Titel: Logo des Parlaments der Republik Österreich

Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

929. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Juli 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

929. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Juli 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. Juli 2021: 9.03 – 21.42 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – EAG) erlassen wird sowie das Ökostromgesetz 2012, das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Energielenkungsgesetz 2012, das Energie-Control-Gesetz, das Bundesgesetz zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastruktur­auf­bau für alternative Kraftstoffe, das Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz, das Stark­stromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden (Erneuer­baren-Ausbau-Gesetzespaket – EAG-Paket)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Flughafenentgeltegesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrs­ord­nung 1960 geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

8. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Finanzierung der Planung der Stadtregionalbahnprojekte Linz

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicher­heitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975 und das Tilgungs­gesetz 1972 geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 2

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften und das Islamgesetz 2015 geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Bekämpfung von Terror geändert werden (Terror-Bekämpfungs-Gesetz – TeBG)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (20. FSG-Novelle)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Sym­bole-Gesetz geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz ge­ändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 – KaWeRÄG 2021)

18. Punkt: Bundesgesetz über die Beschaffung und den Einsatz sauberer Straßen­fahrzeuge (Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz)

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbraucher­gewährleis­tungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umset­zungsgesetz – GRUG)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz ein Bundesgesetz über die Restrukturierung von Unternehmen ge­schaf­fen wird sowie die Insolvenzordnung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden (Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – RIRUG)

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemie­be­dingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Holzhandelsüberwachungsgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Dr. Peter Raggl ...........................................      12

Erklärung des Landeshauptmannes von Tirol Günther Platter gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Österreichs Zukunft sichern“ – Bekanntgabe ........................      15

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ................      15


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 3

Landeshauptmann Günther Platter ......................................................................      15

Debatte:

Elisabeth Mattersberger .........................................................................................      19

Stefan Zaggl ............................................................................................................      20

Christoph Steiner ....................................................................................................      23

Marco Schreuder ....................................................................................................      26

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      28

Sebastian Kolland ...................................................................................................      31

Christoph Steiner (tatsächliche Berichtigung) ........................................................      33

Stefan Schennach ...................................................................................................      33

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................      35

Verlangen des Bundesrates Marco Schreuder gemäß § 54 Abs. 2 GO-BR, bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu Tagesordnungspunkt 17 die Anzahl der Für- und Gegenstimmen bekannt zu geben ..........................................    170

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............    204

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    204

Aktuelle Stunde (88.)

Thema: „Unser Kampf gegen das Artensterben – schützen wir die Vielfalt un­serer Natur und unsere Lebensgrundlagen“ .......................................................      38

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      38

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................      40

Günther Novak ........................................................................................................      42

Thomas Schererbauer ............................................................................................      44

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................  47, 56

Andreas Lackner .....................................................................................................      49

Johanna Miesenberger ...........................................................................................      51

Andrea Kahofer .......................................................................................................      52

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      54

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      55

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      58

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  57, 204

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­minis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie be­treffend „Türkis-Grünes Autofahrerbashing: Straßenbau-Stopp, exorbitante Steuerhöhun­gen und Abzocke bei Verkehrsstrafen“ (3901/J-BR/2021) .............................................    115

Begründung: Josef Ofner ........................................................................................    116

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    120

Debatte:

Markus Leinfellner ..................................................................................................    126

Karl Bader ................................................................................................................    129


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 4

Horst Schachner .....................................................................................................    130

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    132

Michael Bernard ......................................................................................................    136

David Egger .............................................................................................................    139

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücknahme der Nova-Erhöhung“ – Ablehnung ......  137, 142

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Ausbau von Energie aus erneuer­baren Quellen (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – EAG) erlassen wird sowie das Ökostromgesetz 2012, das Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­gesetz 2010, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Energielenkungsgesetz 2012, das Energie-Control-Gesetz, das Bundesgesetz zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastrukturaufbau für alternative Kraftstoffe, das Wärme- und Kälteleitungs­aus­baugesetz, das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektri­sche Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket – EAG-Paket) (733 d.B. und 982 d.B. sowie 10690/BR d.B. und 10724/BR d.B.) .........................................      58

Berichterstatter: Marco Schreuder ..........................................................................      59

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (983 d.B. sowie 10686/BR d.B. und 10725/BR d.B.) .........................................................................      59

Berichterstatter: Marco Schreuder ..........................................................................      59

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................      60

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................................  62, 75

Ing. Isabella Kaltenegger .......................................................................................      65

Günther Novak ........................................................................................................      66

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................      69

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................      71

Dominik Reisinger ..................................................................................................      72

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. .........................................................      73

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günther Novak, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz/Gesetzeswerdung/Vollziehung“ – Ablehnung ..................................  68, 76

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vor­liegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen .....................................................................      75

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      76

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (940 d.B. und 994 d.B. sowie 10708/BR d.B.) .........................................................................................................      76


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 5

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ......................................................................      76

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Flughafenentgeltegesetz geändert wird (942 d.B. und 995 d.B. sowie 10709/BR d.B.) ...............................................................................................      76

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ......................................................................      76

RednerInnen:

Markus Leinfellner ..................................................................................................      77

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      78

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................      79

Wolfgang Beer .........................................................................................................      80

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. .........................................................      81

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      82

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      82

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (946 d.B. und 996 d.B. sowie 10710/BR d.B.) .............................      82

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................      83

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (938 d.B. und 997 d.B. sowie 10711/BR d.B.) ................................................................................      83

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................      83

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (936 d.B. und 998 d.B. sowie 10712/BR d.B.) ................................................................................      83

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................      83

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................      83

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      86

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................      88

Horst Schachner .....................................................................................................      89

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. .........................................................      91

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Verzögerung in der Umsetzung der Autobahnen- und Schnellstraßenprojekte“ – Annahme (350/E-BR/2021) ................................  90, 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      91


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 6

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend eine Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Finanzierung der Planung der Stadtregionalbahnprojekte Linz (932 d.B. und 999 d.B. sowie 10713/BR d.B.) .........................................................................      92

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      92

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................      92

Ing. Judith Ringer ...................................................................................................      93

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................      94

Thomas Dim ............................................................................................................      95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      97

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das Arbeits­kräfteüberlassungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz ge­än­dert werden (943 d.B. und 1011 d.B. sowie 10692/BR d.B.) ...............................      97

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner .........................................................      97

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird (1773/A und 1012 d.B. sowie 10693/BR d.B.) .........................................................      97

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner .........................................................      97

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Sonderunter­stützungsgesetz geändert werden (1776/A und 1015 d.B. sowie 10694/BR d.B.) ......      97

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner .........................................................      97

RednerInnen:

Korinna Schumann .................................................................................................      98

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................    100

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    103

Andreas Lackner .....................................................................................................    105

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    106

Horst Schachner .....................................................................................................    108

Günter Kovacs ........................................................................................................    110

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................    111

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Installierung einer Tourismus­kasse“ – Ablehnung ...................................................................................  110, 113

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 9, gegen den Beschluss des Natio­nalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (943 d.B. und 1011 d.B. sowie 10692/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Ablehnung .........  102, 112


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 7

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    113

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 11, gegen den Beschluss des Natio­nalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosen­versicherungsgesetz 1977 und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden (1776/A und 1015 d.B. sowie 10694/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – An­nahme ........................................................................................................  102, 113

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicherheitspolizei­ge­setz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975 und das Tilgungsge­setz 1972 geändert werden (937 d.B. und 963 d.B. sowie 10729/BR d.B.) ............    113

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ...........................................................................    113

RednerInnen:

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    114

Robert Seeber .........................................................................................................    115

Dominik Reisinger ..................................................................................................    142

Josef Ofner ..............................................................................................................    144

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    145

BundesministerKarl Nehammer, MSc ..................................................................    146

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    147

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften und das Islamgesetz 2015 geändert werden (850 d.B. und 925 d.B. sowie 10707/BR d.B.) .........................................................................    148

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner .........................................................    148

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Straf­vollzugsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Bekämpfung von Terror geändert werden (Terror-Bekämpfungs-Gesetz – TeBG) (849 d.B. und 977 d.B. sowie 10687/BR d.B. und 10701/BR d.B.) ...............................................................    148

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................    148

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (20. FSG-Novelle) (848 d.B. und 871 d.B. sowie 10730/BR d.B.) .........................................................................    148

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    149

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Symbole-Gesetz geändert werden (854 d.B. und 872 d.B. sowie 10731/BR d.B.) .............................    148

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ...........................................................    149

RednerInnen:

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................    149

Silvester Gfrerer ......................................................................................................    153


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 8

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................    154

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    155

Dominik Reisinger ..................................................................................................    157

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    158

Entschließungsantrag der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reform des Asylrechts und effektive Außer­landesbringungen zum Schutz unserer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger“ – Ablehnung .................................................................................................  151, 162

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Freiräume für Jugend­liche“ – Ablehnung .....................................................................................  158, 163

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Staatsbürgerschaftsverleihung an Asylberech­tigte“ – Ablehnung .....................................................................................  162, 163

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    162

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    162

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    163

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    163

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 – KaWeRÄG 2021) (951 d.B. und 976 d.B. sowie 10689/BR d.B. und 10702/BR d.B.) .........................    163

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................    163

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................    164

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    164

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    167

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................    168

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................    169

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................    170

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Ände­rungs­gesetz 2021 – KaWeRÄG 2021) (951 d.B. und 976 d.B. sowie 10689/BR d.B. und 10702/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Ablehnung ...................  166, 171

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz über die Beschaffung und den Einsatz sauberer Straßenfahrzeuge (Straßen­fahrzeug-Beschaffungsgesetz) (941 d.B. und 979 d.B. sowie 10703/BR d.B.) .......    171

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................    171


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 9

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    172

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucher­verträ­gen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Kon­sumentenschutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umset­zungs­­gesetz – GRUG) (949 d.B. und 980 d.B. sowie 10704/BR d.B.) .............................    172

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    172

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem zur Umsetzung der Richtlinie über Restrukturierung und Insol­venz ein Bundesgesetz über die Restrukturierung von Unternehmen geschaffen wird sowie die Insolvenzordnung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und die Exekutionsordnung ge­ändert werden (Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – RIRUG) (950 d.B. und 981 d.B. sowie 10705/BR d.B.) ...........................................    172

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    172

RednerInnen:

David Egger .............................................................................................................    173

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    174

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    176

Mag. Christine Schwarz-Fuchs .............................................................................    177

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................    178

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 19, gegen den Beschluss des Natio­nalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leis­tungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allge­meine bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz – GRUG) (949 d.B. und 980 d.B. sowie 10704/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Ablehnung .  174, 179

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    179

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1777/A und 1003 d.B. sowie 10695/BR d.B.) ...............................................................................................    180

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................    180

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird (1775/A und 1005 d.B. sowie 10696/BR d.B.) ...............................................................................................    180

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................    180


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 10

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bun­des­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Ar­muts­folgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird (1661/A und 1006 d.B. sowie 10697/BR d.B.) ...............................................................................................    180

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................    180

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    181

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    182

Korinna Schumann .................................................................................................    184

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    186

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................    188

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................    190

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................    191

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sozialhilfe-Grundsatz­gesetz reparieren, Armut wirksam bekämpfen!“ – Ablehnung .................  192, 193

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    193

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 22, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    193

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 23, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    193

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1780/A und 1008 d.B. sowie 10717/BR d.B.) .............................    193

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    193

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1009 d.B. sowie 10688/BR d.B. und 10718/BR d.B.) ...............................................................    193

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    193

RednerInnen:

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................    194

Christoph Steiner ....................................................................................................    194

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    196

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ..........................................................................    197

Ingo Appé ................................................................................................................    198

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Grünem Pass und einer Kinderimpfpflicht“ – Ableh­nung ...........................................................................................................  196, 200

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 24, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    200

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    201


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 11

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (1752/A und 962 d.B. sowie 10715/BR d.B.) ................................................................................    201

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................    201

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    201

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Holzhandelsüberwachungsgesetz geändert wird (947 d.B. und 989 d.B. sowie 10699/BR d.B.) .........................................................................    201

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ..........................................................    202

RednerInnen:

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................    202

Nicole Riepl .............................................................................................................    202

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................    203

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    204

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstattung von Gebäuden der Polizei mit Photovoltaik-Anlagen (305/A(E)-BR/2021)

Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstattung von Gebäuden des Bundesheers mit Photovoltaik-Anlagen (306/A(E)-BR/2021)

Horst Schachner, Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Installierung einer Tourismuskasse (307/A(E)-BR/2021)

Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Sozialhilfe-Grundsatzgesetz reparieren, Armut wirksam bekämpfen! (308/A(E)-BR/2021)

Anfragen der BundesrätInnen

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Türkis-Grünes Auto­fahrer­bashing: Straßenbau-Stopp, exorbitante Steuererhöhungen und Abzocke bei Ver­kehrsstrafen (3901/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Klimaerwärmung und Einführung emissionsarmer Pkw (3902/J-BR/2021)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 12

09.03.05Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Peter Raggl, Vizepräsident Günther Novak, Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs.

09.03.06*****


Präsident Dr. Peter Raggl: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 929. Sitzung des Bundesrates.

Ich hoffe, dass jene, die beim Tirolabend dabei waren, nicht zu spät ins Bett gekommen sind. Ich bedanke mich noch einmal für eure Teilnahme, für euer Mitwirken. Ich glaube, es war ein wunderschöner Abend, und ich bin sehr froh, dass wir heute wieder vollzählig hier sein können.

09.03.46Antrittsansprache des Präsidenten


Präsident Dr. Peter Raggl: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Es freut mich, dass wir uns heute schon wieder sehen – in aller Frische. Geschätzte Frau Landtags­prä­sidentin auf der Galerie! Meine lieben Familienmitglieder! – Da haben es offensichtlich noch nicht alle geschafft aufzustehen. Meine lieben Mitarbeiter aus dem Tiroler Bauern­bund! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream, aber auch liebe Zuseher via ORF III! Ich darf euch alle recht herzlich hier im Bundesrat beziehungsweise vom Bundesrat aus begrüßen!

Am 1. Juli haben wir – Tirol – in einem sehr feierlichen Festakt auf Schloss Ambras die Präsidentschaft im Bundesrat von der Steiermark, von Präsident Christian Buchmann, übernehmen dürfen. Gemeinsam mit meinen KollegInnen im Präsidium, Günther Novak aus Kärnten und der Vorarlbergerin Christine Schwarz-Fuchs, führe ich nun die nächsten sechs Monate den Vorsitz in der Länderkammer.

Ich habe das Amt des Bundesratspräsidenten mit großer Freude übernommen, weil ich überzeugt bin, damit gemeinsam mit meinen Vorgängern, aber auch mit meinen Nach­folgern einen wesentlichen Beitrag für die Weiterentwicklung des Bundesrates leisten zu können.

Lieber Herr Landeshauptmann, ich möchte dir, aber auch dem Tiroler Landtag auch an dieser Stelle noch einmal ein recht herzliches Dankeschön für die große Ehre sagen, die mir durch die Übertragung der Präsidentschaft durch den Tiroler Landtag zuteilgeworden ist. Ein herzliches Dankeschön auch dafür, dass wir gestern mit dem landesüblichen Empfang und dem Tirolabend den Beginn des Vorsitzes würdig und, wie ich glaube, für den einen oder anderen auch unvergesslich und gebührend feiern konnten.

Ich bin sehr stolz, die Tiroler Fahne weht seit gestern vor dem Parlament – die Hofburg ist derzeit also in Tiroler Hand. Die Präsidentschaftskanzlei ist ja nicht so weit entfernt, unser Bundespräsident stammt ja auch aus Tirol, er ist Landecker. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg ein bisschen etwas machen dürfen.

Ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei meinem Vorgänger im Amt, dem steirischen Bundesrat Christian Buchmann. Christian, du hast dem Ruf des Bundesrates als Zu­kunfts- und Europakammer alle Ehre gemacht und den Vorsitz sehr souverän geführt. (Allgemeiner Beifall.)

Deine Initiativen zur Konferenz zur Zukunft Europas haben, glaube ich, einen sehr wichtigen Beitrag Österreichs geleistet, um Europa wieder näher an die Bürgerinnen und


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 13

Bürger heranzubringen. Lieber Christian, noch einmal herzlichen Dank für deinen Ein­satz und deine erfolgreiche Präsidentschaft.

Den gestrigen Abend, ich habe ihn schon angesprochen, konnten wir ja beinahe so feiern, wie wir es von früher gewohnt waren, in einer gewissen Normalität. Ich bin über­zeugt, dass die nächsten sechs Monate meiner Präsidentschaft unter einem sehr guten Vorzeichen stehen. Meine geplanten Veranstaltungen werden hoffentlich ohne größere Einschränkungen stattfinden können. Die Halbjahre meiner letzten drei Vorgänger waren ja von der Pandemie gezeichnet: Noch nie hatten wir so viele Sitzungen und Sonder­sitzungen im Bundesrat zu bewältigen, und ich bin sehr froh, dass jetzt voraussichtlich wieder Normalbetrieb im Parlament einziehen kann.

Mittlerweile haben wir das Virus im Griff, und mit vollem Elan können wir alle darangehen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Ich habe für meine Präsidentschaft das Motto „Starke Regionen, starke Republik“ ge­wählt. Damit wird das von meinen Vorgängerpräsidentschaften begonnene General­thema nach dem Masterplan Ländlicher Raum, damals initiiert von unserem Landwirtschafts­minister Andrä Rupprechter, fortgeführt – und ich glaube, es ist in der Zwischenzeit auch im Bundesrat sehr erfolgreich angekommen. Ich werde dabei meine Schwerpunkte auf die Förderung der Chancengleichheit von Stadt und Land legen sowie versuchen, eine noch bessere Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus nach der Pandemie zu erreichen.

Tirol wird jetzt mit großer Motivation darangehen, verloren gegangene Arbeitsplätze im Tourismus wiederzubeleben, Arbeitsplätze abzusichern und neue zu schaffen, und wir werden zusammenhelfen, um der im Zusammenhang mit dieser Krise auch in Bedräng­nis geratenen Tiroler Landwirtschaft zu helfen, damit man gemeinsam positiv in die Zukunft schauen kann. Das wird eben durch eine noch bessere Zusammenarbeit zwi­schen Landwirtschaft und Tourismus geschehen. Wir wissen, gerade im vom Tourismus geprägten Land Tirol, aber auch in anderen Tourismusgebieten sind die Bereiche sehr voneinander abhängig.

Es braucht ein positives Zusammenspiel dieser Sektoren, weil sie einen sehr wesent­lichen Wirtschaftsimpuls für die österreichische Wirtschaft insgesamt geben können. Ich möchte während meiner Präsidentschaft mit vielen Partnern das Gespräch suchen und gemeinsam mit ihnen ressort-, sparten-, aber auch parteiübergreifende Perspektiven insbesondere für die ländlichen Regionen entwickeln.

Wir sind letzte Woche im Rahmen eines Fachgesprächs zum Thema „Post-Corona: Neue Impulse für Tourismus und Landwirtschaft“ im Palais Epstein zu dem Schluss gekommen, dass ein Coronaneustart in den Regionen untrennbar mit Tourismus und Landwirtschaft verbunden ist.

Der ländliche Raum, das müssen wir wissen, und damit auch der Vertretungsanspruch von uns Bundesräten, ist die Heimat von zwei Dritteln der österreichischen Bevölkerung. Es wohnen über fünf Millionen Menschen in ländlichen Gemeinden, und gerade des­wegen möchte ich die Tiroler Vorsitzführung nutzen, um Themen ins Zentrum zu rücken, die den Menschen am Land am Herzen liegen: von der Breitbandversorgung über Mobilität und Digitalisierung bis hin zur Nahversorgung und medizinischen Versorgung.

Wir brauchen in Österreich einen wirtschaftlich starken, lebendigen ländlichen Raum. Die Weichen für die Zukunft müssen wir jetzt stellen, damit das Leben am Land weiterhin attraktiv und lebenswert bleibt und die Abwanderung für die nächsten Generationen nicht zum Thema wird. Ziel der von mir initiierten Enquete am 20. Oktober hier im Haus wird es daher sein, neue Wertschätzung für den ländlichen Raum zu gewinnen. Die drei Bundesministerinnen Leonore Gewessler, Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 14

werden dazu sprechen, und der bekannte Zukunftsforscher Matthias Horx wird uns seine Vorstellungen von einer neuen Partnerschaft von Stadt und Land präsentieren – ich glaube, das ist ein sehr spannender Ansatz. Ich lade euch alle schon heute dazu ein.

Am Beispiel der Almwirtschaft werde ich dann gemeinsam mit unserem Landeshaupt­mann am 18. August auf einer Alm in meiner Region die politischen Rahmenbedingun­gen für Landwirtschaft und Tourismus ausleuchten und überlegen, wie wir mit den regionalen Stärken neu durchstarten können, um unsere Zukunft zu gestalten.

Es ist uns im Bundesrat in den letzten Jahren, glaube ich, sehr gut gelungen, diesen auch als Zukunfts- und Europakammer zu positionieren. Wir sind in vielen Bereichen Themensetzer, wie zum Beispiel – wenn ich an das Vorsitzmotto der Landtags­prä­sidentin denke – bei den Themen Pflege, Schutz des Trinkwassers – von Präsident Appé gewählt –, Digitalisierung, Entwicklung des ländlichen Raums oder beim Thema Zukunft Europas – von Präsident Buchmann gewählt. Mit diesen Themen waren wir den tages­politischen Diskussionen oft voraus.

Wir sind auch die Europakammer des Parlaments, und deshalb dürfen wir trotz der vielen Verschiedenheiten und Herausforderungen den Glauben an die Zukunft der EU nie verlieren. Europa ist unsere Heimat. Wir haben stets viel mehr, das uns verbindet, als das uns trennt. Natürlich sind dabei jene europäischen Grundregeln wie die Rechts­staatlichkeit oder die Freiheit der Meinung und damit der Medien in allen Mitgliedstaaten vollständig zu gewährleisten.

In einem geeinten Europa muss es so viel Föderalismus wie möglich und so viel Zen­tralismus wie nötig geben. Eine föderalistische Auslegung von Rechtsstaatlichkeit oder Meinungsfreiheit kann es jedenfalls nicht geben. Föderalismus ist dagegen im Wett­bewerb gefragt: Wer gute Lösungen hat, wer innovativ ist, soll nicht durch ein über­bordendes zentrales Regelwerk, vor allem in Brüssel, in der Weiterentwicklung behindert werden. Europa soll in einem Wettbewerb der Ideen stehen, in dem auch große Staaten von kleineren Staaten lernen können – etwa im Bereich der Digitalisierung, wo es gerade kleine Staaten sind, die den großen die Messlatte gelegt haben.

In Österreich haben wir diesbezüglich entsprechenden Aufholbedarf. Wir müssen uns noch gehörig anstrengen, um eines Tages ein digitaler Spitzenreiter zu sein und auch den Regionen eine faire Chance zu geben, ihnen den technischen Anschluss an die städtischen Gebiete zu ermöglichen. Da gibt es wirklich noch viel Potenzial für Inno­vationen zum gemeinsamen Besten von Stadt und Land. Gerade der Föderalismus trägt sich hier gemeinsam, um etwas zum Besten beizutragen. Mehr Gemeinsamkeit – das gilt für die EU, das gilt auf nationaler Ebene, und das gilt auch im Umgang der Bür­gerinnen und Bürger miteinander.

Ich habe schon eingangs erwähnt: Wir glauben, dass wir jetzt in einen parlamentarischen Normalbetrieb wechseln können. Covid‑19 wird uns trotzdem noch länger beschäftigen. Die Pandemie hat viele gute Eigenschaften in uns hervorgekehrt, etwa den Willen, einander zu helfen und aufeinander Rücksicht zu nehmen. Sie hat aber auch, und das ist die negative Seite, überbordenden Egoismus, Gleichgültigkeit gegenüber der Ge­mein­schaft und einen zunehmend feindseligen Umgangston, insbesondere in den sozia­len Medien, mit sich gebracht.

Der Herr Landeshauptmann hat es gestern schon angesprochen: Auch hier im Hohen Haus und zum Teil auch in den Landesparlamenten hat sich der Ton in den Debatten deutlich verschärft. Ich hoffe, und das wirklich inständig, dass mit dem Rückgang der Pandemie auch unsere Diskussionskultur wieder besser wird, denn wenn die Öffent­lichkeit von der Kampfrhetorik der Parlamentarier noch angespornt wird, wird sich die Situation mit Sicherheit nicht verbessern.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 15

Bald wird diese Pandemie der Vergangenheit angehören, davon bin ich überzeugt. Wir alle werden uns dann fragen lassen müssen, was jeder Einzelne von uns dafür getan hat. Bleiben wir als Scharfmacher oder als verantwortungsvolle Mandatare, die sich für die Bürgerinnen und Bürger eingesetzt haben, die fähig waren, Kompromisse zu schließen und das Wohl des Ganzen über persönliche Profilierung zu stellen, in Erin­nerung?

2021 soll für uns alle ein Jahr des Aufbruchs, des Comebacks aus der Gesundheits- und Wirtschaftskrise werden. Gemeinsam sollen sich Bund und Länder, Gemeinden und Städte dafür einsetzen, dass wir unser gewohntes Leben Stück für Stück zurück­ge­winnen und unsere Wirtschaft wieder aufgebaut wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen – und damit komme ich zum Schluss –, ich lade euch alle herzlichst ein, in den nächsten Monaten in euren Ländern Botschafter unserer Zukunfts- und Europakammer zu sein und in gegenseitiger Wertschätzung ein positives Bild des Bundesrates in unserer Zukunft zu vermitteln. Dafür wünsche ich uns allen viel Erfolg. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

09.18.03Erklärung des Landeshauptmannes von Tirol zum Thema „Österreichs Zukunft sichern“


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich begrüße nun offiziell den Herrn Landeshauptmann von Tirol Günther Platter sehr herzlich bei uns im Bundesrat und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Österreichs Zukunft sichern“ abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann von Tirol abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Landeshauptmann von Tirol zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte schön.


09.18.48

Landeshauptmann von Tirol Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesrates, lieber Peter Raggl! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf auch Landtagspräsidentin Sonja Ledl‑Rossmann begrüßen. Vor viereinhalb Jahren war sie Präsidentin des Bundesrates, und unter ihrer Vorsitzführung wurde Bundespräsident Van der Bellen angelobt. Es war eine ganz besondere Angelegenheit, diese Angelobung von Tirolerin zu Tiroler.

Ich freue mich, dass ich heute hier sein kann. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich im Bundesrat auftrete. Als ich Verteidigungsminister beziehungsweise Innenminister war, haben wir hier einige Debatten geführt – Eurofighter und so weiter –, an die sich manche noch erinnern werden. Heute gebe ich zum dritten Mal als Vorsitzender der Landes­hauptleutekonferenz hier im Bundesrat eine kurze Erklärung ab.

Die, die dabei waren, haben ja gestern gesehen: Wenn wir solch ein besonderes Ereig­nis begehen wie die Übernahme des Vorsitzes im Bundesrat, so wird das feierlich gemacht, mit einem landesüblichen Empfang. Manche haben schon Angst bekommen, aber da braucht man keine Angst zu haben, das ist immer wieder eine friedliche Absicht. Am 1. Juli, als Hermann Schützenhöfer den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz an mich übergeben hat, war es ebenfalls so.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 16

Ich möchte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ausdrücklich für seine Arbeit danken. Ich bin jetzt über 13 Jahre Landeshauptmann, aber eine so intensive Vorsitz­führung mit so vielen Themen hat es noch nie gegeben, und er hat das aus meiner Sicht sehr gut gemacht. Und ich möchte auch dir, lieber Christian Buchmann, Herr Bundesrat, noch einmal für die gute Zusammenarbeit danken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Geschätzter Präsident, lieber Peter! Du hast das Thema ländlicher Raum, Regionen gewählt. Ich werde dir meine vollste Unterstützung geben – zum Schluss meines State­ments hier werde ich dazu noch etwas sagen.

Zunächst aber zum föderalen System: Das föderale System ist unverzichtbar. Gerade in der Pandemie hat man das jetzt gesehen. Wenn ich auf die Pandemie zu sprechen komme, so muss ich sagen, dass diese schon die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg ist. Wir hatten nie mit einer solch schwierigen Situation zu tun, und – meine Damen und Herren, Sie wissen es – Tirol war ganz besonders und sehr früh betroffen. Wir waren diejenigen, die schon die Wintersaison beenden mussten, die anderen haben dann nachgezogen. Wir haben viele Maßnahmen gesetzt, auch in dem Wissen, dass man diese Pandemie nicht genau einschätzen kann. Auch war es so, dass die Expertinnen und Experten immer unterschiedliche Positionen eingenommen haben.

Es war das eine schwierige Zeit, eine schwierige Zeit für die gesamte Bevölkerung, eine schwierige Zeit in den verschiedensten Bereichen bis hin zu den Vereinen, aber auch eine schwierige Zeit für die Politik. Es ist nicht so angenehm, den Menschen zu sagen, sie sollen daheim bleiben, eine Ausgangssperre einhalten, Masken tragen, Abstand halten. Es war eine schwierige Situation, aber ich meine, dass wir das in Österreich eigentlich ganz gut über die Bühne gebracht haben; insbesondere wenn man auch die Medienberichte aus dem Ausland hört.

Es geht darum, dass wir Menschenleben schützen müssen – das ist unsere Verant­wortung –, und es geht auch darum, dass wir Menschenleben retten müssen. Das geht nur in einem guten Zusammenspiel zwischen der Bundesregierung und den Bundes­ländern. Jetzt gerade findet eine Taskforcesitzung statt, in der man sich darüber unter­hält, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig sind oder nicht. Dieses Zusammenspiel ist notwendig, und ich fordere ein, dass die Bundesregierung auch die Stimmen der Bun­desländer hört, dass man gemeinsam Maßnahmen beschließt und ergreift, und dann kommt das föderale System ganz besonders zum Ausdruck. Die Umsetzung aller Maß­nahmen funktioniert nicht auf Bundesebene, sondern auf Länderebene und insbeson­dere in den Gemeinden. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich möchte mich bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Österreich, bei den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten, beim medizinischen Personal, bei den Ehren­amtlichen – ohne Ehrenamtliche wäre es niemals machbar, eine solche Pandemie zu bewältigen – herzlich bedanken, auch beim Bundesrat für die Zustimmung in den vielen Bereichen. Ich meine, dass gerade in einer solch schwierigen Angelegenheit die Bun­desrätinnen und Bundesräte eine besondere Nähe zu den Menschen haben, das Gespür dafür haben, was die Leute wollen und was nicht. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Während meiner Vorsitzführung in der Landeshauptleutekonferenz wird uns die Pande­mie aber weiterhin intensiv beschäftigen. Das Virus ist nicht weg, das müssen wir alle wissen, das wird uns beschäftigen – wir sehen jetzt, dass die Inzidenzzahl schon wieder langsam etwas hinaufgeht. Es ist aber ganz entscheidend, dass wir nicht überreagieren, denn nicht nur die Inzidenz ist entscheidend, entscheidend ist die Hospitalisierung, wie viele Menschen in den Krankenhäusern und insbesondere in den Intensivbereichen be­handelt werden müssen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 17

Der Schlüssel ist die Impfung. Ich freue mich darüber, dass wir in Tirol jetzt an über 57 Prozent der Gesamtbevölkerung die Impfung vorgenommen haben – wenn man nur die Impfbaren zählt, so sind es jetzt schon über 64 Prozent. Wir müssen die Bevölkerung sensibilisieren, damit sich die Menschen impfen lassen. Die politische Arbeit ist die Zurverfügungstellung des Impfstoffes, und jetzt geht es um die Eigenverantwortung der Bevölkerung, der Österreicherinnen und Österreicher, dass sie sich impfen lassen. Wer geimpft ist, wird kein Problem mit der Pandemie haben, wird höchstwahrscheinlich nicht im Krankenhaus landen. Wer nicht geimpft ist, wird ein Problem haben – früher oder später. Ich glaube, es ist wesentlich, dass wir das der Bevölkerung sagen, dass wir die Bevölkerung sensibilisieren.

Wir haben das Beispiel Bezirk Schwaz: Sie wissen, da hatten wir mit der südafri­kani­schen Variante zu tun, und es war keine feine Angelegenheit, die dort zu verzeichnen war. Dort sind jetzt über 70 Prozent geimpft, wir haben eine Inzidenz von 0, manchmal 1 oder 1,2, dass einmal irgendjemand angesteckt wurde, aber im Prinzip ist die Sache im Bezirk Schwaz erledigt – und so soll es in ganz Österreich sein. Es ist unsere Verantwortung, den Leuten das zu sagen, es ist aber die Eigenverantwortung der Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Deshalb: Lasst euch alle impfen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Damit verbunden sind natürlich Arbeit und Wirtschaft. Das Land Tirol ist sehr stark tourismusgeprägt, wir haben vor der Pandemie eigentlich beinahe Vollbeschäftigung gehabt, und dann, als die Pandemie kam, die Wintersaison beendet war – was nie mehr wieder passieren darf, das hält der Standort nicht aus –, hatten wir dort dann die höchste Arbeitslosenquote. Jetzt, seit der Tourismus wieder funktioniert, haben wir eine Arbeitslosenquote von 4,3, also wir sind schon wieder die Zweiten, was den Standort, den Arbeitsmarkt betrifft. Man sieht also schon, welche Bedeutung bei uns der Touris­mus hat, natürlich aber auch die Industrie, Klein- und Mittelbetriebe.

Deshalb wird es unsere Aufgabe sein, alles daranzusetzen, dass die Menschen Arbeit haben, alles daranzusetzen, dass der Wirtschaftsstandort auch entsprechend angekur­belt wird.

Ein weiteres Thema während der Vorsitzführung werden die Finanzen sein. Da haben wir noch einiges zu regeln, insbesondere im Gesundheitsbereich, insbesondere in jenen Bereichen, die Mindereinnahmen haben. Bei der Gesundheitsfinanzierung geht es um viel Geld, da geht es um rund 1 Milliarde Euro, und da werden wir schon Verhandlungen führen müssen, aber das, was uns zusteht, ist nicht verhandelbar, das müssen die Länder letztendlich auch wieder bekommen, und da wird es schon die eine oder andere Debatte geben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wenn man schaut, wie die Pandemie über die Bühne gegangen ist, so ist eine große Lehre, dass nicht alles in andere Kontinente ausgelagert werden darf. Schauen Sie, wir haben mit der Schutzausrüstung, mit den Masken riesige Probleme gehabt, man hat schauen müssen, dass man Masken irgendwo herbekommt – in unterschiedlicher Qualität –, weil es sie in Europa nicht gegeben hat. Da hat sogar ein Wettbewerb zwischen den Staaten stattgefunden.

Das muss uns eine große Lehre sein, dass nicht alles an Produktion ausgelagert wird.

Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen: Penicillin. Die Absicht der großen Hersteller war, dass die Penicillinproduktion, die in Spanien stattgefunden hat, nach China verlagert wer­den sollte. Stellen Sie sich vor, wir hätten in Europa keine Penicillinproduktion mehr! Dann wären wir im Gesundheitsbereich zum Beispiel von China massiv abhängig. Wir haben es dann geschafft, dass die gesamte Penicillinproduktion nicht nach China, sondern sozusagen nach Tirol ausgelagert wurde. In Kundl und Schaftenau erfolgt jetzt die gesamte Penicillinproduktion für Europa und darüber hinaus. Das bedeutet zusätzliche


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 18

Arbeitsplätze. Wir – der Bund und das Land – haben aber auch eine bestimmte Förder­kulisse geschaffen, damit das möglich war.

Also, trachten wir danach, dass Produktionen nicht ständig und permanent in andere Kontinente ausgelagert werden, denn das ist ein massiver Nachteil für die Europäische Union! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ein letzter Punkt, den ich erwähnen möchte, der mir in meiner Vorsitzführung wichtig ist, ist die kritische Infrastruktur. Wir stellen schon eine bestimmte Verletzbarkeit fest, was die kritische Infrastruktur betrifft. Das ist ein Thema, das mich immer schon interessiert hat, auch als Innenminister, und dabei geht es insbesondere auch um Strom. Stellen Sie sich vor, wir haben ein Blackout im Bereich Strom! – Ich habe deshalb mit dem Verteidi­gungsministerium und dem Innenministerium – und ich hoffe, dass die Bundesländer mittun – bereits vereinbart, dass wir zwei Tage lang eine Übung machen werden, bei der wir alle Szenarien vorbereiten werden, die Konzepte nachschärfen werden, damit wir auch vorbereitet sind, sollte so etwas passieren – wir hoffen ja nicht –, damit wir ausgezeichnete Konzepte in der Schublade haben, sollte so etwas passieren. Blackout ist aus meiner Sicht ein großes Thema, deshalb werden wir im November diese große Übung durchführen.

Geschätzte Damen und Herren! Was die Regionen betrifft, so freut es mich natürlich, dass dieser Bereich unter der Vorsitzführung von Peter Raggl in Angriff genommen wird: „Starke Regionen, starke Republik“, geht es den Regionen gut, geht es der Republik gut und geht es der Europäischen Union gut!

Wir müssen mit allen Mitteln die Landflucht verhindern. Gerade durch den Ausbau der Digitalisierung, des Breitbandnetzes haben wir jede Chance der Welt, in den Regionen, in den Tälern Betriebe anzusiedeln, nicht benachteiligt zu sein, was die Kommunikation betrifft. Das ist essenziell, und deshalb werde ich alle Maßnahmen die Regionen, den Lebensraum, die Regionalität, die Innovation, die Digitalisierung, die Solidarität und den Zusammenhalt betreffend voll unterstützen.

Ich möchte aber, wenn ich über Regionen rede, ein weiteres Thema ansprechen – ich muss das tun! –: Wir haben ein riesiges Problem mit dem Wolf, Leute, ein riesiges Problem! Jede Nacht werden Schafe gerissen. Es ist bereits so, dass die Schafbauern die Tiere nicht mehr auf die Alm beziehungsweise wieder ins Tal bringen. Daher müssen wir uns schon auch auf Bundesebene überlegen, wie der Schutzstatus anzulegen ist, müssen Position beziehen und diese Position dann auch in Europa einbringen.

Das ist ein riesiges Problem. Schauen Sie sich etwa Rumänien an, welche Probleme es dort gibt; in Rumänien gibt es auch Tausende Bären! Das ist ein Thema, da kann man nicht einfach sagen: Ja, wir wissen, da ist die Bevölkerung sehr kritisch, gerade im urbanen Bereich. Das wäre zu einfach in dieser Frage. Also würde ich ersuchen, dass sich auch der Bundesrat mit einem solch essenziellen Thema auseinandersetzt.

Aber – und das sage ich als einfacher Landeshauptmann – passen wir, wenn die Auseinandersetzung stattfindet, auf die Wortwahl auf! Worte können verletzen; das ist die Vorstufe zur Gewalt. Und glauben Sie mir eines: dass sich dadurch immer noch mehr Menschen von der Politik abwenden. Da geht es nicht um Parteipolitik, nein, da geht es um die Politik insgesamt. Da wird kein Unterschied gemacht, wer was sagt. Wir als Politikerinnen und Politiker müssen Vorbild sein. Wir müssen darauf achten, dass wir eine ordentliche Debatte führen – kritisch selbstverständlich, unterschiedliche Positionen vertretend, das ist ja gelebter Parlamentarismus, selbstverständlich, aber bitte achten wir auf die Wortwahl! Die Menschen wenden sich sonst von der Politik ab, und das ist ein Schaden für die Demokratie. Ich würde bitten, darauf zu achten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 19

In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich wünsche mir eine gute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat. Er ist unverzichtbar, er ist unsere Länderkammer, in diesem Sinne werden wir die nächsten sechs Monate gut zusammenarbeiten. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.35


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann von Tirol Günther Platter für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. Ich erteile ihr dieses.


9.35.46

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Frau Landtagspräsidentin auf der Galerie! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Heute ist ein ganz erfreulicher Tag: Unser Landeshauptmann Günther Platter hat den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und Dr. Peter Raggl hat die Präsidentschaft im Bundesrat übernommen. Namens unseres Fraktionsvorsitzenden, Präsidenten außer Dienst Karl Bader, und unserer Fraktion darf ich dir, lieber Präsident, recht herzlich zur Übernahme der Präsidentschaft gratulieren und alles Gute wünschen. (Allgemeiner Beifall.) Ich bin sicher, dass du dieses anspruchsvolle Amt zum Wohle des Föderalismus gewissenhaft und umsichtig ausführen wirst.

Namens unserer Fraktion darf ich mich bei dir, geschätzter Landeshauptmann, für die umfangreiche zukunftsorientierte, Mut machende Erklärung hier im Plenum bedanken. Ich bin überzeugt, dass es dir gelingen wird, zu den wichtigen anstehenden Themen eine einheitliche Linie mit den Bundesländern zu finden. Mit der dir eigenen Vehemenz wirst du diese dann im Bund nachhaltig vertreten und verhandeln. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine Damen und Herren! Bei der Vorbereitung meiner Rede beziehungsweise bei der Überlegung, den Föderalismus herauszustreichen, besonders herauszustreichen, habe ich mich an eine historische Geschichte aus meiner Heimatgemeinde Matrei in Osttirol erinnert. Diese Geschichte spiegelt meiner Meinung nach die verschiedenen Lebens­welten in den einzelnen Bundesländern und damit auch die landesspezifisch verschie­denen Herausforderungen ganz gut wider.

Matrei in Osttirol gehörte circa 600 Jahre, bis ins Jahr 1810, zum Fürsterzbistum Salz­burg. In Matrei steht der größte Landdom Tirols, die Pfarrkirche Sankt Alban. Sankt Alban wurde von 1776 bis 1783 neu erbaut. Nach baulicher Fertigstellung wollten die Matreier ihre Kirche mit Fresken von Franz Anton Zeiller künstlerisch gestalten lassen. Nach Anfrage bei der salzburgisch-bischöflichen Verwaltungsbehörde kam von dort im Sinne der Aufklärung die Vorschreibung, dass – ich zitiere – sowohl die Ausmalung der Kirche als auch die Auszierung mit Stukkaturarbeiten gänzlich zu unterbleiben habe. Die Matreier ergriffen daraufhin die Eigeninitiative – sie haben vermutlich Spenden gesammelt, es wurden keinerlei Rechnungen im Archiv gefunden – und haben Sankt Alban mit wunderschönen Stukkaturen und Fresken von Franz Anton Zeiller versehen lassen. Dies alles war nur möglich, weil eine Kontrolle seitens der bischöflichen Verwal­tungsbehörde über den nur wenige Monate im Jahr passierbaren Felbertauern überaus beschwerlich war und daher selten stattfand.

Was sagt uns diese Geschichte, meine Damen und Herren? – Sie sagt uns nicht, dass Anordnungen von Behörden nicht befolgt werden sollen, sie sagt uns auch nicht, dass man sich Anordnungen widersetzen soll, sie sagt uns aber, dass manchmal aus der Ent­fer­nung in Ermangelung der Ortskenntnis, in Ermangelung der Kenntnis der tatsächlichen


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 20

Lebensumstände der Menschen, in Ermangelung der Kenntnis der vor Ort vorherrschen­den Umstände falsche oder – um es etwas abgeschwächt zu sagen – keine ent­sprechen­den Entscheidungen getroffen werden. Sie sagt uns aber auch, dass es mit etwas gutem Willen für alles eine Lösung gibt.

Es ist zum Beispiel ein großer Unterschied, ob man von der Lebenswelt und den Prob­lemen und Herausforderungen eines Bauern in Niederösterreich oder von jenen eines Bergbauern in Tirol redet. Es ist auch ein großer Unterschied, ob man von der jetzt so kontrovers diskutierten Wolfsthematik als Städterin oder als betroffene Bäuerin redet. Es ist ein großer Unterschied, ob man vom Städtetourismus oder vom Wintertourismus in Tirol redet. Und es ist ebenso ein großer Unterschied, ob man von den Problemen einer Pendlerin im Großraum einer Stadt oder jenen einer Pendlerin im ländlichen Raum spricht. Es gäbe noch unzählige weitere Beispiele.

Genau dafür, dass diese verschiedenen Bedürfnisse und Herausforderungen politisch bewältigt und die verschiedenen Lebenswelten zusammengeführt werden, ist es auch so wichtig, dass es die Länderkammer und die Landeshauptleutekonferenz gibt.

Geschätzter Herr Präsident, du hast dir für deine Präsidentschaft äußerst spannende Themen wie Tourismus und Landwirtschaft als Symbiose, Chancengleichheit des länd­lichen Raumes mit der Stadt, Dezentralisierung der Bundesbehörden ausgesucht, und wir werden dich natürlich bei der Abarbeitung dieser Themen bestmöglich unterstützen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Abschließend wünsche ich dir namens meiner Fraktion für die Arbeit an deinen in der heutigen Erklärung skizzierten Themen – sei es die Pandemiebewältigung, sei es die Schwerpunktsetzung, Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt wieder in Schwung zu bringen, oder sei es das Thema Versorgungs­sicherheit mit der Blackoutübung – eine gute Hand und Durchhaltevermögen für erfolg­reiche Verhandlungen. Und danke schön, dass du immer so gut auf unser Land Tirol schaust! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.41


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Ausführungen.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Stefan Zaggl. Ich erteile ihm dieses.


9.42.01

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich darf dir auch im Namen meiner Fraktion zu deiner Präsidentschaft recht herzlich gratulieren. Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuseherin­nen! Liebe Zuseher! Mit jeder neuen Übergabe, mit jedem neuen Bundesratspräsidenten beginnt immer wieder ein neuer Weg, an dem sich zeigt, dass es auch hier überpartei­liches Zusammenarbeiten wie auch einen Informationsfluss, der weiter als bis zur eigenen Parteitür geht, gibt. Ich wünsche mir auch von dem neuen Bundesrats­präsi­de­nten, dass er dies als in seinem Sinne sieht, denn die Arbeit in der Länderkammer sollte mehr sein als nur das Verfolgen des Wegs, der dem Parteibuch entspricht.

Natürlich wäre es wünschenswert, dass man auch in der Landesregierung den über­parteilichen Weg erkennt und anerkennt, da sehr oft gute Ideen und Lösungswege von jemand anderem als von Vertretern der eigenen Partei stammen können. – Dies sei als kleiner Gedankenanstoß an unseren Herrn Landeshauptmann gerichtet.

Als Tiroler sollte ich Ihnen nun vom schönen Land Tirol erzählen, und ja, unser Bun­desland Tirol ist durch unser Naturerbe, die Berge, die wunderbare Landluft, die klaren Gebirgsseen ein Land voller Leben, voller Klänge, voller Tradition. Doch leider ist Tirol nicht nur das Land der Berge, der Natur, sondern fast schon mehr das Land des Transitverkehrs, der Tourismusüberlagerung, der Wirtschaftsmacht und ein Land, in


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 21

dem auf den kleinen Mann auf vielen Ebenen vergessen wird, denn die stark frequen­tierte Transitroute zerstört unser hochgelobtes Naturerbe und schadet unserer Bevölke­rung.

Meine Rede werde ich mit einem kleinen Ausflug in die Covid-19-Krise beginnen: Dem schönen Land Tirol standen und stehen leider weiter viele Herausforderungen bevor, da Tirol durch Covid-19 – medial war ja die ganze Welt dabei und konnte quasi zusehen – im Winter 2019 zu ungeahnter Berühmtheit kam. Hier lief auf jeglicher Ebene einfach fast alles schief. Dennoch sollte man auch bedenken, dass sich alle vor einer Situation befanden, in der jeder Fehler gemacht hätte, da wir so etwas noch nie erlebt hatten.

Die Fehler, die jedoch nach den sogenannten ersten Momenten passierten, waren dann eher nicht mehr so verständlich; und dass man immer wieder betonte: Wir haben alles richtig gemacht!, war jetzt auch keine Glanzleistung. Die Fehler sind passiert, und dass man gleich seinen Charakter zeigt und eingesteht: Wir waren mit dieser Ausnah­me­situation überfordert!, wäre wohl der richtigere Schritt gewesen.

Der weitere Verlauf hat die nächsten Fehler aufgezeigt, unter anderem als bundesweit der Aufruf zu den Massentests erklang. Unsere Gemeinden wurden von der Landes­regierung alleingelassen. Ebenso wurde unser Pflegepersonal, das in der Krise weit über sein Limit ging, zwar beklatscht, jedoch nicht richtig und mit genügend Masken, Schutz­kleidung und Desinfektionsmittel ausgestattet. Unter anderem wurden nach den ersten Öffnungsschritten für den Tourismus die Tests für die Touristen gratis zur Verfügung gestellt, die Mitarbeiter in der mobilen Pflege jedoch erhielten oft nicht einmal die Möglichkeit zu einer Testung, geschweige denn finanzielle Unterstützung vom Land.

Die Arbeitslosenzahlen explodierten – und auch da keine Lösung auf Landesebene, kein Auffangnetz. Da lässt wie bei vielen anderen Themen der Herr Landeshauptmann seine Hände auf dem Rücken. Covid-19 wird uns noch lange begleiten, und dank der ganzen zusätzlichen Öffnungsschritte, die jetzt wieder erfolgt sind – da uns sonst der Tourismus und die Einnahmen daraus fehlen –, steuern wir im September, allerspätestens im Oktober wieder auf einen Lockdown zu. Ja, wir benötigen die Einnahmen in der Wirt­schaft und auch unsere Bevölkerung braucht wieder die Wege zur Normalität, jedoch alles mit Vernunft und gesundem Menschenverstand, denn eines sollten wir nicht ver­ges­sen: Selbst Geimpfte sollten regelmäßig testen gehen, denn sie sind nicht immun, sie können die Krankheit bekommen und weitergeben. Da sollten sich einmal die Radiosender bei ihrer Ausstrahlung in den jeweiligen Ländern und auch bei ihren Wer­bespots genau überlegen, was sie an die Bevölkerung weitervermitteln – dies nur als kleiner Gedankenanstoß. Und dass die Testmöglichkeiten für die Einheimischen immer weniger werden, jedoch das Angebot für die Touristen verhältnismäßig besser aussieht, sehe ich auch als Problematik.

So ist es zwar löblich, Herr Landeshauptmann, dass Sie versichern, dass es keinen Impfzwang geben soll, jedoch wird gleichzeitig nicht gesetzlich geregelt, dass Personen, welche sich nicht impfen lassen möchten, einen Kündigungsschutz erhalten und es ihnen gegenüber keinerlei Diskriminierung geben darf. Diesbezüglich gibt es eindeutig einen Nachholbedarf. Auch auf Bundesebene sollten wir dies ins Auge fassen, da wir auch in dieser Hinsicht unsere Bevölkerung nicht im Stich lassen sollten.

Die Doppelmoral im heiligen Land Tirol, in der Landesregierung, zeigt sich immer wieder. Die Grünen befinden sich in der Landesregierung, sind aber ihrem großen Koalitions­partner immer wieder hörig. Wir brauchen nur zu mir ins Außerfern zu schauen: Der Transit­verkehr überrollt uns Tag für Tag, es gibt Stau über Stau. Die Lärm- und Fein­staubbelastung für unsere Bevölkerung wird immer mehr. Der Einfall, den es schon vor Jahren gab, war eine Zweitunnelvariante, die keine wirkliche Entlastung für das Außerfern bringt, jedoch einen Rieseneingriff in die Natur bedeutet – und da schreit keiner auf.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 22

Es werden zwar die Verkehrseindämmung und der Umweltschutz in Tirol gepredigt, aber: In ganz Tirol? – Nein, nicht in ganz Tirol, denn das gallische Dorf in diesen beiden Bereichen ist das Außerfern, der Bezirk Reutte, da durch diese Tunnelvariante der Ver­kehr allgemein steigen würde, insbesondere aber der Transitverkehr. Dort gibt es seit Jahrzehnten keine sinnvolle Lösung. Oh, Moment, es würde sie doch geben, und zwar den Bahntunnel. Es sei nur kurz erwähnt, dass diese Variante von der SPÖ Reutte stammt, sie wäre aber die beste Lösung für Mensch und Umwelt.

Seit Kurzem gibt es da zumindest medial eine kleine Unterstützung vonseiten der Grünen, aber nur weil jemand etwas in die Zeitung schreibt, heißt es noch lange nicht, dass dies dann auch zur Anwendung kommt und Bestand hat. Schon oft gab es dann, wenn es darauf ankam, Umfaller – so auch bei der letzten Landtagssitzung vergangene Woche am Donnerstag. In Schmach und Schmerz muss man da wohl sagen: Der Wolf zählt mehr als die Unterstützung im Bereich Kinder- und Jugendanwaltschaft. Anstatt die Aufstockung der Anzahl der Mitarbeiter der Kinder- und Jugendanwaltschaft in die Tagesordnung einfließen zu lassen und als Dringlichkeitsanliegen zu sehen, wurde diese nun auf die nächste Sitzung vertagt, denn für unseren Landeshauptmann und sein Gefolge scheint es von größerer Tragweite zu sein, dass sich einige Wölfe wieder in Tirol aufhalten und naturgemäß einige Schafe gerissen haben. Ja, das ist für den Landwirt sehr tragisch, jedoch sollten wir eines nicht vergessen: Wir sind Gäste in der Natur – und nicht die Tiere, egal ob ein zahmes Reh, ein Wolf oder auch ein Bär. Wir haben den Wolf und den Bären aus ihrer natürlichen Umgebung verdrängt.

Doch nun wieder zurück zur Landtagssitzung vom 7.7.21, denn dort wurden – noch­mals – 1 300 Kinder ins Abseits gestellt und ihr Anliegen kurz am Ende der Sitzung be­han­delt. Lösungen dazu gibt es noch keine. Ich spreche von der Eule – es gibt acht Therapiezentren, die über ganz Tirol verteilt sind. Unser schönes Land Tirol ist flächen­mäßig ein kleines Bundesland, und trotzdem haben wir einen großen Ärztemangel bezie­hungsweise fehlen oft in den Seitentälern wie auch in den zwei Außenbezirken Fach­ärzte, insbesondere in der Kinderheilkunde. Daher sollten wir dankbar sein für diese acht Therapiezentren, die Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie und klinisch‑psychologi­sche Behandlungen unter einem Dach vereinen.

Vor jeglicher Therapie werden die Eltern miteinbezogen und auch die Eltern sowie die Geschwisterkinder unterstützt. Gerade bei Geschwistern, die mit einem verhaltens­auf­fälligen oder behinderten Gegenpart aufwachsen, entsteht oft eine Belastung, die die Kinder ihren Eltern nicht mitteilen können, da sie diese nicht auch noch belasten wollen.

Dass die Eltern, die Kinder und die etwas über 100 Mitarbeiter einer ungewissen Zukunft entgegensehen, schien die Landesregierung nicht sehr zu belasten – das ist wahr­scheinlich nicht das richtige Wählerklientel. Wir setzen uns selbstverständlich weiter für die Kinder und die Mitarbeiter ein und werden die Schließungen nicht hinnehmen.

Meine Schlussworte richte ich an Sie, Herr Landeshauptmann: Sehen Sie mit offenen Augen und hören Sie mit offenen Ohren, dann werden Sie erkennen: Der einzige Weg, um unserem Land Tirol Stärke und Sicherheit zu geben, ist ein gemeinsamer Weg, der alle im Landtag vertretenen Parteien miteinbezieht. Stellen Sie die überparteiliche Zu­sammenarbeit in den Vordergrund, dann werden wir gemeinsam Lösungen in verschie­densten Themenbereichen finden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.52


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. Ich er­teile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 23

9.52.20

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vorsitzender! Auch seitens meiner Fraktion wünsche ich dir alles Gute für das halbe Jahr, in dem du den Vorsitz bei uns im Bundesrat führst! Wir hoffen auf gute Zusammenarbeit.

Ja, liebe Kollegen, Sie werden sich wahrscheinlich nicht wundern, dass ich jetzt nicht in die Jubelchöre der ÖVP mit einstimmen werde. Ich will die Heile-Welt-Stimmung hier herinnen zwar auch nicht ganz zum Kippen bringen, aber es gibt doch einiges zu sagen.

Herr Landeshauptmann Platter, Ihre blumigen Worte kennen wir in Tirol ja schon zur Genüge, und wir sind sie von Ihnen auch gewöhnt, aber wenn man mit Tirol vielleicht nicht so viel zu tun hat und das politische Geschehen im Land vielleicht nicht so verfolgt, dann könnte man jetzt, nach den Reden des Landeshauptmannes und der ÖVP-Abge­ordneten, doch wirklich glauben, in Tirol herrscht heile Welt, alles ist gut, in den letzten eineinhalb Jahren ist quasi nichts passiert – durchtauchen und weiter so! –, doch, Herr Landeshauptmann, das ist mitnichten der Fall: Chaos an allen Ecken und Enden in Tirol!

Der Herr Landeshauptmann kommt nach Wien und hält eine kleine Märchenstunde ab (Ruf bei der ÖVP: Na!) – unglaublich eigentlich: Nach diesem Wahnsinn, den die schwarz-grüne Tiroler Landesregierung schon über ein halbes Jahr lang in Tirol aufführt, stellt sich Herr Platter hier ins Parlament in Wien und – jetzt kommt es! – sagt, wie die ÖVP – und das ist ja das Wahnsinnige –, jene ÖVP, die unser Tourismusland Österreich nach­haltig geschädigt hat, dieses wieder aufbauen will. Das ist ein Treppenwitz der Geschichte, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hoffe nur, dass die Tiroler nun endlich wach werden und auch sehen, wie diese ÖVP in Tirol wirklich tickt, wie sich diese ÖVP in Tirol das Land aufteilt und mit welcher Selbst­gefälligkeit unser schönes Tirol von dieser ÖVP in Geiselhaft genommen wird. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.) Das Einzige, das diese ÖVP in Tirol beherrscht – und das wirklich perfekt –, ist Macht und Machterhalt um jeden Preis, quasi zum Koste-es-was-es-wolle-Tarif, Herr Platter.

Warum wird man denn eigentlich Mitglied bei der Tiroler ÖVP? – Nicht etwa aufgrund eines guten Programms – mit Sicherheit nicht! (Heiterkeit der Bundesrätin Schartel) –, zur ÖVP geht man nur, weil man sich daraus einen persönlichen Vorteil erhofft. Schlech­testenfalls hat man keinen Nachteil, wenn man im pechschwarzen Tirol etwas braucht.

Genau das meine ich mit Macht und Machterhalt, denn in Tirol geht von der Wiege bis zur Bahre fast nichts ohne ÖVP, und wenn du ganz, ganz brav warst, ein braver Parteisoldat warst, dein Lebtag lang die ÖVP gewählt hast, dann, meine lieben Damen und Herren, wird der ÖVP-Bürgermeister noch deine Grabrede halten. – So schaut es aus im Land Tirol! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Mittlerweile wird das auf Bundesebene ja auch so praktiziert. Kein Wort habe ich von Ihnen, Herr Platter, aus Tirol vernommen, als unsere Verfassung, als unsere Grund­rechte, als unser Rechtsstaat, als unser Parlamentarismus von ÖVP und Grünen ständig mit Füßen getreten wurden: Aus Tirol war Schweigen zu vernehmen.

Kommen wir aber zurück zur nachhaltigen Schädigung der Marke Tirol! Seinen Ursprung hat das Missmanagement eigentlich schon in der Causa Ischgl, da hat die gesamte Landesregierung mitsamt ihren Behörden kläglichst versagt. Zuerst wollte man ja noch alles unter der Tuchent halten und alles vertuschen, als das dann aber nicht mehr ging, machte man einen Fehler nach dem anderen, und der Höhepunkt war dann – Sie werden sich noch erinnern – das mittlerweile weltbekannte Interview des Gesundheits­landes­rates Alles-richtig-gemacht-Tilg. – Unglaublich! Daran sieht man wirklich deutlich, wie abgehoben, wie präpotent und mit welcher Überzeugung – das muss man sich einmal vorstellen! – man sich für ein Interview ins Fernsehen setzt und 27-mal behauptet: Wir


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 24

haben „alles richtig gemacht“!, obwohl die ganze Welt wusste, es sind zig Fehler pas­siert.

Ich will nicht die gesamten Fehler, Herr Platter, Ihres Coronamissmanagements hier aufzeigen – ich würde ja nicht damit fertig und die Zeit würde auch nicht reichen –, ich würde einmal sagen, wir beschränken uns quasi auf Ihre ganz persönlichen 15 High­lights.

Beginnen wir mit der Beschaffung der Schutzausrüstung! Da hat sich Herr Platter hin­gestellt und gesagt: Liebe Hausärzte, ihr braucht keine Sorgen zu haben, das übernimmt das Land Tirol, das ist in sicherer Hand! Ihr bekommt die Schutzausrüstung, ihr braucht euch um nichts zu kümmern! – Monatelang haben unsere Hausärzte auf diese Schutz­ausrüstung gewartet.

Dann ging es weiter, dann kam die Gemeindequarantäne. Man muss sich das einmal vorstellen: Jede einzelne Gemeinde in Tirol wurde unter Quarantäne gestellt. Das hieß, wenn ich von der einen in die andere Gemeinde ging, wurde ich bestraft – das war strafbar! Für die Wiener – damit ihr das auch versteht –: Wenn du von einem ins andere Grätzel gehst, bist du bestraft worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) So hat es ausge­schaut in Tirol. Bis heute gab es keine Entschuldigung vom Herrn Landeshauptmann. (Beifall bei der FPÖ.) Mittlerweile wissen wir, dass diese Gemeindequarantäne verfas­sungswidrig war und die Bürger zu Unrecht bestraft wurden.

Und während die Bürger in Tirol bestraft wurden, ließen sich die ÖVP-Bürgermeister in DDR-Manier, ganz nach dem ÖVP-Vetternwirtschaftsmotto (Bundesrätin Zwazl: Aufpas­sen!), samt Anhang im Altersheim impfen. Impfvordrängler Bürgermeister Rudolf Häusler von der ÖVP war ein trauriges Fallbeispiel. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Aber auch der Chaosbezirkshauptmann von Landeck, zuständig für Ischgl, wurde wieder bestellt, Herr Platter. Anstatt dass man endlich qualifizierte Personen an relevante Posi­tionen im Land setzt, betreibt man weiter Parteipolitik. Und aufgrund des Missmana­ge­ments der Tiroler Landesregierung galten wir weltweit – weltweit! – als Seuchengebiet Nummer eins, und das ist ein nachhaltiger Schaden. Gratulation, Herr Landesvater Platter! (Beifall bei der FPÖ.)

Plötzlich kam dann in Tirol als einzigem Bundesland das Vorverlegen der Sperrstunde auf 22 Uhr. Und was passierte? – Die ÖVP feierte am Rande einer Landtagssitzung feuchtfröhlich bis spät in die Nacht. Die ÖVP-Elite im Land feierte, während der Pöbel, wie man in der türkisen Familie zu sagen pflegt, um 22 Uhr eingesperrt wurde. Auch das zeigt die Präpotenz dieser ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kam die Südafrikamutante, die angeblich das ganze Zillertal dahinraffen würde. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nur bekam – ich bin selber ein Zillertaler – im Zillertal halt fast niemand etwas von dieser ach so aggressiven Mutante mit. Warum bekam davon niemand etwas mit? – Weil mehrere Hunderttausend Tests falsch positiv ausgewertet wurden – über 220 000 falsch ausgewertete positive Tests! Und wie kann es anders sein? – Jemand aus der ÖVP-Familie war es: ein Urologe, der in Tirol plötzlich zum Virologen mutierte, quasi eine ÖVP-Freunderl-Erfolgsstory. Ein ÖVP-naher Mediziner, der laut Ärztekammer Berufsverbot hat, bekam ohne Ausschreibung den Auftrag des Landes über 8 Millionen Euro und zeichnete dann mit seinen falschen Tests für den Anstieg der Infektionen mit der Südafrikamutante verantwortlich. Wieder war Tirol Seuchen­gebiet Nummer eins für die ganze Welt.

Kommen wir zum Löwenbändiger. Kurz zur Erklärung: Der Herr Landeshauptmann hat sich selber als den bayerischen Löwenbändiger bezeichnet. Da frage ich mich: Wo war denn unser Dompteur, als uns Herr Söder aufgrund der falschen HG-Lab-Truck-Tests


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 25

zum Seuchengebiet erklärt hat, wieder einmal Tirolbashing betrieben und uns an den Grenzen drangsaliert hat? – Der selbsternannte Löwenbändiger endete als Bettvorleger bei Sonnenkönig Söder. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo war denn unser Herr Landesvater – den Titel hören Sie ja so gerne, Herr Platter –, als Ihr Parteifreund Kanzler Kurz eine Reisewarnung für das Bundesland Tirol aus­sprach? – Geschwiegen haben Sie wieder einmal. Da hörte man nichts von Herrn Platter, da war es ganz ruhig. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Um dann den ganzen ÖVP-Skandal um Lab Truck, den ich vorhin erwähnt habe, zu vertuschen, traten plötzlich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion – längst überfällig! – Gesund­heitslandesrat Alles-richtig-gemacht-Tilg und dann auch noch Wirtschaftslandesrätin Zoller-Frischauf zurück. Komisch: Wenn da dann jemand eine Verbindung zum ÖVP-Skandal um Lab Truck erkennt, ist er wahrscheinlich ein Verschwörungstheoretiker. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Schartel.)

Zum krönenden Abschluss bekommen wir dann eine neue Gesundheitslandesrätin, Frau Leja, die sich in ihrer ersten Landtagssitzung allen Ernstes hinstellt und zum Besten gibt – ich zitiere –: Jeder Gast, der sich nicht testen lässt, ist eine Gefahr für uns Tiroler! – Man darf nicht vergessen: Tirol ist ein Tourismusland. Da sieht man dann wirklich die gefährliche Ideologie dieser ÖVP. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Diese nicht vollständige Liste, Herr Platter, ist ja nur ein Abriss Ihrer Corona-Pleiten-Pech-und-Pannen-Misswirtschaft à la ÖVP in Tirol. Da reden wir ja noch gar nicht über das Versagen in vielen anderen Bereichen, Herr Landeshauptmann, wie die Verdoppe­lung des Transits, seit Schwarz-Grün im Amt ist. Da reden wir auch noch nicht darüber, dass sich die Preise am Wohnungsmarkt nahezu verdoppelt haben, seit Schwarz-Grün im Amt ist. Da reden wir auch noch nicht darüber, wie es der Wirtschaft in unserem Land geht. Über all das haben wir noch gar nicht geredet.

Da reden wir nicht darüber, wie Sie, die Tiroler ÖVP, mit Ihren Abgeordneten hier in Wien versuchen, unsere Bauern in Sachen Wolf hinters Licht zu führen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Das muss man sich einmal vorstellen: In Tirol treten dieselben Nationalratsabgeordneten gegen den Wolf auf, ja sie sind sogar Wortführer im Land Tirol und protestieren gegen die eigene Landesregierung – das muss man sich einmal vor­stellen! Dieselben Herrschaften – Landwirtschaftskammerpräsident und Nationalrat Hechenberger, Wirtschaftsbündler und Nationalrat Hörl, Bauernbündler und Nationalrat Gahr –, die in Tirol gegen den Wolf protestieren, stimmen dann in derselben Woche hier im Parlament für den Wolf und gegen einen FPÖ-Antrag. Diesen Treppenwitz müssen Sie mir einmal erklären, Herr Landeshauptmann Platter. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen, aber das Fazit, Herr Platter – Herr Lan­desvater Platter –, ist: Wenn man einmal hinter Ihre blumigen Worte schaut, sieht die Sache in Tirol schon gar nicht mehr so rosig aus.

Ich darf an dieser Stelle noch meinen Landesparteiobmann zitieren, der gestern gesagt hat: Platters Ankündigung, neuerlich zu kandidieren, ist „eher eine gefährliche Drohung [...] als eine zukunftsweisende Ansage“. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Recht hat mein Landesparteiobmann, ich unterstütze diese Aussage zu 100 Prozent.

Was müssen wir in Tirol machen? – Tirol muss von diesen schwarzen Klauen, die immer und überall drinnen sind, endlich befreit werden. Sie, Herr Platter, sind amts- und politikmüde. Innerparteilich und politisch sind Sie massiv angeschlagen. Bitte lösen Sie sich vom Klebstoff, der Sie noch immer an den Landeshauptmannsessel klebt! Machen


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 26

Sie den Platz frei, Herr Platter, machen Sie den Platz frei für Neues! Tirol gehört den Tirolern und nicht der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

10.06


Präsident Dr. Peter Raggl: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich noch unsere ehemalige Kollegin Klara Neurauter auf der Galerie begrüßen. – Grüß dich, Klara, es freut uns, dass du da bist! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundes­rätInnen der SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


10.06.44

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident, natürlich wünsche ich Ihnen auch im Namen der Fraktion der Grünen für die Präsidentschaft alles, alles Gute. Ich feiere eigentlich jedes Bundesland. Man kann neunmal hintereinander immer wieder ein neues Bundesland feiern, und ich finde jedes Bundesland schön – auch Tirol. (Hei­terkeit der Bundesrätin Zwazl.) Das sage ich jetzt, weil ich der erste Nichttiroler bin, der hier reden muss. Das liegt daran, dass wir – ich betone: noch – keinen grünen Bundesrat und keine grüne Bundesrätin aus Tirol haben, aber ich hoffe, das wird sich auch wieder einmal ändern.

Ich hoffe, Sie erlauben mir – Herr Landeshauptmann, herzlich willkommen im Bundes­rat! – auch als Nichttiroler, hier in diese Diskussion einzugreifen und doch noch einen kleinen Kommentar zur Vorrede zu machen. Ich mag Tirol wirklich sehr gerne. Ich gebe zu – ich habe das auch gestern der Kollegin aus Matrei erzählt –, Osttirol ist eine meiner Lieblingsdestinationen für Urlaube. Weil in der vorigen Rede von Tirolbashing ge­sprochen wurde: Ich fand eigentlich die Vorrede ein ziemlich gutes Tirolbashing, denn als Tiroler würde ich mich für diese Rede ein bisschen schämen – aber mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Dazu hast du als Wiener auch nicht das Recht! Nimm dir nicht zu viel heraus!)

Wenn ein neues Bundesland den Vorsitz übernimmt, dann wünscht man natürlich auch zum Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und nicht nur zur Bundesrats­präsident­schaft alles Gute. Der Unterschied ist ja nur: Wir stehen in der Verfassung, die Lan­deshauptleutekonferenz nicht. Das Motto, das für diese Präsidentschaft gewählt worden ist, ist „Starke Regionen, starke Republik“, und ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie auch die Europäische Union genannt haben. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Zusam­menspiel, und hinsichtlich dieser Stärke gilt immer ein Vice-versa: Starke Regionen er­geben eine starke Republik, starke Republiken ergeben eine starke Europäische Union – aber der umgekehrte Weg ist ebenfalls richtig, und es muss eine richtige Balance geben, wie Sie auch schon gesagt haben.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie haben auch etwas anderes gesagt – und das halte ich auch für wichtig, zumal die Vorrede ein bisschen suggeriert hat, dass es falsch war, Menschenleben zu retten. Ich glaube, es war richtig – wie Sie ja auch gesagt haben –, dass wir Maßnahmen ergriffen haben, um unser Gesundheitssystem zu schüt­zen und um Menschenleben zu retten. Wenn es eine Krise gibt, ist die primäre Aufgabe von Politik, Menschenleben zu retten. Das haben wir getan, und das war richtig so. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie haben auch recht, wenn Sie sagen, dass sehr viel gelungen ist. Wir sind tatsächlich – das muss man wirklich betonen – gut durch diese Krise marschiert. Wir sind sicher nicht unbeschadet durch diese Krise marschiert, aber kein Land der Welt ist unbeschadet durch diese Krise marschiert.

Und wenn wir uns das global anschauen, natürlich auch die unterschiedliche Verteilung von Impfstoffen beispielsweise, dann sehen wir, dass wir noch sehr viel vor uns haben.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 27

Der Zusammenhalt der verschiedenen Gebietskörperschaften ist tatsächlich ein ent­scheidender und ganz wesentlicher Faktor, insbesondere wenn eine Krise stattfindet.

Zu einer guten Krisenbewältigung gehört sicher auch, sich das – danach oder auch zwi­schendurch – mit Abstand anzuschauen und zu evaluieren, was gut funktioniert hat, aber auch zuzugeben, was nicht so gut funktioniert hat, zu sagen: Da haben wir hervorragend gearbeitet!, und: Nein, in diesem Bereich haben wir nicht hervorragend gearbeitet! Es gehört zu einer Demokratie dazu, sich das anzuschauen. Da will ich jetzt gar nicht über das diskutieren, was in Ischgl passiert ist, das ist, glaube ich, breit ausgetreten worden. Es sind die Fehler genannt worden, es waren Unklarheiten da, es war natürlich auch am Anfang der Krise.

Was aber jetzt hilft, ist, zu schauen, wo es super funktioniert hat. Da haben wir zum Glück auch Expertinnen und Experten, die sich das angeschaut haben. Es gibt momen­tan, ganz neu herausgekommen, eine Studie zum Thema „Föderalismus im Gesund­heits­wesen“ – und es ist für uns alle wirklich wertvoll, wenn wir diese lesen – von der Austrian Health Academy. Die Autoren, das sind die GesundheitsökonomInnen Maria Hofmarcher und Christopher Singhuber, haben sich das genauer angeschaut, und sie haben festgestellt, dass es in manchen Bereichen gut war, vor Ort zu agieren. Und das müssen wir uns auch anschauen, denn der Föderalismus und auch das, was in den Gemeinden passiert, sind wichtig.

Wir haben aber auch gesehen, dass es zum Beispiel in dem Augenblick, in dem es eine stärkere Föderalisierung beim Contacttracing gegeben hat, zu massiven Problemen gekommen ist. Das müssen wir uns einfach ganz sachlich anschauen, daraus müssen wir die Konsequenzen ziehen, und dann, mit den richtigen Zukunftsperspektiven, werden wir auch zukünftige Krisen bewältigen können.

Wir wissen nicht, und das wurde bereits gesagt, ob diese Pandemie noch einmal neu aufflammt. Auch ich mache mir derzeit Sorgen. Es gibt bereits die Ersten, wie zum Beispiel den niederländischen Premier Rutte, die zugeben, dass sie das falsch einge­schätzt haben. Die Infektionszahlen in den Niederlanden und auch in anderen Ländern, gerade bei der Jugend, steigen enorm. Wir haben auch in Österreich wieder steigende Zahlen bei den Neuinfektionen, und deswegen ist es gut, dass sich Länder und Bund wieder zusammensetzen und sich anschauen, was man dagegen machen kann. Sie haben auch recht, denn wir brauchen gerade in den Regionen und gerade in den Ge­meinden unbedingt die Werbung für die Impfung. Wir müssen die Menschen tatsächlich überzeugen, sich impfen zu lassen. Das ist der Weg. – Und getestete Gäste, Herr Kollege Steiner, sind keine Belastung, sondern eine Sicherheit für die Gäste! (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Das ist gut für den Tourismus. Wenn man sich in einem Lokal aufhält und weiß, es wurde gecheckt (Bundesrat Ofner: Genau!), wenn man weiß, das sind Genesene, das sind Getestete, das sind Geimpfte, dann ist man auch in Sicherheit und braucht sich nicht zu fürchten. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Das ist eine ganz wichtige Sache.

Wir haben auch von der Bedeutung gesprochen, und da möchte ich schon auch betonen: Wir brauchen nicht nur starke Regionen, wir brauchen nicht nur eine starke Republik, wir brauchen auch eine starke Europäische Union. Und die Europäische Union hat, das haben wir auch gesehen, zu Beginn der Pandemie keine besonders gute Rolle gespielt. Da haben wir bemerkt, dass die Europäische Union auch in einer Art Sinnkrise war – das kann man, glaube ich, so sagen –, dass sich dann so etwas wie: Ich zuerst und die anderen einmal nicht!, breitgemacht hatte. Ich bin aber sehr froh, dass die Europäische Union jetzt wieder ein starker Player in dieser Sache ist.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 28

Sie haben das Beispiel Antibiotika genannt, und das halte ich für ein sehr, sehr gutes Beispiel. Wir als Europäische Union brauchen Stärke, damit wir Produktionsstätten hier behalten und damit wir auch Versorgungssicherheit haben. Das ist übrigens auch in außenpolitischer Sache nicht uninteressant, denn es gibt gewisse Expansionsbestre­bungen, die nicht demokratischer Natur sind, und da spielt eine starke Europäische Union eine wichtige Rolle und zum Beispiel auch der Recovery Fund, der jetzt ein­gerichtet worden ist.

Wir haben auch im Europaausschuss, der von Herrn Kollegen Buchmann geleitet wird, dieses Thema immer wieder ganz prominent auf der Tagesordnung. Was die Euro­päische Union macht, was auch die Länder machen und was unsere Bundesregierung gemacht hat – ich nenne zum Beispiel die Investitionsprämie, die wir in den letzten Monaten sehr erfolgreich initiiert hatten –, ist, aus der Krise hinaus zu investieren. Dabei muss man beachten, dass das immer auch bedeutet, in andere Krisenbewältigungen hinein zu investieren. Die Digitalisierung, Sie haben sie genannt, ist dabei auch für den ländlichen Raum eine ganz wichtige und entscheidende Komponente. Natürlich ist das auch der Klimaschutz: Da haben wir mit dem Green Deal auf europäischer Ebene, mit unzähligen Maßnahmen auf Bundesebene und mit vielen Maßnahmen auch auf Landesebene sehr viel zu tun, und da wird es noch viel mehr zu tun geben.

Wir hatten im Europaausschuss Frau Berger vom Europäischen Rechnungshof zu Gast, die erzählt hat, dass es zum Beispiel bei internationalen Zugverbindungen Probleme gibt. Gerade Tirol braucht ja besonders Transit auf der Schiene, das wäre eine ganz entscheidende Lösung. Da müssen alle Länder zusammenarbeiten, auch da brauchen wir eine Europäische Union. Es gibt aber, wie wir gehört haben, noch Defizite. Da können wir noch viel gemeinsam machen.

Wichtig ist, das haben Sie auch gesagt, dass wir da in einen Wettbewerb guter Ideen treten, dass wir mit großem Respekt, dort, wo Differenzen bestehen, auch immer die Gemeinsamkeiten sehen. Ich glaube, das trifft nicht nur beim Wolf (erheitert in Richtung Landeshauptmann Platter) zu, das trifft in vielen Bereichen zu. Solange wir gemeinsam eine sachliche Debatte führen – die natürlich manchmal auch emotional werden darf, überhaupt keine Frage –, können wir gemeinsam gute Lösungen finden. Es gibt ein schönes Indianersprichwort: Wenn du mit mir diskutierst, dann gehe einmal eine Meile in meinen Mokassins!

In diesem Sinne, glaube ich, können wir gemeinsam – nämlich in den Regionen und ich als Wiener – gute Lösungen finden. Ich hoffe, es war in Ordnung, dass ein Wiener gesprochen hat, wenn es um Tirol geht, und ich wünsche alles Gute. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Landeshauptmann Platter – erheitert –: Danke!)

10.16


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.


10.16.58

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sie haben als Motto Ihrer Erklärung „Österreichs Zukunft sichern“ gewählt. Wie soll Österreich in der Zukunft aussehen? Wie soll die Zukunft aussehen, die wir für unsere Kinder und Enkelkinder gestalten? Welche Rolle übernehmen wir in Europa und in der Welt, welchen Raum räumen wir der Freiheit ein, einer Freiheit immer in Verbundenheit zueinander? Wie schaffen wir eine Trendwende im Kampf um den Klimaschutz? Wie werden Innovation und Ökologisierung befeuert, ohne Bevormundung und soziale Verwerfungen? Wie schaffen wir in Österreich wieder den digitalen An­schluss an die Spitze? Wie sorgen wir dafür, dass uns die großen Herausforderungen,


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 29

die unsere so schnelllebige Welt mit sich bringt, nicht verzweifeln, sondern vielmehr wachsen und uns entwickeln lassen? Was müssen wir tun, damit eine politische Kultur Einzug hält, die dafür sorgt, dass die besten Köpfe an den richtigen Positionen sitzen, eine politische Kultur, in der nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen immer wieder die Frage gestellt wird: Was können wir besser machen?

Diese Fragen und noch viel mehr müssen wir einmal formulieren. Wir müssen uns diesen Fragen stellen, denn nur so kann ein Bild von einem neuen Österreich, das zuversichtlich und mutig nach vorne blickt, entstehen: ein Österreich, in dem Frauen, Männer und Kinder gemeinsam an einem Strang ziehen. Ihr Ziel: Es muss besser werden, als es jemals war.

Ein echter Neustart blickt nicht nur auf einzelne Bereiche, ein echter Neustart wird breit und umfassend aufgesetzt. Wir NEOS werden dieses Jahr in allen Bereichen einen Schwerpunkt setzen, beginnend bei der besten Bildung über ein unternehmerisches Österreich und enkelfitte Sozialsysteme bis hin zu einem verlässlichen Staat und sau­berer Politik, und natürlich auf einen Neustart Österreichs in Europa und der ganzen Welt.

Das alles sind Bereiche, die nicht einzeln für sich betrachtet werden dürfen, sondern die letztlich alle ineinandergreifen müssen, die daher auch nicht halbherzig nacheinander, sondern gleichzeitig mit dem Ziel eines echten Neustarts für ein neues Österreich ange­packt werden müssen.

Zu Beginn steht das klare Bekenntnis zu einer Wertebasis und einer damit verbundenen neuen politischen Kultur. Wir haben jetzt die Gelegenheit, die Weichen für eine ökono­misch und ökologisch nachhaltige, innovative Gesellschaft zu stellen, die ihren Wohl­stand in Balance mit der Umwelt und nicht auf deren Kosten wieder aufbaut, für eine freie Gesellschaft, der Fairness, Weltoffenheit und Verantwortungsbewusstsein gegen­über einander zugrunde liegt, und vor allem für eine Gesellschaft, die ihr Vertrauen in die Stärken und die Tatkraft des Individuums legt und Chancen eröffnet.

Eine neue politische Kultur heißt nicht das konsensorientierte Abnicken von Maßnahmen oder das Ignorieren und Mundtotmachen anderer Meinungen, ganz im Gegenteil: Wir wünschen uns einen neuen politischen Diskurs, einen Wettstreit um die besten Ideen, einen Austausch auf Augenhöhe aller politischen Player in diesem Land. Ein Neustart unserer politischen Kultur verbessert das Vertrauen der Menschen in unser politisches System und ist Grundlage für echte Freiheit in Verbundenheit zueinander.

Nächster Schwerpunkt: Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise dieser Republik mit einem höheren Schuldenstand als nach dem Zweiten Weltkrieg. Jetzt wäre der Zeit­punkt, um ein neues Österreich zu schaffen, ein unternehmerisches Österreich, in dem man für seine Initiative und Tatkraft belohnt wird.

Neue Jobs schafft nicht die Regierung. Neue Jobs schaffen nur die Unternehmerinnen und Unternehmer. Aufgabe der Regierung ist es aber, dabei die bestmöglichen Rah­menbedingungen zu schaffen, damit innovative Ideen entstehen und umgesetzt werden. Gerade da wäre ein reines Comeback in die Vorcoronazeit ein fatales Signal. Ein echter Neustart für innovative Ideen muss endlich angestoßen werden.

Wir arbeiten für ein unternehmerisches Österreich, ein Österreich, in dem innovative Ideen auch umgesetzt werden können, nicht ein Österreich, in dem es heißt: Das haben wir noch nie so gemacht!, sondern ein Österreich, das Türen öffnet und nicht vor der Nase zuschmeißt. Arbeiten wir für ein unternehmerisches Österreich, das zu Auf­schwung, Wachstum, Wohlstand ausholt und dabei auf die Kreativität und den Einsatz seiner Bürgerinnen und Bürger setzt und nicht mit bürokratischem Obrigkeitsdenken in Bürgern Untertanen sieht!


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 30

Damit alle in unserer Gesellschaft zuversichtlich ihre eigene Zukunft entwerfen können, müssen wir viel früher ansetzen: in unserem Bildungssystem. Arbeiten wir für eine Ge­sell­schaft, in der alle ihr volles Potenzial entfalten können und echte Chancengerech­tigkeit herrscht! Arbeiten wir für ein Bildungssystem, das die Herausforderungen der Zukunft erkennt und unseren Kindern vermittelt!

Was sind die Fähigkeiten, die wir in der Zukunft brauchen? – Kreativität, kritisches Den­ken, Zusammenarbeit, Selbstorganisation, Leadership und vor allem auch Empathie. Das ersetzt nicht Grundfertigkeiten und Wissen, muss sie aber ergänzen.

Wir wünschen uns Schülerinnen und Schüler, die sich und die Welt kritisch hinterfragen können und motiviert auch ihre Wünsche und Anliegen einbringen. Dazu braucht es Mut und Kraft für einen Neustart. Wer nach den Monaten der Krise nicht verstanden hat, dass wir so in der Bildung nicht mehr weitermachen können, dem ist nicht zu helfen, dem sind auch die Kinder egal, dem ist die Zukunft egal, dem ist unser Land egal. Das geht nicht so weiter mit dem Drehen an kleinen Schräubchen. Auch Digitalisierung in den Schulen erreicht man nicht, indem man allen Laptops in die Hand drückt.

Unser Anspruch muss sein: die beste Bildung für alle, echte Chancengerechtigkeit, damit nicht das Glück des richtigen Elternhauses darüber entscheidet, ob jemand beruflichen Erfolg erreicht oder studieren kann. Der Schlüssel zur Freiheit des und der Einzelnen ist die Bildung. Nur eine gebildete, mündige Bevölkerung besitzt das Rüstzeug, ihre eigene Zukunft in die Hand zu nehmen und zu gestalten. So wie eine gute Ausbildung zur ökonomischen Freiheit führt, so führt eine gute Bildung zur persönlichen Freiheit, zur Freiheit, selbst zu denken, den Status quo zu hinterfragen und mutig eigene Visionen zu entwickeln.

Chancengerechtigkeit für die Jungen, für die kommenden Generationen bedeutet aber auch, dass wir den Blick auf die Schulden, die wir hinterlassen, nicht verlieren. Gerade jetzt mit dem Motto von „Koste es, was es wolle“ in der Politik braucht es den Blick auf die Lasten, die wir den kommenden Generationen umhängen. Eine nachhaltige, zukunfts- und enkelfitte Gesellschaft muss den jungen Generationen verlässlich fünf Dinge sicher­stellen: die beste Bildung und Ausbildung, den Kampf gegen den Klimawandel und den schonenden Umgang mit unseren Ressourcen, die Chance, sich etwas aufzubauen, keine Schuldenberge, die sie abtragen müssen, und ein System der sozialen Sicherung, auf das sie sich morgen noch verlassen können.

Das Prinzip der Nachhaltigkeit muss ganzheitlich gedacht werden. Es muss einen sorg­samen Umgang mit der Umwelt und den Ressourcen geben, aber auch ein solides Budget, das nicht den Jungen die Chancen nimmt. Allen muss klar sein, dass diejenigen, die nicht bereit sind, für eine ausgewogene Pensionsreform zu sorgen, den Jungen Chancen und Absicherung nehmen.

Wir NEOS sind bereit für den Start einer Reformrakete, bereit, Verantwortung zu über­nehmen und echte Erneuerung umzusetzen. Es ist schon einige Zeit her, da gab es einen bisher letzten Versuch einer grundlegenden Reform, nämlich mit dem Verfas­sungs­konvent. Es ist hoch an der Zeit, wieder neu zu starten – ob Föderalismus oder Förderwesen, alles gehört nun angepackt, diesmal aber mit breiter Beteiligung der Men­schen.

Mit einem Zukunftskonvent wollen wir den Grundstein für einen Neustart in Österreich legen und dabei all jene politischen Kräfte an Bord holen, die Bereitschaft zeigen, echte Verantwortung auch für alle zukünftigen Generationen zu übernehmen.

Diese Krise wird ein Wendepunkt in der Geschichte unseres Landes sein. Wenn wir das als Chance begreifen, dann ist ein echter Neustart mit mutigen Reformen möglich, Refor­men, die den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellen, nachdem ein Virus diesen Platz


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 31

schon viel zu lange für sich beansprucht hat. Wir brauchen Erneuerung, die das Ver­trauen der Politik in die Menschen stärkt und auch den Menschen das Vertrauen in die Politik wiedergibt.

Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, diese Reformen gemeinsam anzugehen und es den Menschen dadurch auch wieder zu ermöglichen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Um die Zukunft Österreichs zu sichern, ist es Zeit für einen Neustart, der diesen Namen verdient. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

10.26


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Sebastian Kolland. Ich erteile dieses.


10.26.31

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum! Werte Zuschauer auf der Galerie! Zuerst herzliche Gratulation an den neuen Tiroler Bunde­sratspräsidenten Peter Raggl und auch ein herzliches Dankeschön an seinen Vorgänger Christian Buchmann für seine hervorragende Arbeit als Vorsitzender in den letzten sechs Monaten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zugleich freut es mich als Bundesrat des Bundeslandes Tirol natürlich außerordentlich, dass unser Landeshauptmann, der vor wenigen Tagen den Vorsitz der Landeshaupt­leute­konferenz von Hermann Schützenhöfer übernommen hat, heute persönlich an­wesend ist und in seiner Rede nicht nur einen Ausblick auf das nächste halbe Jahr gegeben hat, sondern auch dargelegt hat, worauf es jetzt ganz besonders ankommen wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin durchaus überzeugt, dass es in dieser ungemein herausfordernden Zeit, in der wir uns nach wie vor befinden, nichts Schlechtes für die Republik ist, dass Tirol mit der Bundesratspräsidentschaft und mit dem LH-Vorsitz im nächsten Halbjahr so maßgebliche Rollen einnehmen wird, weil die Tirolerinnen und die Tiroler in den letzten eineinhalb Jahren der Pandemie durchaus bewiesen haben, dass sie sich nicht wegducken, wenn der Gegenwind auch einmal heftig bläst, dass sie anpacken und die Ärmel hochkrempeln, wenn es darauf ankommt, und dass sie auch nach Rückschlägen wieder aufstehen, sich nicht aus der Spur bringen lassen und nach vorne schauen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Und ja, diese Rückschläge hat es durchaus gegeben, der Landeshauptmann hat es erwähnt. Tirol ist ein tourismusstarkes Bundesland mit annähernd 50 Millionen Nächti­gungen. Rund ein Drittel aller österreichweit getätigten Nächtigungen entfällt auf das Bundesland Tirol. Tirol hat mehr Nächtigungen als Wien, Burgenland, Nieder- und Oberösterreich zusammen. Und eine Pandemie, in der fast jede Reisetätigkeit zum Erliegen kommt, trifft natürlich ein solches Bundesland ganz besonders.

Es hat sich auch in den Beschäftigungszahlen gezeigt: Wir waren lange ganz an der Spitze, und dann haben wir eine schwierige Zeit durchlebt, haben die Unternehmer und die Mitarbeiter eine schwierige Zeit durchlebt. Wir haben Anfang Mai noch eine Arbeitslosigkeit von 8,9 Prozent gehabt, aber die gute Nachricht ist, wir sind mittendrin, uns aus dieser Krise herauszuarbeiten. Anfang Juli hatten wir bereits eine Arbeits­losigkeit von 4,3 Prozent gehabt und sind damit wieder an die zweite Stelle vorgerückt. Salzburg ist noch knapp vor uns, aber wir haben durchaus den Ehrgeiz, auch die Spitzenposition wieder zu übernehmen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Diese positiven Zahlen bestätigen sich auch durch eine Befragung der Wirtschafts­kam­mer, deren Ergebnisse diese Woche veröffentlicht worden sind: 56 Prozent der Unternehmer


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 32

und deren Mitarbeiter schauen wieder optimistisch in die Zukunft, nur mehr 3 Prozent pessimistisch. Das hat vor einigen Monaten noch etwas anders ausgesehen.

Es sind aber nicht nur die Zahlen, die diesen Aufwärtstrend untermauern, es ist auch so, dass man es spürt. Man spürt es in den Straßen, in den Gemeinden, in den Städten, bei Veranstaltungen, in den Vereinen: Es geht wieder bergauf in unserem Land.

Es sei mir erlaubt, Kollege Christoph Steiner, von Tiroler zu Tiroler möchte ich dir eines sagen: Dass ein Tiroler Bundesrat bei der Übernahme der Präsidentschaft hier heraußen nichts anderes zu tun weiß, als unser Land von vorne bis hinten in den Dreck zu ziehen, das ist zum Schämen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.) Und du kannst mir auch eines glauben, Kollege Steiner: Die Menschen haben genug von dieser Miesmacherei, von diesen Diffamierungen; sie haben genug von diesen persön­lichen Attacken! Das wollen sie nicht und das schätzen sie nicht, und (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) – Frau Kollegin, ich bin am Wort – Sie können mir eines glauben (Bundesrat Steiner: Du hast ja das Mikrofon ...!): Das wird Ihnen auch nicht guttun, Herr Kollege Steiner! (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

Ich finde das wie gesagt absolut unangebracht, weil die Menschen in der jetzigen Zeit von der Politik vielmehr verlangen – und das mit jedem Recht –, dass wir den Schwung, den es jetzt gibt, mitnehmen, um wichtige Vorhaben umzusetzen. Diese Krise hat nämlich bei allem Schlechten, was sie ohne Frage gebracht hat, auch für Klarheit gesorgt. Sie hat uns gezeigt, wo wir unsere Stärken haben, beispielsweise im Gesund­heitsbereich, aber auch, wo wir noch Luft nach oben haben, wo wir besser werden müssen. Eine ganz wichtige Erkenntnis ist ohne Zweifel, dass wir im Bereich der Versor­gungssicherheit noch besser werden müssen, dass wir von internationalen Entwicklun­gen unabhängiger werden und die Abhängigkeit in systemrelevanten Bereichen redu­zieren müssen.

Ich glaube, dass Österreich da enormes Potenzial besitzt. Ich denke da an den Energie­bereich, wo wir mit der Wasserkraft, mit Wind, mit Sonne, mit Biomasse alle Voraus­setzungen mitbringen, um fossile Energieträger zurückzudrängen. Ich denke da an die Lebensmittelerzeugung, wo es nach wie vor ein großes Potenzial gibt, in der Direktver­marktung, in der Stärkung regionaler Kreisläufe Präsident Peter Raggl arbeitet seit Jahren ganz, ganz intensiv in diesem Bereich.

Auch im Medizinbereich  es ist erwähnt worden  müssen wir schauen, dass wir unab­hängiger werden. Es ist in den letzten Monaten durch enge Zusammenarbeit zwischen dem Land Tirol, dem Bund und der EU gelungen, die letzte Penicillinproduktion Europas in Kundl abzusichern. Das kann aber nur ein erster Schritt gewesen sein, wir müssen auch in anderen Themenfeldern der Medizin und Gesundheit schauen, dass wir unab­hängiger werden.

Ich halte diese Initiativen für ganz entscheidend, um Österreichs Zukunft zu sichern, und ich bin überzeugt, dass der jetzige Zeitpunkt genau der richtige ist, um da entscheidende Weichenstellungen vorzunehmen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Abschließend darf ich dir, lieber Peter Raggl, nochmals alles Gute und vor allem erfolgreiche sechs Monate als Bundesratspräsident wünschen. Dir, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, wünsche ich im Sinne der Länder und im Sinne von uns allen Verhandlungsgeschick und Durchsetzungskraft.

Am Schluss sei mir als Tiroler Bundesrat noch eine Bemerkung erlaubt – ich bin mir sicher, jede Bundesrätin, jeder Bundesrat würde hier heraußen dasselbe über sein Bun­desland sagen; Herr Landeshauptmann, ich glaube, wir sind uns einig –: Es gibt in


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 33

Österreich viele schöne Bundesländer, aber es gibt eines, das besonders schön ist, und das ist das unsere. – Herzlichen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

10.33


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrat Steiner zu Wort gemeldet. Ich bitte um Einhaltung der diesbezüglichen Geschäftsord­nungs­bestimmungen. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Wirst dich entschuldigen?)


10.33.45

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Da gibt es jetzt einiges zu berichtigen, ich beschränke mich aber auf eines: Herr Bundesrat Kolland hat in seiner Rede behauptet, ich hätte das Land Tirol – das muss man sich einmal vorstellen – „in den Dreck“ gezogen. (Widerspruch bei der ÖVP.)

Ich berichtige tatsächlich: Herr Kollege Kolland, ich habe das Bundesland Tirol nicht in den Dreck gezogen. Merkt euch eines: Die ÖVP ist nicht Tirol! Nur weil man die ÖVP kritisiert, heißt das noch lange nicht, dass man irgendetwas, irgendein Land in den Dreck zieht. Ihr seid nicht Tirol, merkt euch das, verdammt noch einmal! (Ruf bei der SPÖ: He!) Und eines noch zum Abschluss: Ich war der Einzige, der hier heraußen die Wahrheit sagte. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

10.34


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses. – Bitte.


10.34.48

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Auch von mir und meiner Fraktion noch einmal alles Gute und viel Erfolg im Rahmen Ihrer Vorsitzführung hier! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sie kennen ja den Bundesrat sehr gut aus Ihrer Zeit als Verteidigungsminister, als Sie aufgrund der Abfangjäger bei uns ja fast Dauergast waren, und angesichts dessen ist mir auch aufgefallen, dass der Stil Ihrer Rede heute ein ganz anderer war als der Ihres Vorgängers van Staa, der hier dem Bundesrat gedroht hat: Wenn ihr mich kritisiert, dann werden wir andere Saiten aufziehen! (Heiterkeit des Landeshauptmannes Platter.)

Das Ganze hat dann in der Antwort eines Tiroler Bundesrates der ÖVP geendet, nämlich des Bundesrates Ager, der herausgegangen ist und gesagt hat: Herr Landeshauptmann, du „hast einmal mein Herz gehabt; du bekommst heute nicht einmal mehr meine Hand!“ – Ein solches Schweigen habe ich im Bundesrat selten mitbekommen, das war aber eine Tatsache, und ich wollte damit nur sagen: Es hat im Verhältnis zwischen Lan­deshauptleuten aus Tirol und dem Bundesrat auch schwierigere Zeiten gegeben. (Heiter­keit bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Himmer: ... anderer Zusammen­hang!)

Unser neuer Präsident hat bei Ihrer Begrüßung gesagt, dass Sie heute auch in der Europakammer des Parlaments zu Gast sind. Ich würde jetzt gerne ein Thema auf­greifen, das im Original nicht auf mich zurückgeht, sondern auf den allseits geschätzten, beliebten ehemaligen EU-Kommissar Franz Fischler. Er hat ja in diesen Tagen das Land Tirol gerügt und sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass Tirol – eine Region, die das ganz besonders notwendig hat: Nordtirol, Südtirol und das Trentino – eigentlich keine aktive Europapolitik mehr macht und dass die Niederlagen, die Tirol in der letzten Zeit einstecken musste, wie zum Beispiel die Wegekostenrichtlinie mit der Eurovignette, die bei der Lkw-Maut keine Kostenwahrheit darstellt und einen Vorteil der Straße gegenüber der Schiene bedeutet, unter anderem auch dadurch zustande kommen, dass das gemeinsame Büro Nordtirol-Südtirol-Trentino seine Aufgabe in Brüssel im Grunde nicht erfüllt.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 34

Fischler hat gesagt: Was es braucht, ist, neue Kanäle zu öffnen, die Kontaktpflege und so weiter und so fort. Die „Tiroler Tageszeitung“ meinte (erheitert), die Tiroler Vertretung in Brüssel sei phlegmatisch. Phlegmatisch können wir aber in der Zeit des wachsenden Transits und der Bekämpfung des Klimawandels nicht sein, und ich hoffe sehr, Herr Landeshauptmann, dass Sie da wiederum zu einer neuen Form des europapolitischen Auftretens Tirols kommen.

Nun zu den Wölfen, die Kollege Steiner angesprochen hat – das Thema ist heute mehrmals angesprochen worden –: Diese gehen nicht so einfach dadurch weg, dass man im Nationalrat irgendwo zustimmt. (Bundesrat Steiner: Na ja, man muss ... ab­schießen!) Da geht es nämlich um die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU, und die steht über nationalem Recht.

Schauen Sie doch einmal nach Frankreich! Die Europäische Kommission ist nicht gewillt, da nachzugeben. Und, Herr Landeshauptmann, in Südtirol hat man Frieden mit den Wölfen geschlossen. Es gibt darüber sogar Dokumentationen und Berichte. (Bundesrat Steiner: Na, na!) – Du kannst dir im Fernsehen – im deutschen zum Beispiel – anschauen, wie Südtirol das macht. (Bundesrat Steiner: Ja, aber das ist weit weg von Südtirol!) Nur à la Silvester Gfrerer den harten Hund zu spielen und mit dem Gewehr durch den Wald zu rennen, wird nicht funktionieren! Das wird nicht funktionieren, und deshalb wird man da mit der Europäischen Union in einen wichtigen Dialog eintreten müssen, ohne zu glauben, dass irgendein nationales Recht diese Richtlinie overrulet. Nein! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Ja sicher! Ja logisch! Ja, was passiert da?)

Kommen wir jetzt noch zur Außenpolitik Tirols zurück. Natürlich, da hat Kollege Steiner ausnahmsweise recht gehabt: Ich würde sagen, Ihr Verhältnis zum bayerischen Ministerpräsidenten ist insgesamt etwas abgenützt, nicht nur durch die Pandemie, sondern auch durch andere Bereiche. (Bundesrat Spanring: Das war nett ausgedrückt!)

Kommen wir zurück: Ich war die letzten Tage in Moldawien und habe dort die Wahl­beobachtungsmission geleitet, und da fing ein CDUler schon wieder mit Ischgl an. Dieser Schaden, den Ischgl für Tirol und für Österreich nach sich gezogen hat, kann weder mit vielen Millionen der Tirol-Werbung noch der Österreich-Werbung wettgemacht werden. Sie haben gesagt: Wir waren früh betroffen! – Ja, aber ihr wart auch früh informiert. Ihr habt die Informationen aus Island negiert! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn das alles so super gelaufen wäre – an dem Chaos hat übrigens der Herr Bun­deskanzler einen ganz aktiven Anteil gehabt –, warum musstet ihr dann einen Unter­suchungs­ausschuss machen? Von diesem Untersuchungsausschuss hätte Europa zu­mindest erwartet, dass Sie personelle Konsequenzen ziehen, Herr Landeshaupt­mann – und nicht später eine chaotische Regierungsumbildung vornehmen –, denn dann wäre damit eine Antwort zum Ausdruck gebracht worden.

Wenn man in deutsche Medien schaut, sieht man – unglaublich! –, dass Abgeordneter Hörl mittlerweile nicht nur in Tirol, sondern auch in Deutschland eine bekannte Größe ist. Es gibt sogar einen Song, der in manchen Sendern rauf- und runtergespielt wird.

Und: Die Kommunikation in der Krise durch den Bezirkshauptmann von Landeck ist medientechnisch ein Komplettversagen. Dass so jemand wiederbestellt wird, ist unver­ständlich! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: ... ÖVP-Freunde!)

Lieber Herr Kolland, wir alle sind sehr glücklich, dass die Biochemie Kundl als einzige Produktionsstätte für Antibiotika in Europa weiter existieren wird (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau!) Das war ein wichtiger Schritt des Landes Tirol und der öster­reichischen Bundesregierung, aber man soll eines nicht vergessen: Da hat die EU kräftig mitgeholfen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ohne Österreich und ohne die Länder


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 35

wäre das nicht gegangen!) Man kann die Hilfe der EU nicht immer wegschieben, sie nicht erwähnen und sagen: Wir haben alles ganz alleine gemacht!, denn das ist nicht der Fall. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: ... nicht funktioniert!)

Seit gestern haben wir auch neue Helden aus Tirol: Ich kenne zwar die Firma nicht, aber der Inhaber des Spenglerbetriebs, der bis zum Verfassungsgerichtshof gegangen ist und recht bekommen hat, kann nur unsere Hochachtung verdienen. Dass außerdem in Lienz ein 13-Jähriger abgeschoben werden und jetzt mit seinem Großvater, bei dem er seit Jahren lebt, in Schubhaft kommen soll – ein 13-Jähriger, wir reden hier von Minder­jährigen! –, ist unfassbar. Ich hoffe, Herr Landeshauptmann, dass Sie sich in dieser Sache einsetzen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Im EU-Ausschuss hatten wir vor wenigen Tagen das Thema Nachhaltigkeit und die Nachhaltigkeitsberichte. Ich möchte jetzt ein Thema aufgreifen, das Tirol betrifft und bei dem ich sage: Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun! Herr Landeshauptmann, Sie lassen das Land mit Chalets überziehen, überall entstehen Chalets. Das ist ein Flächen­verbrauch, das ist gegen die Ortsbildpflege, das ist gegen das Landschaftsbild, das ist alles in allem ein null nachhaltiges Tourismuskonzept. Dass da Häuser für Wohlhabende, Betuchte entstehen und verkauft werden, hat mit Nachhaltigkeit in keiner Weise irgend­etwas zu tun.

Ich hoffe, Sie stoppen diesen Unfug – ich weiß nicht, wie viele Chaletdörfer es mittler­weile in Tirol schon gibt, aber es werden schon sechs, sieben, acht sein –, dass sich dort irgendjemand Häuser kauft, dass Flächen dafür verwendet werden und dass das wie die Faust aufs Auge für die Ortschaften ist. Da geht es eigentlich um nichts anderes als Geldmachen. Dadurch entstehen langfristig keine Arbeitsplätze im Tourismus, dadurch entsteht gar nichts, außer dass es enorm stört und hässlich ist.

Ich glaube, im Sinne der Nachhaltigkeit wäre es gut, wenn die Tiroler Politiker über ihre Chaletpolitik noch einmal nachdenken. Ich höre, dass es ja auch in anderen Bundes­ländern der Fall ist. Hier könnte Tirol aber als positives Beispiel vorangehen und sagen: Wir denken darüber nach. – Ich glaube, das wäre wirklich kein falscher Weg.

In diesem Sinne, Herr Landeshauptmann, hoffe ich, Sie finden zu einer aktiven Euro­papolitik dieser Region zurück – Sie haben ja mit Franz Fischler einen wunderbaren Kämpfer an der Seite –, denn ich glaube, das ist notwendig. (Zwischenruf bei der ÖVP.) In diesem Sinne noch einmal alles Gute und danke, dass Sie sich anders präsentiert haben als Ihr Vorgänger van Staa. (Beifall bei der SPÖ.)


10.46

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Schilchegger. Ich erteile dieses.


10.46.19

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Herr Landeshauptmann! Sie waren ja nicht immer schon Landeshauptmann, sondern haben bereits zuvor hohe und höchste Ämter in unserer Republik bekleidet. Sie waren zwischen 2003 und 2007 Verteidigungsminister, im Anschluss daran noch eineinhalb Jahre Innenminister. Im Rückblick, glaube ich, kann man – das ist jetzt schon mehr als 13 Jahre her – eine Bilanz ziehen, was denn von Ihrer Politik in dieser damaligen Zeit auf Bundesebene geblieben ist, denn genau mit diesen Problemen, die Sie und Ihre Amtsnachfolger von der ÖVP uns hinterlassen haben, müssen wir uns im politischen Alltag im Bundesrat auch heute noch befassen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

Ich kann mich noch gut erinnern – ich glaube, es muss im Jahr 2006 oder 2007 gewe­sen sein, da war ich als Milizmann gerade jung ausgemusterter EF-Wachtmeister im


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 36

österreichischen Bundesheer –, als Sie damals bei irgendeiner Veranstaltung des österreichischen Bundesheeres in Salzburg davon gesprochen haben, dass die Miliz ein unverzichtbarer Bestandteil des österreichischen Bundesheeres ist und bleibt. Sie haben sich also als Freund der Miliz präsentiert, als Sie über die Heeresreform gesprochen haben. Was ist aber tatsächlich geschehen? – Sie haben die Milizübungen nach dem Grundwehrdienst abgeschafft und ein damals sehr bewährtes System ohne Notwendig­keit zerschlagen.

Jetzt muss man aber wissen – wenn man selbst nicht so mit den inneren Vorgängen des Bundesheeres vertraut ist –, dass Übungen für die Einsatzfähigkeit eines Heeres, einer Militärorganisation natürlich etwas ganz Entscheidendes sind, um sozusagen die Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Es würde keinem Land der Welt einfallen, ein Milizsystem einzurichten, in dem man Soldaten zur Einsatzfähigkeit ausbildet, sie dann nach einem sehr kurzen Grundwehrdienst von sechs Monaten wieder heimschickt und anschließend gar nicht mehr verwendet. Ihnen ist das entgegen dem Rat aller Experten eingefallen.

Heute sucht man im Bundesheer – das kann ich auch noch berichten – händeringend Freiwillige für die Miliz und wäre froh, wenn man beim alten System geblieben wäre, wie es auch in der Verfassung verankert ist, nämlich einen relativ kurzen Grundwehrdienst vorzusehen und dann kurze, aber eben regelmäßige Miliz- und Truppenübungen in wiederkehrenden Abständen durchzuführen.

Sie haben es also geschafft, das Bundesheer mit allen Nachteilen eines reinen Berufs- und Kaderheeres und zugleich mit allen Nachteilen eines Wehrpflichtigen- und Miliz­heeres zu belasten, ohne zugleich die Vorteile, die theoretisch aus einer dieser beiden Heeresorganisationen zu erzielen wären, zu nutzen. Das haben Sie geschafft.

Sie haben weiters als Landesverteidigungsminister Kasernen und Heeresliegenschaften sonder Zahl und wiederum ohne Not weit unter Marktwert, weit unter den Planzahlen, die damals kursiert sind, verkauft, ohne dass der Verkaufserlös nachhaltig dem Bun­desheer zugutegekommen wäre und ohne dass das zu einer Steigerung der Einsatz­fähigkeit geführt hätte.

Sie haben natürlich, als Sie über diese Heeresreformen gesprochen haben, immer wieder wortreich eine Stärkung der Truppe und eine ausreichende finanzielle Ausstat­tung versprochen. Dieses Versprechen haben Sie nie eingelöst. Sie wissen, das Heeres­budget ist in Richtung 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Österreich gesunken. Nur zum Vergleich: Andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union geben im Durch­schnitt das Doppelte aus – im Durchschnitt. Allein das winzige Luxemburg schafft es, Österreich bei den Heeresausgaben mit einer winzigen Polizeitruppe noch zu unter­bieten. Das muss man einmal schaffen.

Jetzt können Sie natürlich sagen: Na ja, was soll ich machen? Als Landesver­teidi­gungsminister kann ich ja über das Budget nicht selbst entscheiden!

Ja, das ist schon richtig, aber bitte: Sie sind ÖVP-Verteidigungsminister einer ÖVP-geführten Bundesregierung mit einem ÖVP-Finanzminister gewesen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Es geht jetzt aber um die Zukunft! Es geht um Tirol!) Da ist es doch wohl nicht zu viel verlangt, dass man sich einmal hinsetzt und verhandelt, überzeugt. Man hat ja die Expertenpapiere gehabt, die ganz klar und evidenzbasiert aufzeigen, wo denn die Finanzierungsnotwendigkeiten des Bundesheeres bestehen, warum sie bestehen. Sich dann hinzustellen und zu sagen: Na ja, gut, ich habe es eigentlich nicht einmal probiert, es gibt halt nicht mehr Geld!, das ist einfach schwach. Sie aber sind politisch dafür belohnt worden, ganz klar, und konnten Ihre politische Karriere weiter fortsetzen. Sie sind also als Verteidigungsminister insofern nicht im Einsatz für das österreichische Bundesheer erfolgreich gewesen, sondern darin, eine desaströse organisatorische und


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 37

finanzielle Schwächung unseres Heeres herbeizuführen, die bis heute nachwirkt, und Sie waren erfolgreich darin, das auch noch als positive Heeresreform zu verkaufen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Landeshauptmann, als Innenminister sind Sie sich in Wahrheit treu geblieben, wenn man so will: Sie haben eine Law-and-Order-Rhetorik gelebt. Ich habe mir da ein paar Zitate von Ihnen herausgeschrieben und mir manchmal gedacht, das könnte auch von Karl Nehammer oder Sebastian Kurz stammen. Das ist eine typische ÖVP-Rhetorik. Sie sprachen etwa davon, dass es mit Ihnen „keine Aufweichung des Fremdenrechts geben“ werde und dass Asylwerber nach dem Dublinsystem  „schnellstmöglich in jene Länder rücküberstellt“ werden, die in der Europäischen Union für das Asylverfahren zuständig sind, also die EU-Außenstaaten. Sie würden mit einem neuen Asylgerichtshof sicher­stellen, dass ein Asylverfahren bis zum Abschluss der letzten Instanz nicht mehr länger als ein Jahr dauert, und natürlich seien Abschiebungen zu vollziehen. (Bundesrätin Zwazl: ... einzige Thema!)

Nichts von alldem ist Realität geworden, meine Damen und Herren! Denken Sie zurück! Auf welches Asylsystem sind wir denn beispielsweise im Jahr 2015 getroffen? – Das war das Asylsystem, das Sie und Ihre Amtsnachfolger so gezimmert haben.

Was ist also wirklich im Rechtsbestand des Fremdenrechts geblieben? – Na ja, das Bleiberecht für abgelehnte Asylwerber. Das geht auf Ihren Kriterienkatalog zurück. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Sie haben also einen neuen Aufent­haltstitel und damit einen neuen Pullfaktor für Österreich geschaffen, der maßgeblich mitverantwortlich dafür war und auch weiterhin ist, dass für Asylwerber und deren Rechtsvertreter natürlich ein enormer Anreiz besteht, Asylverfahren weiterhin auf öster­reichischem Boden anzustreben, diese in Österreich über Jahre hinweg in die Länge zu ziehen, dabei auch höchstgerichtliche Entscheidungen nicht zu akzeptieren, sondern sich einer drohenden Abschiebung so lange faktisch zu entziehen, bis am Ende die dauernde Aufenthaltsberechtigung in Form des humanitären Bleiberechts erteilt werden kann.

Das Dublinsystem der Zurückweisung von Asylanträgen haben Sie, wie gesagt, ver­sprochen, Rückführungen an die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen wurden aber nie ernsthaft implementiert. Das ist alles ineffektiv geblieben. Ebenso haben Sie Asyl­verfahren nie beschleunigt, und das Bleiberecht ist uns, wie gesagt, geblieben.

Herr Landeshauptmann, ich will jetzt aber nicht nur Sie an den Pranger stellen – das ist nicht mein Anliegen –, Sie sind ja damit nicht allein, sondern stehen mit dieser Bilanz beispielhaft für die Politik der Österreichischen Volkspartei – seit Jahren und Jahrzehn­ten. Sie sind seit über vier Jahren nun auch auf Bundesebene vom Wähler mit der gesamten Regierungsmacht ausgestattet, die man sich nur wünschen kann – auf Ebene des Bundes, auf Ebene zahlreicher Länder, auf Ebene der Gemeinden. Zwei Drittel aller Bürgermeister kommen von der Österreichischen Volkspartei. (Bundesrat Kornhäusl: Da werden wir uns nicht entschuldigen dafür!) Die tatsächliche Umsetzung Ihrer Ver­antwortung, Ihrer Law-and-Order-Rhetorik ist gar nicht so wichtig. Oft fällt es nicht einmal auf, wenn Sie in der Sache das genaue Gegenteil von dem tun, was Sie versprechen. Sie können den Menschen versprechen, die Tiere und die Menschen vor dem Wolf zu schützen, und in Wahrheit dafür sorgen, den Wolf vor den Menschen zu schützen. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese ÖVP-Tradition, meine Damen und Herren, dem Wähler nach dem Mund zu reden, sichere Grenzen zu versprechen, Abschiebungen zu versprechen, in Wahrheit aber die eigene Regierungsmacht dafür zu nutzen, im Innenministerium die Treiber der illegalen Einwanderung zu stärken und im Verteidigungsministerium das österreichische Bun­desheer zu schwächen (Bundesrätin Zwazl: Oje!), diese ÖVP-Politik setzen natürlich auch


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 38

Ihre Amtsnachfolger Tanner und Nehammer unter Bundeskanzler Sebastian Kurz wie selbstverständlich fort. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Für etwas anderes stand die ÖVP schon vor 13 Jahren nie, und für etwas anderes steht die ÖVP auch heute nicht. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

10.54


Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Günther Platter, ich bedanke mich noch einmal im Namen des Bundesrates für deinen Besuch und für die Erklärung hier im Hohen Haus. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf Bundesministerin Leonore Gewessler bei uns im Bundesrat begrüßen. – Ein herzliches Grüß Gott! (Allgemeiner Beifall.)

10.55.13Aktuelle Stunde


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Unser Kampf gegen das Artensterben – schützen wir die Vielfalt unserer Natur und unsere Lebensgrundlagen“

mit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, die ich noch einmal herzlich willkommen heißen darf. (Beifall des den Saal betretenden Bundesrates Schreuder.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgen wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend ein Rede­beitrag des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Adi Gross. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidial­konferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


10.56.26

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Wir haben heute für die Aktuelle Stunde ein Thema gewählt, das in der öffentlichen Debatte meiner Meinung nach etwas zu kurz kommt, weil es eigentlich für das Leben hier auf dem Planeten wirklich fundamentale Bedeutung hat.

Biodiversität ist ein etwas abstrakter Begriff, viele können damit vielleicht noch nicht wirklich etwas anfangen.

Worum geht es bei der Biodiversität? – Man könnte es kurz formulieren – das ist immer noch ziemlich abstrakt –: Es geht um den Erhalt der Vielfalt der Arten und Lebensräume unserer Natur, denn genau diese Vielfalt macht die Natur nämlich aus. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 39

Die Vielfalt schafft die Qualität der Ökosysteme. Erst die Vielfalt macht sie resilient und überlebensfähig. Diversität ist nämlich schlichtweg das Funktionsprinzip der Natur – nicht Monokultur, sondern Diversität. Auch das finde ich wichtig: Vielfalt ist auch Schön­heit. Wer mit offenen Augen durch die Natur geht, weiß das.

Biodiversität ist auch kein Nebeneinander von Arten, sondern ein lebendiges Netzwerk. Die Vielfalt der Arten und eben deren Zusammenspiel sind eine Grundlage des Lebens und daher ein Wert an sich. Das Leben der Biosphäre muss auch in dieser Vernetztheit betrachtet werden. Da dies eine solche Grundlage für das Leben ist, hat jede Art quasi ein Recht auf Lebensraum, einfach nur weil sie da ist.

Der Mensch erhebt sich meiner Meinung nach leider allzu sehr über alles andere Leben, dabei haben wir Verantwortung, die Vielfalt zu erhalten und nicht zu zerstören. Die Leistungen der Biosphäre, die wir als Menschen nutzen, sind enorm. Einen großen Teil davon kennen wir noch nicht einmal. Die Vielfalt der Natur sorgt für reines Trinkwasser, für die Bestäubung der Nutzpflanzen, für saubere Luft, für die Fruchtbarkeit der Böden. Sie ist ein unerschöpflicher Quell für medizinische Grundstoffe, und nicht zuletzt liefert sie umfänglich Materialien, die wir brauchen und die die verarbeitende Industrie benötigt.

Leider sind aber viele Entwicklungen alarmierend. Der globale Artenschwund in den letzten Jahrzehnten ist schlichtweg dramatisch. Tatsächlich – das bestätigt die Wissen­schaft – erleben wir gerade das größte Massensterben seit dem Aussterben der Dino­saurier – und das in enormer Geschwindigkeit. Die Vielfalt der Arten, die auf oder natürlich auch in der Erde sowie im Meer leben, nimmt in allen Regionen der Welt in einem nie dagewesenen Tempo ab.

Besonders dramatisch – das war auch in den Medien – ist bei uns der Rückgang der Insekten. Insekten genießen nicht wahnsinnig viel Sympathie, aber sie sind extrem wichtig. Sie sind wichtig, weil sie wiederum eine Nahrungsquelle für größere Tiere wie Vögel, Fledermäuse, Reptilien, Amphibien oder Fische sind. Und wie das Beispiel der Insekten zeigt, bringt der Verlust an Biodiversität, der Verlust einer Art eine Kaskade des Aussterbens mit sich. Der Verlust einer Art kann also fatal den Verlust vieler anderer Arten, wie man es am Beispiel der Insekten sieht, nach sich ziehen.

Die Industriestaaten sind in einem hohen Ausmaß nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern auch für den Artenverlust in anderen Ländern. Man denke zum Beispiel nur an den Rohstoffabbau, die internationale Intensivlandwirtschaft, den Anbau beispielsweise von Soja für Tierfutter dort, wo zuvor Urwälder standen.

Nicht zu trennen ist die Biodiversität von der Menschheitsaufgabe Klimaschutz. Viele Studien zeigen, dass durch die Erhitzung das Artensterben massiv beschleunigt wird, also ist ein intensiver Klimaschutz notwendig, um Biodiversität zu sichern. Andererseits leisten der Erhalt und die Verbesserung der Biodiversität und der Ökosysteme einen entscheidenden Beitrag dazu, der Klimakrise entgegenzuwirken. Durch die Wieder­her­stellung von Wäldern, Böden, Feuchtgebieten, Mooren zum Beispiel, auch durch die Änderung des Verhaltens und der Verbrauchermuster – ich erinnere zum Beispiel an den exzessiven Fleischkonsum – können die Belastungen der Biodiversität und damit auch die Belastungen des Klimas reduziert werden.

Wie sieht es in Österreich aus? – Wir haben in Österreich 68 000 Arten, davon rund 45 000 Tierarten. Es gibt – ich gebe zu, das habe ich vorher auch nicht gewusst – 600 Tier- und 150 Pflanzenarten in Österreich, die nur bei uns vorkommen, und das sind zum Beispiel auch Arten, für die wir ganz besondere Verantwortung haben, weil es diese sonst nirgends gibt.

Leider ist die Gefährdungssituation in Österreich auch nicht viel besser oder sehr ähnlich jener in anderen europäischen Ländern. Die Rote Liste der gefährdeten Arten ist auch


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 40

bei uns lang, zum Beispiel stehen 40 Prozent der heimischen Farn- und Blütenpflanzen und 36 Prozent der Vögel auf diesen Roten Listen. Etwa die Hälfte der 488 in Österreich vorkommenden Biotoptypen ist gefährdet oder stark gefährdet.

Es ist also hoffentlich nicht nur unserer Ansicht nach Zeit, zu handeln, höchste Zeit, gegenzusteuern. Das ist auch möglich – das ist die gute Botschaft. Viele negative Entwicklungen – es sei denn, Arten sind bereits ausgestorben, da gibt es kein Zurück mehr – können umgedreht werden, Systeme können sich erholen, wenn entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

Gerade gestern wurde dazu der Entwurf einer österreichischen Biodiver­sitäts­strate­gie 2030, die übrigens in einem langen partizipativen Prozess erarbeitet wurde – dazu wird die Frau Ministerin sicher etwas sagen –, an die österreichische Biodiversitäts­kommission übergeben und durchläuft damit jetzt die nächsten Prozessschritte, Ver­handlungsschritte.

Wichtige Zielsetzungen in diesem Papier sind zum Beispiel: Es soll etwa ein Drittel der gefährdeten heimischen Arten und Lebensräume wieder in einen guten Zustand gebracht werden, wenigstens bis 2030. Man kann jetzt sagen, dass das noch zu wenig ambitioniert ist, aber auch schon das wird eine große Herausforderung sein.

30 Prozent der Fläche Österreichs sollen auf die eine oder andere Art unter Schutz gestellt werden. Das ist ganz wichtig, damit Lebensräume für Tiere und Pflanzen ge­sichert werden und damit eine Vernetzung zwischen den Lebensräumen stattfinden kann. Auch das ist für die Biodiversität ganz essenziell, weil natürlich viele Tiere wan­dern.

Hauptursache für den Verlust der Biodiversität ist der Flächenverbrauch, deshalb ist eine massive Reduktion desselben wichtig. Der Bodenverbrauch soll von derzeit – man glaubt es ja fast nicht – 13 Hektar pro Tag – 13 Hektar pro Tag! – bis 2030 auf 2,5 Hektar reduziert werden; das steht im Regierungsprogramm. Das ist schon sehr massiv, und das verlangt natürlich entsprechende Maßnahmen.

Offensichtlich ist, dass Biodiversität nicht allein Naturschutzaufgabe ist. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt, den wir erkennen müssen. Vielmehr müssen alle Sektoren un­serer Wirtschaft und der Gesellschaft ihre Beiträge dazu leisten und das als gemeinsame Aufgabe verstehen.

Wir setzen mit der Biodiversitätsstrategie einen wichtigen Rahmen dafür und hoffen, dass sie mit der nötigen Ambition auch zu einem breit getragenen Beschluss führt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.05


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich erteile ihr dieses.


11.05.24

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen, aber vor allem werte Zuse­herinnen und Zuseher! Wenn ich an das Artensterben denke, kommen mir im Kopf immer gleich Bilder von Eisbären, Tigern oder Korallenriffen. Dass dieses Artensterben aber direkt vor der eigenen Haustüre stattfindet, ist den wenigsten bewusst.

Ich denke dabei an das Edelweiß, das eine Seltenheit bei einer Wanderung geworden ist, an die Eschen, die durch einen besonderen Pilz bedroht sind, oder an das Rebhuhn, das in vielen Regionen Österreichs einfach nicht mehr aufzufinden ist. Die Liste der be­drohten Tier- und Pflanzenarten kann man wahrscheinlich lange weiterführen. Gleichzeitig


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 41

ist Österreich eines der artenreichsten Länder Mitteleuropas, wie es mein Vorredner auch schon gesagt hat, und die unterschiedlichsten Vereinigungen haben bereits seit vielen Jahren das Ziel, gegen den Klimawandel und dessen Folgewirkungen wie auch gegen das Artensterben vorzugehen.

So hat die UNO bereits 2015 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung festgesetzt, und 2019 hat die EU-Kommission mit dem Green Deal ein ambitioniertes Programm fest­gelegt. Als Vertragspartei des Übereinkommens für die biologische Vielfalt der Vereinten Nationen hat sich auch Österreich dazu verpflichtet, die biologische Vielfalt zu schützen, ihre Komponenten nachhaltig zu nutzen und Verantwortung für den Erhalt der globalen Biodiversität zu übernehmen. Wir nehmen da wirklich auch weltweit eine Vorreiterrolle ein, wenn es um die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen geht. Laut dem aktuellen Sustainable Development Report liegen wir da an sechster Stelle von allen 193 UN-Mitgliedstaaten. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

In unserem Regierungsprogramm hat sich die Bundesregierung klar zu ihrer Verant­wortung für den Erhalt der Biodiversität ausgesprochen. So machen wir auch heute zum Beispiel mit der Novelle des EAG einen wichtigen Schritt hin zur erneuerbaren Energie und setzen somit einen großen Schritt zum Schutz der Umwelt.

Mit der Biodiversitätsstrategie 2030 soll durch Einbindung verschiedener Experten und Akteure ein Maßnahmenpaket mit konkreten Zielen formuliert werden. Schade dabei ist nur, dass die Akteure der Land- und Forstwirtschaft erst nach Bekanntgabe des 100 Sei­ten starken Strategieentwurfes miteinbezogen wurden.

Ich habe mir die Fläche Österreichs angesehen und schnell gemerkt, dass die Land- und Forstwirtschaft in Österreich mit über 70 Prozent der Staatsfläche einen ganz wichtigen Stellenwert für die Artenvielfalt einnimmt. Eines ist klar: Durch die Bewirtschaftung der Flächen ist sichergestellt, dass die Artenvielfalt in unserem Land auch erhalten bleibt. Ich selbst bin Weinbäuerin in Wien. Seit mehr als zehn Generationen führen wir in Wien einen Betrieb, und mittlerweile sind die Weingärten in Wien sogar im Biosphärenpark Wienerwald inkludiert, weshalb sie vor Verbauung geschützt sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Ja, Wien ist leiwand! – Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.)

Ich denke, ich spreche für alle Bäuerinnen und Bauern: Wir schauen darauf, wie wir mit unserer Umwelt umgehen. Wenn wir zum Beispiel eine Neuanlage Wein aussetzen, denke ich nicht daran, wie ich im nächsten Jahr bereits den bestmöglichen Ertrag erwirtschaften kann – das ist auch gar nicht möglich –, sondern ich denke darüber nach, wie auch die nächste Generation in denselben Lagen wirtschaften und noch immer Wein anbauen kann. Diese Denkweise lässt sich auch auf andere agrarische Bereiche umlegen. Es sind gerade die kleinstrukturierten Familienbetriebe, die sich dafür ein­setzen, die Natur nicht auszubeuten, sondern im Einklang mit der Natur zu wirtschaften.

Unsere Umwelt ist für die Bäuerinnen und Bauern die Lebens- und Überlebens­grund­lage, und die Bauern sind es, die die Umwelt- und Klimaveränderungen am schnellsten spüren – von der Dürre zum Starkregen, vom Spätfrost bis zum Hagel, der Bauer bekommt die Veränderungen einfach direkt mit. Man hört darüber immer wieder aus den Medien, ob das jetzt über die Marillenblüte ist, die wieder abgefroren ist und deren Früchte sich nicht entwickeln können, oder erst neuestens über die Ereignisse mit Hagel und Sturm von Oberösterreich bis Niederösterreich, wo wir Ernteverluste bis zu 100 Prozent hatten.

Es ist also auch die Land- und Forstwirtschaft gefragt, für die Zukunft vorzusorgen. Die nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, die zahlreiche freiwillige Naturschutzleistungen seitens der heimischen Landbewirtschafter beinhaltet, leistet einen wesentlichen Beitrag


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 42

zur Erhaltung von wertvollen biologischen Artenvielfalten. Eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft ist also Teil der Lösung und nicht das Problem.

So gibt es auch in diesem Bereich einen Plan für die Landwirtschaft mit konkreten Stra­tegien und Zielen, der bis 2030 verfolgt wird, wie etwa die Verbesserung der Biodiversität in der Kulturlandschaft durch nachhaltige und integrative Nutzungskonzepte und durch keine weitere großflächige Außernutzungsstellung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen – bestehende versiegelte Flächen sollen genutzt werden, anstatt weiter täglich frische Flächen zu versiegeln – oder die Unterstützung der landwirtschaftlichen Betriebe bei der Errichtung, Gestaltung und Erhaltung von extensiv genutzten Blühflächen und biodiversitätsfördernden Landschaftselementen wie Brachen, Hecken oder Teichen.

Doch nicht nur die Bäuerinnen und Bauern sind vom Klimawandel betroffen, viele Berufs­gruppen und Arbeitsplätze sind indirekt oder direkt von der Natur und der Landschaft abhängig, zum Beispiel der Tourismus, die Raumplanung, die Landschaftspflege, der Naturschutz, die Pharmazie oder die Forschung. Mittlerweile ist die gesamte Bevölke­rung hinsichtlich des Klimawandels sensibilisiert. Unter diesem Wandel der Umwelt leiden nicht nur die Menschen – in unserer Form, wie wir leben und wirtschaften –, sondern alle unterschiedlichen Lebewesen, egal ob Mensch, ob Tier, ob Pflanze.

Eine besonders starke Gruppierung, die sich für die Umweltthemen einsetzt, ist die Fridays-for-Future-Bewegung, die weltweit auf die Veränderungen der Umwelt hinge­wiesen hat. Es kann wirklich jeder Einzelne etwas tun. Unsere Gärten und Balkone sind hervorragende Rückzugsorte für Insekten und Tiere. So sind etwa Laubhaufen ideale Verstecke für Igel und Schlangen, und jeder Quadratmeter Blühwiese ist ein Nah­rungsparadies für Insekten, wie Schmetterlinge oder Bienen.

Deswegen denke ich – das möchte ich nun zusammenfassend sagen –, es ist wichtig, dass wir da alle gemeinsam an einem Strang ziehen, unserer Umwelt zuliebe. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schererbauer.)

11.12


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


11.12.54

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen, Kollegen und Zuseher zu Hause vor den Bild­schirmen! Ich habe mir „Kampf gegen das Artensterben“ aufgeschrieben – es ist schon viel gesagt worden. Wenn man das Ganze betrachtet: Es hat Millionen von Jahren gedauert, bis die biologische Vielfalt an Arten von Tieren und Pflanzen auf unserem Planeten so entstanden ist, wie wir sie heute vorfinden, und diese beeindruckende Bio­diversität ist eigentlich der wahre Reichtum unseres Planeten. Ich glaube, ich als Bürger­meister einer Nationalparkgemeinde in den Hohen Tauern, Mallnitz, kann beurteilen, wie das Thema Biodiversität behandelt wird.

Man muss natürlich dazusagen, dass im Laufe der Jahrmillionen in dieser Evolution viele Arten wieder verschwunden sind und dass es natürlich auch bei normalen Prozessen ein massives Massensterben gab, ausgelöst durch gewaltige Naturkatastrophen. Ein solches Massensterben scheint auch jetzt wieder voll im Gang zu sein. Der Unterschied ist jedoch das rasante Tempo, mit dem es geschieht, und vor allem die Ursache, die nicht in Katastrophen begründet ist, sondern vor allem in uns, dem Menschen, der dafür verantwortlich ist.

In der Gegenwart sterben hundertmal mehr Arten, als bei einer natürlichen evolu­tions­bedingten Rate zu erwarten wären. Es verschwinden – das wurde auch schon gesagt – pro Tag etwa 150 Arten für immer vom Planeten. Noch nie, seit Menschen auf der Erde


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 43

existieren, befand sich die Natur in einem derart schlechten Zustand wie heute. Das Artensterben ist neben der Klimakrise wohl die größte Bedrohung weltweit. Auf der aktuellen Roten Liste erfasst die Weltnaturschutzunion IUCN nun fast 37 500 Tier- und Pflanzenarten als bedroht – das sind mehr als je zuvor.

Ich glaube – und vielleicht ist das auch ein Anstoß für die Frau Bundesministerin –, es braucht einen wirklich funktionierenden Masterplan für die nächsten Jahre, langfristig gesehen. Ich glaube aber auch, dass es einen kurzfristigen Plan braucht, der unter Umständen jährlich evaluiert wird, wo Ergebnisse veröffentlicht und eventuell auch Sanktionen für die Zukunft verhängt werden. Österreich könnte da eine Vorreiterrolle spielen.

Zu den weltweit wichtigsten Bedrohungsfaktoren für die Artenvielfalt zählen vor allem der Lebensraumverlust und die massive Übernutzung der natürlichen Ressourcen. Dazu kommen noch die Umweltverschmutzung, die Klimakrise und die Verdrängung der heimischen Flora und Fauna durch eingeschleppte Arten. Auf dieser Roten Liste stehen auch Tiere unserer Heimat, wie schon gesagt worden ist.

Es hat aber auch – das muss man der Landwirtschaft auch sagen – die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung seit den Sechzigerjahren einen erheblichen Anteil am Rückgang von Pflanzen- und Tierarten auf Wiesen, Weiden und Äckern. Die Gründe hierfür sind vielfältig, zum Beispiel eine starke Zufuhr von Mineraldüngern und Gülle, Anwendung von Unkrautbekämpfungsmitteln, Herbiziden, eine frühe Mahd, Entwäs­serun­gen von Feuchtwiesen und Umbruch von Grünland. Die Folgen sind artenarmes Intensivgrünland und Äcker, auf denen wilde Pflanzenarten kaum noch zu finden sind. In Kärnten versucht die Frau Landesrätin für Umwelt, Sara Schaar, immer wieder, Blumenwiesen in verschiedenen Gemeinden zu machen und Menschen zu finden, die das in dieser Art und Weise umsetzen.

Auch der Mensch verursacht den Klimawandel und macht der Artenvielfalt zu schaffen – auch der Mensch verursacht das. In Österreich sind vor allem Ökosysteme mit langer Entwicklungsdauer und Lebensräume in den Alpen, also dort, wo ich wohne, oberhalb der Waldgrenze betroffen. Moore und Wälder mit viel Altholz können sich nur langsam an den Klimawandel anpassen. Durch den klimabedingten Anstieg der Waldgrenze im Gebirge wird ein großer Anteil der heutigen Lebensräume verloren gehen.

Tiere und Pflanzen können mit dem raschen Temperatur- und Klimawandel ganz einfach nicht mehr umgehen – man bedenke den Temperaturanstieg, in etwa eineinhalb Grad und unter Umständen in der Zukunft noch mehr. Wir haben in den letzten Jahren in unserer Gegend eine Menge an Unwettern gehabt, und nicht nur in unserer Gegend, weil es einfach so ist, dass diese Streams, die normalerweise durchziehen, stehen bleiben und unter Umständen irrsinnig viel Trockenheit erzeugen, wenn es heiß ist, oder, wenn viel Dampf aufsteigt, gewaltige Regengüsse, sodass dann Muren abgehen – wobei das bei uns dann in höheren Lagen halt Lawinen sind –, und Hunderttausende Kubikmeter Holz – das muss man dazusagen – von uns aus gesehen bis nach Südtirol liegen dann am Boden, das wieder aufgearbeitet werden muss. Wenn durch die Erderwärmung beispielsweise Pflanzen schon früher im Jahr zu blühen beginnen, aber die Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge und so weiter ihren Rhythmus nicht im gleichen Tempo anpassen können, dann finden die aufeinander angewiesenen Lebe­wesen nicht mehr zueinander. Das gebe ich auch zu bedenken.

Es gibt viele Bereiche, in welchen dringender Handlungsbedarf besteht. Natürlich sind die Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakrise ein globales Thema, das ist keine Frage.

Die exzessive Verbauung der Böden – auch das wurde schon genannt –, welche in Österreich erschreckend hoch ist, ist allerdings ein Problem, das auch nur hier gelöst


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 44

werden kann. Wenn wir 100 Quadratmeter wertvollen Boden pro Minute in unserem Land zubetonieren, dann wird irgendetwas passieren, von dem wir nun die ganze Zeit reden.

Etwas ist mir auch aufgefallen – das ist auch öfter genannt worden –, nämlich dass diese Tausenden Althäuser leer stehen. Das vollmundige Bekenntnis zur Reparaturge­sell­schaft in dieser Hinsicht ist ein weiteres Kennzeichen – ja, da müsste man doch schon viel mehr tun! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Der bewusste Umgang mit dem wertvollen Boden muss in jeder Stadt, muss bei uns in den Gemeinden neu überlegt werden und muss in einer sensiblen, nachhaltigen Raum­planung seinen Widerhall finden. Jede Ressource, die wir der Erde entnehmen, sollte eigentlich wieder zurückgeführt werden. Das wäre wünschenswert.

Ich wäre jetzt nicht hier, wenn ich nicht noch einen Satz zu Pestiziden und Glyphosat sagen wollte: Das im Privatbereich nicht mehr zu verwenden, haben wir zwar im Bundes­rat beschlossen, aber in der Landwirtschaft wird es noch immer sehr stark verwendet, und es steht wieder vor der Zulassung in der EU – und die Lobbyisten werden sich dort anstellen, weil es da ja um Milliarden Euro geht. Ich hoffe nur, dass Österreich mit Ihnen, Frau Bundesminister, vielleicht auch mit der Landwirtschaftsministerin dort Gehör findet, sodass das nicht mehr in die Umwelt gebracht wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Schererbauer.)

Die Auswirkung menschlicher Aktivitäten auf ein erträgliches Maß zu begrenzen muss ebenso ein globales Zukunftsprojekt sein. Es braucht aber auch Anstrengungen auf allen Ebenen. Wir müssen die Natur und die Wildnis schützen. Wir müssen dabei sowohl großflächige Naturlandschaften wirkungsvoll schützen, wie dies bei uns im Nationalpark der Fall ist, als auch naturnahe Lebensräume erhalten oder diese wieder schaffen, weg von der industrialisierten Landwirtschaft, weg von der Bauwut – mehr Raum dem Leben, den Arten und der biologischen Vielfalt in unserem Land!

Es werden seit 20 Jahren – und die Frau Bundesministerin wird das wissen – bei uns im Nationalpark jährlich Verbreitungsdaten von Flora und Fauna aus der gesamten Natio­nalparkregion erhoben. Diese Datenbank umfasst jetzt schon 490 000 Datensätze, also man kann sich vorstellen, wie viel da schon erhoben worden ist.

Frau Bundesministerin, Sie haben anlässlich einer Nationalparkratssitzung mit den Ver­tretern der Bundesländer des Nationalparks Hohe Tauern einmal gesagt: „Artenvielfalt ist unsere Lebensversicherung. Sie sichert uns gesunde Lebensmittel und saubere Luft, schützt uns vor Naturgefahren und hilft uns bei der Anpassung an den Klimawandel.“ – Ihr Wort, bitte, in Gottes Ohr!

Nur: Wir werden in Zukunft mehr dazu beitragen müssen, das alles umzusetzen, was wir uns alle vorstellen. Sonst werden wir ein böses Erwachen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.22


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. Ich erteile ihm dieses.


11.22.44

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Ge­schätzte Mitglieder des Bundesrates! „Der Mensch ist die dümmste Spezies! Er verehrt einen unsichtbaren Gott und tötet eine sichtbare Natur, ohne zu wissen, dass diese Natur, die er vernichtet, der unsichtbare Gott ist, den er verehrt.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns mitten im größten Arten­sterben in der Geschichte der Menschheit. Der Bestand wild lebender Arten ist weltweit


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 45

um 40 Prozent zurückgegangen. In Österreich ist fast jede dritte heimische Tier- und Pflanzenart gefährdet. Täglich sterben global 150 Arten aus, mit katastrophalen Folgen für ganze Ökosysteme und schlussendlich auch für den Menschen. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Der Rückgang der Artenvielfalt ist leider Gottes auch bei uns in Österreich erschreckend, und die Klimakrise spielt dabei eine zunehmende Rolle. Für bereits gefährdete Tier- und Pflanzenarten werden sich die Bedingungen durch Wetterextreme, zunehmende Hitze und eingewanderte Arten empfindlich verschlechtern. Etwa die Hälfte unserer Tagfalter ist bedroht, das Rebhuhn gilt in Vorarlberg und Kärnten bereits als ausgestorben, und etwa die Hälfte unserer einheimischen Fischarten, wie zum Beispiel der Huchen, steht auf der Roten Liste.

Österreich ist eines der artenreichsten Länder Mitteleuropas. Fast 3 000 Pflanzenarten und 54 000 Tierarten, davon alleine 40 000 Insektenarten, bevölkern unser Land. Doch die Biodiversität schwindet dramatisch. In 20 Jahren sind beispielsweise 42 Prozent der Brutvögel in der heimischen Kulturlandschaft verloren gegangen. Jede dritte Art steht auf der Roten Liste.

Weltweit sind etwa eine Million Arten vom Aussterben bedroht, wobei die meisten Tier- und Pflanzengruppen betroffen sind. Schuld daran sind keine Vulkanausbrüche oder Asteroideneinschläge, sondern schuld ist der Mensch selbst.

Das Insektensterben in unseren Breiten ist in erster Linie synonym mit dem Sterben his­torisch gewachsener Lebensräume in der Kulturlandschaft, vor allem infolge intensiver Landwirtschaft, Flächenfraßes und chemischer Emission. Außerdem schlägt im Hoch­gebirge die globale Erderwärmung gnadenlos zu.

Ja, der Mensch ist nicht nur Verursacher des Artensterbens, sondern er ist auch unmit­telbar davon betroffen. Intakte Ökosysteme sind lebenserhaltend für die menschliche Gesellschaft. Wir leben von Biodiversität, nicht nur in Form von Nahrung und Heiz­material. Die Ökosysteme sind etwa auch die Grundlage von sauberem Trinkwasser und haben auch eine Erholungsfunktion. Diese Ökosystemdienstleistungen sind ursächlich mit der Erhaltung der Biodiversität verbunden. Biologische Vielfalt, das Verschiedensein und die unterschiedlichen Toleranzen der Arten sind nicht etwa eine unbedeutende Spielerei der Natur, sondern Grundlage für alles Leben und sein weiteres Bestehen in der Zukunft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt jedoch auch im Kampf gegen diese Krise sogenannte CO2-Wunderwaffen. Eine davon sind unsere Moore. Obwohl sie nur 3 Prozent unserer Erde bedecken, speichert schon dieser kleine Teil fast 30 Prozent des weltweit im Boden vorhandenen Kohlenstoffs. Sie sind wahre Hotspots der Biodiversität, seltene Tiere und Pflanzen wie der Balkanmoorfrosch oder der fleischfressende Sonnentau kommen nur in Mooren vor.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Moore entwässert, mit schwerwiegenden Folgen: Wenn Moore trocknen, entweicht das gespeicherte CO2.

Seit einigen Jahren gibt es aber Gott sei Dank auch ein großes Umdenken. Rund 15 Pro­zent der heimischen Moore sind heute geschützt und werden im Rahmen von Natur­schutzprojekten revitalisiert. Erfolgreiche Beispiele sind die Karwendelmoore in Tirol oder die Renaturierung des Pürgschachenmoors in der Steiermark, nicht zu vergessen das Ibmer Moor, mit rund 2 000 Hektar die größte zusammenhängende Moorlandschaft Österreichs, und das Tannermoor in meinem Heimatbundesland Oberösterreich.

Revitalisierte Moore können wieder CO2 speichern. Die Erhaltung der Moore kommt also dem Klimaschutz und der Artenvielfalt zugute.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 46

Die Wunderwaffe Nummer eins jedoch sind unsere Wälder. Am Amazonas und am Kongo schreitet die Zerstörung dieser einzigartigen Natur ungebremst voran, und seit längerer Zeit wird auch noch die letzte grüne Lunge Europas zerstört: Ich spreche von den Karpaten mit den letzten Urwäldern unseres Kontinents. Sie werden in der Klimakrise unersetzlich, denn sie speichern unglaubliche 250 Milliarden Tonnen CO2. Dabei ist das, was in den Karpaten auf dem Spiel steht, ein einzigartiges Naturparadies. Dort haben Bären, Luchse und Wölfe ebenso eine Heimat wie viele anderswo längst ausgestorbene Pflanzen.

Während Klimaaktivisten seit längerer Zeit Fahrverbote in Städten fordern oder zum Flugshaming aufrufen, damit der CO2-Ausstoß gesenkt werden könne, absorbiert eine einzige 150 Jahre alte Buche unglaubliche 9 Tonnen CO2. Das ist ungefähr so viel, wie ein Auto auf 56 000 Kilometern Fahrt ausstößt. Doch solche und noch viel ältere Bäume werden rücksichtslos abgeholzt. Die Wunderwelt Wald wird mehr und mehr aus reiner Gier und Rücksichtslosigkeit zerstört.

Jeder umgefallene Baum, jeder Ast und jeder Pilz erfüllt eine Funktion in einem kom­plexen Ökosystem. Die uralten, wuchtigen Bäume sind über Pilznetzwerke miteinander verbunden, kommunizieren und kooperieren, nehmen große Mengen an Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, stabilisieren so unser Klima und bilden in den Karpaten die grüne Lunge Europas. Frau Bundesminister, bitte setzen Sie sich mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür ein, dass diese einzigartige Naturlandschaft auch in Zukunft erhalten bleibt! (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

Was aber können wir, was kann jeder Einzelne von uns dazu beitragen, das Arten­sterben zu stoppen? – Wie wäre es zum Beispiel damit, den eigenen Garten nachhaltig zu gestalten statt als grauen, leblosen, pflegeleichten Garten, wo jede Biene oder jeder Schmetterling beim Darüberfliegen mit Selbstmordgedanken zu kämpfen hat? (Allge­meine Heiterkeit.) Diese Gärten sind nämlich ebenfalls schuld am Artensterben. Wie wäre es mit dem Pflanzen von bienenfreundlichen Sträuchern, von Obstbäumen, dem Anlegen von Blumenwiesen oder Streuobstwiesen und vielem mehr, einer Art Mekka der Artenvielfalt?

Übrigens: In Dänemark sind Landwirte gesetzlich dazu verpflichtet, Feldblumen für die Bienen auf 5 Prozent ihres Landes einzubauen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das halte ich für eine Topidee, das finde ich wirklich lobenswert. (Beifall bei der FPÖ.)

Man kann zum Beispiel auch biologisch oder regional einkaufen. Die moderne Land­wirtschaft setzt oft Pestizide ein, um Unkraut und Schädlinge zu bekämpfen und somit höhere Erträge zu erwirtschaften. Langfristig schadet das jedoch den Erträgen, da auch Nützlinge wie Wildbienen verschwinden und die Bodenfruchtbarkeit abnimmt. Wenn man etwas für mehr Biodiversität tun möchte, sollte man bevorzugt auf Lebensmittel aus ökologischem Anbau setzen und zum Beispiel am Wochen- oder Bauernmarkt regionale Produkte kaufen.

Man sollte auch verstärkt sein eigenes Konsumverhalten hinterfragen und da richtig an­setzen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!) Wir produzieren beispiels­weise jede Menge Plastikmüll, der in die Umwelt gelangt und jedes Jahr Millionen von Meerestieren das Leben kostet. Ob Becher aus Plastik oder andere Konsumgüter, bei jedem Kauf sollte man sich fragen: Brauche ich das wirklich?

Grundsätzlich ist es gar nicht so schwer, etwas gegen das Artensterben zu tun. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, welche Folgen das eigene Verhalten für Tier- und Pflan­zenarten hat und was man selbst ändern kann. Wir alle können und müssen zu einer nachhaltigen Lebensweise unserer globalen Gesellschaft beitragen. Noch ist es nicht zu spät. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

11.31



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 47

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesrat.

Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. – Ich erteile es Ihnen. Auch Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.


11.31.27

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte, ge­schätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vielen Dank, dass wir heute an diesem Ort dieses wichtige Thema diskutieren dürfen! Bundes­rat Gross hat es am Anfang erwähnt: Wir tun das vielleicht viel zu selten. Es gibt allerdings kaum einen besseren Anlass als den nächsten großen Schritt in der Erstellung einer Biodiversitätsstrategie, um sich diesem Thema zu widmen.

Es ist schon erwähnt worden: Österreich ist eines der artenreichsten Länder Mittel­europas. Diese Vielfalt macht unser Land ganz besonders, sie macht es auch schön. Ich glaube, dass viele von uns, wenn sie die Augen schließen und sich Österreich vorstellen, genau dieses Bild vor Augen haben. Es ist ein Bild von einer schönen, von einer intakten, von einer vielfältigen Natur.

Biodiversität ist aber nicht nur Schönheit, Erholung und Lebensqualität, sie macht nicht nur unser Land aus, sondern sie ist auch wirklich unsere Lebensgrundlage. Deswegen ist es so wichtig, dass wir diese Vielfalt schützen und erhalten, denn nur so können wir diese Lebensgrundlage erhalten, und zwar nicht nur für uns, sondern auch für künftige Generationen. Genau deshalb haben wir im Regierungsprogramm den Erhalt der Vielfalt und die Verantwortung für den Erhalt der Vielfalt sehr deutlich und sehr umfangreich festgeschrieben.

Der Verlust der Artenvielfalt und die Klimakrise sind die zwei großen Herausforderungen in der Umweltpolitik. Beide Krisen – auch das ist in der Diskussion schon angeklungen – hängen aber eng zusammen, sowohl was die Ursachen betrifft, als auch in Bezug auf die Auswirkungen und mögliche Lösungen. Gerade im letzten Redebeitrag hat der Herr Bundesrat am Beispiel der Karpaten auf die enorm wichtige Rolle des Waldes verwiesen. Ich kann Ihnen versprechen: Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir auf EU-Ebene eine gute Waldstrategie zustande bringen, die auch dieses Thema mit im Blick hat, weil wir diese Lungen unserer Erde nicht nur im Amazonas, nicht nur in der großen weiten Welt, sondern auch in Europa brauchen.

Warum wir Biodiversität brauchen, ist, glaube ich, in den Reden schon vielfach ange­klungen, deswegen möchte ich es nun in meiner fast ein bisschen abkürzen. Eines möchte ich allerdings noch hervorstreichen: Die Vielfalt der Natur wird für uns auch zunehmend wichtiger, um uns an veränderte Lebensbedingungen anzupassen. Je mehr die Klimakrise Einfluss darauf hat, welche Lebensgrundlage unser Planet uns zur Verfügung stellt, desto wichtiger ist, dass die Biodiversität vielfältig und die genetische Vielfalt in unserem Lebensmittelbereich, in unserem Natur- und Tierbestand groß ist – denn nur wenn wir diese Vielfalt haben, können wir in Krisensituationen anpassungsfähig sein.

Denken wir nur daran: Wenn durch geänderte Rahmenbedingungen auch nur eine Ge­treidesorte ausfällt, müssen wir anpassungsfähig sein und Vielfalt haben, damit wir dies kompensieren können. Deswegen ist diese Vielfalt auf so unterschiedliche Art wichtig für uns: als Überlebensbasis, als Rohstoffbasis, als Basis für Gesundheit und Medizin. Je mehr Artenvielfalt es gibt, desto widerstandsfähiger sind wir, nämlich wir als Men­schen in diesem System.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 48

Leider – das muss man einfach konstatieren – steht es um die Vielfalt in Österreich derzeit nicht besonders gut, auch diesbezüglich sind schon viele Zahlen genannt worden. Laut dem Bericht der EU über den Zustand der Natur von 2020 sind derzeit nur 18 Prozent – 18 Prozent! – der Lebensraumtypen und 14 Prozent der Arten in Öster­reich in einem günstigen Erhaltungszustand. Was mich besonders schreckt, ist, dass der Anteil der bedrohten Arten bei Reptilien und Amphibien beinahe bei 100 Prozent liegt. Es gibt bei Amphibien und Reptilien in Österreich keine Art mehr, die nicht gefährdet ist.

Zu den wesentlichen Faktoren wurde ebenfalls schon einiges gesagt: Lebensraum­ver­lust, Bodenerosion, Flächenversiegelung, Luftverschmutzung, Intensivierung der Land­nutzung, invasive Arten – die Gründe für den Artenverlust sind vielfältig, und genauso vielfältig müssen auch unsere Antworten sein. Deswegen arbeiten wir auch in der neuen Biodiversitätsstrategie 2030 sehr umfangreich und sehr vielfältig an diesem Auftrag zum Schutz und zum Erhalt der Artenvielfalt in Österreich.

Es liegt nun ein Entwurf vor, der unseren Weg zum Schutz unserer Vielfalt beinhaltet. Wir kommen damit auch den europarechtlichen und weltweiten Verpflichtungen nach, auch diese wurden heute schon in einer Rede angesprochen. Bei der Entwicklung der Biodiversitätsstrategie – und nun möchte ich noch auf den Prozess eingehen – sind wir aber wirklich neue Wege gegangen. Es war ein Prozess, der 2019 gestartet wurde, es war ein sehr umfangreicher, längerer Prozess.

Es war mir sehr wichtig, dass dieser Prozess offen, transparent und vor allem auch partizipativ ist, sodass sich wirklich alle einbringen können. Und wir hatten in den letzten eineinhalb Jahren drei Runden an Workshops mit interessierten und inhaltlichen Exper­tinnen und Experten, natürlich auch aus den Interessenvertretungen, selbstverständlich auch aus der Land- und Forstwirtschaft. Wir hatten Runden mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde ein Papier mit Elementen aus Experten- und Expertinnensicht für eine zukünftige Strategie verfasst, das wir einer breiten Konsultation mit fast 2 200 Einzelkommentaren zu diesen Elementen unterzogen haben.

Aus der Fülle dieser Beiträge, aus dem breiten Prozess wurde nun von den Expertinnen und Experten meines Ressorts und des Umweltbundesamts ein erster Entwurf ent­wickelt. Dieser erste Entwurf wurde gestern der Nationalen Biodiversitätskommission vorgestellt und dort erstmals diskutiert. Die Nationale Biodiversitätskommission ist ein Beratungsgremium der Ministerin, sie hat derzeit 42 Mitglieder – von Bundesministerien, die mit den Themen international wie national befasst sind, über die Interessen­ver­tretungen und Sozialpartner bis hin zu den Bundesländern.

Der Herr Präsident hat mich gerade daran erinnert, dass die Zeit drängt. Mein Ziel ist, dass wir die Beratungen noch Ende dieses Jahres abschließen und dem Ministerrat dann eine Biodiversitätsstrategie 2030 für Österreich vorlegen können.

Ganz zentral sind folgende drei Ziele, die mir auch besonders wichtig sind: Eine zentrale Zielsetzung ist es, den Status von 30 Prozent der gefährdeten Arten und Lebensräume bis 2030 zu verbessern. Wir wollen wirklich bei einem Drittel eine Verbesserung erreichen. Dazu sollen Arten- und Lebensraumschutzprojekte umgesetzt werden, Schutzmaßnahmen bei der Bewirtschaftung einbezogen werden und vieles mehr. Wir wollen auch wichtige Lebensräume schützen und ausreichend vernetzen, also auch da den Flächenanteil der Schutzgebiete auf 30 Prozent steigern – er liegt derzeit bei 29 Pro­zent. Nun klingt das nicht sehr viel, es ist aber ein großer Schritt für jeden einzelnen Quadratmeter, Hektar und Quadratkilometer.

Wie auch in der EU-Biodiversitätsstrategie gefordert wollen wir auch für die Diversität und für den Klimaschutz wichtige Flächen wiederherstellen. Auch die Moore und ihre wichtige Funktion – ein großer Schwerpunkt in der Strategie – und der Biolandbau


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 49

wurden diesbezüglich schon genannt. Österreich ist ein Vorzeigeland beim Biolandbau. Dieser beträgt derzeit circa 26 Prozent, da stehen wir gerade. Unser Ziel ist es, dass wir diesen Aufwärtstrend fortsetzen und 2030 bei rund einem Drittel Biolandbau in Öster­reich landen, weil damit auch im Bereich der Biodiversität ein wichtiger Beitrag geleistet wird.

Der erste Entwurf ist in der Kommission diskutiert worden, der Prozess geht nun, wie gesagt, in der Kommission weiter. Wir haben aber einige Maßnahmen schon vorab ge­startet, weil die Zeit drängt, und eine der großen Neuerungen in diesem Bereich, auf die ich mich sehr freue, weil es in Österreich eine Premiere ist, ist, dass wir erstmals eine bundesweite Förderschiene für Biodiversität – in weiterer Folge dann auch zur Um­setzung der Biodiversitätsstrategie – aufgesetzt haben. Das ist eine sehr wichtige Maß­nahme des Regierungsprogramms, die wir damit in Umsetzung gebracht haben. Für das heurige Jahr stehen für den Fonds rund 5 Millionen Euro zur Verfügung. Wir hatten über 200 Einreichungen. Man sieht also, dass das Interesse in der Bevölkerung wirklich enorm ist, dass das Thema angekommen ist, dass der Wille, auch zu einer Lösung beizutragen, sehr groß ist. Das freut mich persönlich wirklich sehr.

Ein Projekt, für das ich Sie auch gerne einlade in Ihre Bundesländer, in Ihre Gemeinden die Kunde hinauszutragen, haben wir auch schon gestartet, nämlich den Grand Prix der Biodiversität. Damit fördern wir Projekte auf Gemeindeebene im Ausmaß von 350 000 Euro. Die Mittel für diesen Fonds werden in den kommenden Jahren massiv erhöht, und zwar um 50 Millionen Euro. Das ist wirklich ein großer Schritt für die Biodiversitätsarbeit in Österreich. Wie gesagt, eine Premiere, die wir in Österreich haben – erstmals Mittel für die Biodiversität nicht nur im Landwirtschaftsbereich und in der Gewässerökologie, sondern als Querschnittsthema außerhalb dieser Bereiche.

Zum Schluss sage auch ich noch einmal: Der Erhalt der Biodiversität ist eine Aufgabe, die uns alle angeht – als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, als Unternehmerinnen und Unternehmer, als Bürgerinnen und Bürger, als Politikerinnen und Politiker. Es ist eine gemeinsame Verantwortung, und die wollen wir auch mit dieser Strategie ge­meinsam wahrnehmen. Da brauchen wir einen Schulterschluss über alle Bereiche, das betrifft alle Sektoren unserer Gesellschaft – vom Tourismus über die Wirtschaft bis zur Landwirtschaft. Da brauchen wir über alle politischen Ebenen von den Gemeinden bis zum Bund einen Schulterschluss.

Da brauchen wir vor allem den Willen, etwas weiterzubringen. Den bringen wir jetzt mit der Biodiversitätsstrategie auf den Weg, aber die heutige Diskussion, der ich gefolgt bin, macht mich sehr zuversichtlich, weil die große Anerkenntnis dessen, dass wir ein Problem haben, und der große Wille, auch zu einer Lösung beizutragen, auch hier im Raum spürbar sind. Deswegen freue ich mich, dass wir die Strategie, wenn sie ab­ge­schlossen ist, auch vorstellen und diskutieren können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.42


Vizepräsident Günther Novak: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Bundesrat Lackner. Ich erteile ihm dieses.


11.43.00

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geschätzte Frau Ministerin, ich möchte, da es ja auch für die Biodiversität eine sehr gute Nachricht ist, diese Gelegenheit nützen und zum Meilenstein EAG gratulieren. Ich habe die Ent­stehung und die Verhandlungen die letzten 15 Monate mitverfolgt, mich in Teilbereichen


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 50

auch ein bisschen mit eingebracht, und es war für mich ein wirklich emotionaler Moment, als die Einigung da war. – Vielen Dank an alle, die da mitgewirkt haben, es waren wirklich sehr viele! Wir verändern unser Land damit nachhaltig, und das macht mich wirklich froh. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Nun zum Thema der Aktuellen Stunde: Stellen Sie sich vor, Sie sollen eine Landschaft malen und Sie haben zwei Malkästen zur Auswahl! Der eine besteht, sagen wir, aus fünf Farben – nehmen wir schwarz, rot, blau, grün und pink –, und Sie haben bei diesem Mal­kasten keine Möglichkeit, die Farben zu mischen. Der zweite Malkasten besteht aus unzähligen Farben in allen Schattierungen und der Möglichkeit, die Farben unter­einander zu mischen. Mit welchem Malkasten würden Sie das Landschaftsbild malen? Mit welchem Malkasten würde ein lebendigeres, ein bunteres Bild entstehen? – Ja, und genau darum geht es: Es geht um die Vielfalt. Das Leben ist Vielfalt, ohne Vielfalt wird es nicht nur eintönig, sondern es gibt auch keine Weiterentwicklung, und ohne Vielfalt sind wir auch viel anfälliger und viel weniger resilient. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

­In der Landwirtschaftskammer und bei einigen Bäuerinnen und Bauern wird der Begriff der Biodiversität oft negativ verstanden, er wird mit Verboten und Einschränkungen in Ver­bin­dung gebracht. Das ist aber der falsche Zugang, oder besser gesagt der falsche Blick­winkel. Bio­diver­sität ist der Topf, aus dem wir schöpfen, ist die Basis, mit der wir arbeiten.

In den letzten Jahrzehnten ist die Biodiversität aus verschiedensten Gründen in Be­dräng­nis gekommen. Die Zahlen sprechen eine ganz klare Sprache, aber auch jeder von uns kann das im Alltag feststellen. Wenn ich daran denke, wie eine Windschutzscheibe bei einer Fahrt in der Dämmerung vor 25 Jahren ausgesehen hat und wie sie heute aus­sieht, dann brauche ich keine Statistiken mehr zu lesen, um die Veränderung zu regis­trieren.

Wir haben jetzt einen Grad an Biodiversitätsverlust erreicht, bei dem es höchst an der Zeit ist, dass wir wirksam und entschlossen gegensteuern, denn wenn wir das jetzt nicht tun, drohen unwiederbringliche Verluste. Die EU-Kommission hat das klar erkannt und ihrerseits eine Biodiversitätsstrategie formuliert, und auch auf nationaler Ebene wird eine Strategie mit ganz klaren Zielen erarbeitet und entwickelt.

Im Bereich der Landwirtschaft möchte ich vor allem folgende Ziele hervorheben: ein Drittel Biolandwirtschaft bis 2030 – schon genannt – und damit eine Festigung der österreichi­schen Vorreiterrolle in diesem Bereich; eine Reduktion der Pestizide um 50 Pro­zent, der Nährstoff­verluste um 50 Prozent und 50 Prozent weniger Mineraldünger – das sind im Übrigen Ziele aus der EU-Strategie, die wir übernehmen –; verstärkter Einsatz von Festmist und Kom­post als Wirtschaftsdünger und die Verankerung geeigneter Frucht­folgemaßnahmen für den präventiven Pflanzenschutz werden ebenso empfohlen; Flächen von seltenen landwirt­schaftlichen Kulturarten um 30 Prozent erhöhen, Streuobst­flächen erhalten und um 10 Pro­zent erhöhen – das heißt, die Förderung für Streuobstbäume wird ausgebaut –; der Anteil von extensivem Grünland ist auf 12 Prozent zu erhöhen und so weiter; weiters geht es um eine verstärkte Förderung von Plenterwaldbewirtschaftung und bodenscho­nende Ernte- und Bringungsmethoden.

Das Erreichen dieser Ziele im Bereich der Land- und Forstwirtschaft wird auch davon abhängen, wie die nationale Ausgestaltung der GAP-Mittel aussehen wird. Für den Bereich der Biolandwirtschaft ist es wichtig, dass Bio eine eigene Maßnahme bleibt und nicht ein Top-up auf die UBB-Maßnahmen wird. Dabei geht es auch um Sichtbarkeit: Bio ist der Goldstandard, und dieser muss als solcher auch klar sichtbar sein. Es freut mich, dass da in den letzten Tagen ein Umdenken begonnen hat und sich nun doch eine Lö­sung abzeichnet, bei der Bio eine eigene Maßnahme im Öpul sein wird.

Insgesamt ist die Biodiversitätsstrategie ohne Alternative. Es geht um nicht weniger als um den Ast, auf dem wir alle sitzen. In diesem Sinne sind auch alle Entschei­dungs­trä­gerinnen und Entscheidungsträger aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen und das


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 51

Gesamtinteresse über Einzelinteressen zu stellen. – Danke. (Beifall bei den Grünen so­wie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

11.48


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Johanna Miesenberger. Ich erteile ihr dieses.


11.48.48

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätz­tes Hohes Haus! Um es kurz zusammenzufassen: Acht Millionen Tier- und Pflanzen­arten, zu Land und zu Wasser, gibt es weltweit. Laut Umweltbundesamt gibt es Schät­zun­gen von zweieinhalb bis zu 30 Millionen Arten weltweit, und davon sind nur 1,7 Millionen wissenschaftlich erfasst. Die Schöpfung ist also selbst für uns Menschen kaum begreifbar und erfassbar.

In den Tropen – in den Tropenwäldern – sind 50 bis 70 Prozent der Tier- und Pflan­zen­arten beheimatet, manche Schätzungen ergeben sogar bis zu 90 Prozent. Der Ama­zonasregenwald hat somit nicht nur die Funktion der grünen Lunge inne, sondern ist auch ein Reservat der Artenvielfalt und der Biodiversität.

Über eine immense Artenfülle von Flora und Fauna verfügen auch die Korallenriffe, die nicht umsonst als Regenwald der Meere bezeichnet werden. Der Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen sieht in seinem Bericht von 2019 eine Million Tier- und Pflanzen­arten als gefährdet und vom Aussterben bedroht.

Die Gründe sind schon vielfach angeführt worden – sie sind komplex –, und die Folgen davon sind auch global weitreichend. Durch das Wachstum der Weltbevölkerung seit den Siebzigerjahren um fast 100 Prozent und eine weitere Urbanisierung seit 1992 sind die Städte um 100 Prozent gewachsen. Unser Konsum, unsere Wohlstandsentwicklung und der Ressourcenverbrauch steigen. Der globale Temperaturanstieg und die Klima­veränderung allgemein sind massive Bedrohungen für viele Tier- und Pflanzenarten.

Wie sieht es mit der Artenvielfalt, mit der Biodiversität in Österreich aus? – Mit über 60 000 Tier- und Pflanzenarten ist Österreich nicht gerade mit dem Regenwald ver­gleichbar, dennoch stellt der Sustainable Development Report Österreich ein sehr gutes Zeugnis aus, was die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele betrifft. Österreich liegt beinahe an der Weltspitze und hat sich seit dem letzten Bericht auf Platz sechs der 193 Mit­gliedstaaten der Vereinten Nationen geschoben. Wie schon erwähnt: Im Vergleich zu anderen EU-Ländern ist Österreich ein artenreiches Land und bekannt für seine Arten­vielfalt.

Die Land- und Forstwirtschaft in Österreich, die Bäuerinnen und Bauern, die heute schon einige Male erwähnt worden sind, die das Land in Österreich bewirtschaften, sind einer der Faktoren für eine große Biodiversität. Die bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich sind sehr kleinstrukturiert, auch aufgrund von natürlichen Bewirtschaftungsnachteilen. Sie müssen sich vom globalen Markt abheben. Um überhaupt überleben zu können, liegt für viele Betriebe eine Chance in der Diversifizierung, in der Ökologisierung und eben in dieser Vielfalt. Durch die nachhaltige Bewirtschaftung sind die Lebensräume für Flora und Fauna, für Pflanzen und Tiere, wie wir sie kennen und schätzen, erst entstanden. Genau diese Lebensräume würde es ohne Landwirtschaft nicht geben.

In der Gemeinsamen Agrarpolitik hat Österreich eine Vorbildfunktion. Wir sind führend bei Umwelt- und Biodiversitätsprogrammen, und das nicht erst seit einigen Jahren. 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe, der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind bei Umweltprogrammen dabei. Sie haben besondere Auflagen im Bereich der Fruchtfolge,


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 52

der Begrünung, der Artenvielfalt. 7 Prozent werden als Biodiversitätsflächen und Natur­schutzflächen bewirtschaftet, und 26 Prozent der Betriebe werden biologisch bewirt­schaftet.

Eben weil wir diesen anderen erfolgreichen Weg gehen – weil die österreichische Agrar­politik mit Anreizen und nicht mit Verboten arbeitet –, ist sie erfolgreich. Wichtig ist: Die freiwilligen Leistungen und der Beitrag der Bäuerinnen und Bauern zum Umweltschutz dürfen nicht selbstverständlich sein. Sie bedeuten einen Mehraufwand, der am Ende nicht für Schleuderpreise und Lebensmittelaktionen gemacht werden kann, sondern von der gesamten Volkswirtschaft geschätzt und auch abgegolten werden muss. Die öster­reichischen Bäuerinnen und Bauern gehen mit dem Biodiversitäts- und Klimapro­gramm 2030 in die Offensive: Ja, wir sind betroffen, aber wir sind nicht das Problem, sondern wir sind Teil der Lösung.

Geschätzte Frau Bundesministerin, eine nationale Biodiversitätsstrategie muss im brei­ten Dialog und Konsens aller Beteiligten ausgearbeitet und umgesetzt werden. Eine nachhaltige und vielfältige Landwirtschaft und somit Biodiversität in Österreich entsteht vor allem durch Bewirtschaftung und nicht allein durch Stilllegung oder Außernutzen­stellung. Was haben wir davon, wenn wir die Landwirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes in Schönheit sterben lassen, Familien auf ihren Höfen zum Aufgeben zwingen und klimaschädliche Billigimporte auf unseren Tellern landen?

Kämpfen wir nicht gegen das Artensterben, denn in einem Kampf gibt es immer Verlierer! Artenschutz und Naturschutz brauchen Hausverstand. Ziele und Maßnahmen dürfen durchaus ambitioniert sein, aber sie müssen realistisch bleiben. Ja, eine gesunde Biodiversität und Artenvielfalt sind die Basis unserer Volkswirtschaft. Sie bedeutet Lebensgrundlage, Lebensmittelsicherheit und Lebensqualität für alle Menschen.

Dieser Schutz der Lebensgrundlagen ist eben nicht nur Aufgabe der Land- und Forst­wirtschaft, er ist Auftrag aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche, vom Kleingarten bis zur Industrie – auch dort können wir wirksame Maßnahmen für die Biodiversität setzen. (Vizepräsident Novak gibt das Glockenzeichen.) Wir müssen auch unser Konsum­verhalten ändern. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wir müssen möglicherweise unsere Lebensweise ändern und vielleicht auch auf manche Dinge verzichten. Es ist auf jeden Fall eine gemeinsame Verantwortung.

Abschließend möchte ich sagen: Wir sind in Österreich sicher auf einem guten Weg, und wir müssen diesen gemeinsam konsequent weitergehen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.55


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr dieses.


11.56.04

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Präsi­dium! Werte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Mein Redekonzept kann ich jetzt ad acta legen. Es wurde vieles bereits gesagt, und ich glaube, es bringt auch nicht wirklich etwas, wenn ich jetzt noch einmal die Ergebnisse des Weltbiodiversitätsberichtes 2019 präsentiere. In Wahrheit brauchen wir alle nur die Augen und Ohren aufzumachen, denn es brummt nicht mehr, es summt nicht mehr, es fliegen keine Schmetterlinge mehr, und wenn man auf der Decke in der Wiese liegt, wird man nicht von Heuschrecken überfallen. Wir alle wissen: Die Biodiversität, die Artenvielfalt, sie gehen zurück.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 53

Biodiversität beinhaltet ja mehr als nur Artenvielfalt. Biodiversität beinhaltet drei Grup­pen: die genetische Vielfalt, die Artenvielfalt und die Vielfalt der Lebensräume. Wenn wir über Biodiversität reden, dann meinen wir in der Regel die Vielfalt der Arten. Wir dürfen dabei aber eines nicht vergessen: Auch wir Menschen sind eine Art, nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir hier davon reden, Arten vor dem Aussterben zu bewahren, dann sollten wir daran denken, dass wir auch uns selbst vor dem Aussterben bewahren müssen, und darum geht es letztlich – alle oder keiner, das ist einfach so!

Wir haben heute auch schon sehr viel darüber gehört – in der Theorie und in schönen Worten –, was Biodiversität beinhaltet. Wir haben von Fröschen, von Vögeln, von vielem gehört. Letztlich aber müssen wir über eines reden: Was tun wir? Was tun wir jetzt, und was tun wir so schnell wie möglich? Wenn ich „wir“ sage, dann ist der Einzelne gemeint, dann ist aber natürlich auch die Politik gemeint, und wenn Sie, Frau Minister, sagen, Sie sind sehr zuversichtlich: Ich bin es nicht. Denn bei diesem Thema wissen wir alle ganz genau – da brauchen wir uns nicht in die Tasche zu lügen –: Es geht um einen Kampf, wie es vorhin gesagt wurde, zwischen wirtschaftlichen Interessen, landwirtschaftlichen Interessen und Naturschutzinteressen. Wir alle wissen das. Es geht letztlich darum, dass wir einen Weg finden, wie Wirtschaft und Natur konstruktiv zusammenfinden können. Das muss gehen und das geht, sonst werden wir es nämlich nicht überleben. (Beifall bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Es geht auch nicht darum, eine Gruppe anzugreifen. Nein, wir brauchen die Land­wirtschaft. Immer mehr Menschen auf dieser Welt brauchen Nahrung. Wir brauchen die Landwirtschaft, wir brauchen die Bauern – natürlich. Sie wollen den Anteil der Bioland­wirtschaft erhöhen. Jetzt habe ich leider die Zeitschrift „Kommunal“ auf meinem Platz liegen lassen, aber in dieser Zeitschrift sagt Landwirtschaftskammerpräsident Moosbrugger, dass er leider kritisieren muss, dass die österreichische Landwirtschaft überökologisiert ist. – Wie geht das zusammen? (Zwischenruf des Bundesrates Gfrerer.) Da müsst ihr euch zusammenfinden. Da muss das grüne Ministerium einfach seine Interessen durch­setzen. Es wird nicht anders gehen.

Es kommt letztlich auch darauf an, dass Maßnahmen, die wir treffen, leistbar sein müssen, dass sie finanzierbar sind, dass sie sozial verträglich gestaltet sind. Wir wissen, dass wir aus der fossilen Energie heraus müssen, dass wir den CO2-Ausstoß reduzieren müssen. In Niederösterreich und auch im Rest von Österreich gibt es Förderungen dafür. Diese sind aber zu wenig, wenn man kein Einkommen hat –gerade jetzt in dieser Krise. Ich sage es wieder: Wenn ich 55 Prozent Nettoersatzrate habe, werde ich nicht meine Heizung zu einer Pelletheizung umbauen können. Das geht nicht! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es ist auch notwendig, den Flächenverbrauch zu stoppen, es ist notwendig, Altbestand zu sanieren, und es ist notwendig, das nicht den Gemeinden umzuhängen, denn diese können es sich nicht leisten. Es wird die notwendigen Förderprogramme brauchen. Die Gemeinden können nicht alles stemmen, und wir können nicht immer mehr zubauen.

Wir brauchen die Landwirtschaft! Niemand greift hier die Bauern an, wir wissen aber, dass Düngemitteleinsatz den Boden schädigt. Wir wissen, dass wir damit den Lebens­raum für viele Arten gefährden. Wir diskutieren in den Ausschüssen noch immer über das Verbot von Glyphosat, das ja angeblich gar nicht schädlich ist. Dann lese ich aber eine Studie von - -


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Entschuldigung, Frau Kollegin, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.


Bundesrätin Andrea Kahofer (fortsetzend): - - konventionellen Nudelprodukten in zwölf Glyphosat nachgewiesen wird. Das ist der Artenvielfalt bestimmt nicht zuträglich. Ich erinnere noch einmal daran, dass auch der Mensch eine Art ist.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 54

Wir brauchen nicht nur den Regenwald, wir brauchen nicht nur die europäischen Wälder, wir brauchen alle Wälder. Ich bin froh, wenn Sie sich auf EU-Ebene für die Erhaltung der Wälder einsetzen. Es macht mich aber schon nachdenklich und stimmt mich etwas kritisch, wenn zugleich Landwirtschaftsministerin Köstinger schon vorher bekannt gibt, dass sie sich dagegenstellen wird. So werden wir nicht weiterkommen! Wir werden auch nicht mit schönen Worten weiterkommen, sondern wir werden nur mit Handeln weiter­kommen!

Kollege Schreuder hat vorhin gesagt, es ist gut, dass wir in der Pandemie Leben gerettet haben. Auch bei diesem Thema geht es darum, Leben zu retten. Auch da müssen wir damit rechnen, dass es Geld kosten wird – das ist so! Es wird auch Einsatz und Kom­promisse benötigen. Wir müssen das gemeinsam angehen! Ich ersuche Sie und auch das grüne Ministerium wirklich darum. Ein Koalitionskuschelkurs ist dabei nicht gefragt! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

12.03


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


12.03.39

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Mit dem Titel dieser Aktuellen Stunde treffen Sie genau in mein Herz, das seit Kindheitstagen für Tier-, Natur- und auch Umweltschutz schlägt: „Unser Kampf gegen das Artensterben“.

„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“: Der einzige Kampf, den die Grünen in Österreich führen, ist leider nicht jener für den Erhalt der Artenvielfalt von Flora und Fauna, sondern das Einzige, wofür die Grünen derzeit tatsächlich kämpfen, ist der Verbleib der grünen Partei in der Regierung (Beifall bei der FPÖ) – und das um jeden Preis, denn die Grünen wissen, dass nach der nächsten Wahl sie es sind, die zumindest politisch vom Aussterben bedroht sind. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Kampf, den die Grünen seit Jahrzehnten führen, ist der Kampf gegen die Autofahrer. Das war bisher nicht so gefährlich, weil sie keinen echten Schaden anrichten konnten. Jetzt ist es leider so, dass die ÖVP vieles mitträgt und die Grauslichkeiten samt Abzocke gegenüber jenen, die privat und beruflich auf ein Fahrzeug angewiesen sind, unterstützt und leider auch gutheißt.

Zurück zum Titel dieser Aktuellen Stunde: Ich kann gleich anhand eines Beispiels den angeblichen Kampf der Grünen gegen das Artensterben und den tatsächlichen Kampf gegen die Pendler aufzeigen. Der Bezirk Gänserndorf braucht eine ordentliche Anbin­dung und gleichzeitig eine Verkehrsentlastung in Form der S 8. Diese Marchfeld-Schnellstraße kann aber nicht gebaut werden, da dort angeblich ein einzigartiger Vogel brütet, nämlich der Triel. Es brüten angeblich bis zu zwei Trielpärchen im östlichen Marchfeld. Der Triel ist ursprünglich ja gar nicht dort heimisch, sondern hat sich erst durch die künstlich entstandenen Schottergruben, gegen die sich die Grünen auch aussprechen, angesiedelt. Es ist der Triel, der in Südeuropa – zum Beispiel in Italien – nach wie vor bejagt wird und hier zwar seit Ewigkeiten nicht mehr gesichtet, aber angeb­lich gehört wurde. Dieser angebliche Kampf der Grünen gegen das Sterben dieses Vogels ist nur ein Beispiel, wie die Grünen in Wahrheit den Kampf gegen die Autofahrer fortführen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zwei angebliche Trielpärchen sind ihnen wichtig, die Sicherheit und auch die Lebens­qualität Zigtausender Gänserndorfer, die tagtäglich stundenlang im Stau stehen und


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 55

aufgrund von Verkehrslawinen in den Ortschaften ersticken, sind ihnen völlig egal. (Neu­erlicher Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, machen Sie sich eigentlich gar keine Sorgen, dass so ein Triel einmal in ein Windrad fliegt? (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Ich bin offen und ehrlich ein Fan von erneuerbarer Energie. Was, Frau Minister, machen Sie aber zum Schutz von Insekten, Vögeln und Fledermäusen vor den Windrädern? Täglich sterben unzählige dieser Tiere durch die Rotoren der Windräder, die mit bis zu 390 Kilometer pro Stunde am äußeren Ende des Rotorblatts alles häckseln, was vorbeizufliegen versucht. Wo ist da der Kampf gegen das Artensterben, und wo sind da Ihre Initiativen? Wo ist da Ihre Innovation?

Löblich ist zwar, dass Sie sich gegen den Abschuss von Biber und Fischotter aus­sprechen, was Sie dabei allerdings nicht bedenken, ist, dass diese Tiere bei uns keine natürlichen Feinde mehr haben. Diese Tierarten vermehren sich unkontrolliert und haben leider sehr schlechte Angewohnheiten. Wenn sie zu viele werden, richten sie großen Schaden an. Der Biber zum Beispiel bringt Bäche zum Überlaufen und unter­gräbt die Seitenhänge, und die Fischotter, die die Fischteiche heimsuchen, beißen dann im Blutrausch – für die Fischotter ist es im Spiel; die meinen das ja nicht böse! – Hunderte Fische an oder tot und fressen sie aber nicht. Darum ist es eben wichtig, dass der Mensch in manchen Bereichen sehr wohl regulierend eingreifen darf. Das nennt man dann Tierschutz mit Hausverstand, aber davon verstehen Sie leider nur sehr wenig. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Grünen an die Spitze des Verkehrsministeriums zu stellen ist, wie man an meinem Beispiel sieht, ein ganz besonderer Schildbürgerstreich. Da hat man tatsächlich den bekannten Bock zum Gärtner gemacht, oder um es gegendert auszudrücken, damit es auch alle GrünInnen verstehen: Da hat man die Ziege zur Gärtnerin gemacht. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

12.08


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


12.09.04

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Klimakrise, welche sich bereits durch globale Rekordtemperaturen und Hitzewellen manifestiert, bekommt nicht zuletzt aufgrund von Unwetterkatastrophen wie dem Tornado vor einem Monat in Tschechien oder gestern und heute den Überschwemmungen im Westen Deutschlands mittlerweile mehr Aufmerksamkeit.

Gleichzeitig findet aber mit dem Artensterben eine ebenso katastrophale Krise statt, welche unsere Lebensgrundlagen und Ökosysteme bedroht. Das bekommt bestenfalls kaum Aufmerksamkeit oder wird schlimmstenfalls mit einem Schulterzucken quittiert. Dabei hat das, was das „Profil“ vor ein paar Monaten als „Das leise Sterben“ bezeichnet hat, bereits unglaubliche Ausmaße erreicht, und diese Entwicklungen machen auch vor Österreich nicht halt. Seit 1986 ist die Anzahl der heimischen Wildtiere um 70 Prozent zurückgegangen, bei den Insekten ist die Entwicklung ähnlich dramatisch. Dieser Verlust ökologischer Vielfalt ist bald nicht mehr rückgängig zu machen, was wiederum irre­parable Schäden für die österreichische Landwirtschaft, für die Ernährungssicherheit und Naturräume nach sich ziehen wird.

Laut Expertenkonsens gibt es, das gilt vor allem für Österreich, zwei Hauptursachen für das Artensterben. Das sind zum einen Flächenfraß und Naturraumverlust, und da ist Österreich mit über 13 Hektar pro Tag trauriger Europameister. Warum ist das so


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 56

schlecht für die Artenvielfalt? – Lebensräume und Ökosysteme werden durch Verkehrs­flächen und Bodenversiegelung zerschnitten und zerstört, Migrationsrouten von Tieren unterbrochen, Nahrungsquellen, Verstecke und Nistplätze zubetoniert.

Alle Expertinnen und Experten sind sich darüber einig, warum wir diesbezüglich trauriges Schlusslicht in Europa sind: aufgrund der katastrophalen, dezentralisierten und leider auch korruptionsanfälligen Raumordnungs- und Planungspolitik, welche Gemeinden bestenfalls überfordert, im schlechtesten Fall einen umweltschädlichen Wettbewerb auslöst, welcher Bürgermeister für ein wenig mehr Kommunalsteuereinnahmen am meisten zubetonieren kann.

Warum das so bleibt, sehen wir jedes Mal, wenn wir NEOS es im Parlament themati­sieren: Reihenweise melden sich im Nationalrat rote und schwarze Bürgermeister mit Aussagen zu Wort, dass die Widmung bei der Gemeinde am besten aufgehoben ist, dass die Wiener Zentralisten arrogant sind und dass man doch noch ein Haus wird bauen dürfen. Unter dem Strich bleibt eine furchtbare Zersiedelung, welche Naturraum zerstört und das Artensterben weiter vorantreibt, nebenbei landwirtschaftliche Fläche vernichtet und Menschen regelrecht dazu zwingt, auf das Auto angewiesen zu sein.

Der zweite Hauptgrund für das Artensterben – auch da gibt es Expertenkonsens – ist der übermäßige Einsatz von chemisch-synthetischem Pflanzenschutz. Auch da hat Österreich einiges zu tun; denn wenn man den langjährigen Schnitt ansieht, stagnieren wir. Beim integrierten Pflanzenschutz haben wir uns zwar viel vorgenommen, aber in der Praxis wenig umgesetzt.

Auch die teilweise irrational geführte Diskussion um Glyphosat hilft uns nicht weiter, denn wenn einfach nur Mittel A durch Mittel B ersetzt wird, wird damit überhaupt nichts erreicht. Ziel muss der integrierte Pflanzenschutz sein und eine nationale Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, welche Biodiversitätsschutz und Naturschutz vor die Massenproduktion stellt, bei der wir in Österreich aufgrund unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft ohnehin nie konkurrenzfähig sein werden.

Anders als bei der Klimakrise hat der dringende Handlungsbedarf beim Biodiver­sitäts­verlust in der öffentlichen und politischen Diskussion keinen besonderen Stellenwert. Während der Nationalrat im September 2019 mit großer Mehrheit den Klimanotstand ausgerufen hat, fehlt ein derartiges Bekenntnis der Spitzenpolitik zum Schutz der Artenvielfalt. Die Bundesregierung hat sich einiges vorgenommen und beispielsweise mit dem Biodiversitätsfonds auch schon einige lobenswerte Schritte gesetzt, aber in weiteren für den Artenschutz entscheidenden Bereichen –Bodenverbrauch und chemi­scher Pflanzenschutz – ist noch wenig bis gar nichts passiert.

Wie bei der Klimakrise wird die grüne Regierungsbeteiligung daran gemessen werden, was sie da gemacht hat, wenn sie schon bei Menschenrechten, LGBTIQ oder Parla­mentarismus Leermeldungen abgibt. – Danke.

12.13


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank. – Zu einer abschließen­­den Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Ener­gie, Mobilität, Innovation und Technologie zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, nach Möglichkeit die Redezeit von 5 Minuten einzuhalten.


12.14.14

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bun­desrates! Ich werde es ganz kurz machen. In der Debatte ist viel gesagt worden, und ich habe mein letztes Statement damit beendet, dass es mich zuversichtlich macht, dass wir


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 57

hier so einen breiten Konsens darüber haben, dass wir ein Problem haben. Genau das ist die Basis und der Anfangspunkt allen Handelns.

Es ist unser Auftrag, dass wir auch hinschauen, wenn wir ein Problem haben. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass wir im Ranking der Europäischen Umweltagentur ganz, ganz, ganz, ganz unten auf der Liste stehen, was die Biodiversität betrifft. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass Österreich Europameister im Bodenverbrauch ist. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass wir eines der sechs Länder sind, die es bisher nicht geschafft haben, Emissionen zu reduzieren. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass wir auch bei der Biodiversität einen Handlungsauftrag haben.

Das Handeln – wir sind hier im Bundesrat! – ist gerade bei der Biodiversität auf ganz, ganz viele Kompetenzebenen verteilt; die Handlungsmöglichkeiten und die Hebel, die wir haben, sind auf ganz, ganz viele Kompetenzebenen verteilt. Es wird uns nur gelin­gen, wenn jede einzelne Kompetenzebene, von der Gemeinde über die Länder bis zum Bund, die Hebel in Bewegung setzt.

Bodenverbrauch und Widmung: Ich werde im Altlastensanierungsgesetz eine Möglich­keit zur Förderung von Revitalisierung und Recycling von Brachflächen schaffen. Das kann ich machen. Es ist aber in der Hand der Gemeinden und der Länder, auch ihren Beitrag dazu zu leisten. Ich glaube, wir dürfen nie vergessen, dass es nichts hilft, wenn wir sagen: jeweils der andere oder die andere. Wir müssen dieses Thema gemeinsam über alle Ebenen und über alle Sektoren angehen, jeder und jede in seiner und ihrer Verantwortlichkeit, jeder und jede in seiner oder ihrer Rolle.

Selbstverständlich bemühen wir uns bundesseitig, die Unterstützungsmaßnahmen, die es braucht, zur Verfügung zu stellen. Wir haben den Biodiversitätsfonds heute schon diskutiert, ich habe gerade das Altlastensanierungsgesetz, an dem wir arbeiten, erwähnt, und ich möchte noch ein drittes Beispiel nennen: Wir haben den Waldfonds auf den Weg gebracht. Wir haben im Waldfonds erstmals überhaupt in Österreich nennenswerte Mittel zum Schutz der Biodiversität im Wald. Auch das war ein Thema, für das ich mich sehr eingesetzt habe. Also ich glaube, wir sind da auf dem Weg.

Haben wir einen langen Weg vor uns? – Ja. Müssen wir diesen Marathon gemeinsam laufen? – Ja. Das heißt aber, wir müssen jetzt auch alle loslaufen – sonst kommen wir nämlich nicht ins Ziel –, und genau dafür sorgt die Biodiversitätsstrategie. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.16


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

12.17.05Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortungen,

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B‑VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt,

sowie eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Änderung der Vertretung eines Mitgliedes der Bundesregierung

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 928. und 929. Sitzung des Bundesrates gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Ste­nographischen Protokoll angeschlossen wird.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 58

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 928. und 929. Sit­zung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlos­sen wird.

*****

(Schriftliche Mitteilung siehe 928. Sitzung des Bundesrates.)

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Wir haben die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 3 und 4, 5 bis 7, 9 bis 11, 13 bis 16, 19 und 20, 21 bis 23 sowie 24 und 25 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Bevor wir in die Tagesordnung ein­gehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Ge­schäfts­ordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Türkis-Grünes Auto­fahrer­bashing: Straßenbau-Stopp, exorbitante Steuerhöhungen und Abzocke bei Ver­kehrsstrafen“ an die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vorliegt. Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

12.20.101. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – EAG) erlassen wird sowie das Ökostrom­ge­setz 2012, das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010, das Gas­wirtschaftsgesetz 2011, das Energielenkungsgesetz 2012, das Energie-Control-Gesetz, das Bundesgesetz zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastruk­turaufbau für alternative Kraftstoffe, das Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz, das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Lei­tungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken,


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 59

geändert werden (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket – EAG-Paket) (733 d.B. und 982 d.B. sowie 10690/BR d.B. und 10724/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (983 d.B. sowie 10686/BR d.B. und 10725/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um die Berichte.


12.21.07

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen erlassen wird sowie das Ökostromgesetz 2012, das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Energielenkungsgesetz 2012, das Energie-Control-Gesetz, das Bundesgesetz zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastrukturaufbau für alternative Kraftstoffe, das Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz, das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden, zur Kenntnis bringen. Das ist das Erneu­erbaren-Ausbau-Gesetzespaket EAG.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 2 darf ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir begrüßen den neu hinzugekommenen Staatssekretär Dr. Magnus Brunner bei uns. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 60

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile dieses. – Bitte.


12.23.18

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsident! Frau Bundesminister! (Bundesrätin Schumann: -in!) Herr Staatssekretär! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Raus aus den Fossilen und rein in die Erneuerbaren, verantwortungsvoller Umgang mit unserer Umwelt und deren Ressourcen, Ausbau der Energieeffizienz, vollständiger Verzicht auf Kohlekraftwerke und Atomkraft, innovative Energiezukunft und saubere Mobilität – ja, für diese Punkte stehen wir Freiheitlichen. (Bundesrat Schennach: Na dann!)

Ja, diese Punkte standen auch schon im Regierungsprogramm der türkis-blauen Regierung (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), diese Punkte sind auch im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz enthalten, leider fehlen aber wesentliche Inhalte, die bereits unter Türkis-Blau für uns unverrückbar und inhaltlich berücksichtigt waren, was uns eine Zustimmung unmöglich macht. (Beifall bei der FPÖ.)

Einer dieser fehlenden, für uns Freiheitliche unverrückbaren Punkte ist die Nichtge­währ­leistung der Energieversorgungssicherheit. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.) Als Frei­heitliche, als gewählte politische Vertreter stellen wir uns schützend vor die Bevölkerung, um unser wunderschönes Heimatland zu erhalten und zu schützen, den Wirtschafts­standort und damit Arbeitsplätze zu sichern. Damit zeigt sich, dass sich die Türkisen von den Grünen über den sprichwörtlichen Tisch ziehen ließen und damit den Wirtschafts­standort, Arbeitsplätze, den sozialen Wohlstand und die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder gefährden. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist richtig und wichtig, auf den Energieträger Wasserstoff zu bauen und die Integration von erneuerbaren Energien zu unterstützen, das stellt einen wesentlichen Faktor für das Gelingen der Transformation der Energiesysteme dar. Wasserstoff soll die Netzstabilität durch dezentrale Elektrolyseure sowie eine Langfristspeicherung von erneuerbaren Energien unterstützen. Gleichzeitig soll mit einer kosteneffizienten Produktion von Was­ser­stoff der Ersatz von fossilen Energien in der energieintensiven Industrie vorange­trieben werden.

Nicht nachvollziehbar und unverantwortlich ist es, dass nicht gleichzeitig mit dem EAG auch ein neues Regelwerk für Gas vorgelegt wurde. Nicht nur wir Freiheitliche, sondern auch viele Experten sind der Meinung, dass dies dringend notwendig ist, weil die Ener­giewende ohne grünes Gas nicht funktionieren werde. Meines Wissens, Herr Staats­sekretär, wollen auch Sie Gas und Strom in einem Aufwaschen neu regulieren. „Schließ­lich sei alles Energie“, wenn ich Sie zitieren darf, Herr Staatssekretär. Aufgrund dessen, dass Sie mit Ihrem Koalitionspartner der glaubt, Klima zu schützen zulasten der Bevölkerung keine Einigung gefunden haben, gefährden Sie das ganze Projekt.

Auch Sie, Frau Minister, haben am 1.6.2021 grünes Gas als wertvollen Rohstoff bezeichnet, „der vorrangig in der Industrie und im Schwerverkehr zum Einsatz kommen soll“. „Nur ein Viertel des erneuerbaren Gasverbrauchs kann langfristig aus heimischer Produktion abgedeckt werden“, erklärten Sie persönlich bei der Pressekonferenz in Wien. Sie stellten die vom Umweltministerium beauftragte Studie Erneuerbares Gas in Österreich 2040 vor. Experten der Österreichischen Energieagentur, der Johannes-Kepler-Universität Linz und der Montanuniversität Leoben analysierten dabei den Einsatz von grünem Gas aus biogenen Stoffen bis 2040 für Industrie, Güterverkehr sowie Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und Heizwerke. Die Studienergebnisse belegen, dass Österreich im Jahr 2040 lokal nicht genug grünes Gas produzieren wird und rund 69 Milliarden Kilowatt grünes Gas fehlen werden. Daher müsste zur Garantie der


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 61

Versorgungssicherheit der Fokus verstärkt auf den Ausbau der Produktionsmög­lich­keiten von grünem Gas liegen.

Wir Freiheitliche verstehen nicht, dass Sie – in Kenntnis der Fakten diesen Bereich blockieren. Auch die von Ihnen in den Ausschuss entsandte Expertin konnte auf meine Frage, wann denn endlich in dem so wichtigen Bereich Gas ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, keine Antwort geben. Dass eine Servicestelle für erneuerbare Gase eingerichtet und die Finanzierung dieser Servicestelle unter dem Deckmantel Grüngasförderbeitrag mit 40 Millionen Euro dotiert wird, riecht nach: Wir sind alle eine Familie  mit Grün­anstrich, ohne notwendige Auswirkungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun möchte ich noch Stellung dazu nehmen, dass wir von Türkis-Grün immer wieder getrommelt  2030 in Österreich nur noch Strom aus erneuerbarer Energie haben werden, national bilanziell, denn der Strom wird im Winter nach wie vor aus Kohle­kraftwerken oder Atomkraftwerken oder sonst wo herkommen. Diesen zweiten Halbsatz sollten Sie erwähnen, um der interessierten Bevölkerung die Wahrheit zu sagen. Auf der einen Seite wollen Sie bis 2030 eine Verdoppelung der Kleinwasserkraftwerke vor­nehmen, andererseits waren die Grünen in Graz aber dagegen, das Murkraftwerk aus­zubauen oder überhaupt ein neues zu errichten. Interessant wird sein, wie in Zukunft dieses Doppelspiel der Grünen weitergeht. Interessant wäre auch zu wissen, wie sich die einstmalige Baumankettungsbewegung hinsichtlich des für mich nach wie vor vorrangigen Ausbaus der Wasserkraftwerke verhalten würde, wenn zur notwendigen Versorgungsstabilität und zur Erreichung der EU-Klimaziele unbedingt ein Marchfeld­kraftwerk notwendig wäre, was es meiner Meinung nach ist. Außerdem denke man an die zeitliche Komponente, was die Verfahrensdauer betrifft, um diese Anzahl von Klein­wasserkraftwerken umsetzen zu können.

Um die Nutzung der Windkraft zu verdoppeln, wäre der Bau von zusätzlich 1 200 Wind­rädern bis 2030 notwendig. Das bedeutet, wenn man das auf die nächsten neun Jahre hochrechnet, dass jeden dritten Tag ein neues Windkraftrad aufgestellt werden müsste. All das sind Schritte, die wirtschaftlich so nicht umsetzbar sind, und das wissen Sie. Deswegen bleiben Sie bei Ihren Worthülsen und kommen mit keinen konkreten Zahlen und Vorschlägen.

Der nächste Punkt, das Eine-Million-Dächer-Fotovoltaik-Programm: Für mich ist das ein Schritt in die richtige Richtung, es ist aber anzumerken, dass es keine Differenzierung in diesem Bereich gibt, wie man das geografisch überhaupt anlegt. Natürlich ist es auch ein Unterschied, ob man die Anlagen im Süden von Österreich baut, wo es mehr Sonnenstunden gibt als im Norden, oder im nordöstlichen oder westlichen Teil. Antworten auf all diese Fragen sind Sie schuldig geblieben.

Ein wesentlicher Faktor ist natürlich auch unsere Kulturlandschaft. Was bedeutet das für unsere Landschaft, für unseren Naturschutz, für unseren Tourismus, wenn zwischen den Windparks lauter Fotovoltaikanlagen stehen? Sie versiegeln die grüne Wiese und bauen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen Fotovoltaikanlagen. Ein wesentlicher Punkt, den man in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnen muss, ist dabei natürlich auch die Flächenversiegelung. Täglich müssen damit zusätzlich 12 Hektar versiegelt werden. Das widerspricht, wenn ich Sie erinnern darf, Ihrem Ziel im Regierungsprogramm, da steht nämlich etwas von maximal 2,5 Hektar.

Ein wesentlicher Faktor für uns als soziale Heimatpartei muss auch noch angesprochen werden: Wer bezahlt diese sogenannte Energiewende? Im Endeffekt bezahlt sie der Bürger. Unter dem Titel Marktprämie wird der Bürger von der türkis-grünen Einsperr- und Belastungsregierung mit insgesamt 1 Milliarde Euro pro Jahr belastet. Dass es zusätzlich Green Jobs geben wird, ist lobend zu erwähnen, aber da drei Viertel der


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 62

Windräder und Fotovoltaikpaneele in China produziert werden, werden es keine zusätz­lichen 100 000 sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn aber die Versorgungssicherheit zusammenbricht und, damit verbunden, der Wirt­schafts­standort Österreich gefährdet wird, sind gleich ums Vielfache mehr Arbeitsplätze gefährdet.

Die 27 Terawattstunden – damit man es sich ein bisschen vorstellen kann, das ist un­gefähr die Strommenge, die Wien in drei Jahren benötigt –, die durch die neuen Rahmen­bedingungen des neuen EAG geschaffen werden sollen, setzen sich wie folgt zu­sammen: 11 Terawattstunden aus der Fotovoltaik, 10 Terawattstunden aus der Windkraft, 5 Terawattstunden aus der bewährten Wasserkraft und 1 Terawattstunde aus den Bereichen biogene Energieträger, Biomasse und Biogas.

Um diesen Strom auch transportieren zu können, benötigt man eine erhebliche An­passung der heimischen Stromnetzinfrastruktur, die aber auch nicht geregelt ist. Es ist im Zuge der Anpassung auch zu überlegen, ob die bereits auf niedrigen Netzebenen gelebte Verlegung von Netzkabeln auch für Hochspannungsleitungen umzusetzen wäre.

Wir Freiheitliche stehen für Energie-, Klima- und Umweltpolitik mit Hausverstand und können diesem Gesetz aufgrund der genannten fehlenden Punkte und der Unzahl an Verordnungsermächtigungen für die Energieministerin – in der Regel im Einvernehmen mit der ÖVP – keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

12.32


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile es ihm. – Bitte.


12.32.56

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Gratuliere übrigens. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Lieber Herr Staatssekretär! Gestern hat die EU-Kommissionspräsidentin das ambitionierte Programm Fit for 55 präsentiert, einen Meilenstein in der europäischen Klima- und Energiepolitik, und mit dem EAG, das heute vorliegt, machen wir einen riesengroßen Schritt genau für diese Fitness.

Ich freue mich auch persönlich sehr darüber, dass ich heute hier stehen und das EAG vorstellen kann. Über ein Jahr haben wir nun wirklich sehr intensiv daran gearbeitet, auch kontrovers, keine Frage, aber heute ist das Ergebnis da. Wiewohl man mir das nicht ansieht, bin ich schon ein paar Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, aktiv im Klimaschutz tätig. Ich war zum Beispiel vor circa 20 Jahren als Ländervertreter bei der Entwicklung des ersten österreichischen Ökostromgesetzes mit dabei und habe in meinen Funk­tionen das Auf und Ab der vielen letzten Jahre sehr nahe miterlebt. Was wir heute mit diesem EAG beschließen, ist aber eine neue Dimension, wenn nicht eine Revolution der österreichischen Energiepolitik.

Das gab es noch nie, ganz bestimmt, nicht annähernd. Wir hatten noch nie ein so klares Ziel. Wir hatten noch nie dieses Ausmaß an Planbarkeit. Wir haben mit dem Ziel 100 Prozent Ökostrom bis 2030 nicht nur ein Gesamtziel festgelegt, sondern konkrete Ausbauziele für jede Technologie. Übrigens, Herr Kollege Bernard: Das 100-Prozent-Ziel fand sich zugegebenermaßen schon im NEKP der vorigen Regierung. Insofern finde ich es spannend, dass Sie das jetzt ablehnen.

Wir haben weiter mit jährlichen Mindestmengen verbindliche Ausbaupfade von der Fotovoltaik über die Windenergie, die Wasserkraft bis hin zu Biogas und Biomasse. In Summe sind das zusätzliche 27 Terawattstunden oder 27 Milliarden Kilowattstunden.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 63

Eine entsprechende Zunahme des Stromverbrauchs, von der wir ausgehen, ist da schon eingerechnet.

Das sind sehr abstrakte Werte. Deswegen möchte ich das ein bisschen übersetzen und ein Bild geben, damit wir ein Gefühl für die Dimension bekommen: Die gesamte Stromabgabe aus dem öffentlichen Netz an die Verbraucher in Österreich betrug 2019 66 Terawattstunden. Demgegenüber ist das jetzt ein Ökostromzubau von 40 Prozent der gesamten Netzabgabe, und das in zehn Jahren. Oder noch einmal ein anderes Bild: Mit den 27 Terawattstunden könnte man 7,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgen, nämlich in zehn Jahren, zusätzlich.

Allein die Fotovoltaik soll im Ausmaß von 11 Terawattstunden ausgebaut werden. Das ist ungefähr das Siebenfache des gesamten Bestandes heute. Auch das ein bisschen übersetzt: Täglich müssten, um dieses Ziel zu erreichen, umgerechnet 200 Anlagen mit je 15 kW installiert werden, 365 Tage im Jahr. Das ist schon eine Herausforderung und zeigt, wie ambitioniert dieses Programm ist.

Auch die Wasserkraft wird großzügig ausgebaut, nämlich mit 5 Terawattstunden zusätz­lich. Das ist wahrscheinlich so ziemlich alles, was noch ökologisch vertretbar machbar ist in Österreich. Genau deswegen, weil wir schon einen großen Ausbaugrad haben, ist der Ausbau der Wasserkraft auch mit Kriterien der ökologischen Verträglichkeit ver­knüpft. So wird es keine Förderung für Anlagen in sehr guten Gewässern geben. Ich erinnere an die vorige Debatte zur Biodiversität. Es wird keine Förderung geben, wenn Schutzgüter der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie verschlechtert werden würden. Es wird hingegen eine ganz besonders attraktive Förderung für die Revitalisierung bestehender Anlagen geben, um den Druck der Neuanlagen etwas wegzunehmen.

Alle bekommen jetzt fix 20 Jahre lang Unterstützung – und nicht mehr 13 Jahre oder 15 Jahre. Wir haben Regelungen für Nachfolgetarife bis zum 30. Betriebsjahr für be­stehende Anlagen – das ist ein ganz wichtiger Punkt –, um den vielen, die jetzt schon investiert haben, Sicherheit zu geben. Wir haben, apropos Sicherheit, eine gesicherte Finanzierung von 1 Milliarde Euro pro Jahr, wohlgemerkt unabhängig vom Budget, in einem eigenen Finanzierungsmechanismus.

Wir haben eine Reihe von Ansätzen für innovative Lösungen. Ich möchte nur zwei Beispiele aus dem Bereich Fotovoltaik herausgreifen: Um das Ausbauziel zu erreichen, werden wir viele Dächer brauchen, aber es wird nicht reichen, wir werden auch Frei­flächen benötigen. Was wir aber nicht wollen, ist, dass ein zu hoher Druck auf wertvolle landwirtschaftliche Flächen entsteht. Deswegen wird es eine eigene Kategorie der Fotovoltaik geben, eine sogenannte Agri-PV.

Es sind Lösungen, die landwirtschaftliche und energetische Nutzungen kombinieren. Mit minimalstem Flächenverbrauch können dabei Fotovoltaikanlagen errichtet werden und gleichzeitig die Landwirtschaft weiter betrieben werden. In vielen Fällen – das zeigen Studien von deutschen Fachhochschulen – sind damit sogar größere landwirtschaftliche Erträge verbunden. Da sehen wir ein riesiges Potenzial. Ziel ist, dass das zur Stan­dardlösung wird. Das wird auch belohnt. Diese Anlagen erhalten eine wesentlich höhere Förderung als klassische Freiflächenanlagen.

Es soll Zuschläge von bis zu 30 Prozent für besonders innovative Konzepte geben. Da denken wir zum Beispiel an die Nutzung von versiegelten Flächen wie etwa die Überspannung von Parkplätzen. Alleine das sind Hunderte von Quadratkilometern, die man doppelt nutzen könnte.

Wir schaffen wesentlich mehr Transparenz für die Anlagenerrichter. Wir haben vor allem – das ist ganz wichtig, klingt aber technisch – einen transparenten Netzzugang mit fixen Tarifen geschaffen. Es war immer wieder Grund für Streitereien und Debatten mit


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 64

den Netzbetreibern, dass oft nicht transparent war, wieso es zu welchen Kosten kommt, damit man sich ans Netz anschließen kann.

Entgegen den Behauptungen des Kollegen Bernard öffnen wir die Tür sehr weit für die Erzeugung von erneuerbarem Gas, nämlich mit einem sehr, sehr ambitionierten Ziel: 5 Terawattstunden bis 2030, übrigens mit entsprechender Finanzierung dazu und Unterstützungsvolumina. Es ist eine ziemliche Challenge, das in zehn Jahren zu schaffen.

Wir nehmen sehr viel Geld in die Hand, um die Wasserstoffproduktion aus Rückstrom voranzutreiben, vor allem mit Blick auf die Industrie, um deren künftige Energie­versor­gung und damit die Arbeitsplätze zu sichern.

Ein wichtiger Punkt: Wir ermöglichen sehr großzügig erneuerbare Energiegemein­schaf­ten. Das heißt, künftig können sich BürgerInnen, kleine Betriebe, mittlere Betriebe, Ge­mein­den, Landwirte und so weiter fast beliebig zusammenschließen, um Strom, ganz egal mit welcher Technologie, selber zu produzieren und zu verbrauchen. Die Netz­betreiber sind verpflichtet, dies zu unterstützen, die Messungen durchzuführen, die Daten kostenfrei zurückzuspielen. Das hat unserer Meinung nach riesiges Potenzial, da wächst ein neuer Player am Markt mit einer vermutlich riesigen Dynamik – stellen Sie sich vor, es gibt in ein paar Jahren 100 000 Energiegemeinschaften, die die Stromver­sorgung selber in die Hand nehmen –, und das ist gleichzeitig auch eine sehr starke Demokratisierung der Stromversorgung. Es wird auch Bürgerenergiegemeinschaften geben. Sie können sich zum Beispiel zusammenschließen, völlig frei, irgendwo in Öster­reich eine gemeinsame PV-Anlage errichten und sich den Strom nach Hause schicken lassen.

Ein wichtiger Eckpfeiler in diesem Paket ist die soziale Gerechtigkeit. So gibt es umfangreiche Befreiungen von den Ökostromförderbeiträgen für einkommensschwache Haushalte. All jene, die GIS-befreiungsberechtigt sind – sie müssen das gar nicht ge­macht haben, es reicht, wenn sie berechtigt sind –, können sich komplett befreien lassen. Das betrifft 300 000 Haushalte. Für weitere 200 000 Haushalte wurde eine jähr­liche Beitragsgrenze von 75 Euro eingezogen – pro Haushalt, nicht pro Person. Das sind dann noch gerade einmal 20 Cent pro Tag und Haushalt.

Das wird alles Wirkung zeigen. Alleine mit diesem Ökostromprogramm lösen wir Inves­titionen von 30 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren aus. Damit können, wie Wirtschaftswissenschafter vorrechnen, 100 000 Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden. Das ist eine nie dagewesene Jobmaschine.

Und quasi fast schon zum Drüberstreuen wird mit der Umweltförderungs­gesetzes­novelle, die heute auch zur Beschlussfassung vorliegt, der Ausbau der Fernwärme, der wichtigen Fernwärme, massiv vorangetrieben: 100 Millionen Euro – einmalig – für den Abbau der in den letzten Jahren unter anderen Regierungen gebildeten Warteschlange und dann garantiert noch einmal 30 Millionen Euro pro Jahr für den laufenden Ausbau; also in Summe 400 Millionen Euro für die Fernwärme.

Ich könnte noch weitere Details aus dem auch textlich sehr umfangreichen Paket er­zählen, möchte aber schon noch eine Anmerkung zur Energieversorgungssicherheit machen: Also ich weiß nicht, haben Sie es nicht gelesen, Herr Kollege? – In dieser Ge­setzesvorlage ist verankert, dass eben genau solch eine Energieversorgungsstrategie zu erstellen ist. Im Übrigen ist es so, dass der Ausbau erneuerbarer Energieträger die Versorgungssicherheit verbessert und stärkt, anstatt das Setzen auf Importe oder sehr, sehr große einzelne Anlagen. Also auch das ist quasi ganz automatisch Strategie für die Sicherheit und die Leistbarkeit selbstverständlich.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 65

Wir haben mit dem EAG einen Rahmen geschaffen, um in nicht mehr als knapp zehn Jahren die Stromversorgung vollständig auf Erneuerbare umzustellen, ohne Klimagifte in die Luft zu blasen sauberen und leistbaren Strom für alle anzubieten. Jetzt sind vor allem die Länder und Gemeinden gefordert – ja, das ist so – und natürlich viele, viele BürgerInnen und Investoren, die jetzt auch etwas dazu beitragen sollen. Den Ländern und Gemeinden wird es vor allem obliegen, die Genehmigungsverfahren entsprechend abzuwickeln, Widmungen für Fotovoltaik, für Wind und so weiter herbeizuführen. Da ist viel zu tun, keine Frage, aber denken Sie daran, unser Job hier war es, einmal den gesetzlichen Rahmen dafür zu schaffen.

Ich möchte mich noch bei allen, die mitgewirkt haben, bedanken. Das sind sehr viele Beamtinnen, Beamte, Leute im Kabinett und so weiter, in der Koalition, und ich möchte mich auch bei der SPÖ bedanken, dass sie die nötige Zweidrittelmehrheit ermöglicht und sich in die Verhandlungen sehr aktiv eingebracht hat, wodurch, das gebe ich auch gerne zu, tatsächlich noch eine Reihe von Verbesserungen entstanden ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.44


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger. Ich erteile ihr dieses.


12.44.53

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich besonders, dass wir heute das EAG auf unserer Tagesordnung haben; besonders deshalb, weil ich mich seit vielen Jahren neben der Landwirtschaft mit den erneuerbaren Energien befasse. Ich erinnere mich: Als ich vor über zehn Jahren mein erstes Kleinwasserkraftwerk und eine 120-kW-Foto­voltaikanlage gebaut habe, wurde ich noch von vielen belächelt. Ich wollte aber einfach meine Ressourcen nutzen – die Dächer für die Fotovoltaik, das Wasser für die Was­serkraft und die Biomasse für die Wärmeerzeugung.

Als Landwirtin lernt man von klein auf, langfristig, nachhaltig und in Zusammenhängen zu denken. Somit nutzen wir das Holz, aber wir pflanzen auch Bäume für die nächste Generation. Wir sind auch immer allen Wetterkapriolen ausgeliefert – denken wir an die Unwetter in Oberösterreich – und wir verstehen, warum Klimaschutz unbedingt nötig ist. Umso mehr freut es mich, dass wir heute eines der größten Energiepakete, die es je gegeben hat, beschließen dürfen.

Die Stromversorgung Österreichs soll damit bis 2030 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energie umgestellt werden. Das bedeutet eine Erhöhung der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien um 27 Terawattstunden – ein ambitioniertes Ziel. Wir sind damit auch die Ersten in Europa, die auf fossilen Strom und Atomstrom verzichten wollen. Wir haben aber auch eine sehr gute Basis dafür in Österreich. Wir haben Wind, wir haben Wasser, wir haben Sonne und wir haben nachwachsende Rohstoffe. Wir werden alle Technologien brauchen, es wird auch nicht in jeder Region alles möglich sein, aber gerade ein guter und sinnvoller Mix wird es möglich machen, diese Ziele zu erreichen.

Das EAG ist aber nicht nur ein Strompaket, sondern auch ein Wasserstoffpaket. Circa 400 Millionen Euro sollen über das EAG in die Wasserstofftechnologie fließen.

Wir schaffen damit auch einen guten Spagat zwischen Klimaschutz und Wirtschaft. 1 Milliarde Euro jährlich wird für die klimafreundliche Stromproduktion in die Hand ge­nommen, und laut meinen Unterlagen sollte das sogar ein Investitionsvolumen von 43 Milliarden Euro in zehn Jahren auslösen, womit vor allem auch die Regionen gestärkt und viele Arbeitsplätze in den Regionen geschaffen werden.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 66

Jetzt möchte ich noch einen für mich als Praktikerin ganz wesentlichen Punkt hervor­heben, nämlich die Energiegemeinschaften. Sie ermöglichen den direkten Zusammen­schluss von Stromproduzenten und Stromverbrauchern. Das ist unbürokratisch, flexibel und das erspart sehr viele Netzkosten.

Lassen Sie mich auch grundsätzlich noch etwas zum Stil sagen: Wir können darauf stolz sein, eine so breite Basis im Parlament, auch hier im Bundesrat, für dieses große Ziel gefunden zu haben. Danke dafür, dass hier nicht politische Scheuklappen, sondern Ver­nunft im Vordergrund standen.

Bevor ich zum Schluss komme, noch eine Bitte an Sie, geehrte Frau Ministerin, es geht um Maßnahmen: Jede Maßnahme kann, für sich alleine betrachtet, gut und sinnvoll sein, oft kommt es aber auch dazu, dass zwei – isoliert betrachtet – sinnvoll scheinende Maß­nahmen ihre Wirkung aufheben und zu berechtigtem Unverständnis führen. Ein kon­kretes Beispiel dazu auch wieder aus meiner Praxis: Im Sinne der Ökologie wurden bei den Kleinwasserkraftwerken sehr aufwendige und teure Fischaufstiegshilfen vorge­schrieben, weshalb zig Millionen Euro investiert werden mussten. Gleichzeitig wurden aber Fischotter und Kormorane zur Gänze unter Schutz gestellt. Das Ergebnis: Der Fischotter hat unsere Bäche leergeräumt. In vielen Gewässern gibt es keine Fische mehr, so auch in meinen, und die sündteuren Fischaufstiegshilfen sind nutz- und sinnlos geworden.

Die Akzeptanz einzelner Maßnahmen hängt davon ab, ob sie alle verständlich und nach­vollziehbar sind. Deshalb appelliere ich an Sie, liebe Frau Ministerin, die Auswirkungen aller Maßnahmen im Gesamten auf die Sinnhaftigkeit zu prüfen und Vernunft und Augenmaß in den Mittelpunkt zu stellen.

Zum Schluss möchte ich noch Danke sagen an alle, die sich so sehr für dieses EAG eingesetzt haben, und ich möchte Sie, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, um Ihre Zustimmung bitten. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.49


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


12.49.50

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Ja, ein ganz zentrales energie- und klimapolitisches Ziel unserer Zeit ist es, aktiv gegen die Klimakrise anzugehen und mit ganz konkreten Maßnahmen auf den Klimawandel und seine Aus­wirkungen zu reagieren.

Wir haben ja schon in der letzten Debatte über das Thema Artenvielfalt gesprochen, und wir wissen alle, dass der Zeitpunkt, an dem nur mehr engagiertes und aktives Handeln – jetzt und in Zukunft – helfen kann, um den Kampf gegen die Klimakrise erfolgreich um­zusetzen, schon längst erreicht, wenn nicht schon überschritten ist. Mit dem heutigen Beschluss des EAG läuten wir die Klima- und Energiewende ein – Kollege Gross hat das ja schon sehr, sehr ausführlich erklärt und auch in diese Richtung hin argumentiert.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich schon auch sagen, dass es in langen und teilweise sehr harten, aber letztlich auch sehr erfolgreichen Verhandlungen gelungen ist, mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, also dem EAG, die dafür notwendigen rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit in unserem Land die Strom­versorgung bis 2030 auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energieträgern umgestellt werden kann. Ich habe oft Gespräche mit Kollegen Alois Schroll geführt, der ja im


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 67

Ausschuss des Nationalrates mit dabei war, und es war nicht immer einfach, aber was ist in einer Demokratie schon einfach? Es dauerte ein bissel länger, und eigentlich wurde ja schon in der Zeit von Frau Bundesministerin Köstinger in diese Richtung etwas getan. Es hat halt seine Zeit gedauert, und jetzt ist es so weit.

Die Entwicklung in Richtung Energiewende hat damit nun deutlich an Dynamik ge­wonnen, und das wird es auch brauchen, wenn es gilt, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Mit diesem Gesetz sind die Voraussetzungen, die schon so genau erläutert worden sind, dafür geschaffen worden, durch die verstärkte Nutzung der erneuerbaren Energieformen wie dem Ausbau der Windenergie, der Fotovoltaik oder der Erweiterung und Verbesserung der Wasserkraft – bei uns in Kärnten ist es ja zu rund 90 Prozent die Wasserkraft – eine Wende zu schaffen, wobei in der Fotovoltaik das größte Potenzial steckt, da sie die wenigsten Konflikte mit Natur- und Landschaftsschutz bringt und eine sehr, sehr große Akzeptanz genießt.

Ich möchte da aus unserer Gemeinde berichten: Wir haben – angesichts des Förde­rungs­volumens, das derzeit zur Verfügung steht – vor kurzer Zeit in eine Fotovoltaik­anlage auf dem Hallenbaddach investiert. Wir sparen uns circa 30 Prozent an Strom und können den Rest, der nicht verbraucht wird, bei der Kelag einspeisen. Ich kann nur jedem raten – im privaten Bereich und im kommunalen Bereich oder wo auch immer –, in diese Richtung zu investieren. Es ist sehr viel Geld für Förderungen in diesem Bereich vorhanden, das dafür eingesetzt werden kann.

Jedenfalls ist das neue EAG, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung.

Beim Ausstieg aus fossiler Energie ist, abgesehen von allen ökologischen Erwägungen, für uns Sozialdemokraten jedoch ein besonderer Aspekt wichtig, das ist die soziale Komponente, die ja auch heute hier schon gestreift wurde, also die soziale Treff­sicher­heit. Ich denke, dass Alois Schroll mit seinem Team genau darauf geschaut hat, dass bei den Verhandlungen auch immer ein Augenmerk darauf gelegt wurde, dass der Aus­bau von Ökostrom zu keinem Zeitpunkt zulasten von einkommensschwachen Haushal­ten gehen darf und dass die Energiewende keine Zweiklassenenergiewende werden darf.

Unsere Forderungen wurden auch erfolgreich in das Gesetz aufgenommen: So gibt es – das ist, glaube ich, heute noch nicht gesagt worden – eine Kostendeckelung der jähr­lichen Ökostrombeiträge der EnergieverbraucherInnen in Höhe von 1 Milliarde Euro. Alles, was darüber hinausgeht, darf nicht von privaten Haushalten gezahlt werden. Einkommensschwache Haushalte, für die die automatische GIS-Befreiung gilt, sind in Zukunft auch automatisch von der Ökostrompauschale befreit. Dieser Personenkreis wurde auch noch wesentlich ausgedehnt. Für rund 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die heute armutsgefährdet sind und durch die Pandemie ohnedies sehr schwer getroffen wurden und es sehr schwer haben, wird zukünftig nicht der 100-Euro-Deckel gelten, sondern dieser auf 75 Euro herabgesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, das war auch ein Knackpunkt – ich habe mit dem Herrn Staatssekretär auch darüber diskutiert. Man kann nur Danke dafür sagen, dass man bei diesem riesengroßen Projekt und Gesetz, das ja viele, viele Milliarden beinhaltet, auch den sozialen Bereich mitgedacht hat.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Fernwärmeförderung. Ich denke, dass es unse­rem Team auch gelungen ist, gemeinsam mit Ihnen eine Förderschiene – bis 2030 ins­ge­samt 300 Millionen Euro – für die Umstellung auf erneuerbare Energieträger in den Städten unterzubringen, das sicherzustellen und zusätzlich auch 110 Millionen Euro für die Pro­jekte, die in den letzten Jahren aufgrund der fehlenden gesetzlichen Rahmen im Wärme-


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 68

und Kälteleitungsausbaugesetz auf ihre Förderung warten mussten, bereitzustellen. Das ist nun auch gesetzlich gesichert – auch das ist, glaube ich, ein großer Erfolg.

Abschließend ist noch einmal festzustellen, dass mit dem EAG zweifelsohne ein sehr, sehr großer Wurf gelungen ist, und das vor allem auch durch die hartnäckigen Ver­handlungen, sage ich jetzt noch einmal, der Sozialdemokratie, wodurch dieses Gesetz über die ökologische Relevanz hinaus auch deutlich an sozialer Ausgewogenheit ge­won­nen hat, womit eine klare Verbesserung besonders für armutsgefährdete Personen­kreise geschaffen wurde.

Das EAG war aber nur der erste Schritt. Es wird in der Zukunft auch laufend, wie das Herr Bernard kritisiert hat, Verbesserungen und Anpassungen geben – ich glaube, das ist keine Frage. Wichtig war für uns beziehungsweise für die Opposition, dass man das dann schlussendlich so verhandelt hat, dass es auch noch die Zweidrittelmehrheit gibt – ich habe gehört, dass man dann mit einfacher Mehrheit weiterarbeiten wollte. Es steht auch noch das Energieeffizienzgesetz an, und das ist auch ein riesengroßer Brocken – so sehe ich es, genauso wie das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz –, dafür ist ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Sie, Frau Bundesministerin, und natürlich auch der Herr Staatssekretär sprechen von einem Freudentag für die Klima- und Energiewende. Wir, die SPÖ, stehen auch da bereit, im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher zu handeln, und wir haben auch mitgehandelt. Es war schwierig, aber wie gesagt, Politik ist ja nicht immer so einfach, und man kann es, wenn man miteinander redet, schlussendlich dann doch umsetzen. Wir werden auch in Zukunft unser spezielles Augenmerk auf diesen sozialen Aspekt legen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

Ah, Entschuldigung, ich muss noch einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günther Novak, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz/Gesetzeswerdung/Vollziehung“

Bei der Beschlussfassung im Nationalrat hat sich im Rahmen eines Abänderungs­antra­ges ein legistischer Fehler betreffend den § 71 EAG ergeben. Dies führte dazu, dass im § 71 Abs. 1 EAG zwei Ziffern 2 und 3 eingefügt wurden, der Absatz 2 jedoch lediglich aus einer Ziffer 1 und Ziffer 4 besteht. Dieser legistische Fehler wurde erst nach der Beschlussfassung erkannt, konnte daher im Nationalrat nicht mehr repariert werden. Im Gesetzesbeschluss des Nationalrates 733 d.B. XXVII. GP wurde der betreffend den § 71 EAG fehlerhafte Beschluss dem Bundesrat übermittelt und steht nunmehr in Verhand­lung.

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die zuständige Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­va­tion und Technologie wird aufgefordert, bei der Vollziehung des EAG den im Betreff genau dargestellten Umstand bei der Gesetzesentstehung im Rahmen der Vollziehung zu berücksichtigen.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 69

Das heißt aber nicht, dass wir gegen das EAG sind. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) – Was? (Bundesrat Bader: Es gibt eh schon einen Fristsetzungsantrag!) – Na bitte, dann haben wir eine Fleißaufgabe gemacht. (Bundesrat Bader: Das ist überflüs­sig!) – Nein, überflüssig ist es nicht.

Wir werden dem EAG, dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.59


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Günther Novak, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz/Gesetzeswerd­ung/Voll­ziehung“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Ich erteile es ihr.


13.00.01

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Bundes­rätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Ich freue mich wirklich ganz besonders – und ich wurde ja gerade zitiert –: Es ist ein Freudentag im Nationalrat, wenn wir über das EAG diskutieren, es ist aber auch ein Freudentag im Bundesrat, wenn wir über das EAG diskutieren, und ich glaube, diese Freude sieht man mir bei diesem Thema immer gleich an – und ich glaube, sie ist berechtigt, sie ist bei allen hier im Raum berechtigt. Das EAG ist unser Gesetz für die Energiewende. Öster­reich startet die Energiewende mit diesem Gesetz, es ist ein essenzieller Baustein für den Klimaschutz in Österreich.

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz liegt heute eine Gesetzesvorlage vor Ihnen, die einen langen Weg hinter sich hat. Es war nicht selbstverständlich, dass wir dort hinkom­men, wo wir mit diesem Beschluss heute sind. Es hat viel an Gespräch gebraucht, es hat viel an Austausch gebraucht, es hat viel an Diskussion gebraucht – klar, denn Klimaschutz ist nicht immer einfach, aber Klimaschutz ist immer wichtig. Es ist richtig, dass wir das Gesetz heute beschließen, und es ist vor allem verantwortungsvoll. Genau deswegen gehen wir Klimaschutz in diesem Land an.

Ich freue mich, dass die Regierungsvorlage nach den politischen Verhandlungen und dem Beschluss im Nationalrat heute auch im Bundesrat vorliegt. Damit legen wir wie gesagt einen Grundstein für die Klimaneutralität. Das Gesamtpaket hat über 100 Seiten, und auch der Abänderungsantrag zeigt, wie umfangreich dieses Projekt ist. Wir betreten etwa mit den Energiegemeinschaften völliges Neuland und wir gestalten die bestehen­den Rahmenbedingungen für eine günstige, für eine grüne, für eine versorgungssichere Ökostromzukunft.

Auch ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz, ganz herzlich nicht nur bei all jenen bei mir im Ministerium bedanken, die dieses Gesetz in den vergangenen Monaten erarbeitet haben, sondern auch bei allen, die in den Verhandlungen der letzten Wochen und Monate wirklich einen großartigen Beitrag geleistet haben. Wir haben das Gesetz in den Verhandlungen noch einmal verbessert, davon bin ich überzeugt, und haben wirklich Großes geleistet, daher ein Danke an die Energiesprecher und -sprecherinnen aller drei Fraktionen, die das in den letzten Monaten mitverhandelt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Vor uns steht ein großer Umbau, aber wir in Österreich haben auch schon vorgezeigt, dass wir Projekte dieser Größenordnung machen und schaffen können, dass wir sie gemeinsam bewältigen können. Ganz ähnlich wie beim Ausbau der Wasserkraft oder


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 70

der Reindustrialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg schaffen wir heute die Grundlagen für ein gutes Leben im 21. Jahrhundert, für eine saubere Umwelt und für eine intakte Natur, für die Arbeitsplätze der Zukunft, für die Wirtschaft der Zukunft, die diesen erneuer­baren Strom als Basis braucht. Das EAG ist da ein wichtiger Pfeiler, weil wir damit nicht nur Emissionen einsparen, sondern weil es ein Jobpaket ist, weil es ein Standort­sicherungspaket ist und weil es vor allem ein Investitionspaket ist.

Mit dieser Milliarde an Förderungen, die wir in den nächsten zehn Jahren jährlich aus­schütten werden, lösen wir Gesamtinvestitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro aus. Mit dem, was wir in der Energiewende vor uns haben, schaffen und sichern wir 100 000 Ar­beitsplätze in Österreich. Das ist Klimaschutz, wie wir ihn verstehen: aktiv aus der Krise, aktiv gegen die Klimakrise. Mir sagt der Hausverstand nämlich, wir handeln heute, damit wir unser Morgen gut gestalten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dazu braucht es viele konkrete Maßnahmen – dafür braucht es das EAG als einen Baustein –, die jetzt Grundlage dafür sind, dass wir im Kampf gegen die Klimakrise erfolgreich sein werden.

Ich möchte auch noch ein paar der Dinge erwähnen, die mir im EAG, die mir in diesem Gesetzespaket besonders am Herzen liegen. Im Mittelpunkt des EAG stehen die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land und die KMUs, die kleinen und mittleren Unternehmen, die nun unmittelbar Teil der Energiewende werden können und damit unser Klima schützen können.

Ich bin mir sicher, dass Sie mittlerweile schon sehr viele Details des Gesetzespakets kennen, darüber gelesen haben, sich selbst darin vertieft haben, damit gut vertraut sind, daher jetzt nur in Stichworten die Eckpfeiler in diesem Gesetzespaket: Wir schaffen mehr Transparenz, Digitalisierung und Automatisierung im Stromsystem, einen gerechteren Zugang zum Stromsystem, die Energiegemeinschaften, mit denen neue AkteurInnen, mit denen Bürgerinnen und Bürger am Stromsystem teilnehmen können. So schaffen wir Teilhabe an der Energiewende, und Teilhabe ist ein Eckpfeiler für die Akzeptanz der Energiewende.

Wir schaffen einen Fokus auf soziale Gerechtigkeit – Sie (in Richtung Bundesrat Novak weisend) haben es in Ihrer Rede vorhin ausgeführt – durch eine wirklich sozial treff­sichere Kostendeckelung für besonders betroffene Menschen mit niedrigem Einkom­men. Wir schaffen, auch das ist mir wichtig, einen ersten Schritt in Richtung klimafreund­liche, zukunftsfitte und wettbewerbsfähige Industrie, denn darum geht es beim grünen Gas und dem Wasserstoff: um den richtigen Einsatz, dort, wo wir ihn brauchen, und da schafft das EAG wirklich einen grundlegenden, wichtigen ersten Schritt.

Beim Thema Versorgungssicherheit ist das Stichwort Önip, österreichischer integrierter Netzinfrastrukturplan, zu nennen, eine Versorgungssicherheitsstrategie, die bereits von Bundesrat Gross angesprochen wurde, und natürlich auch die Netzreserve, die wir nicht in diesem Paket beschlossen haben, sondern schon Ende des letzten Jahres, die aber kürzlich von der EU‑Kommission bestätigt wurde, was auch ein sehr wichtiger Schritt war, weil dieser Beschluss der Kommission dafür gesorgt hat, dass wir die vorher­gehen­de Regelung, die nicht notifiziert wurde, nicht rückabwickeln müssen – etwas, was sich niemand von uns gewünscht hat, deswegen auch ein technischer Akt, ein großer Erfolg.

Das EAG ist ein riesiges Paket, Sie sehen es am Umfang der vorliegenden Dokumente. Es enthält unzählige Stellschrauben, an denen wir jetzt drehen müssen, damit wir die Maschine Energiewende in Gang bringen.

Die EU-Kommission wirft auf den Rest dieses Pakets noch ihr strenges Auge – das ist ein europaweit einzigartiges Gesetzespaket, daher tut sie das völlig zu Recht. Wir haben uns vorgenommen, dass wir in Europa vorangehen wollen. Wir wollen in Europa beim


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 71

Klimaschutz vorangehen, und wir gehen mit diesem Gesetzespaket beim Strom – 100 Pro­zent Ökostrom bis 2030 – in Europa ganz eindeutig voran. Damit wir Verzögerungen vermeiden, treten Teile dieses Gesetzespakets sofort nach dem Beschluss hier in Kraft, ein anderer Teil wird erst mit der Notifizierung durch die EU-Kommission in Kraft treten, mit der wir intensiv im Dialog sind. Wir setzen uns natürlich dafür ein, dass wir unsere Energieziele weiterhin so verfolgen können.

Wir setzen also alles daran, dass wir mit diesem Gesetzespaket Zielsicherheit, Planungs­sicherheit, Investitionssicherheit schaffen, um die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zu unterstützen, Teil der Energiewende zu sein, um die Unternehmen in unserem Land zu unterstützen, sich auf den Weg in Richtung Energiewende zu machen, und deswegen mein Appell. Das Parlament, Sie alle im Bundesrat, entscheiden heute über einen wichtigen Eckpfeiler auf unserem Weg zur Klimaneutralität. Ja, es sind viele Gesetze, viele Bausteine, die wir für die Energiewende brauchen, und die besten Lösun­gen dabei sind auch nicht immer ganz einfach zu finden. Vor ein paar Monaten, bei der Präsentation der Regierungsvorlage, habe ich aber gesagt, wir werden in zehn Jahren zurückblicken auf das, was wir heute hier schaffen, was wir heute hier auf den Weg bringen, was uns mit diesem Gesetz gemeinsam gelungen ist, und wie gesagt ich freue mich schon jetzt sehr auf das, was wir mit diesem Paket in unserem Land zum Positiven verändern werden.

Das EAG ist nämlich ein Paket für sichere Arbeitsplätze, auch in der Zukunft, das EAG ist ein Paket für stabile Wirtschaft, bringt Milliarden an Investitionen in unsere Betriebe und unsere Unternehmen, aber vor allem ist das EAG unser Gesetz für die Energie­wende, und mit Ihrer Zustimmung heute geben Sie den Startschuss zu einem Projekt, an dessen Ende die Ziellinie 100 Prozent Ökostrom in Österreich steht, und die werden wir 2030 erreichen – und dafür sage ich Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

13.08


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. Ich erteile dieses.


13.09.10

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Magnus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Zum Cool-down der Erderwärmung: Vier Parteien beschließen das heiß ersehnte, hart verhandelte Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Zusätzliche 27 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien – aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse – in zehn Jahren.

Bereits Heraklit erkannte: Alles fließt – panta rhei. Das fossile Zeitalter fließt in die Er­neuerbaren über, und jede Bürgerin, jeder Bürger kann daran teilnehmen: Energie­gemein­schaften sind das Herzstück des EAG. In Erneuerbaren-Energiegemeinschaften können sich Privatpersonen, Betriebe, Bauernhöfe und Gemeinden zusammen­schließen und auf lokaler Ebene gemeinsam Strom erzeugen und verteilen. (Bundesrat Steiner: Haben wir alles schon gehört!) Die Mitglieder profitieren von reduzierten Netztarifen und Abgabebefreiungen.

Sehr geehrte Damen und Herren, noch ein Punkt, der mir besonders wichtig ist: Ich möchte Sie nun auf eine Reise einladen – auf eine Reise zu einer geheimnisvollen Insel, auf eine Reise in die Gedankenwelt von Jules Verne, der bereits 1874 dem gestrandeten Ingenieur Cyrus Smith die Worte in den Mund legte: „Wasser ist die Kohle der Zukunft.“ Zerlegt in seine Bestandteile ist es eine schier unerschöpfliche Quelle von Wärme und Licht. – Ja, Wasserstoff ist der Stoff, aus dem die kühnsten Träume sind, und es hat mich schon immer fasziniert, welch große Hoffnung mit dem kleinsten aller Elemente


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 72

verknüpft ist. So freut es mich sehr, dass im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz 50 Millionen Euro jährlich für Wasserstofftechnologien vorgesehen sind. Besonders freut es mich, dass mein Heimatbundesland Oberösterreich mit fast 100 Millionen Euro aus dem Resilienzfonds zur Wasserstoffforschungsregion wird.

Welches Bundesland wäre denn besser dazu geeignet als Oberösterreich? – Oberöster­reich ist das Industriebundesland Nummer eins, Oberösterreich zeigt schon jetzt, dass Wirtschaft und Umweltschutz kein Widerspruch sind. Fast nirgends auf der Welt wird bei der Erzeugung von Stahl weniger CO2 ausgestoßen als in Oberösterreich. Wasserstoff ist eine Schlüsseltechnologie für saubere industrielle Prozesse. Ich hoffe, dass mit diesen Innovationsimpulsen, die hier und auch weltweit gesetzt werden, der Brenn­stoff­zelle der Durchbruch gelingt.

Mit dem Zusammenspiel verschiedener Technologien, mit dem sektorenübergreifenden Ansatz und vor allem mit den Bürgern, die die Energiewende aktiv mitgestalten, be­schreiten wir in Österreich gemeinsam den Weg, nachhaltigen, sozial ausgewogenen und umweltfreundlichen Wohlstand zu generieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.12


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile ihm dieses.


13.12.30

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Mein Kollege Günther Novak hat es ja bereits vorweggenommen: Die SPÖ-Fraktion hier im Bundesrat wird diesem sehr großen und wichtigen Gesetzespaket zustimmen, und dass das so ist, ist den wochenlangen, durchaus sehr intensiven Verhandlungen zu verdanken, in die sich die SPÖ vor allem mit Nationalrat Alois Schroll und seinem Team sehr konstruktiv in Richtung Ziel­erreichung, aber auch sehr kritisch in Bezug auf die ursprüngliche, in Teilen auch unge­eignete Regierungsvorlage eingebracht hat. Man sieht, dass, wenn die Regierung auf die Opposition zugeht, Verhandlungen auf Augenhöhe führt und gute Vorschläge aufnimmt, ein Durchbruch in einer so wichtigen Gesetzesmaterie gelingen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht nehmen wir uns genau dieses Beispiel zum Vorbild, denn wir haben es in diesem Haus oft auch anders erlebt: dass die ÖVP, ohne nur einen einzigen Millimeter abzuweichen, mauert und so brauchbare Ergebnisse leider unmöglich macht. (Bundes­rat Schennach: Köstinger!) – Genau.

Rücken wir aber heute das Positive in den Vordergrund und freuen wir uns, dass mit dieser umfangreichen Gesetzesmaterie die unbedingt notwendige Energiewende einge­leitet werden kann! Nicht nur das Ziel, sondern vor allem auch der Weg dorthin war entscheidend, um da auch mitgehen zu können, und deshalb hat es gelegentlich auch harte Verhandlungen mit der Regierung gegeben. Das war auch absolut notwendig, um die Energiewende sozial auszuformen, denn der Kampf gegen die Klimakrise ist immer auch ein Kampf für soziale Gerechtigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass man sich als Oppositionspartei nicht auf allen Ebenen zu 100 Prozent durchsetzen kann, liegt, glaube ich, auf der Hand, aber man muss auch sagen: Die SPÖ hat dieses Gesetz nicht geschrieben, aber sie hat das Beste daraus gemacht.

Was sind die sozialen Eckpfeiler? – Wir haben es schon gehört, aber gute, schöne und erfolgreiche Dinge darf man nicht nur wiederholen, sondern man muss sie wiederholen. Punkt eins: Der Ausbau von Ökostrom wird nicht zulasten von einkommensschwachen


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 73

Haushalten gehen. GIS-Gebühren-Befreite werden auch automatisch von der Öko­strom­pauschale befreit.

Zweitens: Armutsgefährdete Haushalte werden jetzt weniger zahlen als vorher. Die Jahresgebühr ist dann mit 75 Euro gedeckelt.

Drittens: Es gibt auch den Deckel von 1 Milliarde Euro pro Jahr.

Sehr, sehr wichtig ist mein vierter Punkt: Künftig werden Fördermittel nach ökosozialen Kriterien vergeben. Da sprechen wir von arbeitsrechtlichen Bedingungen, regionaler Wertschöpfung, Gleichstellung, Chancengleichheit sowie auch Gesundheit und Sicher­heit am Arbeitsplatz. Das ist also wirklich ein Paradigmenwechsel, den die SPÖ sicher­stellen konnte, der die Förderlandschaft auch nachhaltig prägen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Darüber hinaus gibt es noch andere Errungenschaften, wie zum Beispiel den Inves­titions­zuschuss für Kleinwasserkraftwerke, den die Regierung eigentlich streichen wollte. Davon profitieren viele Kleinwasserkraftwerksprojekte, vor allem auf kommunaler Ebene. Meine Gemeinde zum Beispiel liegt am Zusammenfluss der Großen und der Steinernen Mühl. Wir haben einige Kleinwasserkraftwerke, und es ist besonders wichtig, dass auch diese Art der ökologischen Energiegewinnung nicht leer ausgeht.

Im Unterschied zur Regierungsvorlage wurde auch eine Förderschiene für den Fern­wärmeausbau ausverhandelt. Ich denke, das ist der Vernunft geschuldet, denn die Fernwärme darf auf keinen Fall politisch instrumentalisiert werden. Das ist sicher kein Thema der Stadt Wien allein, sondern das ist ein Thema aller Städte bei uns in Öster­reich. (Beifall bei der SPÖ.)

Letztendlich müssen neben der Leistbarkeit auch die Nachhaltigkeit und die Versor­gungs­sicherheit gegeben sein. Damit meine ich natürlich auch den Ausbau und die Modernisierung unserer Stromnetze. Gerade beim Stromnetz brauchen wir mehr Trans­parenz und einen fairen Vergleich zwischen Freileitung und Erdkabel. Das sind durchaus sehr kritisch geführte Diskussionen, und leider hat man oft den Eindruck, dass die Sys­tementscheidungen für eine Freileitung vor einer ehrlichen und sachlichen Abwicklung gefallen sind.

Mein Fazit aber zur jetzigen Beschlussvorlage: Es war sicher ein langer Weg bis zur heutigen Beschlussfassung und Debatte. Die SPÖ war immer konsequent, aber auch konstruktiv, deshalb konnte die Energiewende auch sozial ausgestaltet werden. Die Energiewende – das muss uns bewusst sein – kostet Geld, die Kosten sind jetzt aber nach sozialen Kriterien verteilt. Wir werden diesem Gesetz zustimmen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

13.18


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner. (Bundesrat Steiner – in Richtung Staatssekretär Brunner, der aufsteht und sich gleich darauf wieder setzt –: Magst dich noch einmal niederhocken, bis die das alles verlesen hat?) Ich erteile es ihm.


13.18.35

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren Bundesräte! Der Berichterstatter hat zu Beginn eigentlich schon gezeigt, was für ein Riesenpaket das ist. Marco, du hast alle Gesetze aufgezählt, die betroffen sind, und da hat man schon gesehen, was das für ein gewaltiges Paket ist. Es ist in den letzten 20 Jahren, seit der Liberalisierung des Marktes,


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 74

sicher das größte Energiepaket. Wie gesagt, Marco, du hast es in deiner Bericht­erstat­tung bereits entsprechend dargelegt.

Lieber Kollege Reisinger, die Regierungsvorlage war schon eine sehr gute, aber natür­lich konnte sie noch weiter verbessert werden. Bitte mach also die Regierungs­vorlage nicht ganz so schlecht – das war sie nämlich nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Dieses Gesetz – das EAG und alle Gesetze rundherum – macht den heimischen Ener­giemarkt innovativer, macht den Energiemarkt natürlich auch sauberer und macht ihn auch wettbewerbsfähiger. Ich glaube, das ist auch ganz, ganz entscheidend. Und es ist – das wurde heute schon oft dargelegt – ein Rieseninvestitionspaket in die heimische Wirtschaft. Das ist gerade in der Länderkammer ganz entscheidend, weil die regionale Wertschöpfung im ländlichen Raum mit diesem Gesetz massiv gepusht wird, massiv unterstützt wird. Wir haben es gehört: 1 Milliarde Euro pro Jahr, 10 Milliarden Euro, die dann in den nächsten zehn Jahren 30 Milliarden Euro an volkswirtschaftlichen Inves­titionen auslösen werden. Das ist eine Investition in die regionale Wertschöpfung, und ich glaube, gerade das ist in der Länderkammer ganz entscheidend, weil es um Arbeits­plätze geht, weil es auch um den Standort geht. Ich glaube, dieses Gesetz leistet dazu einen ganz wesentlichen Beitrag.

Was in der Länderkammer auch noch wichtig ist, ist das Thema Zusammenarbeit, die Energiegemeinschaften wurden bereits genannt, aber auch, dass wir in diesen Ge­setzesprozess, in den Verhandlungsprozess die Bundesländer ganz intensiv einbe­zogen haben, dass auch viele gute Ideen aus den Bundesländern gekommen sind. Ich glaube, das ist auch ganz entscheidend, denn wir werden die Energiewende nur schaf­fen, wenn alle an einem Strang ziehen. Wir brauchen die Länder, wir brauchen die Gemeinden, wir brauchen die Unternehmen und wir brauchen die Landwirtschaft. Wir brauchen alle dazu. Das ist, glaube ich, das Entscheidende. Die Energiewende muss in die Köpfe der Menschen, es muss das entsprechende Bewusstsein entwickelt werden. Wir müssen aus Betroffenen Beteiligte machen, das ist ganz entscheidend, denn nur dann werden wir eine Chance haben, die Ziele zu erreichen. Vielen Dank für die breite Unterstützung.

Ein kurzes Wort muss ich schon noch sagen, und zwar zu den Freiheitlichen: Du (in Richtung Bundesrat Bernard) hast es richtig gesagt, es sind über 90 Prozent der Punkte mit der Freiheitlichen Partei eigentlich schon ausverhandelt gewesen. Ich finde es wirk­lich schade, dass ihr euch nicht diesen Ruck gebt, mitzustimmen, denn das Einzige, das übrig geblieben ist, ist die Versorgungssicherheit, wenn ich das richtig sehe. In allen anderen Punkten seid ihr eh dafür. Die Frau Bundesministerin hat die Versorgungs­sicherheit angesprochen. Die Netzreserve wurde beschlossen, mit unterschiedlichen Plänen zur Versorgungssicherheit wird jetzt weitergearbeitet. Also die Begründung ist leider ein bisschen fadenscheinig gewesen. Schade, denn inhaltlich, glaube ich, wärt ihr auch der Meinung, dass wir im Bereich der erneuerbaren Energien und des erneuer­baren Stroms einiges tun müssen.

Es ist ein super Paket, eine tolle Regierungsvorlage, die noch verbessert worden ist, jawohl, Kollege Reisinger. Danke für die breite Unterstützung, jetzt kann die Energie­wende wirklich losgehen. Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.22


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Gross hebt die Hand.) – Herr Bundesrat Gross, bitte.



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 75

13.22.29

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen, ich möchte, weil es doch ein wichtiges Miteinander ist, der Fairness halber noch ganz kurz auf den Antrag der SPÖ eingehen.

Ich bin völlig überzeugt, dass dieser Antrag natürlich sehr gut gemeint ist und auch ohne jedwede sonstige Absichten gestellt wird, das ist völlig klar (Zwischenrufe bei der SPÖ), ich möchte aber zur Sache etwas erläutern.

Worum geht es bei diesem redaktionellen Versehen durch den Vertausch, sozusagen die falsche Zuordnung von Absätzen? – Betroffen ist davon die Festlegung von För­derbeiträgen für die Ökostromfinanzierung und für die Finanzierung der Aufbringung des grünen Gases. Insofern ist es sehr relevant und muss natürlich repariert werden.

Jetzt ist es aber so, da habe ich mich gestern noch mit dem Kabinett abgestimmt: Es gibt ja jetzt Förderbeiträge für Ökostrom. Diese gelten heuer noch, es entsteht überhaupt keine Finanzierungslücke. Geplant war, diese Förderbeiträge im Laufe des Herbstes mit Wirksamkeit 2021 festzulegen. Beim Grüngasförderbeitrag ist es so, dass es ohnehin ähnlich eine Anlaufzeit geben wird, bis die Investitionen da sind, bis die Kosten ange­fallen sind; also auch da der Plan, das im Herbst festzulegen. Das heißt, es entsteht zum Glück keine Vollzugslücke. Das wird passieren, und der Plan ist, das im September im Nationalrat zu reparieren, und dann kommt es noch einmal zu uns. Also es ist auch da die Vollziehung gesichert. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Jetzt kommt aber ein Punkt im Antrag, der einfach kritisch ist – wir haben gestern darüber gesprochen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) –: nämlich die Ministerin aufzufordern, ein Gesetz – wie soll ich sagen? – anders zu vollziehen, als es jetzt be­schlossen ist. Das ist natürlich schwierig, deswegen haben wir da rein formal Probleme mit der Zustimmung. Ich bitte da um Verständnis. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Beer, Grimling und Schumann.) – Ja, es ist so. Ich bitte da um Verständnis. Es betrifft nicht die Gesamtzustimmung. Wichtig ist aber, dass die Vollziehung - - (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, das ist halt so, das ist auch wichtig im Parlamen­tarismus, das kann man einfach nicht machen. (Bundesrat Steiner – in Richtung SPÖ –: Jetzt lasst es endlich einmal sein!) Aber ich möchte jetzt keinen Wirbel auslösen. Ich habe mir gedacht, ich erkläre das als Zeichen der Fairness. – Ich danke jedenfalls für die Gesamtzustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Ja, genau!)

13.25

13.25.07


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehr­heit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 76

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günther Novak, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz/Gesetzeswerdung/Vollziehung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Beschluss des National­rates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umwelt­förderungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.28.203. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (940 d.B. und 994 d.B. sowie 10708/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flughafenentgeltegesetz geändert wird (942 d.B. und 995 d.B. sowie 10709/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tages­ordnungspunkten 3 und 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Ing.in Judith Ringer. – Ich bitte um die Berichte.


13.29.17

Berichterstatterin Ing. Judith Ringer: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 77

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flughafenent­geltegesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


13.30.40

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Staats­sek­retär! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Beim Luftfahrtgesetz handelt es sich um eine sehr kleine Novelle, die einfach notwendig geworden ist, um Anpassungen an EU-Verordnungen vorzunehmen. Genauer gesagt handelt es sich um Änderungen der Bestimmungen über die Zuverlässigkeitsüberprüfungen, um die Einführung des Zen­tralen Luftfahrthindernisregisters und einen Rahmenvertrag mit dem Österreichischen Aero Club.

Ja, man könnte zwar kritisieren, dass die Begutachtungsfrist sehr kurz gewesen ist, aber ich glaube, dann könnte man jede Gesetzesvorlage hier herinnen kritisieren. Natürlich werden wir dieser Änderung des Luftfahrtgesetzes zustimmen. (Präsident Raggl über­nimmt den Vorsitz.)

Beim Flughafenentgeltegesetz sieht es etwas anders aus. Auch da gab es eine sehr kurze Begutachtungsfrist, und unsere Einwendungen haben keinerlei Berücksichtigung gefunden, weder die Einwendungen des Luftverkehrsbeirats noch die Einwendungen unseres Verkehrssprechers. Ich war bereits im Ausschuss etwas irritiert über die aus­weichende und fast philosophische Antwort zu unseren Fragestellungen in diesem Zusammenhang. Ich kann nur sagen, unsere Einwendungen sind absolut nicht einge­flossen, weder die Einwendungen, dass Flughafennutzer das Recht haben müssen, im Wege der Verwaltung die Entgeltordnung anzufechten, noch die Einwendungen über die Undurchführbarkeit der Flughafenentgeltregelung hinsichtlich der Lärmemissionen als Grundlage der Entgeltberechnungen.

Abschließend ist aber auch festzuhalten, dass für sämtliche Nutzer eines Flughafens die gleichen Nutzungsbedingungen zu gelten haben. Und auch das ist da nicht der Fall. Es kommt zu Benachteiligungen der allgemeinen Luftfahrt und es kommt zu Benach­teiligungen des Geschäftsflugverkehrs gegenüber den großen Fluggesellschaften, und das widerspricht definitiv dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Flughafen­nut­zern.

Genau diesen Einwendungen Rechnung zu tragen wäre uns wirklich wichtig gewesen. Es gibt ja in der Zukunft auch noch die Möglichkeit, da Abänderungen zu machen, aber zum heutigen Zeitpunkt können wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.33



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 78

Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


13.33.20

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Wie wir gehört haben, geht es bei den Änderungen im Luftfahrtgesetz und im Flughafenentgeltegesetz weitgehend um tech­nische Änderungen. Ich möchte aber trotzdem zwei Aspekte herausheben.

Das ist zum einen die Freistellung von luftfahrtrechtlichen Bewilligungen für PV-Anlagen bis zu einer Größe von 100 Quadratmetern innerhalb der Sicherheitszonen von Flug­häfen. Das ist vor allem relevant bei Flughäfen, die wie in Innsbruck zum Beispiel sehr nahe an Siedlungsgebieten gelegen sind. Das ist ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz und auch eine Verwaltungsvereinfachung. Ich denke, das ist ein sehr schöner Punkt.

Sehr erfreulich ist auch eine zweite Festlegung, nämlich dass Flughäfen in Zukunft jedenfalls ein Mindestmaß an Lärmmessungen durchführen müssen und diese Mes­sergebnisse öffentlich zugänglich zu machen sind. Einige machen das jetzt schon, die anderen müssen jetzt nachziehen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Transparenz und eine wichtige Hilfestellung bei Streitigkeiten und Verfahren zum Thema Lärmbelästigung bei Flughäfen; es unterstreicht die Bedeutung des Themas Fluglärm.

Da knüpft auch die Änderung im Flughafenentgeltegesetz an: Flughafenbetreiber sind in Hinkunft verpflichtet, die Flughafengebühren auch nach Lärmschutzgesichtspunkten festzulegen. Ziel dabei ist es natürlich, die Lärmemissionen zu reduzieren, indem eben durch Gebührenhöhen Anreize geschaffen werden sollen, Lärmschutzmaßnahmen zu setzen.

Es sei mir noch erlaubt anzumerken, das Beste ist natürlich, Flughäfen überhaupt nur dann aufzusuchen oder in Flugzeuge nur dann einzusteigen, wenn es keine andere zumutbare Möglichkeit gibt, den gewünschten Zielort zu erreichen. Das gilt insbesondere für Inlandsflüge, die in aller Regel wirklich ersetzbar sind.

Ich finde auch Folgendes sehr interessant: Wenn man die Abflugstatistik des Flughafens Wien ansieht, so kann man feststellen, dass knapp ein Drittel aller Flüge von und nach Wien Schwechat innerhalb einer Distanz von 800 Kilometern stattfindet. Das ist schon spannend: ein Drittel aller Flüge!

Da sind wir übrigens nahtlos beim Lärmthema – es ist ja nicht so, dass das nicht zu­sammenhängen würde –: Da ist die Schiene schon jetzt vielfach eine gute Alternative. An dieser Stelle sei auf das großartige Engagement der ÖBB hingewiesen, die die Nachtzugverbindungen wirklich systematisch ausbauen. Und das ist doppelt attraktiv: statt zu fliegen, abends in den Zug einzusteigen, sich ins Bett zu legen und morgens ausgeruht anzukommen. Ich weiß, wovon ich rede, ich mache das mehr oder weniger wöchentlich, und es klappt gut.

Wichtig wäre natürlich, dass es in weiterer Folge gelänge, etwas mehr Fairness im Wettbewerb insgesamt herzustellen. So ist es eigentlich unverständlich, dass Kerosin immer noch nicht besteuert wird, Flugtickets, das wissen nur wenige, von der Mehr­wertsteuer befreit sind – das schaut bei der Bahn ganz anders aus –, gar nicht zu reden von den externen Kosten, die nicht miteinbezogen sind.

Da ist es sehr erfreulich – kleiner Hinweis noch einmal auf das Paket Fit for 55 –, dass die EU-Kommission jetzt angekündigt hat, wenigstens für Flüge innerhalb Europas in Schritten eine Kerosinbesteuerung einzuführen. Das ist ein kleiner und wichtiger Schritt zur Stärkung des Wettbewerbs und zu mehr Fairness im Wettbewerb, auch für die Bahn, die in vielen Fällen eine gute Alternative ist.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 79

Ansonsten, denke ich, sind das wirklich gute und erfreuliche Änderungen, und bitte um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.37


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile ihm dieses.


13.37.29

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den beiden vorliegenden Gesetzesvorlagen haben wir die Chance, im Bereich der Luftfahrt etwas weiterzubringen.

Mit der Änderung des Luftfahrtgesetzes nehmen wir eine Anpassung an EU-Recht vor, Stichwort Drohnenregulativ. Wir werden in Sachen Lärmschutz etwas bewirken können, insbesondere für die Anrainer, die natürlich von diesen Einrichtungen, sprich Flughäfen, ganz besonders betroffen sind. Und es wird auch administrative Erleichterungen, mein Vorredner hat darauf hingewiesen, bei der Bewilligung von Fotovoltaik- und Solar­an­lagen geben.

Mit der Änderung des Flughafenentgeltegesetzes, wenn ich es richtig verstehe, werden wir insbesondere eine Finanzierungssicherheit, aber auch eine Planungssicherheit für die Flughafenbetreiber gewährleisten können.

Ich möchte diese beiden Gesetzesbeschlüsse zum Anlass nehmen, um einige Schlag­lichter auf die Luftfahrt zu werfen und schon auch darauf hinzuweisen, dass das Mobilitätsbedürfnis der Österreicherinnen und Österreicher – das betrifft auch Europa und die Welt insgesamt – in einem stetigen Steigen begriffen ist; und Mobilität findet nun einmal auf der Straße, auf der Schiene und in der Luft statt. Und wenn wir dieses Mobilitätsbedürfnis der Menschen befriedigen wollen, dann werden wir auch ent­sprechende Maßnahmen treffen müssen.

Es hat Bundesrat Gross darauf hingewiesen, dass es mit dem Kerosin irgendwann einmal zu Ende gehen wird, dass Ersatztreibstoffe auch für die Luftfahrt vonnöten sein werden. Ich habe mich in meinem beruflichen Vorleben auch mit diesem Thema aus­einan­dergesetzt und mit großem Interesse verfolgt, was die Produzenten von Flug­zeugen in diesem Bereich an Forschungs- und Entwicklungsarbeit betreiben. Denken Sie an teilelektrische Antriebssysteme oder auch an das Thema Wasserstoff, das hier heute schon in anderem Zusammenhang angesprochen worden ist!

Ich möchte beim Thema Luftfahrt schon darauf hinweisen – und das ist noch nicht entsprechend beleuchtet worden –, dass unsere Flughäfen – der große Hub Wien, aber auch unsere Regionalflughäfen; ich komme aus der Steiermark, für uns ist es Graz – ein ganz wesentlicher Standortfaktor für die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes und damit der Arbeitsplätze in unseren Regionen sind. Ich habe ja jahrelang versucht, Betriebe – internationale Betriebe – für den Wirtschaftsstandort Steiermark zu gewinnen und sie in meinem Heimatbundesland anzusiedeln. Die Frage von allen Verantwor­tungsträgern in diesen Betrieben war nicht in erster Linie: Welche Förderungen gibt es? – das kommt dann irgendwann weiter hinten in der Reihe –, sondern die erste Frage war: Wie sieht die Erreichbarkeit für internationale Unternehmungen aus?

Da ist nun einmal entscheidend, dass wir einen Hub wie Wien haben, der international erschlossen ist, der uns entsprechend mit Südosteuropa verbindet und auch die anderen Kontinente mitabdeckt, und da ist auch entscheidend, dass dieser Hub mit den Regional­flughäfen entsprechend verknüpft ist. Das betrifft nicht nur den Personenverkehr, sondern auch den Güterverkehr, und das dürfen wir in diesem Zusammenhang nie vergessen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 80

Ein Wirtschaftsstandort lebt von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist mit den Regionalflughäfen nicht nur am Standort des jeweiligen Flughafenbetreibers, sondern insbesondere im Umfeld des Zentralraumes, des jeweiligen Ballungsraumes auch eine Vielfalt von Arbeitsplätzen vernetzt, verbunden – denken Sie an die gesamte Logistik­branche, denken Sie an die Logistikunternehmungen! –, und wenn wir da den Regional­flughäfen nicht ihre Handlungsmöglichkeiten geben, werden diese Arbeitsplätze in Zukunft anderswo angesiedelt sein. Ich verweise nur auf die neue Seidenstraße oder andere Geschäftsmodelle großer Staaten, die da ganz besondere Interessen verbinden, wo dann die Verkehrswege und die Arbeitsplätze an unserer Region vorbeigehen werden.

Die Luftfahrt ist eine enorme Chance für unsere Regionen. Für mein Heimatbundesland, die Steiermark, wird das im Mobilitätscluster abgedeckt. Die Luftfahrtbranche in der Steiermark wird von rund 80 Unternehmungen ausgemacht, die aus Luft- und Raum­fahrtaktivitäten jährlich in etwa 650 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften; in etwa 3 000 Mitarbeiter sind in diesem Sektor beschäftigt, und – für ein Bundesland, das eine Forschungsquote von etwa 5 Prozent hat, sind die 12 Prozent in diesem Sektor schon sehr bemerkenswert – er hat auch Relevanz für die Zukunft.

Wenn ich von Relevanz für die Zukunft rede, dann muss man wissen, dass in diesen Bereichen von den Firmen beispielsweise auch Kabineninterieur zugeliefert wird, dass Antriebsstränge zugeliefert werden oder dass beispielsweise der Leichtbau – das ist dann auch eine Frage für künftige Antriebsstoffe – ein wesentliches Thema ist.

Ich komme zum Schluss und sage: Ich glaube, es ist klug, wenn wir diese beiden Gesetzesänderungen heute beschließen; es ist klug, wenn wir die Luftfahrtbranche in Summe immer im Blick haben.

Ich möchte mich bei dir, Herr Staatssekretär, sehr herzlich für viele gute Gespräche im Zusammenhang mit unseren Regionalflughäfen bedanken. Du bist dir der Bedeutung der Regionalflughäfen sehr bewusst, und wir sollten gemeinsam einen guten Blick auf die Regionalflughäfen haben, denn sie sind für die Standortentwicklung unserer Regio­nen ein wesentlicher Player  jetzt und in Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der Grünen.)

13.44


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Wolfgang Beer. Ich erteile es ihm.


13.44.42

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuschauer vor den Fernseh­schirmen und via Livestream! Diese Gesetzesänderungen, die wir heute beschließen werden, werden sowohl für die Konsumenten als auch für die Flughäfen eine Teuerung beinhalten. Stellen Sie sich aber bitte vor, was Sie tun würden, hätten Sie diese Ent­scheidung zu treffen: Wir werden etwas teurer, aber erhalten dadurch, wie schon Kollege Buchmann gesagt hat, einige beziehungsweise viele Arbeitsplätze.

Schauen wir, ob es wirklich so notwendig ist, alles mit dem Flugzeug zu machen. Adi Gross hat gesagt: Auch mit der Bahn ist es möglich, und manchmal ist die Bahn kom­fortabler als das Flugzeug, weil man sich doch einige Schritte erspart – wenn man zum Beispiel ein bisschen Gepäck dabei hat, ist das praktisch; am Flughafen ist das Auf­geben weniger praktisch. Man schläft im Schlafwagen, kommt an, ist ausgerastet und hat alles erledigt.

Andererseits ist bei Strecken über 800 Kilometer – nicht 900 Kilometer, sondern schon etwas weiter weg – das Flugzeug selbstverständlich komfortabler. Man setzt sich hinein,


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 81

steigt aus und ist innerhalb weniger Stunden am gewünschten Zielort angekommen, was mit der Bahn doch einen Tag oder, wenn die Entfernung sehr groß ist, manchmal sogar zwei Tage dauern könnte. Davon, wie lange man nach Russland fährt, wollen wir gar nicht reden.

Daher sollten wir immer abwägen: Was ist das Richtige? – Für die einen ist es richtig, die Gebühr nicht zu erhöhen, und dafür verlieren wir Arbeitsplätze; für die anderen ist es richtig, all die Umweltverträglichkeitsprüfungen und Lärmmessungen nicht durchzu­führen. Dadurch haben es die Leute, die in Einflugschneisen wohnen, laut, und wir haben in anderen Bereichen noch viel mehr Schwierigkeiten.

Es ist für mich aber eigentlich der Beginn einer Belastungswelle, die uns sehr hart treffen wird, auch im Bereich der erneuerbaren Energien, im Hinblick auf die Frage, was mit all den Kurorten, all den Skiorten passieren wird. Was wird mit der Gastronomie pas­sieren? – Wir sehen ja schon, dass die Gastronomie nicht so richtig anspringt. Das ist aber auch kein Wunder, denn es ist alles sehr viel teurer geworden und die Menschen haben weniger Geld.

Wir dürfen nicht davon ausgehen, wie viel die Menschen in diesem Bereich verdienen. Es sind jene Menschen, die sich ab und zu etwas gegönnt haben, denen das Geld jetzt fehlt, weil man die Miete erhöht hat oder weil sie ganz einfach für ein Auto mehr zahlen müssen, weil man sagt, Elektro ist das Richtige.

Wir werden in Zukunft also immer mehr abwägen müssen: Was ist richtig? Was ist für die Bevölkerung verträglich? Entweder lassen wir die Bevölkerung verarmen, oder wir machen all das mit Maß und Ziel. – Zurzeit fehlt mir das Maß. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer Stellungnahme hat sich Staatssekretär Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.49.09

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident, noch einmal Gratulation zur Übernahme der Präsidentschaft! Werte Damen und Herren Bun­desräte! Ja, die Luftfahrt – es wurde schon erwähnt – war als Erste von der Krise be­troffen, war am stärksten betroffen und wird wahrscheinlich auch noch am längsten von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sein. Nur eine Zahl, damit man sich die Dimensionen auch einmal entsprechend vergegenwärtigen kann: 2020 hat es einen Passagierrückgang von 70 Prozent gegeben.

Die regionalen Flughäfen – Christian, du hast es erwähnt – sind ganz besonders be­troffen gewesen, beispielsweise durch den fehlenden Wintertourismus im Westen, vor allem in Salzburg und Innsbruck. Das hat dort natürlich zu Einbußen geführt, denn solche westlichen Regionalflughäfen machen das Geschäft eigentlich innerhalb von drei Mona­ten, während des Wintertourismus. Also da sieht man schon, welche Auswirkungen das schlussendlich hat.

Christian, du hast es erwähnt: Gerade diese Verbindungsvielfalt brauchen wir und braucht auch ein Wirtschaftsstandort – ein regionaler Wirtschaftsstandort ganz besonders –, es braucht auch die Konnektivität, also die Anbindungsmöglichkeit in die Welt hinaus. Es gibt eine Studie von Prof. Helmenstein, die ganz klar darlegt, welche Direktinvestitionen in einen regionalen Wirtschaftsraum entscheidend sind, und das sind genau diese Dinge, das ist die Anbindung in die Welt hinaus.

Was Kurzstrecken betrifft, um das vielleicht ein bisschen zu relativieren: 95 Prozent der sogenannten Kurzstrecken von Graz aus sind Umsteigeflüge in die Welt hinaus –


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 82

95 Prozent! Also das sind keine Point-to-Point-Flüge, sondern das sind zu 95 Prozent Umsteigeflüge, wo man dann vom Hub Wien aus weiterfliegt.

Vielleicht auch zur Klarstellung, weil das vorher angesprochen worden ist, bezüglich Teuerung: Nein, das ist ein Missverständnis, beim Flughafenentgeltegesetz kommt es zu keiner Teuerung – überhaupt nicht –, sondern ohne diese Gesetzesänderung hätten die Flughäfen – sowohl Wien Schwechat als auch die Regionalflughäfen – bis 2026 Einbußen von 45 Prozent gehabt. Das sind Gelder, die nicht der Konsument zahlt, das zahlen die Fluglinien. Da bin ich den Fluglinien sehr dankbar, dass sie das in einem sehr konstruktiven Dialog auch eingesehen haben. Der Punkt ist eben: Ohne Gesetzes­novelle wäre es zu einer Senkung dieser Flughafenentgelte gekommen, weil ein mas­sives Wachstum nach der Krise – also wenn es jetzt von niedrigem Niveau wieder nach oben geht – die Flughafenentgelte entsprechend nach unten – eben um 45 Prozent – geführt hätte. Das ist der Zusammenhang.

Sie stärken damit heute vor allem die regionalen Flughäfen, Sie stärken und sichern dadurch auch die Einnahmen der regionalen Flughäfen. Es geht da um einen doch satten Betrag in zweistelliger Millionenhöhe in den nächsten Jahren bis 2026. Wir geben dadurch dem Drehkreuz Wien, aber auch den Regionalflughäfen die Möglichkeit zur Planung, zur Entwicklung, zur Weiterentwicklung, weil eben gerade die Regionalflug­häfen eine so entscheidende Bedeutung für Direktinvestitionen aus dem Ausland haben.

Was also auf den ersten Blick vielleicht wie eine kleine Novelle wirkt, hat auf den zweiten Blick doch eine sehr, sehr große Wirkung, gerade auf die regionalen Wirtschafts­stand­orte. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.52

13.53.00


Präsident Dr. Peter Raggl: Danke, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlos­sen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flughafenentgeltegesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.53.555. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (946 d.B. und 996 d.B. sowie 10710/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 83

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (938 d.B. und 997 d.B. sowie 10711/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (936 d.B. und 998 d.B. sowie 10712/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 5 bis 7, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um die Berichte.


13.54.39

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des National­rates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe außerdem den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Auch in diesem Fall stellt der Ausschuss für Verkehr nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile es ihm. – Bitte.


13.55.58

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Worum geht es bei der Änderung des Führerscheingesetzes? – Der erste Änderungspunkt betrifft eine nötige Anpassung des Gesetzes für die Führerscheinklasse B. Mit dieser sollte man in Zukunft auch Kraftwagen lenken dürfen, deren höchstzulässige Gesamtmasse mehr als 3 500 Kilogramm, aber nicht mehr als 4 250 Kilogramm beträgt, sofern es sich um Fahrzeuge mit alternativem Antrieb handelt, die für den Gütertransport eingesetzt werden, mit ihnen keine Anhänger gezogen werden, die 3 500 Kilogramm übersteigende Masse ausschließlich auf das zusätzliche Gewicht des Antriebssystems gegenüber dem Antriebssystem von Fahrzeugen


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 84

mit denselben Abmessungen, die mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren mit Fremd- oder Selbstzündung ausgestattet sind, zurückzuführen ist und die Ladekapazität gegen­über diesen Fahrzeugen nicht erhöht ist – unter der Voraussetzung, dass der Lenker zumindest zwei Jahre ununterbrochen im Besitz eines Führerscheins der Klasse B ist.

Diese Zusatzberechtigung gilt nur für den Verkehr in Österreich. Diese notwendige Maßnahme ist nachvollziehbar, zeigt aber auch, um wie viel mehr Gewicht vergleichbare Kraftfahrzeuge zum Beispiel durch die stetig mitzuführenden Batterien haben.

Ein weiterer Änderungspunkt betrifft die Regelung, wenn ein Lenker eines Kraftfahr­zeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat. Darunter versteht man erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleich­baren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder jedenfalls Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet – früher um 90 km/h, jetzt um 80 km/h – und außerhalb des Ortsgebietes – bis jetzt um 100 km/h und in Zukunft um 90 km/h.

Wenn es bei diesen Änderungen sowie bei erhöhten Strafen für die Beteiligung an uner­laubten Straßenrennen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen ge­blieben wäre, hätten wir Freiheitliche als anscheinend einzige Vertreter der Bevölkerungs­gruppe, die zur täglichen Mobilität ein Kraftfahrzeug benötigt, auch mitstimmen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Problematisch scheint zusätzlich, dass sich im Gesetz keine Legaldefinition findet, was unter einem illegalen Straßenrennen zu verstehen ist. Der vom Ministerium in den Aus­schuss entsandte Experte konnte auf meine Frage – er sprach mehrmals von einem massiven Anstieg von Straßenrennen, meine Frage dazu war: Wie viele Straßenrennen haben stattgefunden, dass die gesetzliche Änderung notwendig ist? – auch nach mehrmaligem Nachfragen keine Antwort geben.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, welche weiteren Voraussetzungen für den Tatbe­stand des illegalen Straßenrennens erfüllt sein müssen, wie etwa: Gibt es eine Min­destzahl an Beteiligten? Liegen illegale Straßenrennen auch dann vor, wenn es zu keinen Geschwindigkeitsübertretungen oder generell Übertretungen der StVO kommt? Im Zuge des Verfahrens wurden auch viele vernünftige Stellungnahmen abgegeben, zum Beispiel vom ÖAMTC, die nicht berücksichtigt wurden.

Wie man auch an diesem Gesetz und an den fehlenden Antworten der Experten sieht, geht es der türkis-grünen Einsperr- und Belastungsregierung aber nicht um eine Än­derung mit Hausverstand im Sinne von Umweltpolitik oder Sicherheitspolitik zugunsten der österreichischen Bevölkerung, sondern – wie man an den weiteren Änderungen förmlich spürt und erkennt – darum, die Bevölkerung zu spalten: in die laut der Verkehrs­blockadeministerin sogenannten Guten – jene Bevölkerungsgruppe, die mit den öffent­lichen Verkehrsmitteln fährt – und die sogenannten Bösen, die zum Beispiel zum täg­lichen Erreichen des Arbeitsplatzes, zum Einkaufen oder zum Transport von Gütern und so weiter auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sind.

Ich weiß, Sie als Staatssekretär sitzen jetzt da und kassieren die Watschen für die Umweltministerin, aber so ist es. Sie müssen es aushalten. (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ. – Staatssekretär Brunner schüttelt den Kopf.)

Man spürt förmlich den Hass der türkis-grünen Bundesregierung gegenüber der an­ständigen österreichischen Bevölkerung, die auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist. (Heiterkeit des Bundesrates Seeber. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Geh bitte! –


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 85

Bundesrat Schreuder: „Hass“ ...!) Unter dem Titel Sicherheit und wegen ein paar Unbelehrbaren, die Straßenrennen veranstalten, zückt die türkis-grüne Bundes­regie­rung, insbesondere die Bundesministerin, ihre Belastungskarte und erhöht zum Beispiel unter § 99 Abs. 2d StVO den Rahmen für Geldstrafen ausgehend von einer Mindest­strafe von 150 Euro bis zu unglaublichen 5 000 Euro für eine Überschreitung der erlaub­ten Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch anmerken, dass die von Verkehrsminister Norbert Hofer richtigerweise eingeführte Höchstgeschwindigkeitsgrenze von 140 km/h auf gewissen Autobahnabschnitten von Ihnen revidiert wurde, obwohl die alte Regelung, die 50 km/h im Ortsgebiet, 100 km/h im Freiland und 130 km/h auf der Autobahn vorsieht, auf dem Stand der Technik einer Zeit basiert, als das meistverkaufte Auto ein VW Käfer war. Der VW Käfer hat in seinem Bremsverhalten bei Tempo 100 einen Brems­weg von 55 Metern gehabt. Das heutige, ungefähr vergleichbare Modell, der VW Golf, bremst aus der gleichen Geschwindigkeit innerhalb von 35 Metern ab. (Zwischenruf des Bundesrates Appé.)

Es sei der grünen Bundesministerin ins Stammbuch geschrieben – bevor ich noch zu den zwei weiteren Tagesordnungspunkten 6 und 7 komme –: Hören Sie auf, die Bevöl­kerung, welche auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist, zu melken (Beifall bei der FPÖ), beispielsweise durch Strafen – dieser Tagesordnungspunkt – oder durch die Normver­brauchs­abgabe oder dadurch, die Steuern auf Treibstoffe zu erhöhen, obwohl die E-Fuels, die es der Bevölkerung möglich machen, mit den gleichen Kraftfahrzeugen ohne Geldabwertung umweltschonend und mit wesentlich weniger Schadstoffausstoß unter­wegs zu sein, von der ÖVP jahrelang teilweise blockiert wurden!

Hören Sie auf, die Blockade von Straßenbauten umzusetzen – aber dazu kommen wir heute eh später noch! (Heiterkeit der Bundesräte Ofner und Steiner.) Lassen Sie Ihren Hass jenen Personen zukommen, die ihn verdienen – zum Beispiel Personen, die eine 13-Jährige vergewaltigen, ermorden und dann an einen Baum lehnen –, aber nicht der anständigen österreichischen Bevölkerung, die auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Geh bitte! – Zwischenrufe der Bundes­rätinnen Schumann und Hauschildt-Buschberger.)

Beim Tagesordnungspunkt 6 geht es um die Novelle des Bundesstraßen-Mautgesetzes. Kurz: Worum geht es dabei? – Darum, die elektronische Maut für den internationalen Schwerverkehr so zu modifizieren, dass die Mautprellerei so weit verfolgt werden kann, dass die Mittel, die die Asfinag braucht, auch außerhalb von Österreichs Grenzen eingetrieben werden können und die Asfinag somit zu den ihr zustehenden Mitteln kommt.

Die Asfinag baut und erhält mit diesen Mitteln das hochrangige Straßennetz. Es gibt noch eine weitere gesetzliche Regelung bezüglich der EETS-Richtlinie über den grenz­überschreitenden Informationsaustausch – nicht nur für die Übertretung im Rahmen von elektronischen Mautsystemen, sondern generell für Mautsysteme, seien sie fahrleis­tungs- oder zeitabhängig, elektronisch oder auf physischen Mautstationen beruhend.

Zudem gelten diese Bestimmungen unabhängig von der rechtlichen Qualifikation der Mautpflicht im nationalen Recht. Die Bundesministerin wird als nationale Kontaktstelle für diesen Informationsaustausch im Sinne der EETS-Richtlinie fungieren. Der Bun­desminister für Inneres ist bereits jetzt Betreiber der österreichischen Eucaris-Anbin­dung, die in Umsetzung der CBE-Richtlinie in ähnlicher Weise zum Informations­aus­tausch mit anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Straßenverkehrssicherheit gefähr­dende Verkehrsdelikte genutzt wird. Diese bestehenden technischen Anbindungen an das Eucaris-System sollen auch für den Zweck der Identifizierung von Zulassungsbesitzern


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 86

und Fahrzeugen, bei denen der Verdacht der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut besteht, genutzt werden.

Die neuen Regelungen sollen zu einer Verbesserung der intermodalen Verknüpfung des Verkehrsträgers Straße mit anderen Verkehrsträgern beitragen und die Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel begünstigen, auch um den Anteil des Umweltverbundes zu steigern und die Stadtkerne möglichst vom Verkehr zu entlasten.

Die Verlagerung der Zuständigkeit vom Land zum Bund bezüglich der Bestimmungen zum Schutz der Straßen betreffend Bauten an Bundesstraßen, mit Ausnahme der Ent­scheidung über eine Entschädigung, Ankündigungen und Werbungen sowie Anschlüsse von Straßen und Wegen, Zufahrten, um eine österreichweit einheitliche Vorgangsweise sicherzustellen und einen einheitlich hohen Sicherheitsstandard im gesamten Netz zu gewährleisten, findet unsere Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

14.05


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Adi Gross. Ich erteile dieses.


14.05.46

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ein Kern der vorliegenden Novellen ist zu Recht das sogenannte Raserpaket, denn es ist kein Zeichen von Freiheit oder Coolness, auf den Straßen zu rasen, es ist vielmehr ein Zeichen von Verantwortungslosigkeit und eine Gefährdung anderer. Ganz besonders, Herr Kollege, gilt das für illegale Straßenrennen, eine ganz besonders dumme und fahrlässige Aktion, die Gesundheit Dritter mutwillig aufs Spiel zu setzen.

Es gibt leider immer noch Leute, in deren Händen ein Auto zur Waffe wird. Wenn jemand rasen möchte, dann möge er oder sie – also meistens er – das auf Rennstrecken tun und nicht auf öffentlichen Straßen. Auf Rennstrecken kann man es ja machen. (Bun­desrat Ofner: Schau einmal übers Lenkrad!) Ich glaube, dass vielen Rasern wahr­scheinlich gar nicht bewusst ist, was sie riskieren. So manche Autos suggerieren auch tatsächlich eine Beherrschbarkeit bei hohen Geschwindigkeiten, was eine völlige Illusion ist. (Bundesrat Steiner: Das kannst du gar nicht wissen, wenn du nie mit dem Auto fährst!) Auch die Bremswege werden mit mehr PS und Komfort nicht kürzer. (Bundesrat Ofner: ... Verkehrshindernis!)

Zu wenig über das eigene Verhalten nachzudenken, Herr Kollege, kann aber keine Entschuldigung sein. Gerade sie, diese Betroffenen, müssen lernen, dass Raserei kein erwünschtes Verhalten und lebensgefährlich ist, nämlich vor allem lebensgefährlich für andere. Es könnte ja auch sie treffen oder eine Freundin, einen Freund von ihnen, der sein Leben verliert, weil ein anderer den Fuß nicht vom Gaspedal nehmen will. (Bundesrat Steiner: So wie deine Asylanten! Deine Asylanten schlachten unsere ...! Das sind auch Mörder! – Ruf bei der SPÖ: Geh ... !)

344 Menschen sind 2020 auf Österreichs Straßen getötet worden. Das war ein Jahr mit wenig Verkehr. 2019 waren es über 400 Menschen, die getötet wurden. Ein Drittel davon starb aufgrund überhöhter Geschwindigkeit. 45 000 Menschen werden jährlich auf Öster­reichs Straßen verletzt – 45 000 Menschen! Also ich finde das eigentlich Grund genug, gegenzusteuern. Der Hass, Herr Kollege Bernard, den Sie ansprechen, ist einzig und allein Ihre Unterstellung, sonst nichts, oder es ist Ihr Hass, den Sie uns unterstellen. (Bundesrat Ofner: Na! Na! Da redets einmal ...!)

Es ist völlig absurd, von Maßnahmen gegen die Bevölkerung zu sprechen, weil sich die allermeisten – also die Bevölkerung – an die Geschwindigkeitsvorgaben halten. (Bundesrat


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 87

Ofner: Das versteht keiner! – Bundesrat Steiner: So brav wie sich deine Asylanten an die Gesetze halten!) Es geht ausschließlich – das wissen Sie natürlich auch – um die, die massiv schnell fahren. Offenbar vertreten Sie genau dieses Klientel. (Beifall bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: ... deine Asylanten an Gesetze halten!)

Im Europavergleich werden in Österreich sehr hohe Maximalgeschwindigkeiten akzep­tiert. In den fünf Staaten mit den wenigsten tödlichen Verkehrsunfällen in Europa gelten niedrigere Tempolimits. Im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2020 gab es in Österreich pro Million Einwohner – damit man es vergleichen kann – 44 Verkehrstote. In Norwegen waren es 19, also weniger als die Hälfte. Schweden peilt mit der Vision Zero – das ist überhaupt die einzig vertretbare Zahl – das an, wo es hingehen muss.

Mit 24 Verkehrstoten pro Million Menschen verzeichnete Schweden auch die niedrigste Zahl in der EU. Es gibt noch einen spannenden Zusammenhang: Staaten mit höherer Verkehrssicherheit, also weniger Toten und Verletzten (Bundesrat Steiner: Wie schaut es denn in Deutschland aus? Passen nicht in die Strategie hinein!), haben im Übrigen auch höhere Mindeststrafen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, und zwar massiv – in der Schweiz ab 155 Euro. (Bundesrat Ofner: Und Deutschland?!)

Fahren Sie einmal in der Schweiz auf einer Autobahn – ich mache das nicht oft, aber gelegentlich, es sind ja unsere Nachbarn –, dort ist es eine ganz andere Situation als bei uns, es läuft viel ruhiger ab. (Bundesrat Steiner: Und in Deutschland?) Niederlande: min­destens 165 Euro; Schweden: ab 250 Euro. Auch so gesehen ist die Anhebung des Strafrahmens also keineswegs überzogen, überhaupt nicht. 150 Euro sind, zumindest wenn um 30 km/h zu schnell gefahren wird, jedenfalls angemessen. Die zitierten 5 000 Euro, das wissen Sie, sind nur bei ganz, ganz besonders gefährlichem Verhalten der Fall – oder theoretisch der Fall. (Bundesrat Spanring: Ihr seid halt grüne Abzocker, das ist halt so! Abzockerpartei!)

Man hat im ORF gesehen – Meldung ORF Vorarlberg –, dass die Polizei gestern einen Raser gestellt hat (Bundesrat Steiner: Ganz ohne dein neues Gesetz haben sie es geschafft!), in dem Fall war es jemand mit einem Motorrad, der mit weit über 100 km/h, mit 140 km/h, durch den Ort gerast ist und damit das Leben anderer riskiert hat.

Im Speziellen werden Akzente bei wirklich drastischen Geschwindigkeitsüber­schreitun­gen gesetzt – das ist der Kern der Sache –, etwa mit der Verdoppelung der Führer­schein­entzugsdauer – das halte ich für eine sehr wirksame Maßnahme – und verpflich­tenden Nachschulungen. Das können nur erste Schritte sein. Wie Sie wissen, wird parallel an einer verfassungskonformen Umsetzung einer Beschlagnahmung des Fahr­zeugs bei besonders rücksichtslosen Wiederholungstätern gearbeitet.

Ziel muss wie gesagt sein, überhaupt keine Verkehrstoten mehr zu haben. Dieses Ziel wird vor allem durch einige wenige Unbelehrbare gefährdet, und um die geht es. Das oberste Prinzip auf den Straßen muss Rücksicht sein – viele, die allermeisten halten sich daran. Rücksichtslosigkeit hat aber keinen Platz. Das gilt auch sonst im Leben und muss zu Recht oder erst recht auf den Straßen gelten, weil diese wirklich ein sehr, sehr großes Gefahrenpotenzial haben.

Noch kurz zu den anderen diskutierten Änderungen im Bundesstraßen-Mautgesetz und im Bundesstraßengesetz: Es erfolgt eine wichtige Nachschärfung betreffend die Ein­bringung nicht bezahlter Mauten, das haben wir gehört. Ein, wie ich denke, sehr wichtiger Punkt im Bundesstraßengesetz ist, dass Park-and-ride-Anlagen Teil der Bundesstraßen sein können. Das ist, denke ich, ganz wichtig. Das ist eine wichtige Anpassung zur Stärkung der Schnittstellen vor allem zwischen Straße und Schiene, um das Umsteigen zu erleichtern. Profitieren werden da vor allem größere Städte in den Einfahrtsbereichen,


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 88

wo dann auch vom Bundesstraßenbetreiber Park-and-ride-Anlagen in Bahnnähe errich­tet werden können und auch werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.12


Präsident Dr. Peter Raggl: Danke.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Harald Himmer. Ich erteile dieses. – Bitte.


14.12.46

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren an sich ein Thema, bei dem für mich nicht ganz nachvollziehbar ist, dass wir da nicht alle einer Meinung sein können. Generell ist es ja so, dass durch die Steigerung der Verkehrssicherheit die Anzahl der Verkehrstoten über die Jahre tendenziell zurück­gegangen ist. Ich habe jetzt die Statistiken nicht genau vor mir, aber ich glaube, es waren früher bis zu über 1 000 Tote pro Jahr, die wir auf Österreichs Straßen gehabt haben, und das ist dann auf eine Dimension von ungefähr 400 Verkehrstoten hinunter­gegan­gen.

Die Unfallursachen sind Folgende: Bei einem Drittel der Unfälle spielt Alkohol eine Rolle, bei einem Drittel ist Ablenkung die Ursache – selten weil irgendeine attraktive Per­sönlichkeit auf der Seite vorbeigeht, sondern meistens geschieht die Ablenkung durch das Mobiltelefon –, und ein Drittel der Unfälle passiert wegen überhöhter Geschwin­digkeit, man kann es als Raserei bezeichnen. Daher ist logischerweise eigentlich in allen drei Bereichen anzusetzen.

Ich muss ehrlich sagen, ich habe schon im Ausschuss die Fragen des Kollegen von der Freiheitlichen Partei nicht ganz verstanden, nämlich dass der Beamte hätte definieren sollen, was ein Straßenrennen ist, und dass der zuständige Beamte im Ministerium auch keine Prozentsätze darüber gewusst hat, wie viele Straßenrennen jetzt wo wie genau stattfinden, und die Kritik, dass dieses Gesetz trotzdem zustande kommen würde. (Bundesrat Steiner: Das ist wohl eine berechtigte Frage, oder?! – Bundesrat Bernard: Wegen fünf Leuten wird das Gesetz geändert! Verdoppelte Strafe wegen fünf Personen!)

Es ist natürlich immer so, dass ein Gesetz viele kumulierte Ursachen hat. Ich habe es ja gerade beschrieben, ich glaube, wir reden von 400 Verkehrstoten in Österreich pro Jahr (Zwischenruf der Bundesräte Ofner und Steiner), und ein unmittelbarer Auslöser hat sich meines Wissens in Salzburg ergeben, wo ein 27-jähriges Mädchen in Eugendorf von einem Raser niedergefahren worden ist (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das war ein Straßenrennen!), die Frau Kollegin hat mir gesagt, sie hat Katharina geheißen. – Ich weiß nicht (in Richtung FPÖ), was es da zu lachen gibt. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Straßenrennen! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) – Bitte? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Straßenrennen!) Ich weiß nicht, was gibt es da zu schmunzeln, wenn ein 27-jähriges Mädchen von einem Raser getötet worden ist? Das verstehe ich jetzt wirklich nicht.

Ich bin auch gerne bereit, auf Zwischenrufe einzugehen; wenn man aber parallel dazu redet, dann ist es halt schwierig, darauf einzugehen. Ich hoffe also nicht, dass Sie es zum Lachen finden (Bundesrat Steiner: Wer hat denn geschmunzelt?), dass ein 27-jähriges Mädchen namens Katharina in Eugendorf von einem Raser umgebracht worden ist, der offensichtlich rücksichtslos durch den Ort gefahren ist. (Bundesrat Ofner: Sei nicht peinlich! – Bundesrat Bernard: Wer hat denn gelacht? Das sind Unterstellungen!)

Auch eure Fraktion appelliert ja mitunter an den Hausverstand, und ich glaube, dass man das da auch ohne Statistik schafft. Um jetzt also auf die Debatte zurückzukommen, die wir im Ausschuss hatten: Ich glaube, dass sich jeder ohne exakte Definitionen und


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 89

ohne übertriebene Statistik ungefähr vorstellen kann, was Raserei ist. Es kann sich auch jeder ungefähr vorstellen, was ein deppertes Autorennen ist, das gefährlich ist. (Bun­desrat Steiner: Wie viele solche gibt es denn?) Ich weiß also nicht, warum wir uns hier übermäßig darüber unterhalten müssen, ob jetzt, ich weiß nicht, das Fahren mit 200 km/h um den Wörthersee eine Raserei ist oder ob schon das Fahren mit 180 km/h auf der Westautobahn eine Raserei ist und ob es erst ein Autorennen ist, wenn vier Autos dabei sind, oder ob es noch kein Autorennen ist, wenn erst drei Autos dabei sind.

Ich sage, es geht einfach um depperte Raserei! Diese will man verhindern und daher hat man das auf diese Agenda gesetzt und daher werden die Maßnahmen verschärft und daher sagt man: Ja, wenn jemand Raserei betrieben hat – andere betrifft das ja nicht –, dann muss er jetzt tiefer in die Tasche greifen. Es wird ja niemand seiner Zukunft be­raubt, weil er einmal besonders viel Strafe zahlt, sondern das soll ihn zum Nachdenken bringen. Und wenn ihn das noch immer nicht zum Nachdenken bringt, dann sollen noch Nachschulungen und so weiter vorgenommen werden und dann soll er auch einmal zum Amtsarzt gehen, der ein bisschen überprüfen soll, was mit ihm los ist, dass er immer wieder das Leben anderer gefährdet.

Ich glaube also, das wäre auch in eurem Sinne als Sicherheitspartei, die ja auch die Menschen schützen möchte. Es ist ja auch Katharina eine Österreicherin gewesen, deswegen verstehe ich euer Ablenken mit Asylanten nicht, denn das hat mit dem Thema überhaupt nichts zu tun. (Bundesrat Spanring: Kinder schiebt schon ihr ab! ...!) Es ist eine liebe Österreicherin namens Katharina, die 27 Jahre alt war, ums Leben gekom­men, und ihre Mutter hat sich ganz besonders stark dafür eingesetzt, dass dieses Gesetz zustande kommt. (Bundesrat Spanring: Und das mit der Gedenkminute wart schon ihr! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) – Bitte, was war das jetzt? (Bundesrat Ofner: Die Pietätlosen seid schon ihr, ihr schafft nicht einmal eine Gedenkminute! Also tu nicht da draußen gescheit philosophieren!) – Also ich weiß jetzt nicht, wovon ihr sprecht – jetzt haben wir für irgendetwas keine Gedenkminute abgehalten. (Bundesrat Ofner: Du weißt schon, wovon wir reden!)

Fest steht: Raserei ist dumm! Raserei tötet Menschenleben! Deswegen gibt es von uns hier ein Signal, indem wir sagen: Nein zur Raserei! Wir wollen weniger Raserei und wir wollen dadurch mehr Menschen das Leben retten – that’s it! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

14.19


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile dieses. – Bitte.


14.19.13

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die ganze Diskussion ist jetzt ein bisschen weit ausgeufert. Ich persönlich kann nur sagen, man muss sich vorstellen, dass man ein Kind hat und das Kind zusammengefahren wird, weil irgend­einer ein Rennen veranstaltet. Dann, glaube ich, brauchen wir nicht mehr lange darüber zu diskutieren, welche Strafen es geben muss, weil dann jeder für sich selber wissen wird, was für Strafen es da geben muss, damit so etwas nicht passiert. Ich glaube, dort sollten wir wieder hinkommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Lackner.)

Dass Rennen nicht in Ortschaften oder auf Straßen gehören, brauchen wir, glaube ich, alle miteinander nicht zu diskutieren. Das sollen sie am Spielbergring machen oder auf anderen Rennstrecken, die dafür vorgesehen sind. Ich glaube, das wäre besser.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 90

Als Nächstes komme ich zum Bundesstraßen-Mautgesetz: Die grenzüberschreitende Verfolgung von Mautprellerei soll nicht erleichtert werden, sondern soll auch geahndet werden. Da können wir alle nur dafür sein.

Ich erwähne zum Schluss noch die Änderung betreffend Park-and-ride-Anlagen und die Umsetzung einer EU-Richtlinie, bei der es um Unfälle mit Gefahrstoffen geht. Diesen können wir nur zustimmen und wir werden auch zustimmen. Trotzdem bringen wir aber einen Entschließungsantrag ein, nämlich betreffend „keine Verzögerung in der Umset­zung der Autobahnen- und Schnellstraßenprojekte“.

Wie wir alle wissen – darüber werden wir heute wahrscheinlich noch einmal diskutieren, wenn Bundesministerin Gewessler da ist –, gibt es viele Neubauprojekte, deren Um­setzung am 29.6.21, also vor ein paar Wochen, durch eine Eigentümerweisung an den Vorstand der Asfinag gestoppt worden ist. Ich glaube aber, sie bringen Arbeitsplätze, daher muss man sie bauen. Man muss auch an die Menschen denken, die dort wohnen, weil diese den vielen Verkehr, den es gibt, einfach nicht mehr aushalten.

Es geht dabei um die S 1 Lobau – es weiß jeder, was ich damit meine –, die S 8 Marchfelder-Schnellstraße, die S 34, die Stadtstraße Aspern, den Ausbau der S 10 in Oberösterreich und der S 31 im Burgenland und so weiter und so fort – da könnte man noch viele Beispiele aufzählen. Ich glaube, es ist einfach wichtig, dass da ein Umdenken passiert, lieber Herr Staatssekretär und liebe Frau Bundesministerin, dass man das ein­fach wieder ändert, dass man diese Umbauarbeiten und diese Projekte einfach schnell wieder angeht.

Deshalb bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Verzögerung in der Umsetzung der Autobahnen- und Schnellstraßenprojekte“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin Leonore Gewessler wird aufgefordert, die an den Vorstand der ASFINAG am 29.06.2021 erteilte Eigentümer-Weisung, die einen Umsetzungsstopp für alle sehr wichtigen Projekte auf Autobahnen und Schnellstraßen bedeutet, sofort zurückzunehmen und zu ersuchen, dass angesichts der dramatischen Situation für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger dringende Schritte zur Beschleunigung der Umsetzung der im Bundesstraßengesetz festgelegten Projekte auf Autobahnen und Schnellstraßen umgesetzt werden.“

*****

Herzlichen Dank. Glück auf. (Beifall bei der SPÖ.)

14.22


Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Verzögerung in der Umsetzung der Autobahnen- und Schnellstraßenprojekte“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat - - Herr Staats­sekre­tär Magnus Brunner. (Staatssekretär Brunner – erheitert –: Ja, man ist das gewöhnt!) – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 91

14.22.57

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Lieber Herr Präsident! Das ist heute ein ganz, ganz wichtiger Schritt in Richtung mehr Verkehrssicherheit. Ich glaube, niemand hat Verständnis für jene, die mit ihrem Verhalten auf unseren Straßen Menschenleben gefährden.

Ich möchte vor allem auch den Ländern danken, denn die Initiative für dieses Paket ist aus den Bundesländern gekommen. Wir hatten dramatische Vorfälle mit illegalen Straßenrennen – Herr Himmer hat es angesprochen – in Salzburg, aber auch in Kärnten. Das war aus den Ländern heraus ein großer Wunsch, den wir dann natürlich auch gerne entsprechend aufgenommen haben. Bei diesen regelmäßigen schrecklichen Nachrich­ten über dramatische Unfälle musste einfach etwas getan werden. Das ist, glaube ich, jedem hier herinnen auch klar.

Daher gibt es nun dieses Fünfpunktemaßnahmenpaket, das Sie hoffentlich heute hier im Bundesrat beschließen. Es geht um das Vorgehen gegen echte Straßenrowdys, die einfach auch Menschenleben gefährden, gegen illegale Straßenrennen und dramatisch überhöhte Geschwindigkeiten. Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern muss auch ent­sprechend geahndet werden. Mit diesem Beschluss heute, glaube ich, bringen Sie mehr Sicherheit auf die Straßen und retten Menschenleben. Das ist, glaube ich, ganz entscheidend. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.24

14.24.26


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßen­ver­kehrs­ordnung 1960 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 92

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „keine Verzögerung in der Umsetzung der Auto­bahnen- und Schnellstraßenprojekte“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. Der Vorsitzende nimmt vom Stimmrecht Gebrauch, die Schriftführung auch. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (350/E-BR/2021) (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Spanring – in Richtung Bundesrätin Schwarz-Fuchs –: Super, das ist das freie Mandat! Gratuliere!)

14.27.288. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Finanzierung der Planung der Stadtregionalbahnprojekte Linz (932 d.B. und 999 d.B. sowie 10713/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)


14.27.58

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Geschätzter Herr Staats­sek­retär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend eine Ver­einbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Finanzierung der Planung der Stadtregionalbahnprojekte Linz.

Diese Vereinbarung wird abgeschlossen und abgewickelt, um die Planung der erfor­der­lichen Infrastruktur sicherzustellen und dadurch den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und eine nachhaltige Mobilität zu fördern.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.


14.29.00

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Genau vor einer Woche habe ich in Linz die Landtagssitzung besucht, und es war tatsächlich so, dass mich ein Beschluss dort außerordentlich erfreut hat. Es fiel endlich der Startschuss für die Linzer Stadtbahn. Heute schaffen wir mit der Zustimmung zur 15a-Vereinbarung die weitere Grundlage für diese.

Lassen Sie mich aber ganz kurz zurückschauen, die Geschichte der Durchbindung der Mühlkreisbahn ist nämlich bereits eine sehr lange, und zwar eine, bei der es sehr viele Ankündigungen gab und bei der über die vielen Jahre leider auch sehr viel Vertrauen bei der Bevölkerung verspielt wurde. 25 Jahre Arbeit waren ergebnislos.

Es wurden zahlreiche Studien gemacht und Konzepte erstellt, verschiedene Varianten der Attraktivierung der Mühlkreisbahn durch das Linzer Stadtgebiet diskutiert und auch


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 93

wieder verworfen. Um nur ein paar Studien zu nennen: Es gab schon 1995 eine Pro­gnosestudie, dann gab es die Basler-Systemstudie 1999, es gab ein strategisches Schienenverkehrskonzept für Oberösterreich 2002, die ÖBB-Studie über die Einbindung der Mühlkreisbahn in den Linzer Hauptbahnhof, das RegioTram-Konzept 2008 und im Jahr 2012 die Vergleichsstudie eines Grazer Planungsbüros. 2016 gab es noch eine weitere vergleichende Systemstudie, die Studie Zukunft Mühlkreisbahn und, wie ich eben schon erwähnt habe, ganz viele weitere Konzepte.

Schlussendlich ist es gelungen, ein koordiniertes und abgestimmtes Konzept zur Um­setzung zu entwickeln. Die Vereinbarung, die heute hier vorliegt, ist nach den vielen Jahren der Vorarbeit ein wirklicher Durchbruch. Die Geschichte hat gezeigt, dass es wirklich wichtig ist, dass die Grünen Teil der Bundesregierung sind. Mit Bundesministerin Gewessler haben wir erstmals eine Verantwortliche an der Spitze des Verkehrsressorts, die den Schienenausbau massiv vorantreibt. Nach all den Jahren ergebnisloser Planun­gen und Diskussionen war und ist eine grüne Verkehrsministerin die optimale Voraus­setzung, damit dieses Jahrhundertprojekt nun endlich Realität werden kann. Die Durch­bindung der Mühlkreisbahn und die Stadtbahn nach Pregarten sind wichtige Projekte im Bereich öffentlicher Verkehr für den Zentralraum und bedeuten einen historischer Schub für den öffentlichen Verkehr in Oberösterreich.

Fast 110 000 Menschen pendeln täglich nach Linz, derzeit 75 Prozent mit dem Auto. Für diese Menschen ist die Stadtbahn eine wirkliche Alternative zum Pkw, und vor allen Dingen eine klimaschonende Alternative zu Stau und Stress, die derzeit die Pend­lerInnen belasten. Mit dem 1-2-3-Ticket gewinnt das Ganze noch zusätzlich an Attrak­tivität. Klimaschutz und Gesundheitsschutz werden in den Vordergrund gerückt, es gibt weniger Lärm, weniger Abgase und bessere Luft.

Die 15a-Vereinbarung heute ist der erste Fall einer solchen Umsetzung, dem weitere in anderen Bundesländern folgen werden. Der Beschluss heute ist ein wesentlicher, ein zentraler Schritt zur längst überfälligen Verkehrswende Oberösterreichs. Daher ersuche ich um und danke für die breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.33


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Judith Ringer. – Bitte.


14.33.09

Bundesrätin Ing. Judith Ringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerin­nen und Zuschauer! Ich darf Sie jetzt gedanklich in mein Heimatbundesland Oberöster­reich entführen: Stellen Sie sich vor, Sie wohnen im wunderschönen Mühlviertel und arbeiten in einem Unternehmen in Linz mit Schichtbetrieb. Was heißt das? – Das heißt, dass Sie täglich zweimal im Stau stehen – in einem Stau, der Ihre Nerven belastet, der Sie Zeit kostet, zu dem es aber wahrscheinlich wenig Alternativen gibt. Über 300 000 Mal täglich wird die Stadtgrenze Linz von Ein- und Auspendlern überquert.

Staus belasten nicht nur die Pendlerinnen und Pendler, sondern auch die umliegenden Bewohnerinnen und Bewohner sowie, wie sich jeder leicht ausmalen kann, die Umwelt durch Schadstoffe, Lärm und anderes. Damit soll jetzt aber Schluss sein: Mit der neuen Oberösterreichischen Regional-Stadtbahn wird all dies der Vergangenheit angehören. Mit dieser Bahn gibt es eben eine echte Alternative, ein attraktives öffentliches Verkehrs­netz.

Die Realisierung dieses Projektes kostet jedoch Geld, viel Geld. Allein die Planungs­kos­ten betragen 26,5 Millionen Euro, aber mit der Vereinbarung, die wir heute beschließen werden, übernimmt der Bund die Hälfte davon. Diese Unterstützung bei den Planungs­kosten ist ein wichtiger Schritt, um dieses Jahrhundertprojekt wirklich realisieren und


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 94

damit den Menschen eine umweltfreundliche, emissionsschonende und zeitsparende Alternative zum Individualverkehr bieten zu können.

Mit dieser Investition wird ein wichtiger Meilenstein für den Wirtschaftsstandort Ober­österreich gesetzt, für die Lebensqualität der Menschen und vor allem zur Erreichung der Klimaziele. Auch für unsere Studentinnen und Studenten wird es dadurch leichter, mit den Öffis unterwegs zu sein. Mobilität ist ein wichtiger Faktor in unserem Leben, darum ist es wichtig, den Menschen eine klimafreundliche und schnelle Alternative bieten zu können. Genau das geschieht durch die Oberösterreichische Regional-Stadtbahn.

Ich bedanke mich bei allen Beteiligten sehr herzlich für den Schulterschluss, der dieses Projekt erst möglich macht, allen voran bei unserem Landeshauptmann Thomas Stelzer. Wir können dieser Vereinbarung nur zustimmen und damit einen wichtigen und wesent­lichen Schritt in eine klima-, umwelt- und damit menschenfreundliche Zukunft setzen. (Bundesrat Spanring: Applaus! – Bundesrat Steiner: Also so schlecht war die Rede auch wieder nicht! – Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.36


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Bettina Anna Lancaster. Ich erteile dieses.


14.36.50

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuseherinnen via Livestream und vor Ort! Als Oberösterreicherin bedanke ich mich recht herzlich für das letztendliche Zustandekommen dieser Artikel-15a-Vereinbarung. Kollegin Hauschildt-Buschberger hat bereits einen Rückblick auf die Entstehung dieses Projekts gegeben. Es ist für uns ein Schritt von einer Verkehrspolitik hin zu einer Mobilitätspolitik.

Dem vorliegenden Entwurf zur Finanzierung und Planung der Stadtbahnprojekte in Linz können wir nur zustimmen. Linz braucht dringend eine Entlastung der Verkehrswege. Viele Pendler und Pendlerinnen brauchen die Durchbindung der Mühlkreisbahn an den Linzer Hauptbahnhof. Der öffentliche Verkehr kann sich nur mit gesteigerter Attraktivität gegen den privaten motorisierten Individualverkehr durchsetzen. Mit den geplanten Projekten wird ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Mit dem Schienenverkehr fördern wir das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, und das findet unsere vollste Unter­stützung. Gehen wir aber bitte gleich auch den folgenden Schritt: Die Pendler und Pendlerinnen würden eine Weiterführung bis Pregarten dringend brauchen.

Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen, um nochmals im Allgemeinen, also beispielhaft, auf die prekäre Anbindung des ländlichen Raums an das Netz öffentlicher Verkehrsmittel hinzuweisen. In meiner Gemeinde gibt es zum Beispiel eine öffentliche Buslinie über die gesamte Länge des Ortsgebietes. Manche Bürgerinnen und Bürger haben bis zu 5 Kilometer zurückzulegen, um zur örtlichen Bushaltestelle zu gelangen. Das liegt nicht an fehlgeleiteten Widmungen der letzten Jahrzehnte, sondern an der traditionellen Bebauung eines landwirtschaftlich geprägten Ortes.

Von diesen Haltestellen gibt es dann jeweils dreimal täglich eine Anbindung an das regionale Schienennetz der Nachbargemeinde Pettenbach und der Bezirksstadt Kirchdorf an der Krems: in der Früh, zu Mittag und am späten Nachmittag. Das ist zu wenig, um attraktiv zu sein. Der Umstieg auf das öffentliche Verkehrsmittel ist in meiner Gemeinde angesichts der gegenwärtigen Mobilitätsanforderungen, die an die Menschen gestellt werden, nicht praktikabel. Meine Gemeinde steht damit nur stellvertretend für eine Menge anderer ländlicher Gemeinden.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 95

Nur beispielhaft zu den Regionalbahnen nenne ich die Almtalbahn, die Verbindung von Grünau im Almtal nach Wels-Hauptbahnhof: Regelmäßig mussten sich die Almtal­ge­meinden organisieren, um für den Erhalt der Almtalbahn zu kämpfen. Das letzte Mal vor gut drei Jahren.

In einem Leaderprojekt wurde mit hoher Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ein Konzept für die Attraktivierung ausgearbeitet. Zum Beispiel wurden der Stundentakt, die Elektrifizierung und eine Durchbindung bis zum Linzer Hauptbahnhof erarbeitet – ein gutes Projekt mit breiter Beteiligung. Das Engagement zeigt, dass den Menschen im ländlichen Raum ein attraktives öffentliches Mobilitätsangebot ein wichtiges Anliegen ist. Wir brauchen das Miteinander von Bund, Land und Gemeinden, um das öffentliche Verkehrsnetz auch für die Lebensstile des ländlichen Raums passend und attraktiv zu gestalten (Beifall bei der SPÖ), die Transformation bei der Verkehrsmittelwahl weg von privat und motorisiert kann sonst nicht gelingen.

Wenn wir nicht achtgeben und die Politik nicht die richtigen Rahmenbedingungen schafft, wird der ländliche Raum als Lebensmittelpunkt weiter an Attraktivität verlieren. Das Leben auf dem Land wird bei steigenden Energie- und Mobilitätskosten immer weniger leistbar. Die Landbevölkerung ist in viel höherem Maß von der individuellen motorisierten Mobilität abhängig.

Die ländliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass zur Erledigung der Alltagsgeschäfte viele Kilometer zurückgelegt werden müssen. Die Ausdünnung der Infrastruktur in unseren Dörfern ist weit fortgeschritten: kein Postamt, kein Nahversorger, keine Bank – um nur drei zu nennen, die wesentlich für das Alltagsleben sind. Alles, was keine Frequenz brachte, wurde und wird zugesperrt, da es unrentabel ist. Auf Grund­versorgung wurde gepfiffen, und den Bürgerinnen und Bürgern wurde mitgeteilt, 15 Auto­minuten seien heutzutage jedem zumutbar. – Ich sage: Das ist ganz einfach ein falscher Ansatz mit fatalen Folgen für die künftige Lebensqualität im ländlichen Raum. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Einheit für Distanz können und dürfen nicht Autominuten sein. Ich erwarte den Tag, an dem die Distanz in Öffentliche-Verkehrsmittel-Minuten gemessen wird, nur so können wir nämlich ein attraktives öffentliches Verkehrsnetz für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stellen.

Ich bitte Sie (in Richtung Staatssekretär Brunner) daher in Ihrer Verantwortung, dass Sie die peripheren Räume unterstützen und auch für die ländlichen, dezentralen Gebiete ein zeitgemäßes Mobilitätsangebot schaffen. Die Einbindung der Mikroöffis in das 1-2-3-Ticket, die Elektrifizierung der Nebenbahnen, deren der Ausbau und Anbindung an die Zentralräume sind das Gebot der Zeit. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.43


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Thomas Dim. – Bitte.


14.43.36

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da sich Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger schon bei ihrer Ministerin bedankt hat und die Kollegin von der ÖVP bei ihrem Landes­haupt­mann, habe ich jetzt nur noch darauf gewartet, dass sich auch Kollegin Lancaster bei ihrer Landesrätin Gerstorfer bedankt. Die hat nämlich genauso viel wie der Herr Landes­hauptmann mit diesem Projekt zu tun.

Im Grunde genommen freut es uns als Oberösterreicher natürlich, dass sich der Bund mit der Übernahme der Hälfte der Kosten daran beteiligt, aber ich bin jetzt schon seit


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 96

30 Jahren in der Politik und, Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger, ich kann mich noch an eine Pressekonferenz im Jahr 1993 erinnern, bei der sich unser Landesrat Günther Steinkellner – damals mit dem Verkehrsstadtrat von Linz Horst Six – dieses Projekt gewünscht hat. Es liegt also schon mehr als 25 Jahre, nämlich sogar 27 Jahre, zurück, dass sich unsere Partei dafür eingesetzt hat. Da waren die Grünen noch nicht im Land­tag. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Hoffnung, dass in absehbarer Zeit – und ich betone: in absehbarer Zeit und nicht erst in 30 Jahren – die täglichen Staus durch Linz, vor Linz und aus Linz hinaus etwas erträglicher und vielleicht auch eingeschränkt werden, habe ich tatsächlich. Das Ganze ist natürlich gut für Linz, gut für das Mühlviertel und gut für den Zentralraum.

Wie schaut es aber – und auch da hat Kollegin Lancaster schon eine Vorrede geleistet – in anderen Regionen aus, in anderen aufstrebenden Regionen in Oberösterreich? Wenn ich beispielsweise an meine Heimat im Innviertel denke: Die ist ebenso ein prospe­rieren­der, wirtschaftlich aufstrebender Bereich in Oberösterreich, und der Umstieg auf öffent­liche Verkehrsmittel ist dort schon mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Dabei wohne ich in Ried sogar an einem Verkehrsknotenpunkt, das aber auch nur, weil unser Verkehrslandesrat sich 2019 dazu entschlossen hat, die Hausruckbahn nicht zu schließen. Die ÖBB hätten nämlich 2019 diese Nebenbahn eingestellt, und nur durch Mittel des Landes konnte diese Bahnverbindung aufrechterhalten werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Verbindung von Ried in den Zentralraum Wels/Linz ist ja noch erträglich, sie ist mit ungefähr 1 Stunde Fahrzeit mit dem Auto vergleichbar. Wenn man aber nach Salzburg fahren will, braucht man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schon über 2,5 Stunden. Wisst ihr, wohin man in dieser Zeit von Ried aus mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auch schon kommt? – Nach München. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass das Innviertel erst 1779 zu Österreich gekommen ist, also erst vor rund 240 Jahren. Darum wird diese Region ein bisschen stiefmütterlich behandelt. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.) – Teschener Frieden (erheitert), danke. Der Herr Kollege ist auch geschichtlich bewandert.

Also gut, jetzt kommt das 1-2-3-Ticket. Die nötige Infrastruktur ist aber von einem attraktiven Angebot gerade im ländlichen Bereich noch ein bisschen weit entfernt. Wir haben vor einer Woche im Gemeinderat in Ried die Zustimmung zum 1-2-3-Ticket gegeben, man kann dann auch den Citybus in Ried damit benützen. Es ist also alles auf Schiene, wunderbar. Ich frage mich aber schon: Das 1-2-3-Ticket wird so gerne als Klima­ticket verkauft. Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie mir dann noch eine Antwort geben: Wie wird das evaluiert? Also wie stellt man fest, wie viele vom Individualverkehr im Endeffekt tatsächlich auf den öffentlichen Verkehr umgestiegen sind, denn nur dann würde ja das Klimaticket diesen Namen auch verdienen? (Beifall bei der FPÖ.)

Wie hoch ist also der Mitnahmeeffekt bei jenen Leuten, die jetzt sowieso schon die öffentlichen Verkehrsmittel benützen? Hätte man nicht vielleicht das Geld für dieses 1-2-3-Ticket – ich verstehe schon, das ist ein Prestigeprojekt der Grünen (Bundesrat Spanring: Das einzige!), und als Koalitionspartner muss man da natürlich mitziehen, das ist klar – besser zuerst in den Ausbau der Infrastruktur stecken und Hand in Hand damit die Ticketpreise günstiger machen sollen? – Ich glaube, dann wäre es für die Bevölkerung im Endeffekt leichter, umzusteigen. Dann kann man von einem Klimaticket reden.

Ich oute mich gerne als Benützer des öffentlichen Verkehrs, aber es muss einen Sinn haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.48

14.48.47



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 97

Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich darf Herrn Bundesminister Martin Kocher recht herzlich im Bundesrat begrüßen. (Bei­fall bei der ÖVP.)

14.49.389. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das Arbeitskräfte­über­lassungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wer­den (943 d.B. und 1011 d.B. sowie 10692/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird (1773/A und 1012 d.B. sowie 10693/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Sonderunterstützungs­gesetz geändert werden (1776/A und 1015 d.B. sowie 10694/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 9 bis 11, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Andrea Holzner. – Ich bitte um die Berichte.


14.50.16

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 98

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich bringe ich noch den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


14.52.00

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Das Gesetzespaket, das wir soeben diskutieren, enthält zwei für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ganz, ganz schlechte Punkte, die man nur ablehnen kann. Das eine ist das Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungs­gesetz, dazu wird Kollege Schachner sprechen. Mit diesem eröffnet man Lohn- und Sozialdumping als Geschäftsmodell.

Das zweite Gesetz, das uns große Sorgen bereitet und von dem wir nicht wissen, warum man es nun verschlechtern muss, ist das Sonderunterstützungsgesetz. Da geht es um 600 Bergleute. Sie verschlechtern deren Lebenssituation und Sie greifen in Sozialpläne ein – nicht verhandelt, als Initiativantrag. Bergleute arbeiten in der Hitze, in der Kälte, bei Staub und Dreck. Arbeiten im Bergwerk bedeutet nicht, im klimatisierten Raum zu arbeiten und schöne Reden zu halten. Sie verschlechtern die Situation der Arbeit­nehmerinnen und vor allen Dingen – in dem Fall sind es Männer – der Arbeitnehmer. Man fragt sich schon: Wie kann einem Derartiges einfallen? Sitzen Sie in Planungs­gruppen zusammen und überlegen sich, wie Sie das Leben der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschlechtern können? Sie haben die Grünen als perfekte Zaungäste in diesem System. Ich verstehe wirklich nicht, warum die Grünen nicht stärkere Gegenwehr gegen diese furchtbaren Verschlechterungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeiter­nehmer leisten! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt keine Angleichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten, die Hacklerregelung wurde abgeschafft! Die Hacklerregelung, die jetzt für Frauen greifen würde, gibt es nicht mehr – die schauen nun durch die Finger. Die Lohnanpassung wurde gestrichen! Sie fördern das Lohn- und Sozialdumping als Geschäftsmodell. Schwan­gere wurden im Stich gelassen! Es ist eine Krise unglaublichen Ausmaßes mit Arbeitslosen ohne Ende – und als Höhepunkt erhöhen Sie, Herr Bundesminister, den Druck auf die Arbeitslosen. Da läuft etwas in eine völlig falsche Richtung. Es braucht höhere Löhne und nicht erhöhten Druck auf die Menschen, die ihre Arbeit verloren haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Fakt ist – und das wissen Sie ganz genau –: Arbeitslose wurden auch während der Coronapandemie kontrolliert und gegebenenfalls sanktioniert. Wer tatsächlich keine für ihn oder sie geeignete Arbeitsstelle annimmt, muss mit der Streichung des Arbeits­losengeldes rechnen. Mehr Druck auf Arbeitslose bringt allerdings keinen einzigen neuen Job, sondern vergrößert den Niedriglohnsektor und erhöht die Erwerbsarmut. (Beifall bei der SPÖ.) Die Betroffenen werden stigmatisiert und nehmen dann unter


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 99

Druck schlechtere Stellen an. So kommt es zu einem Lohndruck und in weiterer Folge zu einem noch größeren Niedriglohnsektor und damit zu höherer Erwerbsarmut. Zu­sätzlich treten dann Qualifizierung und Ausbildung in den Hintergrund. Das kann doch für unser Land und vor allen Dingen in Hinblick auf die zukünftigen wirtschaftlichen und klimapolitischen Herausforderungen nicht der richtige Weg sein.

Herr Bundesminister! Sie haben in der letzten Bundesratssitzung zum Thema, wann nun endlich das Programm Sprungbrett für langzeitarbeitslose Menschen beginnt, gesagt: „Ich verstehe auch nicht ganz, warum immer gesagt wird, wir warten zu lange.“ – Stellen Sie sich vor, wir hätten dieses Programm schon vor drei Monaten gestartet – in einer Phase, in der noch bei Weitem mehr Menschen arbeitslos waren, in der bei Weitem weniger Beschäftigung geschaffen worden ist! Dann hätten diese zusätzlichen Arbeits­plätze Leute verdrängt, sie hätten keine Förderung bekommen. Dieser Verdrängungs­effekt ist im Aufschwung bei Weitem geringer. Deswegen macht es ja auch absolut Sinn, zu diesem Zeitpunkt, wenn der Aufschwung da ist, das Programm auszurollen. All das macht Sinn.

Herr Bundesminister! Diese Haltung ist schon erstaunlich für einen Arbeitsminister, weil es übersetzt heißt: Na, warten wir ab mit den Arbeitsmarktprogrammen, vielleicht tut sich ja noch etwas am Arbeitsmarkt! – Aber nein, das kann doch nicht der Weg sein! Wir brauchen jetzt sofort Qualifizierungsprogramme und nicht, bis sich die Situation am Arbeitsmarkt verbessert. Das kann es nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben Langzeitarbeitslosenzahlen, dass die Tür nicht zugeht, wir befinden uns mitten im größten Umbruch der Arbeitswelt seit vielen Jahrzehnten, und Sie sagen: Ab­warten, das wird sich schon regeln!

Herr Bundesminister! Sie wären auch zuständig für die Arbeitsbedingungen von Arbeit­nehmern und Arbeitnehmerinnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Ausbeutung von Arbeitskräften darf in Österreich nicht vorkommen. Für uns alle muss klar sein, dass die Arbeitslosigkeit und die Gefahr, arbeitslos zu werden, in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Jene Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, die so viele Jahre ganz fleißig und spitzenmäßig, mit vollem Einsatz und begeistert gearbeitet haben, haben ihre Arbeit verloren. Das ist im Mittelstand angekommen, und das darf nicht sein.

Herr Bundesminister! Sie drohen Arbeitslosen mit Sanktionen, wenn sie Jobangebote ablehnen, und fordern, dass auch Arbeitslose aus anderen Branchen in Berufe in der Tourismusbranche vermittelt werden sollen, sobald diese nicht mehr dem sogenannten Berufs- und Einkommensschutz unterliegen. Was heißt das? – 100 Tage, also etwa drei Monate, unterliegen Arbeitslose einem Berufsschutz. Das heißt, sie müssen keine Arbeit annehmen, die nicht ihrem bisherigen Beruf entspricht, zum Beispiel muss ein Wirt­schaftsforscher dann keine Küchenhilfe werden. Findet man in den ersten 100 Tagen allerdings keine Arbeit im bisherigen Beruf, was in der Coronakrise bei der Masse an Arbeitslosen und den wenigen angebotenen offenen Stellen keine Seltenheit war, dann gibt es keinen Berufsschutz mehr. Auch mit dem Übertritt in die Notstandshilfe fällt der Berufsschutz weg.

Ähnlich ist das mit dem Schutz des Einkommensniveaus. In den ersten 120 Tagen hat man noch Anspruch auf einen Arbeitsplatz, bei dem man 80 Prozent des Letztein­kom­mens verdient, dann bis zur Notstandshilfe 75 Prozent des Letztverdienstes. Fällt man dann in die Notstandshilfe, besteht kein sogenannter Entgeltschutz mehr. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

In Österreich schützen immer mehr Vollzeitjobs nicht mehr vor Armut. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es gibt 300 000 Menschen in Österreich, die arm oder armutsgefährdet sind, obwohl sie hackeln, obwohl sie arbeiten. Sie sind BäckerInnen oder sie arbeiten in der Gas­tronomie. Am Anfang des Lockdowns haben viele von ihnen die Kündigung bekommen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 100

Die Kurzarbeit hat gegriffen – nun öffnen Handel, Hotellerie und Gastro wieder, und sie suchen Personal, das sie vor einem Jahr noch vor die Tür gesetzt haben. Mittlerweile haben sich viele Gekündigte jedoch anders orientiert oder bessere Arbeitsplätze gesucht – das ist ja selbstverständlich! Und auch viele, die aus den Nachbarländern zu uns zur Arbeit gekommen sind, haben sich in ihren eigenen Ländern Arbeitsplätze gesucht, denn nach einem Jahr Arbeitslosigkeit – gerade bei uns, mit nicht einmal 55 Prozent vom Letzteinkommen – brauchen viele einen Arbeitsplatz, der genug zum Leben bietet, mit dem sie ihr Leben bestreiten können, mit dem sie ihre Miete und ihre Rückstände zahlen können.

Wir wissen aus vielen Fällen: Arbeitgeber, die gut mit ihren Beschäftigten umgegangen sind, haben sie auch während der Krise gehalten – und die sind wieder zurückge­kom­men.

Es ist ja auch eine beliebte Forderung, man möge doch bitte als Arbeitnehmerin, Arbeitnehmer flexibler sein und in ein anderes Bundesland wechseln. Ja, gut – gute Idee! Dann machen wir es bitte so wie bei den Managern: Wir bieten den Personen erstens eine Wohnung am neuen Arbeitsort, auch für die Partnerin, den Partner eine Möglichkeit zu arbeiten, Kinderbetreuung, Schule – all das und die Sicherheit, dass sie länger an dem Arbeitsort bleiben können. So funktioniert der Wechsel von einem Ort zum anderen, aber nicht Marke: Schau, wechsel irgendwohin, gehst halt, und dann schau halt, küm­mere dich um deine Umgebung! – So kann es nicht funktionieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, die Diskussion um die Arbeitslosen, die Arbeitslosen in Misskredit und in Verruf zu bringen, ist keine gute Idee, weil es in einer Zeit, in der wir bereits von der Pandemie so schwer gebeutelt sind, gesellschaftlich noch mehr zur Spaltung beiträgt. Jetzt die Diskussion über Menschen, die nicht arbeiten oder nicht fleißig sind, zu beginnen, das ist nicht richtig und nicht gut.

Wir stehen wie gesagt durch die Digitalisierung, durch den Klimawandel vor dem größten Wandel der Arbeitswelt insgesamt. Da sind unglaubliche Ängste da, es werden Men­schen ihre Arbeit verlieren und sie brauchen Perspektiven. Jetzt zu sagen: Arbeitslose, da müssen wir den Druck ansetzen!, das ist absolut der falsche Weg. So kann man mit Menschen nicht umgehen, und so werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kraten auf keinen Fall mit den Menschen umgehen, die unverschuldet ihre Arbeit verloren haben und jetzt Unterstützung brauchen, damit sie wieder eine Perspektive be­kommen, damit sie wieder einen Arbeitsplatz bekommen. Das ist ein Bashing unglaub­lichen Ausmaßes, und so geht man mit Menschen nicht um. (Beifall bei der SPÖ.)

15.01


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesrätin. – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile es. (Ruf bei der SPÖ: Der Arbeitsmarktexperte kommt!)


15.01.51

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Wer­ter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Nach der soeben gehörten gewerkschaftlichen Klassenkampf­rhetorik (Rufe bei der SPÖ: ... Klassenkampfrhetorik ...! Hör auf mit dem Klassenkampf! ...! Wir haben nur die Wahrheit gesagt ...! – Zwischenrufe bei der FPÖ) möchte ich ganz gerne – beim Zuhören kann man vielleicht auch noch das eine oder andere lernen – wieder das eine oder andere an Sachlichkeit bringen (Bundesrätin Grimling: Komisch, immer nur ihr seids sachlich!) und vor allem die großen Leistungen, die vonseiten des Arbeitsministeriums, des Arbeitsministers gebracht wurden, auch etwas ins richtige Licht


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 101

rücken. (Bundesrätin Grimling: Ja, ins richtige Licht ...!) Diese Art hier – was hier ge­boten wird – passt einfach nicht zu dem Thema.

Arbeit ist Sinnerfüllung: Sinnerfüllung nach der katholischen Soziallehre. (Bundesrätin Grimling: Sinnerfüllung, ja, aber nicht in Wien wohnen, in Vorarlberg ...! Das darf ja nicht wahr sein, Sinnerfüllung!) Bei der Maslow’schen Bedürfnispyramide kommt Arbeit nicht vor, weil sie für viele eben kein Bedürfnis ist. Zum Glück gibt es in Österreich viele, sehr viele Menschen, die durch Selbstständigkeit – als Unternehmer, Unternehmerin, als Landwirt, Landwirtin – oder auch in einem Beschäftigungsverhältnis mit ihrer Arbeitsleis­tung ein Einkommen erwirtschaften, um ihr eigenes Leben und auch das Leben der Familie finanzieren zu können. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Unser Sozialnetz muss natürlich – da gebe ich Ihnen recht – für jene da sein, die unver­schuldet kein Einkommen erwirtschaften können. Eines aber muss ganz klar sein: Wer arbeiten kann und nicht arbeiten will, der muss mit Sanktionen rechnen. Die Hängematte sollte nur im Sommer zum Ausspannen und zum Erholen benutzt werden. Es kann doch nicht sein, dass vor allem derzeit viele Gastronomiebetriebe händeringend Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter suchen und auf der anderen Seite arbeitsfähige Personen als arbeitslos gemeldet sind. (Ruf bei der SPÖ: Genau! – Bundesrätin Grimling: Ja, natürlich, ja! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben – und das wissen Sie ganz genau – 108 000 offene Stellen. In vielen Bundesländern, wie auch in der Steier­mark, ist die Zahl der offenen Stellen, die beim AMS gemeldet sind, fast gleich hoch wie die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen.

Arbeitslose, die zumutbare Jobs nicht annehmen wollen (Bundesrätin Schumann: In Vorarlberg!), haben mit Sanktionen zu rechnen. Ja selbstverständlich, da muss das Arbeitslosengeld und das Notstandshilfegeld klarerweise reduziert werden. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Danke, Herr Minister, dass Sie das auch so klar kommuniziert haben! (Bundesrätin Schumann: Ja, danke! Danke, das hab ich schon lang nicht gehört! – Bundesrätin Schartel: Das ist ja grad ein ÖVPler! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Offene und ehrliche Worte sind in der Politik ja Gott sei Dank von der jetzigen Regierung gegeben.

Neben den vielen offenen Stellen gibt es sehr viele Qualifizierungsangebote, auch das Programm Sprungbrett, mit dem die Langzeitarbeitslosigkeit ja effektiv bekämpft wird. Sie müssen sich das alles genauer anschauen und nicht immer in Ihren alten Unterlagen nachstöbern. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit und Rufe bei der SPÖ: Ja, das haben wir uns sicher angeschaut ...! Der hat nicht einmal einen Arbeitslosen noch von der Weite gesehen, der Kollege!)

Ein wesentlicher Punkt ist die Bildung. Der von der Regierung geschaffene Bildungs­bonus wird im Moment von immerhin 22 000 Personen bezogen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da geht es um eine Unterstützung der Personen, die arbeitslos geworden sind und eine Qualifizierungsmaßnahme, die länger als vier Monate dauert, absolvieren. Diese bekommen Arbeitslosengeld, und mit den 180 Euro zusätzlich – das wurde bis jetzt auch noch nicht erwähnt, aber das ist ein Faktum – ist es möglich, dass man auch länger dauernde Qualifizierungsangebote annimmt. Gerade im Bereich der so wichtigen Pflegeausbildung – Pflege, Betreuung, das muss man auch auseinanderhalten; für viele ist Pflege alles, aber Pflege ist das eine und Betreuung ist das andere, da gibt es wesentliche Unterschiede – ist das für diese Personen entscheidend, um auch ihren Lebensunterhalt und ihr Einkommen zu sichern. (Bundesrätin Grimling: Jeder ist nicht für die Pflege geeignet!) Bei der Pflegeassistenz ist das oft der Einstieg in den Pflege­bereich, dem aufgrund unserer – gottlob – älter werdenden Gesellschaft auch eine immer größere Bedeutung zukommt.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 102

Das burgenländische Modell – Anstellung von pflegenden Angehörigkeiten (die Bundes­rätinnen Grimling und Schumann: Angehörigen!) durch das Land – ist nicht sinnvoll, weil nicht jeder und jede Angehörige auch in der Lage ist – und vielleicht auch gar nicht die Geduld und klarerweise auch nicht die Ausbildung hat –, Pflege- und Betreuungs­arbeit zu verrichten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Durch die Einbehaltung des Pflege­geldes, das ja den betreuenden Personen einmal zusteht – das wird ja einbehalten – und durch die Lohnabzüge der Betreuung ist das Ganze eigentlich relativ unattraktiv – das vielleicht dazu.

Mit einem EU-konformen, rechtlich korrekten und zeitgemäßen Gesetz im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings wird es nun möglich sein, Sanktionen bis zu 400 000 Euro zu verhängen. Lohn- und Sozialdumping untergraben, wie wir wissen, den fairen Wettbewerb und sind sozialpolitisch absolut zu verurteilen – dieser Meinung ist die Bundesregierung.

Eine sehr gute Möglichkeit, Kontrollen am Bau durchzuführen, bietet die Bau-ID-Karte, eine Karte ähnlich einer E-Card mit relevanten Daten, die die Zettelwirtschaft auf den Baustellen – auch ein Relikt aus vergangenen Jahrhunderten – verringert. Es ist erfreulich, dass sich die Bausozialpartner und die relevanten Ministerien auch darauf geeinigt haben!

Ich möchte zwei Anträge zu den Tagesordnungspunkten 9 und 11 einbringen, und zwar:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 9: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungs­gesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden“

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 11: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Sonderunterstützungsgesetz geän­dert werden“

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Ich bitte um Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.09


Vizepräsident Günther Novak: Danke.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 103

Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungs­gegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters ist der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhand­lungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden, keinen Einspruch zu erheben, genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile dieses.


15.10.17

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Bevor ich auf die zu verhandelnden Tagesordnungspunkte eingehe, möchte ich ein bisschen etwas zu Herrn Kollegen Schwindsackl sagen: Bei Ihren Redebeiträgen habe ich mir schon ein paarmal gedacht, dass ich es nicht in Ordnung finde, dass gerade jemand, der sich im wohlverdienten Ruhestand befindet – davon gehe ich einmal aus – und das gesicherte Einkommen eines Bundesrates hat, andauernd mit einem derartigen Zynismus zur Thematik von arbeitenden Menschen und Arbeitslosen redet. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.)

Und dass Sie gerade jener Partei angehören, die hauptsächlich dafür verantwortlich ist, dass wir so viel über arbeitslose Menschen diskutieren müssen, setzt dem Ganzen ja auch noch einmal mehr oder minder die Krone auf. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Buchmann: Hallo! – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Es geht in diesen drei Tagesordnungspunkten, die wir zusammen behandeln, unter an­derem eben auch um die Änderung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs­geset­zes. Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz war wirklich eines von jenen Gesetzen, die irrsinnig gut sind, die für wirklich alle Arbeitnehmer wahnsinnig wichtig waren. Deshalb finde ich es dann so traurig, wenn Regierungen dann, wenn wir einmal gute Gesetze haben, diese bedauerlicherweise mehr oder minder wieder aufweichen und verschlechtern, noch dazu in einer sehr angespannten, schwierigen Arbeitsmarkt­situation.

Da muss ich Beppo Muchitsch bei seiner Rede im Nationalrat wirklich recht geben: Wenn man beispielsweise sagt, man kann Personen für drei Monate entsenden, und die müssen nicht nach unserem österreichischen Recht entlohnt werden, was glauben Sie, wie negativ sich das speziell bei Montage- und solchen Arbeiten auf den heimischen Arbeitsmarkt auswirken wird, und das in einer Situation, in der wir in erster Linie alle gemeinsam alles tun müssten, dass wir die Arbeitnehmer endlich wieder in Beschäfti­gung bekommen und in erster Linie die Vollbeschäftigung für die österreichische Bevölkerung das Ziel sein müsste? (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Und dazu, dass wir die Strafen dahin gehend anpassen, dass sie nicht mehr pro Dienst­nehmer zu bezahlen sind: Ich glaube, 30 Jahre ist es her, dass wir zusammen in der Arbeiterkammer waren. Damals schon war einer meiner ersten Anträge, dass man, wenn ein GPLA-Prüfer, also ein Gebietskrankenkassenprüfer, eine Unterentlohnung feststellt, doch bitte nicht nur die Beiträge nachzahlen muss, sondern wichtig ist, dass der


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 104

Dienstnehmer zu seinem Geld kommt. Damals habt ihr das als SPÖ abgelehnt – leider, muss ich wirklich sagen. Aber mittlerweile lernt auch ihr dazu, wir lernen dazu, und so kommt immer etwas Gutes heraus.

Es ist so wichtig, dass die Strafen wirklich wehtun, denn es ist nicht die Mehrheit der Unternehmer, die durch dieses Gesetz sozusagen geärgert wird oder die mit diesem Gesetz in Konflikt kommt. Das ist eine kleine Minderheit. Diese Minderheit, glauben Sie mir, das kann ich aus meiner beruflichen Erfahrung sagen, kalkuliert mit den Strafen. Wenn die Betroffenen jetzt mitkriegen, dass sich das vielleicht unter Umständen eh noch besser rechnet, weil eine korrekte Anstellung, eine korrekte Entlohnung mit sämtlichen Überstunden, mit Zulagen, mit Diäten und allem in Summe noch immer teurer kommt, als wenn man diese Strafen einfach bezahlt, dann finde ich dieses Signal einfach schade. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Warum? – Wir machen Gesetze, damit wir jene schützen können, die den Schutz durch das Gesetz brauchen und die sich unter Umständen nicht wehren können. Deswegen machen wir in erster Linie Gesetze. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

Also wie gesagt: Deswegen stimmen wir diesem Vorschlag aus vollster Überzeugung auf alle Fälle nicht zu.

Das Nächste ist die Bau-ID-Karte, die von ihrer Idee her gut ist, und ich weiß, dass sie schon seit sehr, sehr vielen Jahren vorbereitet wird, aber wenn man sich das ganze Gesetz durchliest, dann sieht man, es ist typisch für Österreich: zuerst einmal ein bisschen verwirrend und ein Hin und Her, aber da muss ich wirklich sagen: Danke, Herr Minister, gestern waren Experten im Ausschuss, und die haben uns wirklich sehr gut Auskunft erteilen können.

Das Einzige, was mich jetzt ein bisschen irritiert und wo ich nicht ganz sicher bin, aber vielleicht können Sie mir da noch Aufklärung geben: Herr Kollege Pöttinger von der ÖVP hat im Sozialausschuss des Nationalrates gesagt, er findet das sehr wichtig und gut, dass die Karte freiwillig und unentgeltlich ist. Jetzt habe ich aber gestern im Ausschuss erfahren, dass diese Karte für die Arbeitgeber sehr wohl Kosten verursacht, nämlich nicht nur einmalig, sondern monatlich, dass sie für die Dienstnehmer monatliche Kosten verursacht, die eventuell von der Buak refundiert werden, das ist auch noch nicht sicher. Da befürchte ich, dass etwas eigentlich sehr, sehr Gutes dann deshalb wieder scheitert, weil, sage ich jetzt, die ÖVP die SPÖ über den Tisch gezogen und das so kompliziert gemacht hat, dass es mehr oder minder keiner freiwillig nehmen wird.

Also ich würde sagen, wenn das heute so eine Art Grundsatzbeschluss ist, dass man überhaupt diese Bau-ID GmbH einmal generell auf die Füße stellt, dass man das Ganze mehr oder minder einmal auf Schiene bringt – denn die Umsetzung wird wahrscheinlich noch zwei Jahre dauern –, dann würde ich Sie jetzt schon ersuchen, dass wir uns, wenn wir dann wirklich an den Start kommen und diese Bau-ID-Karte in diesen Branchen verwenden, doch überlegen, dass man das Ganze nicht freiwillig macht und nicht mit Entgelt finanziert, sondern dass diese Bau-ID-Karte jedem zur Verfügung stehen sollte, so wie Bauarbeiter der Buak unterliegen. Wir werden diesem Beschluss aber natürlich zustimmen.

Dann möchte ich noch kurz auf den Entschließungsantrag eingehen, den mein Kollege Horst Schachner später einbringen wird, da wir gemeinsam der Meinung sind, dass man analog zur bestehenden Regelung, die die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse hat, so etwas auch für den Tourismus andenken sollte. Warum? – Der große Vorteil dieser Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse ist, dass Betriebe mehr oder minder monatlich eine Vorschreibung für Urlaubsentgeltansprüche und den Urlaubszuschuss ansparen. Man könnte das als Sparkasse bezeichnen. Das bringt große Vorteile für diese saisonbedingten Branchen, die sehr viel Personalwechsel haben, und ist deshalb


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 105

eine sehr, sehr gute Idee. Deswegen werden wir dem Ganzen natürlich zustimmen. Näheres wird mein Kollege Horst Schachner dazu sagen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

15.17


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile dieses.


15.17.43

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz muss geändert werden, weil es eine Vorabent­scheidung des EuGH gibt, wonach Obergrenzen in diesem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz schlichtweg fehlen und auch eine fixe Untergrenze nicht zulässig ist, weil beides den europäischen Verträgen widerspricht. Dieser Entscheid wurde im Herbst 2019 gefällt, und seit damals haben sich die Behörden in Wirklichkeit kaum mehr getraut, gegen Lohn- und Sozialdumping entsprechend wirkungsvoll vorzugehen.

Die große Mehrheit der Fälle im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings, nämlich über 90 Prozent, betraf weniger als fünf ArbeitnehmerInnen; Fälle mit über 50 betroffenen ArbeitnehmerInnen treten so gut wie gar nicht auf. Obwohl das alte Gesetz pro betrof­fenem Arbeitnehmer, pro betroffener Arbeitnehmerin Strafen von 10 000 beziehungs­weise 20 000 Euro vorsah, fielen die real verhängten Strafen eher mickrig aus. So wurde Unterentlohnung durchschnittlich je Fall – und das unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – mit 7 939 Euro bestraft, die durchschnittliche Strafe pro ArbeitnehmerIn betrug 2 873 Euro. Also sehr abschreckend hat der fiktive Strafrahmen ganz offensichtlich nicht gewirkt. (Zwischenruf der Bundes­rätin Schumann.) Das Kumulationsprinzip hat nicht annähernd erfüllt, was erhofft wurde.

Aufgrund der neuen Systematik ist davon auszugehen, dass zukünftig höhere Strafen verhängt werden, auch weil ein konkreter Strafrahmen zur Orientierung vorgesehen ist. In der Praxis wird das Stufensystem dazu führen, dass die Strafen im Vergleich zur Kumulationsregelung höher werden (Bundesrätin Schumann: Na geh!) – ja, schauen wir es uns in zwei Jahren an –, auch weil den entscheidenden BeamtInnen ein klarer Raster vorgegeben wird. (Bundesrätin Grimling: Schauen wir uns das an!)

Außerdem ermöglichen es die neuen Regelungen besser als die bisherigen, Verfahrens­einstellungen durch Nichtentscheidung zu verhindern; das ist nämlich auch nicht so selten vorgekommen. Insgesamt wird mit dieser Gesetzesänderung also effektiver gegen Lohn- und Sozialdumping vorgegangen werden. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.)

Zu Tagesordnungspunkt 11 möchte ich sagen, dass die schrittweise Abschaffung der sogenannten Sonderunterstützung durch Anhebung der Zugangsvoraussetzungen – also ohne Verlust der bisher bereits erworbenen Ansprüche – eine Regelung ist, die nur einen sehr kleinen Kreis betrifft. Die Gewerkschaft schätzt diesen auf etwa 190 Per­sonen. Die Sonderunterstützung ist eine Art vom AMS finanzierte Frühpension für Men­schen, die zumindest fünf Jahre im Bergbau gearbeitet haben, beziehungsweise Men­schen, die vor 1995 in einem Bergbaubetrieb gearbeitet haben.

Dabei stellt sich halt schon auch grundsätzlich die Frage, warum es eine Gruppe von arbeitsfähigen Menschen geben soll, die mit 52 Jahren in eine Art Pension gehen können, wenn es alle anderen nicht können. (Bundesrätin Schumann: Weil Sie im Bergwerk gearbeitet haben?!) – Ich habe gesagt: arbeitsfähige, gesunde Menschen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 106

Bezüglich der Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes begrüße ich die Er­weiterung des Bildungsbonus auch auf Menschen, die schon vor dem 1. Oktober 2020 eine AMS-Ausbildung begonnen haben, sehr. Ebenso begrüße ich die Erweiterung des Fachkräftestipendiums auf nicht akademische Ausbildungen in der Elementarpädagogik und in der Pflege. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.22


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Bundesrat Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


15.22.20

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren jetzt drei Tagesordnungspunkte, bei denen ich als Repräsentant meines Parlamentsklubs drei unterschiedliche Abstimmungsverhalten zeigen werde, weswegen ich sehr differen­zieren muss.

Tagesordnungspunkt 9, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, lehnen wir ab. Unserer Meinung nach gibt es drei wesentliche Kritikpunkte, die es in Wirklichkeit in Zukunft erleichtern, Lohn- und Sozialdumping zu begehen, weswegen wir das ablehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der erste Punkt ist, dass es bei Meldeverstößen im Zusammenhang mit der Entsendung und bei Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle, also diesen Formaldelikten, Strafen bis zu 20 000 Euro pro Anlassfall geben soll. Es gibt für Wieder­holungstäter allerdings keine Verschärfung des Strafrahmens. Das kritisieren nicht nur wir, sondern auch das Finanzministerium in seiner Stellungnahme. Gerade diese For­maldelikte sind aber meistens ein Zeichen für das Lohndumping, das bekämpft werden soll.

Zweiter Punkt: Es wird der Finanzpolizei erschwert, richtig zu kontrollieren.

Dritter Punkt: Es gibt nicht die Möglichkeit, Daten europaweit auszutauschen, was die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping noch mehr erschwert. Ein Lösungsweg, um dem entgegenzutreten, wäre zum Beispiel eine europäische Sozialversicherungs­num­mer.

Der zweite Tagesordnungspunkt, über den wir debattieren, Tagesordnungspunkt 10, betrifft das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz. Da werden wir als einzige Partei weiterhin dagegenstimmen. Die Schwarzarbeit hat ja auch während der Krise deutlich zugenommen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Schattenwirtschaft auf über 25 Milliarden Euro angestiegen ist, wobei der Schwarzarbeitsanteil am gesamten BIP auf 7,15 Prozent gestiegen ist.

Durch Schwarzarbeit entgehen dem Staat jährlich zwischen 2 Milliarden und 3,5 Milliar­den Euro durch Steuer- und Sozialversicherungsausfälle. Das ist aber nichts Neues. Das IHS schätzt in einer Studie den Wertschöpfungsentgang allein für die Bauwirtschaft zum Beispiel auf ungefähr 500 Millionen bis 1,3 Milliarden Euro jährlich, den daraus resul­tierenden Entgang an Steuern und Sozialabgaben zwischen ungefähr 200 Millionen bis 500 Millionen Euro jährlich. Das Potenzial für Auswirkungen auf die legale Beschäftigung liegt dieser Studie zufolge zwischen 5 800 und 22 500 Arbeitsplätzen.

Anders als in Österreich haben mehrere EU-Länder in den letzten Jahren Systeme und Teilsysteme implementiert, um der Problematik zu begegnen. In Österreich wurde aber nicht einmal ein Versuch unternommen, ein derartiges System neutral zwischen den


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 107

Stakeholdern und unter Einbeziehung aller Stakeholder und ihrer jeweiligen Interessen zu etablieren.

Relevant in diesem Zusammenhang ist auch die komplexe Kompetenzverteilung zwischen den öffentlich-rechtlichen Stakeholdern, wie Überschneidungen in deren Kompetenzen, was Kontrollen betrifft. Auf der einen Seite gibt es die Finanzpolizei, die zum BMF ressortiert, auf der anderen die Buak, die zum Arbeitsministerium ressortiert, und es gibt die SV-Träger, die zum Gesundheits- und Sozialministerium ressortieren. Die Experten haben deswegen empfohlen, dieses Projekt in der Analysephase im BMDW anzu­siedeln.

Die Sozialpartner haben sich zur Zeit der schwarz-blauen Bundesregierung anders entschieden und das Projekt an sich gezogen. Es wurde die Bau-ID GmbH ins Leben gerufen, eine Tochtergesellschaft der Buak, die als Institution der Sozialpartner die Haupt­aufgabe hat, die Urlaubs- und Abfertigungsansprüche und die Bauarbeiter­schlecht­wetterentschädigung zu verwalten.

Neben der Buak sind auch noch die Wirtschaftskammer, das Arbeitsministerium als Aufsichtsbehörde über die Buak und das Finanzministerium für die Finanzpolizei involviert.

Wie die mediale Berichterstattung zeigt, ist das aufwendig beschriebene Unterfangen der Bau-ID aber gehörig ins Wanken geraten, und zwar sowohl was den Fahrplan, als auch was die Konzeption betrifft, und entpuppt sich laut Experten als Kaufhaus Öster­reich 2.0. Wie im „Standard“ berichtet wird, „wurden die Teilprojekte Software, Iden­titätsprüfung, Payment Services im Frühjahr 2020 ausgeschrieben, im Herbst fand dann erneut eine Markterkundung statt. Einzig nach einem Chipkartenlieferanten wird kein zweites Mal gesucht. [...] Das Volumen der drei Teilausschreibungen für Software-, Bezahl- und Identifizierungssystem wird in der Branche auf 2,9 bis 3,3 Millionen Euro geschätzt“.

Das Problem in diesem Zusammenhang ist aber, dass es ein komplexes Projekt ist, weil pro Jahr Hunderttausende Bauarbeiter auf österreichischen Baustellen registriert wer­den. Dieses komplexe Projekt wird aber kleinteilig vergeben, was ein großes Risiko ist. Die Frage ist, warum ein solches Unterfangen in unterschiedlichen Ausschreibungen avisiert wird.

Neben dieser fragwürdigen Ausgestaltung des Ausschreibungsprozesses sind die ge­samte Konstruktion der Bau-ID und die Lösung durch die Bau-ID GmbH aus mehreren Gründen fraglich. In Österreich gibt es bereits ein Arbeitsinspektorat, das für alle Branchen zuständig ist, und eine Finanzpolizei. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Institution, die noch dazu losgekoppelt von bisherigen Einrichtungen arbeitet, ist nicht ersichtlich. Zusätzlich führt die Schaffung der GmbH zu einer Auslagerung von staatlichen Aufgaben auf eine private Einrichtung, was jeglicher Logik widerspricht.

Die Gesetzesänderungen, die für die Einrichtung der Plattform in der Buak nötig sind, müssen für jede Branche ebenfalls eingeführt werden, was einen überbordenden bürokratischen Aufwand zur Folge hätte oder die Einrichtung mehrerer Plattformen für jede Branche in den jeweiligen Ministerien und nachgeordneten Organisationen bedeuten würde.

Das sorgt für eine falsche Aufgabenverteilung zwischen BMF, und zwar der Finanz­polizei und des Amtes für Betrugsbekämpfung, und den Sozialpartnern. Deswegen werden wir bei Tagesordnungspunkt 10 weiterhin dagegen sein.

Anders ist es wiederum bei Tagesordnungspunkt 11, dem Arbeitslosenver­sicherungs­gesetz. Wir begrüßen die Anhebung des Zugangsalters zur Sonderunterstützung im Bergbau. Der Bergbau hat sich in den letzten Jahren sehr verändert, weshalb es auch


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 108

eine Reform benötigt. Außerdem ist faktisch keine Person von der aktuellen Regelung betroffen, weil keine Person in diese Altersklasse fällt.

Der zweite Punkt dieser Novelle betrifft den Bildungsbonus. Wir haben bereits der Ein­führung des Bildungsbonus zugestimmt, halten auch die Ausweitung des Bildungsbonus für eine gute Idee und stimmen daher Tagesordnungspunkt 11 zu. – Danke sehr.

15.29


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses.


15.29.46

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Lieber Herr Präsident! Jetzt haben wir eigentlich schon sehr viel zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und zum Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz gehört.

In Wirklichkeit geht es darum, dass Sozial- und Lohndumping bei uns einfach billiger wird. So wie es jetzt ausschaut, werden zumindest einmal die Strafen so herabgesetzt, dass keiner mehr Angst davor hat, dass er eine Strafe kriegt. Ich verstehe nicht, warum Türkis und Grün einem solchen Gesetz hier die Zustimmung geben wollen, weil es einfach nicht in Ordnung ist, was da jetzt gemacht wird.

Als Beispiel das Kumulationsprinzip – damit man weiß, wovon wir reden, was sich da abspielt; Kollege Lackner, du hast es heute nicht richtig angesprochen –: Das heißt nichts anderes als Folgendes: Wenn ein Unternehmer zwei Mitarbeiter hat und diese jetzt nicht richtig bezahlt, das heißt unter Lohn, dann zahlt er beim jetzigen Gesetz 2 000 Euro Strafe für einen Mitarbeiter. Wenn der Unternehmer 100 Beschäftigte hat, dann zahlt er auch nur diese 2 000 Euro.

Früher, durch das Kumulationsprinzip, das müsst ihr euch vorstellen, hat er 200 000 Euro Strafe gezahlt, und jetzt zahlt er einmalig 2 000 Euro. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Soll mir einer erklären, wie durch dieses Gesetz die Schwarzarbeit bekämpft wird beziehungsweise die Unternehmer, die nicht den Kollektivvertrag zahlen. Dass das jetzt besser wird, stimmt einfach nicht, wie ihr es sagt. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es überrascht mich nicht, dass manche hier herinnen für Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer nicht viel übrig haben. Es ist aber sehr traurig, dass man jetzt mit diesem Gesetz den Sozialbetrügern, die es bei uns auch gibt – nicht viele, aber es gibt sie trotzdem noch –, Tür und Tor öffnet, sodass die anständigen Unternehmerinnen und Unternehmer das wahrscheinlich nicht überleben werden.

Ich habe heute in der Früh noch mit Beppo Muchitsch telefoniert. Ich habe gefragt: Was heißt das jetzt zum Beispiel genau für die Baubranche, was tut sich dort jetzt wirklich? Er hat mir erklärt: Das ist ein Wahnsinnsgesetz! – Dass ihr dem zustimmen könnt?! Denkt Ihr gar nicht an eure Klientel? Ihr habt ja eine Klientel, die ihr zu vertreten habt, das sind die Klein- und Mittelbetriebe, und die werden das alle nicht überleben.

Und wie schaut es mit dem Montageprivileg aus, das heute auch schon angesprochen wurde? – Montageprivileg heißt nichts anderes, als dass Unternehmer aus dem Ausland früher einen Monat lang den Kollektivvertrag bei uns unterwandern durften, dann mussten sie entweder das Land wieder verlassen oder aber, wenn sie länger blieben, den Kollektivvertragslohn bezahlen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 109

Das hat man jetzt auf drei Monate verlängert. Das heißt, wenn jetzt eine ausländische Firma ins Land kommt und etwas fertigbaut, was unsere Fachkräfte nicht können, kann sie in Zukunft drei Monate hier arbeiten und nicht nach unseren Standards zahlen. Ich finde es einfach traurig, dass ihr das zulasst. Ich hätte nicht gedacht, dass wir über ein solches Gesetz hier herinnen überhaupt einmal reden müssen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Noch einmal, Herr Minister, es geht darum, dass die Klein- und Mittelbetriebe sich bei euch sehr bedanken werden, denn von ihnen wird nämlich keiner mehr überleben. Alle werden sagen: Okay, liebe Freunde, das zahlt sich nicht mehr aus, denn jeder kommt nach Österreich, arbeitet drei Monate mit Billigarbeitskräften, dann schickt er sie wieder heim, tauscht sie aus, dann kommen die nächsten für drei Monate. Das bedeutet es nämlich, was da jetzt im Gesetz steht.

Zur Bau-ID möchte ich nur ganz kurz sagen: Die Bausozialpartner haben sich da etwas Gutes ausgedacht. Das Modell ist einfach gut. Es wird natürlich weiterentwickelt werden, und alles, was dazu beiträgt, Lohn- und Sozialdumping auf den Baustellen zu verhindern, ist eine äußerst sinnvolle Sache. Wir werden diesem Gesetzesvorhaben natürlich auch die Zustimmung geben.

Kollegin Schartel hat es vorhin schon angesprochen: Ich bringe noch einen Ent­schließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner und Andrea Schartel ein. Dabei geht es um Folgendes – ich werde nur kurz darauf eingehen –: Wir alle wissen, was die Buak ist, und es wäre ja gescheit, wenn wir das Gleiche für die Tourismusbetriebe machen würden. Das würde dann in Zukunft Tuak heißen. Ich glaube (in Richtung Bundesminister Kocher), Sie wissen auch genau Bescheid, was von uns als Gewerkschaft Vida gefordert wird, was aber auch allen Unternehmen zugutekommt. Die meisten wissen nicht, wie sie das Urlaubsgeld zahlen sollen, wenn ihre Leute in Urlaub gehen, sie müssen Rückstellungen machen oder andere Vorkehrungen treffen, und das bräuchten sie nicht mehr zu tun, wenn man es in einer Tuak hat.

Ich habe mit unserer Wirtschaftslandesrätin in der Steiermark ein langes Gespräch gehabt. Sie war von der Tuak-Geschichte begeistert, denn gerade im Tourismusbereich sind Leute, die samstags und sonntags arbeiten, schwer zu finden. Wenn sie zwei Monate in der Saison gearbeitet haben, hatten sie das Problem, dass sie ihren Urlaub noch dort verbrauchen mussten – den sie meistens gar nicht gekriegt haben; das wissen wir auch, dass das viele Betriebe nicht haben machen können –, und im Endeffekt nehmen sie keinen Urlaub mit.

Vielleicht kriegt man wieder leichter Leute, die im Tourismusgewerbe arbeiten wollen, wenn sie nach zwei, drei Monaten Beschäftigung ihre Urlaubstage zum nächsten Betrieb mitnehmen können, ohne dass diesem Kosten entstehen. Deswegen wäre es für euch ein ganz entscheidender Punkt; es liegt heute in eurer Hand, ob ihr dem zustimmt. Wir werden es sicher auch im Nationalrat noch diskutieren. (Zwischenruf des Bundesrates Seeber.) Bei der Buak funktioniert es auch, ja, Herr Seeber, bei der Buak funktioniert das hervorragend. Ich sage es euch noch einmal: Es ist nicht alles schlecht, was von einer Gewerkschaft kommt. (Bundesrat Seeber: Eh nicht!)

Ich kann euch sagen: Ihr werdet schauen! Wenn ihr es genau durchrechnet (Bundesrat Seeber: Das haben wir alles schon!), werdet ihr merken, dass es die Betriebe leichter und besser haben, wenn sie irgendwo einzahlen und gemeinsam – zu zweit, pari­tätisch – da drinnen sitzen und das Ganze den Leuten wieder herausgeben können. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Deshalb bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 110

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Installierung einer Tourismuskasse“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, so rasch wie möglich, längstens jedoch bis Ende 2021 dem Nationalrat und dem Bundesrat einen Gesetzesentwurf, der unter Einbindung der zuständigen Sozialpartner und der Expert*innen erstellt werden soll, vorzulegen, mit dem eine Tourismuskasse errichtet wird.“

*****

Ich hoffe, dass wir wirklich ernsthaft weiter darüber reden können, weil es dem Land Österreich, der Gastronomie und allen, die im Tourismus arbeiten, etwas bringt. – Viel Glück! Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätinnen Schartel und Steiner-Wieser.)

15.37


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Der von den Bundesräten Horst Schachner, Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Installierung einer Tourismus­kasse“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


15.37.32

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Kollege Bundesrat Schwindsackl, Sie sind heute wieder mit einer unfassbaren Respekt­losigkeit hier gestanden. Ich habe Sie damals kennengelernt und mir echt gedacht, dass Sie ein sehr netter Bundesrat von der ÖVP sind. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Unfassbar, diese Respektlosigkeit – ich habe Sie (in Richtung Bundes­minister Kocher) aus dem Augenwinkel beobachten können, so richtig begeistert waren Sie von dieser Rede nicht –, arbeitslose Menschen hier derart als Menschen, die arbeits­scheu sind, zu degradieren. Das ist unglaublich, was Sie hier abhalten! Unglaublich! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Herr Schwindsackl, der Hauptgrund aber, warum ich noch einmal hier stehe, ist das Pflegemodell im Burgenland. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich möchte mich wirklich be­danken, dass Sie das angesprochen haben, um Ihnen, dem gesamten Bundesrat zu sagen, was sich im Burgenland abgespielt hat und wie sich die ÖVP damals verhalten hat. Kollege Hirczy muss es jetzt leider aufgrund Ihrer Aussage ertragen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

1 700 Euro netto im Monat bekommen pflegende Angehörige bei uns im Burgenland (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Netto!), Urlaubsgeld, wie Sie, Weihnachtsgeld, wie Sie. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: ... kein Pflegegeld!) Der Vorschlag der ÖVP im Burgenland war ein Bonus von lediglich 125 Euro im Monat, von 125 Euro im Monat! Jetzt nehme ich an, dass Sie ein guter Rechner sind: Was ist besser, das SPÖ-Modell oder das ÖVP-Modell? – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.39


Vizepräsident Günther Novak: Danke.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 111

Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Martin Kocher zu Wort gemel­det. – Bitte sehr.


15.39.29

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind, glaube ich, noch alle unter dem Eindruck einer extrem schwierigen Arbeitsmarktlage, die wir seit Beginn der Pandemie, im Laufe der Pandemie und auch über den Winter hatten. Das Gute ist, dass sich diese Arbeitsmarktlage in den letzten Wochen und Monaten massiv verbessert hat.

Die Arbeitslosigkeit ist gesunken, wir stehen bei unter 350 000 Arbeitslosen, immer noch viel zu viel, aber nicht mehr so weit von der Zahl an Arbeitslosen entfernt, die es im Juli 2019 gegeben hat. Es sind 15 900 arbeitslose Personen mehr als im Juli 2019, zu einem Zeitpunkt, als die Konjunktur gut war, zu einem Zeitpunkt, als – damals – ein Beschäftigungsrekord verzeichnet wurde.

Wir haben im Mai 2021 diesen Beschäftigungsrekord gebrochen, es sind mehr Men­schen in Österreich unselbstständig beschäftigt, als das damals 2019 der Fall war, und wir haben glücklicherweise, sage ich, einen Rekord an offenen Stellen. Natürlich ist der Arbeitsmarkt immer noch in gewissen Bereichen angespannt, natürlich gibt es für gewisse Gruppen am Arbeitsmarkt weiterhin große Schwierigkeiten, aber die Gesamt­lage hat sich massiv verbessert. Ich glaube, es ist wichtig, das auch anzuerkennen, weil das natürlich auch zu Schlussfolgerungen über die richtigen Maßnahmen führt.

Trotz der klaren Verbesserung der Lage gibt es in Österreich das größte Arbeits­marktbudget der Geschichte. Wir haben jede Menge Maßnahmen zusätzlich in der Finanzierung, und der Eindruck, dass die Bundesregierung nichts für arbeitslose Men­schen in Österreich täte, ist ein massiv falscher.

Ich kann ganz kurz und ich mache es wirklich kurz  auf ein paar Dinge hinweisen: die Joboffensive mit 700 Millionen Euro; das Programm Sprungbrett, das mit 1. Juli gestartet ist, wird dieses Jahr und nächstes Jahr zusätzlich finanziert (Zwischenruf der Bundes­rätin Schumann); die Ausweitung des Fachkräftestipendiums, die jetzt für den Bereich der Elementarpädagogik und der Pflegeassistenz beschlossen wird; die Ausweitung des Bildungsbonus steht zur Abstimmung an, und die Umweltstiftung wird eingerichtet, um im Bereich der Umweltqualifizierungsmaßnahmen zusätzlich zu fördern. Es gibt die neue Verkehrsstiftung vor allem für den öffentlichen Verkehr, auch um Qualifizierungsmaß­nahmen in Richtung der Mangelberufe zu finanzieren und so weiter und so weiter.

Also ich glaube, die Arbeitsmarktlage ist viel besser als sie war, die Möglichkeiten zur Qualifizierung sind bei Weitem umfangreicher, als sie es je waren. Natürlich ist es, wenn eine gewisse Normalisierung der Arbeitsmarktlage eintritt, auch wichtig, dass damit auch wieder eine gewisse Verbindlichkeit am Arbeitsmarkt herrscht. Die Sanktionen wurden während der Coronazeit zum Teil ausgesetzt, das finde ich auch gut, aber mit einer Normalisierung sollte auch da wieder eine Normalisierung eintreten.

Ich möchte noch ein paar Worte zur Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungsgesetz sagen. Es wurde schon gesagt, es sind Urteile der Höchstgerichte, die zu einem Reparaturbedarf geführt haben: die Minimalstrafen waren so nicht zulässig, das Kumulationsprinzip war nicht zulässig. Mir war bei der Umsetzung dieser Urteile wichtig, dass gerade massive Verstöße wie Unterentlohnung massiv bestraft werden. Der Strafrahmen mit 400 000 Euro ist dort ein sehr hoher. Wir haben extra ausgehoben, wie viele Strafen es in diesem Bereich in den letzten Jahren gab: Es gab nach dem alten Gesetz zwei verhängte Strafen im Strafrahmen von 350 000 bis 400 000 Euro und drei verhängte Strafen im Strafrahmen von 150 000 bis 200 000 Euro. Das heißt, der


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 112

Strafrahmen ist ausreichend, und wir stellen eben sicher, dass diese Strafen auch wieder verhängt werden können, und das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt.

Es wurde angesprochen, dass sich die Behörden im Moment schwertun, weil eben unklar ist, ob die Strafen nicht wieder aufgehoben werden. Wir brauchen einen rechts­sicheren Rahmen, die Novelle stellt diesen sicher, deswegen wäre es auch so wichtig, dass sie möglichst bald in Kraft tritt. Je länger das hinausgezögert wird, desto mehr Möglichkeiten gibt es, Lohn- und Sozialdumping zu betreiben.

Natürlich gibt es keine Toleranz für schwarze Schafe und natürlich ist es wichtig, dass dieser Strafrahmen auch durchgesetzt und damit ein fairer Wettbewerb geschaffen wird. Das wird unter anderem, das wurde nicht angesprochen, auch durch eine Verbesserung bei der Sicherheitsleistung erzielt. Die Sicherheitsleistung ermöglicht vor allem, auslän­dische Unternehmen, die gegen Regeln in Österreich verstoßen, besser zu verfolgen. Aus meiner Sicht ist das ein ganz wichtiger Faktor.

Die europäische Zusammenarbeit wird in diesem Bereich auch massiv intensiviert, es gibt eine neue Behörde, die Europäische Arbeitsbehörde, die ELA, die in diesem Bereich auch Maßnahmen setzen wird, gerade um Firmen im Ausland zu verfolgen, wenn Sozial- und Lohndumping begangen wird.

Die Bau-ID zeigt auch, dass Sozial- und Lohndumping durch die Bundesregierung be­kämpft wird. Ich finde es schön, dass sich die Sozialpartner in diesem Bereich geeinigt haben. Wir setzen letztlich nichts anderes als eine Sozialpartnereinigung um und hoffen, dass damit gerade im Baubereich, in dem es natürlich Verstöße gibt, diese Verstöße auch nachhaltig und gut bekämpft werden können. Es ist ein Zeichen dafür, dass wir in der Bundesregierung sinnvolle Einigungen von den Sozialpartnern natürlich immer um­setzen. Ich hoffe, dass das Instrument dann auch gut zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping und Schwarzarbeit eingesetzt werden kann.

Wir fördern durch dieses Gesetz also nicht das Lohn- und Sozialdumping, sondern wir bekämpfen es nachhaltig. Wir werden  wie bei vielen anderen Gesetzen auch  dann natürlich evaluieren und sehen, wie das Gesetz gewirkt hat. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.45

15.46.00


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs­gesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Frau Kollegin (in Richtung Schriftführerin Miesenberger), Sie stimmen mit? (Schrift­führerin Miesenberger: Ich nehme an der Abstimmung teil!) – Ich nehme auch an der Abstimmung teil.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 113

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt. Ein Beschluss des Bundesrates ist somit nicht zustande gekommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Horst Schachner, Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Installierung einer Tourismuskasse“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

15.50.0112. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Straf­gesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (937 d.B. und 963 d.B. sowie 10729/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 12 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


15.50.26

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicherheits­polizei­ge­setz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975 und das Tilgungs­gesetz 1972 geändert werden.

Im Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 –„Aus Verantwortung für Öster­reich“ – hat die Bundesregierung neben vielen weiteren Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in die Exekutive auch Maßnahmen gegen Extremismus und Terrorismus vorgesehen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 114

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.


Vizepräsident Günther Novak: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Kollege Arlamovsky ist zu Wort gemeldet. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Debatte um 16 Uhr unterbrochen wird. – Bitte.


15.52.03

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister, heute als Vertretung! Mit der Reform des BVT habe ich mich schon in meiner früheren Rolle beschäftigt, nämlich 2014 als Rechtsberater des – damals nur – Nationalratsklubs. Jetzt kommt die Geschichte ein zweites Mal. Nun ist es eine Zweitreform, eine umfangreichere Reform, die mehrere Versäumnisse behebt oder Dinge, die beim letzten Mal nicht reformiert wurden, aber schon damals hätten reformiert gehört, endlich reformiert, deswegen stimmen wir NEOS dem Großteil der Punkte, die darin vorkommen, zu.

Dem ganzen Entwurf können wir allerdings leider nicht zustimmen, und zwar wegen eines großen Problems, das wir sehen, nämlich der Ausgestaltung des Rechtsschutzes, der parlamentarischen Kontrolle der neuen DSN. Diese soll im Wege einer neu geschaf­fenen Kontrollkommission stattfinden, nämlich als selbstständige Schnittstelle zwischen dem BMI und der Direktion Verfassungsschutz und dem Ständigen Unterausschuss des Ausschusses für innere Angelegenheiten des Nationalrates.

Den Namen Kontrollkommission verdient die Kommission unserer Meinung nach aller­dings nur, wenn sie tatsächlich kontrollieren kann. Dieser Zielrichtung wird aber unserer Meinung nach aufgrund von zwei Bestimmungen nicht Rechnung getragen.

Erstens sind nach unserer Meinung die Aufgaben der Kontrollkommission zu sehr eingeschränkt. Es wird die operative Kontrolle nicht umfasst. Wir hätten uns gewünscht oder hätten gefordert, dass die begleitende Beobachtung sich auf zumindest einzelne Sachverhalte von öffentlicher Bedeutung sowie auf Sachverhalte gemäß § 17 Abs. 3, die nämlich Gegenstand politischer Diskussionen oder öffentlicher Berichterstattung sind oder sein können, bezieht.

Der zweite Punkt ist, dass zwar grundsätzlich nach § 17c Abs. 2 der Kontrollkommission Einblick in alle Unterlagen und Aufzeichnungen zu gewähren ist, allerdings nicht, „wenn das Bekanntwerden der jeweiligen Information die nationale Sicherheit oder die Sicher­heit von Menschen gefährden würde“. – Das ist insofern für uns nicht nachvollziehbar, als nämlich die Mitglieder der Kontrollkommission, die diese Informationen nicht er­halten, der Amtsverschwiegenheit unterliegen, sicherheitsbelehrt und vertrauensgeprüft sind.

Durch diese Einschränkungen droht die Tätigkeit der Kontrollkommission mit der Be­rufung auf die nationale Sicherheit zu stark eingeschränkt zu werden, weswegen wir leider dem ganzen Paket nicht zustimmen können.

15.55


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Herr Bundesrat Seeber, sprechen Sie kurz oder lang? (Bundesrat Seeber: Kurz!) – Dann würde ich Sie bitten, Ihren Beitrag zu leisten. (Bundesrat Seeber – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, wir haben eine Dringliche Anfrage!)



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 115

15.55.31

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Bei diesem Gesetz betreffend den Staatsschutz sind wir auf einer Linie, es ist also eine einstimmige Angelegenheit. Es geht um die Neustrukturierung des Verfassungsschutzes.

Wir alle erinnern uns noch an die Zeit voriges Jahr im November. Es ist die Diskussion aufgeflammt, dass an einer Verbesserung des BVT gearbeitet werden muss. Verbes­serungen sind immer gut. Verfassungsschutz und Nachrichtendienst werden in der DSN – Kürzel für Direktion Staatsschutz, Staatssicherheit und Nachrichtendienst – jetzt getrennt. Es gibt also eine Stärkung des Nachrichtendienstes und es gibt eine Berichtspflicht und Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. Wir haben es gerade gehört: Zur Kontrolle wird eine unabhängige Kommission geschaffen. Diese Kommission wird mit Zweidrittelmehrheit gewählt – wie eine Regelung im Verfassungsrang. Das war, wie wir alle wissen, den eingebundenen Parteien, den Oppositionsparteien, wichtig, und dem wurde auch Rechnung getragen. Letztendlich hat man sozusagen auch an einer Entpolitisierung mitgewirkt.

Es ist also ein sehr ausgewogenes Paket, welches die Neustrukturierung des Verfas­sungsschutzes betrifft. Der Nachrichtendienst erledigt die Gefahrenaufklärung, während der Staatsschutz, die Staatspolizei für die Gefahrenabwehr zuständig ist.

Die Vertrauenswürdigkeit des BVT wird auf diese Weise hergestellt. Auch werden die Mitarbeiter in Zukunft eine Vertrauenswürdigkeitsprüfung durchlaufen. Darüber hinaus wird in den nächsten fünf Jahren die Zahl der Mitarbeiter verdoppelt, und es kommt zu einer Stärkung der internen und auch externen parlamentarischen Kontrolle.

Abschließend möchte ich – Hand in Hand – auch das Terror-Bekämpfungs-Gesetz erwähnen. Bisher haben wir die Problematik gehabt, dass terroristische Straftäter nach einer bedingten Entlassung nicht so gut überwacht wurden. Das ist in Zukunft der Fall. Auch gibt es einen neuen Straftatbestand betreffend den politischen Islam und eine effi­zientere Bekämpfung der Geldwäsche beziehungsweise der Terrorismusfinanzierung.

Was das Staatsbürgerschaftsrecht betrifft, gestatten Sie mir noch den Hinweis, dass man bisher jemandem, der verurteilt wurde, die Staatsbürgerschaft nicht entziehen konnte. Das wird nach dem neuen Gesetz ebenfalls möglich sein.

Letztlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dieser Tag, an dem der Beschluss zum neuen Staatsschutzgesetz fällt, ein guter Tag, wenn ich so sagen darf, für den Parlamen­tarismus. Alle Parteien wurden eingebunden. Mit dieser größten Verfassungsschutz­reform der Zweiten Republik machen wir im Kampf gegen den politischen Islam und den Terror beziehungsweise betreffend Migration und Asyl einen großen Schritt nach vorne. Danke daher für die Zustimmung! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.58


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesrat. Das war eine Punktlandung.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über Tagesordnungspunkt 12.

15.59.08Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­minis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend „Türkis-Grünes Autofahrerbashing: Straßenbau-Stopp, exorbitante Steuererhöhungen und Abzocke bei Verkehrsstrafen“ (3901/J-BR/2021)



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 116

Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dring­liche Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bun­desministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Ich begrüße noch einmal Frau Bundesminister Leonore Gewessler hier bei uns im Plenum. (Allgemeiner Beifall.)

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Josef Ofner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


15.59.43

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Werte Kollegen! Verehrte Zuseher vor den Bildschirmen via Livestream! Der Weg aus der Coronakrise führe über den Klimaschutz, so berichtete die „Tiroler Tages­zeitung“ vor knapp einem halben Jahr über Ihre Zugänge, Frau Bundesminister, inmitten des durch diese Bundesregierung verschuldeten Coronachaos, das Ihr ehemaliger grüner Mitstreiter Anschober ebenso wie Bundeskanzler Kurz federführend zu verant­worten haben, denn die unzähligen Auswirkungen dieser Coronakrise wurden eigentlich nicht durch die Krankheit selbst verursacht, sondern durch die dilettantische Krisen­bewältigung dieser beiden Herren und der gesamten Bundesregierung, wodurch die Wirtschaft an die Wand gefahren wurde, die Arbeitslosenzahlen explodiert sind und die Steuerzahler bis in die nächsten Generationen hinein belastet wurden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich vor diesem Hintergrund und in diesem Zusammenhang Ihre Aussage, der Weg aus der Coronakrise führe über den Klimaschutz, vergegenwärtigt, so ist das geradezu eine gefährliche Drohung, denn der Weg führt nunmehr durch eine Staffelüber­gabe vom Bundeskanzler an Sie aus der Coronadiktatur, in der Grund- und Freiheits­rechte beschnitten wurden, geradewegs in die Klimadiktatur (Beifall bei der FPÖ), eine Klimadiktatur, die wieder unverhältnismäßige Reglementierungen bedeutet, die finan­zielle Belastungen für die Bevölkerung und die Unternehmen mit sich bringt und vor allem wieder in vielfacher Ausprägung auf Kosten der Freiheit der Österreicher gehen wird.

Ja, man muss es so drastisch formulieren, weil sich hinter Ihnen und Ihren Aussagen als Ministerin mit der ehemaligen Geschäftsführerin von Global 2000 eigentlich eine un­barmherzige Klimaaktivistin verbirgt, die im Vergleich als österreichische Reserve-Greta gilt, wenn es um Ihr Klima-Steckenpferd geht – ohne Fokus auf die Ganzheitlichkeit der volkswirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten, teils mit völlig realitätsfrem­den Ansichten, die, auch wenn sie in schöne Worte gefärbt sind, mit gnadenloser Vehe­menz zur Umsetzung gebracht werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil wir nicht wollen, weil wir zum Wohle der Österreicher nicht wollen, dass diese Bun­desregierung dieses Land von einer Krise in die andere führt, stellen wir heute an Sie, Frau Bundesminister, diese Dringliche Anfrage, die sich mit den Themenstellungen und Zugängen Ihrerseits beschäftigt und auseinandersetzt, die sich ganz klar nachteilig für die Bevölkerung, für Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Österreich auswirken werden. Wir haben in vielen Bereichen divergente Lösungsansätze, weil für uns Klima­politik vor allem mit Heimat und Naturschutz im Einklang mit den wirtschaftlichen Erfordernissen einhergeht und vor allem mit der Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes verbunden ist, aber ebenso mit einer Politik, die die persönliche Freiheit nicht einschränkt und den österreichischen Steuerzahler nicht belastet. Dahin gehend werde ich Ihnen nachfolgend gerne unsere diesbezüglichen Befürchtungen auch begründen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 117

Ich möchte mit einer Gruppe beginnen, die Millionen Österreicher umfasst, der gegen­über Sie tiefste ideologische Abneigung empfinden und das auch bei jeder Gelegenheit in Form von Maßnahmen und Bestrafungsaktionen zum Ausdruck bringen, nämlich die Gruppe der Autofahrer. Gerade Ihre jüngsten Evaluierungsmaßnahmen im Straßenbau­bereich zeigen das in aller Deutlichkeit, denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Evaluierung, sondern um einen Baustopp für 36 Straßenbauprojekte, den Sie per Wei­sung an die Asfinag erlassen haben. Sie torpedieren damit aber nicht nur die Neubau­projekte wie beispielsweise den Lobautunnel, den Ausbau der S 10 in Oberösterreich oder auch den Sicherheitsausbau auf der A 7, es sind eben genau diese Sicher­heits­ausbauprojekte, die Sie damit verhindern, auch den Sicherheitsausbau zwischen Wiener Neustadt und Mattersburg. Dadurch produzieren Sie nicht nur einen volkswirtschaft­lichen Schaden – wir wissen, dass solche Projekte gerade derzeit nicht billiger werden, sondern sie werden teurer werden –, sondern Sie riskieren den Verlust von Arbeits­plätzen, und vor allem in Bezug auf die Verkehrssicherheit ist das mehr als unverant­wortlich. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

In diesem Zusammenhang stellt sich vor allem für mich als Kärntner die Frage, wann Sie den Sicherheitsausbau auf der B 317 beziehungsweise der S 37 zur Umsetzung bringen werden. Und bitte, üben Sie sich nicht in Ausflüchten, dass da das Land Kärnten am Zug sei! Jährlich haben wir auf dieser Strecke Todesopfer zu beklagen, und jedes einzelne Opfer und jeder einzelne Unfall ist einer zu viel. Seit Jahren wird dort geprüft, anstatt für die Sicherheit gebaut. Und ja, ich kenne auch Opfer und ich kenne die Hinterbliebenen, die sich zu Recht fragen, ob sie nunmehr aufgrund der ideologisch verfehlten Klima­schutzpolitik weitere Opfer beklagen müssen. Dafür sind ganz allein Sie verantwortlich, wenn es zu weiteren Todesopfern auf diesen Straßen und Autobahnabschnitten kommt, weil Sie die Sicherheitsausbauten per Weisung haben stoppen lassen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben heute schon einmal bei einem anderen Thema über Todesopfer gesprochen, Herr Kollege Himmer hat wie gewohnt konzeptlos, aber dafür scheinheilig von Todes­opfern gesprochen. Und ich muss sagen: Sie sind der Steigbügelhalter für diese Aktio­nen, denn Sie als Koalitionspartner begleiten diese Maßnahmen, dass keine Sicherheits­ausbauten mehr stattfinden, und da geht es um Todesopfer, von denen Sie vorhin gesprochen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, dass Ihre Zugänge in diesem Zusammenhang auch als Proponentin einer Verbots-, Reglementierungs- und Belastungspartei nicht einmal beim Koalitionspartner auf besondere Gegenliebe stoßen – außer bei ein paar KollegInnen –, hat sich gezeigt, aber das war Ihnen im Prinzip egal. Ihnen waren nicht die Menschen wichtig, sondern die NGOs, die Sie entsprechend vertreten und die für Sie mehr zählen. Daher können wir vor allem Ihren Vorstellungen überhaupt nichts abgewinnen, auch wenn Sie das nicht zu tangieren scheint. Schließlich ist das der letzte parteipolitische Strohhalm, an den Sie und die GrünInnen sich klammern müssen, um Ihre Basis zu beruhigen – jene Basis, der mittlerweile auch bewusst geworden ist, dass Sie nicht mehr als ein Appendix in dieser De-facto-ÖVP-Alleinregierung sind. Und zum Erhalt der Macht ist man seitens der GrünInnen zu allem bereit, seit zweieinhalb Jahren überhaupt zu noch viel mehr bereit. Da ist man schon dankbar, wenn man insgesamt 243 Mal das Wort Klima und dann noch 73 Mal in Abwandlung den Klimaschutz ins Regierungsprogramm schreiben darf – wahrlich eine reife Leistung.

Jetzt braucht es aber endlich einmal einen realen Erfolg, und da müssen dann eben die Autofahrer herhalten: „Koste es, was es wolle“, um es in den Worten der Messiastruppe zu formulieren. So kommt es gerade recht, dass die ungeliebten Autofahrer jetzt einmal abgezockt und zur Kasse gebeten werden. Da hat Ihnen natürlich die ÖVP mit der NoVA-Erhöhung einen Bärendienst erwiesen. Endlich hatten Sie – im vergangenen Dezember –


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 118

die Möglichkeit, die Autofahrer weiter zu drangsalieren. Aber wen trifft diese Erhöhung? – Stimmt, in erster Linie wieder den fleißigen österreichischen Steuerzahler, der nunmehr für sein Familienauto – die Berechnung für einen VW Sharan erfolgte übrigens vom schwarzen ÖAMTC – durch eine Verdoppelung der NoVA bis zum Jahr 2024 mit umge­rechnet 3 300 Euro zusätzlich belastet wird.

Aber damit nicht genug! Wir haben auch noch die betrieblichen Fahrzeuge, und da wird davon ausgegangen, dass mit einer Zusatzbelastung von 1,8 Milliarden Euro in den nächsten Jahren zu rechnen sein wird. Jetzt dürfen Sie dreimal raten, wer diese Mehr­kosten für die betrieblichen Fahrzeuge zahlen wird. – Natürlich nicht der Unternehmer, sondern der Unternehmer wird das auf den Endverbraucher und somit wieder auf den fleißigen Steuerzahler umlegen! In Ihren Augen und in Ihrer Gedankenwelt ist das natür­lich ein Erfolg, den es zu feiern gilt, in der Wirklichkeit ist das eine Belastung für die Fa­milien und eine Opferung unseres sozialen Gefüges auf dem parteipolitischen GrünInnen-Altar Ihres Klimaschutzwahns. (Beifall bei der FPÖ.)

Haben Sie sich eigentlich überlegt, was das klimapolitisch bedeutet, wozu und wohin Ihre Politik führen wird? – Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge wird entsprechend steigen, weil sich beispielsweise Familien eben aus finanziellen Gründen keine neuen Fahrzeuge werden kaufen können, sich keine neuen Fahrzeuge werden anschaffen können, und daher werden vermehrt ältere Fahrzeuge mit höherem Emissionsausstoß im Umlauf sein. Und wenn wir dann Ihr selbst auferlegtes Gold-Plating-Klimaziel für Österreich im Jahr 2030 nicht erfüllen können, dann werden wir halt einfach wieder die Mineralölsteuer erhöhen – und schließlich wollen Sie ja mehr E-Autos im Umlauf sehen –, und die Mineralölsteuer trifft wieder einmal den fleißigen österreichischen Steuerzahler. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Zugang bei den E-Autos ist ja auch interessant, denn bei den E-Autos hört man auf einmal von den selbsternannten Klimaschutzexperten nichts mehr. Da ist es auf einmal egal, wie hoch die Emissionen bei der Herstellung solcher E-Autos sind. Da hört man von den Gutmenschen und Gralshütern der Menschenrechte auf einmal nichts mehr davon, welche Menschenrechtsverletzungen begangen werden und welche Ausbeutung der Menschen beispielsweise in Afrika stattfindet, um die Rohstoffe zu gewinnen, und da bleibt Ihresgleichen auf einmal die heiße Luft weg, wenn rund 70 Prozent der Erzeug­nisse aus jenem Land kommen, in welchem es mit 28 Prozent den höchsten CO2-Ausstoß gibt und das der größte CO2-Emittent der Welt ist, nämlich aus China. (Beifall bei der FPÖ.)

Da sieht man dann genau Ihre Doppelbödigkeit, wenn es ums Klima geht, denn da werden die Fakten auf einmal ausgeblendet. Was aber für Sie wichtig ist: Die Autofahrer kann man nicht genug geißeln. Daher sind Sie auch für eine Erhöhung der Strafen eingetreten, für jenes sogenannte Raserpaket, von dem heute schon gesprochen wurde, in dem es darum geht, dass gegen unsere Stimmen im Juli beschlossen wird, dass man innerhalb und außerhalb des Ortsgebietes jene bestraft, die halt einmal um 30 km/h zu schnell gefahren sind – ja, das kann vorkommen. Die Strafen werden ums Doppelte erhöht.

Das ist eben ein weiterer grüner ideologischer Anschlag auf die österreichische Bevöl­kerung – und man will ja nicht nur deren Autos von den Straßen verbannen, sondern auch deren Straßen aus dem ländlichen Raum. Anders kann ich es als Bürgermeister nicht deuten, wenn es schwierigster Verhandlungen bedarf, damit es für den Ausbau der Straßenverkehrsinfrastruktur in den Gemeinden eine Förderung nach dem Kommunal­investitionsgesetz gibt, dass dazu ein eigener Förderpunkt verhandelt werden muss. Ein Programm, das zig Punkte für E-Mobilität vorsieht, aber den Straßenbau ausnehmen will – das dürfte wohl dem grünen Anhängsel geschuldet sein, das sich aber Gott sei Dank in letzter Konsequenz damit nicht durchsetzen konnte. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 119

Frau Bundesministerin! Zu meinem Bedauern und wahrscheinlich zu Ihrem Unver­ständ­nis muss ich Ihnen leider mitteilen, dass wir beispielsweise in Kärnten ja nicht über ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz mit U-Bahn und Straßenbahn verfügen, dass unsere öffentlichen Zug- und Busverbindungen mehr als mäßig sind und wir von Ihrem Herzensprojekt, dem 1-2-3-Ticket mit einheitlichen Tarifen, nicht nur geografisch kilo­meterweit entfernt sind und daher unsere Bürger für eine Strecke von rund 20 Kilometern von Sankt Veit nach Klagenfurt jährlich 860 Euro – und nicht wie in Wien 365 Euro – auf den Tisch blättern müssen. Da wäre es das Gebot der Stunde, nicht immer den Ball zwischen Land und Bund hin- und herzuspielen, sondern endlich von der grünen Klima­show- und Verbotspolitik abzukehren und diese Themenstellungen auch tatsächlich einmal zu bearbeiten, einheitliche Tarife zu schaffen, aber vor allem den Ausbau des öffentlichen Verkehrs entsprechend zu garantieren und damit ein Angebot zu schaffen, das genutzt werden kann.

Ja, wir sind aufgrund der gegebenen Voraussetzungen beispielsweise in unserem Bundesland nun einmal auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren angewiesen, und das wird in anderen ländlichen Bereichen in ganz Österreich nicht anders der Fall sein – denn würden wir Ihre E-Autos verwenden, dann würde uns sprichwörtlich der Saft ausgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Leider ist es eine Tatsache, dass die großen Versprechungen der Bundesregierung an Kärnten eigentlich nicht zur Umsetzung kommen, sondern auch zulasten Kärntens gebrochen werden, denn trotz 17,5 Milliarden Euro Investitionen in den Schienenverkehr gibt es keinen einzigen Cent – und es ist auch keiner vorgesehen – für die vom Lärm geplagten Bürger und Tourismusbetriebe im Zentralraum und im Wörtherseeraum, um eine eigene Güterverkehrstrasse einzurichten. Da hört man von Ihnen nichts, aber das ist ja in vielen anderen Bereichen bei Ihnen nicht anders.

Ein brandaktuelles Beispiel haben wir ja: Wo war denn vorgestern der Aufschrei der klimabewussten Umweltministerin, wenn die Regierung in Laibach den Ausbau des total desolaten Atomkraftwerkes Krško fixieren will, ohne die Ergebnisse einer Umweltver­träglichkeitsprüfung sowie einer Sicherheitskontrolle abzuwarten? – Wieder einmal Fehl­anzeige! Da wird einerseits großartig von Klimaschutz gesprochen, aber andererseits wird der Atomkraft überhaupt nicht abgeschworen. Ja, wo sind der Aufschrei und die Forderung nach einer sofortigen Stilllegung? Da warten wir bei Ihnen seit zwei Jahren auf eine klare Stellungnahme. Wo schlägt denn da das grüne Herz? Vielleicht schlägt es aber auch deswegen nicht, weil man ja weiß, dass man die Atomkraft irgendwann brauchen wird, denn irgendjemand wird den Strom, denn Sie für Ihre ganze E-Mobilität brauchen, erzeugen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Stattdessen gibt man sich grünen Utopien in Reinform hin, wenn Sie propagieren, dass wir in Österreich das Ziel haben, im Jahr 2040 Klimaneutralität durch erneuerbare Ener­gien zu erreichen. Österreich, jenes Land, das im Bereich der erneuerbaren Energien bereits jetzt in Europa den dritten Platz innehat, wollen Sie mit allen Mitteln noch weiter an die Spitze bringen, und auch da werden schon einmal die grünen Ideologien über Bord geworfen, denn da werden immense Förderungen ausgeschüttet, beispielsweise um Windparks aufzustellen; da ist es dann plötzlich völlig egal, dass der durch neuerliche Panikmache erzeugten Klimahysterie unsere Natur zum Opfer fallen muss; da ist es dann plötzlich völlig egal, dass unsere Almen für eine sonst so verhasste Bodenver­siegelung herhalten müssen und dass schlussendlich Zufahrtswege und Ableitungs­wege geschaffen werden müssen, die unsere Almen vernichten. Man verschweigt den Bürgern auch, dass dies energiepolitisch und fördertechnisch völliger Nonsens und wieder eine Belastung für den Steuerzahler ist, denn schließlich werden die Netzkosten und die Abgaben auch für den Ökostrom durch Windräder wiederum auf den Endver­braucher abgewälzt.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 120

Auch wenn es darum geht, grüne Wiesen mit Fotovoltaikanlagen zuzubetonieren, wird aus der parteiideologischen Umweltschützerin und Klimaschutzhardlinerin plötzlich eine Lobbyistin der Ökoindustrie, die auch kein Verständnis mehr für den Tierschutz hat. Natürlich kennen wir solche Metamorphosen vom Paulus zum Saulus bei den GrünInnen; die ehemalige Parteichefin hat es ja mit Novomatic vorgezeigt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist jedoch nicht der freie und freiheitliche Zugang zum Schutz unserer Umwelt und unserer Natur. Daher sagen wir Nein zu einer Klimahysterie im Zusammenspiel mit einer Klimadiktatur mit Verboten und Reglementierungen. Wir sagen aber Ja zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer Natur und Umwelt. Wir sagen Nein zur globalen Öko- und Klimawandelindustrie und deren Lobbyisten im beruflichen Umfeld und im NGO-Bereich. Wir sagen Ja zu einer Bevorzugung von Investitionen in Klima­schutzmaßnahmen im Inland. Wir sagen Nein zu bestehenden und weiteren Belas­tungen für Familien und Unternehmen unter dem Vorwand des Klimaschutzes, aber wir sagen selbstverständlich Ja zu Klimaschutzmaßnahmen mit Hausverstand.

Frau Bundesministerin! Als Mitglied der Bundesregierung sind Sie nicht ausschließlich für ein paar NGOs und ein paar Bobofreunde zuständig – übrigens sind das die, die durch ihre Lebensweise den höchsten Verbrauch, im Sinne von CO2-Ausstoß, haben, das ist auch durch Studien belegt; sie sind also diejenigen, die am wenigsten klima­neutral agieren –, sondern Sie haben eine ganzheitliche Betrachtungsweise für alle Bürger dieses Landes an den Tag zu legen. Wenn Ihnen das zuwider ist, gibt es natürlich Möglichkeiten und Wege, die Ihnen Frau Lunacek oder Herr Anschober vorgezeichnet haben; die können Sie wahrnehmen. Ansonsten nehmen Sie endlich Ihre Aufgaben wahr und arbeiten Sie zum Wohle der Bürger unseres Landes, die sich nach der desaströsen wirtschaftlichen und finanziellen Coronachaospolitik dieser Bundesregierung und deren Auswirkungen nicht noch neuerliche Bevormundungen, Reglementierungen und Ver­bote, sondern eine Politik der wirtschaftlichen, der sozialen und der finanziellen Ver­antwortung mit Hausverstand mehr als verdient hätten! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend: Der Weg aus der Coronakrise führt nicht über den Klimaschutz. Der Weg aus der Krise führt einzig und allein über die längst fällige Abdankung dieser schwarz-grünen Chaosregierung. Das wäre der einzige Weg aus der Dauerkrise, und Österreich und seine Bevölkerung wären wieder frei. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Vizepräsident Günther Novak: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Techno­logie Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Frau Bundesministerin.


16.20.20

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank, dass Sie mir das Wort erteilen! Geschätzte Damen und Herren im Bundesrat! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vielen Dank, möchte ich heute sagen, für die Gelegenheit, das mit Ihnen noch einmal diskutieren und Ihre Fragen beantworten zu dürfen, denn wie Sie alle wissen, stehen wir im Klimaschutz, im gemeinsamen Kampf gegen die Klima­krise vor enormen Herausforderungen, vor drängenden Herausforderungen.

Wir leben auf einem Planeten, der zunehmend heißer wird, und diese Hitze macht uns und unserer Umwelt zunehmend zu schaffen. Wir müssen nicht weit in die Ferne blicken, um zu sehen, was auf uns zukommt. Die Klimakrise macht uns immer häufiger ein Fenster in jene Zukunft auf, die auf uns wartet, wenn wir im Klimaschutz nicht erfolgreich sind.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 121

In Kanada machen extreme Temperaturen das Leben zunehmend schwierig. Unfass­bare 50 Grad sind eine gesundheitliche Herausforderung, führen zu Bränden, die im ganzen Land wüten und das Hab und Gut der Menschen zerstören. (Bundesrat Hübner: Wie lange? 48 Stunden; jetzt hat es 12 Grad!) In Tschechien sind erst vor wenigen Wochen Menschen in einem schrecklichen Tornado ums Leben gekommen – hier, inmitten Europas, hier, unmittelbar an der österreichischen Grenze. Und auch in unse­rem Land – es war am Vormittag schon Thema – haben die Unwetter in diesem Juli weitreichende Schäden angerichtet. Denken Sie an die Bäuerinnen und Bauern, die nun vor ihrer ruinierten Ernte stehen und um ihr Einkommen gebracht werden, oder an die Menschen, deren Häuser und Autos im Hagelsturm zerstört wurden! (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte, all dies ist ein Vorgeschmack der größten Krise unserer Zeit und all das definiert unseren gemeinsamen Auftrag: Wir sind hier, um diese Entwicklungen zu stoppen, um den Kampf gegen die Klimakrise zu gewinnen. Genau unter diesen Gesichtspunkten hat sich diese Bundesregierung ein ambitioniertes Regierungsprogramm gegeben – ein Programm, mit dem wir bereits jetzt an die Zukunft denken und die Verantwortung, die wir in der Exekutive haben, und die Verantwortung, die Sie in der Legislative haben, ernst nehmen.

Unser Regierungsprogramm ist aus Verantwortung für Österreich gebaut: aus der Verantwortung für uns und für künftige Generationen, die in diesem Land ein schönes, ein gutes Leben haben sollen. Der Klimaschutz nimmt dabei einen zentralen Stellenwert ein. Österreich will da Vorreiter sein, und wir sind damit auch in Europa auf dem richtigen Kurs. Erst gestern hat die Europäische Kommission mit ihrem Fit-for-55-Paket umfas­sende Maßnahmen für mehr Klimaschutz präsentiert, denn auch Europa hat sich auf den Weg in Richtung Klimaneutralität gemacht.

Wir gehen diesen Weg mutig voran. Das Fit-for-55-Paket zeigt auf, dass die Ziele, die sich die österreichische Bundesregierung gesetzt hat, gut in diesen europäischen Kon­text passen: vom Ausbau der erneuerbaren Energien, den wir in Österreich als euro­päischer Vorreiter vorantreiben, über Maßnahmen für eine Bepreisung von CO2 bis hin zum Umstieg auf die emissionsfreie Mobilität. (Bundesrat Steiner: ... Belastung der Bürger! Gratuliere!) Wir werden 2040 eines der ersten klimaneutralen Länder Europas sein. (Beifall des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Steiner: Da klatscht nur einer!)

Wir werden mit erneuerbaren Energien unser Klima schützen und mit einem sorgsamen Umgang mit wertvollem Boden die Vielfalt unserer Natur erhalten. (Bundesrat Hübner: ... zu Fuß gehen! – Ruf: Frau Minister ...!) All diese Ziele finden sich in diesem Regierungsprogramm und all diese Ziele setzen wir als Bundesregierung auch um. (Bundesrätin Schartel: ... warum das die ÖVP ...! – Ruf: Keep cool!)

Unter diesen Vorzeichen habe ich bereits im vergangenen Jahr mit der Asfinag eine Evaluierung unseres Bauprogramms vereinbart. Wie Sie wissen, gibt sich die Asfinag gemeinsam mit dem Klimaschutzministerium jährlich ein Bauprogramm, in dem fest­gelegt wird, welche Projekte sie wie und wann umsetzt. Dieses Programm, und genau das ist ja in dem Zyklus enthalten, soll die Notwendigkeiten und Herausforderungen, vor denen wir stehen, bestmöglich abbilden. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Im Kampf gegen die Klimakrise kommt der Infrastruktur, kommen Straßen, Schienen eine ganz besondere Rolle zu, weil die Infrastruktur, die wir heute bauen, bestimmt, wie unser Verkehrssystem morgen funktioniert. Sie ist ausschlaggebend dafür, wie Men­schen mobil sind, welche Verkehrsmittel sie verwenden, wie klimafreundlich ihre Wege sein können (Bundesrat Steiner: Bevormundung!) und auch, wie gut sie sich ihre tägliche Mobilität leisten können. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 122

Es ist also unsere große Aufgabe und Verantwortung, in der Planung und mit den Inves­titionen in diese Infrastruktur sorgsam umzugehen, sodass sie den Anforderungen der Zukunft bestmöglich gerecht wird, und ich nehme meine Verantwortung als Ministerin für dieses Land sehr ernst. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ja, für ...!)

Die Richtschnur für unser tägliches Handeln ist unser gutes Regierungsprogramm. (Bundesrat Steiner: Das Schlechteste aus zwei Welten!) Wir haben daher die Kriterien für die umfassende Evaluierung dem Regierungsprogramm entnommen und stellen da­bei die zentralen Zukunftsfragen: Was bedeuten Infrastrukturprojekte für die Erreichung ambitionierter Klimaziele? Welche Auswirkungen haben sie auf den Verbrauch unserer Lebensgrundlage, unseres Bodens? Welche Einschnitte in unberührte Naturräume unseres Landes können wir zulassen, welche gilt es zu überdenken, sodass wir unseren Kindern noch etwas von unserem schönen Land mitgeben können? (Bundesrat Hübner: Deswegen ...!)

All diese Fragen stellen wir mit Blick auf diese Herausforderung, der sich die öster­reichische Bundesregierung im Moment stellen muss. Diese Umstände, diese Ziele sind vielfach neu, weil sich die Situation in unserer Welt rasant ändert und weil sich diese Regierung erstmals ernsthaft des Kampfes gegen die Klimakrise angenommen hat. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ja, mit Belastungen, nur Belas­tungen! 100 Prozent Belastung der Bürger, 0 Prozent Klimaschutz! 100 Prozent Belas­tung der Bürger!) Darüber hinaus stellen sich bei großen Infrastrukturprojekten auch bekannte Fragen: wirtschaftliche Interessen, Bedürfnisse in den Regionen und natürlich wichtige Überlegungen im Bereich der Verkehrssicherheit. All das sind Teile moderner Verkehrsplanung, und all das wird Eingang in die Evaluierung des Asfinag-Baupro­gramms finden, die wir zurzeit im Klimaschutzministerium gemeinsam mit der Asfinag durchführen.

Im Sinne einer tiefgehenden und guten Auseinandersetzung werden dabei selbstver­ständlich auch externe Expertinnen und Experten beigezogen, wo das erforderlich und sinnvoll ist. Um diese Evaluierung gut abzuschließen und ihrem Ergebnis nicht vorzu­greifen, haben wir mit der Asfinag vereinbart, bis zum Abschluss der Evaluierung im Herbst keine konkreten Baumaßnahmen bei den betroffenen Projekten vorzunehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Selbstverständlich betrifft das nicht laufende Planungen, die im Sinne der Effizienz fortgeführt werden, auch keine Verfahren in den unterschiedlichen Stadien. Diese werden, so wie das gesetzlich vorgesehen ist, unter höchsten rechtsstaatlichen Grundsätzen von den jeweiligen Behörden und Gerichten geführt. Das Klimaschutzministerium kann und will darauf keinen Einfluss nehmen. (Bundesrat Steiner: Das hat ja gut funktioniert in der ..., die Rechtsstaatlichkeit!) Auch Bautätigkeiten bei Projekten, die sich bereits in Bau befinden, werden selbstverständlich fortgeführt; ein sorgsamer Umgang mit Steuergeld ist unser aller Priorität.

Lassen Sie mich kurz noch einmal auf die Größe der Entscheidungen eingehen, vor denen wir im Moment stehen: Wenn wir heute unser Mobilitätssystem gestalten, dann wirken diese Pläne, diese Straßen oder Schienen erst in Jahren oder Jahrzehnten. Sie wirken dann allerdings bestimmt, sie geben also vor, wie wir uns verhalten werden. Wir leben in einer Welt, in der sich viel rasant verändert. Gerade die Klimakrise (Ruf bei der FPÖ: Was für eine Krise?) und die Wucht, mit der sie uns zunehmend bedroht, haben sich in den letzten Jahren dramatisch verschärft. Was wir heute tun, soll also im Sinn zukünftiger Generationen wohlüberlegt sein. Entscheidungen, die wir heute treffen, bestimmen grundlegend Entwicklungen in der Welt von morgen, und wir alle wissen, dass wir, wenn wir Entscheidungen zu schnell treffen, das dann später hin und wieder auch bereuen. (Bundesrat Hübner: ... evaluieren wir jetzt nur mehr!)

Nachdenken ist also wertvoll, und diese Evaluierung und die wenigen Monate, die wir nun damit verbringen, sind gut investierte Zeit, denn nichts wird uns am Ende so teuer


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 123

zu stehen kommen, wie jetzt die falschen Entscheidungen zu treffen. Es gibt Dinge, die sind unwiederbringlich, wenn wir sie einmal zerstört oder verändert haben; sich dafür zu entscheiden, muss gut begründet und bewusst sein.

Der Kampf gegen die Klimakrise besteht aber aus vielen unterschiedlichen Bausteinen. Er betrifft die Mobilität, die erneuerbaren Energien und er betrifft auch ein faires Steuer­system. Das Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung deckt dieses breite Spektrum an Herausforderungen gut ab, und ich als Ministerin will meinen großen Teil dazu beitragen, damit wir in zehn, in 20 Jahren stolz darauf sein können, wie dieses Land, wie Österreich für mehr Klimaschutz eingetreten ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ich durfte Ihnen heute am Vormittag schon einen ersten sehr großen Schritt prä­sen­tieren. Sie haben heute hier das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen – ein großes Danke dafür! (Bundesrat Steiner: Und Autofahrer abgezockt!) – und damit den Weg zu einer grünen Energiezukunft frei gemacht. Wir werden in Österreich 2030 100 Prozent unseres Stroms aus Sonne, aus Wind, aus Wasserkraft und Biomasse produzieren und damit den ersten Sektor, die Energie, in Österreich klimaneutral machen. Wir tun all das mit strengen Kriterien zum Schutz unserer Naturräume und Flussjuwele, und zwar eingebettet und als Voraussetzung für die Förderung – auch das ist in Österreich neu.

Wir arbeiten an einer umfassenden und grundlegenden Reform unseres Steuersys­tems – mit der ökosozialen Steuerreform wird im nächsten Jahr Klimaschutz für die Menschen in diesem Land günstiger –, und wir geben klimaschädlichem CO2 einen fairen Preis, damit in Zukunft jene etwas finanziell beitragen, die unser Klima ganz be­wusst schädigen, und die große Mehrheit, die sich klimafreundlich verhält (Bundesrat Steiner: Also der kleine Autofahrer, die sollen auch zahlen! Das haben Sie ...!), davon auch finanziell profitiert. Dabei achten wir ganz bewusst und gezielt darauf, dass die Veränderung sozial gerecht gestaltet wird, indem wir beim Umsteuern auch entlasten. Darüber hinaus haben wir das mit der Senkung des Einkommensteuersatzes auf niedrige Einkommen bereits umgesetzt.

Soziale Gerechtigkeit ist auch ein zentrales Schlagwort beim Umstieg auf Heizsysteme mit erneuerbaren Energieformen. Moderne Heizungen und Sanierungen sparen nicht nur Betriebskosten, gerade bei all jenen, die ohnehin wenig haben, sondern wir unter­stützen auch gerade einkommensschwache Haushalte ganz gezielt mit einem Förder­paket, das die einmalige Investition beim Umstieg mit bis zu 100 Prozent unterstützt – für all jene, für die diese Investition eine nicht stemmbare Hürde ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir leben in einem schönen Land, und wir leben auf einem schönen Planeten, aber wir haben nur diesen einen. Daraus ergibt sich der große Auftrag, vor dem wir alle gemeinsam stehen: auf die Grundlage unseres Lebens aufzu­passen, nicht zu zerstören, was uns erhält. Das ist vernünftig, das sagt uns allen der Hausverstand. Nichts anderes heißt Klimaschutz: Wir bauen unser Land um, um unser Leben zu bewahren. Wir machen jetzt den Unterschied, um das Morgen zu erhalten. Ich freue mich auf diese Aufgabe, ich bin stolz darauf, einen Teil dazu beitragen zu können, und ich weiß, ganz vielen von Ihnen geht es genauso, denn wir alle teilen die Verant­wortung für die Zukunft unserer Kinder.

Genau in diesem Sinn freue ich mich, noch Ihre Fragen beantworten zu können. (Bun­desrat Ofner: Bitte die ...!)

Zur Frage 1:

Die Bearbeitung und Erstellung des Sechsjahresprogramms ist ein laufender und rollierender Prozess, dieser wird nach Abschluss der Evaluierung in seiner Gesamtheit veröffentlicht und vorgestellt.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 124

Zur Frage 2:

Sie finden einen Überblick über die Baumaßnahmen auf der Homepage der Asfinag – öffentlich einsehbar. Neubauprojekte, die noch nicht in Umsetzung sind, befinden sich wie bereits gesagt aktuell in der Evaluierung.

Zur Frage 3:

Ich darf Sie auch dazu auf die Homepage der Asfinag verweisen. Es gibt Planungen zu allen Projekten, da diese oft schon jahrelang in Planung sind.

Zur Frage 4:

Ich darf dazu auf die Ausführungen gerade eben in meinem Eingangsstatement verweisen. Der Prozess wird im Herbst abgeschlossen sein. Auf laufende Verfahren habe ich keinen Einfluss, diese liegen in einigen Bereichen auch in Länderkompetenz und laufen weiter. Die Evaluierung dient gerade dem Zweck, den sorgsamen Umgang mit Steuergeld zu gewährleisten.

Zur Frage 5:

Es handelt sich um keine gesellschaftsrechtliche Weisung, vielmehr ist es eine in ge­setzlichen beziehungsweise vertragsrechtlichen Regelwerken normierte Abstimmung und Einvernehmensherstellung. Diese Regelwerke sind das Asfinag-Gesetz, das Asfinag-Ermächtigungsgesetz und insbesondere der Fruchtgenussvertrag.

Zur Frage 6:

Interne Angelegenheiten des Unternehmens sind insbesondere Aufsichtsratssitzungen. Die Aufsichtsräte sind gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Zu den Fragen 7 und 8:

Ich darf Sie dazu auf das Regierungsprogramm verweisen, darin sind alle geplanten steuerlichen Maßnahmen enthalten. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist ein Witz, diese Anfragebeantwortung! Lesen können wir selber auch!)

Zur Frage 9:

Die Einnahmen aus der NoVA sind Teil des Gesamtbudgets des Bundes ohne Zweckbindung für einzelne Projekte.

Zu den Fragen 10 und 11:

Im Zentrum steht die Erhöhung der Verkehrssicherheit. Bezüglich Maßnahmen dazu darf ich auf das Regierungsprogramm und die kürzlich veröffentlichte Verkehrs­sicher­heits­strategie 2021 bis 2030 verweisen.

Zur Frage 12:

Das Grundprinzip ist, dass der jeweilige Straßenerhalter Strafgelder bekommt. Das sind in Österreich daher verschiedene Stellen: die Asfinag, die Gemeinden, die Länder. Dazu gibt es auch Sonderregelungen zur weiteren Verteilung dieser Gelder. Die Regelung zur Verwendung der Strafgelder findet sich in § 100 StVO. Die Einnahmen aus Verkehrs­strafen sind für die Straßenerhaltung, die Beschaffung und Erhaltung von Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung und für Maßnahmen zur Verkehrsüberwachung zu verwenden. (Bundesrätin Schartel: ... dann bauts keine Straßen mehr!)

Zu den Fragen 13 bis 15:

Grundlage für Geschwindigkeitsbeschränkungen gemäß StVO sind § 43 Abs. 1 und Abs. 2. Bei der Umsetzung durch die zuständigen Behörden stellt die Rechtsprechung


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 125

strengste Anforderungen im Hinblick auf die Verordnungsgrundlagen und ihre Ermitt­lung. Wir erhalten vonseiten der Länder und Gemeinden eine Vielzahl von Forderungen bezüglich einer Herabsetzung der Geschwindigkeiten zwecks Reduktion von Verkehrs­lärm und Erhöhung der Verkehrssicherheit. Eine Zuständigkeit des Bundes hinsichtlich solcher Wünsche und Forderungen besteht wie ausgeführt nur hinsichtlich des hoch­rangigen Straßennetzes des Bundes; auch insoweit sind aber die beschriebenen Anfor­derungen der Rechtsprechung zu beachten.

Zur Frage 16:

Wir befinden uns derzeit in der regierungsinternen Abstimmung; sobald diese abge­schlos­sen ist, werden wir den Entwurf unverzüglich in Begutachtung schicken.

Zur Frage 17:

Der Entschließungsantrag „Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Klimavolks­be­gehren“, Entschließungsantrag 48/AEA, enthielt die Aufforderung, genanntes Gut­achten in Auftrag zu geben. Das Bundesministerium für Klimaschutz ist dieser Auffor­derung nachgekommen. Sollte sich die Notwendigkeit ergeben, den Schlussfolgerungen näher­zutreten, ist, wie bei jedem Gesetz, eine verfassungskonforme Umsetzung zwei­felslos notwendig. Der Bundesregierung steht hierfür beispielsweise der Verfassungs­dienst zur Verfügung.

Zur Frage 18:

Eine derartige Maßnahme ist nicht in Diskussion.

Zur Frage 19:

So eine Maßnahme ist mir nicht bekannt und war zu keinem Zeitpunkt in Diskussion.

Zu den Fragen 20 und 21:

Es gibt auf allen Straßen im hochrangigen Straßennetz des Bundes bereits eine flächen­deckende Maut. Die Lkw-Maut und die Vignette für Pkw sind etablierte und akzeptierte Systeme. Bezüglich Straßen im untergeordneten Netz liegt die Zuständigkeit bei den Ländern und Gemeinden.

Zur Frage 22:

Die Grundlage für die Einhebung der Maut für die Benützung von Autobahnen und Schnellstraßen ist das Bundesstraßen-Mautgesetz. Dieses Bundesstraßen-Mautgesetz enthält keine Ausnahme für Pkw mit Elektroantrieb. (Bundesrat Steiner: Die Frage ist, ob es geplant ist! Was sind denn das für Antworten? – Bundesrätin Schartel: Geplant!)

Zur Frage 23:

Die Klimakrise und der Erhalt der Biodiversität sind die wesentlichsten Herausfor­derun­gen unserer Zeit, denen wir uns widmen müssen. Dass der Umbau unseres Energie­systems naturverträglich sein muss, ist zweifellos eine der zentralen Voraussetzungen. (Bundesrat Steiner: Eine Frechheit!) In diesem Kontext sind Zweitwohnsitzprojekte und der Ausbau heimischer Energieerzeugung wahrscheinlich unterschiedlich zu bewerten. (Bundesrat Steiner: Eine bodenlose Frechheit, diese Antworten!) Wiewohl die Kom­petenzen für Naturschutz und Raumordnung bei den Bundesländern liegen, bin ich der Meinung, dass man diese Fragen nur durch einen offenen und transparenten Diskurs lösen kann. Projekte zum Ausbau heimischer und sauberer Energieerzeugung weisen in der Mehrheit eine große Zustimmung auf. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs über­nimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 126

Zur Frage 24:

Gemäß dem Regierungsprogramm und dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beträgt das Ausbauziel bei der Windkraft 10 Terawattstunden. Damit entfallen fast 40 Prozent des bis 2030 relevanten Ausbaus auf die Windkraft. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.36


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


16.36.35

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin nach dieser Anfragebeantwortung etwas sprachlos. Ich habe in diesem Haus schon vieles erlebt, aber eine dermaßen oberflächliche und schwache Anfragebeantwortung empfinde ich als Frechheit, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Steiner: Eine bodenlose Frechheit!) Bei dieser türkis-grünen Bundesregierung hat man immer das Gefühl, als würde der Parlamentarismus gar nicht ernst genommen. Ich empfinde das als Frechheit, kann ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, Sie haben in Ihrem Eingangsstatement gesagt: „Wir leben auf einem Planeten, der zunehmend heißer wird“. – Das ist uns, glaube ich, allen bewusst, und wir wissen auch, dass die Eiszeit vor rund 21 000 Jahren ihren Höhepunkt hatte und vor 10 000 Jahren zum Glück zu Ende gegangen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Man durfte sich ja bereits zu Beginn, bei der Ressortverteilung dieser türkis-grünen Bun­desregierung, die Frage stellen, ob das Verkehrsministerium bei den Grünen wirklich richtig angesiedelt ist. Inzwischen wissen wir: Wenn dieses Verkehrsministerium tat­sächlich einmal ein Lebenszeichen von sich gibt, dann geht es entweder um Autofahrer­bashing oder um eine Stigmatisierung unserer normal denkenden und normal lebenden Österreicher. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben es ja heute schon gehört: Die NoVA-Erhöhung, die Sie auf Schiene gebracht haben, trifft unsere Österreicher mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik, nämlich in einer Wirtschaftskrise, die auch diese Bundesregierung herbeige­führt hat, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Betriebliche Fahrzeuge – der ganz normale Kleintransporter, der ganz normale Kastenwagen – werden um rund 11 000 Euro teurer. Das sind exorbitante Mehrkosten, Frau Bundes­minister. Glauben Sie wirklich, dass der Unternehmer auf diesen Kosten sitzen bleibt? Der Unternehmer legt das ja wieder auf Stundenlöhne, auf Stundensätze um. Zahlen muss es der kleine, fleißige Österreicher, meine sehr geehrten Damen und Herren (Beifall bei der FPÖ), nämlich genau jene, die heute schon nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben finanzieren sollen, wie sie ihre Wohnung bezahlen sollen und wie sie die Kinder bis zum Monatsende durchfüttern sollen.

Dasselbe gilt aber auch für die typischen Familienautos: Für einen VW Sharan steigt die NoVA von 3 300 auf 6 500 Euro – das ist eine Verdoppelung der NoVA. Bei der durchschnittlichen Familie, bei der Arbeiterfamilie ist das etwas, was sie sich im ganzen Jahr nicht ersparen kann, Frau Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Unglaublich, so etwas! Unsozial!)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 127

Ja, seit dem Regierungseintritt der Grünen haben Sie den Bezug zum Menschen verloren. (Bundesrat Steiner: Hat sie nie gehabt!) Sie wissen nicht mehr, wie es dem Arbeiter draußen wirklich geht. Das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld werden nicht dafür verwendet, um Urlaube zu machen oder großartige Weihnachtsgeschenke zu kaufen. In vielen Familien wird es dafür verwendet, das Minus am Konto endlich einmal abzudecken. (Beifall bei der FPÖ.)

Und das bringt mich auch schon zur nächsten Ungeheuerlichkeit, Ihrem sogenannten Raserpaket. Argumentiert wird das Ganze mit illegalen Straßenrennen, wozu nicht einmal Zahlen im Ausschuss genannt werden konnten, weil deren Zahl nämlich nicht gestiegen ist. Sie stigmatisieren und drangsalieren damit unsere Menschen, die tag­täglich auf das Auto angewiesen sind. (Beifall bei der FPÖ.) Das Einzige, was Sie wollen, ist, unseren Österreichern, die auf das Auto angewiesen sind, so richtig tief in die Tasche zu greifen. Das ist das Einzige, was Sie wollen, Frau Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.) Wer 30 km/h zu schnell unterwegs ist, wird mit Strafen von bis zu 5 000 Euro sanktioniert. Wissen Sie, was das für Summen sind?! Wissen Sie, was das für einen normal arbeitenden Österreicher bedeutet? 5 000 Euro, weil er 100 km/h in der 70er-Beschränkung gefahren ist, das ist doch Wahnsinn, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Was Straferhöhungen betrifft, kann ich Ihnen nur empfehlen, einmal mit Ihrer Partei­kollegin, mit Frau Bundesminister Zadić, zu sprechen. Da würden wir uns schon Straf­erhöhungen wünschen, nämlich bei Vergewaltigern, bei Rechtsstaatsverletzungen, bei Gewaltverbrechen, bei Drogendelikten – aber diese Menschen werden weiterhin mit einer Rundumversorgung belohnt. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, viele in Österreich fragen sich: Wen würde der Anstand heute wohl wählen? – Sie haben das damals am Wahlplakat gehabt. Eines kann ich Ihnen sagen: Die Grünen sind es mit Sicherheit nicht mehr, denn das Einzige, was die Grünen können, ist, die Menschen sprichwörtlich bis auf die Unterhose auszuziehen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das ist das Einzige, was Sie in der Regierung bis jetzt zusammengebracht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Über die E-Mobilität möchte ich eigentlich gar nicht lange reden, aber: Wenn nur ein Bundesland in Österreich seinen Fuhrpark auf E-Mobilität umstellen würde, dann würde bis weit über die Grenzen in Österreich das Licht ausgehen, das kann ich Ihnen auch sagen. (Beifall bei der FPÖ.) Vor einigen Jahren haben wir noch die alte Glühbirne gegen die Energiesparlampe tauschen müssen, und heute wollen Sie den gesamten Verkehr auf E-Mobilität umstellen. Ja, Frau Bundesminister, woher kommt denn dann der ganze Strom? (Bundesrat Spanring: Aus der Steckdose!) – Aus der Steckdose kommt er, ja, ganz genau! Aus Atomkraftwerken nicht, darüber brauchen wir uns in Österreich nicht zu unterhalten, über Kohlekraftwerke, glaube ich, genauso wenig. Na da bleibt ja nur mehr die Windkraft.

Als Weststeirer, kann ich Ihnen nur sagen, bin ich seit vielen, vielen Jahren mit diesem Thema konfrontiert, nämlich mit dem Windpark Stubalpe. Man will dort, in einem Land­schaftsschutzgebiet, einem Naturschutzgebiet, riesengroße Windräder hinbauen, Lkw-breite Zufahrtsstraßen errichten, auf derselben Alm, auf der die Lipizzaner untergebracht sind. Niemand weiß, wie sich der Schall der Windräder auf Menschen, auf Tiere und auf die Umwelt auswirkt. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn man bedenkt, man muss diese Wind­räder errichten, man muss sie metertief im Boden verankern, man muss Zufahrtsstraßen für Lkws bauen und man muss diese Windräder irgendwann einmal wieder abbauen, dann wird man draufkommen, dass die Energiebilanz dieser Windparkanlagen nur minimal positiv ist. Aber was ist denn der wahre Grund dieses großen Windpark­booms? – Nicht der grüne Gedanke. Der wahre Grund sind die attraktiven Fördermodelle im Hintergrund, weil in Wahrheit für die Errichtung mehr Förderungen fließen, als der


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 128

ganze Windpark überhaupt kostet, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte hier noch ein Thema ansprechen, nämlich Ihren sogenannten Klimacheck, der zur Folge hat, dass sämtliche Asfinag-Projekte inzwischen auf Eis gelegt sind. Das betrifft auch bei uns in der Steiermark zwei wesentliche Verbindungen, nämlich einer­seits die S 36 und andererseits die A 9. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist absurd, den Ausbau der S 36 noch weiter zu verzögern, nämlich den fehlenden Lückenschluss von rund 10 Kilometern zwischen Judenburg und Sankt Georgen ob Judenburg – die wichtigste Verbindung vom Murtal nach Murau. Da handelt es sich um eine unfallträchtige Strecke, und man weiß, mit diesem Ausbau könnte man viele, viele Unfälle vermeiden. Nicht mit Ihrem Raserpaket, sondern mit dem Ausbau der Straßen kann man Unfälle vermeiden! (Beifall bei der FPÖ.)

Es geht ja nicht nur um diese Straße per se, diese Straße bringt eine Attraktivierung des gesamten ländlichen Raums. Die infrastrukturelle Weiterentwicklung ist gerade für uns außerhalb der Ballungszentren von immenser Bedeutung. Wir wollen ja Firmen dort hinbringen, wir wollen Industrie und Gewerbe dort hinbringen und nicht eine Abwan­derung in die Ballungszentren haben. (Beifall bei der FPÖ.) Frau Bundesminister, wir haben es heute ja schon einmal gehört: Man soll möglichst viel auf die Schiene bringen. Ich kann Ihnen nur sagen, in diesem Bereich fährt alle 2 Stunden eine Schmalspurbahn, die mit dem Schülerverkehr ausgelastet ist, daher ist die einzige Möglichkeit, die wir dort haben, der Ausbau der S 36. (Beifall bei der FPÖ.)

Das zweite Projekt, das jetzt dem Klimacheck unterzogen wird, ist der Ausbau der A 9, nämlich zwischen Graz und Wildon. Ich weiß nicht, ob Sie diese Strecke kennen oder schon einmal gefahren sind: Man verliert als Pendler auf dieser Strecke rund 1 Stunde, und das ist einfach unzumutbar – unzumutbar für den Pendler, unzumutbar für das Grazer Umland. Es entstehen nicht nur Staus, es entstehen Unfälle, Unfälle mit Per­sonenschaden, mit Fußgängern, und das alles wäre mit dem vernünftigen Ausbau der A 9, mit der Verwirklichung dieses Projekts vermeidbar. Gerade da braucht es eine Politik mit Hausverstand und keine autofahrer- und wirtschaftsfeindliche grüne Hand­schrift, Frau Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, ich gebe Ihnen schon recht, natürlich ist die Bodenversiegelung ein Thema, aber man muss auch immer den Nutzen gegenüberstellen. Und eines muss man ja auch sagen: Bei diesen Projekten kann ja ein Großteil wieder renaturiert werden, es kann neues Leben, neue Flora, neue Fauna entstehen, wie wir das bei vielen, vielen großen Projekten bereits gesehen haben. Um aber auf den Aspekt der Bodenversiegelung zurückzukommen: Ich würde mir das auch bei einigen anderen Projekten wünschen, dass dieses Argument ins Treffen geführt wird. Wenn es nämlich um den Bau von Wind­parks oder von großflächigen Fotovoltaikanlagen geht, da vermisse ich die Stim­men der Grünen, da ist die Bodenversiegelung auf einmal komplett egal, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Abschließend, Frau Bundesminister: Viele, viele Baustellen in Ihrem Ressort, im Ver­kehrsressort, sind nicht kleiner geworden, sie sind größer geworden. Eine Frage haben wir in der Anfrage nicht drinnen gehabt, ich möchte sie dennoch stellen: Haben Sie eigentlich schon einmal daran gedacht, sich beruflich umzuorientieren? – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

16.48


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 129

16.49.05

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuseher via Livestream und hier auf der Galerie! Wenn man die Aufgeregtheit des Kollegen Leinfellner hier miterlebt hat, dann macht man sich ja fast Sorgen um seine Gesundheit. (Bundesrat Hübner: Da sieht man echtes politisches Engagement!) Und da denke ich mir fast, es ist die falsche Ministerin heute zur Dringlichen Anfrage geladen worden, es wäre vielleicht gescheiter gewesen, den Gesundheitsminister herzubitten, damit er Sie entsprechend versorgen könnte. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass die Volkspartei und die Grünen bei manchen Themen unterschiedliche Zugänge und Meinungen haben, aber mit einem gemeinsamen Programm für Österreich eine Re­gierung gebildet haben, in der die Dinge auszudiskutieren und entsprechend vorzube­reiten sind. Das ist ja keine große Überraschung, das gibt es in jeder Koalition, das ist auch immer so gewesen. Ich möchte heute schon noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir, mit dieser Regierung, heute zwei Meilensteine auf der Tagesordnung haben: Einen hatten wir schon, mit der Frau Bundesministerin, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz; der zweite betrifft, auch mit einer sehr breiten Mehrheit, die Reform des BVT. Das ist das Thema. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Verlässlichkeit – und das ist auch bekannt, ist auch der Frau Bundesministerin bekannt, dass es im Hinblick auf diese Thematik, also betreffend die Straßenbauprojekte, von unserer Seite schon einige Wortmeldungen und entsprechende Aufregung in den Bundesländern gegeben hat – und Planbarkeit sind für uns ein politischer Auftrag. Ich verstehe es daher, dass es da in den Bundesländern Verunsicherung gibt. (Bundesrat Steiner: Das ist aber sehr milde ausgedrückt!) Das ist etwas, was draußen ist, was angekommen ist und was natürlich auch wieder weggearbeitet werden muss. Wir haben gerade in Regionen mit einer extrem hohen Verkehrsbelastung eine sehr, sehr große Verunsicherung, weil die Bevölkerung dort schon sehr sehnsüchtig auf die Umsetzung von geplanten Straßenbauprojekten wartet. Das betrifft alle Bundesländer. Einige Zitate sind in der Dringlichen Anfrage drinnen, ich brauche diese nicht extra zu wiederholen, das gilt für Niederösterreich und auch für andere Bundesländer.

Die Menschen warten auf Entlastung, sie sehnen sie herbei. Es ist auch eine Tatsache, dass Straßenbauprojekte von der Projektierung bis zur Umsetzung Jahre brauchen, das ist nichts Neues. Wenn Entscheidungen getroffen sind, dann muss die Bevölkerung sich auf die Politik verlassen können. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Und warum kann sich die Bevölkerung nicht verlassen? Warum nicht?) – Ja, ja! Ich bin daher froh, dass wir da alle gemeinsam ein Fundament haben, was Demokratie und Rechtsstaatlich­keit betrifft, und ich danke der Frau Bundesministerin doch auch für die Klarstellung, dass Projekte, die in Planung sind, weitergeplant werden und jene, bei denen das Verfahren läuft, verfahrensmäßig entsprechend weitergeführt werden. Das ist etwas, was von der Verunsicherung etwas nehmen kann, das möchte ich schon auch an­merken. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Die Grundlage für die Straßenbauprojekte ist ja in unserem Land auch ein Gesetz, das Bundesstraßengesetz. Das ist ein Auftrag an eine Regierung, das ist ein Auftrag an die Asfinag, die Projekte im Auftrag der Republik Österreich entsprechend umzusetzen, und die rechtsstaatlichen Vorschriften sind einzuhalten. Wir haben alle Projekte, die im Straßenbau stattfinden, in einem mehrteiligen Bewilligungsverfahren abzuarbeiten; sie sind naturschutzrechtlich und wasserrechtlich abzuarbeiten, es gibt UVP-Verfahren und vieles andere mehr. Das dauert, und es sind ja bei vielen Projekten das wissen wir alle – auch alle Rechtsmittel ausgeschöpft worden. Wenn diese ausgeschöpft sind, dann


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 130

steht am Ende ein Bescheid, und wenn dieser Bescheid da ist, dann ist klar, dass die entsprechende Umsetzung auch durchzuführen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

Es geht um eine Entlastung der Bevölkerung, es geht um die Bedürfnisse in den Regionen, es geht um Tausende Arbeitsplätze, und es geht um die Verkehrssicherheit – das wurde schon angesprochen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Es soll auch niemand glauben, dass Staus umweltfreundlicher sind als Autobahnen. Es geht um beide Bereiche des Verkehrs. Die Frau Bundesministerin ist als Verkehrs­minis­terin ja nicht nur für den Straßenbau zuständig, sondern auch für den öffentlichen Verkehr (Bundesrat Spanring: Verkehr ...! So schaut’s aus!), und es ist meiner Meinung nach ein klares Bekenntnis der Volkspartei, dass es sowohl den öffentlichen Verkehr als auch den Individualverkehr braucht, vor allem im ländlichen Raum. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Auch der öffentliche Verkehr – ich habe das für Niederösterreich nachgeschaut – findet zu 40 Prozent auf Straßen statt. Wir haben ein sehr, sehr dichtes Busnetz, und daher brauchen wir entsprechend beides. (Bundesrat Hübner: Ja, aber die Busse ...!) Ich bitte daher darum, dass jetzt in dieser Situation die Anregungen, die Reaktionen aus den Bun­desländern ernst genommen werden, dass man auch auf die Bundesländer zugeht. Es ist ja auch nichts Neues und allen bekannt, dass die Volkspartei beziehungsweise unser Ver­kehrssprecher im Nationalrat eine schriftliche Anfrage an Sie gestellt hat, und ich ersuche auch, dass man möglichst zügig zur Beantwortung dieser Anfrage kommt. Das ist etwas, was auch in unserem Interesse ist, und wir schließen uns dieser Anfrage natür­lich an. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Ist die Beantwortung immer noch nicht da?)

Ich möchte aber auch zu einem Thema, das vor allem die Freiheitlichen heute schon den ganzen Tag aufregt, kurz Stellung nehmen: zum Raserpaket und der Abzocke, die Sie dahinter sehen. Ich komme aus dem Bezirk Lilienfeld, und im Bezirk Lilienfeld gibt es eine der beliebtesten Motorradausflugstrecken: die Kalte Kuchl im Halbachtal. Ich wohne da in der Nähe und war 15 Jahre lang leidenschaftlicher Motorradfahrer, ich habe diese Gruppe der Motorradfahrer gut kennengelernt. Ich habe beim zügigen Fahren ganz wenige erlebt, die wirklich gerast sind, wir haben aber – das möchte ich hier schon auch klarstellen – mit manchen ein Problem.

Unlängst – ich glaube, es ist gerade zwei, drei Wochen her – wurde ein Motorrad auf dieser Strecke mit 171 km/h geblitzt: Das ist unverantwortlich, unverzeihlich. (Bundesrat Spanring: Ja, das passt eh! – Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Das ist eine massive Gefährdung der Verkehrssicherheit und der Bevölkerung, und da hat es ordentliche Strafen zu geben (Bundesrat Steiner: Ja!), aber nicht 2 000 Euro; da sind 5 000 Euro durchaus angebracht! Das ist eine massive Gefährdung, und das wäre meiner Meinung nach ja fast ein Delikt, das hinsichtlich der Strafe als vorsätzlich zu behandeln wäre. Wir haben in einem 70er-Bereich jemanden mit 168 km/h gehabt, wir haben in einem 70er-Bereich jemanden mit 140 km/h gehabt. (Bundesrat Steiner: Davon reden wir ja nicht!) Das ist keine Abzocke; das ist die Bestrafung von Menschen, die sich nicht an die gesellschaftlichen Regeln, sprich Gesetze, halten können. – In diesem Sinn vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

16.56


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses.


16.56.47

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur NoVA-Erhöhung: Wenn ich mir die Geschichte der


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 131

Erhöhung der Normverbrauchsabgabe anschaue, muss ich sagen, das ist wahrlich kein Ruhmesblatt für Türkis und Grün. Unter dem Deckmantel der Ökologisierung wurde das am 10. Dezember vorigen Jahres durch den Nationalrat gepeitscht. Da muss man schon kurz bei diesem Datum stehen bleiben: Wir erinnern uns alle, dass das dominierende Thema damals ein anderes war, und vielleicht hat das schlechte Ergebnis der NoVA-Erhöhung auch damit zu tun, dass auf dem Höhepunkt der Pandemie dafür absolut nicht der richtige Zeitpunkt war.

Lassen Sie mich jetzt auf die Auswirkungen der Erhöhung zu sprechen kommen! Im Prinzip haben Sie den Klein- und Mittelbetrieben ihre Pritschenwägen teurer gemacht, und Sie haben auch das Familienauto der Mehrkindfamilien teurer gemacht. Hier muss ich mich wiederholen: falscher Zeitpunkt; eine schlechtere Phase für solche Steuer­erhöhungen hätte man sich wohl kaum vorstellen können. Noch immer sind sehr viele Väter und Mütter arbeitslos oder in Kurzarbeit und tun sich unheimlich schwer beim Autokauf.

In den Betrieben schaut es nicht viel anders aus. Ich bin Gewerkschafter durch und durch, ich verstehe aber auch den Aufschrei der Wirtschaftskammer gut, weil manche Betriebe sich das einfach nicht mehr leisten können. Manche Betriebe haben die Krise gerade so überstanden. Wie soll das gehen?

Damit kommen wir aber auch endgültig zu den Aufgaben Ihres Ressorts, Frau Ministerin, weil die Kritik an der NoVA-Erhöhung weitergeht. Was ist an den Behauptungen der Ökologisierung dran? – Von vielen Seiten ist zu hören: keine nennenswerten Effekte, CO2-Einsparungen nicht beziffert, kurzfristig gar nichts, mittelfristig vielleicht. – Auf so einer Basis eine Steuerbelastung einzuführen, ist unverantwortlich (Beifall bei SPÖ und FPÖ), daher frage ich Sie jetzt: Wie hoch sind die positiven Umwelteffekte?, und vor allem auch: Wie sicher sind diese Prognosen? Oder ist das reine Kaffeesudleserei? Gibt es nämlich die Effekte nicht oder sind sie sehr unsicher, so werden Sie es sehr, sehr schwer haben, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu erklären, dass Sie eine zusätzliche Steuerlast für alle Menschen, die in unserem Land leben, eingeführt haben, obwohl es keine positiven Effekte gibt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ganz kurz auch noch zum 1-2-3-Ticket: Ich finde das 1-2-3-Ticket ja gut und lobenswert, finde den Grundgedanken des 1-2-3-Tickets, dass es jetzt ein Klimaticket geworden ist, sehr gut. Der Grund dafür, dass es 1, 2 und 3 im Namen führt, liegt darin, dass man – damit man weiß, wovon man redet – mit 1 Euro pro Tag im Heimatbundesland, mit 2 Euro pro Tag im Heimatbundesland und einem weiteren Bundesland sowie mit 3 Euro pro Tag im gesamten Bundesgebiet unterwegs sein kann. Noch ist dies nicht bei den Konsumenten angekommen, noch funktioniert es nämlich nicht, und das ist das Problem. (Bundesrat Ofner: Das glaube ich auch! – Bundesrat Steiner: Richtig!)

Die Pläne zum 1-2-3-Ticket sind mittlerweile so weit, dass inzwischen von sechs Bun­desländern ein Umsetzungsvertrag mit dem Bund geschlossen wurde. Für Wien, Nieder­österreich und das Burgenland konnte eine derartige Einigung aber noch nicht erzielt werden. Positiv an dieser Einigung ist, das darf ich dazusagen, dass es in der Steiermark um ein 1,4-Milliarden-Euro-Paket zur Weiterentwicklung der steirischen Schieneninfra­struktur geht und der Grundkonsens zum Klimaticket bei uns gegeben ist. Tatsächlich ist vieles aber noch nicht fertig. Auch in der Steiermark ist der Preis für das Klimaticket – außer für die Jahreskarte, das wissen Sie – innerhalb des Bundeslandes noch nicht fixiert. Wir wissen noch nicht, welcher Preis im Bundesland selbst – ob für die Stadt Graz, ob für das Land Steiermark – gelten soll beziehungsweise wer diesen mehr oder weniger mitfinanzieren kann.

Insgesamt muss man somit feststellen, dass nach heutigem Stand das System noch sehr unfertig und auch ein gänzliches Scheitern durchaus noch möglich ist. Ich fordere


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 132

Sie daher auf, Frau Ministerin, konzentriert an einer raschen und vollständigen Um­setzung des Klimatickets zu arbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass die versprochene Verbesserung für das Klima und die versprochene Verbesserung für die Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Verkehrs auch wirklich eintreten.

Über Ölheizungen, liebe Kolleginnen und Kollegen – und damit komme ich jetzt zum Schluss –, und was da alles in Zukunft auf uns zukommen soll, haben wir heute sehr viel gehört. Wir wissen, dass es 600 000 Haushalte gibt, die mit Öl heizen. Ab dem Jahr 2035 soll das Aus für Ölheizungen umgesetzt werden, fünf Jahre später auch das Aus für Gasheizungen.

Es gibt für den Tausch des Heizsystems sowohl Bundesförderungen als auch Landes­förderungen. Darüber hinaus werden für besonders einkommensschwache Haushalte zusätzlich 100 Millionen Euro bereitgestellt, aber jetzt stellt sich die Frage: Wer ist beson­ders schwach? Wo fängt es an und wo hört es auf? Einer, der ein Familieneinkommen von 2 800 Euro hat – der ist eigentlich nicht einkommensschwach –, wird wahrscheinlich nicht viel von den 100 Millionen Euro kriegen. Wenn er aber zum Beispiel Schulden auf das Haus hat, das er sich gekauft hat, und er das dann umbauen muss, schaut die Sache schon anders aus. Ihm bleiben dann nicht 2 800 Euro, sondern auf einmal nur mehr 1 500 oder 1 400 Euro. (Bundesrat Steiner: Ganz genau! – Bundesrat Spanring: Ja!) Dann ist er einkommensschwach, erhält aber nichts mehr von den 100 Millionen Euro, und das wird ein riesengroßes Problem für viele Menschen werden, die von Öl auf um­weltfreundliche Energie umstellen müssen.

Es ist richtig so, dass wir das für das Klima machen, da sind wir ja dafür, aber man muss auch sicherstellen, dass sich das jeder leisten kann und dass die Menschen nicht auf der Strecke bleiben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – In diesem Sinne: Danke, Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

17.03


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile es ihm.


17.03.42

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass ich jetzt eine andere Position als die, die wir vorhin gehört haben, einnehme, vor allem nach den Rundumschlägen der FPÖ. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Ich bin jedenfalls froh, dass wir Grüne in diesem Land maßgeblich Klimaschutz- und Verkehrspolitik machen und nicht Sie. Sie haben einmal mehr bewiesen, dass Sie die Partei der Raser und Betonierer sind, dass Ihnen Klimaschutz vollkommen egal ist, sobald etwas zur Debatte steht, was vielleicht nicht mehr ganz so gemütlich ist. Die Empörung, die Sie da aufbringen, ist ja letztlich eine Bestätigung für unsere Arbeit.

Was ich, bevor ich fortfahre, noch sagen möchte: Herr Ofner! – Wo ist er? (Bundesrat Spanring: Der ist gegangen, der hat genau gewusst, was jetzt kommt!) Vielleicht hört er es, das ist mir jetzt wichtig: Herr Ofner, ich verlange von Ihnen eine Entschuldigung! Das ist unfassbar, was Sie gesagt haben. Sie haben der Frau Ministerin ein Schicksal wie das des Herrn Rudi Anschober gewünscht. Das heißt, sie soll krank werden und ihren Job nicht mehr machen können – das haben Sie gesagt! (Bundesrat Spanring: Geh bitte!) Ich erwarte mir von Ihnen eine Entschuldigung. Eigentlich (in Richtung Vizeprä­sidentin Schwarz-Fuchs) war das ja einen Ordnungsruf wert. (Ruf bei der FPÖ: ... Ord­nungsruf!) Das ist wirklich unfassbar! Es ist unfassbar, was Sie hier aufführen! (Beifall


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 133

bei Grünen und ÖVP.) Denken Sie ein bisschen nach, was Sie sagen! (Bundesrat Spanring: Ja, ja!)

Man darf annehmen, dass alle, die hier sind, regelmäßig Medien konsumieren. Seit Jahren sind darin fast täglich Berichte über die verheerenden Folgen der Klimakrise zu lesen: Hitzewellen mit Hunderten und Tausenden von Toten, absurde Temperatur­re­korde, Waldbrände, Tornados, die ganze Dörfer und Städte hinwegfegen – auch in unse­rer Gegend –, Überschwemmungen – auch bei uns –, Hagelstürme, Ernteausfälle, Was­sermangel, massives Artensterben, Ausbreitung von Schädlingen – Stichwort Bor­ken­käfer –, Abschmelzen des antarktischen Eises, Auftauen der Permafrostböden, Abrut­schen des Grönlandeises, rapides Abschmelzen der Alpengletscher, Korallenster­ben, Anstieg des Meeresspiegels und Sturmfluten, Versinken ganzer Inselgruppen, Dutzende Millionen flüchtender Menschen bedingt durch die Unbewohnbarkeit ganzer Gegenden durch die Klimaerhitzung. Diese Aufzählung ließe sich leider noch lange, lange fort­führen, ganz aktuell gab es vergangene Nacht katastrophale Unwetter in Deutsch­land mit inzwischen über 40 bestätigten Toten.

Ich möchte an die Debatte erinnern, die wir heute Morgen zum Thema Biodiversität mit vielen emotionalen Reden geführt haben, in denen gesagt wurde, wie wichtig es doch sei, eine intakte Biosphäre zu haben. Wo sind denn jetzt die Konsequenzen dieser Reden? – Frau Kahofer hat zum Beispiel bei einem anderen Thema, das Sie unterstützt haben, gesagt – ich habe mir das hier aufgeschrieben –: „Da muss das grüne Minis­terium einfach seine Interessen durchsetzen.“ Das war betreffend Biodiversität. (Heiter­keit des Redners.) – Ja, das nehmen wir uns zu Herzen, das können wir Ihnen ver­sprechen. (Bundesrätin Schumann: Lachen Sie jetzt über Kollegin Kahofer? Haben Sie gelacht über sie?)

Sie müssen, wenn Sie in die Medien schauen, davon gehört haben, dass sich die Wis­senschaft längst einig ist, was an der Klimakrise schuld ist, nämlich – noch einmal in Erinnerung an heute Morgen – allen voran die Verbrennung fossiler Energieträger und die Zerstörung funktionierender Ökosysteme. Sie müssen davon gehört haben, was die Wissenschaft sagt, was geschehen muss, um die großen Katastrophen – denn wir sind erst am Beginn – abzuwenden und auch in Zukunft ein gutes Leben auf diesem Planeten zu haben, unseren Kindern und Enkeln ein freies Leben zu ermöglichen.

Es geht darum, in einer fast unglaublichen Geschwindigkeit die Emissionen herunter­zufahren, sie in zehn Jahren zu halbieren – also mindestens zu halbieren – und in spätestens 30 Jahren überhaupt keine Klimagifte mehr freizusetzen. Die Wissenschaft sagt uns, dass unser Klimabudget in nicht einmal zehn Jahren aufgebraucht ist, wenn wir in Österreich auf diesem Emissionsniveau weitermachen – in nicht einmal zehn Jahren! Wenn Sie einen Blick in die österreichische Emissionsbilanz des Umwelt­bundes­amtes werfen, werden Sie sehen, wer hauptverantwortlich für die Klimagiftemissionen ist, und das ist allen voran der Verkehr.

Seit 1990 sind die CO2-Emissionen im Verkehr – begleitet übrigens von einer massiven Zunahme des Autobestandes von drei auf fünf Millionen Pkws – um sage und schreibe 74 Prozent gestiegen. Damit einher geht ein extremer Flächenverbrauch. Alleine die Verkehrsflächen in Österreich versiegeln inzwischen sage und schreibe 2 000 Quadrat­kilometer. (Bundesrätin Schartel: Die Fotovoltaik ...!) Diese Zerstörungswut, sage ich ganz offen, muss endlich ein Ende haben. Vielmehr müssen endlich die ökologischen und sozialen Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Die Bundesregierung hat sich auf unsere Initiative hin und mit Blick auf die Wissenschaft zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein, bis 2030 sollen die Emissionen EU-weit um 55 Prozent reduziert werden, und wir werden unseren Anteil dazu beitragen. Das heißt, wir können, nein, wir dürfen schlicht und einfach nicht mehr so weitermachen wie


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 134

bisher. Das gilt ganz besonders für den Verkehr. Einfach weiterzumachen und nichts zu hinterfragen wäre fahrlässig, das wäre inkonsequent und unehrlich angesichts der gesteckten Ziele, die übrigens in diesem Haus unterstützt werden. Ein weiterer unge­zügelter Straßenbau im gewohnten Ausmaß – im Übrigen war nie die Rede davon, dass einzelne Projekte nicht durchaus sinnvoll sein können – wird unweigerlich zu mehr Emis­sionen aus dem Verkehr führen. Das ist so. Das ist das Grundeinmaleins jedwedes Infra­strukturausbaus. Genau dieses Prinzip, das in den letzten Jahren angewandt wurde, hat eben zu den Problemen geführt, die jetzt da sind und beklagt werden, sprich zur hohen Verkehrsbelastung, die ja niemand in Abrede stellt.

Viele glauben aber jetzt, dem mit einer weiteren Zunahme des Verkehrs entgegenwirken zu können. Das verstehe, wer will, ich jedenfalls verstehe das nicht. Selbstverständlich ist es nur konsequent und legitim, die großen Straßenbauprojekte, um die es geht, wie angekündigt – es ist gesagt worden – hinsichtlich ihrer Klimaauswirkungen und ihres Bodenverbrauchs zu überprüfen, um zu schauen, ob die Projekte überhaupt noch zeitgemäß sind. Diese Debatte muss jetzt geführt werden und nicht in fünf Jahren, denn das wäre unredlich.

Es wurde Unsicherheit unterstellt. Es ist das Gegenteil der Fall. Wenn Projekte, die noch nicht in Bau und noch nicht im Planungsprozess sind, ein paar Monate lang evaluiert werden, bricht die Welt nicht zusammen, vor allem fallen keine weiß ich wie großen Kosten an. Das sind alles Projekte, die in zig Jahren und Jahrzehnten gemessen werden. Das ist eine gut investierte Nachdenkpause und Überprüfungspause.

Ja, wir brauchen aufgrund des Klimaschutzes, des Bodenverbrauchs und aus sozial­politischen Gründen eine grundlegende, neue Konzeption der Verkehrspolitik im Sinne der Leistbarkeit der Mobilität. Individualverkehr ist das Teuerste – das habe ich hier herinnen schon oft gesagt – und das Unsozialste. Es geht um eine neue Konzeption der Verkehrspolitik im Sinne der Menschen und nicht vorrangig im Sinne der Autos, im Sinne des öffentlichen Verkehrs, um dem sanften Verkehr mehr Raum zu geben, und wir müssen endlich aufhören – ich spitze zu, ich weiß schon, aber das ist die Grundten­denz –, die Welt aus der Windschutzscheibenperspektive gestalten zu wollen. Es braucht jetzt Mut und es muss auch ein bissel Gegenwind ausgehalten werden, um zu schauen, ob es nicht bessere Lösungen für die Verkehrsprobleme gibt. (Bundesrat Spanring: Das wissen wir aber schon selber!)

Es braucht natürlich noch mehr – auch das ist Thema in der Anfrage –, selbst­verständ­lich! Es braucht noch mehr Rahmenbedingungen wie beispielsweise die ökosoziale Steuerreform, der Klimaschutz soll in die Verfassung; aber es wurden auch bereits Maß­nahmen gesetzt, etwa die Änderungen bei der NoVA. Ich möchte schon eines anmerken, weil immer wieder das Gegenteil behauptet wurde: Etwas, was wir wirklich systematisch und in einem noch nie da gewesenen Ausmaß in diesem Land machen, ist, diese Zielsetzungen mit Alternativen zu begleiten. Seit es Österreich gibt, hat es noch nie so viel Geld für den ÖV in diesem Land gegeben. Noch nie! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Noch nie ist so viel Geld für die Bahn, für den ÖV da gewesen: jetzt 100 Millionen Euro für das 1-2-3-Ticket für die Länder. Es gibt – weil es angesprochen wurde – 650 Millionen Euro für den Tausch von Heizungen, 100 Millionen Euro für heuer und das nächste Jahr und noch einmal 100 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre im Finanzrahmenplan, um Menschen, die es brauchen, Heizungen in den Keller zu stellen.

Zur NoVA: Es hat noch nie solche Förderungen für Elektromobilität gegeben. Die Betriebe nehmen das fantastisch an. Sie zahlen auch keine Mehrwertsteuer. Mir haben zwei, drei Unternehmer vorgerechnet, dass es für sie aufgrund dieser Vergünstigungen drastisch billiger kommt, einen Pkw, einen Kleintransporter anzuschaffen, der elektrisch fährt, als ein Benzinauto. (Bundesrat Spanring: Das sind keine Förderungen, wenn das


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 135

der Steuerzahler zahlt!) Das sind ganz wichtige Maßnahmen, um die Transformation voranzutreiben, bestens begleitet mit super Förderprogrammen.

Die wütenden und teils drohenden Reaktionen und Klagen – eine Verfassungsklage, was weiß ich was alles –, die es jetzt aufgrund der Ankündigung der Evaluation gab, sind durchaus eine Offenbarung. Ich habe mich schon geärgert, teilweise hat es mich aber auch nicht gewundert. Es zeigt halt – diese Kritik werden jetzt manche aushalten müs­sen –, dass Klimaschutz für viele, auch hier herinnen, ein Sonntagslippenbekenntnis ist: Klimaschutz dann, wenn sich nichts ändert, wenn es für alle gemütlich ist, wenn man sich nicht hinstellen und keinen Gegenwind aushalten muss. Dabei ist noch nicht einmal etwas entschieden, aber man hüpft schon einmal an die Decke. Dass man die Projekte nicht einmal überprüfen darf, ist schon bemerkenswert. Ich sage das jetzt auch ganz offen in Richtung meiner Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ (Heiterkeit und Oh-Rufe der Bundesrätinnen Schumann und Grimling): Ich finde es besonders enttäuschend, was Sie machen, weil ich mir ehrlich mehr von Ihnen erwartet hätte. (Bundesrätin Grimling: Aber nein! Was wir uns alles erwartet haben! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Wir haben auch mehr von den Grünen erwartet!) Das ist wirklich eine Enttäuschung gewesen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die SPÖ – das werden Sie jetzt aushalten müssen (Ruf bei der SPÖ: Wir halten alles aus!) – pocht darauf und trompetet täglich die Bedeutung des Klimaschutzes. Wie oft wurde uns in den letzten Monaten vorgeworfen, wir tun zu wenig, es gehe so langsam voran. (Bundesrätin Schumann: Jetzt haben wir das Erneuerbaren-Gesetz mitbeschlos­sen und jetzt kriegen wir eine drauf?) Wie vehement wurde – richtigerweise; ich streite ja nicht einmal ab, dass da etwas dran ist – die Umsetzung des Klimavolksbegehrens gefordert? Das ist übrigens in einem super Antrag gemündet. (Bundesrätin Schumann: Wir haben mitgestimmt ...! – Bundesrätin Grimling: Wir haben eh mitgestimmt, was willst von uns?!) Es ist – das verrate ich Ihnen – nicht schwer zu erraten, was die Initia­torInnen des Klimavolksbegehrens von den großen Straßenbauprojekten halten. Was glauben Sie wohl, was sie sagen werden?

Und jetzt haben Sie einen Antrag eingebracht – das ist wirklich erstaunlich –, dass die gesamte Evaluierung für alle Projekte gestoppt wird, für alle! Man soll also nicht mehr hinsehen dürfen, null hinterfragen: Alles ist sakrosankt, das alles sind superkluge Projekte!, sagen Sie. (Bundesrat Reisinger: Die Projekte wurden geprüft, jahrelang! ... Naturschutz! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Waren Sie schon einmal auf Urlaub mit dem Flugzeug oder so?) Im Antrag argumentieren Sie sogar, dass Sie um die entgangene Lkw-Maut fürchten. Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen! Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber mit einer glaubwürdigen Klimaschutzpolitik hat das nichts mehr zu tun. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrätin Schumann: Ja, komm! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Ihr seids ja ...!) Ich appelliere da auch an unseren Koalitionspartner, in sich zu gehen (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), auch im Umgang mit dieser Debatte, betreffend die Evaluation großer und übrigens sehr teurer Straßenbauprojekte; man könnte da und dort das Geld auch für eine noch stärkere Unterstützung von Alternativen, die wir brauchen, und zur sozialen Abfederung verwen­den.

Zum Schluss: Bitte, liebe Kollegen, liebe Landeshauptleute, kommt auf den Boden! Es wird noch ein paar Monate evaluiert und dann werden wir weiterdiskutieren. (Bundesrat Zaggl: Das sind Lippenbekenntnisse! – Bundesrätin Grimling: Na mit ihm! Super!) Das ist der normalste Prozess der Welt. Das ist der normalste Prozess in einer Demokratie. Ich ersuche schon, Verständnis dafür aufzubringen, dass es schlichtweg eine Pflicht ist, zu prüfen, ob all diese Projekte noch zeitgemäß sind und ob im Lichte der Herausfor­derung Klimaschutz und Biodiversität da und dort nicht andere Lösungen angebrachter


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 136

sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

17.18


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


17.18.26

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsident! (Bundesrätin Schumann: -in!) Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Frau Bundesminister, mit welcher Präpotenz und Abgehobenheit Sie unsere Fragen beantworten, ist unglaublich (Beifall bei der FPÖ) und erweckt bei mir den Eindruck, dass Sie das gleiche Intelligenzniveau haben wie der Klubobmann der Grünen im Tiroler Landtag Gebi Mair. (Bundesrätin Zwazl: Hallo! Hallo! – He-Rufe bei den Grünen.) Der hat, als es um die Autofahrer gegangen ist, auf Servus-TV gesagt: Die paar Arschlöcher halten wir auch aus! – So kommt mir das vor. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Unglaublich! Das ist Grün! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist Grün! – Bundesrätin Zwazl: Das ist zu viel! – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Wie heute beim Tagesordnungspunkt zur Änderung des Führerscheingesetzes in meiner Rede bereits erwähnt, spürt man förmlich – ich kann es nur immer wieder wiederholen – den Hass hauptsächlich der grünen Seite der Bundesregierung auf die anständige österreichische Bevölkerung, die auf das Kraftfahrzeug angewiesen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Unter dem Titel Klimawandel verordnen Sie den Straßenbaustopp, so wie vorhin be­sprochen, veranlassen exorbitante Steuererhöhungen, veranlassen Verdoppelungen von Strafgeldern für alle. Nicht einmal Ihr eigener Experte hat mir im Ausschuss sagen können, wie viele Straßenrennen es gibt. Ich will heute noch einmal richtigstellen, wie ich es gemeint habe: Wir können nicht aufgrund dessen, dass vier oder fünf oder sieben Personen Straßenrennen veranstalten, die gesamte österreichische Bevölkerung bestrafen. Mir konnte bis heute niemand sagen – aber vielleicht können Sie mir es jetzt sagen, Frau Bundesminister –, warum die gesamte österreichische Bevölkerung für Per­sonen, die Straßenrennen veranstalten, bestraft wird. Ich selber stehe dafür, dass die Personen, die Straßenrennen veranstalten, die härteste Strafe bekommen, aber nicht die gesamte österreichische Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie veranlassen Gesetze für die Stärkung der Verbreitung sauberer und energie­effizien­ter Straßenfahrzeuge, die es am Lkw-Sektor mitsamt Infrastruktur aufgrund Ihres Ver­schlafens in Österreich noch nicht einmal gibt. Diese Vorlage kommt unter Tagesord­nungspunkt 18 heute noch zur Abstimmung.

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben richtig gehört: Der erste Bezugszeitraum beginnt am 3. August 2021. Der Mindestanteil an sauberen Straßenfahrzeugen für die­sen Bezugszeitraum beträgt 38,5 Prozent für saubere leichte Straßenfahrzeuge, 10 Pro­zent für saubere schwere Straßenfahrzeuge und 45 Prozent für saubere schwere Straßenfahrzeuge der Klasse M3; im nächsten Bezugszeitraum ab 2026 wird er sogar auf unglaubliche 65 Prozent erhöht. Dann kommt aber der Überhammer: Für jedes vom Auftraggeber im Bezugszeitraum beschaffte, eingesetzte nicht saubere Straßenfahrzeug werden folgende Höchstgrenzen für die Strafen vorgesehen: 25 000 Euro für ein leichtes Straßenfahrzeug, 125 000 Euro für ein schweres Straßenfahrzeug und 225 000 Euro für ein nicht emissionsfreies schweres Straßenfahrzeug. – Unglaublich! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 137

Zu diesem Thema sei gesagt, dass ich gemeinsam mit Norbert Hofer als Verkehrs­minister im Juni 2019 mit der Firma Linde Gas und mit Hyundai Österreich bezüglich Infrastruktur für ein Wasserstofftankstellennetz gesprochen habe. Fertige Tankstellen­systeme waren schon auf Lager, und die Möglichkeit der Lieferung von bis zu 1 000 Hyundai-Lkw mit Wasserstoffantrieb bestand. Doch leider, aufgrund des Ver­sa­gens der Expertenregierung und der anschließend folgenden türkis-grünen Belastungs- und Grundrechtsbeschneidungsregierung stehen in den nächsten Monaten viele Ge­meinden und Straßenmeistereien vor großen Problemen, da von Ihrer Seite nichts vor­bereitet ist, außer dass Sie ein Gesetz verabschieden, welches mit 3.8.2021 Gültigkeit erlangen soll und die Beschaffung dadurch Richtung E-Lkw geht, die aber zum Beispiel für Schneeräumzwecke völlig ungeeignet sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Für mich schaut diese ganze Geschichte – ich will das zur späten Stunde abkürzen, die Straßenbauevaluierungen sind schon besprochen worden – wie eine Trotzreaktion aus, weil Bundesländer wie Niederösterreich und Burgenland andere Vorstellungen bezüglich 1-2-3-Klimaticket haben. Ich weiß es nicht, aber Sie können das vielleicht beantworten.

Seit vielen Jahren bin ich der Meinung, dass der gesunde Antriebs- und Energie­for­menmix der richtige ist. Warum? – Weil jede Form Vorteile und Nachteile mit sich bringt und zum prinzipiellen Ja zum Klimaschutz mit Hausverstand eine breite Palette an Maß­nahmen gehört, die aber nicht zulasten der Konsumenten und Unternehmer gehen darf. Dies ist der wesentliche Unterschied zwischen uns Freiheitlichen und Ihnen und Ihrer grünen Fraktion, Frau Minister. (Beifall bei der FPÖ.) Auch der ÖAMTC schlägt in die gleiche Kerbe wie wir und meint, dass wir nur mit Technologieoffenheit und nicht mit Verbots- und Belastungskultur oder Regenbogenfarbenschutzwegen Klimaziele erreichen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Die von mir und uns seit vielen Jahren geforderte Nutzung von alternativen Kraftstoffen macht Ihre Verbrennerverbotswillküraktionen und NoVA-Erhöhungswillküraktionen über­flüssig. Nach all den Diskussionen über ein mögliches Verbot von Verbrennungsmotoren habe ich erfreulicherweise den Gesinnungswandel der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern bei dem unter dem Titel Fit for 55 vorgestellten Paket an Ge­setzentwürfen festgestellt und vernommen, dass es den Kfz-Herstellern überlassen bleiben sollte, ob sie die CO2-Emissionen der Autos oder der Kraftstoffe reduzieren. Dieser technologieneutrale Ansatz, den auch wir fordern, ist der richtige Weg, die Klimaziele auch tatsächlich zu erreichen, denn nachhaltig produzierte Kraftstoffe mit einem geringen CO2-Fußabdruck wirken unmittelbar in der Bestandsflotte. Sie senken damit die tatsächlichen CO2-Emissionen auf der Straße. Aufgrund dessen und zum Schutz von Millionen von Österreichern, zum Schutz des Werterhalts für hierzulande zugelassene Benzin- und Diesel-Pkw fordere ich Sie nochmals auf, alles zu tun, um die Produktion von E-Fuels zu forcieren und die NoVA-Erhöhung zurückzunehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine intelligente Verkehrsministerin würde ihren Fehler zugeben, daher stellen die unter­zeichneten Bundesräte folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücknahme der Nova-Erhöhung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, dem Nationalrat eine


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 138

Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die am 19. Dezember 2020 beschlossene Er­höhung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) rückgängig gemacht wird, sowie dass bei einer allfälligen Neuregelung soziale Kriterien berücksichtigt werden.“

*****

Nun zum nächsten Brocken, der nächsten Hassaktion: Für Autos, die ab dem 1. Jänner 2021 erstmalig zugelassen werden, sieht das Gesetz eine Erhöhung der motor­bezo­ge­nen Versicherungssteuer vor. Wir lehnen die Erhöhung der motorbezogenen Versiche­rungssteuer, die, so wie die NoVA-Erhöhung, vor allem Familien und Wirtschafts­treibende trifft, generell ab. (Beifall bei der FPÖ.)

Besonders absurd ist diese jedoch, wenn sie Fahrzeuge betrifft, für die es keine Alter­native im Bereich E-Autos gibt, oder Fahrzeuge, die schon lange vor der Erhöhung bestellt wurden, aber aufgrund von langen Lieferzeiten erst nachher zugelassen werden können. Im vorliegenden Fall, der mir zugespielt wurde, betrifft es ein Wohnmobil mit Kosten von circa 50 000 Euro. Die Lieferzeit beträgt mehr als ein Jahr: Bestellung vor einem Jahr – 2020 –, Lieferung Dezember 2021 oder Jänner 2022. Nach der neuen gesetzlichen Regelung ist neben der NoVA noch die motorbezogene Versicherungs­steuer um das Dreifache erhöht worden. Da geht es um eine Größenordnung von 1 000 Euro pro Jahr. Bei der durchschnittlichen Nutzung von so einem Wohnmobil, die 20 Jahre beträgt, sind das unglaubliche 20 000 Euro. (Bundesrat Steiner: Ein Wahn­sinn! Wahnsinn! Unsozial! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Unglaublich! Unsozial!) Die einzige Alternative wäre ein Elektrowohnmobil – die sind ja befreit. So etwas gibt es aber noch gar nicht am Markt, da ja die schwere Batterie bei einem Wohnmobil bis 3 500 Kilo einen vernünftigen Ausbau verhindert!

Ich empfinde es als bodenlose Frechheit, eine solche Regelung so überfallsartig zu treffen, vor allem wenn man überhaupt keine Alternative hat. Im Brief schreibt der Wohn­mobilkäufer an uns: Die Volksanwaltschaft ersuche ich, diese gesetzliche Regelung, die auf den Umstieg auf E-Mobilität abzielt, zu prüfen. Vergessen wurde aber, dass im Bereich ausgebaute Wohnmobile derzeit überhaupt noch keine Modelle mit E-Motor angeboten werden und demzufolge ein Umstieg überhaupt nicht möglich ist. De facto stellt die Regelung einfach eine exorbitante Ungleichbehandlung bei der Steuer­erhöhung dar, welche anders als bei anderen Kfz alternativlos und damit auch verfassungswidrig sein dürfte. – Zitatende.

Daher stellen die unterzeichneten Bundesräte den Entschließungsantrag, der Bundesrat wolle beschließen: Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefor­dert, die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer rückgängig zu machen, um insbesondere Härtefälle, wie in der Begründung dargestellt, zu vermeiden. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun ,wie angekündigt, zum Schluss noch zum Thema Straßenbau: Wie ich in Ihrem Lebenslauf auf der Parlamentshomepage eingesehen habe, begann Ihre Karriere, Frau Minister, in Wien Neubau mit der Leitung des Büros der Bezirksvorstehung. Das ist ein Bezirk, der meinem Wissen nach schon seit längerer Zeit in grüner Hand ist. Man merkt es auch – merken in dem Sinne, dass dieser Bezirk nur so vor Umleitungen, Blumen­kisten auf der Fahrbahn und irreführenden Einbahnregelungen strotzt, mit dem Ziel, alles zu tun, um den Autoverkehr zu blockieren.

Könnte man den durch die grüne Politik verursachten CO2-Ausstoß im Bezirk messen, dann würde man feststellen, dass dieser um ein Vielfaches höher ist als in einem normal geführten Bezirk, wo auf idealen Verkehrsfluss und damit höhere Luft- und Lebensqualität


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 139

geachtet wird. Der Vorteil, den Sie in Wien VII haben, ist, dass der öffentliche Verkehr durch Straßenbahn, Autobus und U-Bahn gewährleistet ist. Übertragen wir nun aber Ihre Straßenblockadepolitik in den ländlichen Raum: Dort gibt es keine Straßenbahn, keine U-Bahn, keine Schnellbahn, bestenfalls einen Autobus, der in den meisten Fällen etwa stündlich fährt. Aufgrund dessen benötigt die Bevölkerung in den meisten Fällen einen Pkw, mit dem die Leute idealerweise nicht auf dem Feldweg fahren, sondern auf aus­gebauten Bundestraßen, Schnellstraßen und Autobahnen.

In der Stadtgemeinde Poysdorf in meinem Heimatbezirk Mistelbach hatten wir bis vor drei Jahren ein massives Problem. Da aufgrund – schön ausgedrückt – seltsamer Lebe­wesen, die grün angestrichen waren, der Autobahnausbau der A 5 behindert wurde, fuhren täglich 3 900 Lkw und 22 000 Pkw durch eine 7 Meter breite, stark ansteigende Engstelle, weshalb man jeden Tag hinter der Kellereingangstüre, von der Kellerstiege Gummi- und Feinstaubteile – ein halbes Literglas voll – zusammenkehren musste. Nachdem die Autobahn fertiggestellt werden konnte, stieg die Lebensqualität in der Stadt um ein Vielfaches, und der Tourismus und der Wirtschaftsstandort florieren auch entlang der A-5-Anrainergemeinden. – Das ist vernünftige Verkehrs- und Umweltpolitik nach freiheitlichem Hausverstand! (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, ich hoffe, das ist nach meinen Erklärungen jetzt auch für Sie schlüssig: Es ist im ländlichen Raum nicht möglich, dass in jeder Gemeinde die Schnellbahn oder die U-Bahn fährt. Wir brauchen im ländlichen Raum auch den Ausbau des Straßennetzes.

Ich will jetzt nicht sämtliche Projekte, neue Straßenbauprojekte oder Verkehrs­sicher­heitsprojekte wiederholen, darüber wurde heute schon mehrmals gesprochen. Mir ist aber wichtig, noch auf eines hinzuweisen: Im Weinviertel geht es – die Petition liegt jetzt im Parlament auf, und ich bitte, das auch zu unterstützen – um den vierspurigen Voll­ausbau der S 3 zwischen Stockerau und Hollabrunn. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.32


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Bundesrat Bernard, eine Frage: Sie haben zwei Entschließungsanträge genannt, es wurde jedoch nur einer schriftlich eingereicht. War das ein Versehen? – Okay, das war ein Versehen.

Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rücknahme der Nova-Erhöhung“ ist somit genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. Ich erteile ihm dieses.


17.33.22

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Nach einem schon sehr, sehr langen Tag haben sich auch bei der ÖVP die Bundesräte und Bundesrätinnen in der ersten Reihe wieder eingefunden. Das freut uns natürlich, sie sind wahrscheinlich schon vom Abendessen zurück. Ich werde mich kürzer halten als Kollege Bernard, das verspreche ich beziehungsweise versuche ich es zumindest.

Wie sehen der echte Lebensalltag und die Lebensrealität der Pendlerinnen und Pendler aus? Zu diesen zähle ich mich selbst, zu diesen zähle ich meine Nachbarinnen und Nachbarn, gute Bekannte und Freunde. Wie wir alle wissen, müssen in Österreich mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen aus ihrem Wohnort auspendeln, um zur Arbeit zu kommen, und das jeden Tag. Sie stehen jeden Tag im Stau, sie warten auf einen Anschlusszug, sie warten auf einen Bus, sie verpassen vielleicht die Verbindung. Ich glaube, Kollege Leinfellner hat das heute schon gesagt: Jeder vierte Pendler braucht


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 140

90 Minuten in die Arbeit. Das sind 90 Minuten Lebenszeit, 90 Minuten, die man bei der Familie verbringen kann, 90 Minuten, die man mit seinem Hobby, den Liebsten oder in den Vereinen verbringen könnte, und diese 90 Minuten rauben wir diesen Menschen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wie sieht die Lebensrealität aus, wenn man 90 Minuten für den Weg in die Arbeit braucht? – Viele haben nicht einmal die Möglichkeit, auf Öffis umzusteigen, denn diese gibt es in ihrem Wohngebiet gar nicht, wie Kollegin Lancaster heute schon erzählt hat.

Ein Pendlerbeispiel aus Salzburg möchte ich Ihnen mitgeben, und wir reden da nicht – unter Anführungszeichen – von einem Tal irgendwo im Lungau, im Pongau oder im Pinzgau, sondern wirklich von einem Ort im Zentralraum. 18,4 Kilometer entfernt vom Salzburger Hauptbahnhof liegt die Gemeinde Ebenau. Das ist ein Katzensprung mit dem Auto. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man jedoch nach Viertel nach sieben am Abend, also nach 19.15 Uhr, nicht mehr nach Hause. Im Hinblick darauf meine Frage: Was ist mit den Leuten, die im Handel arbeiten? Dort ist auf gut Deutsch nach 19 Uhr Sperrstunde, wie wir wissen. Was ist mit den Leuten, die bei der Polizei arbeiten, wenn jemand zum Beispiel einmal länger an einem Bericht schreibt? Was ist mit den Leuten, die als Pflegerinnen oder Pfleger in Krankenhäusern arbeiten? Diese Leute kommen nicht mehr nach Hause, und da reden wir von wochentags, von Montag bis Freitag, und nicht vom Wochenende. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wahrheit ist, dass das kein Einzelfall ist. Dabei handelt es sich um den Zentralraum von Salzburg. Das ist kein Einzelfall. Das gibt es in jedem Bezirk im ganzen Bundesland Salzburg, und ich traue mich zu wetten, dass es das in ganz Österreich in jedem Bundesland gibt. – Ich meine, dafür sollten wir uns eigentlich ein bisschen schämen. Es ist nämlich auch die Wahrheit, dass wir jetzt eine Strafsteuer, wie ich die NoVA-Erhöhung nenne, einführen, ohne dass wir den Auto­fahrern eine Alternative, und zwar eine echte, attraktive Alternative, geben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Das ist unsozial und asozial!)

Kollege Bader ist jetzt leider nicht mehr da. Ich wollte ihm nämlich sagen: Es ist doch nicht so, als hätte die ÖVP in der Regierung nichts zu sagen, seien wir doch ehrlich! Oder? (Beifall bei SPÖ und FPÖ.) Sonst fahren Sie doch auch überall über die Grünen drüber. Gott sei Dank – ich betone: Gott sei Dank! – hat sich aber die Vizepräsidentin bereit erklärt, bei unserem Antrag mitzustimmen, um hier keine Verhinderung der Infra­strukturausbauten durchzuwinken, sondern weiterzumachen und voranzutreiben. Des­wegen danke ich Ihnen, Frau Vizepräsidentin! (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Ofner.) 

Ich habe es vorhin schon betont: Auf der einen Seite bestrafen wir die PendlerInnen, also die Leistungsträger, die jeden Tag fleißig arbeiten gehen, auf der anderen Seite bieten wir ihnen aber keine Alternative, auch keine Alternative zum Stau.

Ich glaube, Kollegin Kittl hat gestern den Umstieg auf die E-Mobilität angesprochen. – Das ist wichtig, das ist richtig, das ist gut. Heute, lieber Kollege Adi Gross, ist gesagt worden, dass ihr so viel Geld wie noch nie in die Hand nehmt. – Auch das ist wichtig und gut. Es kann sich aber nicht jeder ein E-Auto leisten. 40 000 Euro aufwärts zahlt man für einen ID.4 – und das soll keine Werbeeinschaltung sein –, 40 000 Euro aufwärts für einen Hyundai Ioniq beziehungsweise 50 000 Euro, 60 000 Euro oder 70 000 Euro! Das können sich vielleicht die Privilegierten, die Familienmitglieder der ÖVP, leisten, aber nicht die fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Für mich ist ganz, ganz klar, das sagt mir der Hausverstand, Frau Minister: Der Umstieg auf E-Mobilität beziehungsweise auf alternative Antriebsmöglichkeiten muss erstens wirklich leistbar für alle und zweitens auch praktikabel sein. Es geht nicht, dass man nur


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 141

200 oder 300 Kilometer weit kommt und unter Umständen keine Tankmöglichkeit hat. Das ist nämlich im Alltag und in der Lebensrealität der fleißigen Leistungsträger auf gut Deutsch zum Vergessen.

Die Wahrheit ist außerdem auch, dass man, wenn man die Flugverbindung von Wien nach Salzburg oder umgekehrt streicht, damit das Klima nicht rettet! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.) Vom weltweiten CO2-Ausstoß sind nämlich circa 3 Prozent auf den Flugver­kehr zurückzuführen. Ein großer Teil des CO2-Ausstoßes kommt aus der Strom- und Wärmeerzeugung. Ich möchte in diesem Zusammenhang das Burgenland nennen, das als Bundesland quasi mit gutem Beispiel vorangeht. Dort gibt es bereits 500 Wind­kraftanlagen, und es werden 170 Prozent mit diesen Windkraftanlagen produziert. – Das nenne ich ein Vorreiterbundesland, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn wir wirklich etwas für die Pendlerinnen und Pendler erreichen wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann brauchen wir echte Alternativen mit einem attraktiven Angebot, ohne dass man im Stau stehen muss. Diesfalls möchte ich die Stadt Wien als Vorreiterbeispiel nennen. Dort gibt es ein klares Bekenntnis von der Politik und von den städtischen Betrieben: Es fährt alle paar Minuten eine Straßenbahn beziehungsweise Bim oder eine U-Bahn. Das ist gut und wichtig, das gibt es aber draußen auf dem Land nicht, etwa in Kärnten oder in der Steiermark. Das gibt es dort nicht. Wie gesagt, ich habe vorhin das Beispiel genannt: Es handelt sich um eine Strecke von 18,5 Kilometern, und nach Viertel nach sieben am Abend fährt kein Bus mehr. Das kann es nicht sein!

Was wir wirklich brauchen, um eine Mobilitätswende in den Bundesländern einzuleiten, ist nicht nur das 1-2-3-Ticket, das eh noch nicht wirklich auf Schiene ist. Eine Kosten­reduktion ist zwar wichtig, es braucht aber nicht nur günstige Tickets, sondern es braucht einen Taktfahrplan, es braucht Carsharingmodelle. Es braucht auch Fortschritte in der Wasserstofftechnologie, ich glaube, dafür gibt es nicht einmal zwei Handvoll Tankstellen in ganz Österreich, da sollte man ein bisschen aufs Tempo drücken. Man braucht auch Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität, damit das auch wirklich alltagstauglich wird. Vor allem brauchen wir einen Ausbau der Öffiangebote. Es braucht mehr S-Bahn-Halte­stellen. Jetzt muss ich eine Lanze für unser Bundesland brechen: Es braucht S-Bahn-Haltestellen im Pinzgau, im Pongau, im Lungau. Wir reden hier von Verlängerungen. Wir reden vom O-Bus-Netz der Stadt Salzburg, das in die Umlandgemeinden ausgebaut werden muss. Dabei sollte man nicht immer den Ball zwischen Bund und Land hin und her spielen, sondern sollte das einfach umsetzen. Man nimmt eh so viel Geld in die Hand, und daher sollte man auch in diesen Bereich endlich investieren.

Ich möchte ein konkretes Infrastrukturbeispiel nennen. Frau Minister, Sie haben heute gesagt, dass die Infrastruktur für diese Mobilitätswende – wie ich es einmal nennen möchte – ausschlaggebend ist. Jetzt frage ich: Wo ist die halbe Milliarde Euro für die Regionalbahnen, etwa wenn es um die Modernisierung und den Erhalt der Murtalbahn geht? (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Gott sei Dank ist da – unter Anführungszeichen – nicht mehr passiert! Ich wiederhole das in Anbetracht der Bilder aus den Nachrichten: Gott sei Dank! Die Murtalbahn ist nämlich ein fixer Bestandteil für die Mobilität der Pendlerinnen und Pendler, der fleißigen Leistungsträger, der Schülerinnen und Schüler und der Pensionistinnen und Pensionis­ten. Wo ist zum Beispiel das Geld aus dem EU-Recoveryfund? Davon hätte man ja auch etwas heranziehen können, um die Murtalbahn zu modernisieren. Das ist Geld, das, wie wir von der SPÖ meinen, den Pendlerinnen und Pendlern in diesem Land zusteht, die jeden Tag fleißig in die Arbeit fahren und hier ihre Steuern bezahlen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 142

Ich weiß, dass man sich bei der Murtalbahn in der ÖVP nicht ganz einig ist. Landesrat Schnöll möchte sie Gott sei Dank erhalten, Landeshauptmann Schützenhöfer möchte sie abschaffen. – So. Deshalb hätte ich, wenn wir diese Bahn nicht umbringen wollen, Frau Minister, heute hier gerne ein Bekenntnis von Ihnen, dass Sie für diese Bahn sind, dass Sie diese Bahn unterstützen werden und die Bundesländer und die Gemeinden nicht im Regen stehen lassen.

Abschließend wollte ich noch sagen: Ich gehe davon aus, dass Sie persönlich das wahrscheinlich wollen, dass es aber vielleicht der Finanzminister nicht will. Bitte setzen Sie sich für diese Bahn ein! Das ist ein Mosaiksteinchen, ein kleines Puzzleteil, um die Mobilitätswende in Österreich einzuleiten, denn: Rettet das Klima!, zu posten oder zu plakatieren wird in Zukunft einfach zu wenig sein. Wir wollen ein Bekenntnis zur Murtal­bahn. Wir wollen die Mobilitätswende für die fleißigen Leistungsträgerinnen und Leis­tungsträger in diesem Land. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.43

17.43.30


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rücknahme der Nova-Erhöhung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Wir haben genau 30 zu 30 Stimmen. Das ist Stim­mengleichheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

17.44.30Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf. Wir setzen die Verhandlung über Tagesordnungspunkt 12 betreffend Polizeiliches Staatsschutzgesetz und andere Gesetze fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile ihm dieses.


17.44.55

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch: Liebe Zuhörerin­nen und Zuhörer! Ja, die SPÖ-Fraktion hier im Bundesrat wird diesem Gesetzeskonvolut zustimmen, weil eine Reform des BVT und des Verfassungsschutzes längst überfällig, wichtig und auch unverzichtbar ist. Diesbezüglich gibt es, glaube ich, keinen Zweifel und hoffentlich auch Übereinstimmung.

Wir wissen, was in den letzten Jahren im oder beim BVT passiert ist beziehungsweise – wie man auch sagen kann – was eben nicht passiert ist und welchen Schaden das BVT vor allem auch international deswegen genommen hat. Genau deshalb war es höchst an der Zeit, die Reform des Verfassungsschutzes und des Nachrichtendienstes auf die Tagesordnung zu setzen. Alle Parteien haben sich dazu bekannt, wenngleich die Einbindung der Opposition erst nach und nach Fahrt aufgenommen hat. Man muss heute auch so ehrlich sein, zu sagen, dass diese Einbindung der Opposition nicht dem Selbst­verständnis der ÖVP geschuldet ist und war, sondern dem traurigen Terroranschlag in Wien vom 2. November des Vorjahres. Diese Erkenntnis sollte uns sehr wohl auch zu


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 143

denken geben: dass es nämlich für einen umfassenden und ernst gemeinten Reform­prozess kein vorausgehendes Verbrechen brauchen sollte. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion war stets konstruktiv und hat von Anfang an ausgesprochen, was sie bei einem modernen Sicherheitsapparat, also beim Nachrichtendienst und auch beim Staatsschutz, für wichtig hält. Dabei hatten zwei Punkte absolute Priorität: Erstens geht es um die strikte Trennung zwischen Nachrichtendienst und Staatsschutz. Das ist in einer modernen, effizienten Staatsschutzorganisation auch international üblich und Grundvoraussetzung für eine effektive und unabhängige Arbeit. Zugegeben: Da hätten wir uns noch ein bisschen mehr gewünscht. Diese zwei Bereiche sind zwar organisatorisch voneinander getrennt, aber doch unter einem Dach angesiedelt. Diesen Umstand betrachten wir noch ein bisschen kritisch.

Der zweite und sehr wichtige Punkt für uns ist die umfassende parlamentarische Kon­trolle, die jetzt sehr wohl gewährleistet ist. In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns ein bisschen von den NEOS, wobei ich auch deren Haltung nachvollziehen kann. Da erfolgt aber der eigentliche Quantensprung in dieser Materie, den herbeizuführen mit viel Mühe und intensiven Verhandlungen parteiübergreifend gelungen ist. – Ich denke, wenn man ein schönes, großes Ei legt, dann darf man auch gackern. An dieser Stelle darf ich mich daher bei allen Verhandlungsteams herzlich bedanken und zu dem Ergebnis, das partei­übergreifend erzielt wurde, gratulieren.

Diese Kontrolle durch das Parlament ist einzigartig. Folgendes ist nun gewährleistet: Es gibt eine Berichtspflicht durch den Innenminister, strukturierte Abläufe und regelmäßige Lagebilder. Ganz wichtig ist das Minderheitsrecht, wonach ein Viertel der Abgeordneten Sitzungen und Berichte einfordern und der neuen Kontrollkommission auch Aufträge zur Prüfung geben kann. Diese Kontrollmöglichkeit hat es im Erstentwurf der Regierung nicht gegeben. Wir sind daher sehr froh, dass uns diesbezüglich letztendlich doch der Durchbruch gelungen ist. Dass die neue Kontrollkommission hier im Parlament auf Empfehlung des Hauptausschusses mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden muss, garantiert meiner Meinung nach auch die Unabhängigkeit dieser Kommission.

Mit diesem Gesetzespaket haben wir nun das Fundament dafür geschaffen, dass inter­national wie national wieder Vertrauen in unseren Staatsschutz und Nachrichtendienst aufgebaut werden kann. Gleichzeitig haben wir eine sehr enge und gute Einbindung und Kontrolle des Parlaments, also sehr gute Voraussetzungen für einen funktionierenden Sicherheitsapparat bei uns hier in Österreich. Jetzt geht es aber darum, diese vorlie­gende Gesetzesmaterie in der Praxis auch mit Leben und Inhalten zu erfüllen, und da ist vor allem der Herr Innenminister in der Pflicht und Verantwortung. Klar ist natürlich auch, dass dazu mehr Geld und auch mehr Personal vonnöten ist.

Ich wünsche mir abschließend im Sinne größtmöglicher Sicherheit für die Menschen ein gutes Gelingen beim Aufbau dieser Strukturen, absolute Unabhängigkeit – wir kennen aus dem BVT auch Gegenteiliges – und vor allem Effizienz im Staatsschutz wie auch im Nachrichtendienst. So wird es auch möglich sein, die über das alte BVT geschriebenen negativen Schlagzeilen der Vergangenheit angehören zu lassen und größtmögliches Vertrauen in unseren Staatsschutz, auch auf internationaler Ebene, wieder aufzubauen.

Ich habe es schon gesagt, wir werden diesem Gesetzespaket zustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.50


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Inzwischen ist Bundesminister für Inneres Karl Nehammer bei uns eingetroffen. Wir heißen ihn herzlich willkommen. (Bei­fall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 144

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.


17.51.16

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Werte Kollegen! Vor allem: Werte Zuhörer und Zuschauer vor den Bildschirmen via Livestream! Ein Verfassungsschutz in Form eines BVT, gegenüber dem nicht nur die österreichische Bevölkerung, sondern vor allem auch internationale Partnerdienste ihr Vertrauen verloren haben, ein Verfassungsschutz in Form eines BVT, von dem nicht nur Insiderinformationen nach außen gelangt sind, sondern in dem es Informationen nach zur Ausstellung von nordkoreanischen Pässen für südkoreanische Spione gekommen sein soll, ein Verfassungsschutz in Form eines BVT, von dem aus es dubiose Kontakte zu Wirecard gegeben hat, und ein Verfassungsschutz in Form eines BVT mit internen Zerwürfnissen zwischen den Dienststellen, die im grauenvollsten Terroranschlag der Zweiten Republik gipfelten – das ist das traurige Resümee, wenn rund 20 Jahre ÖVP-Politik und ÖVP-Netzwerke in einem der sensibelsten Bereiche unserer Demokratie werken. Das ist das traurige Resümee betreffend das Sicherheitsbedürfnis unserer österreichischen Bevölkerung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch anmerken, dass es ein Armutszeugnis für die Länderkammer ist, wenn wir es an zwei Plenartagen nicht schaffen, wenigstens hier etwas Pietät an den Tag zu legen und eine Gedenkminute für Leonie und vor allem für die Hinterbliebenen abzuhalten.

Mit der heutigen Beschlussfassung zur notwendigen Erneuerung des BVT, der Umbe­nennung in DSN, Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, als künftig hochpro­fessionelle Einrichtung auf international vergleichbarem Niveau, sollten diese Aus­wüchse von ÖVP-Netzwerken wohl der Vergangenheit angehören. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit der Schaffung von zwei getrennten Organisationseinrichtungen, eines Staatsschut­zes und eines Nachrichtendienstes, und der diesbezüglichen umfassenden Reform in Bezug auf die Berichtspflichten, die Transparenz und vor allem die parlamentarische Kontrolle sollte nunmehr eine Struktur geschaffen werden, die es möglich macht, nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung, sondern vor allem auch das Vertrauen der inter­nationalen Partnerdienste wieder zurückgewinnen zu können. Es ist eine Reform von dringender Notwendigkeit, damit sich das, was am 2. November des Vorjahres ge­schehen ist, niemals wiederholen kann, vor allem hinsichtlich der zutage geförderten Un­zulänglichkeiten im Bereich der Aufklärung und der Abwehr dieser Gefährdungs­poten­ziale.

Die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung hat höchste Priorität zu genießen, und um diese zu gewährleisten, braucht es einen funktionierenden Verfassungsschutz. Durch die gesetzliche Ausgestaltung beispielsweise in Form der Stärkung des Aufgaben­ge­biets Nachrichtendienst, des Ausbaus der Präventionsaufgaben, der Beobachtung von Gefährdern, aber auch der Einrichtung einer Meldestelle für Extremismus und Terroris­mus sollte nunmehr ein effektives Instrument für diese Gefahrenabwehr zur Verfügung stehen.

Wichtig sind uns in diesem Zusammenhang aber vor allem die parlamentarische Kon­trolle sowie die erweiterten Berichtspflichten, die Kontrolle durch eine unabhängige und weisungsfreie Kommission in Bezug auf die Tätigkeiten des Verfassungsschutzes sowie die parlamentarischen Minderheitsrechte, ebenso transparente Personalauf­nahme­ver­fahren, die Entpolitisierung der Führung sowie die Verschärfung hinsichtlich der Neben­beschäftigungsregeln.

Eine hohe interne Professionalität in der operativen Arbeit wird ebenso wichtig sein wie Professionalität in der künftigen Zusammenarbeit mit den Partnerdiensten. Nur wenn


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 145

aktuelle Gefährdungslagen entsprechend eingeschätzt werden können, kann die Sicher­heit für die Bevölkerung gewährleistet werden.

Uns Freiheitlichen ist die Sicherheit unserer Bevölkerung und unseres Landes seit jeher ein immanentes Anliegen, wir reden nicht nur von restriktiver Sicherheitspolitik, sondern wir haben sie in unserem Verantwortungsbereich in aller Klarheit zur Umsetzung ge­bracht. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, eigentlich haben wir uns nach den schrecklichen Vorkommnissen im ver­gangenen Jahr gedacht, dass Sie Verantwortung übernehmen werden, eigentlich haben wir es uns erwartet. Das haben Sie nicht getan. Übernehmen Sie aber mit der Möglichkeit dieses gesetzlichen Werkzeugs zumindest jetzt Verantwortung und lassen Sie es nicht wieder in ÖVP-Manier zu einer schwarzen Spielwiese verkommen! (Beifall bei der FPÖ.) Zumindest das wären Sie nach dem 2. November 2020 der österreichischen Bevöl­ke­rung, aber vor allem den Opfern und deren Familien schuldig. (Beifall bei der FPÖ.)

17.56


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


17.57.02

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­den­tin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seherinnen und Zuseher! Ja, wir haben es schon gehört: Mobbing, Grabenkämpfe, zu enge Verbindungen zu anderen Nachrichtendiensten, fragwürdige Nebentätigkeiten von Mitarbeitern, Wirecard-Einflussnahme und eben nicht zuletzt der Terroranschlag in Wien – in den vergangenen Jahren wollten die Skandale rund um das BVT scheinbar nicht ab­reißen.

Die Koalition hat sich entschieden, daraus zu lernen und mit der BVT-Reform einen modernen Verfassungsschutz zu bauen. Ganz oben auf der Agenda stehen dabei für ÖVP und Grüne Kontrolle, Whistleblowerschutz, unabhängiges sowie bestens qualifi­ziertes Personal und nicht zuletzt Prävention. So schaffen wir mit dieser Reform einen funktionierenden und zuverlässigen Dienst, dessen Arbeit vor unzulässigen Zugriffen geschützt ist, dessen Arbeitsweise aber transparent ist.

Das bedeutet eine umfassende Neuaufstellung des Bundesamtes für Verfassungs­schutz und Terrorismusbekämpfung. Dies soll insbesondere durch eine klare, strukturelle Tren­nung in eine Komponente für den Nachrichtendienst und eine Komponente für den Staatsschutz innerhalb eines reformierten BVT im Bundesministerium für Inneres erfolgen. Dazu wurde auch in Nachbarländer geschaut, zum Beispiel nach Deutschland oder Italien, und so sollen nun schlussendlich internationale Standards im Verfassungs­schutz umgesetzt werden.

Dabei sprechen wir insbesondere – wir haben es heute schon gehört und gestern auch im Ausschuss darüber gesprochen – von transparenten Personalaufnahmeverfahren und der Überarbeitung der Ausbildung im Verfassungsschutz. Außerdem sollen die in der Vergangenheit aufgezeigten Sicherheitsmängel behoben und Maßnahmen zur Qua­litätssicherung ergriffen werden, um die Sicherheit von Informationen sowie des Per­sonals zu verbessern.

Damit wurde ein Gesetz gemacht, das wirklich sicherstellen soll, dass eine vertrauens­volle Zusammenarbeit möglich ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Amt wieder konzentriert ihre Arbeit für die Sicherheit, für den Schutz unserer Gesell­schaft, unseres Zusammenlebens machen können und, nicht zuletzt, als Allerwich­tig­stes, dass sie für unsere Demokratie arbeiten können, ohne vor Beeinflussung oder irgendwelchen Instrumentalisierungen Angst haben zu müssen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 146

Wir erhalten einen modernen Staatsschutz und Nachrichtendienst, der international wieder Respekt erfährt, da wir ihn so aufstellen, dass wir die zwei grundverschiedenen Aufgaben, die dieser Dienst zu erfüllen hat, deutlich voneinander trennen, nämlich einer­seits das Gewinnen und Auswerten von Nachrichten und andererseits die klassischen kriminalpolizeilichen Ermittlungen unter Anleitung der Staatsanwaltschaft. Genau das war im alten BVT nämlich vereint, sozusagen in einer Person, die sich permanent zwei verschiedene Hüte aufsetzen musste. Das war ein Konzept des 20. Jahrhunderts, und nun haben wir einen Dienst nach den Regeln des 21. Jahrhunderts geschaffen: Unver­einbarkeitsregeln für das Personal, Cooling-off-Perioden für das Spitzenpersonal, mehr Prävention und, was uns Grünen sehr wichtig ist, natürlich Erhalt der Grundrechte der Menschen in Österreich. (Bundesrat Spanring: Das kann aber nur ein Scherz sein! Das müsst ihr Mückstein sagen!)

Um diese Grundrechte zu sichern und somit zu wahren, haben wir die Kontrolle ausge­weitet, nicht nur im Unterausschuss des Innenausschusses, nicht nur mit einer eigenen unabhängigen, weisungsfreien Kontrollkommission, sondern auch mit einer deutlichen Stärkung der Position des Rechtsschutzbeauftragten. Diese Kontrollkommission wird auch als Anlaufstelle für Whistleblower dienen, also für Personen, die anonym auf mög­liche Missstände hinweisen wollen.

Ein letzter Satz sei gesagt: Dieser gesamte Prozess wird spätestens nach fünf Jahren evaluiert. – Ich danke für die breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.01


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Karl Nehammer. – Bitte, Herr Bundesminister.


18.01.39

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Ziel war es – schon in der Koali­tionsvereinbarung –, eine der größten Baustellen in der Sicherheitspolitik der Zweiten Republik anzugehen und sie tatsächlich auch zu beheben, und das war die Aufgabe, das alte BVT zu reformieren, die alte Schutzmauer der Republik neu zu bauen.

Das ist notwendig, denn die alte Schutzmauer der Republik hat Risse bekommen, hat poröse Steine, die nachhaltig entfernt werden. Es wird auch polizeilich weiterverfolgt, und zwar mit aller Nachhaltigkeit, damit sichergestellt ist, dass der neue Verfassungs­schutz in der neuen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst seine Arbeit tat­sächlich unbefangen aufnehmen kann; die kriminalpolizeilichen Ermittlungen werden mit aller Härte und Nachhaltigkeit gegenüber denen geführt, die unsere Geheimnisse ande­ren Staaten verraten haben oder im alten BVT den Auflagen des Gesetzes nicht ent­sprochen haben. (Präsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Der Verfassungsschutz wird vollkommen neu aufgestellt. Durch die Trennung des nach­richtendienstlichen Teils vom staatspolizeilichen ist das gelungen, wovon die Vorred­nerin schon gesprochen hat, dass nämlich die jeweiligen Personen sich zu hundert Prozent mit der jeweiligen Aufgabe auseinandersetzen müssen und können, damit best­möglich für die Sicherheit des Staates arbeiten können und gleichzeitig in einem Organi­sationsverband bleiben. Es gibt keine vollständige Trennung, wie sie in anderen Län­dern – mit negativen Erfahrungsberichten versehen – durchgeführt wurde; wir haben uns viele internationale Beispiele angeschaut. Deshalb: Einheit in der Organisation, Staats­schutz auf der einen Seite, Nachrichtendienst auf der anderen Seite und Zusammen­führung der Informationen im Lagezentrum, um damit effizient und nachhaltig das Risiko eines neuen Anschlags zu reduzieren.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 147

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen allen, die an diesem Prozess mitgewirkt haben, ein großes Danke. Mein großes Anliegen gemeinsam mit meinem Team war es, dass wir von vornherein sicherstellen, dass der neue Verfassungsschutz größtmögliches Vertrauen genießt. Das ist uns gelungen, und zwar durch das massive Einbinden der Sicherheitssprecher der Parlamentsparteien von vornherein und durch das intensive Auseinandersetzen mit Fragen, wenn deren Beantwortung notwendig war. Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit hat mit jedem Sicherheitssprecher der im Parlament vertretenen Parteien mehrere Stunden verbracht (Zwischenruf des Bun­desrates Hübner), um auch nachhaltige Antworten zu finden, wenn es berechtigte Fra­gen gab.

Es wurde auch heute hier in den Reden oft angesprochen: Die neu erreichte Trans­parenz ist kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung zu dem, was wir für den Staats­schutz immer schon vorgehabt haben und wollten. Warum? – Sie werden keine Polizis­tin, keinen Polizisten, keine Nachrichtendienstlerin und keinen Nachrichtendienstler finden, die oder der sich darüber beklagt, dass ihre oder seine Arbeit hinterfragt wird und unter Generalverdacht steht. (Bundesrätin Schartel: Nachrichtendienstlerin! Jetzt sind wir ja ganz ...!)

Transparenz ist die Garantie für ein effizientes Arbeiten des neuen Verfassungs­schut­zes. Das ist durch die Reform sichergestellt, das ist durch die neue Kontrollkommission sichergestellt, die im parlamentarischen Prozess ja umfassende Rechte hat, auch durch den Ständigen Unterausschuss. Keiner – keiner! – meiner Beamtinnen und Beamten hat jemals Zweifel gehegt, dass dieses Vorhaben, mehr Transparenz Einzug halten zu lassen, kein Schaden für den neuen Nachrichtendienst und für den neuen Staatsschutz sein könnte. Warum? – Transparenz schafft die Gewissheit, dass wir die Grundwerte unserer Republik nachhaltig verteidigen können, und das wird die Aufgabe der neuen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst sein.

In diesem Sinne: ein Danke für die breite Zustimmung, ein Danke für die kooperative Zusammenarbeit! Es steht nun nichts mehr im Wege, wir können ab nächstem Jahr tatsächlich mit der Arbeit beginnen. Jetzt sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen worden, dass wir mit dem Aufbau der Organisation beginnen können, ausschreiben können, die Personalbesetzungen vornehmen können. All das ist ein wichtiger Prozess für die Sicherheit unseres Landes, für die Sicherheit unserer Republik Österreich.

Für die Kooperation auch hier im Bundesrat von mir ein offenes Wort: Danke – für die Sicherheit unserer Republik! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.05

18.05.56


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Die Plätze wurden bereits eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 148

18.06.2913. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnis­gemeinschaften und das Islamgesetz 2015 geändert werden (850 d.B. und 925 d.B. sowie 10707/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Bekämpfung von Terror geändert wer­den (Terror-Bekämpfungs-Gesetz – TeBG) (849 d.B. und 977 d.B. sowie 10687/BR d.B. und 10701/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (20. FSG-Novelle) (848 d.B. und 871 d.B. sowie 10730/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Symbole-Gesetz geändert wer­den (854 d.B. und 872 d.B. sowie 10731/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 13 bis 16, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu Punkt 13 ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner, Bericht­erstatter zu Punkt 14 – ich rufe Sie gleich alle auf – ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck, Berichterstatterin zu Punkt 15 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger und Berichterstatterin zu Punkt 16 ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte in der genannten Reihenfolge um die Berichte. (Ruf bei der SPÖ: Alle raus!)


18.07.44

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7.7.2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften und das Islamgesetz 2015 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.


18.08.25

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Bekämpfung von Terror geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 149

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


18.09.02

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Danke.


18.09.28

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Herr Präsident! Geschätzter Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Symbole-Gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Schilchegger. Ich erteile ihm dieses.


18.10.18

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Innenminister! Werte Damen und Herren! Wir debattieren jetzt vier verschiedene Verhandlungsmaterien, ich möchte sie einfach der Reihe nach durchgehen. Ich glaube, das ergibt einen gewissen Sinn.

Der erste der zu behandelnden Tagesordnungspunkte betrifft eine Novelle des Islam­gesetzes 2015. Es regelt die Rechtsstellung der islamischen Religionsgesellschaften und Kultusgemeinden in Österreich. Das gab es auch schon davor, es wurde nicht 2015 das erste Mal solch ein Gesetz gemacht, diese Tradition gibt es schon sehr lange. Was aber ist 2015 passiert? – Es war ein Prestigeprojekt des ehemaligen Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz. Er war sehr darauf erpicht, dass er da eine Novelle macht und darin ganz klar seine Law-and-Order-Politik zum Ausdruck bringt, und das mit dem klaren Ziel, das damals erklärt wurde, dass Finanzierungen aus dem Ausland für Imame gestoppt werden sollen – das dürfe es in Zukunft nicht mehr geben. Das und noch viele andere Punkte sollten da in die neue Gesetzeskodifikation hineingepackt werden.

Die FPÖ hat sich damals schon konstruktiv eingebracht, und ich habe mir das ange­schaut. Unser Justizsprecher Harald Stefan hat damals, 2015, im Nationalrat in der De­batte zum damaligen Islamgesetz schon gesagt: „Das ist doch völlig unsinnig, das funk­tioniert im Vollzug nicht!“, und er hat auch einen Antrag gestellt, dass man das doch bitte


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 150

zurück in den Verfassungsausschuss im Nationalrat verweisen möge, um dann dort gemeinsam ein sinnvolles Gesetz daraus zu machen, das man auch vollziehen kann.

Meine Damen und Herren von der ÖVP, das wollten Sie damals nicht und das wollen Sie auch heute wieder nicht! Jetzt lesen wir in der Begründung zu diesem Abänderungs­antrag – denn warum soll es diese Novelle überhaupt geben? – ganz verschämt: Na ja, in einigen Bereichen hat die Erfahrung aus den letzten Jahren gezeigt, dass im islami­schen Bereich die bisherigen Rechtsgrundlagen einen effektiven Vollzug der Bestim­mungen nicht immer ermöglicht haben.

Übersetzt bedeutet das: Das Gesetz ist Müll gewesen. Die Novelle wird diesen schlech­ten Vollzug aber nicht beseitigen können. Es wird auch weiterhin nicht verhindert, dass viele dieser Gesellschaften, Kultusgemeinden und islamischen Vereine aus dem Aus­land finanziert werden, dass Imame aus dem Ausland finanziert werden. Es wird nicht verhindert, dass Imame weiterhin fremde Sprachen wählen, wenn sie irgendwo unter­richten, lehren oder in Moscheen predigen, sodass man nicht einmal verstehen kann, was da überhaupt gepredigt wird. Wenn man sich zum Beispiel als Staatsschutzbeamter in die Moschee hineinstellt und das wissen möchte, dann ist es nicht einmal möglich, dem zu folgen, wenn man diese fremde Sprache nicht versteht.

Es ist also ein zahnloses Islamgesetz, und die Novelle ist ebenso zahnlos und wieder nicht vollziehungsfähig, wie wir das schon 2015 kritisiert haben. Dieser Kritik wird auch diesmal nicht der Boden entzogen. Daher werden wir das nicht auch noch mit unserer Zustimmung adeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Der zweite Tagesordnungspunkt, zu dem diese Debatte geführt wird, ist das sogenannte Terror-Bekämpfungs-Gesetz. Das ist insbesondere eine Änderung des Strafgesetz­buchs  nicht alles, aber der Hauptteil. Ein Herzstück der vorliegenden Reform ist ein neuer Straftatbestand, nämlich das Verbot religiös motivierter extremistischer Verbin­dungen.

Da heißt es in einem neuen Paragrafen: „Wer eine religiös motivierte extremistische Verbindung gründet oder sich in einer solchen führend betätigt, ist, wenn er oder ein anderer Teilnehmer eine ernst zu nehmende gesetzwidrige Handlung ausgeführt oder zu ihr beigetragen hat, in der sich die religiös motivierte extremistische Ausrichtung ein­deutig manifestiert, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.“

Wenn man sich als Jurist überlegt, was da alles an Tatbestandsvoraussetzungen sowohl auf objektiver Seite als auch, was die subjektive Tatseite betrifft, vorliegen muss, dann kann man sich schon denken, dass dieses Gesetz handwerklich einfach ein Pfusch ist. Die Strafdrohung von zwei Jahren wird natürlich sehr viele Terroristen abschrecken. Das ist eine ähnliche Strafrahmenobergrenze, eigentlich dieselbe Strafrahmenobergrenze, wie sie beispielsweise für Zuhälterei gilt. Zusätzlich dazu, dass ein Terrorist vielleicht wegen mehrfachen Mordes vor dem Geschworenengericht steht, was mit zwischen zehn und 20 Jahren oder mit lebenslänglicher Haft zu bestrafen ist, wird nun also noch diese Strafdrohung von zwei Jahren dazukommen. Na das schreckt ihn sicher ab, ein Terrordelikt zu begehen!

Wenn Sie schon mir nicht glauben, dass dieses Gesetz niemals zur Anwendung kom­men wird, dann schauen Sie doch einmal in die Stellungnahmen des Begutach­tungs­verfahrens. Die Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen Graz, der Präsident des Oberlandesgerichts Wien, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lovrek, allesamt ganz hervorragende Strafrichter, äußern unisono dieselbe Kritik: Das ist nicht vollziehbar; Sie schaffen damit totes Recht.

Auch diese StGB-Novelle ist also vollkommen überflüssig, und das wird auch deutlich, wenn man sich überlegt, ob der Amokfahrer von Graz oder der Attentäter der Terrornacht


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 151

von letztem November in Wien unter diese Bestimmung gefallen wären, ob sie nach dieser Bestimmung strafbar gewesen wären. – Nein, natürlich nicht. Das ist also wieder reine Scheinpolitik, die Sie betreiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber, meine Damen und Herren, auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn. Der nächste Tagesordnungspunkt, die Novelle des Führerscheingesetzes, enthält einige sinnvolle Ergänzungstatbestände. Dem können wir zustimmen, das tun wir auch. – Das ist der dritte Teil dieser Debatte.

Kommen wir nun zum letzten Teil des Pakets, Tagesordnungspunkt 16, eine Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes und des Symbole-Gesetzes. Auch da meine ich teilweise, mich in einer Realsatire zu befinden, denn Sie wollen das Symbole-Gesetz ändern und es bleibt dabei, dass auch dieser Teil Ihrer Politik wiederum nur symbolisch ist. Über eine Symbolpolitik geht das nicht hinaus.

Ich habe mir zum Beispiel die Frage gestellt, warum Sie die Zeichen der Identitären Bewegung verbieten wollen. Mir wäre noch nicht aufgefallen, dass diese Gruppierung sich durch irgendwelche Terroranschläge in Österreich ausgezeichnet hätte, auch wenn Ihnen vielleicht die Aktionen nicht gefallen haben – das muss einem ja auch nicht gefal­len, man kann ja politisch sehr klar dagegen auftreten. Was das aber mit einer terroris­tischen Vereinigung zu tun haben soll, ist nicht ersichtlich. Ich habe nicht verstanden, warum man das zum Beispiel auf eine Stufe mit dem Islamischen Staat stellt.

Sie verbieten damit jetzt dann das Symbol Lambda, das die IB offenbar verwendet. Da habe ich mich dann gefragt: Warum verbieten Sie eigentlich nicht gleich einmal, wenn man schon dabei ist, wenn man schon sagt, dass man gegen irgendwelche rechts­extre­men Gruppierungen vorgehen will, das Symbol 88? Das ist ja auch immer so, dass man sogar davon absieht, dass das irgendwo als Autokennzeichen steht. Warum nehmen Sie das nicht gleich ins Symbole-Gesetz auf? Dann muss man sich, bevor man irgendeine Zahl aufschreibt, nicht immer überlegen, ob das gefährlich ist, wenn es ohnehin im Symbole-Gesetz steht.

Ich weiß also nicht, was das bringen soll. Sie wissen es wahrscheinlich selber nicht, aber Sie können sich wieder einmal rühmen, irgendein Zeichen gesetzt zu haben, das Ihren Wählern vielleicht gefällt. Bringen tut es aber nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Zusammenfassend: Das gesamte Antiterrorpaket ist so gestaltet, dass dadurch keine einzige bestehende Gesetzeslücke geschlossen wird, die Sicherheit unserer Staats­bür­ger nicht verbessert wird und Terroranschläge in Österreich in Zukunft auch nicht ver­hindert werden können. Und ich verrate Ihnen jetzt einmal ein Geheimnis: Aus meiner Sicht ist die beste und effektivste Terrorprävention und einer der Schlüssel zwar nicht der einzige, aber einer der Schlüssel  zu einem sicheren Österreich ein restriktives Asyl- und Fremdenrecht, das diesen Namen auch verdient und das illegale Ein­wanderung unter dem Deckmantel Asyl ausschließt. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher bringen wir freiheitlichen Bundesräte auch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Reform des Asylrechts und effektive Außerlandesbringungen zum Schutz unserer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger“

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 152

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage über eine umfassende Neukodifikation des Asyl- und Fremdenrechts einschließlich allenfalls erforderlicher Verfassungsbestimmungen zuzuleiten, die sicherstellt, dass

- die Behandlung von Asylanträgen auf österreichischem Boden nach Vorbild des deut­schen Asylkompromisses von 1993 weitgehend ausgesetzt (Art 16a Abs. 2 dt. Grund­gesetz) und die Zuständigkeit anderer EU-Mitgliedstaaten gemäß dem Dublin-System tatsächlich fristwahrend in Anspruch genommen werden kann,

- der gesamte österreichische Asylprozess nach Vorbild Dänemarks in Asylzentren außerhalb der Republik Österreich ausgelagert wird,

- die Prüfungsmaßstäbe zu Asylanträgen nicht von einer mäandernden Entwicklung in der Judikatur, sondern durch den Gesetzgeber determiniert und auf die historischen Standards der GFK zurückgeführt werden,

- die Sicherheitslage und innerstaatliche Fluchtalternativen in Herkunftsländern allge­meinverbindlich durch Verordnung des BMI festzustellen sind und aufwändige Einzelfall­prüfungen zu unterbleiben haben,

- die Frist für die behördliche Entscheidung I. Instanz – nach Vorbild der Schweiz – im Regelfall nicht länger als 48 Stunden beträgt,

- gegen Entscheidungen der Fremdenrechtsbehörde nur ein einziger Rechtsbehelf im Sinne des Art 13 EMRK zur Verfügung steht, über den das Verwaltungsgericht binnen drei Monaten endgültig zu entscheiden hat,

- nach Eintritt der Rechtskraft zusätzliche Rechtsbehelfe, Anträge oder Eingaben des Antragstellers keine weiteren Prüfungs- oder Entscheidungspflichten der befassten Be­hörden und Gerichte auslösen, sondern derartige Schriftstücke nur zum Akt zu nehmen sind,

- mit Zustellung der endgültig abweisenden Entscheidung über einen fremdenrechtlichen Aufenthaltstitel“ – sprich Asyl oder subsidiären Schutz – „möglichst unter einem auch die Außerlandesbringung vollzogen werden kann,

- vollstreckbare Abschiebungen auch ohne Konsens mit dem Herkunftsland vollzogen werden, gegebenenfalls durch Einrichtung von Asylzentren an EU-Außengrenzen oder außerhalb des europäischen Kontinents,

- strafgerichtlich verurteilten Fremden und sonstigen Gefährdern in Übereinstimmung mit Art 33 Abs. 2 GFK kein weiterer Asyl- oder Abschiebeschutz zukommen kann, sondern der Aufenthaltstitel mit der Entscheidung aberkannt und die Außerlandesbringung binnen längstens 48 Stunden vollzogen wird; für den Fall einer zu verbüßenden Haft­strafe allenfalls verbunden mit einem Strafvollzug außerhalb des europäischen Konti­nents.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

18.21


Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Michael Schilchegger, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Reform des Asyl­rechts und effektive Außerlandesbringungen zum Schutz unserer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger“ wurde wunschgemäß entsprechend § 43 Abs. 4 GO-BR vervielfältigt und verteilt, in seinen Kernpunkten erläutert, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 153

Des Weiteren zu Wort gemeldet ist Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm dieses.


18.21.58

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesminister!


Präsident Dr. Peter Raggl: Entschuldigung! Ich habe vergessen, die Frau Bundes­minis­ter zu begrüßen. Jetzt muss ich dir noch einmal das Wort nehmen.

Ein herzliches Grüß Gott im Bundesrat unserer Bundesministerin Alma Zadić! (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)


Bundesrat Silvester Gfrerer (fortsetzend): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesminister! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte Damen und Herren, die Sie zu Hause noch unserer Bundesratssitzung bei­wohnen! Ich freue mich und ich bin stolz: Heute ist ein guter und wichtiger Tag für Österreich, weil wir ein ganzes Paket an Gesetzen zum Schutz der Menschen in Öster­reich verabschieden.

Wenn wir uns an den 2. November zurückerinnern: Ich denke, wir haben hautnah erlebt, was da passiert ist. Wir hatten ja am Dienstag die Ausschusssitzungen, und am Montag sind schon einige Kolleginnen und Kollegen angereist, die waren direkt mit dabei. Es war logischerweise wirklich eine sehr gedrückte Stimmung. Trotzdem war es uns möglich, dass wir unsere Arbeit durchführen konnten, und die Sicherheit war gegeben.

Alle unsere Landsleute wünschen sich Schutz und Sicherheit. Sie alle wollen friedlich in Österreich leben, geschützt durch einen funktionierenden Verfassungsschutz. Unsere Landsleute wollen aber auch – und das zu Recht, wenn es um die Sicherheit geht –, dass die Politik das Miteinander und nicht das Gegeneinander in den Vordergrund stellt.

Wir ändern heute das Islamgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz, das Führerschein­gesetz, das Symbole-Gesetz; aber auch im Justizbereich und im Verfassungsbereich wird einiges im Sinne von mehr Sicherheit verbessert.

Als besonders wichtig erscheint mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Über­wachung terroristischer Straftäter während des Vollzugs und nach bedingter Entlassung intensiviert wird und auch die Deradikalisierungsmaßnahmen verbessert werden.

Das Bemühen um Bekämpfung des Terrorismus ist im heutigen Gesetzespaket gut und richtig. Wir schaffen ein neues Führerscheingesetz, durch das Terroristen keine Lenker­berechtigung mehr besitzen dürfen, so wie wir das für Entführer und andere Verbrecher schon vorgesehen haben. Autos werden sehr, sehr oft als Hilfsmittel für Terrorstraftaten verwendet.

Auch das Symbole-Gesetz ist von diesem Paket betroffen. Dadurch wird verhindert, dass Symbole, die rechtsextrem, sexistisch, nationalistisch geprägt oder völkisch orientiert sind, in Zukunft verwendet werden, denn es geht um unsere Verfassung, um unseren Rechtsstaat, um unsere Gesellschaft, die nicht unterwandert werden darf. (Bundesrat Schennach: Niemals!)

Ich möchte zum Schluss noch sagen – und das ist mir sehr, sehr wichtig –: Die Bun­desregierung hat in der Zeit der größten Gesundheitskrise der Zweiten Republik Ausge­zeichnetes geleistet und jetzt, nach dem Terrorattentat am 2. November, ein Terrorbe­kämpfungspaket auf den Weg gebracht. Das zeichnet unsere Bundesregierung aus. Ich möchte mich stellvertretend bei unserer Frau Justizministerin sehr, sehr herzlich bedan­ken und mich auch bei unserem Innenminister für den Einsatz sehr herzlich bedanken. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.26



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 154

Präsident Dr. Peter Raggl: Es freut mich sehr, dass derzeit so viele Ministerinnen und Minister auf der Regierungsbank sitzen. Ich darf Margarete Schramböck begrüßen. – Danke, dass du uns im Bundesrat besuchst. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.


18.26.45

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Ministerinnen! Werter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, meine Fraktion unterstützt die Gesetze gegen Extremismus, Radikalismus und religiösen Fun­damentalismus, wobei ich dazusagen muss: Die besten Gesetze sind nur so gut, so gut sie auch vollzogen werden. Da wünsche ich mir vor allem von Ihnen, Herr Innenminister, dass Ihnen das künftig besser als bisher gelingt, denn da wäre auch mit den bestehen­den Gesetzen einiges möglich gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie auch immer: Wenn es dem Frieden, wenn es der Demokratie dient, dann gehen wir hier selbstverständlich mit, denn Friede und Demokratie sind zarte Pflänzchen, die ge­hegt und gepflegt und auch beschützt werden müssen. Das ist auch die Basis für Sicherheit, denn wenn Respekt vor anderen Menschen, Gleichwertigkeit und Gleich­berechtigung fehlen, wenn die Menschenrechte in Frage gestellt werden, wenn die Regeln eines friedlichen Miteinanders nicht eingehalten werden, dann ist der Schritt zu physischer Gewalt nicht mehr weit, und dann besteht Handlungsbedarf, dann ist ein Handeln durch den Staat dringend geboten. Diesem Handlungsauftrag kommen die vorliegenden Regierungsvorlagen zumindest ein Stück weit nach.

Mit dem Symbole-Gesetz wird zumindest ein Zeichen gesetzt, wenn auch beispielsweise der Extremismusexperte des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstan­des eingewendet hat, dass es inkonsistent sei, wenn die Symbole verboten werden, die Betätigung aber legal bleibt. Er hat sich da insbesondere auf die Identitäre Bewegung Österreichs bezogen. Darauf möchte ich hinweisen, weil Sie, Herr Kollege Schilchegger, verbal einen Schutzmantel über diese Bewegung ausgebreitet haben, wenn auch nicht so extrem wie Ihre Kollegen im Nationalrat, das muss ich dazusagen. Sie haben sich heute für Ihre Verhältnisse eh sehr gemäßigt ausgedrückt, aber man sieht doch: Sie wissen irgendwie auch nicht, wie Sie da tun sollen. Auf der einen Seite möchten Sie es sich mit dieser Gruppierung nicht verscherzen, auf der anderen Seite sehen Sie, dass es doch geboten ist, sich abzugrenzen. Also man sieht schon ein bisschen die Schlan­genlinie, auf der Sie sich da bewegen, die Doppelstrategie, die Sie da eingeschlagen haben.

Jedenfalls wurden da Zeichen gesetzt, und zwar, muss ich auch sagen, eigentlich in alle Richtungen, in Richtung rechtsextrem, in Richtung linksextrem, aber auch in Richtung religiöser Fundamentalismus.

Zum Islamgesetz ist zu sagen, dass es ganz wichtig ist, zwischen friedlich in Österreich lebenden Musliminnen und Muslimen und solchen, die unser Staatsgefüge erschüttern wollen, zu unterscheiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb ist dringendst darauf zu achten, dass nicht über Auslandsfinanzierungen Ab­hängigkeiten und eine Fremdsteuerung geschaffen werden. Da ist also wirklich höchste Aufmerksamkeit geboten – und deshalb hoffe ich, dass diese Gesetze nun konsequent vollzogen werden, denn nun gibt es keine Ausrede mehr.

Auf der anderen Seite war es aber auch sehr, sehr kontraproduktiv, diese Islamlandkarte da hervorzuzaubern und damit (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky), muss ich sagen, die rechtsextreme Szene fast zu servicieren, weil diese es ja darauf angelegt hat, alle Musliminnen und Muslime unter Generalverdacht zu stellen und


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 155

anzuprangern. Da haben sie nun ein Tool in die Hand bekommen, mit dem ihnen das vielleicht noch leichter gelingt. Ich weiß nicht, was Ihnen (in Richtung der MinisterInnen auf der Regierungsbank) da eingefallen ist – nicht ausschließlich Ihnen, sondern der gesamten Bundesregierung. Das war absolut kontraproduktiv und keinesfalls zur För­derung eines friedlichen Miteinanders in Österreich geeignet.

Damit es nicht bei Symbol- und Symptompolitik bleibt, braucht es aber mehr, nämlich möglichst früh beginnende Prävention und Friedenserziehung, damit eben die Regeln eines friedlichen Miteinanders schon früh vermittelt werden können und junge Menschen gegen Verführungskünste von extremistischen Gruppierungen welcher Art auch immer immunisiert werden. Da muss genau bei der Jugend angesetzt werden, weil es Faktum ist – was mich so schockiert –, dass oft noch Jugendliche aus der zweiten und dritten Generation zu Gewalttätigkeiten neigen. Das ist wirklich erschütternd.

Im Bereich Integrationspolitik müssen die Anstrengungen wirklich noch mehr verstärkt werden. Ich meine – das betrifft nicht Ihre Ressorts, sondern das Unterrichtsressort –, ein großer Beitrag wäre ein gemeinsamer Ethikunterricht für alle Konfessionen und auch Konfessionslose. Wir brauchen verbindende Einheiten für alle hier in Österreich lebenden Kinder und Jugendlichen, damit man wirklich diese Regeln des friedlichen Mit­einanders vermitteln kann. Es braucht auch eine überkonfessionelle Vermittlung der Inhalte von anderen Religionen, damit eben auch das gegenseitige Verständnis geför­dert wird. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt – zusätzlich zu den Maßnahmen, die jetzt in Ihren Ressorts gesetzt wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht darum, Parallelgesellschaften vorzubeugen – diesbezüglich müssen alle An­stren­gungen unternommen werden. Darum ersuche ich Sie, ressortübergreifend im Rah­men der gesamten Bundesregierung. In diesem Sinne – wir teilen uns heute die Rede­inhalte auf, Kollege Reisinger wird dann noch zu den anderen Thematiken sprechen –: Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.

18.33.56


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherin­nen und Zuseher! In diesen vier Tagesordnungspunkten behandeln wir eine ganze Reihe von Gesetzesmaterien. Zusammengefasst geht es in diesen Gesetzentwürfen, so wie sie nun vor uns liegen, um eine besonnene, rechtsstaatliche, gemeinsame Reaktion auf ein Phänomen unserer Gesellschaft, den Terror.

Es geht also um eine Reaktion auf die Verbreitung von Schrecken durch Gewalt und auf den Versuch, unsere Gesellschaft zu spalten. Österreich bietet mit seinem funktionie­renden, demokratischen Rechtsstaat Schutz gegen diesen Terror. Dem Terror mit prä­zisen, genau angemessenen Mitteln des Rechtsstaats – von der Neugestaltung des Nach­richtendienstes und Staatsschutzes über die Präventionsarbeit bis hin zur Strafver­folgung – im Rahmen unserer Verfassung und unserer Grundrechte die Stirn zu bieten, ist tatsächlich manchmal eine große Herausforderung. Wir haben sie angenommen, und dafür wurden in verschiedenen Gesetzen zielführende Änderungen vorgenommen.

Im Islamgesetz gibt es – wir haben es schon gehört – eine kultusrechtliche Anpassung. Das Auslandsfinanzierungsverbot wird stärker kontrolliert; die Religionsgesellschaft muss auf Nachfrage Rechnungsabschlüsse und Finanzierungsunterlagen vorlegen, und bei Verstößen drohen der Verfall von Auslandsgeldern sowie Geldstrafen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 156

Es wird ein Imameregister für Funktionsträger, unter anderem Seelsorger, eingeführt. Dadurch soll Transparenz in Bezug auf die Frage geschaffen werden, wer diese Funktion ausübt. Es ist für mich aber wichtig, an dieser Stelle zu erwähnen, dass die Religions­gemeinschaften nicht per se überwacht werden, sondern dass die Informationen von den Religionsgemeinschaften erst auf das ausdrückliche Verlangen des Kultusamtes vorgelegt werden müssen. Die Bekanntgabe von FunktionsträgerInnen ist im Rahmen des Religionsgesetzes ja auch für andere Religionsgemeinschaften vorgesehen. Im konkreten Fall werden somit vor allem bestehende gesetzliche Bestimmungen noch einmal präzisiert, und diese Änderungen dienen wie schon erwähnt der Transparenz und der Übersichtlichkeit.

Wir achten in diesem grundrechtssensiblen Bereich besonders genau auf die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Alle Maßnahmen, die getroffen werden, sind selbst­verständlich auch mit der Europäischen Menschrechtskonvention und den Grundrechten konform.

Betreffend die Änderungen im Staatsbürgerschaftsgesetz von 1985 und dem Symbole-Gesetz ist zu sagen, dass auch da die Terrorbekämpfung im Fokus steht. Es wird ein neuer Entziehungsstraftatbestand im Staatsbürgerschaftsgesetz, die Möglichkeit der Entziehung der Doppelstaatsbürgerschaft bei Verurteilung nach Terrorstrafen, einge­führt. Der Anwendungsbereich des Verbotes der Verwendung von Symbolen extremis­tischer Gruppierungen wird erweitert. Darüber haben wir schon von meiner Vorrednerin gehört. In der Umsetzung des von der Bundesregierung vereinbarten Maßnahmen­paketes werden Maßnahmen zur Prävention gegen die Verbreitung von extremistischem Gedankengut getroffen.

Ich möchte noch einige wesentliche Eckpunkte in diesem Terror-Bekämpfungs-Gesetz nicht unerwähnt lassen, nämlich die gerichtliche Aufsicht über terroristische Straftäter in der Probezeit mit Fallkonferenz und elektronischer Überwachung inklusive der Möglich­keit der Probezeitverlängerung, die Schaffung einer Grundlage für Entlassungskonferen­zen und die Verpflichtung des Gerichts, vor einer bedingten Entlassung eines wegen terroristischer Straftaten Verurteilten eine Fallkonferenz unter Beiziehung der Organisations­einheiten des polizeilichen Staatsschutzes sowie der Koordinationsstelle für Extremis­mus­prävention und Deradikalisierung im Straf- und Maßnahmenvollzug einzuberufen.

Durch die bessere und umfassendere Begleitung der Täter und durch die Intensivierung der Zusammenarbeit der Organisationen wird die gerichtliche Aufsicht ausgeweitet und damit bedingt entlassene Straftäter besser kontrolliert und auch betreut. Es ist wirklich zu begrüßen, dass es künftig verstärkt zum Austausch zwischen den verschiedenen Stakeholdern – nämlich den Gerichten, dem Vollzug, der Bewährungshilfe, den Sicher­heitsbehörden und den Deradikalisierungseinrichtungen – kommt. Wir haben gestern erfreulicherweise im Justizausschuss gehört, dass die Justiz die entsprechenden Mittel dafür zur Verfügung gestellt bekommen wird.

Abschließend möchte ich noch sagen: Bei Hass und bei Gewalt muss sich eine De­mokratie zur Wehr setzen und rechtsstaatliche und menschenrechtskonforme Instru­mentarien finden, um die demokratischen Grundwerte der Gesellschaft und ihre Grund­freiheiten zu schützen. Für uns Grüne ist es unabdingbar, dass die wirksame Bekämp­fung von Terrorismus mit rechtsstaatlichen Prinzipien und unseren Grund- und Freiheits­rechten einhergeht. Das ist mit den derzeitigen Gesetzesänderungen gelungen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.40


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 157

18.40.09

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich darf mich in meinem Redebeitrag auf den Tagesordnungspunkt 14 konzentrieren und – ehrlich gesagt etwas ungewohnt für ein Mitglied der Opposition – zum dritten Mal heute meinen Redebeitrag sozusagen als Zustimmung formulieren. Wir werden also diesem Gesetzespaket zustimmen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Super! (Ruf bei der ÖVP: Macht ja nichts ...!) – Nein, ich habe auch kein Problem. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Wir werden diesem Gesetzespaket zustimmen, aber nicht – ich sage das schon auch dazu –, weil wir allem zu 100 Prozent zustimmen können, sondern weil wir in einer Gesamtbetrachtung das Positive sehen, das überwiegt (Beifall bei der SPÖ), und weil Maßnahmen gegen jede Form von Terror und auch Terrorfinanzierung unbedingt notwendig sind. Da wurde das Ende des jahrlangen Reformstaus in diesen Bereichen leider erst durch den schrecklichen und abscheulichen Terroranschlag vom 2. November eingeleitet, und da kann ich mir nicht verkneifen, zu erwähnen, dass die ÖVP bekann­terweise ja seit 20 Jahren den Innenminister stellt und die Hauptverantwortung für diese fehlenden Rahmenbedingungen trägt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn man an die ersten Tage nach dieser Wiener Terrornacht denkt, merkt man, dass sich die Regierung mit ihrem Verhalten nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert hat. Es gab Schuldzuweisungen auf beiden Seiten. Das war wirklich ein fürchterliches Hin und Her, das bei den Österreicherinnen und Österreichern nicht zur Stärkung des Vertrauens in unseren Sicherheitsstaat, in unsere Justiz, in unseren Justizapparat, sondern doch eher zur Verunsicherung und vor allem auch zur Verunsicherung im Ausland beigetragen hat.

Jetzt aber soll das Antiterrorpaket, das heute zur Beschlussfassung hier im Bundesrat ansteht, im Fokus stehen. Ganz klar ist, dass sich die Sozialdemokratie natürlich zu einem Schutzpaket bekennt, ich möchte aber auch festhalten, dass die Zerbes-Kom­mission in ihrer Systemanalyse nach dem 2. November ganz klar bemerkte, dass das Grundproblem nicht in den fehlenden Befugnissen, sondern im lückenhaften Informa­tions­austausch und in Fehlern bei den Abläufen innerhalb der Sicherheitsbehörden gelegen ist. Der Täter war bekannt und auch vorbestraft.

Wenn wir nun heute dieses Gesetz beschließen, dann sind die rechtlichen Rahmen­bedin­gungen geschaffen. Gesetze sind das eine, Ressourcen, wie wir wissen, das andere. Das heißt, es braucht mehr Personal, es braucht mehr Infrastruktur und es braucht auch mehr Geld. Ich habe das Protokoll der Rede des Innenministers gelesen, er hat sich ja dazu in der Nationalratssitzung bekannt. Ich hoffe – oder wir hoffen –, dass diesen Ankündigungen auch die notwendigen Taten folgen werden.

Inhaltlich möchte ich noch ausführen, dass wir vor allem die Maßnahmen gegen die Geldwäsche und Terrorfinanzierung sehr begrüßen. Alles in allem wird es darauf ankommen, dass schon das Aufkeimen von Terror verhindert wird. Deshalb heißt für uns als SPÖ-Fraktion das Zauberwort auch Prävention, und da sehe ich jedenfalls noch Luft nach oben. Für uns als SPÖ steht die Deradikalisierung und Prävention ganz stark im Fokus. Eine intensivere Vernetzung und Zusammenarbeit der Behörden wird daher von uns ausdrücklich begrüßt.

Positiv bewerten wir auch die geplanten Entlassungskonferenzen, die Verlängerung der Probezeiten und den Einsatz von Bewährungshelfern. Terroristische Straftäter – wir haben das schon kurz gehört –, werden hinkünftig nur mehr dann entlassen, wenn ihr Gefährdungspotenzial sehr gut eingeschätzt werden kann. Auch das findet unsere Zustimmung.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 158

Abschließend möchte ich aber noch ein Thema ansprechen, das uns als SPÖ sehr am Herzen liegt. Wir wissen, die Coronapandemie hat ja bei allen Gesellschaftsgruppen Spuren hinterlassen, alle mussten mit ganz starken Einschränkungen leben, ganz stark betroffen waren aber sicherlich die jungen Menschen in unserem Lande. Sie hatten massiv mit Einsamkeit, mit fehlenden Sozialkontakten zu kämpfen. Wir alle wissen: Es gab keine Feiern, kein Abhängen mit Gleichaltrigen und auch keine Treffen.

Dass es in Zeiten, in denen wir natürlich wieder Öffnungsschritte setzen, unter Umstän­den zu Konflikten und Reibungsflächen kommen kann, liegt, glaube ich, auch auf der Hand. (Bundesrat Schennach: Keine Liebe!) Dazu gibt es zwei Beispiele: Am 5. Juni kam es zu einem für viele als überbordend empfundenen Polizeieinsatz am Karlsplatz, und am 22. Juni hat der Innenminister selbst die Polizei in den Stadtpark gerufen, weil dort rund 300 Jugendliche zusammen waren und feierten. Im Nachhinein gesehen muss man feststellen, dass dieser Einsatz nicht notwendig war.

Wien zeigt mit vielen Beispielen, wie es gehen kann und setzt auf die Sensibilisierung in den unterschiedlichsten Bereichen und Ebenen. (Beifall bei der SPÖ.) Dieses Miteinan­der im öffentlichen Raum soll beispielgebend sein und soll auch vonseiten der Bundes­regierung forciert werden. Deshalb stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Freiräume für Jugendliche“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres und die Bundes­ministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt, wird aufge­fordert, umgehend unter Einbeziehung von Stakeholdern aus dem Bereich der Jugend­arbeit ein Konzept nach dem Vorbild der Stadt Wien für das gesamte Bundesgebiet zu entwickeln, das Freiräume für junge Menschen fördert und zugleich Leitlinien für den sensiblen und deeskalativen Umgang der Exekutive mit Jugendlichen, die sich im öffent­lichen Raum treffen, vorsieht.“

*****

Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.47


Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Freiräume für Jugendliche“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als weiterer Redner hat sich Johannes Hübner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bun­desrat, ich erteile Ihnen dieses.


18.47.50

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Frauen Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Reisinger hat mit seinem Antrag, der Wien als Musterbundesland so in den Mittelpunkt stellt, wahrscheinlich nicht den sensiblen Umgang mit Demonstranten, die für politisch unkorrekte Ziele demons­trieren, sondern nur mit Jugendlichen, die sich politisch korrekt verhalten, gemeint.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 159

Wenn diese also zum Beispiel gegen Coronamaßnahmen demonstrieren, dann sollte die Polizei natürlich nicht sensibel vorgehen, sondern mit aller notwendigen Härte, und wenn sie gar Sympathien für die Identitäre Bewegung – oder wie das jetzt heißt: „Die Österreicher – DO5“ – zeigen, dann muss man noch härter vorgehen. Oder habe ich Sie da missverstanden? Meinen Sie, das gilt für alle? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Von Freiräumen haben wir gesprochen! – Bundesrat Reisinger: ... von Freizeittreffen von Jugendlichen! – Rufe bei der SPÖ: Zuhören! Zuhören ...!) – Aha, okay, ja: für Freizeittreffen von Jugendlichen. Okay, also darf ich da mitnehmen: nicht für politische Versammlungen, sondern nur für Freizeittreffen. (Bundesrat Reisinger: Ich habe es präzise formuliert!) Da muss man mit Sensibilität vorgehen – wenn es politische Anliegen sind, noch dazu nicht korrekte, offenbar nicht, sondern nur für Freizeit. Okay, gut, danke. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kehren wir aber zurück zum Paket der Tagesordnungspunkte 12 bis 16. Die Tages­ordnung - - (Ruf bei der SPÖ: Ihre Freunde sind nicht betroffen ...! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ja, ja, ja, wir kommen auch noch zu Wien, da habe ich eine schöne Anekdote – eine sehr schöne Anekdote! – für die Sensibilität von Wien. (Ruf bei der SPÖ: Nein, zur Sache, bitte!) Unser Tagesordnungspunkt 16 aber, das Symbole-Gesetz, überschreibt, glaube ich, sehr schön das ganze Paket, das wir hier diskutieren. Statt Handlungen, Taten und Regelungen werden Symbole hineingesetzt: von A bis Z – also von 12 bis 16 – nur Symbole.

Fangen wir zum Beispiel mit dem Strafgesetz an. Was passiert im Strafgesetz? Es gibt eine neue Bestimmung, über die Kollege Schilchegger bereits berichtet hat, eine Be­stimmung, die absolut unanwendbar ist, die schon jetzt totes Recht, rein symbolisch, ist.

Wenn jemand einer Terrororganisation angehört, dann kann er mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Wenn durch die Terrororganisation etwas passiert, gibt es jetzt schon erheblich höhere Strafdrohungen. Und ganz besonders arg ist: Wenn jemand einen Terroranschlag aus religiösen Gründen begeht, dann ist das ein Erschwerungs­grund. Das wird einen Terroristen sicher abhalten, einen Selbstmordattentäter, der einen Anschlag begeht, weil es Allah angeordnet hat oder ein anderer Gott – ich will jetzt niemanden diskriminieren! Der wird sich von der Gefahr, in Österreich mit einem Er­schwerungsgrund belastet zu sein und daher lebenslänglich statt ich weiß nicht was oder 19 Jahre statt 18 Jahre zu kriegen, abschrecken lassen! Das ist also eine Bestimmung, die an Absurdität und an Symbolhaftigkeit für diese Absurdität nicht zu überbieten ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch dazu ist sie natürlich rechtsstaatlich in höchstem Maße fragwürdig. Wenn ich ein religiöses Motiv diskriminiere und denjenigen höher bestrafe, dann ist die Frage: Welche anderen Motive sind denn lauterere Motive? Etwa reine Mordlust? Da gibt es keine Erschwerung. Oder sexuelle Lust wie im Fall Leonie? Das ist kein Erschwerungsgrund. Da hat man sexuelle Lust, das ist nichts. Wenn ich aber sage, Allah hat es mir einge­geben – dann bin ich ja unter uns gesagt am Rande der Zurechnungsfähigkeit, nach unserem Gefühl –, dann ist es auf einmal ein Erschwerungsgrund. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil ich jetzt den Namen Leonie verwendet habe: Das ist auch interessant. Da kehren wir vielleicht zu Wien zurück. Das ist so ein Bereich, das ist allen sogenannten Stake­holdern, also allen, die solche Symbolgesetze verteidigen oder überhaupt konstruieren, sehr, sehr unangenehm. Das will man unter den Tisch kehren, weil man die Maß­nahmen, die da erforderlich sind, oder das, was da geschehen müsste, nicht will. Darüber will man nicht sprechen, weder über das Justizversagen noch über das Ver­sagen der Gesetzgebung noch über das Versagen der Exekutive. Das will man nicht. Deswegen muss das unter den Tisch gekehrt werden.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 160

Symbolhaft, weil Sie gesagt haben, Wien ist so wunderbar (Bundesrat Schennach: Ist richtig, ja!): Es hat ja letzten Sonntag einen Trauerzug von Tullnern für Leonie gegeben. Es wurden Blumen, Kränze und Kerzen mitgebracht und vor dem Bundeskanzleramt niedergelegt und aufgestellt. Die MA 24 hat am Sonntag in Wien nichts Besseres zu tun gehabt, als die Kränze und Lichter 31 Minuten, nachdem diese dort niedergelegt und aufgestellt wurden, komplett wegzuräumen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrat Steiner: Unglaublich!) Während Gedenkkerzen, Blumen und so weiter sonst tage- oder wochenlang bleiben können, hat man da an einem Sonntag innerhalb von einer halben Stunde alles entfernt. (Bundesrätin Grimling: Vielleicht hat das BKA das angeordnet!) So viel zur vorbildhaften Opferhaltung der Stadt Wien. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir aber über Symbole reden, dann müssen wir natürlich auch das Symbole-Gesetz heranziehen. Das ist ja die Kumulation der symbolistischen Terrorbekämpfung, wenn man den Terror bekämpft, indem man Symbole verbietet. Das ist ja für einen IS-Terroristen auch enorm abschreckend, wenn in Österreich sein Symbol verboten ist. Da wird er sich sicher nicht radikalisieren oder sicher nicht nach Österreich kommen. Das Gesetz ist aber nicht nur absurd, sondern es ist auch – da schaue ich vor allem zu den Sozialdemokraten hinüber – ein Angriff auf die Grundwerte unserer Gesellschaft. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Man kann sich noch überlegen, verschiedene islamistische Symbole zu verbieten, und kann sagen: Geht uns nichts an, das wollen wir hier alles nicht. Kollegin Grossmann, da komme ich zu Ihnen und zu Ihrer Kritik, dass wir die Kritik am Gesetz zu wenig scharf oder zu wenig klar geäußert haben, da will ich ein bisschen nachschärfen und das etwas klarer äußern: Wenn wir so weit sind, dass wir dann, wenn das DÖW eine Bewegung als rassistisch oder extremistisch einstuft, ein Gesetz verabschieden, das das Symbol dieser Bewegung verbietet, dann haben wir eine Iranisierung unserer Rechtspflege im Laufen.

Ich will jetzt nicht den Iran beleidigen, aber er gibt uns ein gutes Beispiel, in welche Richtung sich das alles entwickelt. Es gibt dort einen Wächterrat, der ist der Hüter der reinen Lehre. Dieser Wächterrat entscheidet, was an Gedanken, was an Vorschlägen im Parlament behandelt werden darf und wer Kandidat bei einer Wahl sein muss. Der Iran hat ja im Prinzip ein demokratisches System, so wie unseres, aber jeder, der dort kan­didieren will, und jede Gesetzesinitiative muss von einem Wächterrat freigegeben wer­den.

Genau das steckt hier nämlich dahinter. Wenn wir darüber entscheiden, ob uns eine Ideologie passt, dann sind wir sozusagen der selbsternannte Wächterrat. Es gibt auch andere Wächterräte. Diese sitzen nicht nur in Österreich, sie sitzen im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, im Europarat, in der Europäischen Kommission, im Europäischen Parlament, in Dutzenden NGOs. Das sind diese Wächter, die entschei­den, was gedacht werden darf (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), was rassistisch oder extremistisch ist oder was – unter Anführungszeichen – unsere demokratischen Werte gefährdet. Da sind wir jetzt schon fast bei einem orwellianischen Newspeak, wenn wir von demokratischer Wertegefährdung sprechen und uns aussuchen, wer demokratisch ist oder wer sich an einer demokratischen Diskussion beteiligen kann.

Deswegen ist dieses Symbole-Gesetz meiner Ansicht nach ein schwerer, schwerer Missgriff und ein schwerer Verstoß gegen unser liberaldemokratisches Grundprinzip. (Beifall bei der FPÖ.)

Hinzufügen darf ich noch, dass der – ich sage einmal: informelle – Wächterrat, der offenbar bei uns entscheidet, wer reden darf und wer nicht, ja schon alles versucht hat, um diese beiden Organisationen aus dem Weg zu räumen. Es hat gegen die Identitäre Bewegung und führende Mitglieder schon zwei Geschworenenverfahren gegeben. Es hat, glaube ich, bisher sechs Hausdurchsuchungen gegeben, Handyabnahmen. Man hat


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 161

alles versucht, um sie zu kriminalisieren, alle Strafverfahren sind aber im Sande ver­laufen, weil eben eine Meinung in Österreich noch – noch! – nicht kriminalisiert ist. Ich sage: noch nicht kriminalisiert! Straftaten oder auch nur das Anstreifen an Straftaten konnten nicht nachgewiesen werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Jetzt komme ich aber zum dritten Teil. Das ist das Staatsbürgerschaftsgesetz. Auch das läuft ja unter dem Titel Extremismusbekämpfung und Terrorismusbekämpfung. Jetzt wurde ja die Möglichkeit geschaffen, unter gewissen Voraussetzungen die Staatsbürger­schaft zu entziehen, wenn jemand terroristische Taten begangen hat. Auch das wird natürlich die Täter enorm abschrecken, wenn sie dann die Staatsbürgerschaft verlieren.

Der Drudenfuß ist aber der: Das ist nur dann möglich, wenn gewährleistet ist, dass der Betroffene nicht staatenlos wird. Das heißt, man muss dem betroffenen österreichischen Terroristen nachweisen, dass er eine andere Staatsbürgerschaft hat und diese noch aufrecht besteht. Wenn das nicht nachgewiesen werden kann, dann ist die Aberkennung nicht möglich. Jetzt können Sie sich bei der Zahl der terroristischen Anschläge in Öster­reich, die ja Gott sei Dank nicht überbordend ist, ungefähr vorstellen, wie oft dieses Gesetz der Aberkennung der Staatsbürgerschaft nach terroristischen Taten zur Anwen­dung kommen wird. Ich wage zu sagen: nie. Immerhin passt es aber, und insoweit ist es auch stimmig, in das gesamte Paket hinein: reiner Symbolismus.

Da wir aber nicht nur reinen Symbolismus als Kernaufgabe eines Politikers und eines Abgeordneten sehen, wollen wir auch einen konkreten Vorschlag machen, was man da tun kann.

Wir haben ja nicht nur in der Sache Leonie, sondern in vielen anderen ähnlich gelagerten Fällen gesehen, dass ein beachtlicher Prozentsatz aller Straftaten, die in Österreich begangen werden – bei manchen Arten von Straftaten sogar ein 50 Prozent erreichen­der Anteil –, von Leuten, die als Asylwerber nach Österreich gekommen sind oder sich hier aufgrund humanitärer Bleiberechte und ähnlichen Gründen aufhalten, verübt wurde. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Solche Leute sind dann, wenn sie einmal die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, und da tut ja die SPÖ jetzt sehr viel, zumindest die Vorsitzende - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich will euch nicht in Geisel­haft nehmen. Die Vorsitzende tut sehr viel dazu, dass die österreichische Staatsbürger­schaft noch schneller erworben werden kann (Bundesrat Schennach: Das Licht leuchtet schon!) und dass die Leute überhaupt nicht mehr außer Landes geschafft werden können, außer man verpflichtet sie sicherheitshalber, die alte Staatsbürgerschaft zu be­halten, damit man sie dann nach dem Terrorismusgesetz abschieben kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man das Asylrecht in seinem Kern ernst nimmt (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), dann ist es ein Recht auf Schutz auf Zeit für die Dauer einer konkreten Verfol­gung.


Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat, darf ich Sie bitten, dass Sie zur Antrag­stellung kommen?


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ich komme zum Schluss!

Wir sind ja nicht im Jahr 1951, als die Genfer Konvention designt wurde. 1955 ist sie in Kraft getreten – da ist es um Heimatvertriebene gegangen, denen eine Rückkehr nicht möglich war. (Bundesrat Schennach: Wer Asyl hat, hat ...! – Zwischenruf der Bundes­rätin Lancaster.) In unserem Fall gehen wir aber davon aus, dass jemand auf Zeit hier ist und daher, wenn das Schutzbedürfnis weggefallen ist, auch zurückkehren muss. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Deshalb sollte ein Bleiberecht, das auf Asyl oder humanitärem Bleiberecht als Asylderivat beruht, niemals zur Staatsbürgerschaft führen können.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 162

Ich stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Staatsbürgerschaftsverleihung an Asylberechtigte“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985) zuzuleiten, welcher explizit den Ausschluss der Verleihung der Staatsbürgerschaft an Fremde, denen der Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zukommt, vorsieht.“

*****

Ich bitte, bevor Sie hier wütende Ablehnung signalisieren, zu überdenken, ob das Ganze nicht Sinn macht und dann nach dem eigenen Gewissen und nach guter Überzeugung darüber zu entscheiden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

19.00

19.00.37


Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Dr. Johannes Hübner, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Staatsbürger­schaftsverleihung an Asylberechtigte“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften und das Islamgesetz 2015 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Terror-Bekämpfungs-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Reform des Asylrechts und effektive Außer­landesbringungen zum Schutz unserer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 163

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Karl-Arthur Arlamovsky, Kollegin­nen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Freiräume für Jugend­liche“ vor. Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend eine 20. FSG-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Symbole-Gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Hübner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „keine Staatsbürgerschaftsverleihung an Asylberechtigte“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

19.04.3017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 – KaWeRÄG 2021) (951 d.B. und 976 d.B. sowie 10689/BR d.B. und 10702/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


19.04.58

Berichterstatter Sebastian Kolland: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich darf informieren, dass ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekommen ist.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 164

19.05.37

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Ministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Kartell- und Wettbe­werbsrechts-Änderungsgesetz soll eine EU-Richtlinie zur Stärkung der nationalen Wett­bewerbsbehörden umgesetzt werden – und das gelingt mit diesem Gesetz wohl nicht.

Das Kartellrecht soll den neueren Entwicklungen im Wirtschaftsleben angepasst werden. Das wäre auch dringend notwendig, denn wir wissen, wie rasch sich die globalisierte Wirtschaft wandelt, wie groß die Zentralisierungstendenzen großer Konzerne sind, um den Markt zu beherrschen. Wir sehen das ja auch, es besteht jetzt schon eine ungeahnte Marktmacht großer Konzerne zulasten der Konsumentinnen und Konsumenten, zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch zulasten kleinerer Betriebe. Da ist wirklich höchste Aufmerksamkeit geboten.

Die Europäische Union hat diesen Auftrag angenommen und diese Richtlinie erlassen, die nun nationalstaatlich umzusetzen ist, denn die Politik, die Rechtsordnung muss selbstverständlich mit den wirtschaftlichen Entwicklungen Schritt halten. Die Rechtsord­nung muss also angepasst werden und es muss ein entsprechender Rahmen entwickelt werden, damit der Markt wirklich funktionieren kann, damit es eben keine Marktver­zerrungen gibt und damit Fairness besteht – wie gesagt, auch für kleinere Betriebe, die in dieser Richtlinienumsetzung offensichtlich eine untergeordnete Rolle spielen.

Es geht darum, wirksame Kontrollen und auch effiziente Sanktionen zu schaffen. Die Richtlinie gibt zum Teil sehr konkrete Vorgaben, was auch durchaus Sinn macht, wie etwa Kronzeugenprogramme. Natürlich gibt es aber, wie es in der Natur einer Richtlinie liegt, einen entsprechenden nationalstaatlichen Umsetzungsspielraum, der in Österreich leider sehr konzernfreundlich ausgefüllt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung stellt sich offensichtlich leider auf die Seite der großen Konzerne, indem beispielsweise die Bundeswettbewerbsbehörde sprichwörtlich an die kurze Leine genommen wird: Zum einen ist ressourcenmäßig die personelle und auch finanzielle Ausstattung absolut unzureichend. Es gibt keine Budgethoheit, und somit besteht eine volle Abhängigkeit wie bei einer nachgeordneten Dienststelle. Zum anderen ist zu kri­tisieren, dass die Bundeswettbewerbsbehörde im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, geführt von einer Wirtschaftsministerin, die sich laufend berichten lassen will, was dort gerade vorgeht, um nur ja nicht die politische Kontrolle zu verlieren.

Frau Ministerin, Unabhängigkeit schaut anders aus! Deshalb sind wir gegen diese Regie­rungsvorlage. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.09


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile dieses.


19.09.20

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerinnen! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Mit der Novellierung des Kartell- und Wettbewerbsrechts schaffen wir sehr wohl einen Ordnungsrahmen für die großen und die kleinen PlayerInnen des digitalen Wirtschaftslebens.

Worum geht es im Kartellrecht? – Marktbeherrschung hat den Effekt, dass Konsu­mentInnen überhöhten Preisen oder unvorteilhaften Bedingungen gegenüberstehen, aber keine andere Wahl haben, als das Produkt trotzdem zu kaufen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 165

Marktbeherrschung führt auch dazu – Sie haben es kurz ausgeführt –, dass Konkur­rentInnen daran gehindert werden, am Markt mitzumachen. Ist die marktbeherrschende Stellung einmal gegeben, wird sie immer weiter gefestigt, da Konkurrenz keine Chance hat. Daher geht es im Kartellrecht darum, marktbeherrschende Positionen von Unterneh­men zu vermeiden.

Die Änderung des Kartell- und Wettbewerbsrechts will nun die Wettbewerbsbehörden weiter stärken, Marktbeherrschung sichtbarer machen und sie dort, wo notwendig, einschränken, um den Wettbewerb zu stärken. Ja, die Schnelligkeit, mit der sich digitale Märkte entwickeln, und auch der damit gleichzeitig einhergehende Machtmissbrauch von Marktmacht stehen und standen oft im Kontrast zu langen kartellrechtlichen Verfahren. Das soll aber nun verbessert und die Verfahren schneller und effizienter gemacht werden. Auch wird die Einhebung von Geldbußen bei Verstößen gegen das Kartell- oder Wettbewerbsrecht, insbesondere bei Auskunftspflichten, treffsicherer ge­macht, und Amtshilferegelungen werden verbessert.

Sie haben es schon erwähnt, Frau Kollegin Grossmann, die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort wird das Recht haben, sich jederzeit  auf Verlangen der Bundeswettbewerbsbehörde schriftlich  über die Gegenstände der Geschäftsführung unterrichten zu lassen, also nicht darüber, was dort immer so vorgeht, sondern über die Gegenstände der Geschäftsführung. Das ist auch im Artikel 20 der Bundesverfassung so geregelt. Es gilt aber die wichtige Einschränkung – das haben Sie nicht erwähnt –, dass laufende Ermittlungen durch die Auskunftspflicht nicht gefährdet werden dürfen. Auch Anfragen zu laufenden oder bevorstehenden Hausdurchsuchun­gen sind explizit vom Auskunftsrecht ausgenommen.

Die Anmeldung eines Zusammenschlusses aber muss der Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort bekannt gegeben werden. VertreterInnen ihres Bun­desministeriums und der Bundeswettbewerbsbehörde sitzen im beratenden Ausschuss für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen.

Die Miteinbeziehung der Bundesministerin wurde, eben weil die Wettbewerbsbehörde unabhängig und weisungsfrei ist, vorsichtig gestaltet, soll aber trotzdem gewährleisten, dass sie bei Fusionen mit ausländischen Unternehmen, die massive Auswirkungen auf Österreich haben, rechtzeitig eingebunden wird.

Ich möchte nun auf ein paar Maßnahmen eingehen, die den verzerrten Wettbewerb auf dem digitalen Markt in den Fokus der Wettbewerbshüter rücken werden. Um marktbe­herrschende Positionen im digitalen Sektor besser feststellen und analysieren zu können, werden nun Faktoren eingeführt, welche die Marktmacht von digitalen Groß­kon­zernen – wir kennen sie – besser greifbar machen. Herangezogen werden der Zugang zu Daten, Netzwerkeffekte und die Intermediationsmacht. Was ist das? – Daten erlan­gen, wie wir wissen, eine immer stärkere Bedeutung als Ware, vor allem dann, wenn man Schnittstelle zwischen KundInnen und HerstellerInnen ist. Daher ist der Zugang zu diesen Daten immer wettbewerbsrelevant.

Der Netzwerkeffekt bedeutet, dass, wenn viele Menschen ein digitales Tool verwenden, es immer mehr Menschen verwenden. Das zeigt sich eigentlich bei allen großen PlayerInnen wie der Software, die wir kennen, bekannten Chatprogrammen, Social-Media-Apps oder Verkaufsplattformen.

Auch die Intermediationsmacht ist ein Faktor, der Marktmacht bestimmen kann. Sie bedeutet, dass digitale PlayerInnen wie Suchmaschinen, Handelsplattformen, Preisver­gleichsplattformen oder Buchungsportale auf Angebot und Nachfrage Einfluss nehmen können.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 166

Das alles verschafft einen erheblichen Informations- und Wettbewerbsvorsprung und damit die Möglichkeit, eine marktbeherrschende Stellung zu erlangen und zu festigen. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat nun die Möglichkeit, die Marktmacht von Unterneh­men durch das Kartellgericht feststellen zu lassen. Das kann einerseits Ausgangspunkt für eine detaillierte Prüfung sein und dient gleichzeitig dazu, das anschließende Verfahren rasch und effizient durchzuführen eine der Forderungen. Der gute Neben­effekt ist zusätzlich, dass digitale GatekeeperInnen durch die Prüfung an ihre beson­deren kartellrechtlichen Pflichten erinnert werden. Darüber hinaus wird die Bundeswett­bewerbsbehörde Zusammenschlüsse zukünftig daraufhin prüfen, ob sie den Wettbe­werb auf sonstige Weise erheblich behindern. Dazu müssen die Unternehmen bei der Anmeldung von Zusammenschlüssen Angaben machen.

Eine weitere wichtige Maßnahme zur Unterstützung von kleineren Unternehmen im Wettbewerb ist die Erweiterung des Konzepts der relativen Marktmacht. Das sieht vor, dass Unternehmen mit relativer Marktmacht anderen Unternehmen, die auf ihre Dienste angewiesen sind, diese Dienste nicht diskriminierend verweigern dürfen. Beispielsweise will eine Warenhändlerin bei einer Verkaufsplattform ihre Waren anbieten, die Verkaufs­plattform verbietet ihr das aber aus diskriminierenden Gründen. Wenn das schwere be­triebswirtschaftliche Nachteile für das anfragende kleine Unternehmen hat, darf das mit relativer Marktmacht ausgestattete Unternehmen diese Dienste nicht verweigern.

Es wird aber auch Ausnahmen für marktbeherrschende Unternehmen, Absprachen oder Zusammenschlüsse geben, nämlich dann, wenn Zusammenschlüsse aus Gemeinwohl­gründen vorgenommen werden und die volkswirtschaftlichen Vorteile die Nachteile des Zusammenschlusses überwiegen. Dabei geht es um volkswirtschaftliche Belange unter Beachtung angemessener Sozial- und Umweltstandards, wie zum Beispiel die Hebung des Wohlstands, eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität durch Beschäfti­gungs­sicherung, Einkommenswachstum oder fairere Einkommensverteilung.

Eine weitere, sonst kartellrechtlich nicht erlaubte Möglichkeit unternehmerischer Koope­ration wird sein, wenn es sich um ökologisch nachhaltiges oder klimaneutrales Wirt­schaf­ten handelt und zusätzlich noch der Allgemeinheit dient – sogenannte grüne Koope­rationen. Ökologische Nachhaltigkeit meint in diesem Fall ein Wirtschaften, das die Aus­wirkungen auf die nächsten Generationen bedenkt und mit natürlichen Ressourcen rücksichtsvoll umgeht. Das ist beispielsweise die Nutzung erneuerbarer Energien, weniger Treibhausgasausstoß, die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasserres­sourcen, die Förderung von Reparatur- und Recyclingfähigkeit, der Schutz und die Wie­derherstellung von Biodiversität und Ökosystemen wie zum Beispiel eine nachhaltige Waldbewirtschaftung – wir haben es heute schon gehört. Damit die Bestimmung aber nicht zu einem Greenwashing führt, wurde sie dahin gehend präzisiert, dass der Beitrag zu einer signifikanten Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit führen muss. Das ist alles in allem ein richtiger und überfälliger Schritt für unsere zunehmend digitale Wirt­schaft.

Ich bringe jetzt noch folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen zu TOP 17, gegen den Beschluss Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbs­gesetz geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 – KaWeRÄG 2021), keinen Einspruch zu erheben


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 167

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

19.17


Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR eingebrachte Antrag zum Ver­hand­lungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 keinen Ein­spruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort ist nun Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring gemeldet. Ich erteile dieses.


19.18.21

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frauen Ministerinnen! Kollegen im Bundesrat und sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Was wir da erleben, fällt in die Kategorie Spielchen, die die ÖVP gerne spielt. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Wenn eine EU-Richtlinie in die Politik der ÖVP passt, die ÖVP dadurch Vorteile hat, dann wird diese Richtlinie sofort und auf Punkt und Beistrich umgesetzt oder sogar übererfüllt. Das ist dann dieses berühmte Gold Plating. Wenn es der ÖVP nicht in den Kram passt, dann wird salopp ausgedrückt auf die Umsetzung gepfiffen und man macht höchstens das, was gerade so noch notwendig ist. Genau das, meine Damen und Herren, ist da der Fall.

Die EU-Richtlinie gibt vor, die Bundeswettbewerbsbehörde zu stärken  das Gegenteil passiert. Wettbewerb ist gut und wichtig, aber natürlich nur, wenn dieser fair abläuft, ohne Korruption. (Beifall bei der FPÖ.) Was macht die ÖVP? – Das Budget wird gekürzt, die Bundeswettbewerbsbehörde darf jährlich bei der ÖVP-Ministerin antanzen und einen Nachtrag im Budget erbetteln, und dann dürfen diese Budgetmittel nicht einmal frei verwendet werden. Ergo gibt es nicht einmal eine echte Autonomie dieser Behörde.

Danach hat die ÖVP versucht, die Wettbewerbsbehörde mittels einer Berichtspflicht der Behörde an die Wirtschaftsministerin an das Gängelband zu nehmen. Liebe ÖVP, da kann ich nur auf § 15 des Strafgesetzbuchs verweisen, sinngemäß steht dort drinnen: Auch der Versuch ist strafbar. – Nur weil es massiven Widerstand gegeben hat, also wirklich massiven Widerstand, hat man diese Berichtspflicht dann ein wenig entschärft, zumindest muss die Behörde jetzt nicht vorab informieren, wenn sie Hausdurch­suchun­gen vornimmt. Wir alle wissen ja, wie das mit der ÖVP und Hausdurchsuchungen ist, da ist es dann schon sehr gut (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), wenn möglichst wenige im Vorfeld etwas wissen, sonst laufen die schwarzen Leitungen wieder heiß und Laptops werden in Kinderwägen Gassi geführt. (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich gilt aber, wie bei allen Verbrechern, auch in diesem Fall die Unschulds­ver­mutung. Die Wahrheit ist nur, meine Damen und Herren, dass diese abgeschwächte Berichtspflicht noch zu weit geht und zumindest einer politischen Einflussnahme Tür und Tor öffnet. Das konterkariert die Korruptionsbekämpfung und schützt allerhöchstens illegale Netzwerke, und das ist, wie es scheint, ganz im Sinne der ÖVP. Und die Grünen? – Ja, die nicken alles ab und winken das durch.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 168

Zusammengefasst: ÖVP und Grüne geben der Bundeswettbewerbsbehörde weder das notwendige Personal noch das Budget, sie kürzen sogar Planstellen. Warum? Na, vielleicht deshalb, weil diese Behörde in der Vergangenheit zu erfolgreich war, denn die Behörde hat in den letzten Jahren in der Bauwirtschaft und in der Abfallwirtschaft kartellrechtliche Missstände aufgezeigt. Da hält jetzt natürlich die ÖVP schützend ihre Hand darüber und schränkt die Bundeswettbewerbsbehörde weiter ein, handelt es sich doch auch immer wieder um Großspender der ÖVP, die in solche Malversationen verwickelt waren – so ein Zufall aber auch!

Schämen Sie sich, meine Damen und Herren von der ÖVP! Schämen Sie sich! (Bun­desrätin Zwazl: Jetzt hör endlich auf ...!) Das ist ein ganz mieses Spiel. Wir Freiheitliche werden dieses schmutzige Spielchen der ÖVP sicher nicht mitspielen. Sie brauchen uns aber auch gar nicht, denn dafür haben Sie ja Ihre billigen Erfüllungs­gehilfen, die Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wurde heute schon einmal gefragt, aber ich frage jetzt noch einmal: Liebe Grüne, was, glauben Sie, würde der Anstand wählen? – Richtig: ganz sicher nicht Grün! (Beifall bei der FPÖ.)

19.22


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile dieses.


19.23.09

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Damen Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie die Sitzung zumindest noch via Livestream ver­folgen! Kollege Spanring, wie der Schelm denkt, so ist er! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Trifft auf die ÖVP zu!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein geordneter Wettbewerbsrahmen ist im Interesse des Wirtschaftsstandortes, im Interesse der Marktteilnehmer und in letzter Konsequenz auch im Interesse von uns Konsumentinnen und Konsumenten. Daher ist diese Änderung des Wettbewerbsrechts, die in Rede stehenden Novellen des Kartell- und des Wettbewerbsgesetzes, nicht nur eine Vollziehung EU-rechtlicher Rahmenbedin­gungen, sondern auch ein Schritt in eine Aktualisierung, in eine Modernisierung, in eine Digitalisierung und  wie manche meinen  auch in eine Ökologisierung des Wettbe­werbsrechts.

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, die Bundeswettbewerbsbehörde war eine unabhängige Behörde, sie ist eine unabhängige Behörde und sie bleibt eine unabhän­gige Behörde. Ich kann die Bedenken, die es gibt, nicht ganz nachvollziehen, dass die Unabhängigkeit einer solchen Behörde in Gefahr ist, wenn man einer zuständigen Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort die Möglichkeit einräumt, Auskünfte einzuholen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Wenn sich ein zuständiges Regierungsmitglied für seinen Wirkungsbereich die entsprechenden Informationen nicht mehr holen kann, dann ist dieses Regierungsmitglied in seinen Handlungsweisen verun­möglicht; deswegen, glaube ich, ist es eine kluge und sinnstiftende Maßnahme, die da ergriffen wird.

Es kommt zu neuen Fusionsschwellenwerten, wenn ich das richtig verstanden habe, damit verbunden ist eine Entlastung und eine Entbürokratisierung. Es kommt zu einer Aufwertung der Wettbewerbskommission, was auch im gemeinsamen Interesse ist und von den Sozialpartnern immer eingefordert worden ist.

In Summe ist es eine Wettbewerbsrechtsnovelle, die Sinn macht, die damit dem fairen Wettbewerb das Wort redet und damit eigentlich gemeinsam getragen werden könnte.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 169

Ich werbe daher dafür, dass wir diese Novelle gemeinsam beschließen. Danke viel­mals für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen der Grü­nen.)

19.26


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer Stellungnahme hat sich Bundesministerin Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. Ich bitte darum.


19.26.10

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! (In Richtung Bundes­ministerin Zadić:) Liebe Kollegin! Heute geht es darum, die Wettbewerbsbehörden in Österreich zu stärken. Das ist es, was wir mit dieser Vorlage auch tun. Es geht darum, KMUs entsprechend zu unterstützen, denn der digitale Wettbewerb ist hart, es gibt Digitalplattformen, internationale Plattformen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundesrätin Schumann: Konzerne!) Mit diesem Gesetz schaffen wir die Basis, dass sie stärker gestützt und geschützt werden und als KMUs mehr Möglichkeiten haben, ent­sprechend aufzutreten.

Ein zweites Thema, das in diesem Vorschlag abgebildet ist, liegt im Bereich der Ökolo­gisierung – auch dort haben wir entsprechend Vorkehrungen getroffen –, und ein dritter Bereich ist die Entbürokratisierung. Ganz wichtig: Auf Wunsch der Bundeswett­bewerbs­behörde haben wir den Fusionsschwellenwert auf 1 Million Euro angehoben, was dazu führt, dass 44 Prozent der Überprüfungen nicht mehr notwendig sind, womit auch eine wesentliche Entlastung erreicht wird.

Wenn Sie das Thema ansprechen, dass die Bundeswettbewerbsbehörde bisher dem Ministerium überhaupt keine Auskunft erteilen musste: Das ist für die Vergangenheit richtig und war auch ein Problem, denn dieses Auskunftsrecht steht allen Behörden, also allen Ministerien zu, sowohl bei der Finanzmarktaufsicht als auch bei der RTR und der E-Control, nur nicht bei der Bundeswettbewerbsbehörde. Die österreichische Verfas­sung sie ist es, auf die wir uns da beziehen  schreibt vor, dass das zu tun ist, gerade bei solch unabhängigen Behörden, und genau das sehen wir in diesem Fall vor.

Was die Ausstattung betrifft, so hat der Chef der Bundeswettbewerbsbehörde selbst in einem Ausschuss gesagt, Qualität geht vor Quantität. Es geht darum, digitales Know-how im Cybersicherheitsbereich aufzubauen, und nicht darum, Planstellen zu haben, die über Jahre nicht besetzt sind. Aus meiner Sicht ist es sehr, sehr wichtig, dass wir das, was wir hier jetzt vorlegen, auch entsprechend umsetzen – das ist wichtig. Ich möchte noch einmal betonen: Es gibt keine Berichtspflicht, sondern die Bundeswett­bewerbs­behörde bleibt und ist eine unabhängige Behörde. Sie ist eine Behörde, die im Vollzug unabhängig ist, gerade in laufenden Verfahren und bei Hausdurchsuchungen.

Allerdings ist es schon richtig, dass es bei politischen Themen oder auch in der Be­antwortung parlamentarischer Anfragen wichtig ist, dass die zuständige Ministerin, der zuständige Minister entsprechende Informationen erhält. Auch wenn Abkommen abge­schlossen werden, wie zum Beispiel mit Weißrussland, ist es wichtig zu beachten, dass das ein Thema des Ministeriums und nicht der Vollzugsbehörde ist.

Die Behörde wird im Vollzug gestärkt, und wir stärken auch die weiteren Bereiche des Kartell- und Wettbewerbsrechts; deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 170

Präsident Dr. Peter Raggl: Eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung wünscht Bun­des­rat Schreuder. – Bitte.

*****


19.29.52

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung stelle ich das Verlangen, bei der Bekanntgabe des Ab­stimmungsergebnisses auch die Anzahl der Für- und Gegenstimmen bekannt zu geben. – Vielen Dank.

19.29


Präsident Dr. Peter Raggl: Dem Verlangen wird nachgekommen.

*****

Ich darf jetzt noch eine weitere Wortmeldung für eine Stellungnahme entgegennehmen, und zwar von Frau Bundesministerin Zadić. – Bitte.


19.30.20

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte und Bundesrätinnen! (In Richtung Bundesministerin Schramböck:) Liebe Frau Kollegin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Mit dieser Umsetzung der Richtlinie haben wir einen weiteren Schritt zur Stärkung des Wettbe­werbsrechts, aber auch der Wettbewerbsbehörden vorgenommen. Man kann durchaus sagen: Ein leuchtendes Beispiel für eine starke Wettbewerbsbehörde ist auch die Kom­mission selbst, die das europäische Wettbewerbs- und Kartellrecht sehr erfolgreich voll­zieht, auch im Kampf gegen die ganz großen Kartellsünder. Mit der Umsetzung dieser Richtlinie verpflichten sich die Mitgliedstaaten dazu, auch ihren Wettbewerbsbehörden vergleichbare Befugnisse einzuräumen. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Die Umsetzung der Richtlinie bietet gleichzeitig auch Möglichkeiten, Punkte umzu­setzen, die wir uns im Regierungsprogramm im Bereich des Kartell- und Wettbewerbs­rechts vorgenommen haben. Das umfasst eine Fülle von Regelungen, auf die ich jetzt nicht im Einzelnen eingehen kann, aber es ist mir trotzdem wichtig, ein paar heraus­zugreifen, die besonders wichtig sind.

Und zwar gibt es, wenn es um unternehmerische Kooperationen zum Zweck einer öko­logisch nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft geht, eine Ausnahme vom Kartell­verbot, weil das eben wichtig ist, um unternehmerische Kooperationen in diesem Bereich zu fördern und den Unternehmen die Rechtssicherheit zu bieten, ökologisch nachhaltig und auch klimaneutral zu wirtschaften.

Darüber hinaus sieht die Novelle Regelungen vor, die dem Missbrauch einer überragen­den Marktmacht in der digitalen Wirtschaft vorbeugen sollen – ich glaube, gerade in Zeiten der Digitalisierung ist das besonders wichtig.

Einen Punkt möchte ich noch herausgreifen, weil er immer wieder erwähnt wurde: Wir haben das Begutachtungsverfahren sehr, sehr ernst genommen. Wir haben uns ganz genau angeschaut, was kritisiert wurde, und haben viele Punkte entsprechend ange­passt. So ist es jetzt so, dass die Bundeswettbewerbsbehörde auch verlangen kann, dass das Auskunftsersuchen schriftlich gestellt wird. Dadurch werden Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Anders als im Ministerialentwurf vorgesehen müssen Auskünfte nun nicht unverzüglich erteilt werden, sondern binnen einer angemessenen


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 171

Frist. Dadurch wird gewährleistet, dass die Bundeswettbewerbsbehörde nicht von wich­tiger Ermittlungsarbeit abgehalten wird, trotzdem aber binnen angemessener Frist Auskunft erteilen kann. Unabhängig davon unterliegen Auskünfte über laufende oder bevorstehende Hausdurchsuchungen grundsätzlich nicht dem Auskunftsrecht.

Insofern haben wir all die Kritik, die im Begutachtungsverfahren gekommen ist, sehr ernst genommen und haben die Punkte in diesem Zusammenhang entsprechend umge­setzt. Ich bitte Sie daher darum, Ihre Zustimmung zu erteilen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.33

19.33.35


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch, die Frau Kollegin Schriftführerin ebenso.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das sind 30 „Ja“-Stimmen und 31 „Nein“-Stimmen. Das heißt, das ist die Stimmenminderheit. Der Beschluss des Bundesrates ist somit nicht zustande gekommen.

19.35.0718. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz über die Beschaffung und den Einsatz sauberer Straßenfahrzeuge (Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz) (941 d.B. und 979 d.B. sowie 10703/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


19.35.29

Berichterstatter Sebastian Kolland: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz über die Beschaffung und den Einsatz sauberer Straßen­fahrzeuge.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

19.35.58


Vizepräsident Günther Novak: Danke für den Bericht.

Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 172

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.37.1019. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG) erlas­sen wird sowie das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumen­ten­schutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz – GRUG) (949 d.B. und 980 d.B. sowie 10704/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz ein Bun­desgesetz über die Restrukturierung von Unternehmen geschaffen wird sowie die Insolvenzordnung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungs­gesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und die Exekutionsordnung geändert wer­den (Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – RIRUG) (950 d.B. und 981 d.B. sowie 10705/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 19 und 20, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um die Be­richte.


19.37.50

Berichterstatter Otto Auer: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewähr­leistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbraucher­gewährleistungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allgemeine bürgerliche Ge­setz­buch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden.

Die Unterlagen liegen Ihnen vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Richtlinie über Restruktu­rie­rung und Insolvenz ein Bundesgesetz über die Restrukturierung von Unternehmen ge­schaffen wird sowie die Insolvenzordnung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gericht­liche Einbringungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden.

Die Unterlagen dazu haben Sie erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 173

19.39.30

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen via Live­stream! Ich werde mich in meinen Ausführungen auf das Gewährleistungsrichtlinien-Um­setzungsgesetz beziehen und möchte zwei wichtige Fakten einmal vorwegschicken: Es sind derzeit bei wichtigen Verbraucherorganisationen wie dem VKI, dem Verein für Kon­sumenteninformation, ein Drittel aller Beschwerdefälle Gewährleistungsfälle. Bei der Arbeiterkammer sind es rund 40 000 Fälle pro Jahr, in denen Beschwerden von Ver­braucherinnen und Verbrauchern im Bereich der Gewährleistungsansprüche vorliegen. Das sind zwei ganz, ganz wichtige Fakten.

Man war bei der Umsetzung dieser EU-Richtlinie in der Regierung ein bisschen spät dran, kann man sagen, und deswegen hat es halt auch ein bisschen schnell, schnell gehen müssen – mir kommt es so vor, als ob man diese EU-Sanktionen umgehen beziehungsweise verhindern wollte –, weswegen jetzt gerade einmal das Mindestmaß einer Gesetzesänderung herausgekommen ist. Man kann auch sagen, es war salopp formuliert ein Kniefall vor der Wirtschaft, wenn man ehrlich ist.

Man vergisst aber immer wieder, dass nicht nur die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Covid-Krise gelitten haben, sondern auch die KonsumentInnen – vielleicht durch Kurzarbeit, durch einen tragischen Jobverlust – durch die Krise stark belastet worden sind. – Frau Minister, Sie beweisen immer wieder Mut – und ich muss Ihnen persönlich sagen, das gefällt mir sehr an Ihnen –, indem Sie dem Koalitionspartner, der ÖVP, auch hin und wieder bei irgendwelchen unnötigen Attacken auf die Justiz die Stirn bieten, und da haben Sie auch meine persönliche volle Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.) Bei dieser Gesetzesänderung aber fehlt mir der Mut ein bisschen.

Eigentlich wäre das eine riesige – seien wir ehrlich, das ist die Wahrheit – Chance gewesen, mit dieser Umsetzung oder mit dem Umsetzungsgesetz, um das es hier ge­rade geht, eine neue Regelung im Verbraucherrecht zu schaffen. In diesem Zusammen­hang möchte ich gerne auf zwei wesentliche Punkte eingehen.

Beim ersten geht es konkret um die Verlängerung der Gewährleistungspflicht. Das ist ganz einfach, und zwar in der Folge betreffend die Erhaltbarkeit zum Beispiel bei Elek­trogeräten oder bei Waren oder Produkten. Jetzt sind zwei Jahre festgelegt, da wäre aber mehr möglich gewesen, zum Beispiel, wie es in anderen europäischen Staaten der Fall ist – das wissen Sie wahrscheinlich viel besser –, fünf Jahre. Die Wahrheit ist: Wenn wir Berge von Elektroschrott, und wir kennen sie alle von den Recyclinghöfen in unseren Gemeinden, in Zukunft verhindern wollen, dann sollten wir jetzt umdenken, denn mit einer Verlängerung auf fünf Jahre hätten wir wirklich zum Klimaschutz beigetragen.

Es wird behauptet, dass das ein großer Wurf ist, das ist aber dieses Umsetzungsgesetz, wenn wir den Klimaschutz und die Klimawende einläuten wollen, nicht wirklich – damit möchte ich zum zweiten Punkt kommen. Es ist nämlich verabsäumt worden, die Möglich­keit zu schaffen, dass wir direkt den Importeur oder auch den Hersteller klagen. Von Konsumentenseite können wir leider nur immer den Händler, die heimischen Betriebe belangen, und es ist natürlich leider (Bundesrätin Zwazl nickt) – das Nicken zeigt mir, dass das auch bei der ÖVP so gesehen wird – schwierig, dass wir da wieder auf die heimischen Betriebe mit Klagen hindreschen und nicht direkt den Hersteller quasi in die Mangel nehmen können. – Da hätte man auf jeden Fall mehr machen können.

Frau Bundesminister, es ist ein bisschen schade, dass man diesen Mut nicht gezeigt hat – ich hätte mich darüber gefreut. Diese Gesetzesänderung ist nicht ganz verbraucher­freundlich, sie ist auch, wenn wir ehrlich sind, nicht wirklich klimafreundlich: Die Müll­berge mit Elektroschrott werden dadurch nicht recht viel weniger werden. Es wäre die


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 174

Chance vorhanden gewesen, und deswegen müssen wir zu dieser Gesetzesänderung Nein sagen.

Der anderen Gesetzesänderung werden wir zustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.44


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesrat. – Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


19.44.08

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit das nicht am Schluss passiert, mache ich es jetzt am Anfang. Ich bringe schon jetzt folgenden Antrag gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Tagesordnungspunkt 19 ein:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 19, Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG) erlassen wird sowie das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz)

in der 929. Sitzung des Bundesrates

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Ja, man kann nicht immer alles machen, vor allem nicht dann, wenn man nicht alleine regiert, trotzdem ein paar Punkte, warum wir für dieses Gewährleistungsrichtlinien-Um­setzungsgesetz sind, das die Warenkauf-Richtlinie und die Digitale-Inhalte-Richtlinie umsetzt.

Es erleichtert den Handel, verbessert den VerbraucherInnenschutz – eigentlich ein für die SPÖ spannendes Thema – und bringt zusätzliche Gewährleistungsrechte für Konsu­mentInnen, aufgrund der Harmonisierung des EU-Binnenmarkts erleichtert es aber natürlich auch das Handeln der UnternehmerInnen und der Vollzugs- und Justizorgane.

Worum geht es genau? – Bisher war es so, dass im ersten halben Jahr der Gewähr­leistungsfrist die VerbraucherInnen nicht beweisen mussten, dass das fehlerhafte Pro­dukt schon beim Kauf mangelhaft war. Das bezeichnet man als Vermutungsfrist, und das ist genau die entscheidende konsumentenfreundliche Frist bei der Gewährleistung, denn nach Ablauf dieser Vermutungsfrist müssen die VerbraucherInnen beweisen, dass der Mangel schon beim Kauf bestanden hat. Die Frist wird nun aber von einem halben Jahr auf ein Jahr verlängert, also verdoppelt.

Weiters ermöglicht die neue Regelung – auch eine sehr konsumentenfreundliche neue Maßnahme – die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche, seien es Reparatur, Austausch, Preisminderung oder gar Auflösung des Vertrages mittels einer formlosen Erklärung gegenüber dem Unternehmer, und zwar innerhalb der Gewährleistungsfrist von zwei Jahren. Die Ansprüche müssen also nicht mehr so wie bisher bei Gericht


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 175

eingebracht werden. Wenn das Unternehmen allerdings in dieser Zeit nicht reagiert, muss die Möglichkeit bestehen, die Gewährleistung auch noch danach bei Gericht gel­tend zu machen, und daher wurde die „Gewährleistungsfrist“ – unter Anführungs­zeichen – um drei Monate verlängert. Das scheinen – so sehen wir das – sehr ausgewogene Regelungen zwischen UnternehmerInnen und KonsumentInnen.

Eine wichtige, dem digitalen Zeitalter geschuldete Änderung ist, dass Produkte mit digi­talen Inhalten oder digitalen Leistungen, die mit Geld oder auch mit Daten gekauft werden, nun auch unter das Gewährleistungsrecht fallen. Produkte mit digitalen Inhalten sind zum Beispiel digital bereitgestellte Filme, Musik, E-Books, Kurse, aber auch andere digitale Dienstleistungen wie Apps, Programme oder Streamings. Für diese digitalen Leistungen und für Smartgoods – auch ich habe recht viel gelernt bei diesem Tagesord­nungspunkt: Smartgoods sind Waren, die nur mit Software funktionieren, wie zum Beispiel smarte Fernseher oder Kühlschränke – wird es eine kostenlose Aktualisie­rungs­pflicht geben, die das vertragskonforme Funktionieren dieser Leistungen gewährleisten muss. Das heißt, notwendige Softwareupdates werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Das ist ein großer und ein sehr lange geforderter Schritt, und das gilt auch für Verträge zwischen Unternehmen.

Weitere Maßnahmen, die gerade in der EU ausgearbeitet werden und die speziell die nachhaltige Wirtschaft betreffen – weswegen noch zugewartet wird –, werden eben durch die EU kommen, das sind zum Beispiel die Rechte der KonsumentInnen auf Reparatur – das, was Sie (in Richtung Bundesrat Egger weisend) gerade gefordert haben. Es wäre also schön, dem heute vielleicht trotzdem zuzustimmen, weil das ein großer Schritt ist – und vor allem ein Schritt ist und alles andere noch folgen wird. Das Vertrauen diesbezüglich wäre sehr schön, aber gut. Damit ist also allen – auch unseren Haushalten – der Einzug in die digitale Welt der Wirtschaft geebnet, und das ist natürlich begrüßenswert.

Nun zum Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz: Auch da wer­den EU-Richtlinien in österreichisches Recht integriert. Es geht um zwei wichtige Vor­gaben: erstens die Einführung eines Instruments zur Vermeidung von Insolvenz – gleich­zeitig auch zum Erhalt von Arbeitsplätzen – und zweitens einer Verkürzung der Entschul­dungsfrist auf drei Jahre.

Bei der ersten Maßnahme geht es darum, dass Unternehmen, die an der Zahlungs­unfä­higkeit schrammen, die Möglichkeit haben, sich wieder zu erfangen und so eine Insol­venz abzuwenden. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die eigentlich bestehen könnten – das ist das Spannende und Wichtige daran –, die aber ohne entsprechendes Entgegenkommen der GläubigerInnen und eventuelle Umstrukturierungen in die Insolvenz fallen würden. Wenn also eine Chance zur Erholung des Unternehmens besteht, soll diese genutzt werden können, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das Instrument dafür nennt sich präventiver Restrukturierungsrahmen mittels Restrukturie­rungsplan.

Wenn es also wahrscheinlich wird, dass Zahlungsunfähigkeit ins Haus steht, was von WirtschaftsprüferInnen oder SteuerberaterInnen dem Unternehmen immer kommuniziert werden muss und sich auch an bestimmten Kennzahlen zeigt, dann können redliche UnternehmerInnen bei Gericht die Durchführung eines präventiven Restrukturierungs­verfahrens beantragen. Voraussetzung sind eine nachvollziehbare Fortbestehens­pro­gnose und der Plan. Zusätzlich kann eine dreimonatige Vollstreckungssperre beantragt und auch verlängert werden. Der Vorteil bei diesem Plan und bei dieser Neuerung ist, dass nicht mehr alle Gläubiger zustimmen müssen, sondern nur Gläubiger mit 75 Pro­zent der Summe der Forderungen der Gläubiger. Das Unternehmen bleibt zusätzlich in Eigenverwaltung, hat aber einen Restrukturierungsbeauftragten, der zwischen den Schuldnern und den Gläubigern vermittelt und die Einhaltung des Plans kontrolliert.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 176

Diese Maßnahme ist natürlich gesellschafts- und wirtschaftspolitisch relevant, da, wenn das Unternehmen gerettet wird, auch Arbeitsplätze gerettet werden; und auch für die Gläubiger, die oft langfristig und jahrelang mit den Unternehmen zusammenarbeiten, ist der Bestand des Unternehmens von Bedeutung, denn wenn eine Insolvenz vermieden werden kann, werden die Forderungen, auch wenn sie etwas gekürzt werden, doch nicht so weit gekürzt wie bei einer Insolvenz.

Wenn aber trotzdem eine Insolvenz im Raum steht, kommt es zur zweiten Maßnahme, die heute geregelt wird: einer schnelle Entschuldung für einen schnellen Wiedereinstieg. Die verkürzte Entschuldungsfrist wird jetzt auch für sogenannte redliche VerbraucherIn­nen, also Private, gelten. Das ist gut, denn es ist für UnternehmerInnen wie für Private wichtig, aus diesem lähmenden Teufelskreis des Schuldenhabens herauszukommen, um wieder Perspektive und damit Mut und Kraft für das Weiterarbeiten zu erhalten – gerade jetzt, nach vielen schweren Monaten der Coronakrise.

Mit diesen Gesetzesänderungen entfernen wir uns von der unternehmerischen Sicht­weise des Scheiterns als Makel und bewegen uns hin in Richtung einer Kultur der zweiten Chance, des Lernens aus Fehlern und des Neuanfangs mit Kraft und Motivation. Geben Sie sich einen Ruck – stimmen Sie mit uns! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.52


Vizepräsident Günther Novak: Danke. – Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einge­brachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungs­gesetz keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hübner. – Bitte.


19.52.52

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Zur ersten Materie, dem Verbraucherschutz, hat Kollege Egger von den Sozialdemokraten, glaube ich, ohnehin die wesentlichen Punkte dar­gelegt. Die Argumente, die gegen die notwendigen Verlängerungen der Gewähr­leis­tungsfristen gebracht wurden, sind mir völlig unverständlich. Es wurde auf der einen Seite behauptet, es sei für Österreich ein Wettbewerbsnachteil gegeben, wenn man die Gewährleistungsfristen für langlebige Güter verlängern würde, auf der anderen Seite wird behauptet, jetzt in der Coronakrise könnten wir das den Unternehmen nicht antun. Beide Argumente sind – würde ich fast sagen – Unsinn.

Erstens einmal werden langlebige Konsumgüter in Österreich so gut wie nicht produziert, sondern fast zur Gänze importiert. Betroffen von den Gewährleistungsansprüchen sind im Wesentlichen die Händler, und diese sitzen in Österreich und werden wenig konkur­renziert, weil kaum jemand, um Waschmaschinen einzukaufen, nach Singapur oder Honkong, wo sie erzeugt werden, fährt.

Die zweite Geschichte ist Corona. Da verstehe ich schon überhaupt nicht, wieso der Handel bedroht wird, wenn die Gewährleistungsfristen verlängert werden. Im Gegenteil, die verlängerten Gewährleistungsfristen für langlebige Güter würden den Handel dazu be­wegen, beim Einkauf und Vertrieb von Gegenständen sehr wohl auf die Qualität zu schauen und eingebaute Sollbruchstellen aufzufinden. Das würde eine Qualitätsver­besserung und damit auch einen Stopp der Wegwerfgesellschaft bringen.

Das sind also, glaube ich, Dinge, die eine Zustimmung unsererseits nicht möglich machen. Das halbe Jahr Verlängerung der Vermutungsfristen ist okay, das war sicher


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 177

ein Problem, aber eine Nichtverlängerung der zweijährigen Frist bei Geräten, die eine Lebenserwartung von zehn bis 20 Jahren haben sollten – vor allem die Haushalts­elek­tronik –, ist unverständlich.

Zum Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz: Die Restruktu­rie­rung gibt es, das ist ja keine Neuigkeit, diese haben wir in Österreich seit über 20 Jahren. Nur ist die Restrukturierung ein völlig totes Verfahren und wird nicht angewendet, denn eine Firma, die in die Restrukturierung hineingeht, hat keine Gewährleistung, eine Ent­schuldung zu bekommen, ist aber am Markt tot. Wenn man in die Restrukturierung hineingeht, sind die Kundenbeziehungen im Wesentlichen weg und gestorben, des­wegen – wir haben im Ausschuss sogar danach gefragt – gibt es in Österreich nicht mehr als zwei bis fünf Verfahren im Jahr.

Wenn man das Gesetz novelliert, dann hätte man es so machen müssen, dass es auch angenommen wird. Alles, was da gemacht worden ist, verkompliziert das Verfahren. Die Schaffung von vier Gläubigerklassen ist vielleicht gut gemeint, wird aber niemanden dazu bewegen, sich in die Restrukturierung zu begeben. Deshalb werden wir auch dem keine Zustimmung geben. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

19.56


Vizepräsident Günther Novak: Danke. – Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile dieses.


19.56.22

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie meine Vorredner be­reits ausgeführt haben, geht es im TOP 19 um die Umsetzung von zwei EU-Richtlinien: die Digitale-Inhalte-Richtlinie und die Warenkauf-Richtlinie. Da schon so viel ausgeführt wurde – Kollegin Kittl hat das ja sehr im Detail getan –, möchte ich dazu nur kurz zwei Punkte erwähnen.

Die EU ist ja der größte Binnenmarkt der Welt, und dieses Potenzial müssen wir für unsere Wirtschaft, für unsere Firmen und für unsere Arbeitsplätze nutzen. Es geht letztendlich auch um den Wettbewerb in Europa, es geht um das Gleichziehen der Richtlinien zur Gewährleistung in ganz Europa.

Zum Punkt der Digitale-Inhalte-Richtlinie, der Anpassung an die digitale Welt: Wir schaf­fen es mit der Umsetzung dieser Richtlinie erstmals, dass digitale Leistungen und Waren mit digitalen Inhalten ausdrücklich in das Gewährleistungsrecht übernommen werden, und das ist wichtig, richtig und zeitgemäß.

Kurz noch zum Tagesordnungspunkt 20, weil dieser ein sehr wichtiger ist: Mit diesem Gesetzesbeschluss soll mit einer Insolvenzrechtsreform unter anderem eine Verkürzung der Entschuldungsfrist bei Insolvenz von fünf auf drei Jahre ermöglicht werden – coronabedingt nicht nur für Unternehmen, sondern befristet auf die kommenden fünf Jahre auch für Verbraucher.

Darüber hinaus beinhaltet das Paket ein präventives Restrukturierungsverfahren für Unternehmen, das es Schuldnern ermöglichen soll, den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und damit die Insolvenz im Vorfeld zu vermeiden.

Das heißt, es geht in erster Linie darum, Maßnahmen zu finden, damit sich Unternehmen und Private rascher entschulden können.

EU-weit wurde nun dafür gesorgt, dass es ein Verfahren gibt, das vorinsolvenzlich ist. Wenn eine Insolvenz absehbar ist, dann gibt es Möglichkeiten, das Unternehmen zumin-


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 178

dest etwas unter Schutz zu stellen. Es wird möglich, bereits in dieser Situation Forde­rungen zu kürzen, schlichtweg um Liquidationen zu vermeiden. Das ist notwendig, da die Coronakrise viele vor wirtschaftliche Herausforderungen gestellt hat. Es geht darum, für Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten sind, Möglichkeiten zu schaffen, dass sie rasch saniert werden können. Wenn sich das nicht ausgeht, dann sollen sie auch rasch geschlossen werden können.

Wenn eine Unternehmerin oder ein Unternehmer im schlimmsten Fall gescheitert ist – und das kann aktuell als Folge der Coronawirtschaftskrise leider so manchen treffen –, so kann er oder sie sich jetzt innerhalb von drei Jahren entschulden und somit mit dieser zweiten Chance neu starten. Das ist sehr wichtig, denn wir brauchen auch in Zukunft Unternehmertum in Österreich. Wir dürfen dies durch die aktuelle Coronakrise nicht allzu lange bremsen. Es ist wichtig, mit dieser Maßnahme dafür zu sorgen, dass Unternehmer, die wegen Corona in eine finanzielle Schieflage geraten sind, rasch eine zweite Chance bekommen und somit wieder Arbeitsplätze schaffen können.

Diese verkürzte Entschuldungsfrist von drei Jahren gilt für die kommenden fünf Jahre, wie bereits erwähnt, auch für private Schuldner, denn auch viele private Verbraucher sind aufgrund von Corona teils unverschuldet in finanzielle Schieflage und Überschul­dung geraten, zum Beispiel weil sie arbeitslos geworden sind oder sich in Kurzarbeit befinden und daher monatlich weniger Geld beziehungsweise Einkommen zur Verfü­gung haben.

Meine geschätzten Damen und Herren! Jeder und jede hat eine zweite Chance verdient, finde ich, deshalb hoffe ich auf breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.00


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Ich möchte Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­ten­schutz Mückstein, begrüßen. Herzlich willkommen im Plenum! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.00.50

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrter Herr Kollege! Geschätzte ZuseherInnen! Die Umsetzung dieser Richtlinie und die Reform des Insolvenzrechts kommen eigentlich zur rechten Zeit, kann man sagen, denn wir befinden uns in der Coronakrise, die für viele Personen auch wirtschaftliche Herausforderungen bedeutet, und es kann natürlich sein, dass einige Unternehmerinnen und Unternehmer diese Krise nicht so gut bewältigen konnten.

Zur Krisenbewältigung gehört aber auch immer ein gutes Insolvenzrecht. Dieses zeich­net sich dadurch aus, dass Unternehmen in Schwierigkeiten nach Möglichkeit rasch saniert werden können. Wenn das leider nicht möglich ist, dann geht es auch darum, dass Unternehmen rasch geschlossen werden können. Deswegen steht diese Insol­venzrechtsreform unter dem Motto zweite Chance. Wir haben nämlich ein Restruktu­rierungsverfahren für Unternehmen eingeführt, das es erleichtert, dass Unternehmer und Unternehmerinnen rasch ihre Unternehmen restrukturieren können, und somit eine zweite Chance für Unternehmen bietet – das Ganze ohne Zustimmung aller Gläubiger. Das ist deswegen entscheidend, weil es ja immer schwierig ist, die Zustimmung aller Gläubiger für einen Restrukturierungsplan zu bekommen. Daher finde ich es sehr gut,


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 179

dass wir in diese Restrukturierungsmöglichkeit diese zweite Chance eingebaut haben, eben dadurch, dass nur die Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger notwendig ist.

In den Fällen, in denen es sich nicht ausgeht, geht es darum, dass die Unternehmen schnell geschlossen werden können, und da stellen sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer die Frage: Wie geht es dann weiter? Deswegen haben wir auch die Ent­schuldungsfrist von fünf auf drei Jahre heruntergesetzt, und zwar nicht nur für das Unternehmen an sich, sondern auch für die Privaten. Somit haben wir eine Gleich­schaltung sowohl von Unternehmern als auch Privaten, weil es ja sehr oft so ist, dass gerade bei Klein- und Mittelbetrieben die Gesellschafter meistens auch persönlich haf­ten. Und wenn beide nach drei Jahren entschuldet sind, bedeutet das eine zweite Chance, neu zu starten, eine zweite Chance, vielleicht wieder neu zu gründen, wieder unternehmerisch tätig zu werden.

In Gesprächen, die ich in der Vergangenheit mit zahlreichen Start-up-Unternehmern, zahlreichen Jungunternehmern geführt habe, ist mir gesagt worden, dass es gerade jetzt nach der Krise für sie wichtig ist, dass sie sich rasch entschulden können, damit sie auch wieder neu gründen, wieder neu starten können.

Insofern glaube ich, dass wir mit diesem neuen Insolvenzrecht, mit der Ermöglichung einer zweiten Chance die Folgen der Pandemie auch sozialpolitisch etwas abfedern und somit auch diesen wirtschaftlichen Neustart etwas fördern können, sowohl für Unter­nehmer als auch für Private. Ich bitte Sie daher, diesem Vorhaben nicht entgegen­zutre­ten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

20.04

20.04.10


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz.

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich werde bitte von meinem Abstimmungsrecht Gebrauch machen, die Frau Schrift­führe­rin auch.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmengleichheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Der Beschluss des Bundesrates ist somit nicht zustande gekommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 180

20.06.0721. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1777/A und 1003 d.B. sowie 10695/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird (1775/A und 1005 d.B. sowie 10696/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird (1661/A und 1006 d.B. sowie 10697/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 21 bis 23, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um die Berichte.


20.06.59

Berichterstatter Andreas Lackner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ebenso darf ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich darf ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemie­bedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 181

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


20.08.47

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die noch zuschauen! Bei den Tagesordnungspunkten 21, 22 und 23 geht es um die Novellen zum Bundespflegegeldgesetz, zum Freiwilligengesetz und zum Bundes­gesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen.

Die Änderungen im Bundespflegegeldgesetz ermöglichen es in Zukunft, innovative Projekte von gemeinnützigen Organisationen, der freien Wohlfahrtspflege, von Gebiets­körperschaften oder von Sozialhilfeverbänden zu fördern. Darunter fällt jetzt auch die Etablierung der Communitynurses, die in Zukunft eine wesentliche Rolle im Ausbau eines Systems zur niederschwelligen und bedarfsorientierten Versorgung vor Ort, in den Gemeinden spielen sollen. Sie sollen den Betroffenen einerseits eine Anlaufstelle zur Informationsbeschaffung und Hilfestellung im Pflegefall bieten und können andererseits auch die Entwicklung des regionalen Pflegebedarfs verfolgen.

Sie sollen durch proaktive Hausbesuche die Gesundheitsprävention stärken, wobei auf die Prävention großes Augenmerk zu legen ist. Das Projekt soll noch in diesem Jahr starten, und zwar mit 150 Communitynurses. Dafür stehen laut Ministerium 54 Millionen Euro zur Verfügung.

Lassen Sie mich aber an dieser Stelle generell zur geplanten Pflegereform etwas aus­holen: 2020 hat der Rechnungshof in seinem Bericht die Situation der Pflege in Öster­reich publiziert. Der Rechnungshof untermauerte dabei den großen Handlungsbedarf, den wir im Bereich der Pflege haben.

Mit Stand 2020 wurde etwa ein Drittel der Pflege von privater Seite erbracht. Die infor­melle Pflege ist gekennzeichnet durch ein Naheverhältnis, durch Verwandtschaft der pfle­genden Personen zur pflegebedürftigen Person. Es fehlt meist eine pflegerische Ausbildung.

Der Rechnungshof empfiehlt nun, das Pflegeangebot in unserem Land deutlich zu er­weitern, da sich unter anderem die Zahl der Personen, die sich Pflege zu Hause leisten können, bis zum Jahr 2060 drastisch reduzieren wird. Konkret geht der Rechnungshof nämlich davon aus, dass dann auf einen 80-Jährigen nur noch Pflegepersonal in Höhe von 1,6 Personen kommt – derzeit geht man von einem Verhältnis von immerhin eins zu vier aus. Diesen Punkt zu erwähnen ist mir deshalb so wichtig, weil bei der Schaffung zur Förderung von innovativen Projekten wie eben den Communitynurses ganz stark der Gedanke mitschwingt, die Pflege zu Hause zu unterstützen. Das ist sehr wichtig, denn die pflegenden Angehörigen wie auch die gepflegten Personen können diese Unter­stützung sehr gut gebrauchen.

Dennoch sollen wir die Augen natürlich nicht davor verschließen, dass die großen Herausforderungen der Pflegereform noch bevorstehen. Es pfeifen tatsächlich überall schon quasi die Spatzen von den Dächern, und die Coronapandemie hat noch einmal das Brennglas auf die Situation gelegt: Es braucht mehr Personal in den Pflegeberufen, nämlich nicht nur Personal, das den Beruf jetzt ergreift, sondern auch Personal, das den Beruf länger ausüben will und natürlich auch kann.

Dazu noch eine Erkenntnis aus dem Rechnungshofbericht betreffend die Personal­vorga­ben in der stationären Pflege: Diese waren nur teilweise rechtlich verbindlich; ihre letzte Anpassung lag mitunter mehr als 20 Jahre zurück, obwohl seither wesentliche Ände­rungen wie zum Beispiel höhere Pflegegeldstufen und berufsrechtliche Vorgaben erfolg­ten. Auch die Verfügbarkeit von Pflegepersonal ist eine wirkliche und wichtige Herausforderung.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 182

Das Problem wurde erkannt, und es ist jetzt an der Zeit – und das passiert auch –, Lösungen dafür zu entwickeln und auch umzusetzen.

Um noch einmal auf die Communitynurses, die wirklich großartig sind, zurückzukommen: Das ist ein erster Schritt zur Umsetzung der unterstützten Pflege zu Hause. Realistisch muss man natürlich sein und bleiben: Die Möglichkeiten, Pflege zu Hause zu leisten, sind begrenzt. Spätestens ab einem gewissen Pflegebedarf braucht es ständige professionelle Hilfe, und dazu braucht es ausgebildete Professionistinnen und Profes­sionisten.

Noch ganz kurz: Mit der Novelle zum Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebeding­ter Armutsfolgen werden Mittel zur Covid-19-bedingten Delogierungsprävention und Wohnungssicherung vorgesehen. Auch da werden vom Bundesministerium des Herrn Mückstein in den Jahren 2021 bis 2023 24 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit sollen wiederum Projekte finanziert werden, die der Wohnungssicherung und der Delogierungsprävention dienen. Einerseits sollen betroffenen Haushalten entsprechende Beratungs- und Unterstützungsstrukturen zur Verfügung stehen, andererseits sollen mit den Projektmitteln Mietzinsrückstände sowie sonstige Nebenkosten, wie entstandene Gerichtskosten, übernommen werden – eben auch pandemiebedingt.

Das ist ein wichtiger Punkt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass gemeinnützige Organisationen immer eindringlicher davor warnen, dass es zu einem starken Anstieg von Räumungsklagen beziehungsweise Delogierungen kommen könnte, da immer mehr Menschen nicht mehr in der Lage sind, ihre Wohnkosten zu bestreiten.

Das Letzte, die Änderung im Freiwilligengesetz, betrifft eine Fristverlängerung für Teil­neh­mende an einem Auslandsfreiwilligendienst. Dieser kann bei Elementarereignissen, Unglücksfällen, außerordentlichen Notständen und einer damit verbundenen vorzeitigen Rückkehr im Inland fortgesetzt werden. Diese Möglichkeit soll nun aufgrund der weltweit immer noch unklaren, pandemiebedingten Situation bis 31.12.2022 verlängert werden.

Das ist das Wesentliche aus den drei Gesetzen, die sinnvoll, richtig und wichtig sind. Ich ersuche daher um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.15


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm dieses.


20.16.05

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren, die Sie noch via Livestream zugeschaltet sind! Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger hat vor allem gegen Ende ihrer Ausführungen sehr schön noch einmal erläutert, worum es in diesem großen Paket heute geht: um das Wohnpaket, das geschnürt werden soll, um Delogierungen vorzubeugen; um das Freiwilligengesetz, das entsprechend adaptiert werden soll und bei dem Zeitrahmen verlängert werden sollen.

Ich für meinen Teil möchte insbesondere auf den großen Bereich des Bundespflege­geldgesetzes eingehen. Sie können sich sicherlich vorstellen, warum, und ich werde Ihnen das auch gerne erklären: weil mittlerweile kaum ein Nachtdienst mehr vergeht, in dem ich tätig bin, in dem ich nicht einen alten Menschen, eine Frau, einen Mann, auf­nehmen muss, weil er zu Hause keine Versorgung mehr hat. Das heißt, ich könnte ihn aus rein medizinischen Gesichtspunkten wieder nach Hause entlassen, dort ist aber niemand mehr, der auf diesen Menschen achtgibt und schaut.

Das ist natürlich in doppelter Hinsicht widersinnig, muss man sagen, zum einen – das ist das Technokratischere –, weil er dann in einem Akutbett im Spital liegen muss, das


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 183

natürlich eine der teuersten Einrichtungen ist, die wir im Gesundheitssystem vorhalten können, und zum Zweiten – und das ist ja eigentlich noch das viel Schlimmere –, weil es natürlich ein Krankenhaus ist, wo man sich mit ansteckenden Krankheiten infizieren kann, und das ist ja etwas, was nicht sein müsste.

Ich persönlich habe immer gesagt, dass die Frage nach der Versorgung alter Menschen eine der zentralen Fragen ist, auf die wir in der Politik Antworten finden müssen.

Wie schaut die Istsituation aus? – Es gibt im Augenblick rund 466 000 Menschen in Österreich, die Pflegegeld beziehen. Das bedeutet, dass 466 000 Menschen in Öster­reich leben, die auf irgendeine Art und Weise Hilfe brauchen, um ihren Alltag bewältigen zu können. Das ist ein Bedarf, der natürlich steigen wird, das wird nicht weniger werden. Gleichzeitig haben wir knapp unter einer Million Menschen, die ihre (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihre Angehörigen!) Angehörigen zu Hause pflegen, betreuen und sich liebevoll um sie kümmern.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie wissen das selber sicherlich aus Ihrem Umfeld, aus Gesprächen, und das sagen eigentlich alle Studien und Umfragen: Was ist denn der größte Wunsch eines älter werdenden Menschen? – So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben und nach Möglichkeit auch zu Hause betreut und gepflegt zu werden, in der eigenen gewohnten Umgebung. Und da gibt es schon viel, was vor allem die Länder da auf den Weg gebracht haben, da starten wir Gott sei Dank nicht bei null. Warum ist das so? – Weil – und das wissen Sie, denke ich – die Zustän­digkeit für Sachleistungen in der Pflege ja schon sehr lange bei uns Bundesländern liegt und die Länder eben, wie ich schon erwähnt habe, da schon tolle, innovative Projekte auf den Weg gebracht haben.

Ich habe ein Beispiel aus meinem eigenen Bundesland mitgebracht, aus der Steiermark, ein Beispiel, auf das wir zu Recht stolz sein können, nämlich die sogenannte Pflege­drehscheibe. Das ist eine ganz wunderbare Einrichtung, in der Expertinnen und Experten in jeder Bezirkshauptmannschaft des Landes jeden Tag zugegen sind, um betroffene Angehörige zu beraten – in Fragen der Pflege, beim Ausfüllen von Formularen, bei der Bewältigung des Alltags.

Das ist eine wirklich großartige Einrichtung, und erst jetzt hat unsere Gesundheits­landes­rätin verkündet, dass da weiter Personal aufgestockt werden soll, weil der Bedarf eben so groß ist. Mit der Änderung dieses Bundespflegegeldgesetzes, die wir heute be­schließen wollen, schaffen wir eine weitere Möglichkeit für solch innovative Projekte.

Kollegin Hauschildt-Buschberger hat es bereits erwähnt: Die Communitynurses können, werden und sollen genau so etwas sein, nämlich keine Konkurrenz zu bestehenden Modellen, sondern eine sinnvolle Erweiterung und Ergänzung zur bedarfsorientierten, wohnortnahen und niederschwelligen Versorgung. Das ist schon einiges an Geld: Wir reden da immerhin von 54 Millionen Euro aus EU-Mitteln, die jetzt in einer ersten Stufe zur Verfügung gestellt werden sollen, damit dieses Pilotprojekt im Herbst flächen­deckend in ganz Österreich starten kann.

Diese Communitynurses sollen in erster Linie Ansprechpartner sein, der erste Ansprech­partner, wenn es um Fragen der Versorgung geht. Sie sollen eine Koordinierungsfunk­tion wahrnehmen, sie sollen abwägen und einschätzen: Welcher Bedarf ist denn ge­geben? Welche Form der Versorgung ist denn für die Jeweilige oder den Jeweiligen die richtige?

Noch eine Aufgabe, wie ich finde, sollten Communitynurses vermehrt wahrnehmen – Sie alle kennen den Spruch: Vorbeugen ist besser als heulen und heilen! –, nämlich die Prävention. Da müssen wir massiv ansetzen und da müssen wir Maßnahmen setzen,


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 184

um zu mehr gesunden Lebensjahren zu kommen, um die schwere Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich hinauszuschieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir starten jetzt eine Vielzahl an Schritten innerhalb einer großen Pflegereform (Bundesrätin Schumann: Na!), und ich danke dem Bundes­minister für Gesundheit, ich danke der gesamten Bundesregierung, dass dieses wichtige Thema angepackt wird und dass wir uns hier auf den Weg begeben, diese, wie ich es eingangs erwähnt habe, dringliche Frage zu lösen; denn ich darf Ihnen eines sagen: Das ist nicht nur eine Notwendigkeit, das ist – das ist meine tiefe Überzeugung – vor allem eine gesellschaftliche und politische Pflicht. Ich bin der Überzeugung, dass wir es ge­meinsam – Bund, Länder, Kommunen – schaffen werden, diese wichtige Frage betref­fend die Versorgung der älteren Bevölkerung zu lösen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.23


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


20.23.27

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bild­schirmen! Der Schritt, die Communitynurses einzuführen, ist ein wichtiger und ein sehr positiver Schritt. Trotzdem würde ich davor warnen, diese Communitynurses von Beginn an zu überfordern. Das ist jetzt ein Pilotprojekt, und ich hoffe sehr, dass es da nicht zu Verschiebungen kommt, die dieses gute Projekt und diese tolle Idee der Community­nurses scheitern lassen.

Wenn man davon ausgeht, dass die Communitynurses 2 000 bis 3 000 Personen betreuen sollen, dann sollen sie beraten, dann sollen sie, wie Kollege Kornhäusl gesagt hat, noch ein bisschen Prävention machen, dann sollen sie die Angehörigen beraten und dann sollen sie noch bei den zu Pflegenden und zu Betreuenden nachschauen – das wird ein bisschen viel werden. Also ich glaube, es wäre wichtig, den Kreis ihrer Tätig­keiten möglichst einzuschränken, um sie auch erfolgreich arbeiten lassen zu können.

Es muss einem klar sein: Das müssen ausgebildete Pflegekräfte sein, die dann aber an anderer Stelle wieder fehlen werden, denn wenn wir etwas haben, dann ist es ein Notstand bei den Pflegekräften. Das heißt, man muss da wirklich sehr austariert schauen, wie man dieses Projekt – noch einmal gesagt, ein sehr positives und ein sehr gutes Projekt – möglichst auch so auf die Beine stellt, dass es gut angenommen wird und dass es in der Breite getragen wird, denn wenn wir in Zukunft ein Problem haben, dann ist es die Pflege. Ich sehe keine Pflegereform, die jetzt wirklich greifen würde, ich sehe nur Baustellen über Baustellen in allen Richtungen.

Die Pflege ist einer der schwierigsten Bereiche und auch einer der höchst belastenden für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Pflege wird von allen gebraucht, wird aber nicht großartig geschätzt. Wir wissen, dass es so viele Bereiche gibt, an denen da zu arbeiten ist. Es ist die Frage, wie es eigentlich den Menschen geht, die gepflegt und betreut werden sollen, die älter werden und die würdevoll älter werden wollen, wie es den Angehörigen geht, die oft plötzlich von einem Pflegefall sozusagen betroffen werden und gar nicht wissen: Was mache ich denn jetzt? Die älteren Personen werden aus dem Spital entlassen, das muss alles ganz schnell gehen: Wie richte ich das ein?

Wir haben auf der anderen Seite die Problematik der Beschäftigten in der Pflege, das ist eine ganz, ganz große Problematik. Uns fehlen in Zukunft 80 000 Beschäftigte in der Pflege, und wenn wir jetzt noch lange warten, wird es nichts werden. Man muss jetzt


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 185

beginnen, diese auszubilden, sie gut bezahlen, gute Arbeitsbedingungen für sie schaffen und einen attraktiven Beruf daraus machen, denn die Pflege oder die Betreuung ist ja kein leichtes Geschäft, sondern ein sehr, sehr schwieriges. Man hat es mit ver­schie­denen Umständen zu tun, man hat es mit Fällen von Demenz zu tun. All das ist nicht einfach zu handeln, und da braucht man eine gute Ausbildung, da braucht man Be­dingungen, unter denen gesagt wird: Ich möchte in den Job gehen und ich möchte in dem Job bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Ausbildung ist grundlegend zu sagen: Wenn ich Menschen in diesen Beruf ent­wickeln möchte, gerade aufgrund der Arbeitslosigkeit, dann muss ich schauen: Welche Bedingungen habe ich da für diese Menschen, sind sie geeignet? Und dann: Können sie sich eine längere Ausbildung auch leisten? Da ist es ganz, ganz wichtig, einen Bonus zu geben oder eine Pflegestiftung zu haben, denn mit dem Arbeitslosengeld allein werden sie sich eine längere Ausbildung nicht leisten können. Sie müssen auch die Sicherheit haben, dass sie danach einen Job kriegen können, auch das ist ganz, ganz wesentlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie gesagt, die Pflege ist nichts Einfaches, und wir wissen jetzt aus den Befragungen auch, dass sich über 40 Prozent der Beschäftigten in der Pflege und Betreuung nicht vor­stellen können, bis zum Regelpensionsalter darin zu arbeiten – und das ist schon sehr bedrückend. Das heißt, da stimmt etwas nicht, und das ist nicht allein die Bezah­lung. Es ist die Wertschätzung, es ist die Überfrachtung mit Verwaltungsaufgaben und es ist natürlich auch die Frage der Arbeitszeit. Dieser Job ist nicht leicht, er ist körperlich anstrengend und er ist psychisch anstrengend, und da muss man wirklich an vielen Schrauben drehen.

Eine weitere Schraube, die natürlich ganz, ganz wichtig ist, ist die Frage der Finan­zie­rung der Pflege. Die Pflege muss dauerhaft finanziert und so abgesichert werden, dass Pflege nicht zum Kostenfaktor für Familien wird, denn wenn ich nicht viel Geld habe und mir dann keine gute Pflege für meine Angehörigen oder für mich selber leisten kann, na bitte, das kann ja wirklich in Österreich nicht der Fall sein! Das wollen wir auf keinen Fall, so kann man mit den Menschen nicht umgehen.

Kollegin Hauschildt-Buschberger hat es schon richtig gesagt: Wir gehen da auf eine Alterskurve zu, die ja nicht ohne ist. 2055 wird der Anteil der Personen über 80 Jahre bei 11,8 Prozent liegen – das ist ja nicht nichts. Wir alle, die wir hier sind, und unsere Ange­hörigen wollen gut betreut und gepflegt sein.

Ich darf schon erwähnen: Das ist ja, auch wenn man zu Hause gepflegt wird wie jetzt 80 Prozent aller Menschen, meistens eine weibliche Tätigkeit. Pflege ist weiblich. Pflege ist weiblich von den Angehörigen her und Pflege ist weiblich von den Beschäftigten her. Das heißt, ich muss schon schauen: Welche Gruppe habe ich da und wie bezahle ich diese Tätigkeit? Das ist eine Frage der Wertigkeit von Arbeit. Auch da muss man auf die Frauen schauen, da bin ich mir ganz, ganz sicher. (Beifall bei der SPÖ.)

Also es braucht eine Pflegeoffensive, es braucht eine ordentliche Finanzierung, es braucht für die Angehörigen die Sicherheit, dass sie mit ihrem Pflegeproblem nicht allein­gelassen werden. Ich freue mich sehr, wenn die Arbeit der Communitynurses greift, keine Frage, aber mit 150 Communitynurses werden wir das Kraut nicht fett machen. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist nur ein erster Schritt!) – Ja, eh, das ist ein erster Schritt, aber passen wir auf, dass der erste Schritt nicht danebengeht, denn dann kann der zweite nicht folgen! (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Das Ganze braucht eine gute Vorbereitung, ein gutes Konzept, damit wir es schön in Schwung bringen können. Wir als Sozialdemokratie sind wirklich ganz begeistert davon. Machen wir es gut, machen wir es gescheit und dann hat es wirklich einen Sinn! So sollte man mit der Sache umgehen. Ich hoffe, dass die Pflegereform nicht nur eine Ankündigung


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 186

ist, sondern dass da jetzt etwas passiert, denn sonst haben wir in Zukunft ein unglaub­liches Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf jetzt noch ein kurzes Nachwort an Herrn Bundesrat Gross richten. Schauen Sie, Herr Bundesrat Gross, bleiben Sie kommod! Also ganz ehrlich: Wir haben beim Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz mitgestimmt, wir haben auch die Erneuerung in der Klimafrage mitgetragen, und dann greifen Sie uns als Sozialdemokratie so derartig an. Das ist nicht gescheit und das ist nicht die Art, wie man miteinander umgeht. Bleiben wir fair zueinander, bleiben Sie kommod! Wir alle wollen das Beste und wollen, dass die Dinge weitergehen. (Beifall bei der SPÖ.) So soll es auf jeden Fall sein. Achtung voreinander – ich glaube, das ist der Weg, wie wir es machen sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr das Wort.


20.30.39

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Tagesordnungspunkt behandeln wir heute ein paar Themen aus dem Sozialbereich, dem Pflegebereich und auch die pande­mie­bedingte Armut.

Laut Statistik Austria bezogen im Jahr 2020 durchschnittlich 467 136 Personen Pflege­geld, heuer schaut es nicht viel besser aus. Das bedeutet, dass rund 470 000 Menschen in Österreich Hilfe bei der Bewältigung des Alltags benötigen. Wer immer geglaubt hat, dass nur das Älterwerden mit Pflege verbunden ist: Das stimmt nicht ganz. Jeden von uns, jeden Einzelnen von uns kann es von einem Moment auf den anderen erwischen – mit einem Schlaganfall, mit einem Unfall, mit einem sonstigen anderen Schicksalsschlag, den wir erleiden müssen – und wir sind auf Hilfe angewiesen. Den Großteil dieser Pflege – das haben wir ja heute schon gehört – übernehmen Angehörige, die in einer akuten Situ­ation oft selbst überfordert sind und nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Aus diesem Grund soll eine zentrale Anlaufstelle mit den Communitynurses, auf Deutsch den Gemeindeschwestern, beschlossen werden.

Herr Minister, es ist sowohl das Wort Communitynurses als auch das Wort Gemein­de­schwestern fürchterlich, wirklich fürchterlich. Kollege Kornhäusl hat es vorhin schon gesagt – ich habe es auch schon von Kollegen Lackner im Ausschuss gehört, also von den beiden steirischen Kollegen –, dort gibt es die Pflegedrehscheibe. Schauen Sie, dass Sie irgendwie einen neutralen Begriff dafür finden, aber Communitynurse ist schrecklich und Gemeindeschwester will ich schon gleich gar nicht sagen müssen, auch wenn es Deutsch wäre!

Diese Gemeindeschwestern sollen also in Zukunft auf regionaler Ebene die zentrale Anlauf­stelle für Pflegefragen sein. Wir werden dem heute die Zustimmung geben, wenn­gleich ich nicht hundertprozentig davon überzeugt bin, weil es eben nicht das Gelbe vom Ei, kein großer Wurf und eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wir haben ja auch schon gehört, dass als Pilotprojekt 150 Gemeindeschwestern installiert werden sollten. Wie das funktionieren sollte, kann mir kein Mensch erklären, auch im Ausschuss nicht. Wir ha­ben 2 100 Gemeinden in Österreich. Welche Gemeinden werden jetzt mit diesen 150 Ge­­meindeschwestern versorgt? Wie ist da der Schlüssel? Das konnte mir keiner erklären.

Des Weiteren gibt es ja jetzt schon in jedem Bundesland – ich habe es mir angeschaut: in jedem Bundesland – geeignete Anlaufstellen und Informationsstellen, und das flächen­deckend österreichweit. Auch Ihr Ressort bietet mit dem Sozialministeriumservice wirklich


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 187

gute Informationen und Broschüren an. Es wird mit diesem Projekt ein neuer zusätzlicher Verwaltungsapparat aufgebaut, aber es wäre viel wichtiger, Maßnahmen zu setzen, damit wir mehr Pflegepersonal rekrutieren könnten. Wir brauchen mehr Pflegekräfte und weniger Verwaltungskräfte in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wäre dringend notwendig, die mobile Pflege, die Tagesbetreuung auszubauen. Der Großteil der älteren Generation wünscht sich nichts sehnlicher und inständiger, als so lange wie möglich zu Hause zu leben. Viele haben oft einmal das Glück, dass sie sogar bis zu ihrem Tod zu Hause gepflegt werden können, so wie wir es bei meiner Mutter gemacht haben. Kollegin Hauschildt-Buschberger hat gemeint, ab einer gewissen Pflege­stufe geht es nicht mehr. Mit ein bisschen einem Willen und einer 24-Stunden-Pflege gemeinsam geht es. Man darf sich halt nicht zu gut sein, selbst Windeln zu wechseln, selbst die Magensonde anzusetzen, selbst den Harnkatheter zu setzen, selbst – sagen wir einmal – bei der Pflege mitzuhelfen.

Herr Minister, worauf ich Ihnen auch einmal empfehlen würde, ein Auge zu werfen, ist die 24-Stunden-Pflege. Kein Mensch kann 24 Stunden, sieben Tage die Woche durch­arbeiten. Wir haben gestern von der Sozialdemokratie Kritik wegen der Arbeitszeitflexi­bilisierung gehört. Da arbeiten die Leute 12 Stunden mit einer Viertagewoche, was ich ja gut finde, und beim Pflegepersonal, bei der 24-Stunden-Pflege lässt man Menschen wirklich 24 Stunden, sieben Tage die Woche durcharbeiten.

Bei uns im Haushalt – ich hatte den Vorteil, dass meine Mutter bei uns im Haus war – haben wir uns nach 12 Stunden abgewechselt. Wie schaut das bei den Familien aus, in denen die Pfleger mit den Pflegenden 24 Stunden lang alleine sind? – und ich spreche nicht von einer Betreuungskraft, sondern tatsächlich von einer Pflegekraft, die tatsächlich einen Menschen pflegen und nicht Händchen halten und spazieren gehen muss. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Genau diese Pflegekräfte, die Wundpflege machen, Infusionen anhängen, mit Magen­sonden und mit den Harnsackerln umgehen können, brauchen wir eben. Herr Minister, wir Freiheitliche und auch die anderen beiden Oppositionsparteien haben wirklich viele Anträge eingebracht und es ist alles abgelehnt oder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden. Da, das muss ich schon sagen, ist diese schwarz-grüne Bundes­regierung wirklich beratungsresistent. Wir stimmen ja auch Regierungssachen zu, ob­wohl wir mit dieser Regierung nicht einverstanden sind. Wieso funktioniert das vice versa nicht auch so, wenn die Opposition einmal einen guten Vorschlag bringt, dass die schwarz-grüne Regierung endlich einmal von ihrem hohen Ross heruntersteigt und vielleicht gute Ideen einer Oppositionspartei mit aufnimmt? (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Es wäre Ihre Aufgabe, endlich damit anzufangen, sagen wir, auch an die Zukunft zu denken. Es wäre einfach einmal angebracht, dass man dem Pflegepersonal mehr Wert­schätzung entgegenbringt. Ich denke da an eine bessere Entlohnung, ich denke da an den Coronatausender, ich denke daran, dass sich die Arbeitsbedingungen für die Men­schen im Gesundheits- und Pflegebereich verbessern müssen.

Herr Minister, Sie müssen endlich dafür Sorge tragen und aktiv werden, damit zum einen das Pflegepersonal den entsprechenden Respekt erhält und zum anderen der Pflege­beruf auch attraktiver gestaltet wird. Außerdem muss jetzt schon – wir haben Juli – mit einer Pflege- und Kapazitätsplanung begonnen werden, die uns im Herbst und im Winter die entsprechende Sicherheit geben kann.

Wir haben ja den Medien entnommen, dass Sie schon wieder irgendwelche Verschär­fungen – unsinnige Verschärfungen – vom Zaun brechen wollen. Sie wollen wieder ein­mal die Gastro, wieder einmal die Wirtschaft treffen. Warum schon wieder die Gastro­nomie mit einer Impfpflicht belegen? Warum schon wieder die Wirtschaft in diesem Land


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 188

schädigen? Warum schon wieder die Menschen vielleicht in Arbeitslosigkeit stürzen? Das ist ein Angriff auf die Wirtschaft. Es wird immer wieder Mutationen geben – und da können Sie Impfstoffe entwickeln, so viele Sie wollen –, wir werden wirklich schön lang­sam irgendwann einmal anfangen müssen, dass wir das zur Kenntnis nehmen, Vorsor­gemaßnahmen treffen – aber das ist zu weit gegangen.

Im Oktober – bevor die Gastro im November geschlossen worden ist – hat die Ages noch gesagt, dass nur 2 Prozent Clusterbildungen in der Gastro waren. Unnotwendigerweise ist die Gastro dann im November geschlossen worden. Ich finde, es ist unnotwendig, dass man jetzt wieder die Gastronomie, die Nachtgastronomie belastet. (Beifall bei der FPÖ.)

Was die pandemiebedingte Armut betrifft, muss ich sagen: Wir haben 1,5 Millionen Men­schen in Österreich, die von Armut bedroht sind. Das angedachte Programm gegen De­logierungen, welches coronabedingte Mietrückstände oder drohende Delogierungen ab­wen­den sollte, ist das Mindeste, was diese schwarz-grüne Regierung den Menschen zurückgeben kann. Experten rechnen heuer und zeitverzögert vor allem in den Jah­ren 2022 und 2023 mit einem starken Anstieg von Delogierungen und Räumungsklagen. Eigentlich wäre es schon lange an der Zeit, dass sich diese schwarz-grüne Bundes­regie­rung endlich einmal bei den Menschen dafür entschuldigt, was sie ihnen angetan hat. (Beifall bei der FPÖ.)

38 Prozent der Haushalte in Österreich haben finanzielle Einbußen, 17 Prozent können nicht einmal mehr ihre Fixkosten abdecken. Durch das Homeschooling sind mehr Kosten entstanden, die zu begleichen waren – mit weniger Geld für die Familie. Mit den Einmal­hilfen, die ausgeschüttet wurden, konnte keine nachhaltige Hilfe geleistet werden, son­dern sie waren ein Tropfen auf den heißen Stein und die Menschen wurden mit Almosen abgespeist.

Die Auswirkungen der Covid-Krise betreffen mittlerweile alle Gesellschaftsschichten – alle – und die Betroffenen sind verzweifelt. Bereits im letzten Sommer habe ich es hier im Plenum gesagt und davor gewarnt, dass bittere Armut auf die Menschen zukommen kann. Es haben auch viele Sozialorganisationen davor gewarnt, dass die Menschen in die Armut getrieben werden. Jetzt haben wir die ersten traurigen Ergebnisse. Für das Programm gegen Delogierungen geben Sie 24 Millionen Euro aus, aber für Werbung und PR, Marketing gibt diese schwarz-grüne Regierung 210 Millionen Euro aus. In was für einer Relation steht denn das?! Die Menschen haben Angst, dass sie ihr Dach über dem Kopf verlieren, und die schwarz-grünen Politiker stehen wieder einmal in der Zei­tung und auf Werbeplakaten – für 210 Millionen Euro! (Beifall bei der FPÖ.)

Das passt nicht zusammen und es ist eine echte Farce, dass viele Familien durch diese Bundesregierung sozusagen an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belast­barkeit gedrängt wurden.

Herr Minister, ich kann Sie nur nochmals ersuchen und auffordern: Nehmen Sie sich bitte meine Worte und auch die zahlreichen sinnvollen Vorschläge der Opposition zu Herzen! Finger weg, bitte, von weiteren Maßnahmen! Geben Sie den Menschen endlich wieder ihr Leben zurück! – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

20.41


Vizepräsident Günther Novak: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


20.41.38

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Ich möchte zum


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 189

Tagesordnungspunkt 21 Folgendes sagen: Durch die Änderung des Bundespflegegeld­gesetzes soll eine Grundlage geschaffen werden, um neue, innovative Projekte von Ge­bietskörperschaften im Bereich der Pflegevorsorge zu fördern.

Darunter fällt die Etablierung der Communitynurse in Österreich. Dieses Projekt soll einen wesentlichen Beitrag zur wohnortnahen, niederschwelligen und auch bedarfs­orien­tierten Versorgung leisten. Communitynurses sind zentrale Ansprechpersonen zur Koordination und zur Vermittlung. Das sind keine Pflegekräfte, die Wunden pflegen oder Medikamente einschachteln, es geht also um Koordination und Vermittlung von Informationen über Angebote zur Pflege und zur Betreuung. Sie übernehmen aktiv das Nahtstellenmanagement zwischen dem Sozialbereich und dem Gesundheitsbereich. Zum Beispiel durch proaktive Hausbesuche für Menschen ab 75 Jahren, aber auch durch Sprechstunden sollen gesundheitliche Risikofaktoren frühzeitig erkannt und die Gesundheitsprävention gestärkt werden.

Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass alle 75-Jährigen zu Hause einmal aufgesucht und gescreent werden, dass man nachschaut, wo ein Bedarf besteht, wo ein Bedarf nach Essen auf Rädern besteht, wo es Unterstützungsmöglichkeiten gibt. Ziel ist, dass man nicht nur möglichst viele gesunde Lebensjahre zu Hause ermöglicht, sondern eben auch die Menschen möglichst lange zu Hause belässt, weil das der Wunsch von vielen älter werdenden Menschen ist.

Ebenso soll Beratung zu individuellen Bedürfnissen stattfinden. Die Communitynurses sind Diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen mit zumindest zweijähriger Berufserfahrung. Wir wollen bundesweit mit 150 Communitynurses starten. Wir haben im Rahmen des nationalen Aufbau- und Resilienzplans bei der Europäischen Union darum angesucht und haben knapp 55 Millionen Euro für die Finanzierung dieses Pilot­projekts bekommen. Die Laufzeit für die Abwicklung erstreckt sich zwischen 2021 und 2024. Durch dieses Projekt können österreichweit notwendige Veränderungspotenziale identifiziert und durch abschließende Evaluierung zur Weiterentwicklung der Versor­gungs­landschaft genutzt werden. Ich freue mich, wenn dieses Projekt bereits ab Herbst Schritt für Schritt in Österreich umgesetzt werden kann.

Zum Tagesordnungspunkt 23 möchte ich Folgendes sagen: Obdachlosigkeit ist eine der schlimmsten Formen von Armut in Österreich, denn Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Ich habe das auch während meines Engagements beim Neunerhaus und auch beim Ganslwirt gesehen: Obdachlosigkeit macht krank. Wir alle wissen, dass Obdachlose um bis zu 20 Jahre früher sterben.

Expertinnen und Experten prognostizieren, dass die Anzahl von Räumungsklagen und Delogierungen infolge der Covid-Krise durch sinkende Einkommen kombiniert mit steigenden Miet- und Wohnungspreisen stark anwachsen wird. Es hat im Rahmen der Covid-Krise Mietstundungen gegeben. Es ist zu einem Rückstau von Räumungsklagen und Delogierungen gekommen. Wir wissen, dass ohne Gegenmaßnahmen in den nächs­ten Monaten, aber auch 2022 und 2023 eine Delogierungswelle bevorstehen würde.

Das heißt, wir haben in einem ersten Schritt 24 Millionen Euro für Soforthilfe und Bera­tungsleistungen für die Delogierungsprävention zur Verfügung gestellt. Damit kann ein wesentlicher Beitrag zum Ausbau der Delogierungsprävention geleistet werden. Wir unterstützen damit notwendige Soforthilfe für die Betroffenen, zum Beispiel durch die Übernahme von Mietrückständen, aber auch Gerichtskosten und Beratungsleistungen.

Wir wissen, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten für Prävention deutlich geringer sind als die Kosten für Delogierungen und Wohnungslosigkeit. Mit diesem 24-Millionen-Euro-Paket ersparen wir nicht nur den Betroffenen viel persönliches Leid und hohe Kosten im Zusammenhang mit Delogierungen, wie Klagen und Räumungen, sondern


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 190

auch die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten von Obdachlosigkeit. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

20.46


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lancaster. Ich erteile ihr das Wort.


20.46.39

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte ZuseherInnen via Livestream! Ich werde zu Top 22, zum Freiwilligengesetz sprechen.

Österreich ist das Land der Freiwilligen mit langer Tradition, und das europaweit. Die Freiwilligenarbeit in unseren Gemeinden ist der Kitt, der den Zusammenhalt schafft, die Kraft, die auch die unzureichende Finanzierung von strukturschwachen Kommunen auf­fängt. Die Funktionäre der Musikvereine, der Theatervereine, der Sportvereine, aber auch der Elternvereine übernehmen Verantwortung und leisten viel Arbeit in der Freizeit, um für die Gemeinschaft ein Angebot vor Ort zu schaffen.

Die Freiwilligen der Feuerwehren übernehmen für uns Gemeinden den örtlichen Brand- und Gefahrenschutz. Das Feuerwehrwesen besteht nicht nur aus Einsätzen, Übungen, Bewerben und Jugendarbeit alleine, es gehören auch die weichen Faktoren zum Gelin­gen einer örtlichen freiwilligen Feuerwehr dazu. Ausflüge, Feuerwehrfeste, Jugendlager und Weihnachtsfeiern sind ein wichtiger Bestandteil des Miteinanders in den Feuer­wehren. Wir Gemeinden sind dazu da, die Einsatzbereitschaft zu leisten und zu sichern. Für die weichen Faktoren müssen sich die freiwilligen Feuerwehren die Finanzmittel selbst organisieren.

Ein Wermutstropfen war jedoch das Vergessen der freiwilligen Feuerwehren beim nationalen Impfplan. Da passen Worte und Slogans nicht zusammen. Wertschätzung zeigt sich durch Taten und nicht durch ein Facebook-Banner. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Covid-Pandemie hat uns auch vor Augen geführt, wie bedeutend die Freiwilligen­arbeit in unserem Land bei der Bewältigung einer Krise ist. Hätten die vielen Freiwilligen in unseren Gemeinden nicht kräftig angepackt, wären viele der in den Medien von der Regierung groß angekündigten Maßnahmen zur Covid-Bekämpfung einfach nicht um­setz­bar gewesen. Ich denke da wieder besonders an die freiwilligen Feuerwehren und die Rettungsorganisationen, aber auch an Jugendorganisationen, die die Versorgung mit Lebensmitteln für Menschen mit eingeschränkter Mobilität während der Pandemie übernommen haben. An alle freiwillig Tätigen: Ich bedanke mich für euren Einsatz! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Das Jahr des Ehrenamtes ist eine gute Gelegenheit, um die Rahmenbedingungen für die Freiwilligen zu verbessern. Die Sozialdemokratie unterstützt den vorliegenden An­trag zur befristeten Änderung des Auslandsfreiwilligendienstes. Die Jugendlichen erhal­ten mehr Planbarkeit, sie haben mehr Sicherheit, wenn zum Beispiel Elementar­ereig­nisse passieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nützen wir das Jahr des Ehrenamts, um gemeinsam die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Freiwilligen zu verbessern! – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

20.50


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 191

20.50.17

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen! Selbstverständlich, Herr Minister, unterstützen wir das aktuelle Gesetzesvorhaben – ich beziehe mich auf das betreffend Armutsbekämpfung. Es geht bei diesem darum, wie Sie schon ausgeführt haben, 24 Millionen Euro für die Vermeidung von Delogierungen und damit von Wohnungslosigkeit bereitzustellen.

Seit Beginn der Pandemie machen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen darauf aufmerksam, dass Kurzarbeit über Monate hinweg zu Einkommensverlusten führt und dass der Verlust des Arbeitsplatzes von einem Tag auf den anderen auch Existenz­bedrohung bedeutet, vor allem wenn man oft unverschuldet mit der Hälfte des bisherigen Einkommens auskommen muss. In diesem Zusammenhang fordere ich erneut die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des vorherigen Gehalts. (Beifall bei der SPÖ.)

Und ja, in so einer Situation steht dann auch die Wohnung oder das Eigenheim auf dem Spiel, wenn dann die Stundungen, die es zum Glück gegeben hat, das heißt das Aus­setzen dieser Forderungen, auslaufen und die Forderungen irgendwann schlagend wer­den. Das war ja vorhersehbar. Von Anfang an habe ich mich gefragt, wo am Ende der Pandemie plötzlich so viel Geld da sein soll, um die gestundeten Forderungen erfüllen zu können. Das ist eben das Verflixte an diesen Stundungen, dass es dann doch irgend­wann aus ist und die Forderungen schlagend werden. Jedenfalls werden jetzt viele, viele Menschen, die sich bisher vielleicht niemals vorstellen konnten, dass ihnen das pas­sieren wird, darauf angewiesen sein, dass man sie in dieser Situation unterstützt.

Apropos Unterstützung: Heute haben wir in den Nachrichten gehört, dass 160 000 Fa­milien in Österreich beim Familienhärtefonds um eine Unterstützung angesucht haben, aber davon – das muss man sich vorstellen! – 40 000 Anträge abgelehnt und zusätzlich 18 000 Anträge nicht abgeschlossen wurden. Das ist eine enorme Zahl und bereitet mir schon sehr großes Kopfzerbrechen, dass doch so viele Menschen nichts bekommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht nur eine Mildtätigkeit, dass der Staat bei drohender Delogierung einspringt, es ist im Gesamtinteresse der Gesellschaft – das haben Sie, Herr Minister, auch gerade gesagt –, denn was Wohnungslosigkeit mit Menschen macht, ist katastrophal. Es hat verheerende gesundheitliche, psychische und soziale Folgen, und das wirkt sich meis­tens – auch da schließe ich mich an – auch auf die Lebensdauer aus.

Die Bawo, das ist die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, hat ja bereits so einen Härtefallfonds zur Wohnungssicherung gefordert. Sie fordert aber auch, dass unbefristete Mietverhältnisse wieder die Regel werden müssen und dass man auch dauerhaft die Miethöhe begrenzt. Ein neues Mietrecht fordern wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen seit vielen Jahren, weil langfristig ein Handlungsbedarf besteht. Diese Bawo, diese Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Herr Minister, for­dert auch, dass die Mindestsicherung, die Sozialhilfe, auf ein armutsfestes Niveau ange­hoben wird, und auch das fordern wir schon lange. In dem Fall fordern wir gemeinsam mit den NEOS und übrigens auch mit den neun Soziallandesreferenten und –referen­tinnen eine Evaluierung dieses Systems und auch eine Behebung der Schwächen durch eine Reform dieser Sozialhilfegesetzgebung. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang bringe ich daher folgenden Antrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 192

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Sozialhilfe-Grundsatzgesetz reparieren, Armut wirksam be­kämpfen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend mit den Ländern in Verhandlungen einzutreten mit dem Ziel, dass dem Nationalrat und dem Bundesrat bis längstens 30. Juni 2022 ein Gesetz vorgelegt wird, mit dem die Sozialhilfe wieder als armutsvermeidende und -bekämpfende Leistung verankert wird. Festzulegen ist unter anderem eine Mindestleistung, die allen Bezieher*innen ein Leben ohne Armuts­gefähr­dung sichert. Insbesondere bedarf es in der Sozialhilfe einer Kindergrundsicherung, damit alle Kinder in unserem Land gleiche Chancen auf eine gute Zukunft erhalten.“

*****

So weit unser Entschließungsantrag.

Herr Minister, ich habe es auch schon bei Ihrem Vorgänger deponiert und auch eine entsprechende Anfrage dazu gestellt: Im Regierungsübereinkommen ist ein nationaler Aktionsplan zur Armutsbekämpfung angekündigt, in dem festgeschrieben wird – was wirklich begrüßenswert ist –, dass Armut um die Hälfte reduziert werden soll. Wir finden, jetzt wäre es höchste Zeit, das zu tun, das wahr zu machen. Wir fragen uns, worauf gewartet wird. Dieser Aktionsplan ist längst überfällig. Die Zivilgesellschaft wie beispiels­weise die Volkshilfe springen ein und erarbeiten wirksame Modelle zur Kindergrund­siche­rung und damit zur Armutsbeseitigung. Wir als SozialdemokratInnen finden aber, dass das schon eine staatliche Anstrengung sein muss und nicht auf die Zivilgesellschaft abgewälzt werden darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Hoffnung habe ich (Bundesrat Steiner: Redet und redet und redet!), nämlich auf­grund der kürzlich beschlossenen Europäischen Kindergarantie, denn diese verpflichtet die Nationalstaaten, binnen neun Monaten solche nationalen Aktionspläne vorzulegen. Da hoffe ich wirklich, dass das auch in Österreich einen Turbo in Sachen Bekämpfung der Armut, nämlich der nachhaltigen Bekämpfung von Armut, bringen wird, denn – das ist meine tiefste Überzeugung –: Armut ist kein bemitleidenswerter Zustand, Armut ist eine politische Entscheidung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.57

20.57.50


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Der von den Bundesräten Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sozialhilfe-Grund­satz­gesetz reparieren, Armut wirksam bekämpfen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 193

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Gesetz-Armut geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Sozialhilfe-Grund­satzgesetz reparieren, Armut wirksam bekämpfen!“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Vorsitz und Schriftführung  werden von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

21.00.5924. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wer­den (1780/A und 1008 d.B. sowie 10717/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1009 d.B. sowie 10688/BR d.B. und 10718/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 24 und 25, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-BuschbergerIch bitte um die Berichte.


21.01.42

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 194

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Weiters bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. Das war mein letzter Bericht vor der Sommerpause.


Vizepräsident Günther Novak: Ja, dann danken wir dafür. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zur einer ersten Stellungnahme hat sich Bundesminister Wolfgang Mückstein zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


21.02.45

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Ich darf zu TOP 24 kurz Stellung nehmen. Zusammengefasst dient die Novelle der notwendigen Erleichterung des Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr für Genesene, die nur eine Impfung haben. Derzeit ist es nicht möglich, dass Genesene, die nur eine Impfung erhalten haben, ein EU-konformes Impfzertifikat mit einer Gültigkeit von neun Monaten bekommen. Dafür fehlt die Möglichkeit, Daten von Genesenen mit den Daten von Impfungen zu verschneiden und damit den betroffenen Personen ein passendes Impf­zertifikat für den grünen Pass auszustellen. Sie bekommen also derzeit in Österreich nur ein Zertifikat mit einer Gültigkeit von drei Monaten. Das ist nicht nur innerhalb von Österreich problematisch, sondern auch für Reisen in das EU-Ausland, da viele EU-Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang unterschiedliche Regelungen haben.

Die Novelle würde aktuell für rund 650 000 Personen, die von dieser Veränderung be­troffen wären, eine deutliche Erleichterung darstellen. Da es sich allerdings, wie wir alle wissen, um besonders sensible Gesundheitsdaten handelt, wurde die datenschonendste und eingriffsschwächste Möglichkeit gewählt, um die technische Umsetzung zu ermög­lichen. Die Speicherung der übermittelten Daten durch die Elga GmbH soll ausdrücklich nicht im zentralen Impfregister erfolgen, womit die Datenminimierung bestmöglich ge­wahrt bleibt.

Die Novelle ermöglicht, dass den Betroffenen Impfzertifikate für den grünen Pass und zum Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr ausgestellt werden. Ich hoffe, dass der Antrag Ihre Zustimmung findet und bedanke mich herzlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.04


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister, für die Stellungnahme.

Zu Wort gemeldet ist Kollege Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm das Wort.


21.04.50

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ja, eigentlich ist es ja wirklich schon fast so; jeder kennt den Spruch: Und täglich grüßt das Murmeltier. Ich wandle ihn ein bisschen


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 195

ab in: Und täglich grüßt die Diskriminierung dieser schwarz-grünen Regierung. Es geht wieder einmal um den grünen Pass, um das Diskriminierungsgesetz grüner Pass und die damit einhergehende 3G-Regel.

Jetzt nütze ich gleich die Chance, Herr Minister, weil Sie noch da sind: Wann ist denn eigentlich Schluss mit dieser 3G-Regel? Jetzt haben wir eine Inzidenz von 17. Bei welcher Inzidenz ist denn Schluss? Bei 14? Bei 13? Bei 12? Bei 1? Bei minus 2? Bei minus 8? Bei minus 15? Das werden Sie wohl wissen, denn wenn diese Regel evidenz­basiert wäre, dann müssten Sie eine Antwort haben – außer, und das vermute ich, Sie machen das ein bisschen larifari aus dem Bauch heraus. (Beifall bei der FPÖ.)

Bis heute habe ich noch nicht gehört, wann diese diskriminierende Regel verschwindet. So lange diese 3G-Regel gilt, werden Bürger, die sich nicht testen lassen können, und Bürger, die sich nicht impfen lassen können, von dieser Regierung mit voller Absicht diskriminiert. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler, Sie sagen jetzt, es kann sich jeder testen lassen. Sie haben keine Ahnung von Medizin, also seien Sie bitte besser ruhig! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Sie aber auch nicht!)

Es kann sich eben nicht jeder testen lassen. Da gibt es sehr viele medizinische Gründe, warum das nicht jeder kann. Wenn man nichts weiß, dann ist man besser ruhig, Frau Eder-Gitschthaler. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Diese Bürger werden halt dann mitsamt ihren Angehörigen komplett aus dem gesell­schaftlichen Leben ausgeschlossen. Wir sind das einzige Land auf der ganzen Welt, das eine derart diskriminierende Regelung aufrechterhält. Dieses 3G-Regime, bald wird es ja dann das 1G-Regime sein, hat kein evidenzbasiertes Fundament. Einzig eine Über­lastung der Spitalsbettenkapazität könnte als Argument dienen, um weiterhin unsere Grund- und Freiheitsrechte einzuschränken. Dies ist jedoch bei Weitem nicht der Fall, Herr Minister. Für uns Freiheitliche steht jedenfalls fest, dass die Freiheit und damit ein­hergehende Selbstverantwortung stets im Mittelpunkt unseres Handelns stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Staat und seine jeweilige Regierung müssen in einer freiheitlichen Gesellschaft Vertrauen in ihre Bürger haben. Was wir hingegen aktuell erleben ist wahrlich staatlich betreutes Leben.

Nun lässt uns Kanzler Kurz aber eines aus der Ferne ausrichten – er ist ja momentan in den USA –, ich darf kurz zitieren, vielleicht haben Sie das überhört, Herr Mückstein: Ich will keine Einschränkungen mehr! – Keiner will mehr solche Einschränkungen, außer Herr Mückstein. Ich habe gerade gelesen, dass jetzt nur noch die Geimpften in die Nachtgastronomie dürfen und alle anderen nicht mehr. Eines kann ich Ihnen sagen, Herr Minister: Ich bin genesen, und ich weiß, wie viele Antikörper ich habe, denn ich muss mich alle 3 Monate diesem Antikörpertest unterziehen, damit ich das weiß. Das müssen die Geimpften nicht. Eines kann ich Ihnen versprechen, Herr Minister: Ich als Genesener werde weiterhin in die Nachtgastronomie gehen. Das kann ich Ihnen versprechen. Da können Sie Gesetze und Verordnungen machen, wie Sie nur wollen. – Mit mir nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn uns Kurz aus den USA ausrichtet: Ich will keine Einschränkungen mehr!, dann kann ich nur sagen: Ja, ich auch nicht! Nur glauben kann ich diesem Herrn Kanzler leider nicht mehr. Nach eineinhalb Jahren Unwahrheiten, um nicht das Wort Lügen zu be­mühen, glaube ich diesem Herrn kein Wort mehr. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 196

Wir machen aber heute mit euch, mit der ÖVP, die Probe aufs Exempel, ob ihr den Worten eures Kanzlers dann auch tatsächlich einmal Taten folgen lasst. Deshalb bringen wir einen Antrag ein, der ganz klar das fordert, was auch euer Kanzler fordert:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Grünem Pass und einer Kinderimpfpflicht“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert vom Zwang zum ‚Grünen Pass‘ zugunsten echter Reisefreiheit abzusehen, wie auch von Maßnahmen, die eine direkte oder indi­rekte Impfpflicht von Kindern und Jugendlichen bedeuten.“

*****

Nun könnt ihr, liebe ÖVP, den Österreichern einmal beweisen, dass hinter dem Ge­schwafel eures Kanzlers (Ruf bei der ÖVP: Hallo! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) auch tatsächlich Taten stehen. Hört endlich auf mit diesem Schwachsinn! Herr Mückstein wird heute in der „ZIB 2“ über die wirklich brutalst gefährliche Deltavariante reden, die uns alle wieder dahinraffen wird, und ihr sitzt heute ganz ohne Masken da. Also mehr Risiko und mehr Heuchelei gehen ja fast nicht. (Beifall bei der FPÖ.) Hört endlich auf mit diesem Schwachsinn! (Bundesrat Bader: Showtime! Showtime!) Österreich will zurück zur ganz normalen Normalität. Werdet endlich auch ihr normal!

Wenn Sie „Showtime“ sagen, Herr Fraktionsvorsitzender Bader: Showtime ist das, was ihr da macht: Masken rauf, Masken runter. Jetzt sitzt ihr ohne Masken da, tuschelt ein bisschen miteinander mit einem Zentimeter Abstand, und dann wird Herr Mückstein im „ZIB 2“-Interview sagen: Die Deltavariante ist gefährlich!, und morgen habt ihr, wenn die Kamera wieder da ist, den Deckel wieder oben. Das ist Showtime. Das hat mit ehrlicher Politik rein gar nichts zu tun. Schämt euch! (Beifall bei der FPÖ.)

21.11


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Nein zum Grünem Pass und einer Kinderimpfpflicht“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


21.11.41

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! „Ich will keine Einschränkungen mehr!“ – Darauf kann ich Kollegen Steiner nur mit den Rolling Stones antworten: „You can’t always get what you want“. (Bundesrat Hübner: Was heißt das auf Deutsch?)

Noch etwas zu Kollegen Steiner: Es ist ja wunderbar, wenn er krank gewesen ist und davon nichts zurückbehalten hat und auch keine Spätfolgen hat. Ein Drittel der rund über 600 000 Covid-Erkrankten wird Spätfolgen haben (Bundesrat Spanring: Geh bitte! Geh bitte!), und deshalb ist das nicht witzig, deshalb macht man darüber auch keine Scherze und deshalb ist es absolut ernst zu nehmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Ein Drittel der Österreicher wird Spätfolgen haben aufgrund eurer Maß­nah­men!)


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 197

In den letzten eineinhalb Jahren der Pandemie haben wir wirklich wesentliche Erkennt­nisse über Covid-19 gewonnen, aber noch nicht die letzten, weil das Virus sich ständig verändert, und deshalb braucht es Anpassung. (Bundesrat Steiner: Ja, aber die gibt es ja nicht mehr!) Bei der Anpassung, die heute vorgenommen wird, geht es einmal in erster Linie darum, dass die Menschen, wie es der Herr Minister auch schon gesagt hat, die bereits erkrankt gewesen sind und durch eine Boosterimpfung sozusagen die volle Immunität bekommen haben, das nun auch in ihrem grünen Pass auf nationaler und internationaler Ebene verzeichnet bekommen. Darum geht es heute: dass man die Daten zusammenführt. Das müssen wir heute beschließen, das ist wichtig.

Die zweite Sache, die heute noch zu beschließen ist, ist natürlich – und das werden wir in Zukunft auch noch brauchen – die Verlängerung der Kostenersatzgewährung für den administrativen Aufwand im Zusammenhang mit den Testungen durch den Bund an die Länder. Das soll vorerst einmal bis Ende September verlängert werden. Wir werden dann eh noch sehen, in welcher Form die Testungen in Zukunft stattzufinden haben, aber dass wir weiter testen müssen, ist jedem von uns klar und das hat gerade die Situ­ation in den letzten Tagen gezeigt.

Das war es eigentlich von meiner Seite. Das war jetzt auch meine letzte Rede vor der Sommerpause. In diesem Sinne noch einmal ein Appell an alle Menschen (Bundesrat Steiner: Bleibt im Keller!), die noch nicht geimpft sind, die vielleicht erst erstgeimpft sind, die bitte auch ihre Zweitimpfung nicht auslassen sollen (Bundesrat Steiner: Am besten, wir begeben uns in den Keller!): Die Impfung ist wichtig, um Herdenimmunität für die Menschen herzustellen, die sich vielleicht nicht testen lassen können und nicht impfen lassen können! Daher: Solidarität in der Gesellschaft ist gefordert. In diesem Sinne: Einen schönen Sommer! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.14


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses.


21.14.26

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Können Sie sich noch erinnern, was Sie heute vor genau einem Jahr gemacht haben? – Zumindest für die Kolleginnen und Kollegen hier herinnen kann ich das beantworten: Wir sind auch damals mit unseren Bundesratsberatungen ins große Finale vor der Sommerpause gegangen. Hinter uns lagen damals sehr heraus­fordernde Monate, wir waren am Beginn eines Sommers, auf den wir uns alle, glaube ich, sehr gefreut haben, und vor uns lag ein Herbst, von dem wir alle nicht so genau gewusst haben, in welche Richtung es dann gehen wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Heute liegt ein Jahr hinter uns, das uns unglaublich viel abverlangt hat, bei dem wir aber, glaube ich – und das möchte ich an dieser Stelle wirklich betonen –, auch sehr stolz auf das sein können, was wir gemeinsam geleistet haben, wir hier herinnen, aber auch alle Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, auch heuer freuen wir uns sehr auf den Sommer. Wir genießen es gerade alle sehr, dass das Leben wieder so richtig los­geht, und wir beobachten sehr genau, wie sich die Infektionszahlen entwickeln, wie sich die Spitalskapazitäten entwickeln, wie sich die Deltavariante entwickelt. (Bundesrat Steiner: Die Obervirologin Zeidler-Beck beobachtet das ganz genau!)

Im Kampf gegen diese Pandemie haben wir aber heute zwei ganz entscheidende Instru­mente, zum einen das Testen, das ganz flächendeckend und niederschwellig in Österreich


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 198

möglich ist, und zum anderen das Impfen, auf das viele von uns gewartet haben, dass die Impfung endlich da ist. Jetzt sind wir so weit, jetzt haben wir ausreichend Impfstoffe im Land. Wir haben auch alle Rahmenbedingungen geschaffen, die Länder haben die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass wir die Impfstoffe, die nach Österreich kommen, ganz rasch verimpfen können.

Mit der vorliegenden Novelle des Zweckzuschussgesetzes und des Epidemiegesetzes schaffen wir heute die Rahmenbedingungen dafür, dass das Testen und das Impfen auch weiterhin so niederschwellig und einfach in Österreich möglich sind, indem wir zum Beispiel die Aufwandsentschädigungen für die Mitarbeit in den Teststraßen, in den Impfstraßen für alle steuerfrei und abgabenfrei machen.

Die finanzielle Entschädigung ist das eine. Das andere ist wirklich der persönliche Ein­satz, den wir alle erlebt haben, wenn wir in solche Teststraßen gegangen sind, als Leute die Ärmel hochgekrempelt haben, angepackt haben, geholfen haben. Bei mir daheim ist das Veranstaltungszentrum, wo normalerweise geheiratet wird, temporär in eine Test­straße umfunktioniert worden. Dort wurden 700 bis 900 Leute innerhalb von wenigen Stunden getestet. Das wurde von unserer Gemeindeärztin angeführt, und ganz viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ehrenamtlich angepackt und mitgeholfen. Ihnen allen, glaube ich, können wir wirklich ein großes Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich möchte an dieses Danke aber auch eine Bitte anschließen, denn die Instrumente, die wir im Kampf gegen diese Pandemie haben, sind nur so wirksam, wie wir sie auch nutzen. Darum ist es auf der einen Seite, glaube ich, ganz wichtig, dass wir weiterhin testen gehen. Auf der anderen Seite sage ich aber auch – und das sage ich jetzt als Vertreterin einer jüngeren Generation, weil wir derzeit sehen, dass über 70 Prozent der Infektionen die unter 35-Jährigen betreffen –: Nützt die Angebote! Informiert euch! Be­sprecht das mit eurem Hausarzt und lasst euch impfen! Ich glaube, dann können wir uns wirklich auf den Sommer freuen, wir können aber auch zuversichtlich in den Herbst schauen (Bundesrat Steiner: Ach so?), und in einem Jahr können wir hoffentlich im Rückblick sagen, dass wir diese Pandemie gemeinsam überwunden haben. (Bundesrat Steiner: Das hast du letztes Jahr auch schon gesagt! Das hast du letztes Jahr auch schon gesagt!)

In diesem Sinne: Einen schönen Sommer! Genießen wir ihn – am besten, glaube ich, in Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

21.18


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm dieses.


21.18.39

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Betreffend das Bundes­gesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz ge­ändert werden, haben meine Vorredner den Inhalt schon ausführlich erörtert.

Eigentlich hätte meine Rede heute damit begonnen, dass es gut ist, dass diese Novelle nun durchgeführt wird. Inhaltlich hat der Herr Bundesminister mir eigentlich schon alles vom Blatt gelesen, was das Ganze für mich etwas einfacher gestaltet. Trotzdem war die Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt heute hochinteressant, denn die Realität schaut schon wieder anders aus. Die Chronologie des Tages war spannend, und des­wegen ist der Herr Bundesminister auch schon unterwegs zur „ZIB 2“.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 199

Um 9 Uhr war die Schlagzeile in den Medien: Gesundheitsminister plant schärfere Maß­nahmen. Diese sind: grüner Pass erst ab Vollimmunisierung, zweiter Impfung (Bundesrat Spanring: Und kein Wort ...!); 1G-Zutritt zur Nachtgastronomie, nur für Geimpfte.

Die Begründung ist, dass die Zahlen täglich steigen – auch heute sind es wieder über 300 mehr. Der Siebentagesdurchschnitt der neu Geimpften ist von 90 000 auf 64 000 gesunken. Der internationale Vergleich belegt: Eine höhere Impfquote senkt die Hospitalisierungszahlen und die Zahl der Coronatoten. Daher wäre der heutige Be­schluss eigentlich schon wieder obsolet und von der Gegenwart überholt. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!)

Am Nachmittag kam dann die Meldung: Es dauert doch noch einige Zeit, es müssen noch Beratungen stattfinden. Beim heutigen Treffen der Taskforce mit Beamten des Landes Tirol wurden nun doch nicht die geplanten Maßnahmen beschlossen, die am Vormittag kundgetan wurden. – Auch das war nachvollziehbar; Landeshauptmann Platter hat ja auch bei seiner Rede hier vor dem Bundesrat zur Frage der steigenden Infektionszahlen behauptet, da nicht überreagieren zu wollen. Das kommt uns irgendwie bekannt vor. (Bundesrat Steiner: ... die ÖVP, das eine sagen, das andere machen sie ... immer! Das ist die ÖVP!) Zu diesem Zeitpunkt hatte man schon den Eindruck, dass das Corona-Ischgl-Expertenkomitee nun auch im Gesundheitsministerium das Sagen hat – dem war Gott sei Dank nicht so. (Beifall bei der SPÖ.)

Am Abend um 18.27 Uhr gab es die Breaking News. Bundesminister Mückstein und die Frau Bundesministerin zu meiner Rechten (Bundesrat Steiner: Köstinger!) aus Kärnten verkünden (Zwischenruf des Bundesrates Seeber – Bundesrat Spanring: So bekannt sind Sie jetzt auch wieder nicht! Das muss man wissen! – Heiterkeit bei der FPÖ):

„Die Nachtgastronomie kann ab 22. Juli nur noch genutzt werden, wenn ein negativer PCR-Test vorliegt oder eine Impfung vorgewiesen werden kann. [...] Darauf hat sich die Regierung“ am Donnerstag „verständigt. (Bundesrätin Hahn: Das Virus ... Bundes­gärten!) Zudem ist der Grüne Pass“ künftig erst auszustellen, „wenn die zweite Immuni­sierung vollzogen ist. Schließlich bleibt die Registrierungspflicht bei Veranstaltungen und in der Gastronomie entgegen ursprünglichen Planungen aufrecht. [...] Durch eine Steige­rung der Durchimpfungsraten sowie eine rechtzeitige und gezielte Rücknahme von Öffnungsschritten bzw. ein Absehen von weiteren Lockerungsschritten könne die bedrohliche Entwicklung vermutlich noch eingebremst werden, heißt es im Gesundheits­ressort. Bei zögerlichem Verhalten sei hingegen zu erwarten, dass gravierende Maß­nahmen zur Eindämmung, wie etwa Teil- oder echte Lockdowns“ – den der Herr Bundes­kanzler bekanntlich ausgeschlossen hatte – „notwendig sein würden“.

Auch wenn heute schon öfters angeklungen ist, die Pandemie sei vorbei: Der derzeitige Stand der Infektionszahlen in Österreich bezeugt leider Gegenteiliges. Laut APA spricht der Herr Bundesminister für Gesundheit sogar von einem sehr besorgniserregenden Szenario. Daher wird es rasch notwendig sein, eine Impfrate zu erreichen, die dann auch einen gewissen Schutz gegenüber den Virusmutationen bietet. Vor allem bei der jungen Bevölkerungsgruppe ist eine Verbesserung der Durchimpfungsrate notwendig. Es ist verständlich, dass sich die Menschen nach eineinhalb Jahren der Einschränkungen nach Normalität sehnen – doch dies wird man nur erreichen, wenn man mit einer gewissen Vorsicht und Umsicht vorgeht.

Aufgrund der Aktualität dieses Tagesordnungspunktes möchte ich schon anmerken, dass sich der Staat in der derzeitigen Situation sicher nicht zurückziehen kann, um alle Österreicherinnen und Österreicher in die Eigenverantwortung zu entlassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Da ist das Gebot der Obsorge voranzustellen und sind nicht mit umfragebedingten Wortspenden wieder gesundheitspolitische Pflichtaufgaben aufs Spiel zu setzen. Dies


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 200

ist ein völlig falsches Signal. Wir brauchen keine Träumereien oder Schönfärbereien, sondern Vernunft, Vorsicht und vor allem Verantwortung. Sehr interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch eine heutige Meldung aus Deutschland. Darauf zielend kommt eine harsche Kritik von Söder an Bundeskanzler Kurz: Seiner Meinung nach ist Corona kein Fall für die Eigenverantwortung. (Ruf bei der SPÖ: Ja!)

Der Virus „bleibt im öffentlichen Interesse“. Bei Corona gibt es das Grundproblem, dass man nicht nur sich selbst, sondern auch andere schützen muss. Deswegen wurde das Virus auch als Seuche eingestuft. „Wenn ich auf einen Berg gehe und runterfalle, ist das mein privates Risiko“, aber eine Pandemie könne man nicht mit einem Freizeitverhalten vergleichen, so Schröder weiter (Ruf: Söder!) – Söder weiter. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Aber den Söder tät ich nicht zitieren! Alle, nur nicht den Söder!)

Abschließend noch kurz zum Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschuss­gesetz geändert wird: Die Korrektur der letzten Novelle wurde dadurch notwendig, dass ein falsches Datum eingesetzt wurde, womit der Ersatz der Kosten im Rahmen der Regelung für die freiwilligen HelferInnen, die 1 000-Euro-Regelung, mit 30.6.2021 aus­gelaufen wäre. Nun wird dies bis 30.9.2021 verlängert.

Fazit und Lehre daraus für die Zukunft: Derartige Fehler passieren, wenn Abänderungs­anträge erst kurz vor der Abstimmung übermittelt und eingebracht werden. In Summe kann ich jedoch festhalten, dass wir als Sozialdemokratie beiden in Verhandlung stehen­den Tagesordnungspunkten die Zustimmung erteilen werden, auch wenn morgen viel­leicht wieder alles anders sein wird. – Ich danke für die Aufmerksamkeit trotz später Stunde. (Beifall bei der SPÖ.)

21.26

21.26.20


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Neu zu uns gestoßen sind nun Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger sowie Frau Bundesministerin Leonore Gewessler, die Herrn Bundesminister Mückstein vertritt. Ich heiße die beiden herzlich willkommen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, 1780/A und 1008 der Beilagen sowie 10717/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Nein zum Grünem Pass und einer Kinder­impf­pflicht“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 201

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird, 1009 der Beilagen sowie 10688/BR der Beilagen sowie 10718/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.28.5926. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (1752/A und 962 d.B. sowie 10715/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Ich bitte um den Bericht.


21.29.36

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Tourismus, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen, KMU-Förde­rungs­gesetz, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

21.30.10


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen daher gleich zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenom­men.

21.30.4327. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Holzhandelsüberwachungsgesetz geändert wird (947 d.B. und 989 d.B. sowie 10699/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Be­richt.


21.31.18


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 202

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des National­rates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Holzhandelsüber­wachungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile dieses. – Bitte.


21.32.04

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In diesem Ge­setz geht es darum, den illegalen Holzeinschlag zu bremsen oder überhaupt zu ver­hindern. Dieser illegale Holzeinschlag geschieht nicht nur in den Urwäldern dieser Welt, sondern durchaus auch in Osteuropa, in Nationalschutzgebieten und Ähnlichem, und deshalb gehört er auch unterbunden und gestoppt. Da soll der Zoll mehr mit eingebun­den werden, die Verantwortung der Händler soll mehr und höher werden und die Strafen sollen sehr viel höher werden. Das ist eine gute und richtige Maßnahme, deshalb unter­stützen wir sie auch.

Ich bin ja aus einem Hauptschadensgebiet des Borkenkäfers und möchte den heutigen Tag zum Anlass nehmen, für die Verlängerung des KWK-Gesetzes zu danken, die sehr, sehr wichtig für uns war. Wir bringen dort die minderwertigen Mengen des Schadholzes unter. Danke noch einmal für den Waldfonds, auch da sehen wir schon, wie wichtig das für unsere Forstwirtinnen und Forstwirte ist; Gratulation und danke für das heute be­schlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, es ist wichtig für unsere Zukunft, aber auch für unsere Forstwirte.

Ich wünsche allen einen schönen Sommer. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

21.33


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Nicole Riepl. Ich erteile dieses. – Bitte.


21.33.32

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Heute beschließen wir das neue Holzhan­dels­überwachungsgesetz, mit dem wir dem illegalen Handel mit Holz entgegenwirken und einen effizienteren Vollzug bei den Kontrollen einführen werden. Das ist sehr zu begrüßen, da eine Verstärkung der Kontrollen unbedingt erforderlich ist und so außer­dem weitere Arbeitsplätze in den zuständigen Behörden entstehen.

Ein wichtiger Punkt in dem neuen Gesetz ist die deutliche Erhöhung von Strafen, denn es werden nicht nur Mindeststrafen eingeführt, sondern auch bei vorsätzlichen und wiederholten Tatbegehungen die Höchststrafen auf bis zu 100 000 Euro erhöht. Solche


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 203

Geldstrafen sind nur dann wirksam, wenn sie auch im Geldbörserl wehtun. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Auszug aus der Stellungnahme der Arbeiterkammer zum Ministerialentwurf von Frau Dipl.-Ing. Maria Burgstaller: „Die Mitgliedstaaten berichten der Europäischen Kommis­sion regelmäßig über die Anwendung der“ Holzhandelsverordnung. „Gemäß dem Be­richt für den Zeitraum März 2017 bis Februar 2019 wurden in Österreich lediglich 29 Kontrollen von eingeführtem Holz durchgeführt, dies bei insgesamt 7.000 einführenden“ Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmern. „Die durchgeführten Kontrollen beschränk­ten sich auf die Überprüfung von Unterlagen, es fand keine Überprüfung von Erzeug­nissen vor Ort statt. Kein/e einzige/r kontrollierte/r MarktteilnehmerIn erfüllte die durch die“ Verordnung „auferlegten Sorgfaltspflichten vollständig. Es ist davon auszugehen, dass die bisherigen Regelungen das Ziel verfehlen, illegalen Holzhandel in der EU hint­anzuhalten.“

Die Arbeiterkammer „begrüßt sämtliche Regelungen, die einen effizienten Vollzug des HolzHÜG und insbesondere eine bessere Kontrolltätigkeit der Behörden ermöglichen.“ Die Arbeiterkammer „fordert, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die zuständigen Behörden ihren Kontrollaufgaben gemäß Art 10 EUTR nachkommen können und ins­besondere die finanziellen, technischen und personellen Ressourcen bereitzustellen,“ um die Kontrollen gemäß dem Gesetz durchzuführen. Insbesondere die „Stichproben und Vor-Ort-Überprüfungen“ werden hierbei „explizit hervorgehoben“.

Abschließend können wir zusammenfassen, dass die Erhöhung der Strafen, die Ein­führung der Mindeststrafe und der Kontrollen zu begrüßen sind. Ich hoffe, dass diesen Worten auch entsprechende Taten folgen und die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Wir stimmen diesem Antrag zu. – Schönen Sommer. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

21.36


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer Stellungnahme zu Wort ge­meldet hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger. – Bitte sehr.


21.36.52

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Mit der No­velle des Holzhandelsüberwachungsgesetzes schaffen wir nicht nur die Verordnungs­ermächtigung zur Umsetzung der Richtlinie RED II der Europäischen Union, sondern wir verstärken vor allem auch die Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags, vor allem wenn es um Importe aus Drittstaaten geht.

Wir setzen dabei massiv bei den Strafen an. Die Strafen werden mindestens verdrei­facht, entsprechend der Tatbegehung, und wir schaffen diesmal auch den Grundsatz des Verwaltungsstrafrechts Beraten statt strafen ab. Dieser kommt mit der Novelle des Holzhandelsüberwachungsgesetzes nicht mehr zum Einsatz. Wir verstärken auch die Mitwirkung des Zollamtes im Vollzug und steigern damit auch die Effizienz der Kon­trollen. Dadurch sind zielgerichtete Kontrollen auch unmittelbar nach der Einfuhr mög­lich, was bisher nicht der Fall war. Wir haben im Jahr 2020 bereits das Personal des Bundesamts für Wald aufgestockt und damit mehr Kontrollen ermöglicht. Herr Bundesrat Edi Köck hat bereits ausgeführt, wie wichtig es ist, speziell in dem Bereich der illegalen Holzeinfuhr wirklich sehr massiv vorzugehen.

Geschätzte Damen und Herren Bundesräte, ich freue mich sehr über eine breite Zu­stimmung, darf an dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammen­arbeit sagen und Ihnen allen einen schönen Sommer wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

21.38

21.38.29



BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 204

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.39.08Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Es liegt mir das schriftliche Verlan­gen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 24 und 25 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Proto­kolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnungspunkt 24 und Tagesordnungspunkt 25:

Die Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 24 den Entschließungsantrag Beilage 24/1 EA ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 24:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 24/1 EA wird abgelehnt.

TO-Punkt 25:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit an­genommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amt­lichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 24 und 25 ge­mäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 3901/J-BR/2021 bis 3902/J-BR/2021, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 305/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstattung von Gebäuden der Polizei


BundesratStenographisches Protokoll929. Sitzung, 929. Sitzung des Bundesrates am 15. Juli 2021 / Seite 205

mit Photovoltaik-Anlagen, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen wird.

Weiters eingelangt ist der Entschließungsantrag 306/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Wolfgang Beer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstattung von Gebäuden des Bun­desheers mit Photovoltaik-Anlagen, der dem Landesverteidigungsausschuss zuge­wiesen wird.

Eingelangt ist außerdem der Entschließungsantrag 307/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Horst Schachner, Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Installierung einer Tourismuskasse, der dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur zugewiesen wird.

Eingelangt ist ebenfalls der Entschließungsantrag 308/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Sozialhilfe-Grundsatzgesetz reparieren, Armut wirksam bekämpfen!, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 7. Oktober 2021, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchs­recht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 5. Oktober 2021, 14 Uhr, vorge­sehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

21.42.51 Schluss der Sitzung: 21.42 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien