhaltssicherung noch besser wäre. Kollegin Gerdenitsch hat heute diesbezüglich ja auch schon einen Antrag eingebracht. Auch da besteht also akuter Handlungsbedarf, weil es Kinderarmut in Österreich eigent­lich nicht mehr geben darf und diese der Vergangenheit angehören sollte. Und dazu könnten wir auch im Justizwesen einen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun aber zur Causa prima in diesen Tagen. Sehr viele Rednerinnen und Redner haben schon darauf Bezug genommen, weil es uns einfach allen unter die Haut geht, was hier in Österreich passiert, nicht erst in diesem Jahr, muss man sagen, aber in diesem Jahr ganz besonders: elf schreckliche Frauenmorde allein in diesem Jahr in Österreich, allesamt im engsten Familien- und Bekanntenkreis verübt, mutmaßlich durch ehemalige Lebenspartner; mutmaßlich muss man sagen, weil naturgemäß die Verfahren ja noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

Alle Taten haben aber gemeinsam, dass sie unmittelbar nach oder im Zusammenhang mit Trennungen begangen wurden. Wenn sich also eine Frau entschließt, sich von ihrem Partner zu trennen, eine Scheidung einreicht, Anzeige erstattet, aus dem gemeinsamen Haushalt auszieht, Hilfe sucht – in all diesen Situationen beginnt für sie die gefährlichste Zeit. Psychologinnen und Psychologen sagen uns, dass hinter diesem gestiegenen Gewaltpotenzial oftmals patriarchale Einstellungen und Denkmuster stehen. Besitz­denken, Eifersucht, Angst vor Verlust von Macht und Kontrolle sind einfach der Nähr­boden für Aggressionen und Gewalt gegen Frauen, die letztendlich allzu oft in Morden enden.

Da ist akuter Handlungsbedarf gegeben und an allen Hebeln zu drehen, unmittelbar im Justizwesen selbst, aber auch darüber hinaus auf der Ebene des Bewusstseins in allen Lebensphasen, beginnend schon bei den Jüngsten, wenn friedliche Konfliktlösungs­mechanismen vermittelt werden sollen und insbesondere Burschen durch positive Rollenvorbilder gezeigt wird, wie man gewaltfrei durchs Leben kommt. Hier haben alle die Verantwortung, als positive Rollenvorbilder zu dienen, vor allem die Männer, die gerade den Burschen ein positives Rollenvorbild geben sollten. Und darum ersuche ich Sie auch. Es geht darum, überholte Rollenklischees hinter sich zu lassen, zu zeigen, wie man Aggressionen abbaut, wie man Konflikte friedlich und eben ohne Gewalt löst.

Und all diese Taten – hier komme ich jetzt schon wieder auf das Justizwesen zurück – haben eine Vorgeschichte, sehr oft eine amtsbekannte Vorgeschichte, woraus auch die Schwachstellen im System sichtbar werden: Warnungen, Hinweise von Frauen, die nicht ernst genommen werden, mangelnde Weiterleitung von Informationen oder lückenhafte Kommunikation. Gerade bei Wegweisungen beziehungsweise Annäherungsverboten, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss Opferschutz die allerhöchste Priorität haben.

Dafür fehlen aber sehr oft die Ressourcen. Es müssen in ganz Österreich genügend Plätze in Frauenhäusern und Notwohnungen angeboten werden. So wie zum Beispiel in der Steiermark sollte es eigentlich in ganz Österreich eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauen und natürlich auch Kinder einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe in Gewaltsituationen haben. Das sollte wirklich gar keine Frage sein, das sollte eine Selbst­verständlichkeit sein. (Beifall bei der SPÖ.)


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Da müssen wir wirklich alle zusammenhelfen, denn wir wissen es, wir sehen es, es wird uns immer wieder leidvoll vor Augen geführt: Statistisch gesehen leben Frauen in Öster­reich im Kontext einer Partnerschaft europaweit am gefährlichsten. Das sollte uns schon zu denken geben, das können wir nicht mehr länger zulassen!

Deshalb stelle ich auch folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Morden an Frauen durch Männergewalt“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, dem Bundesminister für Inneres und der Bundesministerin für Justiz folgende Maßnahmen unverzüglich um­zusetzen:

- Einrichtung eines ständigen Gewaltschutz-Krisenstabes, bestehend aus Vertreter*in­nen aus dem Frauen-, Sozial-, Innen- und Justizministerium sowie im Gewaltschutz tätiger Organisationen;

- Regelmäßiger Gewaltschutzgipfel (2 x pro Jahr) zur Evaluierung der getroffenen Maßnahmen;

- 5 Mio. Euro Sofortmaßnahmenpaket für Gewaltschutz und Prävention;

- Umgehender Start einer Kampagne zu männlichen Rollenbildern und Gewaltpräven­tion;

- Sofortige Wiedereinsetzung der Hochrisikofallkonferenzen;

- Rechtsanspruch für von Gewalt betroffene Frauen auf Beratung und Hilfe sowie gegebenenfalls Unterbringung in einem Frauenhaus oder einer Notwohnung

- Umsetzung der Verpflichtungen im Rahmen der Istanbul Konvention.“

*****

Ich ersuche um Annahme. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.10


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schluss mit den Morden an Frauen durch Männergewalt“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.


20.11.02

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Gleich replizierend auf den Entschließungsantrag der SPÖ: Ja, grundsätzlich sind alle Maßnahmen zu begrüßen, die Gewalt an Frauen am besten verhindern können, und ja, wir werden uns auch als Freiheitliche anschließen und sämtliche Maßnahmen mittragen, wenn es darum geht, Frauen vor Gewalttaten zu schützen. Ich persönlich als eher konservativ eingestellter Mann kann Ihnen sagen: Jeder Mann, der seine Hand gegen


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eine Frau erhebt, ist ein mieser Feigling – und wahrscheinlich noch etwas Schlimmeres, das will ich aber hier nicht sagen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Liebe Kollegen von der SPÖ, ich muss Ihnen trotzdem leider mitteilen: Wir werden Ihren Antrag heute nicht mittragen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Es stehen einige gute Punkte drin, allerdings haben Sie es geschafft, in der Beschreibung dermaßen viele Vorverurteilun­gen einzubauen, dass sich Ihr Antrag so liest, dass eigentlich jeder konservativ einge­stellte Mann, wie auch ich einer bin, ein potenzieller Gewalttäter ist – und das werden wir nicht mittragen. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann. – Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche werden dafür dieses Reformpaket zur Exekutionsordnung mittragen und heute keinen Einspruch erheben. Die Gründe dafür sind einfach: Diese Reform ist in Wahrheit eine Anpassung an die Praxis. Wir erwarten uns durch die Änderung eine Steigerung der Effizienz bei der Abwicklung des Exekutionsverfahrens, und das ist sehr begrüßenswert. Es geht in erster Linie darum, dass künftig gleich ein Exekutionspaket greift, wenn ein Gläubiger eine Exekution beantragt, und eben nicht nur die Fahrnis- und Gehaltsexekution, sondern auch die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses um­fasst sind. Wenn im Rahmen eines erweiterten Exekutionspakets ein Verwalter bestellt wird, dem die Ermittlung der Vermögensobjekte, die Auswahl der geeigneten Objekte und auch die Durchführung des Verfahrens obliegen, sollen damit Gläubiger hinkünftig entlastet werden und weniger Anträge stellen müssen.

Die Zusammenfassung der Exekutionsmittel mit der Schnittstelle der Insolvenz ist auch sehr positiv zu bewerten, denn wenn dadurch die offenkundige Zahlungsunfähigkeit eines Verpflichteten im Exekutionsverfahren erkannt wird, dann kann das Exekutions­verfahren abgebrochen und eben im Zuge eines Insolvenzverfahrens abgewickelt werden. Es macht nämlich überhaupt keinen Sinn, wenn man ein Exekutionsverfahren nach dem anderen anstrebt und dadurch in Wahrheit zusätzliche Kosten entstehen, die wahrscheinlich sowieso niemals einbringlich sind. Wenn da nicht immer weitere zusätzliche Kosten anfallen, dann ist damit letztendlich auch dem Schuldner geholfen.

Alles in allem, Frau Minister, ist dies sehr positiv. So etwas kommt heraus, meine Damen und Herren von Schwarz und Grün, wenn man ein Gesetz einem Begutachtungs­ver­fahren unterzieht und danach tatsächlich auch noch die Stellungnahmen von Personen, die tagtäglich mit der Thematik zu tun haben, miteinfließen lässt – ganz im Gegenteil dazu, wie die sonstigen Gesetze, vor allem Gesetze in Verbindung mit den Corona­maßnahmen, auf den Weg gebracht werden. Das sind meistens Husch-pfusch-Gesetze, größtenteils aus der Hüfte geschossen, ohne das Parlament und externe Experten miteinzubinden. Darum brauchen Sie – insbesondere von der ÖVP – auch nicht über­rascht zu sein, wenn der Verfassungsgerichtshof die meisten Ihrer legistischen Rohrkre­pierer – man muss es ja fast schon so bezeichnen – für verfassungswidrig befindet und aufhebt. (Beifall bei der FPÖ.)

Der ÖVP ist das ja bekannterweise egal, bei einer derart verfassungsfeindlichen Partei habe ich die Hoffnung bereits aufgegeben. Dieses Paket zeigt jedoch, was möglich ist, wenn ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren eingehalten wird. Frau Minister Zadić, bitte machen Sie das auch zukünftig so!

Apropos verfassungsfeindlich: Ganz aktuell, eigentlich auch erst- und einmalig in der Geschichte, hat der Verfassungsgerichtshof eine Exekution von Akten aus dem Finanz­ministerium von Finanzminister Blümel beantragt. Der hätte bereits seit 3. März Zeit gehabt, Akten an den U-Ausschuss auszuliefern, und hat das vergessen, wie es halt bei Herrn Blümel sehr oft passiert, wie auch immer. (Heiterkeit des Bundesrates Ofner.) Auf alle Fälle ist nun alles auf dem Weg, aber auch das zeigt die Einstellung der ÖVP zum Verfassungsgerichtshof.


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Ich möchte nun auch gleich die Gelegenheit nutzen, Frau Minister, um Ihren Fokus auf zwei meiner Anliegen zu richten: Erstens bitte ich Sie, sich um die Personalsituation inner­halb der Justiz, und da wiederum ganz besonders im Bereich der Justizwache, zu küm­mern. Betreuung ist gut, aber Sicherheit ist wichtiger. Das ist einfach so. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu wenig Personal bedeutet, dass die Arbeit zwar trotzdem gemacht wird, jedoch immer auf Kosten der Sicherheit – auf Kosten der Sicherheit der Mitinsassen, auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung, zum Beispiel bei Ausbrüchen, aber in Wahrheit in erster Linie auf Kosten der Sicherheit unserer Justizwachebeamten, die auch Väter und Mütter, Söhne und Töchter sind, die nach der Arbeit gesund nach Hause zu ihren Familien zurückkommen wollen. Wie belastend dieser Beruf ist und wie belastbar unsere Justizwachebeamten gleichzeitig auch sind, wurde erst jetzt in der Coronakrise wieder unter Beweis gestellt. Justizwachebeamter zu sein ist ein harter, fordernder Beruf, der es auch verdient, ähnlich wie andere in die Schwerarbeiterregelung aufgenommen zu werden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Mein zweites Anliegen, Frau Minister Zadić, betrifft eine saubere Justiz: Gehen Sie bitte mit aller Härte gegen die Auswüchse des Deepstate, gegen den Staat im Staat vor! Wir wissen inzwischen, wie die ÖVP einzelne Teile im Staat untergraben hat: Teile des BVT, Teile des Innenministeriums und leider auch Teile der Justiz. Und wie? – Indem man in Schlüsselstellen der Republik überall schwarze Vasallen installiert hat, die man auf Zuruf ganz einfach einsetzt, um Ermittlungen und Verfahren steuern, lenken und beeinflussen zu können. Lassen Sie nicht zu, Frau Minister Zadić, dass diese ÖVP die Unabhängigkeit der Justiz untergräbt! Lassen Sie alle Bereiche der Justiz – nicht nur, wie von der ÖVP gefordert, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – durchleuchten, und ent­fernen Sie wenn notwendig bösartige Geschwüre! Ich bin mir ganz sicher, wenn Sie alles genau checken – quasi mit Check und Recheck und Pilnacek –, dann werden Sie auch die schwarzen Flecken finden. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Ofner. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

20.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­desministerin Dr. Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.19.30

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich über die Gesamtreform des Exekutionsrechts rede, möchte ich schon noch ein paar Worte über die grausamen Morde verlieren, die in der letzten Zeit verübt wurden. Wir zählen seit heute früh elf Morde an Frauen – elf Frauen, die Kinder zurücklassen, elf Frauen, die ihre Familien zurücklassen, elf Mütter und Väter, die um ihre Töchter trauern.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir als Bundesregierung – und auch ich als Justiz­ministerin bei jedem meiner Gesetzesvorhaben – immer darauf schauen, wie man den Opferschutz verbessern kann, was man im Bereich von Gewalt in der Familie tun kann, so auch hier und heute. In dem, was wir beschließen, finden sich einige Gesetzesteile, die Opfern von Gewalt helfen, insbesondere Opfern von häuslicher Gewalt und Opfern von sexueller Gewalt.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns das als Bundesregierung – mit der Familien- und Frauenministerin, aber auch mit dem Innenminister – in den nächsten Tagen ganz genau anschauen werden, weil wir etwas tun müssen; und wir werden auch etwas tun. Es wird ein Maßnahmenpaket zur Prävention geben, um Gewalt gegen Frauen vorzu­beugen. Es muss endlich etwas geschehen, denn elf Morde sind elf Morde zu viel. (Beifall bei Grünen, ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 188

Vielleicht auch zum ersten Punkt dieser Gesetzesnovelle, den ich auch hervorstreichen möchte, nämlich der Erleichterung für Opfer von häuslicher Gewalt: Wir haben in der Exekutionsordnung eine Bestimmung ins Dauerrecht übertragen, die sich auch während der Coronakrise bewährt hat. Es hat sich nämlich bewährt, dass Frauen, die von häus­licher Gewalt betroffen sind, auch ganz informell Opferschutzeinrichtungen kontaktieren können und diese Opferschutzeinrichtungen für die betroffenen Frauen eine einstweilige Verfügung bei Gericht erwirken können. Das heißt, die Frauen müssen nicht mehr selbst zu Gericht gehen. Das ist eine unfassbare Erleichterung, denn sehr viele Frauen trauen sich nicht, die Wohnung zu verlassen und zum Gericht zu gehen, weil sie Angst haben, gesehen zu werden, weil sie Angst vor ihren Partnern haben. Deswegen haben wir das nun ins Dauerrecht überführt.

Zur Gesamtreform des Exekutionsrechts möchte ich auch ein paar Worte verlieren: Vieles wurde ja schon ausgeführt, und ich bin wirklich sehr froh und sehr dankbar, dass das auch so breit angenommen wird, weil ich glaube, dass diese Exekutionsreform und die Gesamtreform des Exekutionsrechts wirklich einiges dazu beitragen kann, dass es für Schuldner Erleichterungen bei der Entschuldung gibt, aber auch dass Gläubiger schneller zu ihrer Forderung kommen.

Diese Verzahnung zwischen Exekutionsrecht und Insolvenzrecht ist auch etwas, das im Begutachtungsverfahren besonders positiv hervorgehoben wurde, weil ja gerade das die Entstehung eines Schuldenbergs verhindert. Wenn rechtzeitig erkannt werden kann, dass ein Schuldner oder eine Schuldnerin schon einige Forderungen hat, dann kann man auch sehr rasch ein Insolvenzverfahren eröffnen. Das führt dazu, dass dieser Schul­denberg nicht mehr anwächst und dass es endlich zu einem Kosten- und Zinsenstopp kommt. Das ist entscheidend, wenn es darum geht, dass die Schuldnerinnen und Schuldner sich möglichst schnell entschulden.

Für die Gläubiger gibt es genauso Erleichterungen, das wurde auch schon mehrfach ausgeführt. Wir haben gesehen, dass Gläubiger in der Vergangenheit sehr oft ganz viele Anträge stellen mussten, um ihre Forderung überhaupt durchsetzen zu können. Das haben wir nun erleichtert, indem es einen Verwalter gibt, der Zugriff auf Vermögenswerte hat und auch nachschauen kann, wie viele Vermögenswerte der Schuldner besitzt. So kann man auch Erleichterungen schaffen, wenn es um die Durchsetzung der Forde­rungen von Gläubigern geht. In diesem Sinne: Herzlichen Dank!

Ich möchte vielleicht noch ein paar Worte zu Justizwachebeamten verlieren – danke, dass Sie das angesprochen haben –: Ich möchte mich an dieser Stelle auch wirklich bei allen Justizwachebeamtinnen und ‑beamten bedanken, weil die Coronakrise gerade diesen Bereich besonders gefordert hat. Dass die Beamtinnen und Beamten da wirklich mit höchstem Einsatz ihre Leistung erbracht haben, hat viel dazu beigetragen, dass wir das alles so gut geschafft haben. Das ist der einzige Grund, warum man in den Justizanstalten so gut durch die Krise gekommen ist.

Seien Sie versichert, für die von Ihnen genannten Anliegen werde ich mich ganz beson­ders einsetzen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und FPÖ sowie der Bundesräte Appé und Arlamovsky.)

20.24

20.24.35


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 189

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Schluss mit den Morden an Frauen durch Männergewalt“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

20.25.2911. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Bundesfinanzgerichtsgesetz geändert werden (769 d.B. und 787 d.B. sowie 10615/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um den Bericht.


20.25.54

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichts­organisationsgesetz, das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichts­hof­gesetz 1985 und das Bundesfinanzgerichtsgesetz geändert werden.

Die Unterlagen dazu haben Sie in schriftlicher Form erhalten, ich komme daher zur An­tragstellung.

Der Justizausschuss stellt mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl. – Bitte sehr, Frau Bun­desrätin.


20.26.47

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! Die digitale Infrastruktur ermöglicht es nun endlich, zentrale Justiz­service­stellen an den Standorten von Gerichten und Staatsanwaltschaften einzurichten, die aber nicht mehr an den Gerichtsstandort gebunden sind. Damit wird der Zugang zu Rechtsinformationen aus ganz Österreich ermöglicht und mit rechtlich geschultem und serviceorientiertem – das ist auch ein wichtiger Punkt in Österreich – Personal besetzt. Die bereits bestehenden Servicecenter und Amtstage bei den Gerichten bleiben aber zusätzlich bestehen.

Das macht den Zugang zur Justiz ein weiteres Stück niederschwelliger, weil Menschen leichter zu ihrem Recht kommen. Das macht die Justiz auch transparenter, weil Men­schen leichter zu Informationen kommen. Die JuristInnen unter uns wissen – vielleicht


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manchmal leidvoll –, wie gefragt kostenlose Rechtsinformation ist. Bei den Justizservice­stellen können nun einfache Anträge gestellt, Klagen und Formulare eingebracht wer­den. Es können Grund- und Firmenbuchauszüge gemacht werden und es können Beglaubigungen durchgeführt werden. Damit kann ein großer Teil der Rechtsangele­genheiten dort abgehandelt werden, was eine große Entlastung der Gerichte bedeutet.

Ein Punkt in der Regierungsvorlage zur Novellierung des Gerichtsorganisations­ge­setzes, der leicht zu übersehen ist, ist der Verweis auf § 107d Abs. 3a Z 3, der eine seit mehr als zehn Jahren bestehende Lücke schließt, nämlich dass in Strafverfahren, bei denen es um wiederholte Gewaltausübung gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität geht, nur Richterinnen oder Richter mit besonderen Kenntnissen und aus­reichender Erfahrung im Umgang mit Betroffenen zuständig sein dürfen.

Warum ist das so wichtig? – Im vorhin eingebrachten Entschließungsantrag wurde auf die Istanbulkonvention, das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Be­kämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, verwiesen. Dieses wurde von Österreich unterzeichnet und ratifiziert, und es beinhaltet die Empfehlung, die Aus- und Fortbildung und die Bewusstseinsbildung von Berufsgruppen, die regelmäßigen Kontakt zu Opfern oder StraftäterInnen haben, als eine wesentliche Maßnahme für die Sensibilisierung, Prävention und ein frühes Aufdecken von Gewalttaten auszubauen.

Ich begrüße daher den Erlass der Justizministerin, Behörden besonders für Opfer häus­licher Gewalt zu sensibilisieren, genauso wie die einstimmige Entschließung im Natio­nalrat, dass RichteramtsanwärterInnen im Rahmen ihrer Ausbildung zum Thema Gewalt gegen Frauen verstärkt sensibilisiert werden sollen und dass sogar geprüft wird, ob RichteramtsanwärterInnen auch verpflichtend einen Ausbildungsdienst bei Opfer­schutz­einrichtungen absolvieren sollen.

Respekt vor der Integrität der Person und sexuelle Selbstbestimmung müssen eindeutig Grundlage jeglicher Beurteilung von Sexualdelikten an den Gerichten sein. Das unterstützt auch der kostenlose psychosoziale und juristische Beistand der Opfer oder die gesonderte Einvernahme von Opfern ohne den angeklagten Täter. Im Ausschuss haben wir gehört, dass diese auch mit Videoübertragung möglich sein wird.

Jede, die schon einmal die zutiefst beschämende und verletzende Erfahrung von sexu­eller Belästigung oder gar sexueller Gewalt gemacht hat, weiß, wie schwer es ist, über solche intimen Situationen, in denen es um Eingriffe in die körperliche und seelische Integrität geht, zu reden – noch dazu im Gerichtssaal, mit Fremden, AnklägerInnen, Schuldsuchenden und Urteilenden. Da muss es selbstverständlich sein, besonders geschulte RichterInnen heranzuziehen, um weitere Bloßstellungen, Schuldzuweisungen an die Opfer, Verletzungen oder gar Retraumatisierungen unbedingt zu vermeiden.

Danke daher, liebe Justizministerin, für Ihren Einsatz zum Schutz von Frauen vor Gewalt, der auch mit vielen anderen Maßnahmen verbunden ist. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.30


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Sebastian Kolland. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.31.01

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Justizministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es mag auf den ersten Blick eine etwas trockene und sperrige Angelegenheit sein, über die wir heute unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren, aber die Wahrheit ist vielmehr, dass mit diesem Gesetz zahlreiche und wesentliche Verbesserungen im Justizbereich auf den Weg


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gebracht werden können. Meine Vorrednerin, Kollegin Kittl, hat das Wesentliche bereits ausgeführt, ich werde mich deshalb auch sehr kurzfassen.

Ich will nur zwei ganz wesentliche Punkte ansprechen: Erstens sind, wie bereits erwähnt, die zentralen Justiz-Servicecenter an Gerichten und Staatsanwaltschaften eine wichtige Neuerung, weil sie die Bürgernähe und die Bürgerfreundlichkeit erhöhen. Ich bin der Meinung, dass das deshalb so entscheidend ist, weil die Qualität und Akzeptanz des Justizsystems für die Bürgerinnen und Bürger auch dadurch bestimmt wird, dass sie einen niederschwelligen und leichten Zugang zu diesem haben – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Einkommen und davon, über welches technische Know-how sie verfü­gen. Dieser leichte Zugang ist wichtig für die Akzeptanz, damit auch für unsere Gesell­schaft und damit für eine wesentliche Säule unseres Systems.

Ein zweiter wesentlicher Punkt: Alle, die in der Rechtspflege tätig sind, haben auch das Anrecht darauf, dass die Politik alles tut, um sie entsprechend zu schützen. Der Experte des Ministeriums hat am Dienstag im Ausschuss erwähnt und auch bestätigt, dass die Übergriffe auf Justizbedienstete in den letzten Jahren markant zugenommen haben und die Aggressivität steigt. Ich glaube, es ist wichtig, dem entgegenzuwirken, auch indem die Sicherheitsbeauftragten nun gesetzlich verankert werden.

Es sei mir vielleicht noch erlaubt, einen dritten Punkt kurz anzusprechen, Frau Ministerin, und zwar einen, der wiederum mit dem ersten Punkt – mit den Servicestellen und mit den zunehmend genutzten Möglichkeiten der Digitalisierung – zusammenhängt: Was nicht passieren darf – und als Ländervertreter sei es mir erlaubt, hier auch deutlich zu sprechen –, ist, dass unter dem Deckmantel der Digitalisierung begonnen wird, die bestehende, gut funktionierende und auch von den Menschen sehr geschätzte Struktur der Bezirksgerichte zu unterminieren und auszudünnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben solche Diskussionen in der Vergangenheit bereits öfters erlebt. Auch in meinem Bundesland, in Tirol, sind einige Gerichtsstandorte immer wieder zur Disposition gestanden. Ich denke da an das Bezirksgericht Rattenberg aus meinem Heimatbezirk oder auch an das Bezirksgericht Zell am Ziller – Kollege Steiner kennt diese Debatte. Ich glaube, es ist einfach wichtig, diese Struktur zu erhalten, weil das Fundament einer bürgernahen Justiz auf jeden Fall die föderale Struktur ist. Diese hat sich bewährt und sie muss auch erhalten bleiben, Frau Ministerin. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.34


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


20.34.20

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ich bin schon einigermaßen enttäuscht, dass Sie unseren Antrag vom letzten Tagesordnungspunkt nicht unterstützt haben, teils mit skurriler Begründung, Herr Kollege Spanring – mit dem Verweis, dass Sie ein konservativer Mann sind und sich da irgendwie vorverurteilt gefühlt haben –, aber immerhin mit einer Begründung. Das hebt Sie positiv von den anderen Fraktionen ab, die diesen wichtigen Antrag gegen Gewalt ohne Begründung und trotz salbungsvoller Worte eben nicht unterstützt haben. Frau Kollegin Kittl hat mit blumigen Worten die Istanbulkonvention hervorgehoben – aber mit unserem Antrag, der genau auf die Istan­bul­konvention Bezug nimmt, sind Sie nicht mitgegangen. Das ist schon einigermaßen enttäuschend, und das möchte ich hier auch festhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt Gerichtsorganisationsgesetz: Ja, diese Novelle ist begrüßenswert. Es ist eine große Erleichterung, eigentlich fast eine Selbst­verständlichkeit in Zeiten der Digitalisierung, dass in jedem Bezirksgericht Eingaben


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gemacht und Anträge gestellt werden können. Es war aber auch beruhigend, im Ausschuss von Beamten zu hören, dass keine Schließungen von Bezirksgerichten geplant sind. Das ist insofern beruhigend, weil wir ja nach der Schließungswelle durch Schwarz-Blau diesbezüglich gewissermaßen gebrannte Kinder sind. Gerade in den Regionen wäre es natürlich fatal, solche wichtigen Einrichtungen zu schließen, und ich bin schon froh, zu hören, dass das in naher Zukunft nicht der Fall sein wird.

Auch die Änderung der sachlichen Zuständigkeit, wonach Straftaten im Zusammenhang mit sexueller Gewalt nur von Richterinnen und Richtern mit spezieller Ausbildung verhandelt werden dürfen, ist sicherlich zu begrüßen. Es bleibt aber natürlich zu hoffen, dass wir trotz der steigenden Fallzahlen auch genügend solcher Richterinnen und Richter mit einer entsprechenden Ausbildung haben und dass es dann nicht unter Umständen zu längeren Verfahrensdauern kommt. Ich hoffe also, dass Sie da auch entsprechend Vorsorge getroffen haben und dass auch das Ressourcenproblem im Justizwesen noch offensiver angegangen wird.

Die mitunter sehr schlechte Bezahlung der B- und C-Bediensteten im Justizwesen ist immer wieder ein Thema – und natürlich auch die von der Personalvertretung immer wieder beklagte Unterbesetzung in der Justizwache. Darauf möchte ich erneut Bezug nehmen, weil da sehr oft auch ein Sicherheitsrisiko entsteht. Es ist immer noch Handlungsbedarf gegeben, und ich ersuche Sie, Frau Ministerin, dem Rechnung zu tragen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


20.38.35

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Diese Gesetzesanpassung ist ein Schritt zu mehr Sicherheit. Ja, Justizbedienstete kommen leider immer öfter in die Situation, dass sie Opfer von Drohungen bis hin zu Übergriffen werden. Solche Taten sind grundsätzlich zu verurteilen.

Trotzdem muss auch die Frage gestattet sein: Warum kommt es immer häufiger zu solchen Vorfällen? – Weil leider auch innerhalb der Justiz, wie ich es in meiner vorhe­rigen Rede bereits angedeutet habe, das eine oder andere schwarze Schaf zu finden ist; die ÖVP wird wissen, was ich meine. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Das ist natürlich keine Entschuldigung – noch dazu, weil es dann bei Übergriffen meist Unschuldige trifft. Dass nun endlich die Funktion des Sicherheitsbeauftragten gesetzlich verankert wird – in der Praxis hat es diese ja schon gegeben – und eine zentrale Anlaufstelle in Bedrohungsfällen etabliert werden soll, sehen wir grundsätzlich positiv.

Wir schließen uns trotzdem auch einer Kritik der Vereinigung Österreichischer Staats­anwältinnen und Staatsanwälte an, und zwar daran, dass die Überprüfung von Sicher­heits­einrichtungen und Notrufsystemen auch auf den Sicherheitsbeauftragten quasi abgewälzt werden soll. Das sollte eben nicht die primäre Aufgabe sein, und die Frage ist: Kann das überhaupt jeder machen beziehungsweise wird es dadurch vielleicht auch schwieriger, Freiwillige für die Funktion des Sicherheitsbeauftragten zu finden?

Auch ein Schritt in die richtige Richtung ist die Erhöhung der Servicefreundlichkeit, wie auch von meinen Vorrednern angesprochen. Diese standortunabhängigen Justiz-Ser­vice­center können sehr wohl eine Erleichterung darstellen, besonders auch deshalb, weil der Beschäftigungsort und der Wohnort der Bürger oftmals divergieren und man so bei einem Anliegen oder beim Einholen einer Unterstützung, einer Auskunft flexibler ist.


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Auch die Tatsache, dass mit Sexualdelikten nun besonders geschulte Richter betraut werden, sehen wir als sehr positiv an, denn besonders im Umgang mit Opfern solcher Straftaten sind spezielle Kenntnisse und auch ausreichend Erfahrung erforderlich, damit eben die Opfer nicht noch mehr durchleiden müssen, als es sowieso schon der Fall ist.

Ich persönlich hoffe, dass dies auch tatsächlich so in Umsetzung gelangt, denn wenn ich lese, Frau Minister, und da muss ich leider eine Kritik anbringen, dass Sie allen Ernstes darüber nachdenken, künftig wieder mildere Strafen bei Vergewaltigungen anzustreben, dann hoffe ich, dass das eine Zeitungsente war und dass Sie sehr wohl zwischen Opfer- und Täterschutz unterscheiden können. Da muss man schon auch sagen, dass es in der Vergangenheit leider immer wieder auch die Grünen waren, die sich in diesem Bereich für mehr Täterschutz ausgesprochen haben. Wir Freiheitliche sprechen uns ganz klar für den Schutz der Opfer aus. (Beifall bei der FPÖ.)

20.42

20.42.17


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.42.4912. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Justiz (vertreten durch Bundesminister Mag. Wer­ner Kogler) betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission für 2021 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des deutschen, portugie­sischen und slowenischen Ratsvorsitzes (III-741-BR/2021 d.B. sowie 10616/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


20.43.19

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Bericht der Bundes­ministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission für 2021 sowie das Achtzehnmonats-Programm des deutschen, portugiesischen und slowenischen Ratsvorsitzes.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 4. Mai 2021 in Verhandlung genommen.

Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht der Bun­desministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission für 2021 sowie das Achtzehnmonats-Programm des deutschen, portugie­sischen und slowenischen Ratsvorsitzes zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.44.40

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ja, zur Kenntnis nehmen werden wir diesen Bericht in der formalen Form nicht, das darf ich gleich vorausschicken – wenngleich wir ihn natürlich kennen, aber die Geschäftsordnung gibt uns leider keine andere Möglich­keit, als die Kenntnisnahme in diesem Fall zu verweigern –, und zwar aus folgenden Gründen:

Im Wesentlichen geht es bei diesem Bericht darum, schleichend die Kompetenzen des europäischen Zentralwesens EU auszubauen, die Nationalstaaten und die Kompeten­zen der Nationalstaaten und daher die Demokratie und die demokratische Kontrolle auf nationalstaatlicher und regionaler Ebene weiter auszuhöhlen. Dies kann man anhand vieler Beispiele in jedem einzelnen Kapitel dieses Berichts festmachen.

Ich nehme zum Beispiel die Europäische Staatsanwaltschaft heraus. Die Europäische Staatsanwaltschaft ist ja keine wirklich europäische Sache, sondern ist nur ein Produkt der sogenannten vertieften Zusammenarbeit von 22 Mitgliedstaaten, da einige Staaten ja dabei die Mitarbeit verweigert haben, weil sie es nicht für erforderlich erachten, einer europäischen Institution auch Kontrolle oder Teilkontrolle über die eigenen Staatsan­wälte zu übergeben.

Ursprünglich war das da, um Betrugsfälle oder Missbrauchsfälle von europäischen För­derungen, europäischen Geldern zentral zu untersuchen – da konnte man nicht so ohne Weiteres sagen, das ist ein Blödsinn, das soll jeder Staat selber machen, jeder soll sich selbst strafrechtlich untersuchen –, dann ist das auf den Terrorismus ausgeweitet worden. Da muss man sich schon fragen: Aha, eine gemeinsame Zusammenarbeit bei den Polizeibehörden zur Prävention von Terrorismus, zur Ausforschung von Terroris­ten – meinetwegen; aber warum muss eine Europäische Staatsanwaltschaft unter­suchen, warum muss eine Europäische Staatsanwaltschaft Anklagehoheit haben, wenn ein terroris­tischer Akt in Österreich geschieht? Das ist schon wenig einsichtig.

Jetzt geht es aber noch weiter. Das ist noch nicht eine Kompetenz der Staats­anwalt­schaft, aber am Weg zum europäischen Strafrecht, nämlich: Delikte, die aus Hass­motiven gemacht worden sind, und Verhetzung sollen Gegenstand von europäischem Strafrecht werden. Die Frau Ministerin hat sich dazu in ihrem Bericht noch neutral ausgesprochen, weil sie gesagt hat, sie weiß noch nicht, was sich da dahinter verbirgt, aber wir wissen ungefähr, was sich dahinter verbirgt, nämlich: Die sogenannten Hass­delikte zeichnen sich dadurch aus, dass das Motiv der Tat, sei es jetzt Verhetzung oder sei es eine andere Tat, ein im Kern weltanschaulich-politisches ist. Das kann man einmal entzerrend so darstellen. Das Motiv ist also nicht Eifersucht auf die Frau, die einen anderen hat und die ich deshalb umbringe, sondern es ist im Wesentlichen weltan­schaulich, wobei auch rassistisch und alles in diesem Zusammenhang hineinfallen kann.

Ja, der Kampf gegen Hass, was ist der? Eine deutsche Kabarettistin hat, glaube ich, nicht unzutreffend kürzlich gesagt, dass der Kampf gegen Hass von seinen Betreibern dazu verwendet wird, diejenigen auszuschalten, auf die sie einen Hass haben. Ja, das ist gar nicht unzutreffend zusammengefasst. Man benennt - - (Zwischenruf des Bundes­rates Schreuder.) – Das ist auch kein Beispiel, mit dessen Nennung ich mich hier an Sie wende, Herr Kollege Schreuder. Dass Sie da nicht mitdenken wollen, verstehe ich noch. Das verstehe ich noch.

Was heißt das? – Wenn ich jemanden als Hasser bezeichne, wenn ich eine Weltan­schauung als hasserfüllt bezeichne, wenn ich eine Bewegung als hassend bezeichne, dann ermögliche ich es oder erleichtere ich es, diese Bewegung a) zu isolieren, in der


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öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und b) letztendlich über das Strafrecht zu eliminieren oder ihr zumindest den Zugang zur Öffentlichkeit zu versperren. Ich habe also denjenigen, den ich gar nicht mag, auf den ich einen Hass habe, über den Umweg des Hasses ausgeschaltet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Deswegen hat die Kabarettistin nicht so Unrecht.

Ja, Frau Kollegin Schumann, nehmen wir vielleicht Ihren Antrag, der ist ja ein Muster­beispiel dafür. Da gibt es einen Entschließungsantrag – der wird vielleicht von Ihnen eh viel zu wenig vorgelesen oder erörtert –, der lautet: betreffend „Gesamtgesellschaftliche Sensibilisierungsoffensive gegen antisemitische Verschwörungstheorien“. Der ist zwar schon ausgeteilt, aber noch nicht formal eingebracht – das wird aber jetzt in Kürze erfolgen, weil er zu diesem Punkt eingebracht werden soll. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ist schon eingebracht? Okay. Er ist schon eingebracht, gut, aber noch nicht vorgebracht – sagen wir es einmal so: eingebracht, aber noch nicht vorgebracht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Entschuldigen Sie diese semantische Unpräzision. Also er ist eingebracht, aber noch nicht vorgebracht.

Also das ist ein gutes Beispiel, wie der Kampf gegen Hass so funktioniert, wie man sozusagen mit dem Kampf gegen Hass denjenigen ausschaltet, auf den man einen Hass hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss diesem Antrag, weil er ein so perfektes Beispiel dafür ist, mehr Raum geben, als er eigentlich verdient, aber er passt so gut.

Es geht darum, dass da „Anti-Corona-Demonstrationen, Hass und Antisemitismus“ be­handelt werden. Anticoronademonstrationen sind mit Hass und Antisemitismus in einem Boot. Da habe ich mir gedacht, das schaue ich mir jetzt einmal an, das ist interes­sant: Wieso sind die Anticoronademonstrationen mit Antisemitismus verbunden? (Bun­des­rat Schreuder: Da hätten Sie gestern bei der Gedenkveranstaltung dabei sein sollen! ...!) – Wart einmal! Eine Gedenkveranstaltung ist ja keine Anticoronademons­tration. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Ja, ja, ja.

Na, wir werden jetzt einmal die Argumentation verfolgen: Anticoronademonstrationen, Hass und Antisemitismus. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Die werden also, wie Sie schreiben, regelmäßig in Deutschland, Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten abgehalten. Da „marschieren“, wie Sie schreiben, „Rechtsradikale, Neonazis, Reichsbürger*innen, Wutbürger*innen [...] bei diesen Demos mit linken Organisationen und einfach gelangweilten Bürger*innen“.

Also man kann es sich aussuchen. Wenn man nicht so einer linken Organisation an­ge­hört, was bleibt einem dann übrig? – Man ist ein Rechtsradikaler, Neonazi, Reichsbür­ger, Wutbürger oder einfach gelangweilter Bürger. (Beifall bei der FPÖ.) Das mag dem­jenigen – wie Kollegen Schreuder –, der einen Hass auf die Leute hat, die dort sind, gefallen (Bundesrat Schreuder: Was?) und vielleicht auch einigen in der SPÖ, aber ob das so redlich ist?

Schauen wir einmal weiter! Wie heißt es dann weiter? – „Ein weiteres“ (Zwischenruf bei der SPÖ) – zuhören, interessant!; ein SPÖ-Antrag – „wesentliches Merkmal dieser Demonstrationen ist die Berufung auf die Verteidigung der freien Gesellschaft und die damit kausal verbundene unterstellte Bedrohung dieser durch die Staatsgewalt bzw. durch global agierende, vernetzte Mächte.“ (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Petutschnig würde in seinem Spot sagen: Na ja, kann man stehen lassen. (Heiterkeit des Bundesrates Ofner.)

Wie geht es dann weiter? – „Grundlage dieser Bedrohungsnarrative sind zum Großteil antisemitische Weltverschwörungstheorien.“ (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) „Dazu werden NS-Entrechtungssymbole (Judensterne) zur Versinnbildlichung verwendet,


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was wiederum zu einer perfiden Täter-Opfer-Umkehr und zur damit verbundenen Rela­tivierung des Holocaust führt.“

Da hat man jetzt sozusagen den Weg ins Strafrecht geschafft: Delikte nach § 3g, § 3h Verbotsgesetz (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren, in besonders gefährlichen Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren bedroht. Da hat man schon eine gewisse Kriminalisierung, und jeder, der das jetzt einmal liest, denkt sich: Boah! Das sind aber gefährliche Leute, die relativieren den Holocaust.

Na ja, jetzt geht es weiter, jetzt wird einmal die Geschichte des Antisemitismus erzählt. Das fängt im Jahr 1150 an, damals gibt es die erste da zitierte antisemitische Ver­schwörungstheorie von Thomas von Monmouth – also ich kenne die nicht, aber da gibt es die –, und das führt dann weiter zu den Protokollen der Weisen von Zion und über die Protokolle der Weisen von Zion zu Adolf Hitler und zum Holocaust. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schumann und Schreuder.)

„Die Tatsache, dass das Gedankengut dieser Hetzschrift“ – da sind die Protokolle gemeint, wissen Sie? – „100 Jahre später, 2020/2021, eine Renaissance erlebt, stimmt mehr als nachdenklich, verdeutlicht jedoch gleichzeitig die Notwendigkeit, Gegenmaß­nahmen zu setzen.“ – Aha! Was haben die Protokolle der Weisen von Zion mit Corona­demonstrationen oder Widerstand gegen Coronamaßnahmen zu tun? Das ist interes­sant. (Bundesrätin Schumann: Na geh! ...!) Die Erklärung wird vielleicht kommen.

„Corona – Verschwörungstheorien landen ‚mitten in der Gesellschaft‘“. – Aha!

„In der Pandemie hat, was durch die Teilnehmer*innen bei den sogenannten ‚Anti-Corona-Demonstrationen‘ deutlich wird“ – das steht so drin; ich lese das vor – „, die Akzeptanz von antisemitischen Verschwörungstheorien zugenommen.“ (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Es geht um antisemitische Verschwörungstheorien, so.

Also: „Welche [...] ‚Befürchtungen‘ werden erhoben“, welche „antisemitischen Verschwö­rungstheorien“? – Da habe ich mir gedacht: Jetzt kommt es! Und da sehe ich als Erstes die Erklärung: „Bill Gates (der z.T.“ – zum Teil – „judaisiert wird)“ – von wem bitte, wer judaisiert Bill Gates, was soll das überhaupt heißen? – „, will die Macht über die Welt durch Überwachung erreichen.“ – Aha! Deswegen sind die Coronademonstranten oder die Anticoronaaktivisten offenbar so gefährlich. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Sonst finde ich nichts dazu, warum die so gefährlich sind.

Aber jetzt die Tatsache, die daraus folgt: „Warum ist der Antisemitismus der Anti-Corona-Bewegung so gefährlich?“ Warum? – „Mit der Wiedererstarkung der antisemitisch-anti­freimaurerischen Verschwörungstheorien ist die ‚Rückkehr‘ von alten antijudaistischen und antisemitischen Hetznarrative“ – ohne n geschrieben; egal – „und Hetzbilder“ – das steht so da – „verbunden. Diese bilden starke Anker für weitere Vorurteilsnarrative, die zudem im hohen Maße als vernunftresistent zu bezeichnen sind.“

Damit ist der Kreis sozusagen geschlossen: Die Coronabewegung führt zum Wieder­erstarken „der antisemitisch-antifreimaurerischen Verschwörungstheorien“ und zu Vor­urteilsnarrativen, die „im hohen Maße [...] vernunftresistent“ sind. Damit kann sich der oberflächliche Betrachter zurücklehnen und sagen: Ach, Gott sei Dank, dass diese Demonstrationen verboten sind; das sind ja Leute, die den Holocaust relativieren, die antijüdische oder antisemitische Verschwörungstheorien - -


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen. Sie haben die Redezeit bereits mehr als überschritten.


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ja, ja, ja. Ich bin auch schon am Schluss des Antrages.


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Diese Leute kann man dann plattmachen. Damit hat dankenswerterweise die SPÖ ein gutes Beispiel vorgelegt, warum diese sogenannten Kämpfer gegen Hass und Hetze so gefährlich sind. Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir diesem Antrag unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: ... eine Zumutung! – Bundesrätin Schumann: Eine Zumutung, ja!)

20.56


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


20.56.39

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher! Beim Arbeits­programm der Europäischen Kommission im justiziellen Bereich möchte ich auf die Überarbeitung der EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt eingehen. Laut Bericht gibt es noch keine Aussage zur Haltung Österreichs, aber eine solche findet sich im Regierungsabkommen und in Äußerungen der Justizministerin.

Vorweg: Die Gesellschaft schützt Rechtsgüter durch gerichtliches Strafrecht erst dann, wenn ihr diese Güter besonders wichtig sind oder mit anderen Mitteln nicht das Auslan­gen gefunden werden kann. Verwaltungsstrafen reichen offensichtlich nicht aus, um die Umwelt effektiv vor langfristigen Schädigungen zu schützen. Ganz im Gegenteil: Sie werden oft betriebswirtschaftlich einkalkuliert, weil die Übertretung Wettbewerbsvorteile mit sich bringt. Die Kosten der Beseitigung von Umweltschäden und die vielleicht über Generationen gehenden Auswirkungen von Umweltdelikten trägt aber die Allgemeinheit.

Die Bedeutung des Rechtsguts Umwelt als Lebensgrundlage für alle Menschen macht den strafrechtlichen Schutz der Umwelt so wichtig. Es braucht also ein effektives Um­welt­strafrecht, um einerseits umweltschädigendes Verhalten zu sanktionieren, aber vor allem, damit andererseits umweltschädigendes Verhalten vermieden wird. Dafür ist der Aspekt der Abschreckung notwendig: drohende Freiheitsstrafen, hohe Geldstrafen und ein Strafregistereintrag, die weit abschreckender als verwaltungsrechtliche Konsequen­zen sind. Das erzeugt generalpräventive, also vorbeugende Wirkung.

Die Regierung hat sich im Koalitionsabkommen dazu bekannt, das Umweltstrafrecht zielsicher zu machen, um verstärkt gegen Umweltkriminalität aufzutreten, zum Beispiel durch bessere Anwendung des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes, durch mehr Kon­trollen, durch Bündelung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungskompetenzen und auch durch eine bessere Ausbildung der RichterInnen im Umweltstrafrecht. Das Justizministerium will darüber hinaus Rechtsetzung und Vollzug besser aufeinander abstimmen.

Die EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt wird gerade evaluiert, und man kommt dabei auch zu dem Schluss, die verstärkte Kompetenz der EU im Bereich des Strafrechts auch im Umweltstrafrecht besser zu nutzen und strafrechtliche Vor­schriften mit anderen grünen Initiativen besser zu koordinieren.

Ein Hauptaugenmerk der Überarbeitung der EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt soll auf der Harmonisierung des Umweltstrafrechts in den Mitgliedstaaten liegen, die noch nicht so ganz gelungen ist. Manche Staaten haben hohe, manche haben weniger hohe Umweltstandards. Letztere bedienen wirtschaftliche und damit auch im­mer politische Interessen. Daher sollen die Definitionen von Umweltstraftaten und das Strafmaß vereinheitlicht werden und die Sanktionen auf mehr und neue Bereiche der Umweltkriminalität erweitert werden, denn es ist klar: Es braucht gleiche Rahmen­be­dingungen, auch im Hinblick auf grenzüberschreitende Emissionen.

Die Effektivität des Vollzugs des Umweltrechts und der Prävention von Umwelt­kriminali­tät hängt aber auch stark von den eingesetzten Ressourcen ab. Daher, besagt die


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Evaluierung der EU-Richtlinie, bedarf es ausreichend vieler Sachverständiger und spe­zialisierter UmweltbeamtInnen, spezialisierter Polizeieinheiten, spezialisierter Staats­an­walt­schaften und entsprechend ausgebildete RichterInnen sowie öffentlich zugäng­liche Daten und Statistiken zu Umweltkriminalfällen und Kontrollen. Das braucht es auch in Österreich. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Zum Umweltstrafrecht passend möchte ich abschließend noch auf etwas hinweisen: auf die Rechte der Natur. Um sich klarer vor Augen zu führen, wie existenziell die natürliche Umwelt für unser aller gutes Leben ist, wäre es folgerichtig, der Natur selbst Rechte zu geben, verfassungsmäßige Rechte zuzuerkennen. Diese sollten auch von jeder Bürgerin und von jedem Bürger, zumindest aber von Umweltschutzorganisationen, Betroffenen und Gemeinden, durchgesetzt werden können.

Manches südamerikanische Land, zum Beispiel Ecuador, hat die Rechte der Natur bereits verfassungsrechtlich verankert. Dem zu folgen wäre nicht nur ein mutiger Schritt, sondern es würde uns auch mehr Respekt und Achtung gegenüber den natürlichen Ressourcen bringen. Denken wir aber zumindest diese Idee der Rechte der Natur immer mit, wenn wir vom Umweltschutz sprechen, denn es geht nicht um die Beherrschung der Natur, sondern es geht um das Leben in und mit der Natur! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.01


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Eduard Köck. Ich erteile ihm dieses.


21.01.29

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seher! Uns liegt ein Arbeitsbericht für die nächsten eineinhalb Jahre vor, der, wie ich meine, sehr, sehr wichtige Dinge inkludiert. Ich möchte zwei Bereiche ansprechen. Der eine ist die Sicherheit im digitalen Bereich, die erhöht werden muss, der andere betrifft die internationalen Investitionen.

Zum digitalen Bereich meine ich, dass wir da noch mehr Gesetze brauchen. Der Digital Services Act geht ja schon ein wenig in die Tiefe, aber es ist doch noch immer sehr, sehr viel möglich. Wenn man sich auf einem Account eine E-Mail-Adresse anlegt, kann man dann durchaus in betrügerischer Absicht vortäuschen, dass man Verkäufe tätigen will, man kann Hasspostings schreiben. Man kann auch Fakeseiten erstellen, wie wir in einem Wahlkampf gesehen haben: diese grausliche Seite über Sebastian Kurz, die die SPÖ bei einem Finanzmogul bestellt hat.

Ich habe das selbst einmal erlebt. Vor zwei Jahren treffe ich mich mit Freunden, und die sagen zu mir: Du hast eigentlich eine tolle Facebook-Seite. Darauf sage ich: Super! Du weißt aber, dass ich nicht auf Facebook bin, weil ich es zu gefährlich finde. Ich habe mir dann meine angebliche Seite angesehen: Die Seite war zehn Tage online, toll aufgebaut, enthielt ein schönes Bild von mir – das war wirklich schmeichelhaft, und ich hatte schon 86 Freunde –, aber sie war nicht von mir. Sie wurde ein halbes Jahr vor der Gemein­deratswahl und wahrscheinlich zum selben Zweck errichtet wie damals bei Sebastian Kurz.

Nun, ich bin die halbe Nacht am Computer gesessen, um das Ganze wieder zu bereini­gen. Ich musste meine Identität klarlegen, ich musste einen Pass einscannen, ich musste mich ausweisen, damit am nächsten Tag dieser Spuk vorbei war, und ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Warum musste das der Ersteller der Seite beim Erstellen der Seite nicht tun? Dann hätte ich das Problem nie gehabt.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 199

Da müssen wir einen Schritt weiterkommen. Ich hoffe, dass wir das bis zur nächsten Wahl hinbekommen, damit von der SPÖ nicht wieder so grausliche Seiten über unseren Kanzler gemacht werden. (Bundesrätin Hahn: Wir haben ... weiße Weste! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Der zweite Punkt, der, wie ich meine, sehr, sehr wichtig ist: In diesem Arbeitsprogramm sind die fairen Bedingungen bei Investitionen im internationalen Wettbewerb enthalten. Das ist eine ganz wichtige Sache. Letzten Endes zielt dieser Punkt vor allem auf China ab, weil die Chinesen immer aggressiver werden. Wir wissen ja, dass ihnen in Griechen­land schon einige Häfen zu einem großen Teil gehören, in Rumänien, in Spanien. Sie haben Anteile an Fluglinien, an Bahngesellschaften, kaufen in Zentral- und Nordeuropa viele technische Firmen auf, und das immer wieder mit starker Unterstützung vom chinesischen Staat, wodurch ein fairer Wettbewerb eigentlich ausgeschlossen wird.

Wir sehen am Beispiel Montenegro, wie Staaten in die Abhängigkeit gebracht werden. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Montenegro hat sich eine Autobahn gewünscht, die nicht wirtschaftlich gewesen wäre und die ihnen niemand gebaut hat. Wir Waldviertler wünschen uns auch immer eine Autobahn, und uns baut auch keiner eine. Der Unter­schied ist: Die Montenegriner sind zu den Chinesen gegangen und haben angefragt, ob sie ihnen die Autobahn bauen, und die Chinesen haben gesagt: Das machen wir; zuerst brauchen wir 3 000 Aufenthaltsbewilligungen für Chinesen – denn die bauen ja die Autobahn –, dann wird es angegangen.

Ein Viertel dieser Autobahn war erstellt, dann wurde ein Kredit von 900 Millionen Euro in Rechnung gestellt. Montenegro hat ein BIP von 2,5 Milliarden Euro. Allein daran kann man erkennen, wie sehr Montenegro in Zukunft von den Chinesen abhängig sein wird – wenn es den Kredit überhaupt bedienen kann –, und dann muss man erst sehen, ob die Autobahn überhaupt irgendwann fertig wird.

Über diese Schiene haben die Chinesen schon sehr, sehr viele Länder in ihre Abhän­gigkeit gebracht. Da müssen wir als Europa gemeinsam auftreten und so einer Entwick­lung entgegentreten, und das können wir auch nur als Europa. Da muss ich Vorredner Hübner ganz einfach widersprechen. Da muss Europa zusammenstehen. (Bundesrat Steiner: Das hat ja bis jetzt so gut funktioniert!) Nur als gemeinsames Europa können wir dieser Macht noch entgegentreten, nur auf dieser Basis können wir überhaupt noch etwas bewirken.

Ich habe zu einem ähnlichen Thema vor ein paar Tagen auch im Europarat gesprochen. Da ist es um die Steuern dieser großen Internetanbieter gegangen. Wir alle wissen, wie viel Umsatz die mittlerweile machen. Wir bemerken das ja immer wieder, wenn wir davon hören, wie viel Jeff Bezos seiner Frau zahlen muss, wenn er sich scheiden lässt, und Ähnliches. Niemand weiß aber, ob Alibaba und Amazon Umsatzsteuer zahlen, und wenn ja, wie viel und an wen. Wir wissen, dass sie die Einkommensteuer umgehen, wir wis­­sen, dass europäische Länder mitspielen. Das müssen wir unterbinden. (Bundesrat Spanring: ... Jean-Claude Juncker!)

Auf der anderen Seite gibt es unsere Klein- und Mittelunternehmen, die jeden Euro deklarieren müssen, jeden Euro letzten Endes dem Finanzminister vorzeigen müssen und dann auch Steuern abführen müssen. Da müssen wir auch zu Gerechtigkeit kommen, auch da müssen wir ansetzen, und auch das geht nur gemeinsam in Europa. Als Österreich alleine werden wir da nichts ausrichten.

Ich finde diesen Bericht sehr gut. Er geht in die richtige Richtung. Wir unterstützen diesen Bericht, und ich hoffe, wir kommen in diesen Sachen einige Schritte weiter. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.07



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 200

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.


21.07.32

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Justizministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Nachdem Kollege Hübner ja den Schwerpunkt im überwiegenden Teil seiner Rede auf die Verschleierung des Anti­semitismus gelegt hat (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), werde ich mich jetzt im ersten Teil meiner Rede ein bisschen kürzer halten, Kollege Steiner.

Zum einen: Es war beeindruckend, im EU-Ausschuss in den letzten zehn Jahren Stück für Stück diesen Weg der europäischen justiziellen Zusammenarbeit nachzuverfolgen. Kollege Hübner war in diesem Zeitraum nicht bei uns im Bundesrat. Der EU-Ausschuss des Bundesrates war einer der wenigen EU-Ausschüsse in Europa, die den Euro­päischen Staatsanwalt explizit begrüßt haben, und damit ein wesentlicher Faktor, dass wir so weit gekommen sind. Warum brauchen wir den, Kollege Hübner? Warum denn? Na? – Da geht es um Korruptionsfragen.

Warum hat man so lange versucht, die Ernennung von Laura Codruța Kövesi aus Rumänien, einer absoluten Expertin der Korruptionsbekämpfung, zu verhindern? Es ist nicht gelungen, und es ist richtig und wichtig, dass sie seit 1.11.2019 die erste Euro­päische Staatsanwältin ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Österreich hatte das Glück, per Los zum Zug zu kommen. Frau Oberstaatsanwältin Ingrid Maschl-Clausen wird für drei Jahre dem Team der Europäischen Staatsanwälte angehören. Das heißt, Frau Kövesi ist für sechs Jahre nominiert, unsere Österreicherin für drei Jahre.

Frau Bundesministerin! Wir brauchen allerdings noch ein paar Begleitregelungen zur Europäischen Staatsanwaltschaft. Ich nehme an, wie ich Sie kenne, dass das bald auf den Weg gebracht wird.

Jetzt noch einmal zum kleinen Schrebergarten des Kollegen Hübner: Kollege Hübner! Wir sind in Europa, wir haben Reisefreiheit, Niederlassungsfreiheit. Natürlich gibt es Erblassfälle: Da stirbt ein Österreicher, der sich in Kopenhagen niedergelassen hat, oder eine Österreicherin, die sich in Spanien niedergelassen hat. Das sind ja alles Dinge, bei denen wir in einem Europa Regelungen haben, in dem es ganz viele Erblassfälle über die nationalen Grenzen hinweg gibt.

Aber – ihr liebt ja den Kampf gegen die Kriminalität – die organisierte Kriminalität kennt keine Grenzen, und die Zusammenarbeit im Bereich der Justiz, aber auch im Bereich des Inneren hilft uns, diese brutale grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen.

Dann kommt noch dazu: Es gibt verschiedene Zeugen. Wenn man sich zum Beispiel den jüngsten Fall mit dieser Kinderpornoseite anschaut: Da muss man verschiedene Straftatbestände sichern und verschiedene Einvernahmen machen. Genau das will die justizielle Zusammenarbeit! Ja, es können zum Beispiel für ein Verfahren, das in Österreich durchgeführt wird, Zeugen in Frankreich befragt werden.

Nun, kommen wir zu dem Vorhaben! Da gibt es sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht zwei Dinge. Im Strafrecht gibt es zwei Richtlinien. Das Erste ist die Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen. Da geht es um genau das, was ich mühsam versucht habe, Kollegen Hübner zu erklären: um Sicherung elektronischer Beweismittel im Strafverfahren. Das Zweite sind einheitliche Regeln für die Bestellung bei der Beweiserhebung im Strafverfahren. Das ist da drinnen, und das ist gut so. Da kann man auf jeden Fall von einer Effizienzsteigerung ausgehen.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 201

Im Zivilrechtlichen gibt es jetzt etwas, das wir bei uns noch nicht haben. Vor allem geht es da – da wird wahrscheinlich die Wirtschaft interessiert sein – um Investitionen. Da gibt es die Präzisierung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung im internationalen Privat­recht. Das heißt, dass Dritten Forderungsrechte übertragen werden, und – wir hier im Bundesrat lieben ja alle die KMUs – die KMUs profitieren davon. Das EU-Parlament hat übrigens in diesem Bereich schon zugestimmt.

Der ganz, ganz große Brocken aber sind die digitalen Dienste und die digitalen Services, also einerseits gibt es Services, andererseits gibt es Markt. Da wird – wir hatten sie schon im EU-Ausschuss – wieder die E-Commerce-Richtlinie zu überarbeiten sein. Es geht aber auch um Standardfestlegungen für Notice-and-Action-Verfahren, und natürlich kommt Hass im Netz als Thema dazu.

Bei Frau Kittl schließe ich kurz an, was den ökologischen Bereich betrifft. Da gibt es die nichtfinanzielle Berichterstattung. Das wurde jetzt einmal als Strategie für die nachhaltigen Investitionen probiert. Jetzt gibt es da das Problem, dass die Informationen nicht vergleichbar sind, dass sie nicht zuverlässig sind, nicht relevant sind. Deshalb hat man die European Financial Reporting Advisory Group mit einem Mandat beauftragt, die Finanzstruktur und die Governance zu organisieren. Man hat auch gesagt, in welchem Bereich es solche Standards braucht: bei der nichtfinanziellen Berichterstattung. Das betrifft den Klimaschutz, den Sie genannt haben, das betrifft die Umwelt, die Energie, die Mobilität, die Innovation, die Technologie und so weiter. Da geht es um wichtige und richtige Vorhaben.

Ganz zum Schluss, weil ich ja schon einmal über die Adäquanzentscheidungen ge­sprochen habe: Das wichtigste Gut, das wir haben, sind unsere Daten. Früher waren wir Sammler, dann wurden wir Jäger und heute sind wir Datenproduzenten und –produ­zentinnen. Da geht es darum, dass unsere Datenschutz-Grundverordnung mit anderen Ländern harmonisiert werden muss. Wir hatten schon einmal den Safe Harbor ge­kündigt, und zwar mit den USA. Jetzt machen wir das stattdessen mit dem Vereinigten Königreich, aber auch mit Japan und auch mit Südkorea. So, das ist alles in diesem Vorhaben.

Jetzt kommen wir zu dem, was Kollege Hübner versucht hat lächerlich zu machen. Erstens erinnern wir dieser Tage an den 100. Geburtstag des Mitglieds der Weißen Rose Sophie Scholl. Sophie Scholl war Christin und hat als junge Frau angefangen, Flugblätter zu produzieren. Sie wurde von den Nazis ermordet.

Jetzt kann man sagen, es gibt auch heute Menschen wie Sophie Scholl. Ich möchte nur einen Namen nennen: Olga Misik. Sie, damals 17 Jahre alt, hat sich vor eine riesige Truppe der russischen Polizei hingesetzt und hat die Verfassung vorgelesen. Das Resultat waren zwei Jahre Haft.

Die Israelitische Kultusgemeinde hat 2019 berichtet, dass es 550 antisemitische Übergriffe gegeben hat. Das waren doppelt so viele wie davor. Nun kommt genau das, was Kollegen Hübner solche Sorgen macht, nämlich dass das Verbotsgesetz in irgendeiner Weise tangiert ist. Deshalb die vielen Worte. Sie hätten einfach sagen können: Wir wollen nicht, dass Antisemitismus und Verbotsgesetz miteinander verknüpft werden. Dann wäre die Sache, was Sie wollen, klar gewesen, aber so haben Sie sich lustig gemacht.

Es gab irgendeinen Zwischenruf. Ich glaube, es war Herr Schreuder, der gerufen hat: Die rennen mit Judensternen herum. Also ich habe auf der Straße Menschen mit Judensternen gesehen, das ist extrem irritierend, und natürlich finden sich da Rechts­radikale, Neonazis, ReichsbürgerInnen, WutbürgerInnen und andere ein. Und das ist eine Form des Antisemitismus, dem wir entschieden entgegentreten müssen.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 202

Ich weiß nicht warum, aber ich kriege so viele E-Mails von Weltverschwörern. Da kommt das genau heraus: Bill Gates, eine jüdische Maßnahme, um uns alle auszutauschen, diese Pandemie wurde erfunden!, und so weiter und so fort. Da kommen ganz alte Verschwörungstheorien mit ganz neuen zusammen, und deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesamt­gesellschaftliche Sensibilisierungsoffensive gegen antisemitische Verschwörungs­theorien“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung möge so rasch wie möglich, abseits der bereits beschlossenen Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, im Schul- und gesamten Bildungsbereich und mit gesamtgesellschaftlichen Sensibilisierungsoffensiven Maßnahmenpakete set­zen, um gegen die antisemitischen Verschwörungstheorien, die sowohl im Netz, als auch in der realen Welt vertreten werden, entgegenzuarbeiten. Zusätzlich soll ein jährlicher Bericht über die Verbreitung und Vertretung von antisemitischen Verschwörungstheorien den beiden Kammern vorgelegt werden, wobei der föderale Aspekt des Problems, genauso wie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Netzvarianten und jener im sozialen und politischen Leben besonders berücksichtigt werden sollen.“

*****

Damit unterstützen wir zusätzlich die Nationale Strategie gegen Antisemitismus der Bun­desregierung, und wir hoffen angesichts dieses wichtigen Themas, dass wir da nicht alleine bleiben und die Koalition bei diesem Antrag mitgehen kann. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

21.19


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Gesamt­ge­sell­schaftliche Sensibilisierungsoffensive gegen antisemitische Verschwörungstheorien“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr dieses.


21.19.50

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! In den letzten Monaten wurde bekannt, dass die Regierung rund um Bundeskanzler Sebastian Kurz plant, eine entscheidende Säule des österreichischen Qualitätsjournalismus, die „Wiener Zeitung“, und somit auch das Amtsblatt der Republik Österreich nach 318 Jahren einzustellen.

Die Erstausgabe der „Wiener Zeitung“ erfolgte am 8. August 1703. Im Rahmen der Um­setzung der Digitalisierungsrichtlinie wird die Veröffentlichungspflicht für Unternehmen auf digitale Füße gestellt, was den Wegfall des Amtsblattes und einer der Geschäfts­grundlagen der „Wiener Zeitung“ bedeuten wird. Auslöser für die ungewisse Zukunft ist die im Regierungsprogramm vorgesehene Abschaffung der Pflichtinserate im Amtsblatt, die einen großen Teil der Einnahmen ausmachen. Eigentümer der „Wiener Zeitung“ ist die Republik, das Bundeskanzleramt fungiert als Eigentümervertreter.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 203

In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage, die Frau Kollegin Schumann und ich an den Bundeskanzler gerichtet haben, wurde die drohende Einstellung bestätigt das ist zutiefst beunruhigend und irritierend. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich aber aus der Beantwortung zitieren und klarmachen, weshalb diese durchaus Brisanz hat. Der Bundeskanzler antwortet in bekannter Form eher flüchtig als konkret auf unsere Anfrage, dabei schreibt er unter anderem Folgendes:

„Das vergangene Jahr hat uns allen [...]“ deutlich „vor Augen geführt, wie bedeutend die Presse- und Medienfreiheit, sowie die Vielfalt an kritischen und qualitativen Medien­unternehmen in Österreich für unsere Demokratie ist. Die Wiener Zeitung ist dabei ein Bestandteil der österreichischen Medienlandschaft.“  So schön, so gut.

Es scheint also so, als sähe der Kanzler die „Wiener Zeitung“ als wichtigen Teil der österreichischen Medienlandschaft, der sich als entscheidender Bestandteil unseres demokratischen Systems etabliert hat, um kurz darauf festzustellen:

„Nicht vom öffentlich-rechtlichen Auftrag umfasst und damit nicht Aufgabe der Republik ist der Betrieb und die Finanzierung einer Tageszeitung. Dennoch soll bei der Um­set­zung des Regierungsprogramms im Rahmen eines neuen Geschäftsmodells, ein Me­dium erhalten werden und diesem auch hinsichtlich einer nachhaltigen und wirtschaft­lichen Tragfähigkeit ein entsprechender öffentlich-rechtlicher Auftrag als Bildungs- und Publikationsmedium der Republik verliehen werden.“

Im Staatsdruckereigesetz heißt es: „Unternehmensgegenstand der Wiener Zeitung GmbH [...] ist die Herstellung und der Verlag der Wiener Zeitung“, und „Herausgeber [...] ist der Bund“. Der Bundeskanzler hat den Bezugspreis „nach kaufmännischen Grund­sätzen und unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen festzusetzen.“ Eine Einstel­lung, Privatisierung oder Umwandlung in ein reines Digitalmedium, wie vom Kanzler aufgrund unserer parlamentarischen Anfrage angekündigt, wäre vor diesem Hintergrund ein Gesetzesbruch. Der Redaktionsbeirat der „Wiener Zeitung“ hat daher die Antwort des Bundeskanzlers, dass der Betrieb und die Finanzierung einer Tageszeitung nicht Aufgabe der Republik seien, mit Befremden zur Kenntnis genommen.

Widersprüchlich zur Meinung der Regierung ist auch die Empfehlung des Europarates von 2018. Der Europarat hat der Republik Österreich eine Empfehlung ausgesprochen, die „Wiener Zeitung“ zu erhalten. An den Bundeskanzler und den Vizekanzler erging am 13. April des heurigen Jahres ein offener Brief zum Aufruf zur Rettung der „Wiener Zeitung“, der von Universitätsprofessoren der Kommunikationswissenschaft und weite­ren Wissenschaftsdisziplinen unterschrieben wurde. Da die heimische Medienlandschaft ohnehin sehr konzentriert ist und der Markt an Tageszeitungen nur noch 14 Titel umfasst, würde der Wegfall der „Wiener Zeitung“ den Pluralismus und in weiterer Folge den demokratischen Auftrag der Tageszeitungen in Österreich weiter schwächen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die „Wiener Zeitung“ ist Teil der österreichischen Qualitätspresse und weist mehrere Besonderheiten auf. Wie schon gesagt, sie existiert seit 1703 und ist somit die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Der Anfang April leider verstorbene Dr. Hugo Portisch und sein langjähriger Freund und renommierte Journalist Heinz Nussbaumer wollten die republikeigene „Wiener Zeitung“ zum Weltkulturerbe erklären. Sie würdigen die „Wiener Zeitung“ als „‚Vorbild für Qualität und Verantwortungsbewusstsein‘ und sehen in ihrer Geschichte ‚einen Journalismus ohne jede Parallele‘“.

Mit dieser Meinung sind sie nicht allein, denn viele namhafte Journalistinnen und Jour­nalisten teilen diese und finden die kolportierte Einstellung ein medienpolitisches Ar­mutszeugnis. Österreich braucht hochwertige Zeitungen und nicht eine weitere digitale


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 204

Serviceplattform, die vielleicht noch dazu ähnlich erfolgreich sein wird wie das uns allen bekannte Kaufhaus Österreich.

In Zeiten von Fakenews und zunehmender Desinformation hat der Qualitätsjournalismus eine unverzichtbare Bedeutung. Das gilt gerade auch für den Printjournalismus. Dieser ist, auch wenn man es mit Ländern wie der Schweiz vergleicht, in Österreich ohnehin schon eher übersichtlich aufgestellt, was ja auch für die Meinungspluralität, die es für eine ausgewogene gesellschaftliche Debatte braucht, mehr als schädlich ist.

Insofern ist die „Wiener Zeitung“ eine Dienstleisterin für jede Einzelne und für jeden Einzelnen, weil wir alle von qualitätsvoller Berichterstattung profitieren. Sie stellt in über­sichtlicher Form umfangreiche Informationen zur Verfügung, auf deren verbindlichen Inhalt sich die Leserinnen und Leser verlassen können. Sie hat sich durch ihre seriöse und unabhängige Berichterstattung profiliert und diese über Jahrzehnte kultiviert. Zu ihren Leserinnen und Lesern gehören Entscheidungsträger aus der Politik, der Wirt­schaft und der Kultur.

Damit diese wichtige Stimme Österreichs auch weiterhin und in Zukunft Gehör finden kann, fordern wir die Regierung auf, die Finanzierung der „Wiener Zeitung“ mit öffent­lichen Mitteln sicherzustellen und ihre Fortführung zu garantieren. Kein Unterneh­men der Welt würde eine derart bekannte Marke wie die „Wiener Zeitung“ einstellen. Als Land, das stolz auf das Kulturgut ist und weltweit damit wirbt, sollten wir keine Diskussion darüber führen, diese Traditionszeitung nicht zu erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Aus all diesen Gründen und weil der Bundeskanzler einmal mehr nur unzureichende Antworten gegeben hat, haben wir auch eine weitere Anfrage an ihn gerichtet, die wir noch heute einbringen werden. Es sind Fragen offen, die uns aber auch die Öffent­lichkeit interessieren und die er uns beantworten soll. Wir SozialdemokratInnen sind felsenfest davon überzeugt, dass uns allen der Qualitätsjournalismus etwas wert sein muss. Dass zudem aus einer hervorragenden Zeitung ein nicht näher definiertes Medium entwickelt werden soll, das möglicherweise der Kurz’schen Messagecontrol eher ver­pflichtet ist als der journalistischen Äquidistanz und einer unabhängigen Berichterstat­tung, lässt uns nachdenklich zurück.

Aus all den genannten Gründen und auch wegen der historischen Bedeutung der „Wiener Zeitung“ stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der Wiener Zeitung als älteste Zeitung der Welt“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der für die Wiener Zeitung gemäß Staatsdruckerei­gesetz zuständige Bundeskanzler, wird ersucht, alles zu unternehmen, um die Wiener Zeitung als älteste Tageszeitung der Welt für die Leserinnen und Leser zu erhalten. Die Bundesregierung wird darüber hinaus ersucht, bei der Medienförderung qualitative Aspekte besonders zu berücksichtigen.“

*****

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.28


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erhalt der


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 205

Wiener Zeitung als älteste Tageszeitung der Welt“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Alma Zadić zu Wort gemeldet. Ich bitte darum.


21.28.37

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit werde ich mich kurz halten, aber es war mir trotzdem wichtig, zumindest ein paar Worte zu dieser Jahresvorschau an Sie zu richten, weil sie doch einen kompakten Überblick über die Arbeit der Europäischen Kommission und insbe­sondere auch über die Arbeit der Trioratspräsidentschaft Deutschland, Portugal und Slowenien gibt.

Es geht darum, welche Ziele man sich gesetzt hat und was man in dieser Zeit umsetzen möchte. Das zeigt natürlich, dass die Kommission ein ambitioniertes Programm vorhat, und das basiert auf sechs politischen Zielvorgaben, das hat auch Kommissions­prä­sidentin von der Leyen bereits angekündigt. Diese sechs Zielvorgaben sind eben die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratien in Europa, die Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch die Digitalisierung sowie auch der European Green Deal.

In all diesen Bereichen finden sich natürlich auch für die Justiz wichtige Punkte. So geht es um die Stärkung der Sicherheitsunion. Da darf ich darauf verweisen, dass es ein digitales Paket zur Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit geben wird, gerade auch im Straf- und Zivilrechtsbereich. Das ist insbesondere im Hinblick auf die digitale Dekade 2030 natürlich ein sehr wichtiger Schritt.

Das zweite Thema im Bereich der Sicherheit ist die Überarbeitung der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt. Wir haben gesehen, dass das notwendig ist und dass es da Verbesserungen geben muss, daher gibt es auch das Ziel, diese Richtlinie zu überarbeiten.

Der zweite wichtige Grundpfeiler ist die zunehmende Hasskriminalität, aber auch die zunehmende Digitalisierung, der sich die Kommission natürlich auch insofern widmet, als man sich anschaut, wie man Hasskriminalität auf europäischer Ebene bekämpfen kann und wie man auch insbesondere die unterschiedlichsten Straftatbestände in den verschiedenen Ländern harmonisieren kann, denn wir wissen, dass gerade die Hasskriminalität oder der Hass im Netz nicht vor unseren Landesgrenzen halt machen, sondern dass man tatsächlich europaweit damit konfrontiert ist. Daher gilt es, diese Re­gelungen zu harmonisieren, damit man in Europa effizient Hass im Netz bekämpfen kann.

Das Legislativorhaben über die digitalen Dienste, dieser Digital-Services-Act, ist auch etwas, was jetzt vorangetrieben wird. Es geht in erster Linie darum, tatsächlich die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen, aber auch den bestehenden Gefahren der neuen Technologien wirklich mit Regulativen und entsprechenden Regelungen entge­gen­zutreten und auch mögliche Gefahren hintanzustellen.

Wie Sie sehen, ist das Arbeitsprogramm sehr intensiv; trotz der Coronakrise wird uns nicht langweilig. Also es gibt einiges zu tun, und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Regelungen auch einen Mehrwert für die europäischen Bürgerinnen und Bürger mit sich bringen. Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

21.32

21.32.15



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 206

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Frau Bundesministerin, vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Gesamtgesellschaftliche Sensibilisierungs­offensive gegen antisemitische Verschwörungstheorien“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. Gegenruf des Bundesrates Schreuder.)

Es liegt ein weiterer Antrag der Bundesräte Korinna Schumann Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erhalt der Wiener Zeitung als älteste Tageszeitung der Welt“ vor. Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag ab­stimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

21.33.5913. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (643 d.B. und 776 d.B. sowie 10611/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco SchreuderIch bitte um den Bericht.


21.34.19

Berichterstatter Marco Schreuder: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Be­schluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

21.34.50


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Die Plätze haben Sie nun eingenommen.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 207

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.35.2514. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend eine Erklärung euro­pä­i­scher Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus (632 d.B. und 777 d.B. sowie 10612/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco SchreuderIch bitte um den Bericht.

21.35.48


Berichterstatter Marco Schreuder: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Be­schluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend eine Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

21.36.23


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.36.5815. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Anna Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maß­nahmen gegen den illegalen Welpenhandel (291/A(E)-BR/2021 sowie 10622/BR d.B.)

16. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Anna Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorge­ge­bene Verbot der Qualzucht zu erreichen (292/A(E)-BR/2021 sowie 10623/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 208

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 15 und 16.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. – Ich bitte um die Berichte.


21.37.38

Berichterstatterin Eva Prischl: Hohes Präsidium! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag der Bundes­räte Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ein Beschluss über den Antrag, dem vorliegenden Entschließungsantrag die Zustim­mung zu erteilen, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Entschuldigung, Frau Bundesrätin, haben Sie den zweiten Bericht schon gemacht? – Bitte.


Berichterstatterin Eva Prischl (fortsetzend): Ich bringe den Bericht des Gesund­heitsausschusses über den Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorgegebene Verbot der Qualzucht zu erreichen.

Auch da liegen die Unterlagen schriftlich vor.

Ein Beschluss über den Antrag, dem vorliegenden Entschließungsantrag die Zustim­mung zu erteilen, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


21.39.22

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich beziehe mich in meiner Rede auf Top 15 und möchte zu Beginn gleich eines klarstellen: Der illegale Handel mit Welpen ist eine grausame Geldmache, die auch unnötiges Tierleid verursacht. Das gehört bekämpft, ich glaube, darin sind wir uns wirklich alle einig.

Ebenso darf die tiergesundheitliche Sicht nicht außer Acht gelassen werden, da muss weiter an Lösungen gearbeitet werden. Wie wir vorgestern im Ausschuss gehört haben, wird das auch bereits getan. Das Hinaufsetzen des Alters, in dem ein Tier – egal, ob im gewerblichen Bereich oder an Privatpersonen – abgegeben werden darf, auf 15 Wochen, ist unseres Erachtens jedoch der falsche Weg dafür. Ich möchte Ihnen auch kurz erklären, warum das so ist.

Im Bereich der Hundeausbildung für berufliche Zwecke wie Spürhunde, Rettungs­hunde, Jagdhunde, Blindenhunde oder Therapiehunde ist es äußerst wichtig, die Hunde ab der achten Lebenswoche für den späteren Beruf zu prägen. Die Hauptprägungsphase der Hunde ist zwischen der vierten und achten Lebenswoche. Alles, was sie in dieser Phase lernen, manifestiert sich in ihrem späteren Leben.

Gerade in diesen Bereichen ist es daher absolut erforderlich, da mit der Ausbildung zu starten. Ich habe mit ausgezeichneten Hundetrainern gesprochen, die mir bestätigt haben,


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 209

dass mit einem späteren Start der Ausbildung die Berufe kaum noch erlernt werden können.

In Österreich gibt es schlichtweg kein stetiges Angebot an geeigneten Würfen, dass die Welpen ausschließlich aus Österreich bezogen werden können. Deswegen wird auf geeignete Züchter aus dem Ausland zurückgegriffen, wie zum Beispiel aus Deutschland, um die Berufshunde zu beziehen.

Das wäre aber im Sinne des Entschließungsantrages nicht weiter möglich und deswegen können wir diesem leider nicht zustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.41


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bundesrätin Bettina Anna Lancaster ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.41.54

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Beim Tierschutz wurde bislang immer angekündigt, aber nichts vorgelegt. Auch jetzt wird wieder davon geredet: alles in Arbeit, da können wir jetzt nicht mitgehen. – Ich reihe diese Vorwände in die Kategorie Ausrede.

Zwei wichtige Anliegen zum Tierwohl haben es auf unsere Initiative hin aber heute auf die Tagesordnung des Plenums geschafft. Das ist gut so, auch wenn die Sitzung schon lange dauert und bei manchen die Aufmerksamkeit schon ausgereizt ist. Die Themen sind Qualzucht und Welpenhandel.

Zunächst zur Qualzucht: Der Mensch formt Tierarten in der Zucht nach seinen Vor­stellungen. Heute werden Haustiere oftmals als Modeaccessoire gesehen, und ent­sprechend erfolgt die Zucht nach dem Aussehen. Da geht es um kurze Schnauzen bei Hunden und Katzen. Der Wellensittich braucht ein Hauberl. Der Goldfisch soll nur noch nach oben schauen. Die Ratte muss nackt sein. Und das Designerreptil braucht eine neue Musterung oder soll keine Schuppen mehr haben und so weiter.

Für die Massentierhaltung in der Agrarindustrie werden die Tiere auf Hochleistung gezüchtet. Schweine werden auf große Würfe gezüchtet. In einer Zuchtsau wachsen mehr Ferkel heran, als physiologisch sinnvoll ist. Der Anteil der lebensschwachen Tiere steigt, und Ferkelkadaver pflastern den Weg, wie man zuletzt auch wieder in Nieder­österreich gesehen hat. Bei Hochleistungsfleischrinderrassen müssen die Kälber routi­nemäßig über Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden; ohne menschliches Eingreifen gäbe es keinen Nachwuchs. Die Hochleistungsmilchkühe liefern und liefern Milch und betreiben Raubbau an der eigenen Vitalität. Der Erschöpfung folgt nach nur wenigen produktiven Jahren das Schlachthaus. Auch in der Agrarindustrie ließe sich diese Liste von Züchtungen weiterführen.

Der Mensch perfektioniert Tiere nach seinem eigenen Nutzen oder Gefallen, die Natur der Tiere ist dabei völlig egal. Züchtungen führen zweifelsohne immer mehr zu einem qualvollen Dahinvegetieren, ein gesundes und vitales Leben rückt bei diesen Tieren und deren Nachkommen in unerreichbare Ferne.

Österreich hat das Verbot der Qualzucht gesetzlich festgeschrieben, aber dies allein reicht nicht: Es fehlt die Detailregelung, es fehlt die Verordnung; die Definition, was als Qualzucht gilt, gehört festgelegt. Das würde den Behörden die Sicherheit beim Vollzug geben, zudem sollten über alle Bundesländer hinweg die gleichen Auslegungen herr­schen. Der Istzustand führt zum unerwünschtem Effekt, dass Tiere trotz des Verbots so gezüchtet werden, dass sie schwere Leiden erfahren müssen. Die derzeit im Gesetz angeführten allgemeinen Qualzuchtmerkmale schaffen zu wenig Klarheit.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 210

Nun zum zweiten Punkt: zum Welpenhandel. Wer kennt die Bilder von Welpen in Kofferräumen nicht? Fast wöchentlich werden wir mit solchen herzzerreißenden Bildern konfrontiert. Tiere werden unter unwürdigen Bedingungen feilgeboten, der Profit wird über Menge und niedrige Standards geholt. Es ist ein ziemlich lukrativer Markt, ein Markt, der Tiere nicht als Lebewesen achtet und in dem mit entfesselten, lebendigen Kuller­augen Geschäfte gemacht werden, ein Markt, der durch das Leid der Tiere floriert, ein Markt, der oftmals beim neuen Haustierbesitzer Kummer, Sorgen und Schmerz verur­sacht. Bei vielen dieser über die Grenzen gebrachten Welpen kommt es zu Kompli­kationen; Kosten für tierärztliche Behandlungen entstehen, in der Folge kommt es regelmäßig zu Einschläferungen. Die Erkenntnis, dass man bei der Anschaffung eines Haustieres eine gute Vertrauensbeziehung mit dem Züchter aufbauen sollte, kommt bei vielen zu spät.

Der Gesetzgeber hat die Rahmenbedingungen zu schaffen, die zum Schutz der Lebe­wesen Katzen- und Hundewelpen sind. Zu unserem Ansatz: Es ist derzeit sowohl für Privatpersonen als auch für HändlerInnen zulässig, Hunde- und Katzenwelpen ab einem Alter von acht Wochen nach Österreich zu importieren. Dies hat zur Folge, dass diese über keinen vollständigen Schutz gegen Tollwut verfügen. Mitgeführt werden muss nur eine selbst ausgestellte Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung für Tiere zwischen acht und 16 Wochen ohne gültige Tollwutimpfung.

Problematisch ist die derzeitige Vorgehensweise Österreichs besonders bei der wirt­schaft­lichen Verbringung von Hunde- und Katzenwelpen ins Inland. Bei organisierten Welpenhändlerinnen und -händlern aus dem benachbarten Ausland ist in der Regel nicht nachvollziehbar, von wo diese die betroffenen Tiere beziehen. Diese stammen oftmals aus unkontrollierten Hinterhofzuchten. Von den WelpenhändlerInnen werden sie gesam­melt und anschließend nach Österreich verbracht; dabei wird den Abnehmern und Abnehmerinnen vorgetäuscht, dass die Tiere aus liebevollen familiären Zuchten stam­men. Die Korrektheit der Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung ist in diesen Fällen daher sehr zweifelhaft.

Österreich soll deshalb gegenüber der Europäischen Kommission bekannt geben, dass ein gültiger Impfschutz gegen Tollwut bei der wirtschaftlichen Verbringung das umfasst jede kommerzielle Einfuhr nach Österreich als notwendig angesehen wird. Damit soll erreicht werden, dass Hunde- und Katzenwelpen bei der kommerziellen Einfuhr ein Mindestalter von 15 Wochen aufweisen.

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel (291/A(E)-BR/2021)

Die unterzeichnenden Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, dem gegenständlichen Entschließungsantrag 291/A(E)-BR/2021 die Zustimmung zu erteilen.

*****

Weiters bringe ich folgenden Antrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 211

Antrag

der BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorgegebene Verbot der Qualzucht zu erreichen (292/A(E)-BR/2021)“

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, dem gegenständlichen Entschließungsantrag 292/A(E)-BR/2021 die Zustim­mung zu erteilen.

*****

Machen Sie den Unterschied, nehmen Sie sich der Sache des Tierschutzes jetzt an und stimmen Sie zu! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.51


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Die von den Bundesräten Bettina Lancaster, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachten Anträge zum Verhandlungsgegenstand, den gegenständlichen Entschließungsanträgen die Zustim­mung zu erteilen, sind genügend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger ist als nächste Rednerin zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihr.


21.51.53

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Tapfere ZuseherInnen, die noch da sind! Ja, ich muss das sagen, weil es so ist: Tierschutz ist für uns Grüne von allerhöchster Bedeutung (Ruf bei der FPÖ: Das merkt man aber nicht!), und mir persönlich wurde die Liebe zu den Tieren in die Wiege gelegt – umso mehr machen mich die Auswirkungen (Bundesrat Spanring: ... aber die ÖVP hat gesagt, des dürf ma net!), die Folgen von Überzüchtung und Qualzucht betroffen. Es gibt so viele offensichtliche Auswirkungen von Qualzucht, die Kollegin Lancaster schon ausreichend dargelegt hat. Keines dieser Bilder, die da in unserem Kopf erscheinen, macht in uns irgendeine positive Wirkung.

Ich kann mich noch erinnern, vor 40 Jahren hat man kupierte Ohren bei den Dober­männern, kupierte Schwänze bei den Rottweilern gesehen. Die Auswüchse, die aber Qualzucht mittlerweile annimmt, sind unerträglich: Tiere, die keine Luft mehr bekommen, die man operieren muss, damit sie überhaupt noch 5 Meter gehen können, um aus­reichend Luft zu bekommen, damit sie atmen können.

Ich denke, dass wir zum Wohl und zum Schutz der Tiere tatsächlich eine Veränderung in der Gesetzgebung erreichen müssen. Ich sehe es aber auch so – denn anders würde das am Ende des Tages nicht funktionieren –, dass wir dazu eine EU-konforme Aus­arbeitung brauchen. Das haben wir schon am Dienstag im Ausschuss gehört.

Die Dame aus dem Ministerium hat uns sehr eindrücklich gesagt: Ja, das ist gut, richtig und wichtig, und sie sind auch schon im Tun, aber es braucht EU-Konformität und die Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium. Das würde ich also anders als die Kollegin sehen: Es fällt nicht unter die Kategorie Ausrede, sondern es fällt unter die Kategorie Tun. Wir tun, und ich halte es nicht für sinnvoll, wenn man schon auf dem besten Weg ist, dort noch irgendwelche Zwischenrufe zu machen oder Aufträge zu geben.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 212

Ähnliches ist auch zum Welpenhandel zu sagen. Das, was die andere Kollegin zum Welpenhandel und zu den acht Wochen gesagt hat, war recht spannend. Das hat schon einen Grund, weshalb man einen kleinen Hund auch schon mit acht Wochen zu sich holt. Also Zeit meines Lebens haben wir Hunde. Ich habe heute einmal nachgerechnet: Wir haben einen Entlebucher Sennenhund – eine ganz Wilde ist das –, die wir mit acht Wochen bekommen haben. Das war möglich. Sie ist im August geboren und im Dezember zu uns gekommen. Sie war von der Mutter schon entwöhnt. Wir haben einen zweiten Hund, und das hat alles wunderbar funktioniert. Das ist nicht zu früh, also gerade dann, wenn die Hunde in der Familie aufwachsen sollen, ist das ein angemessenes Alter.

Das Problem ist allerdings wirklich die Frage der Tollwuteinschleppung nach Öster­reich – eine Krankheit, die wir jetzt gerade nicht haben. Da braucht es aber ebenfalls weiter reichende Gedanken als das kurzfristige Verbot, denn der Welpenhandel hat noch viel mehr Facetten als eine Tollwutimpfung. Da muss es noch um wesentlich mehr gehen, wenn man diese Bilder mit den armen Viecherln im Kofferraum aus Gott weiß woher sie kommen wieder im Kopf hat. Das muss abgestellt werden, aber wie gesagt, da braucht es Spezialisten, die das begleiten. Wir sind diesbezüglich im Tun (Bundesrat Spanring: Ausrede!) und deshalb brauchen wir heute hier diese speziellen Zusatz­aufträge, glaube ich, nicht. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.55


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weiters zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile es ihr.


21.55.26

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Kollegin Hauschildt-Buschberger, ich muss Sie korrigieren: Im Ausschuss hat die geladene Expertin schon gesagt, dass Übereinstimmung mit dem Wirtschaftsministerium hergestellt werden muss, und auch das mit der EU stimmt, nur hat das nicht die Qualzucht betroffen, sondern den illegalen Welpenhandel – wegen der Freizügigkeit. Ich kann Ihnen also Ihr Gewissen erleichtern: Sie können unserem Antrag zur Qualzucht zustimmen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Das illegale Geschäft mit den Hundewelpen boomt seit Jahren, und die Coronakrise hat es nicht gerade besser gemacht. Die Menschen haben viel Zeit zu Hause verbracht, sie haben sich nach Gesellschaft gesehnt, und was ist da netter, als ein Tier zu Hause zu haben, das, egal wie man drauf ist, einen freundlich begrüßt, eine Gaudi hat, wenn man da ist, und dass Mensch und Tier in Symbiose leben.

Großteils werden diese Welpen – was ja auch klassisch wieder in diese Corona­pan­demie passt – über Onlineportale angeboten. Die Menschen haben sich also oft Hunde bestellt, die dann auf Parkplätzen oder irgendwo über Strohmänner in Wohnungen ver­kauft wurden. Gezüchtet wurden die Hunde oder die Tiere im EU-Ausland oder noch ein bisschen weiter weg in Richtung Balkan von skrupellosen Händlern – Züchter will ich gar nicht sagen –, die diese Hunde, diese Tiere produzieren.

Gesundheit und Wohl der Tiere spielen dabei überhaupt keine Rolle. Die werden ge­halten, müssen in Kot und Urin, in verdreckten Zwingern liegen. Ich habe hier mein Tele­fon (ein Smartphone in die Höhe haltend): Mir haben Tierschutzorganisationen Fotos zugeschickt. Es ist traurig und schiach. Die Zustände sind weder hygienisch noch ge­sund geschweige denn artgerecht. Unter unwürdigen Bedingungen werden die Tiere gehalten und einfach viel zu jung zu uns nach Österreich transportiert. Das Einzige, das die Gauner an der Geschichte interessiert, ist, dass sie Profit, den maximalen Gewinn machen.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 213

Das bittere Erwachen – weil man glaubt, man kauft einen günstigen Welpen – kommt dann relativ schnell, wenn die Tiere ihr neues Zuhause haben, denn viele Tiere sind schwer krank.

Aus dem vermeintlichen Schnäppchen kann dann innerhalb von ein paar Tagen ein todkranker Hund werden. Bei einem seriösen Züchter vor Ort passiert einem das einfach nicht. Die schauen sich schon die Elterntiere genau an. Sie sorgen für eine umfassende tierärztliche Betreuung. Es gibt Impfungen und Entwurmungen, und es wird eine art­gerechte, sehr warmherzige Aufzucht gemacht. Die Tiere werden nicht zu früh von der Mutter weggenommen.

Beim billigen Schnellvermehren beliebter Hunderassen wird einfach nicht auf die Ge­sundheit dieser Tiere geschaut. Sehr oft werden die Mutterhunde – wenn man sich die Bilder anschaut – in engen Käfigen gehalten und einfach nur zu Gebärmaschinen degra­diert.

Die Kollegin hat schon gesagt, dass die Tiere im Kofferraum transportiert werden – viel zu jung mit gefälschten Zuchtpapieren und Impfeintragungen. Die Hunde, die Tiere – es sind halt großteils Hunde – leiden aufgrund des viel zu frühen Entzugs von der Mutter fürchterlich und haben chronische Beschwerden und Krankheiten.

Es ist auch gefährlich – wir haben es schon gehört –, denn durch den illegalen Welpen­handel können Krankheiten eingeschleppt werden, von denen man in Österreich glaubt, dass sie vermeintlich ausgestorben sind, wie etwa die Tollwut. Derzeit – auch das wurde erwähnt – genügt eine Tollwutunbedenklichkeitsbescheinigung. Die können aber die Händler selbst ausstellen – dann aber ist noch kein Hund geimpft, das ist der Unter­schied.

Die Tollwut kann auch für Menschen tödlich sein. Ein Biss endet fast zu 100 Prozent tödlich. Darum, glaube ich, ist es im Sinne von Tier- und Menschenwohl ein guter Antrag, und ich würde wirklich ersuchen, dass sich auch Schwarz und Grün im Sinne des Tier­wohls einen Ruck geben und dem Antrag zustimmen, dass die Tiere im Rahmen wirt­schaftlicher Tätigkeiten, wenn sie nach Österreich verbracht werden, einen ausreichen­den Schutz vor Tollwut bekommen und beim Import ein Mindestalter von 15 Wochen aufweisen. Das ist der erste Antrag, in Bezug auf den wir Sie ersuchen, ihm Ihre Zustim­mung zu erteilen.

Beim zweiten Antrag, den wir behandeln, geht es um Qualzucht. Da gibt es Kaninchen mit überdimensional langen, großen Ohren, Katzen ohne Fell, Vögel ohne Gefieder und ganz, ganz kleine Hunde. Qualzucht bedeutet eine Qual für diese Tiere, sie verursacht Kurz­köpfigkeit, Verkürzung des Oberkiefers, Taubheit, verkrümmte Wirbelsäulen, Läh­mungen, Blindheit, höllische Schmerzen für die Tiere und viele weitere schreckliche Krankheiten, welche für eine Modeerscheinung einfach in Kauf genommen werden.

Für eine Modeerscheinung, für ein sogenanntes Schönheitsideal müssen Tiere – Mitge­schöpfe – leiden. Häufig leiden sie ein Leben lang an den gesundheitlichen Konsequen­zen. Da werden zum Beispiel ganz kleine Hunde gezüchtet. Die sind so klein, dass sie als ausgewachsenes Tier in einen Teebecher passen, sogenannte Teacupdogs. Diese Minizüchtungen bedeuten eine Qual für die Tiere, die unter gravierenden gesund­heit­lichen Problemen leiden. Die Bezeichnung Teacuphund ist eigentlich nur eine Marketing­bezeichnung, das heißt, es steckt wieder einmal der schnöde Mammon und nicht die Tierliebe dahinter. Es ist keine offizielle Hunderasse.

Dazu muss ich schon sagen: Wenn sich jemand einbildet, er möchte einen Hund haben, der kleiner als 15 Zentimeter ist, dann möge er sich doch bitte ein Stofftier kaufen und nicht Lebewesen quälen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 214

All das wäre laut § 5 Abs. 2 Z 1 Tierschutzgesetz verboten, kann aber nicht einmal ordentlich geahndet oder bestraft werden, weil das Gesetz nicht konkret genug ist. Daher wird jetzt der Antrag abgestimmt, dass die derzeit angeführten allgemeinen Qualzucht­merkmale konkretisiert werden, dass genau aufgezeichnet wird, welche Merkmale tat­sächlich unter Qualzucht fallen, damit dieses Gesetz, das es schon gibt, vollzogen wer­den kann. Vielleicht können wir die Grünen damit motivieren, dass es das Gesetz und das Verbot der Qualzucht schon gibt und es lediglich um eine Konkretisierung dahin gehend geht, was Qualzucht ist und was keine Qualzucht ist.

In diesem Sinne ersuche ich noch einmal um Zustimmung zu diesem Antrag, um Tierleid zu vermeiden. – Danke sehr. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

22.03


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile es ihm.


22.03.29

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Tierschutz ist eines, dem in Österreich ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Wir erleben auch in diesem Haus, dass bei fast jeder Sitzung ein Antrag zu diesem Thema eingebracht wird (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Was heute für mich interessant ist, ist, dass diesmal zwei Anträge auf der Tagesordnung des Ausschusses standen – und auch hier behandelt werden –, die sich nicht rund um die Tierhaltung in der Landwirtschaft, sondern um die private Tier­haltung bewegen und Sorgen zum Ausdruck bringen.

Ich möchte aber schon darauf hinweisen – und die Kolleginnen vor mir haben darauf auch Bezug genommen –, dass vor allem im landwirtschaftlichen Bereich in Österreich ein sehr hoher Standard im Tierschutz besteht, wir in Österreich durchaus eine Vorreiter­rolle haben und dass die gesellschaftliche Verantwortung gefordert ist und durch mehr Information gefördert werden soll. Der neue Herr Bundesminister Mückstein hat darauf hingewiesen, dass es vielleicht auch darum geht, eine stärkere Kennzeichnung der Produkte herbeizuführen, damit der Konsument weiß, welche Produkte aus welcher Hal­tung, aus welcher Art der Produktion er erwirbt.

Hier ein einfaches Beispiel: Wenn Sie eine Packung Eier kaufen, dann haben Sie die Möglichkeit, Eier aus biologischer Haltung mit 10 Quadratmeter Freilaufläche – das ist vorgeschrieben, wenn es biologisch ist – zu erwerben. Das heißt, den Hühnern geht es maximal gut. Sie können Eier aus konventioneller Freilandhaltung erwerben, dann ha­ben die genauso einen entsprechenden Auslauf, nur ist die Fütterung nicht biologisch. (Bundesrat Schennach: Aber nicht die Bodenhaltung ...!) Dann gibt es noch Eier aus Bodenhaltung, wo die Hühner in einem engeren Raum, aber durchaus noch artgerecht gehalten werden; und dann gibt es Importeier, die aus Käfighaltung sind, die wir in Österreich und auch in Europa ablehnen. Die Eier sind mit 0, 1, 2 oder 3 gekennzeichnet. Bitte achten Sie beim Einkauf darauf, welche Form der Haltung Sie kaufen, denn diese Form der Haltung wird dann auch praktiziert! Jeder Einkauf ist ein Produktionsauftrag, und die Haltungsforrm, in deren Richtung Sie den Produktionsauftrag lenken, wird forciert. Alle Unterschriften und Gesetze sind nicht so stark wie der Konsument. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir debattieren heute zwei Anträge – und taten das schon im Ausschuss –: einen zum Thema illegaler Welpenhandel. Der Name sagt schon, dass es sich um illegalen Handel handelt – guter Satz, „um illegalen Handel handelt“. Die gesetzliche Grundlage ist aber bereits gewährleistet und es geht eher um die Form der Umsetzung und des Vollzuges. Sowohl betreffend Welpenhandel als auch genauso betreffend Qualzucht wurde uns


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 215

vermittelt und vom zuständigen Ressort erklärt, dass die Umsetzung entweder in Arbeit ist oder an gewissen Punkten noch gefeilt wird.

Ich glaube, auch hierzu gilt es, Bewusstseinsbildung zu betreiben, was ich erkenne, wenn ich mir als Landwirt manchmal die Haltung von Haustieren, von Heimtieren an­schaue. Frau Kollegin Steiner-Wieser hat das gut gesagt: Wenn ich so ein kleines Hunderl will, dann ist es gescheiter, ich kaufe mir ein Stofftier, weil ein Tier eben kein Stofftier, sondern ein Lebewesen ist. Es ist nicht etwas, das kurzfristig zur persönlichen Beschäftigung dient, sondern den ganzen Tag und die ganze Zeit Betreuung braucht. Man muss wissen, dass ein Hund in einer kleinen Wohnung entsprechenden Auslauf braucht, dass Katzen, Vögel und alle anderen Tiere entsprechend gehalten werden müs­sen und nicht nur der persönlichen Unterhaltung dienen.

Ich glaube, es gilt auf Menschen in dem Sinne einzuwirken, dass sie wissen, dass es eines gewissen Verantwortungsbewusstseins bedarf, wenn man sich Tiere anschafft, und dass diese Verantwortung auch wahrgenommen werden muss. Aus diesem Grund appellieren wir an die Verantwortung, können aber diesen Anträgen nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.08

22.08.32


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Bundesräte Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel“.

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, dem Entschließungsantrag die Zustim­mung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen, um ein Hand­zeichen. Schriftführung und das Präsidium machen vom Stimmrecht Gebrauch. – Das ist die Stimmenminderheit. Der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit abge­lehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Bundesräte Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorgegebene Verbot der Qualzucht zu erreichen“.

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, dem Entschließungsantrag die Zustim­mung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen, um ein Hand­zeichen. Schriftführung und Präsidium machen von ihrem Stimmrecht Gebrauch. (Schrift­führer Beer: Was tun wir jetzt, es fehlen drei Leute?) – Wo fehlen drei Leute? (Schrift­führer Beer: Ich habe sie gerade durchgezählt!)  Wir zählen sie. (Es findet eine neu­erliche Zählung statt. – Unruhe im Saal.) – Auch die Schriftführung ist der Meinung, das


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 216

ist die Stimmenminderheit. Der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit abge­lehnt.

22.11.2117. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Ausbau der intensivmedizinischen Versorgung statt Regierungs-PR in Corona-Zeiten in der Höhe von 210 Millionen Euro (293/A(E)-BR/2021 sowie 10624/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 17. Tagesordnungspunkt.

Da die Berichterstatterin Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel nicht anwesend ist, bitte ich den Ausschussvorsitzenden Bundesrat Christoph Steiner um den Bericht.


22.11.48

Berichterstatter Christoph Steiner: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ge­sundheitsausschusses über den Entschließungsantrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau der intensivmedizinischen Versor­gung statt Regierungs-PR in Corona-Zeiten in der Höhe von 210 Millionen Euro“.

Ein Beschluss über den Antrag, dem vorliegenden Entschließungsantrag die Zustim­mung zu erteilen, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm das Wort.


22.12.22

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren, die besonders Tapferen, die noch via Livestream zugeschaltet sind! – Das werden jetzt nicht die Massen sein, aber der eine oder andere ist sicherlich noch dabei.

Ich glaube, wir sind uns einig: Die derzeitige Krise hat uns allen bewusst gemacht, wie wichtig eine intensivmedizinische Versorgung auf höchstem Niveau ist. Unsere äußerst gute Ausstattung in Österreich und vor allem unser topausgebildetes Personal war und ist ein Riesenvorteil für die Krisenbewältigung. Ich möchte das auch mit zwei, drei recht anschaulichen Zahlen untermauern.

Österreich hat im Vergleich zum Durschnitt der OECD-Ländern doppelt so viele Inten­sivbetten. Österreich liegt mit Deutschland gemeinsam innerhalb der EU einsam an der Spitze bei der Anzahl der intensivmedizinischen Betten. Wir liegen hier in allen Rankings im Spitzenfeld. Natürlich haben wir auch gelernt, dass die Ressource Intensivmedizin nichts ist, was sich über Nacht so mir nichts, dir nichts erweitert. So gesehen kann man die­­sem Antrag das eine oder andere abgewinnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Natürlich müssen wir sicherstellen – ich komme schon noch dazu –, dass die Intensiv­medizin so leistungsfähig bleibt, wie sie derzeit ist, und ja, da wird es da oder dort Optimierungen brauchen, und ja, da wird man auch das eine oder andere neu bewerten müssen. Dieser Antrag aber, wie er verlesen worden ist, ist nichts anderes als purer Populismus, auch wenn es unterschiedliche Motive gibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Schumann und Novak.) – Zu Ihnen, zur SPÖ, komme ich noch, keine Sorge.

Zuerst aber einmal zu den Freiheitlichen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder, der auch nur ein bisschen Ahnung von Intensivmedizin hat, weiß, dass es nicht am Raum oder am Bettgestell scheitert. Ich könnte da hinten ein Kammerl hernehmen, und wenn ich einen Sauerstoffzugang und Strom habe, könnte ich ein Intensivzimmer daraus


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machen. Worum es aber geht, ist das topgeschulte und über Jahre ausgebildete Per­sonal.

Herr Kollege Steiner, ich würde bitten, dass du jetzt ganz kurz zuhörst, denn du bist selber Masseur. Du wirst mir recht geben, dass es nicht reicht, wenn ich da jetzt ein Gestell hinstelle und du dann sagst, der Kornhäusl oder der Ofner oder wer auch immer sollen anfangen, die Leute zu massieren. Das wird nicht reichen. Ich glaube, da wirst du mir recht geben. Genauso ist das bei der Intensivmedizin. Es wird nichts helfen, wenn ich nur ein Bett hinstelle und dann irgendjemanden bitte, dass er zu einem beatmeten, schwer kranken Intensivpatienten geht.

Was ihr macht – ich sage euch das in aller Klarheit und Brutalität –, ist verantwortungslos und auch lebensgefährlich. Warum ist das lebensgefährlich? – Eure fast schon kindliche Vorstellung ist: Schaffen wir einfach 5 000, 10 000 weitere Intensivbetten, und alles ist gut (Ruf bei der FPÖ: Dann sterben nicht mehr, das glaubt ihr nur!), weil ihr alles ablehnt. Ich frage mich immer: Wofür seid ihr eigentlich, außer für solche Schnapsideen? (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Abstand halten: Brauchen wir nicht, ist ein Blödsinn; Masken tragen: Brauchen wir nicht, ist ein Blödsinn; die Impfung: Das ist sowieso eine reine Weltverschwörung von Bill Gates; Corona im Allgemeinen gibt es eigentlich nicht. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, ich sage euch eines: Diese Pandemie können wir nicht auf der Intensivstation besiegen, sondern müssen sie außerhalb des Spitals durch diese Präventionsmaßnahmen, die die Bundesregierung auch gesetzt hat, besiegen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es hilft uns gar nichts, wenn wir noch Tausende Intensivbetten aufstellen, wenn draußen die Infektionszahlen explodieren, weil ihr nicht bereit seid, euren Beitrag dazu zu leisten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt darf ich zur SPÖ kommen. (Ruf bei der FPÖ: Sehr gut! Nehmen wir gelassen ...! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Sie tragen ja diesen Antrag der Freiheitlichen mit. Da gibt es ja immer wieder eine unheilige Allianz. Sie tragen diesen Antrag der Freiheitlichen mit – ich habe das am Anfang gesagt –, und zwar aus einem anderen Motiv, weil Sie im Gegensatz zu den Freiheitlichen die sinnvollen Maßnahmen mittragen. Ihr Motiv ist, dass Ihnen natürlich – das ist so das Wesen der Sozialdemokratie – immer alles zu wenig ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Es ist alles zu wenig. Bei Ihnen geht es vor allem darum, dass Sie sich über die Ausschreibung des Werbebudgets der Bundesregierung mokieren.

Ich will dazu gar nicht zu viele Worte verlieren. Nur so viel: Dieses Geld ist eine reine Rahmenausschreibung für die gesamte Bundesregierung, für die gesamte Gesetzge­bungsperiode. Da geht es überhaupt nicht darum, ob das Geld ausgegeben wird oder nicht. Sogar der Verband Österreichischer Zeitungen, VÖZ, hat die Bundes­regierung dafür gelobt (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schumann und Novak), dass es einmal möglich geworden ist, diese Ausschreibung wettbewerbsgerecht vorzuneh­men. (Ruf bei der ÖVP: Der Rote hat genug, dass es wurscht ist!) Sie mokieren sich über eine Summe, obwohl die Stadt Wien – jetzt wird es gleich wieder laut in der linken Reichshälfte – ein Vielfaches der Summe ausgibt, die die Bundesregierung für Werbe­maßnahmen ausgibt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In Wien aber ist es okay, denn da ist es für unsere roten Genossinnen und Genossen, und ein paar pinke Streusel hauen wir dann noch obendrauf. (Zwischenruf des Bun­desrates Novak.) Da ist es dann okay. Wenn es für die roten Genossen ist mit ein paar pinken Tupfern, dann haben Sie nichts dagegen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Bun­des­rätInnen von SPÖ und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 218

Jetzt kommen wir zu den Betten, Herr Bürgermeister. (Bundesrat Spanring: Net falsch verstehen, Herr Kollege!) – Man kann natürlich jeden falsch verstehen, wenn man ihn falsch verstehen will – nur stehe jetzt ich hier, und ich glaube, ich habe mich bisher recht unmissverständlich ausgedrückt.

Jetzt kommen wir zu den Betten. Dazu habe ich auch eine sehr unmissverständliche Botschaft. Dazu müssen wir natürlich wissen, dass diese Bettenanzahl ja keine Fanta­siezahl ist. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Die wird aufgrund harter Fakten und Grundlagen errechnet und im ÖSG, dem sogenannten Österreichischen Strukturplan Gesundheit, niedergeschrieben. Die Betten, die wir jetzt haben, sind festgeschrieben worden. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) – Mit Ihnen bin ich schon fertig, ich kümmere mich gerade um die Kollegen der Sozialdemokratie. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Betten, die wir haben, wurden (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ) – es wäre mir wichtig, dass Sie jetzt zuhören, dass es ein bissel ruhiger wird – im ÖSG 2017 nieder­geschrieben. Jetzt lasse ich Sie dreimal raten, wer damals, im Jahr 2017, der zuständige Minister (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling– ich muss es ausbessern –, die zuständige Ministerin war, die diese Anzahl festgeschrieben hat. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Genauso ist es: Es war Pamela Rendi-Wagner, Ihre eigene Parteivorsitzende (de­monstrativer Beifall bei der SPÖ), die festgesetzt hat, dass wir 0,23 Betten pro 1 000 Ein­wohner, das sind 2 028 Betten, brauchen. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Wir haben derzeit 2 500 Betten, das sind um 20 Prozent mehr, als Ihre eigene Partei­vorsitzende eigentlich vorgeschlagen hat. (Bundesrat Schachner: Aber eine Pandemie haben wir schon!)

Dazu muss ich schon sagen – ich greife jetzt auf, was Kollege Bader sagt –: Es ist schon sehr verwunderlich, dass die SPÖ einem Antrag zustimmt, der die Festlegung der eige­nen Parteivorsitzenden kritisiert. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Vor der Pan­demie war das!) Wenn das von der burgenländischen Sozialdemokratie gekommen wäre, hätten wir es noch verstanden, da wird keine Möglichkeit ausgelassen, ihr das Messer in den Rücken zu rammen. Wenn das aber die gesamte Bundesratsfraktion der Sozialdemokratie tut und so offen Kritik an ihrer Parteivorsitzenden übt, dann – das muss ich ganz ehrlich sagen – ist das etwas, was ich so nicht erwartet hätte. (Ruf bei der SPÖ: Das glaubst du ja selber nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bleibe dabei: Wir müssen Dinge neu bewerten, wir müssen die Lage ohne Emotion und ruhig evaluieren, aber einem solchen populistischen Antrag werden wir natürlich nicht zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

22.22


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses.


22.22.19

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Kollege Kornhäusl – jetzt lassen wir ihn (in Richtung Bundesrat Kornhäusl blickend) einmal niedersetzen –, also - - Das Licht blinkt noch. Das richten wir jetzt einmal (in Richtung Vizepräsident Raggl), das mit der Zeit. (Ruf bei der ÖVP: Ah, bist schon fertig!? – Heiterkeit bei der ÖVP.) Da lass ich mir nicht die Zeit abdrehen, gell, denn jetzt muss ich schon replizieren! Jetzt geht es, vielen Dank, Herr Präsident.

Herr Kollege Kornhäusl, ob sich Ihr Berufsstand diese komödiantische Leistung verdient hat, bezweifele ich stark. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.) Sich als Arzt herauszustellen und so eine komödiantische Show abzuziehen, wenn es um Intensivbetten geht: Schämen


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 219

Sie sich in Grund und Boden, Herr Kornhäusl! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ja, ja, ja, ja!)

Über einen Antrag als Regierungsfraktion und als Arzt derart abgehoben zu reden, wenn es um Intensivbetten geht – merken Sie sich eines, Herrn Kornhäusl: Hochmut kommt stets vor dem Fall! (Beifall bei der FPÖ.)

Polemisch war einzig und allein hier Ihre Argumentation. Worum geht es denn in dem Antrag? Ich glaube ja nicht einmal, dass Sie ihn gelesen haben. Sie haben von Bett­gestellen geredet. Da steht kein Wort von einem Bettgestell drin, dass wir mehr Betten fordern. Nur den letzten Satz hätten Sie zu lesen brauchen. Da geht es darum, dass die Gelder, die für die Regierungs-PR gewidmet sind, diese 210 Millionen Euro, für den Ausbau der intensivmedizinischen Versorgung verwendet werden. Da reden wir nicht von einem Bettgestell!

Ihr habt nämlich im letzten Jahr den Sommer verschlafen. Wollt ihr diesen Sommer auch wieder verschlafen? Ja, was habt ihr als Regierung und Sie als Arzt, als der Sie sich hier heraußen immer so toll präsentieren, für einen Sinn, Herr Kornhäusl? Wo sind denn Ihre Vorschläge? Schlafen wir wieder den ganzen Sommer? Gratuliere! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Jetzt ist mir schon klar, dass das Erbe des Rudi Anschober nur so von Versäumnissen strotzt, aber deshalb kann man sich nicht dauernd einer Aufstockung von Intensiv­kapa­zitäten verweigern. Das ist ja inakzeptabel und höchst gefährdend!

Ihre ganze Argumentation beruht ja stets auf der Auslastung der Intensivkapazitäten, die Lockdowns, die Ausgangsbeschränkungen, aber seit über einem Jahr kommt keiner – keiner! – auf die Idee, diese rote Linie, die man ja nicht überschreiten darf, eventuell einmal nach oben zu versetzen, dort Gelder zu investieren, Leute auszubilden. In fünf Monaten ist eine Schwester zur Intensivschwester ausgebildet. Das werden Sie als Arzt wohl wissen, Herr Kornhäusl! (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr verwendet hier stetig völlig evidenzbefreite Zahlen! Das hat sogar der Pressesprecher von Gesundheitsstadtrat Hacker gesagt, dass man seit einem Jahr mit Zahlen hantiert und bis jetzt noch nicht weiß, wie viele Betten und wie viele Ressourcen man überhaupt hat. So schaut es mit dieser Regierung aus! Das war nämlich wieder eine Märchen­stunde von Ihnen, Herrn Kornhäusl! Sie wissen bis heute noch nicht, wie viele Kapa­zitäten es in Österreich wirklich gibt. Das wissen Sie nicht, nein! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Da lacht er noch! Da lacht er noch, der Kollege Bader! Das habe ich schon gesehen, die Maske ist auf- und abgehupft vor lauter Lachen. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Ihr habt das Gesundheitssystem in Österreich jahrzehntelang zu Tode gespart, ihr von der ÖVP, und dann sitzt der Fraktionsobmann hier und lacht, dass es da auf- und nie­derhupft! Ja, wo sind wir denn?! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Dann haben Sie so tolle Experten bei der ÖVP wie Nationalrat Pöttinger. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Na, der hat mir ja am besten gefallen! Der Experte, Gesundheitsexperte Nationalrat Pöttinger von der ÖVP stellt sich am Montag, glaube ich, diese Woche allen Ernstes hier heraus und sagt zu diesem Antrag: Dem Antrag kann er als ÖVP nicht zustimmen, denn – und jetzt kommt der Oberwahnsinn, bitte! – mehr Intensivbetten bedeuten automatisch mehr Tote! Ich habe mir auf den Kopf gegriffen: Wie beschränkt muss man denn sein, um so eine Schlussfolgerung zu ziehen? Das war die Begründung der ÖVP für die Ablehnung des Antrages: Mehr Intensivbetten bedeuten mehr Tote! Also das ist Blödheit! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader. – Bundesrat Seeber: Das ist ein Ordnungsruf!)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 220

Es gibt auch abgesehen von diesem Antrag eine klare Botschaft, und zwar: Die Leute in den Krankenhäusern und die Pfleger haben genug von der Klatscherei, sie erwarten sich jetzt von Ihnen endlich einmal die wirkliche Entschädigung und die angemessene Ent­lohnung. Die haben sich diese Leute schon längst verdient, und da seid ihr immer noch säumig! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe mir auch noch etwas aufgeschrieben, was Herr Kollege Kornhäusl hier her­außen verzapft hat: Er hat ja behauptet, weil wir die Masken nicht tragen, brauchen wir mehr Intensivbetten. Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas: Den eigenen Fraktionschef, Kollegen Bader, habe ich heute fotografiert, als er ohne Maske da draußen (auf eine Tür des Plenarsaals weisend) mit Leuten redet. Kollegen Seeber habe ich heute auch darauf aufmerksam gemacht. (Bundesrat Seeber: Geh, jetzt hör doch auf!) Als er beim Personal vorbeigegangen ist, habe ich zu ihm gesagt, dass er ein Gefährder ist, weil er die Maske nicht oben hat. Wisst ihr was!? Ihr seid falsche Fuffziger! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Seeber: Aber da gehörst du auch dazu, Freund der Berge aus Tirol! ... Du bist ein Hetzer, sonst gar nichts!) – Ihr von der ÖVP seid falsche Fuffziger, nicht mehr und nicht weniger! (Bundesrat Seeber: Schäm dich! Wer nimmt denn dich noch ernst?! Wir nicht!) – Wer? Was? Ernst nehmen? – Ja, wer soll denn euch noch ernst nehmen da draußen? Hier habt ihr den Deckel oben und da draußen habt ihr die Masken herunten, wenn ihr bei den Mitarbeitern vorbeigeht! (Bundesrat Seeber: Das ist ja Kabarett! Du bist unser Aufpasser!) – Geh, hör mir auf, Herr Kollege Seeber, mit deinen Lügen da herinnen. Wo sind wir - -


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Darf ich um Beruhigung bitten und darum, den Anstand und die Würde dieses Hauses ein wenig zu wahren? Ich bitte darum!


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Sonst ist es kein Problem, auch einmal da draußen eine ORF-Kamera aufzustellen, dann werden wir uns anschauen, wie ihr euch vor der Tür, vor dem Plenarsaal benehmt. (Bundesrat Ofner: Dann haben sie es wieder oben!)

Liebe Kollegen, weil dieser Antrag aufgrund von Stimmengleichheit im Ausschuss keine Mehrheit fand, darf ich noch folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Ent­schließungsantrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Ausbau der intensivmedizinischen Versorgung statt Regierungs-PR in Corona-Zeiten in der Höhe von 210 Millionen Euro“

„Die unterzeichneten Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen.“

*****

Zum Schluss noch eine Bitte: Liebe ÖVP, hört mit der Heuchelei auf und werdet wieder ehrlich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

22.31


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustim­mung zu erteilen, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 221

22.31.25

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gestehen, dass ich, wenn ich am Gang Frankfurter esse oder einen Kaffee trinke, auch einmal die Maske abnehmen muss. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Herr Kollege Steiner, einen Kollegen zu fotografieren, der gerade Kaffee trinkt (Bundes­rat Seeber: Das ist die FPÖ! Das ist normal!) – ich muss auch die Maske abnehmen, wenn ich Kaffee trinke, ich kann nicht durch die Maske Kaffee trinken –, das finde ich einfach schäbig. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Wenn wir hier den ganzen Tag seit 9 Uhr arbeiten, müssen wir auch essen und trinken. Wir nehmen auch die Maske ab, wenn wir hier eine Rede halten, denn wir haben uns darauf geeinigt, dass das der Hausordnung entspricht. Jetzt aber so auf Spion, auf Erwischen zu tun, wann jemand was tut, das finde ich nicht in Ordnung. Das finde ich nicht in Ordnung! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Ofner: So wie in Tirol nach der Sitzung! – Bundesrat Steiner: Ihr seid die Heuchler, ihr habt das eingeführt! – Bun­desrat Seeber: Wie im Polizeistaat! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Ich warte einmal, bis wir uns ein bisschen beruhigt haben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Kollege Schreuder ist am Wort. – Bitte.


Bundesrat Marco Schreuder (fortsetzend): Ich muss gestehen, ich habe bei manchen Beiträgen auch gelacht, aber mittlerweile ist mir das Lachen im Hals stecken geblieben, denn wir reden hier schon von einem sehr, sehr ernsten Thema. (Bundesrat Seeber: Ist das normal, wie ihr euch aufführt?! – Bundesrat Steiner: Ihr führt euch auf, Robert!) – Noch immer nicht beruhigt? Wir reden nämlich wirklich von einem sehr, sehr ernsten Thema.

Ich habe mich heute und eigentlich die ganze Zeit, seit die Pandemie begonnen hat, immer gefragt, was das Konzept einer Pandemiebekämpfung der FPÖ ist. Denn was ich immer lerne, ist, wir sollten keine Masken tragen, denn die würden uns einschränken. (Bundesrat Ofner: Ihr habt alle unsere Anträge abgelehnt!) Das wäre ja so, wie wenn ich mir einen Fuß gebrochen hätte und mich vom Gips befreie, weil mich ein Gips einschränkt. (Bundesrat Spanring: Blödsinn! Das ist ein Schwachsinn!) – Nein, das ist kein Schwachsinn (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring), da geht es darum, was die Menschen vor einer Krankheit schützt. Und wenn mein Fuß gebrochen ist, schützt der Gips mich vor diesem Bruch, damit er heilen kann, und diese Maske - - (Bundesrat Steiner: Der Gips schützt vorm Bruch! Das gibt es ja nicht!) – Nein, vor der Verletzung des Bruchs, Herr Kollege. Was Sie schon die ganze Zeit sagen, ist, wir sollen alles aufmachen, wir sollten nie etwas zumachen, aber wir sollten noch viel, viel, viel mehr Intensivbetten haben. (Beifall des Bundesrates Bader.)

Das ist zynisch, Herr Kollege, denn es gab eine Studie, die hat 25 Studien aus Europa, Asien und Nordamerika zusammengefasst, und darin wurde angeschaut, wie viel Pro­zent der Covid-19-Patientinnen und ‑Patienten, die auf eine Intensivstation kommen, überleben und wie viele sterben. Man hat ungefähr 10 000 Fälle untersucht, und 41,6 Prozent der Menschen, die auf eine Intensivstation kommen, sterben an diesem Virus und sterben an dieser Infektion. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Wenn man aber die ganze Zeit sagt: Wir wollen keinen Lockdown, wir wollen alles aufmachen, wir wollen die Aerosole überall frei entfalten lassen, weil Masken ja das Böse generell sind!, dann sagt man, dass es einem egal ist, dass mehr Menschen auf Intensivstationen kommen und davon 41,6 Prozent sterben.

Was wir gemacht haben, Kolleginnen und Kollegen, ist, dass wir gesagt haben, wir wol­len verhindern, dass die Menschen überhaupt auf diese Intensivstationen kommen und


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 222

sterben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Ofner: So ein Blödsinn! – Bundesrat Bernard: Das macht ihr auch nicht immer!) – Nein, wir schaffen es auch nicht immer, nein, natürlich nicht – auch weil es tatsächlich viele Maskenverweigerer gibt, weil auf manche Gruppierungen gehört wird, die diese Sache einfach verleugnen. Das ist das Problem.

Etwas anderes möchte ich Ihnen auch noch sagen, was ich auch einmal wichtig finde, zu sagen. (Bundesrat Spanring: Herr Kollege, wie kann das sein, dass sich ein Grüner oder einer von der ÖVP ansteckt, wenn er die Maske trägt?!) – Jetzt bin ich am Wort. Wenn Sie etwas sagen wollen, dann melden Sie sich zu Wort! (Präsident Buchmann gibt das Glockenzeichen.)

Wozu ich auch noch etwas sagen will, ist diese Geschichte mit diesem PR-Geld, denn das betrifft mich tatsächlich, denn ich bin stellvertretender Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation, und wir haben das sehr intensiv diskutiert. (Ruf bei der FPÖ: Damit verdienst du dein Geld!) – Nein. Das ist übrigens eine Branche, die extrem unter dieser Pandemie leidet, denn die Marketingbudgets sind das Erste, was gestrichen wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wissen Sie, da können Sie schreien: Ja, weil ihr daran verdient! – Das sind unzählige EPUs, die derzeit keinen Job haben. (Bun­desrat Ofner: Ja, wegen euch! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, wir helfen ihnen, im Gegensatz zu euch, weil wir Pakete beschließen. Wir sind diejenigen, die diese Pakete beschließen und diesen Leuten unter die Arme greifen, sozial sind und helfen.

Eines sage ich Ihnen auch: Noch nie hat eine Regierung in dieser Form gesagt: Wenn wir die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg haben, müssen wir kommunizieren können! – Ja, es gibt leider sehr, sehr viele Menschen, die nicht so wie wir ständige Nachrichtenkonsumentinnen und ‑konsumenten sind. Ich kann Ihnen sagen, ungefähr 18 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher verfolgen die Innenpolitik intensiv. Mehr tun es nicht, das muss man auch einmal sagen. Die anderen muss man irgendwie erreichen, wenn es eine schwere Krise gibt, und dann haben wir das gemacht.

Bisher war es in einem Ministerium durchaus üblich, dass man schaut, dass man unter den 100 000 Euro bleibt, dann muss man ja keine Ausschreibung machen. Jetzt gibt es eine Ausschreibung, und die ist transparent. Man weiß, wie ausgeschrieben wird, sie ist regelkonform und ist ein Rahmenbetrag für den Fall, damit man inmitten einer Krise – da haben wir das ja beschlossen – kommunizieren kann.

Auf Twitter sehe ich jetzt immer die Werbung der Stadt Wien, die tolle Werbung mit Marianne Mendt und mit Andi Ogris – eine tolle Werbung! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich finde es richtig, dass die Stadt Wien eine Impfkampagne macht, und sie macht das auch auf Plattformen, auf denen Menschen sind, die nicht immer Politikberichterstattungen verfolgen oder Nachrichten lesen. (Bundesrat Steiner: Auf Twitter?!) – Ja, Sie machen es nicht nur auf Twitter, sie machen es auch auf Youtube, sie machen es auf Facebook, sie machen es auf Instagram. Ich finde das richtig. Und wenn man das öffentlich, offen und transparent ausschreibt, dann ist es immer noch besser, als man macht es irgendwie mit Direktvergaben immer unter 100 000 Euro.

Ich muss sagen, ich finde diese Debatte wirklich zynisch. Ich bin froh, dass wir als Regie­rung gesagt haben, wir wollen verhindern, dass Menschen überhaupt auf die Intensiv­stationen kommen. Und solange diese Pandemie bleibt, werden wir das weiter tun und werden uns sicher nicht von solchen Sachen einschüchtern lassen – ganz sicher nicht! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.39


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ingo Appé. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 223

22.39.43

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Unterhaltungswert der bisherigen Redebeiträge war vielleicht einer Fa­schingssitzung entsprechend, aber sie waren auf einem Niveau, dem ich eigentlich nicht folgen möchte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin mir bei Kollegen Kornhäusl zeitweise wie in einer Sprechstunde mit zwei Patien­ten, der FPÖ und der SPÖ, vorgekommen, und ich bin gespannt, was deine Kollegen in der Steiermark morgen sagen werden, wenn sie diesen Redebeitrag vielleicht später im Internet nachverfolgen werden. Ich bin sehr gespannt. Du bist Mediziner, und ich habe mir von dir zu dieser Debatte eigentlich ein bisschen mehr Inhalt als Zynismus erwartet. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich glaube, dass das Thema zu ernst ist, um sich hier darüber lustig zu machen. Nur weil der Antrag von der FPÖ kommt und von der SPÖ unterstützt wird, ist er nicht blöd oder irgendwie populistisch, nicht verantwortungslos, sondern eher verantwortungsvoll. Ich glaube, ich komme darauf noch näher zu sprechen.

Lieber Kollege Kornhäusl, du kannst mich dann jederzeit unterbrechen, wenn ich einen Blödsinn sagen sollte oder das nicht den Tatsachen entspricht, was ich jetzt versuche, etwas niederschwellig mitzuteilen, nämlich wie es derzeit mit den Intensivbetten aus­schaut. Ich hoffe, ihr versetzt euch in die Lage eines Intensivpatienten, der zurzeit an Covid erkrankt ist und der heutigen Debatte gefolgt ist. Ich glaube, dann beschleicht einen ein Gefühl, das einen nicht sehr heiter stimmt.

Covid-19-Patienten belasten das Gesundheitssystem in mehrfacher Hinsicht. Schwer Erkrankte belegen Intensivbetten bis zu vier Mal länger als andere Patienten und sind noch dazu viel pflegeintensiver. Laut dem Intensivmediziner Eiko Meister ist in den letzten 20 Jahren die Zahl der Betten im stationären Bereich um 15 bis 20 Prozent gesunken.

Als Vizepräsident der steirischen Ärztekammer – du wirst ihn kennen – bezeichnete er es als „beschämend“, dass in Österreich als einem der reichsten Länder Europas „der Intensivbereich dem Sparstift zum Opfer gefallen ist“ und wir dafür „jetzt die Rechnung präsentiert“ bekommen.

In Österreich gibt es derzeit insgesamt 2 031 Intensivbetten. Davon sind mit heutigem Tag 434 mit Covid-Erkrankten auf Intensivstationen belegt. Heute stehen österreichweit noch 564 Intensivbetten für den gesamten medizinischen Bereich zur Verfügung.

Wie funktioniert in Covid-Zeiten die Planung der Auslastung auf einer Intensivstation? – Schon sehr früh, bei 15 bis 30 Prozent zusätzlicher Belegung durch Covid-Patienten, werden Maßnahmen gegen Personalengpässe gesetzt, das heißt: Urlaubssperren, keine Überstunden, und das seit 15 Monaten. Wenn das für das Personal gerecht und aus eurer Sicht oder aus Sicht eines Arztes aus der Steiermark okay ist, dann Danke.

Schaut man sich (eine Zeitungsseite in die Höhe haltend) diese Tabelle an: Bei der Auslastung gibt es derzeit ein Bundesland, das diese 15-Prozent-Marke unterschreitet, und das ist Kärnten. Alle anderen Bundesländer haben diese 15-Prozent-Marke bereits überschritten. Das heißt, dass dort das Personal massiv gefordert ist. Wenn ihr mir jetzt erzählt, dass es nicht notwendig ist, an dieser Schraube zu drehen, damit wir das Krankenhauspersonal entlasten, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 224

Da geht es nicht darum, dass man mehr schafft, dass mehr Leute krank werden können, son­dern darum, das Personal, das tagtäglich wunderbare Arbeit verrichtet und über­mensch­liche Leistung erbringt, zu entlasten und da Hilfe zu bieten. Das ist, glaube ich, die Kernproblematik des Ganzen und nicht irgendwelche Lächerlichkeiten.

Schauen wir aber weiter! Wie schaut es denn bei der 30-prozentigen Belegung aus? – Dann erfolgt die Priorisierung der Patienten. Das heißt, dass nicht notwendige OPs verschoben werden, dass die Gesundheit auf die lange Bank geschoben wird und eine massive Schädigung der Volksgesundheit eintritt. Auch über dieser Marke liegen zurzeit bereits drei Bundesländer. Also auch da besteht massiver Handlungsbedarf.

Ich hoffe, dass irgendwie verständlich ist, dass es nicht um Populismus geht, sondern darum, dass das Personal entlastet werden kann, dass wieder Zustände einkehren, die ein normales Arbeiten auch auf den Intensivstationen ermöglichen (Beifall bei SPÖ und FPÖ), und dass auch die Patienten behandelt werden können, die jetzt dringend einer Behandlung bedürfen.

Bei 50 Prozent Belegung – in diese Situation sind wir ja Gott sei Dank noch nicht ge­kommen – entsteht die sogenannte kritische Entscheidungssituation, die Triage, die dauernd als Damoklesschwert über uns geschwebt ist, als Teufel an die Wand gemalt worden ist. Das wurde bis jetzt Gott sei Dank noch nicht erreicht, und wir hoffen, dass das auch zukünftig nicht der Fall sein wird.

Dass Intensivbetten generell rar gesät sind, liegt besonders daran, dass sie eine be­sondere Ressource sind, sie kosten im Durchschnitt 1 600 Euro am Tag. Liegt die durch­schnittliche Liegedauer im Normalfall bei sieben bis neun Tagen, beträgt sie bei Covid-19-Patienten rund 20 Tage. Wird noch die Ecmo-Therapie notwendig, reden wir von einer Belegungsdauer von 29 Tagen. Diese extrakorporale Membranoxygenierung, eine Art künstliche Lunge, wird bei Patienten mit akutem Lungenversagen zur Anwendung gebracht. Um dabei einen besseren Therapieerfolg zu erlangen, ist es notwendig, den Patienten öfters in Bauchlage zu wenden. Bei den zahlreichen Kathetern und den meist sedierten Patienten ist das sehr aufwendig und zeitintensiv, und auf der Intensivstation ist dazu auch mehr Personal notwendig.

Dazu kommt, dass die ÄrztInnen und Pfleger nur in Ganzkörperschutzanzügen zum Pa­tienten dürfen. Eine Pflegekraft ist immer beim Patienten. Dies erfordert noch zusätzliche Personaleinsätze für diverse Zuarbeiten. Das medizinische Personal ist zwar geimpft – damit entfällt für das Krankenhauspersonal wenigstens die Angst, selbst zu erkranken –, aber der Arbeitsaufwand bleibt noch immer der gleiche.

Das Pflegepersonal leistet seit einem Jahr Übermenschliches und dies in bewunderns­werter Arbeit. Das sollte auch dementsprechend honoriert werden, und da meine ich nicht durch Applaus, sondern durch Euro. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Auch diesen Inhalt kann man in diesem Antrag erkennen, wenn man ihn ganz genau verinnerlicht.

Klar ist auch, dass das benötigte Personal nicht von heute auf morgen aus dem Boden gestampft werden kann und dieser Prozess sicher einen Zeitraum von mindestens drei Jahren in Anspruch nimmt. Daher finden wir den Antrag der FPÖ sehr sinnvoll und verantwortungsbewusst und nicht verantwortungslos und unterstützen diesen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

22.48


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 225

22.48.41

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Ich war vorhin sehr schockiert über den Redebeitrag von Herrn Dr. Kornhäusl. (Ruf bei der ÖVP: Bitte! Jetzt hört doch auf, hearst! Was soll denn das Theater?) Am heutigen Tag sind zwei Frauen verstorben, gestern ist eine Frau verstorben, und du bringst heute den sehr unempa­thischen Vergleich, wir aus dem Burgenland würden der Vorsitzenden ein „Messer in den Rücken“ rammen. (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) – Nicht: „Geh bitte!“ Das ist sehr, sehr unempathisch. Das hat vielleicht nicht jeder so wahrgenommen, doch als Burgen­länder nehme ich das sehr, sehr deutlich wahr. Ich erwarte mir eine Entschuldigung von dir.

So nebenbei möchte ich noch eines festhalten, damit man das auch weiß: Die ÖVP im Burgenland hat vor wenigen Jahren, als ich noch im Landtag war – das ist nicht einmal drei, vier Jahre her –, durch die damalige Landesrätin Mag.a Resetar zwei Kranken­häu­ser – da möchte ich Herrn Steiner bestätigen – schließen wollen. Wir hätten im Bur­genland nur mehr fünf Krankenhäuser statt sieben. Was dann heute los wäre, kann man sich vorstellen.

Ich bitte um eine Entschuldigung von dir, Herr Dr. Kornhäusl. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.49


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm dieses.


22.50.07

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Ersten zurückweisen, dass ich da irgendein Kabarett oder sonst etwas aufgeführt hätte. Das war es nämlich nicht, nein. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.)

Da sieht man aber auch, dass es so etwas wie eine selektive Wahrnehmung gibt. Ich habe auch klar gesagt – und das kann man nachlesen –, dass das ein unendlich wichtiges Thema ist. Ich habe gesagt: Ja, wir müssen da und dort sicher optimieren, wir müssen nachjustieren, wir müssen so manches „neu bewerten“.

Was ich gesagt habe, ist – und dazu stehe ich natürlich –, dass es populistisch ist. Warum? – Weil da ein Junktim zwischen diesem Werbebudget, das nur ein Voranschlag ist, und der intensivmedizinischen Versorgung gemacht wird.

Bei der Notwendigkeit der Sicherstellung der intensivmedizinischen Versorgung trennt uns gar nichts, da hat kein Löschblatt zwischen uns Platz. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Steiner.) Nur, es ist um diesen populistischen Antrag gegangen: Nehmen wir das Geld dafür her und stecken wir es in die intensivmedizinische Versor­gung!, es ist um dieses Junktim gegangen.

Bei den Freiheitlichen – und das unterstreiche ich auch noch einmal – bin ich einfach ein ums andere Mal schockiert, dass sie hergehen und sagen: Wir brauchen keine Masken, wir brauchen keinen Abstand, keine Impfungen, wir wollen einfach nichts – Kollege Schreuder hat das noch einmal wunderschön dargelegt –, aber stattdessen gewähr­leisten wir noch mehr Betten und noch mehr Häuser et cetera, weil alles andere nutzlos ist! – Das ist etwas, das ich ganz klar zurückweise.

Lieber Günter Kovacs, ich wollte niemandem zu nahe treten. Ich glaube aber, es hat das sonst niemand im Saal so verstanden, wie du es verstanden hast. (Widerspruch bei SPÖ


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 226

und FPÖ.) Ich wollte dir aber nicht zu nahe treten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

22.52

22.52.11


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu aktuell nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Die Plätze sind eingenommen. Die Schriftführung und der Vorsitzende machen von ihrem Stimmrecht Gebrauch.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, dem Entschließungsantrag 293/A(E)-BR/2021 die Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen, um ein Hand­zeichen. (Unruhe im Saal.) – Ich darf bitten, die Ernsthaftigkeit auch zu später Stunde aufrecht­zuerhalten. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.53.21Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Christian Buchmann: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungs­punkte 1 bis 14 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnungspunkte 1 und 2:

Die Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TO-Punkt 1 den Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA ein.

Die Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TO-Punkt 2 den Entschließungsantrag Beilage 2/1 EA ein.

Die Bundesräte David Egger, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TO-Punkt 1 den Ent­schließungsantrag Beilage 1/2 EA ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 1:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA wird abgelehnt.

TO-Punkt 2:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit an­ge­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 227

Der Entschließungsantrag Beilage 2/1 EA wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkte 3 und 4:

Abstimmungen:

TO-Punkt 3:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit angenommen.

TO-Punkt 4:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Tagesordnungspunkt 5:

Die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den gegenständlichen Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben (Beilage 5/1).

Abstimmung:

Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 6:

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Ent­schließungs­­antrag Beilage 6/1 EA ein.

Um 16:01 Uhr Unterbrechung der Verhandlungen zu Tagesordnungspunkt 6 und Durch­führung der Dringlichen Anfrage (Beilage D). Der Bundeskanzler beantwortet die an ihn gerichteten Fragen.

Die Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsantrag Beilage D/1 EA ein.

Die Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsantrag Beilage D/2 EA ein.

Abstimmungen:

Der Entschließungsantrag Beilage D/1 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage D/2 EA wird abgelehnt.

Um 18:24 Uhr Fortsetzung der Verhandlungen zu Tagesordnungspunkt 6.

Abstimmungen:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 6/1 EA wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 7:

Die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, den vorliegenden Bericht zu Kenntnis zu nehmen (Beilage 7/1).

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungs­antrag Beilage 7/2 EA ein.

Abstimmungen:


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 228

Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, wird mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 7/2 EA wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 8:

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Tagesordnungspunkt 9:

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Tagesordnungspunkt 10:

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungs­antrag Beilage 10/1 EA ein.

Abstimmungen:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 10/1 EA wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 11:

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Tagesordnungspunkt 12:

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungs­antrag Beilage 12/1 EA ein.

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungs­antrag Beilage 12/2 EA ein.

Abstimmungen:

Berichterstattung: Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, wird mit Stimmenmehr­heit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 12/1 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 12/2 EA wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 13:


BundesratStenographisches Protokoll925. Sitzung, 925. Sitzung des Bundesrates am 6. Mai 2021 / Seite 229

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Tagesordnungspunkt 14:

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des verlesenen Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 14 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zehn Anfragen, 3872/J-BR/2021 bis 3881/J-BR/2021, eingebracht wurden.

Eingelangt ist die Petition 46/PET-BR/2021 betreffend „Schließung des öffentlichen Eisenbahnüberganges in Schönau an der Triesting, Bahnkilometer 36,441 (Nieder­österreich)“, überreicht von Bundesrat Martin Preineder, die dem Ausschuss für Bür­gerinnenrechte und Petitionen zugewiesen wurde.

Weiters eingelangt ist der Antrag 294/A-BR 2021 der Bundesräte Karl Bader, Marcus Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates, der dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin wird – und jetzt bitte zuhören! – voraussichtlich Donnerstag, der 27. Mai 2021, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchs­recht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind voraussichtlich für Mittwoch, den 26. Mai, 14 Uhr, vorgesehen.

Bleiben Sie gesund! Kommen Sie gut nach Hause!

Die Sitzung ist geschlossen.

23.01.03 Schluss der Sitzung: 23.01 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien