Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

882. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Mittwoch, 11. Juli 2018

 

 


 

Stenographisches Protokoll

882. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 11. Juli 2018

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 11. Juli 2018: 14.02 – 18.27 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaft­steuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuer­gesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzierung­nanz­strafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapital­abfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das So­zial­ministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfege­setz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registerge­setz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018)

2. Punkt: Bundesgesetz mit dem das Versicherungsvertragsgesetz, das Konsu­men­tenschutzgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz sowie das Investmentfondsgesetz 2011 geän­dert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alternativfinan­zie­rungsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförderungs­gesell­schaft mbH-Errichtungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

7. Punkt: Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Aus­tausch länderbezogener Berichte gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Überein­kommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 2

8. Punkt: Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls

9. Punkt: Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechtsbereini­gungsgesetz – 2. BRBG)

10. Punkt: Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungs­strafsachen

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsver­fah­rensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwal­tungs­strafgesetz 1991 und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das allge­meine Grundbuchsgesetz 1955, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Fortpflan­zungsmedizingesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das IPR-Gesetz, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Konsumentenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, das Mietrechtsgesetz, die Nota­riatsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Tiroler Höfegesetz, das Unternehmens­ge­setzbuch, das Verfahrenshilfeanträge-Übermittlungsgesetz, das Verwaltungsgerichts­hofgesetz 1985, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Vollzugsgebührengesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, die Zivilprozessordnung, das Erwachsenenschutz­ver­einsgesetz und das Justizbetreuungsagentur-Gesetz geändert werden (Erwach­se­nenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – ErwSchAG-Justiz)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheber­rechtsgesetz-Novelle 2018 – UrhG-Nov 2018)

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Inhalt

Bundesrat

Angelobung der Bundesrätin Andrea Kahofer ............................................................. 8

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend die Wahl eines Ersatzmitglieds des Bundesrates ............................................................................................................. 10

Schreiben des Generalsekretärs im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität durch den Herrn Bun­des­präsidenten                     11

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 Abs. 3 GO-BR ............................................................................................ 19

Wortmeldung des Bundesrates Reinhard Todt zur Geschäftsbehandlung ................ 79


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Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 8

Ordnungsrufe ..........................................................................................................  28, 34

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union  14, 15, 17, 18

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 19

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 19

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 8

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versiche­rungs­steuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabga­ben­ordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Kontenein­schau­gesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Ge­setz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Bei­hil­fen­gesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Maut­ge­setz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirt­schaft­liche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuer­ge­setz 2018 – JStG 2018) (190 d.B. und 197 d.B. sowie 9993/BR d.B. und 10002/BR d.B.) ............................................................................................................... 19

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 20

RednerInnen:

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 20

Marianne Hackl ........................................................................................................ ..... 23

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 24

Georg Schuster ....................................................................................................... ..... 27

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 28

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 31

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 32

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 33

Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs ................................................................. 35

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Familienbonus Plus – Sozial gerechte Familienförderung, die auch einkommensschwache Familien unterstützt und die Gemeinden und Länder nicht auf den Kosten sitzen lässt!“ – Unterstützungsfrage – genügend unterstützt – Ablehnung ..............................................................  26, 27, 27, 38

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ferdinand Tiefnig, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kein Nachteil für Auslandsbedienstete,


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Entwicklungshelfer und Wirtschaftsdelegierte in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus“ – Annahme (E 254-BR/2018)  32, 38

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 38

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz mit dem das Versicherungsvertragsgesetz, das Konsumenten­schutz­gesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden (302/A und 223 d.B. sowie 10003/BR d.B.) ....................................... 38

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 38

RednerInnen:

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 38

Robert Seeber ......................................................................................................... ..... 40

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 41

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 42

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immo­bilien-Investmentfondsgesetz sowie das Investmentfondsgesetz 2011 geändert werden (262/A und 198 d.B. sowie 10004/BR d.B.)                        42

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 43

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alternativfinanzierungsgesetz geändert werden (187 d.B. und 199 d.B. sowie 10005/BR d.B.) ............................................................................................................... 42

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 43

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz geändert wird (184 d.B. und 200 d.B. sowie 10006/BR d.B.) ...................................................................................... 42

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 43

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (183 d.B. und 201 d.B. sowie 10007/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 42

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 43

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehr­seitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Aus­tausch länderbezogener Berichte gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Über­einkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls (153 d.B. und 202 d.B. sowie 10008/BR d.B.) ............................ 42


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 5

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 43

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls (154 d.B. und 203 d.B. sowie 10009/BR d.B.)                            43

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 43

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................ ..... 44

Peter Oberlehner .................................................................................................... ..... 46

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 47

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 48

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ..... 51

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ..... 52

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 54

Peter Samt ............................................................................................................... ..... 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 59

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 2. BRBG) (192 d.B. und 225 d.B. sowie 10012/BR d.B.)                     59

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 59

RednerInnen:

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 60

Klara Neurauter ....................................................................................................... ..... 61

Christoph Längle .................................................................................................... ..... 62

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ..... 62


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 64

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstraf­sachen (188 d.B. und 226 d.B. sowie 9995/BR d.B. und 10013/BR d.B.) ............................................................................................................... 64

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ........................................................................... 65

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­verfahrens­ge­setzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwal­tungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert werden (193 d.B. und 227 d.B. sowie 9996/BR d.B. und 10014/BR d.B.) ............................................................................................................... 64

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ........................................................................... 65

RednerInnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 65

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ................................................................................... ..... 66

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 68

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ..... 69

Mag. Dr. Michael Raml ............................................................................................ ..... 72

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vor­lie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 73

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 73

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das allgemeine Grund­buchsgesetz 1955, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Fort­pflanzungsmedizingesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtskom­mis­särsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das IPR-Gesetz, das Kärntner Erb­höfegesetz 1990, das Konsumentenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, das Miet­rechtsgesetz, die Notariatsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Tiroler Höfe­gesetz, das Unternehmensgesetzbuch, das Verfahrenshilfeanträge-Übermitt­lungsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verwaltungsstraf­ge­setz 1991, das Vollzugsgebührengesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, die Zivilprozessordnung, das Erwachsenenschutzvereinsgesetz und das Justiz­be­treuungsagentur-Gesetz geändert werden (Erwachsenenschutz-Anpassungs­gesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Dere­gulie­rung und Justiz – ErwSchAG-Justiz) (195 d.B. und 221 d.B. sowie 10018/BR d.B.)                    73

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .................................................................................. 74

RednerInnen:

Gregor Hammerl ..................................................................................................... ..... 74

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 76

Christoph Steiner ................................................................................................... ..... 77

Christoph Steiner (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 79

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ..... 79

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ..... 81


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 82

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheber­rechts­ge­setz-Novelle 2018 – UrhG-Nov 2018) (185 d.B. und 222 d.B. sowie 10019/BR d.B.) ...................................................................................... 82

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .................................................................................. 82

RednerInnen:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 82

Michael Wanner ............................................................................................................ 83

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 84

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ..... 86

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 88

Eingebracht wurden

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Vorgehen der Polizei während des Einsatzes bei einer Demonstration am 25. April 2018 in Linz und der darauffolgenden medialen Korrespondenz (3219/AB-BR/2018 zu 3488J-BR/2018)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inserate des BMI in der verschwörungsthe­ore­ti­schen, antisemitischen und rechtsextremen Zeitschrift „alles roger?“ (3220/AB-BR/2018 zu 3490J-BR/2018)

des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Bundes­rätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inserate des BMÖDS in der verschwörungstheoretischen, antisemitischen und rechtsextremen Zeitschrift 2alles roger?“ (3221/AB-BR/2018 zu 3489J-BR/2018)

des Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Jürgen-Michael Kleppich (3222/AB-BR/2018 zu 3491J-BR/2018)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kosten von Gastgeschenken bei Staatsbesuchen (3223/AB-BR/2018 zu 3492J-BR/2018)

 

 

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 8

14.02.00Beginn der Sitzung: 14.02 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Inge Posch-Gruska, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vizepräsident Ewald Lindinger.

*****


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich eröffne die 882. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 881. Sitzung des Bundesrates vom 28. Juni 2018 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Sandra Kern.

14.02.22Angelobung


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Da Bundesrat René Pfister mit seiner Angelobung zum Abgeordneten des Niederösterreichischen Landtages am 28. Juni 2018 auf sein Mandat verzichtet hat, ist sein Ersatzmitglied Andrea Kahofer auf das freiwerdende Mandat nachgerückt. Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend, ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.


14.03.11

Schriftführerin Marianne Hackl: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“


Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Ich gelobe.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. – Willkommen, Andrea. (Allgemeiner Beifall. – Die neu angelobte Bundesrätin wird von ihren Kolleginnen und Kollegen beglückwünscht.)

Gleichzeitig darf ich recht herzlich Herrn Staatssekretär Dr. Hubert Fuchs bei uns be­grüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

14.04.58Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen,

eines Schreibens des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitglieds des Bundesrates,

der Schreiben des Verbindungsdiensts des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Euro­päischen Union sowie

der Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die im Sit­zungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung ange­schlossen wird.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 9

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung ebenfalls angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

(Anlage 1) (siehe auch S. 10)

2. Schreiben der Landtage:

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend die Wahl eines Ersatzmitglieds des Bundesrates (Anlage 2)

3. Schreiben des Bundeskanzlers:

4. Aufenthalt eines Mitgliedes / Aufenthalte von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union:

Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt des Bundesministers für Finanzen Hartwig Löger vom 11. bis 13. Juli 2018 in Brüssel (Anlage 4) sowie

den Aufenthalt der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl vom 8. bis 11. Juli 2018 in London und Brüssel bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Landesverteidigung Mario Kunasek mit ihrer Vertretung (Anlage 5 und Anlage 5a)

und den Aufenthalt der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Dr. Juliane Bogner-Strauss vom 9. bis 12. Juli 2018 in Brüssel (Anlage 6)

und den Aufenthalt des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien, Mag. Gernot Blümel am 11. Juli 2018 in Brüssel (Anlage 7)

5. Unterrichtungen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Schreiben des Generalsekretärs im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Krimi­nalität (Anlage 3)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates sowie EU-Vorhaben gemäß Art. 23e B-VG:

(siehe Tagesordnung)

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(Anlage 2 wird aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht veröffentlicht.)

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BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 12


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 13

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BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 14

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BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 15


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 16

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BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 17

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14.06.07Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich gebe weiters bekannt, dass ein Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes eingelangt ist, wonach Frau Bundes­ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger Frau Bundes­minis­terin für Frauen, Familien und Jugend Dr. Juliane Bogner-Strauß mit ihrer Vertretung bis auf Widerruf beauftragt hat.

Überdies ist ein Schreiben des Verbindungsdiensts des Bundeskanzleramtes betref­fend die Vertretung der Frau Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl durch Herrn Bundesminister für Landesverteidigung Mario Kunasek eingelangt.

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Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

14.06.22Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nah­me von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einver­standen sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich habe die zuvor genannten Verhandlungs­gegen­stände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Tagesord­nungs­punkte 3 bis 8 sowie die Tagesordnungspunkte 10 und 11 jeweils unter einem zu ver­handeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

14.07.321. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührenge­setz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuer­ge­setz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapital­abfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigen-


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tümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (190 d.B. und 197 d.B. sowie 9993/BR d.B. und 10002/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen nun zu deren 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich bitte um den Bericht.


14.07.59

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgrün­dungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahr­zeug­steuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kon­ten­register- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemein­samer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundes­straßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stim­men­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ewald Lindinger. – Bitte.


14.09.21

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Jahressteuergesetz – ein neuer Name, ein neuer Ausdruck; aber nicht immer ist alles, was neu ist, gut. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, was rot ist, schon gar nicht!) Gut für die Menschen ist dieses Gesetz sicher nicht, nämlich für die Schwächeren in der Gesellschaft, für jene, die weniger verdienen, für diese bringt es Nachteile; insbesondere benachteiligt es Kinder – und das ist ganz bedeutend, das ist in diesem Gesetz verpackt –, die Eltern haben, die weniger verdienen. Kinder von Eltern, die keine Steuern zahlen, sind benachteiligt, sind weniger wert, die Eltern bekommen weniger für die Kinder. (Bundesrat Mayer: Steuer­entlastung! – Bundesrat Rösch: Das versteht er nicht! – Ruf: Das ist ein voller Holler!)

Wer wird da bevorzugt? – Jene, die besser verdienen, die mehr verdienen, und das ist ja wahrscheinlich die Absicht dahinter. (Bundesrat Mayer: Als Erstes muss ich Steuern zahlen ...!) Das spürt man in allen Bereichen, bei vielen Husch-Pfusch-Gesetzen, die hier gemacht werden und nicht einmal ordentlich einer Begutachtung unterzogen werden. Es werden schnell, schnell Schnellschüsse gemacht, um in vielen Bereichen Klientelpolitik zu betreiben (Bundesrätin Mühlwerth: Na aber!); Klientelpolitik für jene, die bestellen, für die wird in vielen Bereichen geliefert, sei es die Versicherungs­wirtschaft, sei es die Landwirtschaft, seien es jene, die mehr verdienen. Da wird also unabhängig davon schon einmal Ungerechtigkeit hinsichtlich der Steuerverteilung, hin­sichtlich des Steuertopfs sichtbar.

Allein beim Familienbonus sieht man, dass Ungerechtigkeit besteht: Wenn Eltern kein steuerpflichtiges Einkommen haben (Bundesrat Mayer: Dann kriegen sie 250 Euro!),


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dann haben auch die Kinder keinen Anspruch auf irgendeine staatliche Leistung im Zusammenhang mit dem Familienbonus beziehungsweise einen so geringen, dass man fast nicht von einer Leistung reden kann. (Bundesrat Steiner: Deshalb ist es eine Steuerentlastung!) Was betreffend diesen Familienbonus noch zu bekritteln ist: Das ist ja kein Bonus, geschätzte Damen und Herren, das ist eigentlich ein Familienmalus. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: ... sozialdemokratischer Malus! – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Ein Familienmalus wird hier gemeinsam von Schwarz-Blau beschlossen (Bundesrat Brunner: ... selber lachen!), nämlich im Grunde genommen eine eklatante Benach­teiligung für jene Familien, die es nicht so leicht haben im Leben, die weniger ver­dienen, oder jene Alleinverdienerinnen und Alleinverdiener, die es in der Gesellschaft schwer haben; diesen gibt man nicht die Entlastung, die sie sich verdient haben, damit die Kinder genauso gerecht im Bildungssystem bedient werden und die notwendige Unterstützung des Staates bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: ... Bildungssystem ist eh so ...! Ein Viertel kann nicht lesen und schreiben!)

Geschätzte Damen und Herren! Es wird immer wieder von einer Entbürokratisierung gesprochen, davon, dass alles einfacher werden soll. Ich habe mich schon lange nicht mehr mit Familiengeld beschäftigt (Bundesrat Steiner: Ah, deswegen so eine Rede! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), meine Kinder sind alle erwachsen; aber jetzt habe ich mich bemüht (Bundesrätin Mühlwerth: Ist aber nichts herausgekommen!), Klarheit zu bekommen. (Bundesrat Steiner: Das hat nicht geklappt! – Bundesrätin Mühlwerth: Und das ist herausgekommen!) Ich sage Ihnen, liebe Damen und Herren, geschätzte Kollegen von Schwarz-Blau, man muss ein Steuerexperte sein, ein Familienrechts­ex­perte, damit man die Schlupflöcher sieht: Wie bekomme ich am meisten? Wenn beide Partner, die Eltern der Kinder nicht zusammenleben, der eine mehr, der andere weniger verdient: Wer macht es geltend, wer bekommt am meisten, damit die Kinder nicht benachteiligt sind? Kommt das Geld, der Familienbonus, die steuerliche Ent­lastung bei dem Elternteil, bei dem das Kind lebt, überhaupt an? Das ist ja das Schwierige: Kommt das wirklich bei dem betroffenen Kind an?

Geschätzte Damen und Herren! Ich würde es nicht entbürokratisieren nennen und sagen: Wir sind die, die alles einfacher machen! – Es wird alles komplizierter. (Bun­desrätin Mühlwerth: Der hat aber auch schon besser geredet, der Lindinger!) Das Höchste ist ja, dass der Familienbonus nicht einmal so konstruiert ist, dass es eine Negativsteuerfähigkeit gibt. Nein, jene, die nichts in den Topf einzahlen, sollen auch nichts davon bekommen (Ruf bei der ÖVP: Ja, weil es eine Steuerentlastung ist!), nur die Tüchtigen, die Fleißigen und jene, die etwas verdienen. Sie alle, die Sie hier in der Mitte, da hinten sitzen (Ruf bei der FPÖ: Steuerentlastung! – weitere Zwischenrufe der Bundesräte Steiner und Weber) – ja, ja, ich weiß –, reden hier immer groß, tun aber nichts für die Kleinen, nichts für die Schwächeren in der Gesellschaft und haben die Wählerinnen und Wähler betrogen, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Seid doch nicht so eifersüchtig! – Bundesrat Spanring: Die Millionen, die in Österreich unter der Armutsgrenze leben ...!)

Die Spitze ist ja dann noch, dass es nicht einmal Erleichterungen für beeinträchtigte, behinderte Kinder gibt. Das haben Sie bei diesem Husch-Pfusch-Gesetz betreffend den Familienbonus auch übersehen. (Ruf bei der ÖVP: ... habt ihr in 30 Jahren nicht zusammengebracht!) Ich würde mich schämen, wenn ich als Regierung hier so etwas vorlegen würde. (Bundesrat Steiner: Schämen Sie sich für diese Rede!) Geschätzte Damen und Herren! Das ist nicht würdig, Familienbonus genannt zu werden. Wir werden es in Zukunft Familienmalus nennen, denn das ist die richtige Bezeichnung für dieses Gesetz. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das heißt Familienbonus Plus!)


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Sie verstecken das auch noch im Jahressteuergesetz; ganz leicht so versteckt. Eine wichtige, eine bedeutende familienfördernde Maßnahme hätte es werden sollen – nein, ist es nicht geworden; es ist nur eine Benachteiligung der Familien geworden. Da ist jenen, die etwas Positives machen wollten – vielleicht wollte man das sogar –, wirklich ein ganz, ganz schwerer Fehler passiert (Zwischenruf bei der ÖVP), aber ich glaube, dass bestellt wurde, jene Menschen zu benachteiligen, die es nicht so leicht haben, und jene zu bevorzugen, die mehr verdienen. Ich will ja nicht von den Reichen sprechen, sondern auch von jenen, die mehr verdienen.

Benachteiligt sind die Kinder. Im Kinderrechteausschuss reden wir über die Gleichstel­lung von Kindern, vielleicht auch noch einstimmig, alle sollen gleichgestellt sein, aber im Handumdrehen machen wir Gesetze, durch die Kinder benachteiligt werden (Ruf bei der FPÖ: Das stimmt doch gar nicht!) – aber in anderen Bereichen und in der Öffentlichkeit reden wir schön, reden wir ganz anders! Hier werden mit lachendem Gesicht Kinder und Familien, die sich nicht wehren können, benachteiligt, da wird einfach drübergefahren, geschätzte Damen und Herren! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Es ist Ihnen noch etwas passiert: dass österreichische Kinder, die im Ausland leben, auch nicht berücksichtigt werden. Geschätzte Damen und Herren, in diesem Entwurf sind Fehler passiert, er strotzt nur so davon. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man das Jahressteuergesetz dann zu Ende liest und auch die Stellungnahmen, dann sieht man, es gibt nur negative Stellungnahmen: seitens der Arbeiterkammer, des ÖGB, von Juristen. Die Europarechtskonformität wird angezweifelt. (Bundesrat Steiner: Vom ÖGB, das kennen wir mittlerweile! – Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: ... ist jetzt aufgewacht!) Es gibt Begünstigungen für Stiftungszuwendungen.

Geschätzte Damen und Herren! Nach der Begutachtung ist die Option, dass Arbeit­geber den Dienstnehmern die Monatsabrechnung auch elektronisch übergeben kön­nen, neu hinzugekommen, aber der Dienstnehmer kann es sich nicht aussuchen, er muss es zur Kenntnis nehmen. (Ruf bei der FPÖ: Furchtbar!) Es gibt vielleicht Dienst­nehmer, die zu Hause keinen Computer haben, die zu Hause kein Handy haben (Bundesrat Steiner: Na ja! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), mit dem sie das abrufen wollen – wollen; ich habe nicht gesagt, können. (Ruf bei der FPÖ: Ja, aber das ist wieder etwas anderes!) Hätte ich gesagt, können, wäre das eine Unterstellung, dass sie nicht die entsprechende Bildung haben. Ich setze voraus, dass sehr viele Menschen so gebildet sind, dass sie mit einem iPhone oder Ähnlichem umgehen können. Es geht aber um das Wollen. (Bundesrat Steiner: Aber das ist nicht unser Problem, wenn jemand nicht will!) Wir wissen ja, dass das vielleicht im Netz ver­schwindet.

Weiters gibt es zum Beispiel einen Methodenwechsel von der Befreiungs- zur An­rechnungsmethode für niedrig besteuerte Einkünfte. Das wird einfach umgestellt, es gibt eine Hinzurechnungsbesteuerung.

Die Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes bringt eine Bevorzugung aller Immo­bilienkonstruktionen und -gesellschaften, sie werden von der Grunderwerbsteuer befreit. (Bundesrat Schennach: Die haben ja auch den Wahlkampf finanziert!) – Die wer­den wahrscheinlich etwas überwiesen haben. (Bundesrat Schuster: ... von den eigenen Leuten unterbrochen!) Das wird jemand bestellt haben, da wird wohl ein Bestellschein dazwischen sein. (Bundesrat Schennach: Kick-back-System! – Bundes­rat Steiner: Das rote Lamperl leuchtet schon!) Da gibt es in vielen Bereichen Nach­teile, Nachteile, Nachteile.

Geschätzte Damen und Herren, aus besagten Gründen werden wir diesem soge­nann­ten Jahressteuergesetz mit den vielen Tücken, die dahinterstehen, die Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

14.20



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Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marianne Hackl. – Bitte.


14.20.49

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die­sen Tagesordnungspunkt eingehe, möchte ich meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass das Burgenland in dieser Jahreshälfte den Vorsitz innehat; dazu möchte ich dir, Frau Präsidentin, herzlich gratulieren und alles Gute wünschen. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit, bei der wir überparteilich das Hauptaugenmerk auf die Kinder legen. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Kollege Lindinger hat schon gesagt, wie man es nicht machen kann oder machen soll. Ich bin nicht seiner Meinung und möchte meine Meinung zum Ausdruck bringen.

Die Bundesregierung ist mit einem konkreten Ziel angetreten, nämlich das um­zu­setzen, was im Wahlkampf versprochen wurde. Die Bundesregierung will durch diese Entlastung für arbeitende Menschen positive Veränderungen herbeiführen. Der Fami­lien­bonus Plus ist die größte steuerliche Entlastung der letzten Jahrzehnte für den Mittelstand, für Familien mit Kindern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Familienbonus Plus lässt die Einkommen deutlich steigen. Eine Familie mit einem Einkommen von 1 070 bis 1 570 Euro profitiert am meisten davon. (Bundesrat Lindinger: Danke für die Wortmeldung! Die profitieren dann! – Bundesrätin Mühlwerth: Das sind die Reichen! Die Reichen in den Augen der Sozialisten sind das!) Mit dem Familienbonus wird die Einkommensteuer für die Familien direkt vermindert.

Herr Kollege Lindinger, es wurde in den letzten Wochen immer falsch dargestellt, nämlich so, dass die Reichen profitieren. Es werden sehr wohl auch die speziellen Lebensumstände beachtet und die gering verdienenden Alleinerzieher und Allein­verdiener berücksichtigt. Auch wenn sie keine Steuern zahlen, erhalten sie künftig eine Mindestentlastung von 250 Euro pro Kind und Jahr. (Beifall bei Bun­desrätInnen von ÖVP und FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Raml.) Für Familien mit Kindern über 18 Jahren, für die Familienbeihilfe bezogen wird, beträgt der Bonus bis zu 500 Euro pro Jahr.

Es betrifft Menschen, die hart arbeiten, um den Lebensunterhalt ihrer Familien zu sichern. Erwerbstätige Eltern tragen eine Doppelbelastung, deshalb wollen wir die Familien stärker als bisher belasten (Rufe bei der SPÖ: Ja, genau!) – entlasten –, aber nicht mit neuerlichen staatlichen Geldleistungen, sondern indem der Staat ihnen weniger von ihrem hart verdienten Geld wegnimmt. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Die Familiengründung darf nicht am Finanziellen scheitern, und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich kenne die Doppelbelastung, ich bin selbst Mutter von drei mittlerweile erwachsenen Kindern, und es war mir immer wichtig, dass wir ihnen eine gute Ausbildung ermöglichen. Diese haben sie auch bekommen, und das kostet Geld; dafür haben wir immer hart gearbeitet. Meine Kinder sind mittlerweile erwachsen, deshalb profitiere ich nicht mehr vom Familienbonus, aber jetzt ist es mir eine beson­dere Freude, zu sehen, wie meine Tochter profitiert, da sie durch den Familienbonus für ihre Tochter entlastet wird. Sie ist eine erfolgreiche junge Frau, arbeitet hart und hat eine entzückende kleine Tochter. – So viel sei zur Nachhaltigkeit gesagt.

Ich darf noch kurz auf das Burgenland eingehen: Im Burgenland kommt der Fami­lienbonus 44 406 Kindern zugute. Allein in meinem Bezirk – ich habe da einen Auszug mit (eine Tafel mit der Überschrift „3.573 Kinder im Bezirk Güssing erhalten bis zu 1500 Euro“ sowie der Aufschrift „ÖAAB Burgenland“ in die Höhe haltend) –, und der


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Bezirk Güssing ist klein, profitieren 3 573 Kinder davon. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Von wie vielen?)

Die Bundesregierung hat sich bewusst dazu entschieden, bei den Familien anzu­setzen, nämlich bei all jenen, die einen doppelten Beitrag leisten. Die Menschen wollen eine spürbare Entlastung, und mit dem Familienbonus werden die Familien in Öster­reich so stark wie noch nie entlastet.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir reden oft von Wertschätzung. Den Familien gebührt die größte Wertschätzung, denn das, was die Familien leisten, ist großartig. Die Eltern gehen arbeiten, sie schenken Kindern das Leben, ermöglichen Hobbys und Ausbildung, und das kostet Geld. Mit diesem Familienbonus hat die Bundesregierung dafür gesorgt, dass sich die Familien wieder mehr leisten können.

Ich danke unserer Regierung herzlich für diesen Meilenstein. Unsere Fraktion stimmt natürlich gerne zu. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

14.26


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat David Stögmüller. – Bitte sehr.


14.26.44

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch von meiner Seite, Inge, alles Gute! Ich freue mich wirklich, dass du unsere neue Präsidentin bist, das ist wirklich eine Freude, gerade weil es im nächsten Halbjahr um Kinderrechte geht, und diese sind mir persönlich auch ein sehr großes Anliegen.

Wie wir schon von den Vorrednerinnen und Vorrednern erfahren haben, geht es bei dieser Novelle hauptsächlich um den Familienbonus Plus; es sind noch einige andere Gesetze betroffen. Ich finde es grundsätzlich positiv, wenn Familien entlastet werden und Unterstützung bekommen, finanzielle Unterstützung bekommen. Ich glaube, hier gibt es niemanden, der das verneinen würde. Jeder möchte Familien und Kindern unter die Arme greifen.

Die große Frage dabei ist, wie das passiert und welchen Familien man helfen möchte. Möchte man die Familien unterstützen, die jetzt schon wirklich jeden Cent umdrehen müssen, um wieder eine Woche zu überleben, in denen Kinder in Armut aufwachsen, ohne die Möglichkeit, am Skikurs teilzunehmen? Oder möchte man jenen Familien helfen, die aus Erwerbstätigkeit ein gutes Einkommen haben beziehungsweise aus der Mittelschicht sind? Das wurde ja vorhin schon richtig gesagt.

Ich glaube, man muss als Staat allen Familien und insbesondere allen Kindern helfen, einen guten Start ins Leben hinzubekommen, denn die Kinder haben sich ja nicht ausgesucht, wo sie hineingeboren wurden. Das heißt, wir als Verantwortliche, wir als Politikerinnen und Politiker tragen die Verantwortung dafür, dass alle Kinder und Familien unterstützt werden, und genau da trennen sich die Ansichten der kon­ser­vativen Parteien und der sozialeren Parteien oder Sozialparteien.

Da sind wir bei dem Punkt: Warum behaupten Sie – das ist an ÖVP und FPÖ gerichtet –, dass Kinder aus sozial ärmeren Verhältnissen weniger wert sind als Kinder von bessergestellten Familien? (Bundesrat Spanring: Das behaupten nur Sie!) Und nein, ich will jetzt auch nicht weiter auf irgendeine Neiddebatte eingehen, sondern nur klarstellen, dass jedes Kind die gleiche Förderung verdient hätte. Also noch einmal: Jede Familie verdient die volle Entlastung. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic sowie bei der SPÖ.)


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Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder, auch wenn sie in finanziell schwachen Elternhäusern aufwachsen, die Möglichkeit haben müssen, in einem reichen Land wie Österreich – und das sind wir – an der besten Bildung teilzuhaben, an Ausflügen teilzunehmen, gutes und ausreichendes Essen zu konsumieren, ordentliche Kleidung zu haben, sich nicht als Aussätzige fühlen zu müssen, als Benachteiligte, als Sonderlinge, nur weil die Eltern nicht genügend Geld haben. Das darf in einem so reichen Land wie Österreich nicht sein; diese Kinder müssen ein Teil der Gesellschaft in Österreich sein.

Ich bin auch der Überzeugung, dass die Regierung mit dem Familienbonus Plus versucht, Kinder und Familien bestmöglich zu unterstützen – das glaube ich, ich möchte das wirklich nicht in Abrede stellen, überhaupt nicht –, nur profitieren leider durch die fehlende Negativsteuerfähigkeit weite Teile der Bevölkerung nicht davon. Das ist ein Faktum.

Ein Drittel der ArbeitnehmerInnen und sogar 45 Prozent der Frauen – 45 Prozent, das ist nicht wenig! – verdienen so wenig, dass sie gar keine Steuern zahlen; sie profitieren daher vom Familienbonus überhaupt nicht, in keiner Weise. Dadurch gibt es Kinder, die mehr wert sind – das ist Faktum –, und wir können es nicht unterstützen, dass in einem Staat manche Kinder mehr wert sind und andere Kinder weniger wert sind; das geht nicht. Manche Personengruppen werden durch die Streichung des Kinderfrei­be­trags sogar finanzielle Einbußen erleiden.

Auch die Absetzbarkeit von Betreuungskosten, die zum Beispiel in Oberösterreich von der schwarz-blauen Regierung als Argument für die Einführung einer Kosten­beteili­gung bei der Nachmittagsbetreuung vorgeschoben worden ist, soll jetzt abgeschafft werden. Das war ein Hauptargument, und jetzt wird das abgeschafft! Die Streichung der Absetzbarkeit von Betreuungskosten ist auch aus frauenpolitischer Sicht abzu­lehnen, da dadurch weniger Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesetzt wird. Wir wissen, was die Folgen davon sind: Abhängigkeit und Altersarmut, und das trifft wieder hauptsächlich die Frauen; das wissen wir genau, zum Beispiel aus dem Sozial­bericht.

Es gibt noch viel mehr an dieser Novelle zu kritisieren: Kindern mit besonderen Be­dürfnissen – Kollege Lindinger hat das sehr gut ausgeführt – steht nach Vollendung des 18. Lebensjahres nur ein Familienbonus von 500 Euro zu, wo doch jeder weiß, dass die Kostenbelastung für diese Familien wirklich enorm ist. Das wird in der vorliegenden Novelle überhaupt nicht berücksichtigt. An die SPÖ, die dazu noch einen Abänderungsantrag eingebracht hat: Das ist richtig und wichtig!

Herr Staatssekretär, wir würden uns erwarten, dass diese Regierung auch auf die restlichen 20 Prozent der Familien schaut, die diesen Bonus nicht erhalten, dass sie nicht einfach zurückgelassen werden, denn es sind die ärmsten Familien, die kaum etwas bekommen, und es ist wirklich schade, dass man diese Familien im Stich lässt und damit die Gesellschaft weiter spaltet.

Apropos im Stich lassen, das passt auch noch zum letzten Punkt, auf den ich eingehen möchte, nämlich das Thema Gemeinden und Länder: Diese werden wieder einmal vom Bund im Stich gelassen und mit den Kosten allein gelassen. Durch die reduzierte Steuerlast aufgrund des Familienbonus Plus haben die Bundesländer geringere Ein­nahmen, und zwar um knapp 162,9 Millionen Euro. Das bedeutet zum Beispiel für Oberösterreich ein Minus von knapp 41 Millionen Euro. Für die Gemeinden – das muss ich auch als Gemeinderat hier kritisieren – sind das wieder einmal Einnahmeausfälle, und zwar von jährlich 136 Millionen Euro. – 136 Millionen Euro weniger für die Gemein­den, das heißt, für die Gemeinden wird es immer enger!


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 26

Es wird immer mehr in der Kinderbetreuung gespart, im Gesundheitsbereich, im Sport­bereich, in der Pflege, im Sozialbereich, in der Daseinsvorsorge. – Das sind die Be­reiche, in denen man dann als Gemeinderat einsparen muss. (Bundesrat Brunner: Das heißt, wir sollen nie mehr Steuerentlastungen machen? Bundesrat Mayer: Müssen wir Steuern erhöhen?) – Seht euch den Bericht des Gemeindebundes an, da gibt es eine super Stellungnahme! Lest euch den durch; der ist mehr von eurer Seite! Da geht es um unglaublich viel Geld. Das kostet zum Beispiel meine Stadt, Braunau, 217 000 Euro. So viel müssen wir im Bereich Daseinsvorsorge einsparen. (Bundesrat Mayer: Aber die Familien kriegen das zurück, die geben das Geld wieder aus!) Das ist unglaublich viel und schränkt die Stadt massiv darin ein, für ihre Bürgerinnen und Bürger Projekte umzusetzen wie zum Beispiel längere Öffnungszeiten in Kindergärten bis hin zu einer besseren Pflegeversorgung.

Und das sind ja nicht die einzigen Kosten, die auf die Gemeinden umgewälzt werden. Ich möchte nur an die aktuellen Verhandlungen über die Bundesmittel für die Kin­derbetreuung erinnern. Da wird wieder einmal zulasten der Gemeinden verhandelt, denn in Zukunft sollen noch weitere Millionen eingespart werden, sollen nur mehr 90 Millionen statt 150 Millionen Euro an Kosten erstattet werden. – Das ist massiv, das ist sehr viel Geld, das da eingespart werden soll, auf Kosten der Gemeinden, auf Kosten der Länder. Das dürfen wir auch im Sinne der Gemeinden nicht einfach so hinnehmen, dass die Regierung solche Sozialleistungen als Last und nicht als Inves­tition in die Zukunft sieht, denn dahin sollten wir uns eigentlich politisch orientieren.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Familien­bonus Plus – Sozial gerechte Familienförderung, die auch einkommensschwache Familien unterstützt und die Gemeinden und Länder nicht auf den Kosten sitzen lässt!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat aus den in der Begründung genannten sozial- und frauenpolitischen Gründen entsprechende Gesetzesentwürfe vorzulegen, die eine sozial gerechte Familienförderung über alle Einkommensgruppen hinweg sicherstellen. Weiters solle die Regierung sicherstellen, dass die finanziellen Auswirkungen die sich aufgrund des ‚Familienbonus Plus‘ auf die Gemeinden und Länder auswirken im Wege des Finanzausgleichs abgefedert werden.“

*****

Ich hoffe auf eure Unterstützung im Sinne der Familien, im Sinne aller Kinder und im Sinne der Städte und Gemeinden. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic. Bundesrätin Mühlwerth: Also ein grün-roter Antrag! Bun­desrat Stögmüller legt jeweils ein Exemplar des Antrags auf die Plätze der Bun­desrätInnen Mayer und Mühlwerth. Bundesrätin Mühlwerth: Das mag ich schon nicht ..., wenn ich einen Antrag so hingelegt krieg!)

14.34


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Der von den Bundesräten Stögmüller und Dziedzic gestellte Entschließungsantrag betreffend Familienbonus Plus – Sozial gerechte Fa­milienförderung trägt nur zwei Unterschriften und ist somit nicht genügend unterstützt. (Bundesrätin Mühlwerth: ... nicht einmal die Geschäftsordnung! So ein Depp! Das ist so eine Rotzpippen!)


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 27

Ich stelle daher die Unterstützungsfrage und bitte jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die diesen Antrag zusätzlich unterstützen wollen, dies also nicht bereits durch ihre Unterschrift zum Ausdruck gebracht haben, um ein Handzeichen. Durch die zusätzliche Unterstützung ist der Antrag als genügend unterstützt anzusehen und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Wortmeldung: Bundesrat Georg Schuster. – Bitte.


14.35.35

Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer auf der Galerie und via Livestream! Ich möchte meine Rede gerne mit einem Zitat eines sehr bekannten französischen Schriftstellers beginnen: „Kinder müssen mit Erwachsenen sehr viel Nachsicht haben.“ Angesichts der Debatte zum Thema Familienbonus Plus heute im Bundesrat – oder auch letzte Woche im Natio­nalrat – müsste dieses Zitat folgendermaßen abgeändert werden: Kinder müssen mit der SPÖ sehr viel Nachsicht haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Es ist nämlich meiner Meinung nach absolut unverständlich, wie man einen solchen Meilenstein der Fami­lien­politik schlechtreden, geschweige denn ablehnen kann.

Ich habe mir Ihren Plan A – A wie alternativlos – hergenommen und habe nachge­lesen, was dort zum Thema Familienentlastung steht. Wie oft, glauben Sie, kommt das Wort Familienentlastung oder Familienbonus in Ihrem Plan A vor? Was glauben Sie? Fünf Mal? Zehn Mal? (Bundesrätin Mühlwerth: Null Mal!) Wer von Ihnen von der SPÖ hat den Plan A überhaupt gelesen? Wahrscheinlich niemand. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Die Antwort ist: exakt null Mal, meine Damen und Herren! (Oh-Rufe bei FPÖ und ÖVP.) Ich habe es dann, damit es ein bisschen einfacher wird, mit dem Wort Familie probiert, da gab es einige Treffer, und ich darf Ihnen sagen, das Wort Familie kommt tatsächlich bei folgenden drei Themenbereichen vor: bei Ihrer Forderung nach dem Ausbau der Zwangstagsschule, bei Ihrer Forderung nach einer 12-Stunden-Gleitzeit­regelung – das wird morgen noch ein Thema sein (neuerliche Oh-Rufe bei FPÖ und ÖVP) – und bei Ihrer Forderung nach einer Förderung von Regenbogenfamilien. (Neuerliche Oh-Rufe bei der FPÖ.)

Weil heute schon angesprochen worden ist, dass die Alleinerzieher da irgendwie ganz schlimm dran sind: Laut Ihrem Plan A würden Sie mit Ihrer Erbschaftssteuer sogar noch der alleinerziehenden Mutter schamlos das Geld aus der Tasche ziehen – so schaut’s nämlich aus. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Bundesrat Pisec: Das ist ein Skandal!)

Meine Damen und Herren, wissen Sie, worin sich unsere Politik von Ihrer roten Klassenkampfpolitik unterscheidet? – Wir sorgen für eine nachhaltige Entlastung für die, die es brauchen, und nicht für zusätzliche Steuern, wie in Ihrem Plan A wie alter­nativlos vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Heute setzen wir einen Meilenstein zum Wohle unserer Kinder und Familien, und ich bin als Vater stolz darauf, dieses Gesetz im Sinne unserer Kinder und Familien mitbeschließen zu dürfen (Beifall bei FPÖ und ÖVP Bravoruf des Bundesrates Pisec), denn die Familien sind eine der großen, tragenden Säulen in unserer Gesellschaft und ohne Kinder gibt es keine Zukunft – aber das haben Sie offensichtlich wieder vergessen.

Wir bringen heute die größte steuerliche Entlastung für Kinder und Familien, welche es je in dieser Republik gegeben hat, auf Schiene. Acht von zehn Kindern werden von dieser Steuerentlastung profitieren, das heißt, es werden über 950 000 Familien in


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Österreich und über 1,6 Millionen Kinder vom Familienbonus Plus profitieren. Pro Kind und Jahr gibt es bis zu 1 500 Euro Steuerbonus, aber auch Alleinerzieherinnen werden effektiv vom Familienbonus Plus profitieren. Von dieser Reform werden auch Klein- und Mittelverdiener profitieren, das bestätigt sogar der Budgetdienst des Parlaments. Für Menschen mit einem Einkommen von bis zu 1 750 Euro entfällt zukünftig die Lohn- und Einkommensteuer zur Gänze. – So etwas ist ein Meilenstein, meine Damen und Herren!

Jetzt zur Frage – es wurde schon angesprochen –, wie man zukünftig zu diesem wun­derbaren Familienbonus kommt: Das funktioniert ganz einfach, denn man hat nämlich die Wahlfreiheit, wie man zu diesem Bonus kommt: entweder ab 2019 wie bisher über die Arbeitnehmerveranlagung oder, und das ist neu, über die Lohnverrechnung.

Ich darf zusammenfassen: Der Familienbonus Plus ist ein Leuchtturmprojekt dieser Regierung zum Wohle unserer Kinder und Familien, eine Entlastung für Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen. Der Familienbonus Plus vermindert direkt die zu zahlende Steuerlast und entfaltet damit die fünffache Wirkung des Kinderfreibetrags.

Diese Initiative zeigt einmal mehr, welch wichtigen Stellenwert die Familie unter dieser neuen Bundesregierung in Österreich einnimmt. Wir investieren in unsere Kinder und somit auch in unsere Zukunft – darauf können wir stolz sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Jetzt habt ihr die Ohrwaschel aufgesperrt da drüben!)

14.40

14.40.51*****


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, muss ich Ihnen, Kollegin Mühlwerth, für die Verwendung des Wortes „Rotzpippen“ einen Ordnungsruf erteilen. Oder neh­men Sie es zurück? (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, ich nehme es nicht zurück, ich nehme den Ordnungsruf! – Beifall bei der FPÖ.) – Dann erteile ich Ihnen hiermit einen Ordnungsruf.

*****

Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


14.41.16

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Fami­lien­bonus möchte ich vorweg feststellen, dass wir die Idee, Familien steuerlich zu entlasten, natürlich positiv finden. Ich möchte die Diskussion jetzt wieder auf eine sach­liche Ebene bringen und noch einmal erklären, warum wir diesem Modell, das hier vorliegt, nicht zustimmen können.

Vorweg möchte ich noch Folgendes sagen: Ja, Kollege Schuster, wir beide werden als Elternteile von diesem Familienbonus profitieren. Wir sind aber nicht die, die es brauchen, und es geht in der Politik nicht darum, Politik für uns als Profiteure zu machen (Bundesrat Schuster: Machen wir ja auch nicht! – Bundesrätin Ecker: Machen wir nicht!), sondern darum, Politik für die Menschen zu machen, die es brauchen. Das ist der Unterschied! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 29

Stögmüller. – Bundesrat Spanring: Keine Sorge, auch Christian Kern wird profitie­ren!)

Ich arbeite in einer Familienorganisation und habe tagtäglich und sehr viel mit Familien zu tun. Wir sind im Jahr 2018, und es gibt sehr viele unterschiedliche Familien­konstel­lationen. Ich habe viel mit Elternteilen zu tun, die als AlleinerzieherInnen mit ihren Kindern im Haushalt leben. Ich habe mit Familien zu tun, bei denen beide Elternteile arbeiten, aber möglicherweise in Bereichen, in denen das Gehalt mehr schlecht als recht reicht. Das heißt nicht, dass sie nicht arbeiten; sie arbeiten, aber der Lohn reicht nicht aus, um in die Bereiche zu kommen, in denen dieser Bonus greifen wird. (Bundesrat Steiner: Aber dann muss man dazusagen, dass sie keine Steuern zahlen!)

Es gibt die verschiedensten Arten von Familien, und all diese Elternteile arbeiten und fragen mich in den letzten Tagen: Ist dieser Familienbonus auch für mich? Wie viel werde ich herausbekommen? Wann bekommt man das? Was bleibt mir? Was be­komme ich pro Monat über diesen Familienbonus dazu? (Bundesrat Mayer: ... sagt sicher, das nehmen wir nicht ...!) – Edgar, das ist unfair. (Bundesrat Mayer: Nein, nicht unfair!)

Es geht mir um die Familien, die leer ausgehen, und das sind gar nicht so wenige. Ich habe mir das Modell im Detail angesehen. Die Grundvoraussetzung ist, dass man min­destens 1 500 Euro Steuern bezahlt; dann bekommt man diese volle Unterstützung. (Bundesrätin Mühlwerth: Verdient! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das betrifft ungefähr 64 Prozent aller Familien; denen sei es vergönnt, die bekommen diesen vollen Betrag. Wir wissen aber, dass 26 Prozent der Familien viel weniger bekommen, manche bekommen etwa 250 Euro. Das betrifft eben hauptsächlich AlleinerzieherInnen, drei Viertel davon sind übrigens Frauen, es betrifft auch Studierende, und wir wissen, dass diese Gruppen nicht zu denjenigen gehören, die sich am Ende des Monats überlegen, was sie denn mit ihrem Geld noch machen könnten.

Dazu kommt noch, dass 10 Prozent der Familien nichts davon bekommen werden und nichts davon sehen werden. Die Eltern der Kinder in diesen Familien sind möglicher­weise arbeitslos oder beziehen Mindestsicherung. Wir wissen, dass zwei von drei Be­zie­herInnen der Mindestsicherung sogenannte Aufstocker sind; nur einer von drei bekommt die Mindestsicherung in voller Höhe, die anderen sind Aufstocker, das heißt, sie arbeiten, erhalten aber so wenig Lohn, dass sie zusätzlich etwas über die Min­destsicherung bekommen. Diese Kinder, die in Armut aufwachsen – und das sind in Österreich an die 116 000 (Bundesrat Rösch: Dank SPÖ!) –, sind überall benachteiligt. Wir wissen aus den Enqueten des letzten Jahres, dass sie höhere Gesundheitsrisiken haben, sie haben schlechtere Bildungschancen et cetera. Und genau diese Kinder gehen leer aus. (Bundesrat Rösch: Wer hat denn die Mittelschicht ausgehungert? – Bundesrat Weber: Schüssel I und II!)

Welche gesellschaftlichen Verhältnisse produzieren wir damit? Das möchte ich wirklich wissen! Was ist das für eine Gesellschaft, in der 10 Prozent der Familien, die jetzt schon arm sind, wieder nichts bekommen? (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ein paar Details noch dazu: Wir wissen, dass hauptsächlich Männer Vollzeit arbeiten, das heißt, dieser Familienbonus greift hauptsächlich bei Männern. Das heißt, das ist eine männliche Förderung. (Bundesrat Steiner: Ich habe gar nicht gewusst, dass es bei Förderungen ein Geschlecht gibt!) Wir wissen, dass es für geschiedene Eltern extrem schwierig wird, herauszufinden, in welcher Konstellation sie am meisten von diesem Familienbonus haben. Man braucht schon fast einen Steuerberater, eine Steuer­­beraterin, um die beste Möglichkeit zu finden.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 30

Mein Kollege Stögmüller hat es schon gesagt: In Oberösterreich ist die Situation speziell, weil seit dem heurigen Frühjahr die Betreuung der Kinder am Nachmittag noch mehr kostet. Da bleibt dann von diesem Familienbonus fast gar nichts übrig. (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Angleichung an österreichweite Verhältnisse!) Mit dem Kinderbetreuungsbonus, den es in Oberösterreich gibt, werden auch noch Eltern belohnt, die ihre Kinder nicht in eine Bildungseinrichtung geben. Kinder werden damit eigentlich ihrer Elementarbildung beraubt.

Wir haben einmal überschlagsmäßig durchgerechnet, was man denn mit diesen 1,5 Mil­liarden Euro, die für den Familienbonus verwendet werden, Sinnvolleres, Nach­halti­geres hätte anstellen können, das Österreich und unsere Kinder und die nächsten Generationen wirklich nach vorne gebracht hätte.

Wir hätten mit diesem Geld einerseits 37 000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige, die wir dringend brauchen – das bestätigen uns alle internationalen Studien –, finanzieren können. Zusätzlich hätten wir Vollzeitkindergartenöffnungszeiten für alle sicherstellen können. Das ist angesichts des 12-Stunden-Tages, den wir offen­sichtlich noch beschließen müssen (Zwischenrufe bei der ÖVP), dringend notwendig. Wir hätten ein kostenloses zweites Kindergartenjahr für alle garantieren können. Wir hätten zusätzliche pädagogische Fachkräfte finanzieren können. Wir hätten außeror­dentliche Lohnerhöhungen für das Personal und damit eine Angleichung der Elemen­tar­pädagogInnen an die SchulpädagogInnen bewerkstelligen können. Das alles wäre sich mit diesem Betrag ausgegangen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Es wäre nachhaltig gewesen, in Kinderbildung statt in Steuerzuckerl zu investieren. Das wäre sinnvoll für unsere Zukunft gewesen.

Ich möchte noch etwas betonen und dabei auf die Aussendung des Österreichischen Städtebundes hinweisen, der tatsächlich Investitionseinbußen befürchtet, und zwar noch zusätzlich zu den Kürzungen im Bereich der Kinderbetreuung. Es ergibt sich also eine doppelte Belastung für die Gemeinden, die sich wiederum auf die Kinder­betreu­ung und die Elementarpädagogik auswirken würde. Mein Kollege hat es schon ange­sprochen: Ab 2020 würden den Städten und Gemeinden in diesem Bereich 136 Mil­lionen Euro pro Jahr weniger zur Verfügung stehen. Ich frage mich, wie sich das alles ausgehen soll und wie wir damit unseren Bildungsstandard halten, wenn nicht sogar ausbauen wollen. Ich wage zu bezweifeln, dass das möglich sein wird.

Als Fazit: Für diese Regierung gibt es Kinder, die mehr wert sind, und Kinder, die weniger wert sind. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!) Abgesehen davon, dass das dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz und den Kinderrechten widerspricht, und abge­sehen davon, dass das der bisherigen österreichischen Tradition, dass uns jedes Kind gleich viel wert ist, widerspricht, weiß ich auch nicht, welche Gesellschaft wir damit produzieren, wenn wir diesen Familienbonus befürworten. Alle, die das tun, nehmen ein gesellschaftliches Gefälle in Kauf. Sie nehmen in Kauf, dass ein Drittel der Familien an unserem Wohlstand nicht teilhaben können. Wie wir mit den Folgen dieser Un­gleichheit und Ungerechtigkeit irgendwann einmal umgehen werden, steht wohl in den Sternen.

Wir von der SPÖ stehen für diese Ungerechtigkeit jedenfalls nicht zur Verfügung. Wir stehen dafür, dass jedes Kind eine schöne Kindheit haben soll und dass alle Kinder die gleichen Chancen im Leben haben sollen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­des­rätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

14.49


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 31

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Bitte.


14.50.24

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon vieles über das Jahressteuergesetz gehört, ich gehe aber zuerst auf die Randthemen ein.

Zum ersten Thema: Im Jahressteuergesetz ist festgelegt, dass auch für die Unter­neh­mungen entsprechende Beratungen in finanziellen Angelegenheiten verankert sind, wodurch man Steuerhinterziehungen vermeiden will.

Ein weiterer Punkt: das Versicherungssteuergesetz. Bei Elementarrisikover­sicherun­gen hat man auch Anpassungen im Zusammenhang mit dem Thema Klimaänderung vor­genommen. Die Steuer wird nicht mehr von der Prämie berechnet, sondern sie beträgt 0,2 Promille der Versicherungssumme. Das ist auch eine entsprechende Summe, die da betreffend Klimaänderung verankert wurde.

Es ist hochinteressant, wir haben mit der SPÖ auch eine Steuerreform gemacht, die sehr vernünftig gewesen ist, nämlich den Steuersatz auf 25 Prozent zu senken. (Ruf bei der SPÖ: So ist es!) Jetzt machen wir eine Steuerentlastung, und ich bedanke mich bei allen Österreicherinnen und Österreichern, die Steuern zahlen, denn sie sind diejenigen, die es ermöglichen, Sozialleistungen für das Land zu erbringen, dass wir eine Studiengebührenbefreiung haben, dass wir als Politiker unser Gehalt bekommen. Ein herzliches Dankeschön an alle Österreicherinnen und Österreicher, die Steuern zahlen! (Beifall ÖVP und FPÖ.)

Wir haben es damals mit der FPÖ-ÖVP-Koalition geschafft, dass es die Lohn­steuer­be­freiung bis 12 600 Euro in Österreich gibt. Niemand zahlt Steuern, der unter 12 600 Euro Jahreseinkommen hat, aber derjenige, der 12 700 Euro Jahreseinkom­men hat, zahlt 3 170 Euro Steuern. Das ist auch nicht gerecht, es sind nur 100 Euro Einkommens­unterschied und man zahlt auf einmal mehr.

Ich muss sagen, mit diesem Familienbonus Plus haben wir wirklich einen Meilenstein für Österreich geschaffen, denn 950 000 Familien werden damit entlastet. Ich sage, es ist ein wirklicher Meilenstein, wir haben noch nie in den letzten 50 Jahren eine solche Entlastung für Familien geschaffen. Es ist keine Sozialleistung, sondern es ist ein Entgegenkommen gegenüber den vielen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Öster­reichs.

Ich glaube, es wird in Zukunft wichtig sein, dass mehr Menschen Steuern zahlen, dass sie ein besseres Einkommen erwirtschaften, um im Leben damit auszukommen. Es ist auch gut gewesen, dass sich in diesem Gesetzentwurf auch die Personen, die nicht in eine Steuerklasse hineinfallen, mit 250 Euro wiederfinden.

Ich verstehe die Meinung der SPÖ nicht ganz, aber auch nicht jene des Herrn Kollegen Stögmüller, denn da werden Kraut und Rüben vermischt. Es ist eine vernünftige Lösung, ein weitreichender Ausblick für die Zukunft der Familienpolitik. Die Familie ist das Kernstück unserer Gesellschaft, denn funktioniert die Familie, so funktioniert die Gesellschaft, funktioniert das Vereinsleben, funktioniert die Republik.

Ich betone, es ist ein Meilenstein und wir können nur auf diesem Meilenstein aufbauen. Österreich ist auf einem hervorragenden Weg unterwegs. Hinsichtlich des Unter­schieds zwischen Nichtsteuerzahlern und Höchststeuerzahlern ist Österreich eines jener Länder, in dem die größte Spanne zwischen Steuerzahlern und Nichtsteuer­zah­lern vorherrscht.

In diesem Sinne können wir nur sagen: Wir stimmen natürlich gerne zu, keinen Ein­spruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 32

Ich bringe aber noch folgenden Entschließungsantrag, der von Kollegen Mayer und von Kollegin Mühlwerth unterstützt wird, ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ferdinand Tiefnig, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kein Nachteil für Auslandsbedienstete, Entwicklungshelfer und Wirtschafts­delegierte in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, eine Lösung zu entwickeln, welche sicherstellt, dass der Personengruppe der Auslandsbediensteten, Ent­wicklungshelfer und Wirtschaftsdelegierten, die sich mit Kindern im Ausland auf­halten, in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus ein sachgerechter An­spruch erwächst. Dieser Vorschlag soll zeitgerecht für die Beratungen des Ausschus­ses für Familie und Jugend über die Regierungsvorlage ‚Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden (111 d.B.)‘ vorliegen.“

*****

Somit stimmen wir gerne zu, keinen Einspruch gegen den Beschluss dieser Geset­zesvorlage oder des Familienbonus Plus zu erheben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.55


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Der von den Bundesräten Tiefnig, Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „Kein Nachteil für Auslandsbedienstete, Entwick­lungs­helfer und Wirtschaftsdelegierte in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. – Bitte sehr.


14.55.53

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ratspräsidentin! Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseher! Kollege Lindinger hat vorhin schon § 78 angesprochen, der im Zuge des Jahressteuergesetzes geändert wird.

Es gibt da einen wesentlichen Unterschied zum Begutachtungsentwurf, denn nun steht es dem Dienstgeber frei, ob er die Monatsabrechnung elektronisch zuschickt. Es wurde vorhin schon von Kollegen Lindinger in den Raum gestellt, es ist nicht eine Frage des intellektuellen Könnens, ob die Monatsabrechnung auch elektronisch empfangen werden kann, aber es ist sehr wohl eine Frage des finanziellen Könnens, ob man die Hardware zur Verfügung hat und sie sich leisten kann, ob man sich die Software und den Internetzugang leisten kann und ob er einem möglich gemacht wird.

Diese Regierung stellt Regeln auf, ohne dann dafür zu sorgen, dass wir flächen­deckend – das kann ich für Niederösterreich sagen – überhaupt die Möglichkeit eines Internetzugangs haben. Dazu müssen wir zuerst die Rahmenbedingungen schaffen! Meines Erachtens ist nicht zu leugnen, dass wieder einmal – und es ist nicht das einzige Mal – ein Gesetz und eine Ergänzung gemacht werden, die den Dienstnehmer


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 33

benachteiligen. Mag es auch noch so unwichtig erscheinen, das ist es nicht, denn es ist ein Zeichen der Wertschätzung den Dienstnehmern gegenüber.

Des Weiteren möchte ich auf § 33 Bezug nehmen, in dem das Einkommen­steuer­gesetz geregelt ist, auf den Familienbonus: Es ist schon sehr viel darüber gesprochen worden, und mein Kollege hat gemeint – wir sind uns in der SPÖ-Fraktion einig –, es ist für viele tatsächlich ein Familienmalus. Darüber will ich jetzt im Detail und im Allge­meinen nicht noch einmal lange reden, aber auch Herr Bundesminister Löger hat ge­sagt, dieser Familienbonus wird von 80 Prozent abzuholen sein. Das heißt, man nimmt bewusst in Kauf, dass 20 Prozent nicht davon profitieren werden, und das sind jene, die es am dringendsten brauchen.

Ist uns auch bewusst, dass der Kindermehrbetrag tatsächlich nur ein Sechstel des Familienbonus ist? Das heißt, diese Kinder haben nur ein Sechstel des Wertes – das kann es nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Des Weiteren gibt es da auch Lücken: Es gibt Familien und vor allem Kinder, die ganz durch den Rost fallen. Das ist der Fall, wenn ein Ehepaar oder in einer Lebens­gemeinschaft beide Elternteile zwischen 6 000 und 11 000 Euro verdienen, denn beide haben sie keinen Anspruch auf Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbeträge und damit keinen Anspruch auf den Kindermehrbetrag und beide haben sie keinen Anspruch auf den Familienbonus. Das heißt, diese Kinder bekommen gar nichts! Und ich bin nicht einverstanden damit, wenn lapidar dazu gesagt wird, das seien ausge­franste Beispiele. Diese Kinder sind nicht ausgefranst, diese Kinder sind Teil unserer Gesellschaft und Teil unserer Zukunft! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Und: Wir stecken mit diesem Gesetz Kinder in Schubladen, wir legen einen Raster über unsere Kinder, in dem ihnen ein Platz zugewiesen wird, und diesen Platz zu ver­las­sen wird für diese Kinder ganz, ganz schwer sein. Wir werden uns in Zukunft wieder damit beschäftigen müssen, wie wir mit – dann – Erwachsenen umgehen, die nicht den Zugang zur Bildung hatten, die nicht die Möglichkeit hatten - - (Bundesrätin Mühlwerth: Jeder hat den Zugang zur Bildung! Wovon redet ihr die ganze Zeit? Jeder hat den Zugang zur Bildung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Den Zugang zur Bildung haben sie schon, allerdings nicht den Zugang zu zusätzlicher Bildung. (Bundesrat Schuster: Aber geh!)

Worüber wir jetzt auch reden können, ist, dass diese Regierung verlautbart hat, dass 30 Millionen Euro bei der Kinderbetreuung eingespart werden sollen. Und jetzt erklären Sie mir: Wie sollen die Eltern aus der Spirale herauskommen? Sie verdienen zu wenig, um die Kinderbetreuung zahlen zu können, sie bekommen keinen Familienbonus. Bei der Kinderbetreuung werden 30 Millionen Euro eingespart. – Ja, wie soll das gehen? Wie soll die Spirale sich nach oben drehen? (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schuster: Das ist Angstmache!)

Somit kann ich mich hier nur unserer Fraktion anschließen, ich stehe vollinhaltlich zu dieser Entscheidung, dass wir dem nicht zustimmen können. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schuster: Gegen die Familie!)

15.02


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.


15.02.28

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Sehr


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 34

geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf meine Vorredner eingehe, möchte ich schon noch eines zum Ordnungsruf anmerken, den ich bekommen habe, weil ich „Rotzpippen“ gesagt habe.

Ich weiß nicht, wie ich das nennen soll, wie sich Herr Kollege Stögmüller uns gegenüber, mir gegenüber im Speziellen, benommen hat. – Lern einmal die Ge­schäftsordnung! Natürlich braucht er die SPÖ, um einen Antrag einbringen zu können. Im Gegensatz zu ihm kenne ich die Geschäftsordnung und weiß, dass man einen Antrag nicht zu zweit einbringen kann. Und dann fetzt er den Antrag hin (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), also das würde ich mit niemandem machen. Das ist ja nicht das erste Mal, er schmeißt uns meistens die Anträge so hin. Ja, und da ist mir in der Emotion der Ausdruck „Rotzpippen“ entwischt, aber ich bedauere ihn nicht, das sage ich Ihnen! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Herr Kollege Stögmüller könnte auch einmal ein wenig über sein Benehmen nach­denken, daran hätte er auch noch ein bissel zu arbeiten. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Aber du auch, Monika!)

Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, haben ja heute hier gewaltig auf die Tränendrüsen gedrückt (Bundesrat Stögmüller: ...! Scheiß drauf!) und alles ganz furchtbar - - (Bundesrat Steiner: Er hat „scheiß drauf“ gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Das ist ja unglaublich da hinten!)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Entschuldigung, ich habe jetzt nicht aufgepasst. Was hat er gesagt? (Bundesrat Steiner: „Scheiß drauf“!)


Bundesrätin Monika Mühlwerth (fortsetzend): Was hat er gesagt? (Bundesrat Steiner: „Scheiß drauf“! Unglaublich!) – So, auch vom Platz aus! Bitte schön!

15.04.18*****


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich habe das wirklich nicht gehört, aber, Kollege Stögmüller, auch dir muss ich einen Ordnungsruf erteilen. Das passt nicht zur Würde dieses Hauses! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Der ist sozial auffällig!)

******


15.04.59

Bundesrätin Monika Mühlwerth (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin, aber ich fürchte, der Kollege wird es nicht mehr lernen.

Also: Sie von der SPÖ haben heute die Tränendrüsen wirklich sehr in Anspruch genommen. Ich weiß nicht, aber zumindest bei Kollegen Lindinger hatte ich das Gefühl – ich habe ihn schon wesentlich besser reden gehört –, dass es ihm gar nicht so leichtgefallen ist, das so ablehnend zu behandeln und so runterzumachen. Ich möchte Sie aber schon an eines erinnern, sehr geehrte Kollegen von den Sozial­demokraten, was die eine Million armutsgefährdete Menschen in Österreich betrifft: Wer war da in der Regierung? Die FPÖ? – Sozialdemokraten! Von den über eine Mil­lion armutsgefährdeten Menschen sind 290 000 Kinder, Statistik 2016. Wer hatte das Sozialministerium? – Die Sozialdemokraten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Was Sie hier die ganze Zeit negieren, ist: Es geht um eine Steuerentlastung! Und wie das Wort Steuerentlastung schon sagt, profitieren natürlich vor allem jene davon, die auch Steuern zahlen. Das liegt in der Logik der Sache. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Selbstverständlich haben wir auch jene bedacht, die keine Steuern zahlen (Bundesrätin Grimling: Nein, nein! – weiterer Widerspruch bei der SPÖ), die ja, wie


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 35

jetzt schon mehrfach gesagt worden ist, mit 250 Euro begünstigt werden. Weiters vergessen Sie bitte nicht, dass jene, die so wenig verdienen, natürlich auch Mietzinsbeihilfe und andere Förderungen bekommen! Es ist ja nicht das alleine, man schaut ja darauf, dass die eben nicht unter die Räder kommen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dann darf ich Sie auch noch daran erinnern, dass für jene, die nur bis 1 948 Euro verdienen, seit 1. Juli 2018 dank der blau-schwarzen Regierung der Versicherungs­beitrag entfällt. Das entlastet die Familien ebenso, und zwar mit im Schnitt 300 Euro pro Jahr. Also rechnen Sie das einmal zusammen! Das ist doch während Ihrer Regierungsbeteiligung, als Sie den Sozialminister gestellt haben, überhaupt nie möglich gewesen! Also wovon reden Sie, wenn Sie da immer von den armen Familien sprechen? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Gerede von der Schubladisierung der Kinder und von den armen Kindern, die keinen Zugang zur Bildung haben – ich kann es nicht mehr hören! Zum Ersten: Wer hatte seit 2004 das Bildungsministerium? – Die Sozialdemokratie! Was hat die Sozial­demokratie in dieser langen Zeit geschafft? – Ein Fünftel aller Kinder kann nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen, wenn sie die Schule verlassen. Das nennt man erfolgreiche Bildungspolitik! (Bundesrat Steiner – in Richtung SPÖ –: Bravo! – Bundesrätin Grimling: Und die ÖVP war nicht dabei?) Die Jugend wird Ihnen wirklich dafür danken, dass Sie so eine Bildungspolitik betrieben haben.

Zugang zur Bildung hat jeder! Wir haben öffentliche Schulen, von der Volksschule bis zum Gymnasium und dann weiter bis zur Universität. Und jeder, der will und der sich anstrengt – ob er ein Inländerkind ist, ob er aus armen Verhältnissen kommt, ob er aus dem Mittelstand kommt, ob er ein Ausländerkind ist, ganz gleich –, kann es von der Volksschule bis zum Universitätsabschluss bringen. Man muss aber etwas dafür tun, denn den Nürnberger Trichter gibt es nicht, wo man oben das Wissen hineinfüllt und unten die Matura herauskommt. Jeder, der willens ist, zu lernen, und das Bildungs­angebot, das ja kostenlos zur Verfügung steht, annimmt, kann und wird es auch schaf­fen.

Reden Sie also nicht immer davon, dass es keinen gerechten Zugang zur Bildung gibt! Da müssten Sie sich nämlich selber bei der eigenen Nase nehmen und fragen: Ja, wo waren denn wir Sozialdemokraten in den letzten 20 Jahren, haben wir den Kindern den Bildungszugang verweigert? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich kann Ihnen abschließend also nur raten: Lassen Sie die Kirche im Dorf (Bun­desrätin Grimling: Sie aber auch!), fokussieren Sie sich nicht immer auf sich selber, und versuchen Sie einmal, einigermaßen gerecht zu sein! Das gelingt Ihnen ja zurzeit überhaupt nicht, weil Sie überhaupt nicht wissen, was Sie mit Ihrer Oppositionsrolle anfangen sollen, aber vielleicht kommen auch Sie in einem stillen Moment des Nachdenkens drauf, dass diese Maßnahmen für die Familien absolut gut und wirksam sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.09


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Mag. Dr. Hubert Fuchs. – Bitte sehr.


15.10.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs: Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Die Bundesregierung hat sich im Regierungsprogramm dazu bekannt, anstatt jährlich meh-


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 36

rere Steuerrechtsnovellen zu initiieren, künftig sämtliche steuerliche Änderungen in einem einzigen Gesetz, einem sogenannten Jahressteuergesetz, zu verpacken.

Herr Bundesrat Lindinger, Sie meinten: „ein neuer Name“. – Da haben Sie sich in der Vergangenheit mit der Materie des Steuerrechts nicht wirklich auseinandergesetzt. Wir hatten in der Vergangenheit viele Sammelgesetze – wir hatten Abgabenän­derungs­gesetze, wir hatten Budgetbegleitgesetze; das waren alles Sammelgesetze –, und zu­sätzlich, Herr Bundesrat, hatten wir noch viele, viele Novellen des Einkom­men­steuergesetzes. All das wird es in Zukunft nicht mehr geben, sondern es wird ein Jah­res­steuergesetz geben, in das alles verpackt ist. So steht es im Regierungsprogramm, und so haben wir es auch umgesetzt. Wenn Sie sagen, das ist nur ein neuer Name, dann haben Sie, sage ich einmal, in der Vergangenheit nicht wirklich aufgepasst. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In der Vergangenheit gab es im Einkommensteuergesetz eine Vielzahl an Novellen, im Schnitt waren es 5,4 Novellen pro Jahr, und mit diesem Jahressteuergesetz 2018 wird dieser Unfug für die Zukunft beendet. Jahressteuergesetze schaffen Klarheit, aber auch Rechtssicherheit für die Steuerzahler. Rechtssicherheit bedeutet Planungssicher­heit und ist somit ein entscheidender Standortfaktor; aber auch inhaltlich sorgt das Jahressteuergesetz für mehr Rechtssicherheit, wie zum Beispiel durch Advance Ruling beziehungsweise die begleitende Kontrolle, wie hier schon angemerkt wurde.

Wenn ich mir überlege, dass diese Regierungsvorlage 42 Seiten hat und eine Vielzahl von Rechtsmaterien behandelt, die Opposition hier aber nur zwei, drei Rechtsmaterien aus diesen 42 Seiten kritisiert, dann möchte ich behaupten, dass dies eigentlich ein sehr, sehr gutes Gesetz ist, weil Sie an diesem Gesetz außer ein paar Kleinigkeiten nichts Kritikwürdiges finden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich möchte der Opposition einmal generell folgende Frage stellen: Wie wollen Sie einen Steuerzahler entlasten? Erklären Sie mir einmal, wie Sie einen Steuerzahler entlasten wollen! Mir ist bewusst, dass insbesondere die SPÖ immer großartige Ideen hat, wie man Geld ausgibt; wie man den Einkommensteuersatz, die Einkommen­steuer­belastung senkt, davon hat man von Ihnen in der Vergangenheit jedoch nicht viel gehört. (Ruf bei der SPÖ: Wir wollen die Familien entlasten! – Bundesrat Weber: Da habt aber ihr nicht ... verstanden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch einmal zu meiner Ausgangsfrage: Wie entlastet man einen Steuerzahler? – Nach Ihrer Methodik kann man einen Steuerzahler nur dann entlasten, wenn man gleich­zeitig auch diejenigen, die keine Steuer zahlen, entlastet. Sie haben die Systematik der Steuerentlastung noch nie verstanden. (Heiterkeit der BundesrätInnen Mühlwerth und Krusche.) Wir wollen Familien, die Einkommensteuer zahlen, entlasten. Das ist unser Ziel, und der Familienbonus Plus sichert dieses Ziel. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Novak: Sie verteilen ...!) Nach Ihrer Vorgangsweise ist es unmöglich, eine Steuerentlastung vorzunehmen – das haben Sie in der Vergangenheit aber auch bewiesen. (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.)

Ich muss aber Bundesrat Lindinger betreffend eine Aussage recht geben. Sie haben gesagt (Bundesrat Weber: Die Reichen werden reicher!), Sie sind kein Steuerexperte (Heiterkeit bei der FPÖ), und Sie haben das in Ihrer Rede auch mehrfach unter Beweis gestellt, Herr Bundesrat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.

Herr Bundesrat Lindinger, wenn Sie sagen, Sie haben sich schon lange nicht mehr mit Familienförderungen beschäftigt (Bundesrätin Mühlwerth: Das merkt man!), weil es Sie nicht mehr betrifft, weil Ihre Kinder groß sind, dann ist das schon ein Armuts­zeugnis. Sie sollten sich auch mit Dingen beschäftigen, von denen Sie nicht persönlich profitieren, weil Sie hier als Bundesrat sitzen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der


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SPÖ: ... ein Staatssekretär, oder was? – Bundesrat Weber: Ein Sparsekretär! – Wei­tere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu Ihrer Anmerkung betreffend die Hinzurechnungsbesteuerung: Sie sagen: Da kommt es zu einem Methodenwechsel, da „wird einfach umgestellt“. – Da muss ich Ihnen sagen: Ich glaube nicht, dass Sie wissen, wovon Sie sprechen, denn einen Metho­denwechsel hat es in der Vergangenheit schon gegeben. Der Methodenwechsel ist ein Instrument zur Bekämpfung des Missbrauchs, und Sie sagen: Da „wird einfach umgestellt“.

Ich darf Ihnen einmal erklären, was das heißt, da wird einfach umgestellt: Vorher wäre es steuerbefreit, aber wenn bestimmte Parameter vom Unternehmen nicht erfüllt wer­den, dann wird, so wie Sie es bezeichnen, umgestellt – es kommt quasi zu einem Methodenwechsel. Das heißt, von der Steuerbefreiung kommt es plötzlich zu einer Besteuerung, und Sie sagen: Das wird einfach eingeführt. – So intensiv beschäftigen Sie sich mit Regierungsvorlagen. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Auch das Thema Grunderwerbsteuer haben Sie angeschnitten. Die Grunderwerb­steuer ist in diesem Bereich seit 1955 unverändert. Es hat nie einen Grunderwerb­steuertatbestand zur mittelbaren Anteilsvereinigung gegeben, und den wird es auch in Zukunft nicht geben. Das ist eine reine Klarstellung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich muss aber auch unseren Bundesrat, Kollegen Schuster, korrigieren (Oh-Rufe bei der SPÖ), der meinte, Kinder müssen mit der SPÖ sehr viel Nachsicht haben. – Ich würde das ergänzen: Auch mit den Grünen muss man sehr viel Nachsicht haben. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Schuster: Gibt es ja fast keine mehr! – Bundesrat Lindner: Da habe ich mir mehr erwartet! Das war ein bisschen lau!)

Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner, wenn Sie sagen, Sie werden gefragt und kön­nen keine Antwort geben, inwieweit Familien vom Familienbonus Plus profitieren, darf ich Ihnen Folgendes sagen: Es gibt seit geraumer Zeit den Familienbonus-Plus-Rechner auf der Homepage des BMF; da erfährt man ganz genau, in welcher Höhe man profitiert.

Abschließend noch zu Frau Bundesrätin Andrea Kahofer: Wenn Sie bezüglich einer elektronischen Zustellung des Lohnzettels meinen, das sei ja unerhört, darf ich Sie auf Folgendes hinweisen – aber wahrscheinlich haben Sie die Materialien zum Gesetz nicht gelesen –: Es war schon bisher erlaubt, eine entsprechende elektronische Zustel­lung des Lohnzettels vorzunehmen. Das heißt, wir haben da ausdrücklich eine Erlaub­nis aufgrund der Lohnsteuerrichtlinien, und was da erfolgt ist, ist lediglich eine gesetz­liche Klarstellung. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.17

15.17.44


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich würde Sie wirklich darum bitten, diesem Haus und vor allem unseren Bundesrätinnen und Bundesräten von der Regierungsbank aus den nötigen Respekt entgegenzubringen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schuster: Was? – Bundesrat Raml: Es wurde ja nur gesagt, dass die Materialien nicht gelesen wurden!) – Es war schon so.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 38

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt der Antrag der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Familienbonus Plus – Sozial gerechte Familien­för­derung vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters der Antrag der Bundesräte Tiefnig, Mühlwerth, Kolleginnen und Kol­le­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Kein Nachteil für Auslands­be­dienstete, Entwicklungshelfer und Wirtschaftsdelegierte in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus“ vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 254-BR/2018)

15.20.012. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Versicherungsvertragsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden (302/A und 223 d.B. sowie 10003/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Ich bitte um den Bericht.


15.20.10

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz, das Konsumenten­schutz­gesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ewald Lindinger. – Bitte sehr.


15.20.49

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich)|: Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Lehrstunde, die Sie für mich gehalten haben! Ich denke, als Staatssekretär haben Sie andere Aufgaben, als uns Bundesrätinnen und Bundesräten solche Dinge vorzuwerfen, wie dass wir nicht alles durchlesen, dass wir nicht wissen, was wir hier beschließen!


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 39

(Bundesrat Schuster: Das war eine Richtigstellung! – Ruf bei der FPÖ: Wenn ihr solche Behauptungen aufstellt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herr Staatssekretär! In diesem Jahressteuergesetz sind nahezu 25 Gesetze verpackt, und ich glaube auch nicht, dass Ihre Parteifreunde hier, sofern es Freunde sind, diese Gesetze gelesen und sich genau mit dieser Materie beschäftigt haben. (Bundesrat Bader: Was soll das jetzt?!) Wenn ich mich mit Familienpolitik nicht so genau be­schäftigt habe, Herr Staatssekretär, dann deswegen, weil ich als Bundesrat auch andere Aufgaben habe, als mich speziell mit Familienpolitik zu beschäftigen, nämlich zum Beispiel Vorsitzender des Finanzausschusses zu sein. Das waren Sie übrigens auch einmal, und wir waren ja einmal gemeinsam in Brüssel bei einer Tagung der Finanzausschüsse. Ich habe Sie immer sehr geschätzt, aber ich ersuche Sie, diese Belehrungen mir gegenüber in Zukunft zu unterlassen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. Ruf bei der FPÖ: Sei nicht so wehleidig!)

Geschätzte Damen und Herren, zum Versicherungsvertragsgesetz: Der Konsumenten­schutz ist uns im Hohen Haus immer ein Anliegen. Wie kommt es eigentlich dazu, dass ein funktionierendes Gesetz hier zur Abänderung steht? Eine mangelhafte Belehrung hat zu einem Rücktrittsrecht geführt, und dieses Rücktrittsrecht war ein ewiges Rück­trittsrecht. Jetzt hat man sich entschlossen, dieses Rücktrittsrecht einzuschränken. Ich kritisiere dabei schon, dass das Gesetz mit 1.1.2019 in Kraft treten soll und auf die Versicherungsverträge anzuwenden ist. Dass das Gesetz rasch in Kraft tritt und es da zu einem sehr raschen Wechsel kommt, das kritisiert auch der Verein für Konsumen­teninformation.

Ich bin froh, dass hier heute kein Abänderungsantrag vorliegt, wie bei anderen Ge­setzen, mit welchem das Inkrafttreten noch einmal vorgezogen wird, um noch schneller zu sein – das ist aber nicht der Fall, es ist ja schnell genug. Der Verein für Kon­sumenteninformation hält das aber für ein wenig verunsichernd.

Wir wissen ganz genau, dass Lebensversicherung für manche Lebensversicherung und für manche Lebensabschnittsversicherung für den letzten Lebensabschnitt heißt; wenn diese Menschen in Pension gehen, wird das als Altersvorsorge gemacht, und dieser Altersvorsorge wird mit dem Antrag das Schutzrecht genommen; das ist damit völlig unvereinbar. Wenn die Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten beein­trächtigt werden, dann treten wir für sie ein und sagen: Das ist nicht gut!

Da eine Verschlechterung der Rechtsposition von Millionen österreichischen Lebens­versicherungskunden deutlich wird, wird klar, dass der Konsument wirklich der Schwächere ist. Wurde im Ausschuss davon gesprochen, dann wurde gesagt: Seien Sie beruhigt, die Versicherungswirtschaft hat ja bei der Gestaltung dieses Gesetzes mitgewirkt!

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Versicherungswirtschaft arbeitet bei der Ge­staltung des Gesetzes mit. Es geht aber nicht um die Versicherungswirtschaft, es geht um die Konsumentinnen und Konsumenten! Bei dieser Aussage hat es mir schon ein wenig die Haare aufgestellt und mir ist das Schaudern gekommen, dass auf einmal gesagt wird: Ja, die Versicherungswirtschaft hat eh mitgewirkt und ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, das ist unions- und verfassungsrechtlich abgedeckt, und es ist für die Konsumentinnen und Konsumenten mit keinen Problemen verbunden.

Ich denke, wenn jene mitwirken, die einen Vorteil davon haben, ist das sicher nicht zum Vorteil der Konsumentinnen und Konsumenten, sondern zum Vorteil jener Ver­sicherungsgesellschaften, die davon profitieren. Aus diesem Grund werden wir die Zustimmung verweigern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

15.26



BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 40

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Bitte.


15.26.25

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Das Versicherungsvertrags­ge­setz in der vorliegenden Form beziehungsweise der Initiativantrag sieht für die Zukunft vor allen Dingen transparente und praxistaugliche Regelungen beim Rücktritt von Lebens­versicherungen vor.

Die derzeit geltenden Regelungen, wie wir sie zurzeit im Gesetz haben, gewährleisten keine Rechtssicherheit im herkömmlichen Sinne. Sie tragen teilweise zur Verun­siche­rung und auch zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Rechtsbewertung – Gegen­überstellung von europarechtlichen Varianten und nationalstaatlichen Varianten – bei. Letztendlich geht es bei diesem Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, immer um nicht oder unrichtig erteilte Rücktrittsbelehrungen bei Lebensversicherungen, und dieser Initiativ­antrag schafft jetzt Rechtssicherheit für alle Versicherungsnehmer.

Das Gesetz berücksichtigt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes und sieht auch keine zeitliche Beschränkung bei einer mangelhaften oder nicht erteilten Rück­trittsbelehrung vor. Daher bin ich der Überzeugung, dass der Vorwurf der Rechtswidrigkeit absolut ins Leere geht. Die Mitgliedstaaten, die einzelnen Natio­nalstaaten, müssen nur dafür sorgen, dass nicht unrichtig beziehungsweise mangelhaft über Rücktrittsrechte belehrt wurde. Der Entwurf sieht das vor und ist daher zu begrüßen. Wir wissen alle, dass Rechtsunsicherheit – nicht nur bei Versicherungen, sondern in allen Bereichen des täglichen Lebens – immer zulasten der Konsumenten geht.

Es ist vielen in diesem Zusammenhang nicht bewusst, dass die Rückabwicklung einer Lebensversicherung gar nicht so einfach ist, weil ja die Regelungen über die Gewinnbeteiligung letztendlich immer alle Versicherungsnehmer zu bezahlen haben. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht, so wie ich das sehe, eine sehr faire und vor allen Dingen auch europarechtskonforme Regelung vor, die Rechtssicherheit schafft.

Es gibt in diesem Zusammenhang auch Kritik von einigen Prozesskostenfinanzierern. Das geht aber ins Leere, denn wenn man sich das genauer anschaut, dann haben sich auch Geschäftsmodelle dieses Personenkreises beziehungsweise auch Erfolgshono­rare oder Beteiligungsmodelle als nicht zielführend herausgestellt.

Nach der neuen Regelung – das ist vielleicht ganz interessant – erhalten alle Ver­siche­rungsnehmer bei einem berechtigten Rücktritt innerhalb der ersten fünf Jahre deutlich mehr als deutsche Versicherungsnehmer. Das möchte ich in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich betonen.

Es gibt auch eine meines Erachtens ausreichende Übergangsfrist von einem halben Jahr. Von diesem Thema ist in den Medien ja schon ein bis zwei Jahre die Rede, und es wurde auch entsprechend behandelt. Eine längere Übergangsfrist würde letzt­endlich – ich erwähne das deswegen, weil man wieder sagt, das sei negativ – nur den Prozesskostenfinanzierern nützen und den Versicherungsnehmern beziehungsweise den Konsumenten schaden. Das kann es eigentlich nicht sein. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Was wird damit noch bezweckt? – Es gibt letztendlich höhere Leistungen. Bei der Beendigung einer Lebensversicherung im ersten Jahr gibt es einen höheren Rück­kaufswert, weil man eben auf eine Verrechnung der Abschlusskosten verzichtet.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 41

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sehe dieses Gesetz als einen guten Kompromiss. Ich möchte auch ausdrücklich erwähnen, dass eine Lebensversicherung im Konzept einer Daseinsvorsorge, einer Zukunftsvorsorge ein sehr taugliches Mittel in unserer Gesellschaft darstellt, und das hat man jetzt mit sehr guten Ausstiegs­mög­lichkeiten verbunden. Es gibt also keinen wirtschaftlichen Schaden.

Folgendes ist aber auch klar: Eine Lebensversicherung mit einem lebenslangen Kündigungsrecht, glaube ich, kann es nicht geben, denn dann würde man das Konzept einer Lebensversicherung per se ad absurdum führen. Das heißt, dieses durch einen Initiativantrag initiierte Versicherungsvertragsgesetz geht in die richtige Richtung. Es ist – so wie ich es sehe – ein sehr sauberer, ein fairer Kompromissvorschlag, der europarechtskonform ist, mit dem sich die Versicherungswirtschaft, auch die Makler, die Versicherungsnehmer und die Konsumenten identifizieren. Daher bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.32


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile es ihm.


15.32.30

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Den Worten des Kollegen Seeber ist eigentlich fast nichts mehr hinzuzufügen. Er hat das sehr ausführlich und sehr treffend ausgeführt.

Kollege Lindinger, ich will dich jetzt nicht belehren, du hast aber gesagt, dass hier sozusagen ein gutes Gesetz abgeschafft und durch ein anderes ersetzt wird. Das ist, glaube ich, nicht ganz der Fall; denn warum hat es in der Vergangenheit so viele Prozesse gegeben, die sich um diese Rücktritte und um diese unrichtigen Belehrungen gedreht haben? – Schlussendlich lag das an einer Überinterpretation, sage ich einmal, zuerst des deutschen obersten Gerichtes infolge eines EuGH-Urteils und dann auch des österreichischen Obersten Gerichtshofes mit einer strengen Beurteilung der ganzen Sache.

Dieser unbefriedigende Zustand der Vergangenheit soll jetzt beendet werden, indem zahlreiche einzelne Gesetze, die sich mit der Materie – auch mit dem Konsumen­tenschutz – beschäftigen, quasi abgeschafft werden und durch ein einziges Gesetz, eine Regelung ersetzt werden. Das ist im Sinne der Transparenz und der Klarheit für alle Beteiligten natürlich nur zu begrüßen.

Wie es Kollege Seeber auch schon gesagt hat: Eine Lebensversicherung soll ja kein Spekulationsobjekt sein – also in dem Sinne, dass man nach 30 Jahren draufkommt, dass man seinerzeit irgendwie falsch belehrt worden ist, und jetzt dieses lebenslange Rücktrittsrecht in Anspruch nimmt. Diese Situation ist jetzt bereinigt. Der Kompromiss ist bereits erwähnt worden. Ich kann auch die Kritik daran nicht ganz nachvollziehen, dass da die Versicherungswirtschaft – wie es offensichtlich gesagt worden ist – be­teiligt war. Es ist nun einmal so, dass im Rahmen einer Begutachtung alle Interes­senparteien gehört werden und ihre Meinung dazu abgeben. Es ist gelungen, einen ausgewogenen Entwurf vorzulegen und ein Gesetz zu schaffen, das alle Seiten – sowohl die Versicherungsnehmer, also die Konsumenten, als auch die Versicherer – zufriedenstellt.

Besonders positiv ist, dass es in Zukunft faktisch ein Muster einer Rücktrittsbelehrung geben wird – quasi ein Standardpapier –, das für alle Versicherungen gilt. Dieses ersetzt eine Vielzahl von entsprechenden Belehrungen, die teilweise für die Konsu­menten auch sehr schwer verständlich und schwer zu interpretieren waren. Somit liegt


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 42

hier ein ausgewogener Gesetzentwurf im Sinne aller Beteiligten vor, dem nur zuge­stimmt werden kann. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.36

15.36.16


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.36.393. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Invest­ment­fondsgesetz sowie das Investmentfondsgesetz 2011 geändert werden (262/A und 198 d.B. sowie 10004/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alternativfinanzierungsgesetz geändert werden (187 d.B. und 199 d.B. sowie 10005/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungs­gesetz geändert wird (184 d.B. und 200 d.B. sowie 10006/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Protokoll zur Ab­än­derung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (183 d.B. und 201 d.B. sowie 10007/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länder­bezogener Berichte gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls (153 d.B. und 202 d.B. sowie 10008/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 43

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls (154 d.B. und 203 d.B. sowie 10009/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 8 der Tagesordnung.

Berichterstatter zu all diesen Punkten ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Ich bitte um die Berichte.


15.38.30

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investment­fonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz sowie das Investment­fondsgesetz 2011 geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapital­markt­gesetz und das Alternativfinanzierungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher ebenfalls gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss hat nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stim­men­mehrheit den Antrag gestellt, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des National­rates vom 4. Juli 2018 betreffend Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme ebenfalls gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 44

Der Finanzausschuss hat nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag gestellt,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters darf ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des National­rates vom 4. Juli 2018 betreffend Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Finanzausschuss hat nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag gestellt,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich darf abschließend noch den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Erklärung über den Zeitpunkt der Wirk­samkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegen­seitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getre­tenen Protokolls zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss hat nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag gestellt,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. (Bundesrat Mayer: Sehr fleißig, wirklich!)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile es ihm.


15.43.43

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Geschätztes Präsidium! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zu­seher! Ich möchte nunmehr auf die unter den Tagesordnungspunkten 3 und 4 vorlie­genden Gesetzesänderungen Bezug nehmen. TOP 3 betrifft die Änderungen des Alternative Investmentfonds Manager-Gesetzes, des Immobilien-Investmentfonds­ge­setzes sowie des Investmentfondsgesetzes 2011. TOP 4 betrifft das Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alternativfinanzierungsgesetz geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 45

sollen. Wenn man die Texte dieser beiden Gesetzesänderungen betrachtet, dann erkennt man zwischen den Zeilen einen Schritt in Richtung Deregulierung des Finanz­marktes.

Worum geht es dabei im Detail? – Zum Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz: Die EU hat im vergangenen Jahr eine Verordnung zur Definition von Geldmarktfonds erlassen, und zu dieser werden begleitende Bestimmungen in österreichisches Gesetz übernommen. Einzelne Bestimmungen betreffen auch noch die Umsetzung der Daten­schutz-Grundverordnung und damit die Streichung der bisherigen Datenschutzbe­stimmungen im Gesetz.

Wie sieht das beim Immobilien-Investmentfondsgesetz aus? – Immobilienspezialfonds sind solche, die nur eine beschränkte Anzahl von Anteilseigentümern haben, und diese sind keine natürlichen Personen. Laut Vorlage soll die Begrenzung von bisher höchs­tens zehn auf maximal 20 Anteilsinhaber erhöht werden. Die EB begründen den Entfall des § 3 Abs. 3 damit, dass Immo-Investmentfonds auch nur Alternative Investment­fonds sind und daher § 18 des AIFMG für die Übertragung der Aufgaben der Ge­schäftsführung an Dritte anwendbar ist. Damit entfallen aber spezifische Aufsichts­bestimmungen für Immobilien-Investmentfonds.

Die Satzung der KAG für Immobilien kann in Zukunft vorsehen, dass bei bestimmten Änderungen der Fondsbestimmungen die Zustimmung des Aufsichtsrates nicht mehr notwendig sein soll. Durch den Entfall des § 34 Abs. 5 muss die Kapitalanlage­gesell­schaft für Immobilien der FMA und der Oesterreichischen Nationalbank nicht mehr in der Form einer halbjährlichen Sammelaufstellung die Immobilienspezialfonds anzei­gen, muss nicht mehr angeben, wer die Depotbank ist, und auch nicht mehr die Anzahl der Anleger bekannt geben. Nach § 40 Abs. 6 werden zukünftig Kapitaleinkünfte im Fonds so wie bei Investmentfonds besteuert.

Zum Investmentfondsgesetz: Neben einigen technischen Klarstellungen wird auch da die Regelung eingeführt, dass in der Satzung der Verwaltungsgesellschaft vorgesehen werden kann, dass Änderungen der Fondsbestimmungen nicht der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen, sondern eine Mitteilung erst bei der nächsten Aufsichtsr­atssitzung zu machen ist. Die Anzeigeverpflichtung für Spezialfonds an die FMA oder an die Oesterreichische Nationalbank entfällt komplett.

Die Änderungen dieses Gesetzes haben aus unserer Sicht in Summe einen deregu­lierenden Charakter. Zusammenfassend kann kurz gesagt werden: Es muss nicht an­ge­geben werden, wer die Depotbank ist, wer der Anleger ist und wie viel Geld über­haupt in diesem Fonds vorhanden ist. Wollen wir das? – Damit erreichen wir lediglich, dass der Aufsicht entscheidende Informationen vorenthalten werden.

Was war 2008 der Grund für die große Finanzkrise? – Es war der Kapitalmarkt, der sie ausgelöst hat, und in der Folge hat sich die größte Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren ereignet.

Oder wie war das bei der Hypo Alpe-Adria? – Gerade wir aus Kärnten kennen dies aus leidvoller Erfahrung. Das Damoklesschwert der Insolvenz eines ganzen Bundeslandes konnte nur mittels eines gemeinsamen Kraftaktes zwischen Land und Bund – im Beson­deren durch den damaligen ÖVP-Finanzminister Schelling und die Finanz­referentin Gaby Schaunig – abgewehrt werden. Dieses Debakel hat, wie wir wissen, Milliarden verschlungen; die Aufarbeitung dauert noch heute an und wird auch noch die folgenden Generationen belasten.

Was war daraufhin notwendig und was wurde dagegen unternommen, um dies zu­künftig zu verhindern? – SPÖ und ÖVP haben reguliert und aufgeräumt. Wir wissen,


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 46

eine Aufsicht kann nur funktionieren, wenn dafür auch die entsprechenden gesetz­lichen Grundlagen gegeben sind.

Ich darf nunmehr zu TOP 4, dem Kapitalmarktgesetz und dem Alternativfinan­zierungs­gesetz, kommen. Dieses Vorhaben scheint der nächste Beitrag zur Deregulierung des Finanzmarktes zu sein, daher wird es schon aus konsumentenschutzpolitischer Sicht von uns keine Zustimmung geben. Wie bereits gesagt, haben die Finanzmärkte die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit 70 Jahren verursacht. Warum die Regulierung gerade in der Zeit der Hochkonjunktur gelockert werden soll, ist für uns nicht erkenn­bar.

Der wesentlichste Punkt beim KMG ist die Änderung der Prospektpflicht. Im Kapital­marktgesetz wird diese von derzeit 250 000 Euro auf 2 Millionen Euro angehoben. Dies führt nunmehr zu fünf Stufen: Unter 250 000 Euro gibt es in Zukunft keine Prospekt­pflicht mehr, weder für Wertpapiere noch für Veranlagungen; bis 2 Millionen Euro ist lediglich ein Informationsblatt nach dem AltFG zu erstellen; von 2 Millionen Euro bis 5 Millionen Euro werden die vereinfachten Wertpapierprospekte von der FMA, Ver­anlagungsprospekte durch die Wirtschaftsprüfer vorgeprüft; über 5 Millionen Euro gilt die normale Prospektpflicht. Dass bei diesem Gesetzentwurf Kritikpunkte und Ände­rungswünsche der AK in den Wind geschlagen wurden, sei nur am Rande erwähnt.

Warum macht man dies so kurz nach der großen Finanzkrise? Warum beschließen Sie zwei Gesetze, durch die unter dem Deckmantel der Verwaltungsvereinfachung Schritte in Richtung Deregulierung des Finanzmarktes gemacht werden? Diese Änderungen bedeuten eine Verwässerung der Kontroll- und Aufsichtsmöglichkeiten und sind aus Sicht des Konsumentenschutzes bedenklich.

Aus den angeführten Gründen wird daher unsere Fraktion diesen beiden Vorlagen bei der Abstimmung die Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.50


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Oberlehner. Ich erteile es ihm.


15.50.41

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Gleich sechs Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates verhandeln wir jetzt im Rahmen dieser Debatte. Obwohl es zum Teil um sehr sperrige Gesetzesmaterien geht, sind sie doch überaus wichtig für den Finanzmarkt Österreich und auch für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Mein Fraktionskollege Eduard Köck wird in seinem Redebeitrag das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Kapital­marktgesetz und das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errich­tungs­gesetz aus unserer Sicht behandeln. Ich darf daher kurz auf das Doppel­be­steuerungsabkommen mit Russland beziehungsweise auf die beiden Informationsaus­tauschprotokolle eingehen.

Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland wurde schon im Jahr 2000 unter­schrieben und bereits im Jahr 2011 wieder ausführlich neu verhandelt, um ent­sprechen­de Abänderungen herbeizuführen. Es ist also höchst an der Zeit, dass dieses Abkommen jetzt wieder ordentlich aufgestellt wird, denn gerade die Wirtschafts­beziehungen zu Russland sind für unser Land, für Österreich insgesamt von sehr großer Bedeutung. Es wird dadurch der Standort Österreich für den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen entsprechend gestärkt.

Wichtig ist aber auch, dass die Protokolle auch entsprechend den neuen OECD-Standards aufgestellt und an die neuen OECD-Standards angepasst werden. Der neue


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OECD-Standard betreffend steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft wird durch die Änderung der Bestimmung zum Informationsaustausch – das ist in diesem Zusammenhang sehr, sehr wichtig – sowie durch die Einführung der Amtshilfe bei der Vollstreckung umgesetzt. Die aktuelle Bestimmung betreffend den Informations­aus­tausch entspricht nicht den Vorgaben der OECD und dem aktuellen OECD-Muster­abkommen. Daher wird diese jetzt an das Musterabkommen angepasst. DBA-Bestim­mungen mit Russland sind bisher in Bezug auf Vollstreckungshilfe überhaupt nicht vorhanden, fehlen bisher gänzlich. Auch dies wird jetzt im neuen Abkommen ent­sprechend neu geregelt.

Wichtig ist aber auch noch, dass dieses Abkommen das erste mit der Russischen Föderation seit der Krimkrise 2014 ist, weshalb auch eine Erklärung über den terri­torialen Geltungsbereich dieses Abkommens notwendig war und notwendig ist. Die gleiche Erklärung, die von Österreich abgegeben wird, hat übrigens bereits im Jahr 2014 auch die EU gegenüber der Russischen Föderation abgegeben. Besonders wichtig ist das vorliegende Abkommen in Bezug auf die Rechtssicherheit und auch wegen der Anpassung an die erwähnten OECD-Vorgaben. Große finanzielle Aus­wirkungen – so ist zumindest auch die Auskunft des Finanzministeriums – wird es durch dieses Abkommen nicht geben.

Bei den beiden Informationsaustauschprotokollen geht es um die Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen sowie der Transparenz bei Finanzkonten in Steuersachen. Auch um den automatischen Austausch länderbezogener Berichte geht es, weil auf­grund der derzeitigen Rechtslage nicht alle Vertragsparteien die Berichte austauschen können.

Um den automatischen Datenaustausch über Finanzkonten ausländischer Bankkunden ab September 2018 zu ermöglichen – es soll mit 60 Vertragsstaaten aufgrund ent­sprechender Abkommen ein Austausch von Daten für das Jahr 2017 durchgeführt wer­den –, braucht es einen neuen Vertrag, damit dieses Protokoll auch für jene Länder Gültigkeit hat, die erst nach der österreichischen Unterzeichnung ihre Zustimmung ge­geben haben.

Seitens meiner Fraktion werden wir den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates sehr gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.54


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr.


15.54.42

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ganz kurz auch von uns einige Sätze zu den vor­liegenden Beschlüssen: Tatsächlich, da gebe ich Ihnen recht, hängen diese sechs Beschlüsse, die im Rahmen einer Debatte gemeinsam abgehandelt werden, nicht zwangsläufig zusammen, außer vielleicht die ersten zwei, denn bei diesen geht es tatsächlich um Änderungen des Alternative Investmentfonds Manager-Gesetzes, wie Sie gesagt haben, sowie des Kapitalmarktgesetzes und des Alternativfinan­zierungs­ge­setzes, und diese haben – das haben Sie wiederum erwähnt – den deregulierenden Charakter gemeinsam.

Das ist insofern bemerkenswert, als sich das schon auch in die Kontinuität dieser ganzen anderen Deregulierungen, die diese Regierung vornimmt, einreiht, Dere­gu­lierungen, die sicherlich der Wirtschaft und der Industrie nützen, die auf der anderen Seite aber auch Standards aushebeln, die, wie wir meinen, notwendig wären.


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Die Wirtschafts- und Finanzkrise wurde erwähnt, und tatsächlich wurden damals sehr viele von diesen Standards, Instrumenten und Maßnahmen eingeführt, damit so etwas nicht wieder mit einer weitreichenden Auswirkung auf uns zukommen kann. Dass diese Regulierungen jetzt von der österreichischen Bundesregierung aufgehoben werden, ist tatsächlich rational nicht nachvollziehbar.

Etwas Positives habe ich zu diesen sechs Punkten trotzdem zu sagen, und zwar in Bezug auf die Digitalisierungsagentur. Ich habe ja in der letzten Sitzung schon aus­führlich dazu Stellung genommen, wie wichtig auch unsere Rolle ist, um diese Transformation aktiv zu gestalten. Wir wissen, dass 14 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nach wie vor keinen Internetzugang haben und 25 Prozent der Bevölkerung das Internet nur sehr sporadisch nutzen, ebenso wissen wir, dass die Änderungen auf dem Arbeitsmarkt nicht einen Verzicht auf Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte oder auch Datenschutz bedeuten dürfen. Wir brauchen ganzheitliche Lösungen in den Bereichen Arbeit, Bildung und Demokratie – auch das wiederhole ich gerne –, und die Digitalisierungsagentur ist zweifelsohne eine wichtige Institution.

Wir stellen uns jetzt auch nicht per se gegen deren Eingliederung in die For­schungs­förderungsgesellschaft, aber ich möchte schon noch meine Warnung wiederholen, dass man die Digitalisierung da einseitig ausgestaltet und nicht berücksichtigt, welche weitreichenden Auswirkungen sie auf alle Lebensbereiche hat, und möchte darauf hinweisen, dass es in unserer Verantwortung liegt, auch in diesem Bereich darauf zu achten, dass von den Ressourcen, die wir über die Digitalisierung gewinnen können, alle profitieren.

Jedenfalls ist das eine die Deregulierung, der wir sehr skeptisch gegenüberstehen, und das andere, was die Digitalisierung anlangt, ein erster positiver Schritt, und dement­sprechend wird unser Stimmverhalten sein. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei der SPÖ.)

15.58


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile es ihm.


15.58.15

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! An den Herrn Kollegen, den Herrn Bundesrat von der SPÖ: Ich habe Ihre Leseübung zur Kenntnis genommen, allerdings ist sie inhaltlich weit verfehlt.

Die Wirtschaftskrise hat sich bekanntlich 2008 als Staatsschuldenkrise ausgenommen, mit der Sie, die SPÖ, uns hier in Österreich, in der Wirtschaft, ein gewaltig schweres Erbe hinterlassen haben: eine unheimlich hohe Staatsverschuldung, eine unheimlich hohe Steuer- und Abgabenbelastung und einen unheimlich darniederliegenden Kapital- und Finanzmarkt – darum geht es –, den wir aktivieren müssen. Es geht um eine Aktivierung – nicht um eine Deregulierung – des Finanzmarktes!

Zehn Jahre, das ist in der Wirtschaft eine lange Zeit. Vor zehn Jahren hat es noch nicht einmal Facebook gegeben. An Ihnen ist ja die wirtschaftliche Entwicklung in der Welt völlig vorbeigelaufen. Es gibt jede Menge Investitionen, es gibt einen ganz großen Börsenboom – so möchte ich es nennen –, der leider, leider, an Österreich vorbei­gelaufen ist. Deswegen gibt es in Österreich auch kaum Investitionen aus dem Aus­land. Gott sei Dank nimmt sich diese neue Bundesregierung – dieser Bundes­regie­rung,


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dem Finanzministerium ist nicht genug zu danken – der österreichischen Wirt­schaft an, um den Standort diesbezüglich zu verbessern, um eine Offensive zu starten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang den Industriedoyen der österreichischen Wirt­schaft Josef Taus zitieren, der mit seiner Management Trust Holding 6 000 Arbeits­plätze geschaffen hat und vor wenigen Tagen die Wiener Börse verlassen hat oder verlassen musste, denn, wie er sagte: „In Österreich gibt es keinen Kapitalmarkt.“

Das ist das Problem. Ich rede überhaupt nicht von einer Deregulierung, sondern der Kapitalmarkt existiert einfach nicht. Der Finanzmarkt ist ein Dienstleistungssektor – kein Wirtschaftssektor, sondern ein Dienstleistungssektor für die Unternehmen. Der Finanzmarkt dient der Unternehmenslandschaft – nicht mehr und nicht weniger.

Diese drei Gesetze, die ich hier erwähnen möchte, sind deswegen wichtig, weil sie den KMU-Betrieben die Möglichkeit, die Option eröffnen, leichter an Geldmittel heranzu­kom­men, denn das ist der Schwerpunkt, das ist eigentlich die Quintessenz dieser Gesetzesinitiative seitens des Finanzministeriums. Ohne Geld gibt es keine Produk­tion. Nur mit Eigenkapital und Lieferantenkrediten ein Industrieunternehmen oder ein Handelsunternehmen oder sogar ein Dienstleistungsunternehmen seitens der Gründer­szene international wettbewerbsfähig aufzustellen, wachsen zu lassen und Arbeits­plätze zu schaffen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Wahrscheinlich haben Sie von der SPÖ sich noch nie mit der Wirtschaft, mit der öster­reichischen Unternehmenslandschaft und mit den KMU-Betrieben auseinandergesetzt, sodass Sie zu einem solch völlig falschen Schluss kommen. Wie gesagt, da unter­scheiden sich unsere Ansichten und Perspektiven gewaltig. (Bundesrat Schennach: Das ist gut so!) Wir von der FPÖ sind besonders froh, dass die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Geldmarkt bedeutet kurze Laufzeiten von Krediten bis zu einem Jahr. Gerade in einer Niedrigzinsphase, in der wir uns in Österreich und weltweit befinden, ist es notwendig, das Kapital von Investoren, die ja auch risikofreudig sind, zu bekommen. Diese suchen ja Anlagemöglichkeiten. Sie wollen keinen Realzinsverlust hinnehmen und wollen nicht das Geld mit Nullverzinsung einfach zur Bank tragen. Es ist wichtig, da ein attraktives Umfeld in Österreich zu gestalten, Investoren anzulocken und ihnen Investitionsmög­lichkeiten zu bieten, die dann als Kredite an die Unternehmenslandschaft in Form von Geldmarktfonds vergeben werden.

Den Geschäften der Fondsgesellschaft kann man schon ambivalent gegenüberstehen. Sie sind aber nicht mehr als ein Mittel zum Zweck für die Unternehmenslandschaft. Die Fondsgesellschaften sind Finanzintermediäre, die wir hier brauchen, denn Unter­nehmen brauchen ein Working Capital, um es so auszudrücken – vielleicht unfachlich: ein Schmiermittel –, für die Produktion, sonst funktioniert das Ganze nicht.

Das zweite Gesetz betrifft die vereinfachte Prospektpflicht. Auch das ist ein sinnvolles Gesetz, damit kleinere Unternehmen zu einer Finanzierung kommen. Gerade die öster­reichische Unternehmenslandschaft besteht aus kleineren Unternehmen. Wir haben keine Industriegiganten à la made in China oder USA, wie Sie von der SPÖ es vielleicht andenken. Sie haben überhaupt kein Bild von der österreichischen Wirtschaft. Das fehlt Ihnen ja völlig!

Wir brauchen diese vereinfachte Prospektpflicht, damit diese kleineren Unternehmen an ihre Finanzierung herankommen. Es geht immer um Finanzierungen. Es geht um Crowdfunding, es geht um Private Equity, es geht um Wagniskapital, es geht um Business Angels – all das sind verschiedene Termini –, aber es geht immer um Investoren, es geht immer um das Kapital von Investoren – um nicht mehr, um nicht


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weniger. Man kann es auch sarkastisch sagen: Wir von der Wirtschaft müssen das einfach ausnützen, dass wir an dieses Kapital irgendwie herankommen.

Am besten ist natürlich die Innenfinanzierung, derer sich die Bundesregierung auch annehmen wird – eine unkomplizierte und einfache Innenfinanzierung, damit wir eben nicht diesen Umweg über eine Außenfinanzierung à la Investoren gehen müssen –, und das sind eben die Halbierung der Steuer auf nicht entnommene Gewinne oder eine Lohnzusatzkostensenkung, und zwar eine radikale. Es kann doch nicht sein, dass ein Lohnempfänger vielleicht 1 500 Euro netto bekommt, dies aber einem Bruttobetrag von über 3 000 Euro entspricht. Das ist das, was ihr von der SPÖ hier in Österreich hinterlassen habt. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) Und ihr wollt eine Arbeiter- und Angestelltenpartei sein? – Ihr seid kilometerweit weg davon. Ihr habt einen Scherbenhaufen hier in Österreich hinterlassen, an dem wir Unternehmer und die Mitarbeiter besonders leiden, weil sie netto viel zu wenig von ihrem Bruttogehalt be­kommen und sich einstecken dürfen. Es steht ihnen nämlich zu! Sie können es jetzt nicht einstecken, aber es steht ihnen zu; darauf legen wir von der FPÖ und die Bundesregierung besonderen Wert. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Taus hat 6 000 Arbeitsplätze geschaffen  6 000! –, und Sie gönnen ihm nicht einmal einen funktionierenden Kapitalmarkt, damit er seine Produktion hier in Österreich laufen lassen kann. Sie gönnen ihm das nicht. Sie zwingen ihn, das Land zu verlassen und von der Wiener Börse quasi abzutreten. Wir und die Bundesregierung schlagen die andere Richtung ein: Wir wollen nationale Unternehmen zum Bleiben einladen und internationale Unternehmen nach Österreich locken. Das ist eine sinnvolle Politik.

Der dritte Punkt – das hängt auch im weiteren Sinne mit Investitionen und Investoren zusammen – ist das Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland. Das ist ein sehr gutes Abkommen, wurde auch gemeinsam mit Frau Außenministerin Kneissl ver­handelt und dient auch dazu, russisches Kapital – auch da geht es wieder um Kapital – vermehrt nach Österreich zu locken und vermehrt in die Unternehmenslandschaft einzubinden, weil es steuerlich gefördert wird, weil es attraktiv gestaltet wird und die Quellensteuer auf 5 Prozent gesenkt worden ist, wie hier im Doppelbesteuerungs­abkom­men wechselseitig anerkannt wird.

Russland hat sich stark zum Positiven verändert, es hat ein transparentes Steuer­system, es hat ein transparentes, bereits auf digitaler Basis funktionierendes Grund- und Bodenerfassungssystem geschaffen; das Gleiche gilt für das Steuersystem. Der Rubel ist relativ stabil. Die Sanktionen sind da völlig kontraproduktiv.

Da müsste man sich überlegen, ob man vielleicht den Schulterschluss mit den Vereinigten Staaten nicht macht, sondern Europa einen eigenständigen Weg geht, auch vor dem Hintergrund, dass China eine ganz große Herausforderung ist, auch für die österreichische Unternehmenslandschaft, für die größeren Unternehmen, mit den Importen. Auch Russland nähert sich vermehrt dem chinesischen Modell der Staats­wirtschaft an – es ist ein kommunistisches Land, das darf man nicht vergessen –, weil Europa Russland leider diese Sanktionen vor die Tür gestellt hat. Mehr Bindung von Russland an Europa würde Europa nicht schaden. Die Sanktionen gegen Russland gemeinsam in Europa zu beenden ist genauso wichtig für die Prosperität der öster­reichischen Wirtschaft – und darum geht es.

Zusammenfassend ist zu sagen: Es sind drei sehr gute Gesetze, die die Wirtschaft, die KMUs in Österreich und damit den Standort fördern. Es könnte nicht schöner zusam­mengefasst sein als in einem einzigen Satz aus dem Finanzministerium: „Zudem wird der potentielle Steuerausfall bei weitem durch Mehreinnahmen an“ Körperschaftsteuer „kompensiert“.


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Darum geht es in Zukunft: um Steuersenkungen und nicht um Steuererhöhungen à la SPÖ, von Erbschaftssteuer über Maschinensteuer bis hin zu all dem, was es da noch gegeben hat; ich kann es gar nicht mehr hören. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.07


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Doris Hahn zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


16.07.37

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher via Live­stream! Zunächst zu meinem Vorredner: Ein berühmter Philosoph hat einmal gesagt: „Beleidigungen sind die Argumente jener, die über keine Argumente verfügen.“ – Ich glaube, das passt bei Ihnen sehr gut. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich möchte mich in meinem Redebeitrag aber Tagesordnungspunkt 5 widmen, nämlich dem Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz. Schon die Jugend ist sich heute ja weitgehend bewusst, welch enorme Bedeutung die Digitalisierung für ihren späteren Beruf, aber auch für das tägliche Leben als Erwachsener haben wird. Wis­sen ist so leicht zugänglich und Kommunikation so unkompliziert wie noch nie.

Unbestritten ist: Die digitalen Technologien bieten viele Chancen und Möglichkeiten, Stichwort Smarthome, Stichwort Internet der Dinge, Stichwort autonome Fahrzeuge, Stichwort Artificial Intelligence, Augmented Reality, E-Government und vieles, vieles mehr. Neue Berufe, neue Berufsfelder entstehen, neue Herangehensweisen werden notwendig. Es ist mehr und mehr die Rede von Influencern, von Game Changern; sie sind das neue Maß aller Dinge.

Gleichzeitig – und das dürfen wir nicht vergessen – bergen digitale Technologien aber auch zahlreiche Herausforderungen und Risiken für uns als Gesellschaft und damit auch ganz besonders für die Politik in sich; Risiken, die in ihrer gesamten Dimension oft noch gar nicht ganz erfasst werden können. Welche Berufe werden sich radikal verändern oder unter Umständen gänzlich verschwinden? Wie kann in der Bildung, aber auch bei der Aus- und Weiterbildung bereits darauf Rücksicht genommen wer­den? Welche Bevölkerungsgruppen werden ohne entsprechende Gegenmaßnahmen von einer digitalen Partizipation möglicherweise gar nicht profitieren oder gar Nachteile haben? Welche ethisch-moralischen Fragen gilt es zu lösen? Es gibt Fragen wie Cyberkriminalität, Hasspostings im Netz, künstliche Intelligenz im Gesundheitsbereich und, nicht zu vergessen, den Digital Gap, also die Kluft zwischen jenen Personen, die Zugang zu digitalen Technologien haben, und jenen, die keinen Zugang dazu haben.

Alles in allem liegt damit eine Fülle von zum Großteil noch ungeklärten Fragen auf dem Tisch. Demzufolge ist die Errichtung einer Digitalisierungsagentur, wie hier geplant, durch­aus begrüßenswert und zu unterstützen. Auch wir SozialdemokratInnen beken­nen uns dazu, dass es im Bereich der Digitalisierung eine zentrale Stelle braucht, um ganzheitliche und vor allem zukunftsgerichtete Lösungsansätze entwickeln zu können.

Was für uns daher aber nicht nachvollziehbar ist, ist die Tatsache, dass die Agentur offensichtlich wider besseres Wissen auf zwei Ministerien aufgeteilt werden soll. Es kann also vom vielzitierten Sparen im System, das ja die Regierung so gerne in den Mund nimmt, keine Rede sein, wenn hier ein paar Kompetenzen und dort ein paar Kompetenzen verteilt werden, die dann erst recht wieder mühsam koordiniert werden müssen. Es ist, gerade weil es um die Digitalisierung geht, mehr als unverständlich,


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dass hier bewusst Doppelgleisigkeiten erzeugt werden, die in Summe 13 Millionen Euro kosten werden.

Aus meiner Sicht wären diese 13 Millionen Euro im Sinne von Effizienz an einem Standort mit gebündelten Strukturen sicher besser investiert.

Zu hinterfragen ist ebenso der in weiterer Folge einzurichtende Beirat, der, wie es von Ministeriumsseite heißt, mit „hochrangigen Wirtschaftsvertretern und Experten besetzt werden“ soll. Der Wirtschaftsstandort soll gestärkt werden, Unternehmen sollen wettbe­werbsfähig bleiben, es sollen Anreize und Fördermodelle für Betriebe geschaffen werden, das und Ähnliches ist da zu hören – so weit, so gut, aber wieso wird da ganz bewusst auf Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerseite verzichtet? Wieso wird beispielsweise auch auf eine Teilhabe der Pädagoginnen und Pädagogen verzichtet? Die bilden ja letztendlich auch die  Basis für unsere Jugend.

Selbst die Ministerin und auch die niederösterreichische Landesrätin Bohuslav haben wiederholt darauf aufmerksam gemacht; ich zitiere Landesrätin Bohuslav: „Digitalisie­rung ist eine Querschnittsmaterie, die in alle Lebensbereiche hineinspielt“.

Daher ist für uns klar: Ein Haus der Digitalisierung gehört unter ein Dach, und es muss nicht nur die Technologie mit all ihren unterschiedlichen Facetten, wie ich sie ange­sprochen habe, darin abgebildet sein, sondern auch die gesamte Gesellschaft. Der Mensch muss nichtsdestotrotz im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen, um den Digital Gap beim Zugang zu digitalen Technologien nicht zu vergrößern. Daher werden wir diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eduard Köck. Ich erteile es ihm.


16.12.45

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Fuchs! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf die Tagesordnungspunkte 3, 4 und 5, also auf die Gesetzesbeschlüsse hinsichtlich Kapitalmarkt und Digitalisierung.

Der Redner der SPÖ hat da alles Negative herausgesogen, es so verdreht, dass es noch einmal schlechter wird (Bundesrat Weber: Aber negativ ist es auch! Du kannst nichts herausnehmen, wenn nichts drinnen ist!), und dann gesagt: Da können wir nicht mitmachen! – So wird Wirtschaftspolitik nicht funktionieren oder nur eine Zeit lang, denn irgendwann wird man anstehen. Ich glaube, man muss schon sehen, dass da etwas Positives bewirkt wird.

Gerade beim Investmentfondsgesetz geht es darum – wenn man in den letzten Jahren mit Bankmanagern gesprochen hat, dann hat man doch erfahren müssen, wie schwie­rig sie es mit den neuen Gesetzen haben, was Basel III und alles andere betrifft, wo es um ihre Finanzierung geht –, diese Finanzierungen auch für Banken wieder zu erleich­tern. Es geht vor allem auch um kurzfristige Finanzierungen für Unternehmen, für Staaten durch Geldmarktfonds.

Die negativen Dinge an diesen Geldmarktfonds sollen eben durch diese EU-Verord­nung 2017/1131, die in das Gesetz übernommen wird, ausgeschaltet werden. Also gibt es da sehr wohl auch Kontrolle, nicht nur reine Liberalisierung.

Die Regelungen, die das Kapitalmarktgesetz und das Alternativfinanzierungsgesetz betreffen – da geht es vor allem auch um Crowdfunding –, die hier vorgenommen wer­den, sind, denke ich, sehr, sehr wichtig. Es wurde schon angesprochen: Die Regelun­gen für die Kapitalmarktprospektpflicht wurden geändert, die Schwellenwerte wurden


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hinaufgesetzt, und das ist gerade für kleine Unternehmen, für Start-ups ganz, ganz wichtig, denn ein Kapitalmarktprospekt kostet eine Menge Geld, und wenn man diesen schon für geringe Investitionssummen erstellen muss, dann überlegt man sich das gleich wieder – und dann überlegt man sich vielleicht überhaupt, ein Start-up zu beginnen.

Deshalb ist es für uns wichtig, dass diese Änderungen vorgenommen werden. Es ist ja gerade für die Kleinanleger auch noch eine gewisse Sicherheit da, weil man ja nur mit bis zu 5 000 Euro in ein Crowdfunding hineingehen kann, wodurch auch noch eine gewisse Sicherheitsschiene eingezogen ist.

Eines ist aber klar: Risikokapital ist und bleibt Risikokapital! Man muss da schon auch an die Eigenverantwortung der Menschen appellieren. Es ist eben nicht so, wie wenn man das Geld auf ein Sparbuch legt. Das soll es auch nicht sein, denn die Menschen, die in ein Crowdfunding einsteigen, wollen ja jungen Unternehmern helfen, wollen damit etwas bewegen und sind froh, wenn sie sehen können, wie so eine Firma wächst.

Firmengründer schaffen Arbeitsplätze und nicht der Staat. Es ist, glaube ich, wichtig, das zu erkennen. Ich habe in meinem privaten Umfeld gesehen, dass einige Freunde und gute Bekannte von mir, die eigentlich nicht viel hatten, Firmen gegründet haben und jahrelang sehr viel gearbeitet haben. Da war von 12 Stunden am Tag keine Rede, da sprechen wir von 16 Stunden jeden Tag, auch samstags und manchmal sonntags, und da gibt es auch keine fünf oder sechs Wochen Urlaub, und zwar 20, 30 Jahre hindurch, damit man solch kleine Firmen auf den Weg bringt, mit denen man letztlich einen, fünf oder zehn Arbeitsplätze schafft. Und da ist es schon gut, wenn man relativ günstig zu Kapital kommt und nicht auch noch viel Geld in einen Kapitalmarktprospekt stecken muss.

Im Rahmen des Crowdfundings sind im Jahr 2017 doch 28 Millionen Euro zusam­mengekommen – das waren um 46 Prozent mehr als im Jahr davor –, für 200 Projekte. Es ging um Kleinbrauereien, um Wohnbau, um Ökoenergieprojekte, um Weingüter, und in unserer Gegend ist auch ein E-Carsharingprojekt über ein derartiges Crowdfun­ding umgesetzt worden. Mit Crowdfunding ist also schon etwas stimuliert worden, und diese Erleichterungen werden dem Ganzen noch einmal Schwung verleihen. Wir müssen manche Dinge vereinfachen, damit aus Ideen Wertschöpfung, Fortschritt und Arbeitsplätze werden.

Zur Digitalisierung und zur Digitalisierungsagentur: Ich denke, dass sie sehr wichtig ist. Sie wirkt in sehr vielen Handlungsfeldern, vor allem in folgenden: digitale Infrastruktur, Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft, Forschung, Entwicklung und Innovation. Drei Pilotprojekte sollen gleich einmal umgesetzt werden: Digitalisierung und Tourismus, Digital Innovation Hubs – Netzwerke für kleine KMUs – und die Plattform 5G und Breit­band für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten.

Wir haben es da mit einem neuen Feld zu tun, und ich denke, es ist richtig, dass eine solche Agentur geschaffen wird. Ich kann das Beispiel aus Niederösterreich bringen, wo wir mit dem Infrastrukturausbau vor vier Jahren doch sehr intensiv begonnen haben. Wir haben dazu Modellregionen und eine eigene Gesellschaft, die Nieder­öster­reichische Glasfaserinfrastrukturgesellschaft mbH, geschaffen, und auch dort gab es anfänglich sehr viele Fragen, wie man es angeht, und zwar von allen Seiten, auf der einen Seite von den Bürgermeistern, die natürlich den Ausbau von Glasfaser­infra­struk­tur wollen, auf der anderen Seite aber auch von den Firmen, die das Ganze umsetzen sollen, angefangen bei den Planern bis hin zu den Ausführenden. Jedes Jahr hat man mehr gelernt, man hat dazugelernt, und jetzt, nach vier Jahren, haben wir sehr viele


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Anschlüsse in unserer Region. Man kann sagen, wir haben damit die Basis dafür geschaffen, dass man das im ganzen Land sehr gut und schnell ausbauen kann.

Diese Agentur soll ja in alle Bereiche eingreifen, und ich denke, daher ist dieses Beispiel auch anwendbar. Sie kann sehr viel koordinieren, den Unternehmen sehr viel mitgeben und wird mit der Arbeit in den nächsten Jahren wachsen.

Dass diese Agentur in zwei Ministerien angesiedelt wird, ist von meiner Vorrednerin zuerst kritisiert worden, und dann hat sie gesagt, Digitalisierung spielt in sehr viele Lebensbereiche hinein. Ja, jedes Ministerium umfasst einen eigenen Lebensbereich (Bundesrat Schennach: Das ist aber ein schwaches Argument!), da müsste das Thema eigentlich in allen Ministerien angesiedelt werden. Also es ist nicht ganz so einfach, das alles unter einen Hut zu bringen. (Bundesrat Schennach: Das ist jetzt nicht gerade das beste Argument! Das weißt du aber auch!)  

Ich möchte nur noch dazu Stellung nehmen (Bundesrat Schennach: Sag es einfach, wie es ist!), dass hier immer wieder das Thema Digitalisierung auch hinsichtlich der Befürchtung hergenommen wird, dass in Zukunft möglicherweise sehr viele Arbeits­plätze wegfallen werden. Ich bin der Überzeugung, dass es nicht so sein wird. Es werden Arbeitsplätze geschaffen werden. Ich war erst vor einigen Monaten in einem Betrieb mit 600 Arbeitsplätzen zu Besuch, der vor 30 Jahren genau die Hälfte, 300 Ar­beitsplätze, hatte. In der Zwischenzeit arbeiten dort fast nur Roboter. Vor 30 Jahren hat man gesagt, dass die Roboter den Menschen die Arbeit wegnehmen werden. In diesem Betrieb ist genau das Gegenteil der Fall: Es wurde damit die doppelte Anzahl an Arbeitsplätzen geschaffen, und hätte man dort keine Roboter, bräuchte man wahr­scheinlich 3 000 bis 4 000 Arbeiter, die wir aber gar nicht hätten. Ich bin davon über­zeugt, auf dieselbe Weise wird die Digitalisierung in Zukunft Arbeitsplätze bringen und nicht wegrationalisieren.

Insofern sind das gute Gesetze, die unseren Unternehmen Erleichterungen bringen. Das ist wichtig, damit es auch in Zukunft mehr Arbeitsplätze gibt. – Danke, wir werden diese Gesetze unterstützen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.21


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


16.21.17

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das ein Kraut-und-Rüben-Tagesordnungspunkt ist. Es ist uns einmal eine Zeit lang unter einem Herrn aus Vorarlberg, Jürgen Weiss, gelungen, Tagesordnungen so zu erstellen, wie sie sinnvoll sind. Ich stehe jetzt hier als Kontraredner, ich rede aber nicht kontra.

Diese sinnlose Zusammenwürfelung von Tagesordnungspunkten, die nichts miteinan­der zu tun haben, bei der die Administration copy-and-paste-verliebt ist, macht solchen Unfug aber hier zum Standard. Ich hoffe, dass die Präsidiale in Zukunft einmal über­legt, wie man eine ordentliche Tagesordnung macht, bei der man nicht Kraut und Rüben zusammenschmeißt. (Bundesrat Raml: Wer ist denn die Präsidentin? – Bun­des­rätin Mühlwerth: Red einmal mit deinem Klubobmann oder deiner Präsidentin! – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Lieber Edgar, du warst selber im Präsidium, du kennst die Beharrlichkeit von bestimmten Vorgängen, die hier ununterbrochen so erfolgen. (Bundesrat Samt: Was seid ihr heute so wehleidig? Was ist los?)

Ich rede jetzt zu den Tagesordnungspunkten 6 bis 8. Kollege Pisec, normalerweise höre ich dir immer genau zu, aber heute hast du ein bisschen wirtshaustischmäßig, in


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Plattitüden gesprochen. Normalerweise ist das nicht dein Stil. (Bundesrätin Mühlwerth: Was ist da wirtshaustischmäßig?) Jetzt denke ich mir, dass deine heutigen Ausfüh­rungen zur Wirtschafts- und Außenpolitik – wenn du sagst, dass Europa sich vom Schulterschluss mit den USA lösen muss – so zu bewerten sind, dass du gar nicht auf dem Laufenden bist.

Erstens war der Schulterschluss zwischen Europa und den USA nur ganz minimal, was nämlich die Vetos bei Reisen betrifft. Was die Europäische Union beschlossen hat, haben die USA nicht beschlossen. Dort, wo wir Wirtschaftssanktionen gemacht haben, in all diesen Feldern, aus denen Europa sich zurückgezogen hat, sind die USA hinein­gegangen. (Bundesrat Pisec: Das meine ich ja!) Wenn du schon so ein Wirt­schafts­experte bist, schau dir einmal die Zuwächse der Exporte der USA nach Russland seit dem Einsetzen der Sanktionen Europas an! Dann wirst du sehen: Irgendjemand, nämlich die USA, ist da eingesprungen.

Wir sind also nicht so sehr im Schulterschluss mit den USA, sondern wir sind im Schul­terschluss mit einigen Staaten in Europa, die, weil wir da eine Einstimmigkeit brauchen, die Aufhebung der auch meiner Meinung nach nicht wirksamen und etwas unsinnigen Sanktionen verhindern. Deshalb fruchten alle Versuche von einigen Vernünftigen in Europa, aus dieser Sackgasse herauszukommen, die nirgendwo hinführt, nicht. Das hat aber, Kollege Pisec, nichts mit den USA zu tun.

Es hat aber auch das Doppelbesteuerungsabkommen nichts mit der Einladung von russischem Kapital nach Österreich zu tun. Es handelt sich dabei um etwas ganz Normales, nämlich darum, dass man weder zweimal noch gar nicht Steuern zahlt.

Wir haben ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Schweden getroffen, weil da nie­mand Steuern gezahlt hat, weil man der jeweiligen Behörde gesagt hat: Ich zahle im anderen Land! Damit herrschten zwischen Schweden und Österreich sozusagen Zustände wie im Schlaraffenland. Wenn man in dem einen Land das eine behauptet hat und im anderen Land das andere, hat man gar keine Steuern gezahlt. Was wir hier tun, sind die Grundsätze der OECD, nämlich das jüngste Protokoll, durchzusetzen. Da geht es um Transparenz – was im Zusammenhang mit der Russischen Föderation auch sehr interessant ist – und Amtshilfe in Steuersachen. Zum anderen geht es aber auch um die OECD-Richtlinien bei der Veräußerung von Immobilien. Das sind alles ganz hervorragende Dinge.

Drittens ist an diesem Abkommen aber interessant, dass sowohl Österreich als auch die Russische Föderation einmal einen Einschub in dieses Doppelbe­steuerungs­ab­kom­men gemacht haben. Die Russische Föderation hat den Principle Purpose Test als sehr interessanten Einschub gemacht. Das heißt, dass die Russische Föderation eine Missbrauchsklausel eingefügt hat. Bei Gewinnverlagerungen – Kollege Pisec, du willst ja das ganze russische Kapital – gilt es demnach abzuklären, ob man Gewinne nur verlagert, um in die Begünstigung des Abkommens zu kommen. Das hat die Russische Föderation einfügen lassen, weil sie sehr wohl weiß, dass es da zu Missbrauch kommen kann, und das wollte die Russische Föderation verhindern. (Bundesrat Pisec: Und die Steuersätze!)

Wir haben eingefügt, für welches Territorium das gilt, wenn wir jetzt ein Doppel­besteu­e­rungsabkommen mit der Russischen Föderation abschließen, und wir haben einge­fügt, dass die Resolution Nummer 68/262 vom März 2014 in dieses Abkommen hinein­kommt; diese beschreibt nicht das Territorium der Russischen Föderation, sondern jenes der Ukraine. Deshalb ist klar, dass es da nicht um die Krim geht und dass die Krim nicht Gegenstand ist. (Bundesrat Pisec: Um das geht es nicht! Es geht um die Steuersätze!) Es geht weiters auch um ein wichtiges OECD-Protokoll, das den Infor-


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 56

mationsaustausch, gegenseitige Informationen über steuerliche Angelegenheiten be­trifft.

Das sind drei großartige Dinge, die wir auch umzusetzen haben. Meine Fraktion wird dem zustimmen. Ich bitte aber noch einmal, nicht ständig Kraut und Rüben unter einem zu verhandeln, sodass man dann nicht weiß, ob es eine Pro- oder eine Kontra-Wortmeldung ist. – Danke schön! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Pisec: Lies den Text ordentlich!)

16.28


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Samt. – Bitte.


16.28.27

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie! – Da gibt es nicht mehr viele. Nach Kollegen Schennach zu sprechen, ist immer ein sehr span­nendes Unterfangen. Ich werde mich jetzt auch auf drei der Tagesordnungspunkte dieses Konglomerats, wie es Kollege Schennach bezeichnet, beziehen und nicht auf alle, denn dafür würde meine Redezeit nicht reichen. Ich möchte aber nur auf Folgendes hinweisen: Meines Wissens ist in der Präsidiale kein Einwand gegen die Art der Zusammensetzung der Tagesordnung erhoben worden.

Zweitens: Ich bin seit dem Jahr 2015 in diesem Haus tätig und habe auch in anderen Konstellationen, unter anderen Ministern und unter anderen Geschäftsführungen erlebt, dass verschiedene Tagesordnungspunkte, weil sie halt ein Ministerium betroffen haben, gemeinsam zur Beschlussfassung vorgelegt worden sind. (Bundesrat Mayer: Jawohl! – Bundesrätin Mühlwerth: So ist es!) Ich kann mich nicht erinnern, Herr Kollege Schennach, dass Sie sich jemals darüber aufgeregt haben, dass da vielleicht Tagesordnungspunkte diskutiert werden, die bestenfalls einen Ressortzusammenhang, aber keinen inhaltlichen Zusammenhang haben; auch das ist schon passiert. (Bun­desrat Schennach: Das ist nicht ganz richtig!)

Ich weiß natürlich, dass die SPÖ momentan (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) wehleidig ist – wehleidig ist vielleicht übertrieben, aber ihr seid momentan derart empfindlich! Dabei ist es egal, worum es geht, ob es um sinnvolle Gesetze oder um die Zusammensetzung der Tagesordnung geht. Es wird schon stimmen: Ihr habt in der Opposition eure Rolle noch nicht wirklich gefunden. Ich weiß, dass das nicht so einfach ist, das habe ich ja auch schon ein paar Jahre hinter mir. (Bundesrat Schennach: Nein! Nein!) – Ich weiß, Herr Kollege Schennach, das kann alles nicht stimmen. Wenn Sie hier sehr professorenhaft vortragen und sich aufregen, dass andere Leute beleh­rend sind – Sie selber sind es auch sehr oft –, dann nehmen wir das zur Kenntnis, und dabei würde ich es gerne belassen.

Ich möchte mich auf Tagesordnungspunkt 5, die Änderung des Österreichischen For­schungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetzes, beziehen. Digitalisierung ist in aller Munde, und dass die Digitalisierung als neue Aufgabe der Forschungs­förde­rungsgesellschaft übertragen wird, sollte ja eigentlich niemanden dazu bewegen, zu sagen, dass das nicht gescheit ist.

Frau Kollegin Hahn, Sie haben etwas von 11 Millionen Euro gesagt: Wenn ich die Be­träge zusammenrechne, die für die nächsten Jahre bis 2020 freigestellt werden, sind es 12,8 Millionen Euro. (Bundesrätin Hahn: Ich habe von 13 Millionen gesprochen!) – Dann muss ich mich gleich entschuldigen, da habe ich nicht aufgepasst, das kommt ja auch hin und wieder vor. (Bundesrat Weber: Kann passieren!) – Natürlich, das kann passieren.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 57

Kollege Weber aus der Steiermark, ich würde momentan auch ein bisschen vorsichtig sein, und zwar aus dem einfachen Grund: Wir treiben die Digitalisierung im Land Steiermark ja massiv voran und du weißt, dass wir auch auf der Ebene der Regio­nalmanagements dieses Thema nicht nur leicht, sondern massiv betreiben. Leider ist mir vor zwei Tagen zu Ohren gekommen, dass zwar alle diesbezüglichen Projekte ein­gereicht worden sind, die Budgets aber bis zum heutigen Tag nicht freigegeben wor­den sind. Ich weise darauf hin, dass dieses Ressort in der Steiermark unter die Ver­antwortung des Landeshauptmannstellvertreters Michael Schickhofer fällt und wir bis heute noch keinen einzigen Cent erhalten haben, den wir für Projekte ausgeben kön­nen, die im Regionalmanagement auch sehr stark die Digitalisierung betreffen und die in Verbindung mit den Gemeinden freigegeben worden sind. Also ganz so, dass wir alle in die gleiche Richtung wollen, ist es, wie es ausschaut, offensichtlich nicht.

Hier wird kritisiert, dass diese Digitalisierungsagentur zwei Ressorts unterstellt worden ist. Daraus abzuleiten, dass das teurer wird, weil es nicht ein Ressort macht, ist auch eine kühne Vermutung. Ich erinnere an die SPÖ in den letzten Jahren, die – ich würde es vorsichtig bezeichnen – Weltmeister im Aufblähen von Verwaltungsapparaten in ihren Ministerien war. Deswegen, glaube ich, steht es euch jetzt nicht wirklich gut an, dass ihr euch darüber aufregt. (Bundesrätin Hahn: Sie sollten lieber vor der eigenen Tür kehren!)

Im Klartext ist es ganz eindeutig so, dass hier der erste Schritt zur Umsetzung gemacht wird. Die Digitalisierung, das wissen wir, ist ja unter den SPÖ-Ministerien und den ent­sprechenden Ministern sinnvollerweise auch von uns unterstützt worden; ich erinnere an den Kollegen Leichtfried, der momentan eine sehr oppositionelle Rolle im Natio­nalrat hat und nicht mehr sehr ministrabel ist. Faktum ist, dass das alles wichtig ist und dass wir das ohne dieses Gesetz nicht werden umsetzen können. Wir erwarten uns in diesem Bereich ja doch ganz massive Hilfe und Beratung bei der Umsetzung des Breitbandes, vor allem in Richtung der Regionen und Gemeinden, denn das wird nicht nur der Wirtschaft, sondern jedem Einzelnen und auch den KMUs vor allem zu mehr Arbeit und Möglichkeiten verhelfen. Deswegen wird es von unserer Seite nichts ande­res als Zustimmung geben.

Zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8, dem automatischen Datenaustausch, ist von meinen Vorrednern schon sehr viel erklärt worden. Klar ist, dass dies noch einmal ratifiziert werden muss. Diese Abkommen wurden – da wird Kollege Schennach ja ganz genau Bescheid wissen – bereits 2014 ratifiziert, aber mittlerweile sind eben mehr Vertragsstaaten dazugekommen, die das auch durchführen müssen. Damit dieser Datenaustausch für die Jahre 2016 und 2017 auch im Länderbereich automatisiert werden kann, ist der Beschluss der beiden Tagesordnungspunkte für beide Maß­nah­men nötig, und diesen können wir von unserer Seite nur unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.35

16.35.14


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und weitere Gesetze geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 58

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alter­nativfinanzierungsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Österreichische Forschungs­förde­rungs­gesellschaft mbH-Errichtungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­be­reiches der Länder regelt, bedarf auch dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Einstimmigkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nal­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informations­austausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls.

Da der gegenständliche Beschluss wiederum Angelegenheiten des selbständigen Wir­kungsbereiches der Länder regelt, bedarf auch dieser der Zustimmung des Bundes­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen diesen vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit, der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 59

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum die Einstimmigkeit, der Antrag ist somit ange­nom­men.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Infor­mationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amts­hilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Proto­kolls.

Da der gegenständliche Beschluss wiederum Angelegenheiten des selbständigen Wir­kungs­bereiches der Länder regelt, bedarf auch dieser der Zustimmung des Bundes­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen wiederum zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Einstimmigkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertei­len und bitte wiederum jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zu­stim­men, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

16.40.259. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz be­treffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundes­gesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 2. BRBG) (192 d.B. und 225 d.B. sowie 10012/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tages­ordnung.

Ich darf dazu den zuständigen Bundesminister Dr. Josef Moser in unserer Mitte herz­lich begrüßen. – Willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Ich bitte um den Bericht.


16.40.50

Berichterstatter Karl Bader: Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Vertreter der Bun­desregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schus­ses für Verfassung und Föderalismus zum Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend das Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz.

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:

Das Außerkrafttreten grundsätzlich aller einfachen Bundesgesetze und Verordnungen des Bundes, die vor 1. Jänner 2000 kundgemacht wurden. In diesen Zeitraum fallen rund 5 000 Rechtsvorschriften, und von diesen circa 5 000 Rechtsvorschriften werden etwa 2 450 außer Kraft gesetzt. Der Entwurf enthält weiters Begleitregelungen und


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 60

klarstellende Regelungen im Zusammenhang mit den Rechtswirkungen des Außer­krafttretens der Rechtsvorschriften.

Ich komme zum Antrag des Ausschusses: Der Ausschuss für Verfassung und Föder­alismus stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile es ihr.


16.42.11

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Moser! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Das vorliegende, als Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz bezeichnete Gesetzesvor­haben soll, wie der Berichterstatter schon gesagt hat, rund 2 500 Rechtsvorschriften außer Kraft setzen. Nahezu die Hälfte der einfachen Bundesgesetze und Verord­nun­gen des Bundes, die vor 1. Jänner 2000 kundgemacht wurden und noch formell in Geltung stehen, ist heute gegenstandslos, hat also keinen sinnvollen Anwendungs­bereich mehr.

Es ist eine Vorlage, die es Bundeskanzler, Vizekanzler und Verfassungsminister be­reits dreimal erlaubte, eine Pressekonferenz darüber abzuhalten und die staunenden Bürgerinnen und Bürger über diese unglaubliche Weiterentwicklung des österreichi­schen Rechts zu informieren. Diese Rechtsvorschriften sollen – von angeführten Aus­nahmen abgesehen – mit Ablauf des 31. Dezember 2018 außer Kraft gesetzt werden.

Gegen eine zielführende Bereinigung der Rechtslage zum Zweck der Erhöhung der Rechts­sicherheit und der Verbesserung des Zugangs zum Recht ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Die gewählte legistische Methode zur Umsetzung dieses Vorha­bens zieht aber ein Ergebnis nach sich, das sich unter dem Gesichtspunkt der Voll­ziehung als kaum leserliches gesetzgeberisches Unding erweist. Von diesem Schritt hat niemand etwas: keine Rechtsanwenderin, kein Rechtsanwender – nein; vielmehr wäre es total mühevoll, die heute aufzuhebenden Bestimmungen überhaupt zu finden.

Was wollen wir wirklich? – Wir wollen überschaubares Recht, wir wollen einfaches, einfach lesbares Recht, wir wollen verständliches Recht und wir wollen rasche Rechts­durchsetzung. All dies ist in der österreichischen Rechtslandschaft nicht gegeben: teilweise deshalb, weil so komplizierte Materien zu regeln sind, aber teilweise auch des­wegen, weil es an einer tauglichen Legistik fehlt. (Bundesrat Steiner: Brav herun­ter­lesen tut sie!)

Wie in den Erläuterungen ausführlich dargestellt, waren äußerst zeitaufwendige Vorar­beiten durch zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedensten Ressorts notwendig. Nicht berücksichtigt wurde aber, welche Mühe es noch mit sich bringen wird, wenn die vielen betroffenen Verwaltungseinrichtungen sich aus dem Konglomerat die für ihren Bereich maßgeblichen Bestimmungen heraussuchen müssen.

Schauen wir einmal in die Tagesordnung der Bundesratssitzungen dieser Woche: Was beschließen wir beispielsweise morgen unter Tagesordnungspunkt 4? (Ruf bei der FPÖ: Einiges!) Da wollen die Regierungsfraktionen das Fremdenrechts­änderungs­ge­setz 2018 verabschieden. Was ändert sich dadurch im Bereich des Fremdenrechts? – Das bereits komplizierte Fremdenrecht wird noch komplizierter. (Bundesrätin Mühlwerth: So wie das Mietrecht von der SPÖ!) Es gibt dann beinahe 30 verschiedene Aufent-


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 61

halts­titel in Österreich. Darüber hinaus führt dieses Gesetz wieder zu einem Ratten­schwanz an Verfahren, die das bereits jetzt schon äußerst belastete Bundesver­wal­tungs­gericht noch mehr belasten. Das ist eine Gesetzgebung, wie sie nicht sein soll: Sie ist kompliziert, fordert viele neue Verfahren und belastet ein bereits überlastetes Gericht. (Zwischenruf des Bundesrates Schuster.)

Diese Form der Rechtsbereinigung wurde bereits im Begutachtungsverfahren mehr­fach kritisiert, die Methode wurde als intransparent abgelehnt, aber von den Regie­rungs­parteien trotzdem beschlossen. Natürlich ist es schöner, den Österreicherinnen und Österreichern die Rechtsbereinigung in Pressekonferenzen als das Begraben von totem Recht darzustellen, jedoch ist es auch Ihre Kernaufgabe als Verfassungs­minis­ter, den anderen Ministerkollegen die Grenzen des Verfassungsrechts aufzuzeigen und ihnen die verfassungsrechtlichen Leitlinien klarzumachen, doch da schweigen Sie leider.

Aus den dargelegten Gründen wird meine Fraktion das Zweite Bundesrechts­bereini­gungs­­gesetz ablehnen und die Zustimmung verweigern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

16.47


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.


16.48.05

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­schauer, heute wahrscheinlich eher vor den Bildschirmen als auf der Galerie! Mit der Kritik meiner Vorrednerin bin ich nicht einverstanden. Unter dem Zweiten Bundes­rechts­bereinigungsgesetz versteht man die größte Rechtsbereinigung der Zweiten Republik. Herr Bundesminister Dr. Moser hat dazu in Zusammenarbeit mit anderen Minis­terien die bestehende Rechtslage durchforstet und Gesetze und Verordnungen auf ihre Sinnhaftigkeit und vor allem auf ihre Notwendigkeit überprüft.

Von über 5 000 überprüften Rechtsvorschriften, die vor dem Jahr 2000 beschlossen wurden, werden nun über 2 000 Stammvorschriften außer Kraft treten. Das sind mehr als 54 Prozent aller Verordnungen, Kundmachungen und Entschließungen sowie 38 Prozent der Gesetze. Damit tritt eine wirklich große Rechtsbereinigung in Kraft. Über die Rechtsbereinigung im Jahr 1994 – da hat es sich um eine kleine Rechts­berei­ni­gung gehandelt – hat Universitätsprofessor Dr. Funk gesagt: Rechtsbereinigung soll den Zugang zum Recht freilegen, der durch Über- oder Fehlproduktionen an Gesetzen verschüttet zu werden droht. – Zitatende.

Die vielen sinnlosen beziehungsweise nicht mehr zeitgemäßen Normen sind ein Bal­last für alle und störend, wenn man etwa das RIS, also das Rechtsinformationssystem des Bundes, zurate zieht. Mit diesem Gesetzesbeschluss werden konkret 631 Ge­setze, 1 823 Verordnungen und Kundmachungen sowie eine Entschließung des Bun­des­präsidenten aufgehoben.

Wenn Sie mir das Wort Entrümpelung erlauben, dann möchte ich sagen: Damit wird die bisher umfangreichste Entrümpelung der österreichischen Rechtsordnung durch­geführt. Inhaltlich gesehen handelt es sich um Bereiche, die den Bürger heute eben nicht mehr betreffen. Es gibt durch dieses Aufräumen jedoch keine Lücken und keinen rechtsfreien Raum, sodass diesbezügliche Sorgen unbegründet sind.

Ich möchte Herrn Minister Moser für die mit höchster Professionalität in so kurzer Zeit und vor allem auch ressourcenschonend durchgeführte Rechtsbereinigung danken. Vorwürfe, diese Rechtsbereinigung wäre zu aufwendig, kann ich daher nicht verstehen.


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 62

Meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf natürlich die Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.51


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. Ich erteile es ihm.


16.51.10

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Zuseher via Livestream! Was die Bereinigung von Bundesgesetzen angeht, so denke ich auch, dass es sehr sinnvoll ist, wenn man diese durchführt. Es gibt sehr viele Bundesgesetze – weit über 600, wir haben es gehört –, die im Laufe der Zeit einfach überflüssig geworden sind, die nicht mehr zeitgemäß sind, die alt sind und definitiv bereinigt gehören.

Wir haben, so meine ich, doch einen modernen Staat, und auch das Regie­rungspro­gramm zielt darauf ab, dass wir im Sinne von Fortschritt, Dynamik und Professionalität endlich die angesprochene Entrümpelung anpacken und durchführen. Was das Proze­dere angeht, wird das System der Generalklausel angewendet. Dabei ist mit großer Sorgfalt umgegangen worden: Es gab eine Einbeziehung aller Ministerien, alle betei­ligten Kreise wurden miteinbezogen, und auch die Vergleiche mit den Datenbanken wurden vorgenommen.

Zu Ihnen, Frau Kollegin Grimling: Sie haben vor ein paar Minuten hier am Rednerpult dieses Prozedere und dieses System kritisiert und gesagt, dass dieses Verfahren doch nicht so gut wäre und man das eigentlich nicht machen sollte beziehungsweise das eigentlich schon längst hätte gemacht werden sollen. Da frage ich Sie: Wer hatte die letzten 30, 40 Jahre – mit wenigen Ausnahmen – Regierungsverantwortung? –Grund­sätzlich war das Ihre Partei, die über Jahrzehnte Regierungsverantwortung hatte und diese Dinge hätte angehen und mit den von Ihnen angesprochenen anderen Verfahren eine Bereinigung hätte vornehmen können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Beer: Hat man getan!)

Herr Kollege Beer, Ihr Zwischenruf, man hätte das getan, ist auch recht nett – wenn man sich nämlich die 250 Seiten starke Anlage zum Gesetzestext ansieht, stößt man auf Verträge mit der DDR, stößt man auf Verträge mit der Tschechoslowakei und stößt man auch auf Verträge mit Jugoslawien. Bekanntlich gibt es all diese Staaten in dieser Form nicht mehr, auch keine direkten Nachfolgestaaten. Diese Verträge stammen aus den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren. Da können Sie jetzt nicht sagen, das hätte man gemacht – nein, das hat man eben nicht gemacht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Beer und Grimling.)

Diese neue Regierung macht es endlich, und endlich ist eine Regierung einmal be­müht, da eine Verbesserung durchzuführen und diesen Staat vorwärtszubringen. Sie hätten vorhin noch eines tun können, nämlich ans Rednerpult kommen und sich für die letzten Jahrzehnte entschuldigen können, weil Sie eben nichts gemacht haben. Dafür könnten Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.54


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Dr. Josef Moser. – Bitte, Herr Bundesminister.


16.54.47

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist im Rahmen der


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 63

Debatte schon angesprochen worden, dass es sich beim Zweiten Bundesrechts­bereini­gungsgesetz um die größte Rechtsbereinigung der Zweiten Republik handelt. Bekannt­lich wurde eine erste Rechtsbereinigung im Jahr 1999 durchgeführt, mit der rund 250 Vorschriften entrümpelt worden sind. Im Jahr 2006 hat es ein Deregulierungs­ge­setz gegeben, mit dem 170 Vorschriften entrümpelt worden sind. Es wurde bereits aus­geführt, dass durch dieses Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz rund 2 500 Vor­schrif­ten außer Kraft gesetzt werden beziehungsweise nicht mehr anwendbar sind.

Wenn man nun behauptet, das würde keinem etwas bringen, dann möchte ich nur darauf hinweisen, dass sehr wohl Rechtsklarheit geschaffen wird. Ich möchte Sie daran erinnern, dass im Rechtsinformationssystem des Bundes diese Gesetze und Ver­ordnungen bisher gar nicht aufgeschienen sind, und zwar deshalb, weil man darauf vergessen hat. Diese Entrümpelungsaktion, bei der man alle Gesetze und Verordnungen durchgegangen ist, hat zum Vorschein gebracht, dass es auch andere Gesetze und andere Verordnungen gibt, die nicht aufscheinen. Das heißt, damit hat es mehr Rechtsklarheit und mehr Rechtssicherheit gebracht.

Ein weiterer Punkt: Ob man als Rechtsanwender 5 000 Gesetze und Verordnungen durchblättern muss, um zu dem zu kommen, was man benötigt, oder nur 2 500 – das ist ein Unterschied! Da stellt sich auch die Frage: Können wir als Politiker den Bürgerinnen und Bürgern zumuten, dass sie aus einem Wust von 5 000 Gesetzen, die noch gelten, jene heraussuchen müssen, die tatsächlich noch anwendbar sind?

Jeder Unternehmer muss jedes Jahr eine Inventur machen, um eine genaue Aufs­tellung davon zu haben, was er noch braucht, was vorhanden ist, was er nicht mehr braucht – dazu ist er verpflichtet. Jeder Mensch durchforstet in gewissen Abständen seinen Kleiderkasten und überlegt, was er nicht mehr braucht, was er weggibt, damit das, was noch drinnen ist, leichter gefunden werden kann – nur den Bürgerinnen und Bürgern tut man diesen Gefallen nicht!

Seit dem 1.1.1946 wurden viele Gesetze kundgemacht, und kein einziges dieser Gesetze wurde bisher dahin gehend überprüft, ob es tatsächlich noch anwendbar ist oder nur einen Ballast darstellt. Sie haben angesprochen, dass die Überschaubarkeit der Gesetze derzeit nicht gegeben ist: Durch diese Rechtsbereinigung schaffen wir nunmehr Überschaubarkeit, das heißt, man weiß genau, welche Gesetze, welche Verordnungen gelten. Das ist auch ausdrücklich in der Anlage zu diesem Gesetzestext ausgeführt.

Sie haben ausgeführt, Sie stimmen dem Gesetzentwurf nicht zu, weil die Methode intransparent wäre: Gerade in diesem Bereich waren wir sehr, sehr transparent, indem wir in einem fünfstufigen Verfahren ermittelt haben, welche Gesetze und Verordnungen wegfallen können. Wir haben das dann in eine sechswöchige Begutachtung geschickt, haben im Rahmen dieser Begutachtung gleichzeitig alle Arbeitsmaterialien auch im Internet veröffentlicht. Das heißt, jeder hatte die Möglichkeit, zu sehen, was noch gelten soll, was nicht mehr gelten soll und was die Begründung dafür ist, warum etwas eben nicht mehr gelten soll – das heißt, transparenter geht es nicht.

Der zweite von Ihnen angesprochene Punkt war, dass die gewählte Methode zur Rechtsbereinigung eine wäre, der man nicht folgen könne. Ich möchte dazu jemanden zitieren, der in diesem Zusammenhang wohl unverdächtig ist, nämlich den Abgeord­neten Johannes Jarolim.

Im Jahr 1999 wurde die Rechtsbereinigung im gleichen Ausmaß und mit der gleichen Methode wie jetzt durchgeführt. Jarolim sagte damals, er glaube, dass das seit 1986 laufende Projekt erst ein Beginn sei, und es bestehe die Notwendigkeit, „die Gesetze weiter zu durchforsten, so wie es insgesamt notwendig und wichtig ist, auch die in Diskussion stehenden Gesetze so einfach wie möglich zu halten“. Weiters ging er


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 64

davon aus, dass „auch bei den laufenden Gesetzen immer wieder diese Kriterien, nach denen wir die Gesetze vor 1946 geprüft haben, zu prüfen“ seien – und genau das haben wir getan.

Damals hat es im Nationalrat Einstimmigkeit gegeben, weil alle gesagt haben: Diese Methode ist fantastisch, endlich haben wir Rechtsklarheit, wir haben einen besseren Zugang zum Recht. – Das gilt jetzt plötzlich nicht mehr, obwohl in diesem Fall 2 500 Gesetze und Verordnungen nicht mehr notwendig sind. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Rösch.)

Professor Bernd-Christian Funk ist in den vorigen Ausführungen zitiert worden, ich möchte ihn ebenfalls kurz wiedergeben: „Eine systematische und fortlaufende Sichtung des Rechts auf dergleichen Ballast ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Rechtsbereinigung, der die Qualität des Rechts spürbar verbessern kann.“

Das ist die Maßnahme, die wir gesetzt haben, denn die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen, was gilt und was nicht mehr gilt, und sie haben ein Recht darauf – das haben Sie auch angesprochen, da bin ich völlig Ihrer Meinung –, dass wir die Gesetze einfacher gestalten. Das ist ein Projekt, das ich in die Wege geleitet habe, bei dem wir jetzt die verbleibenden Gesetze durchforsten und überlegen, wie wir sie ver­ständlicher und wie wir sie klarer lesbar machen können, denn das sind sie derzeit nicht. Wenn man etwa das Einkommensteuerrecht oder das ASVG hernimmt, so kann das nahezu keiner mehr lesen oder verstehen. Da sind wir alle im Rahmen der Gesetz­gebung, aber auch bei bereits bestehenden Gesetzen gefordert, Rechtsvorschriften so zu gestalten, dass sie von den Bürgerinnen und Bürgern auch verstanden werden.

Das ist ein Projekt, das ich auch in Angriff nehme, und deshalb hoffe ich doch, dass Sie trotz der negativen Redebeiträge in diesem Fall auch die positiven Aspekte wahr­nehmen, denn ich glaube, 2 500 Gesetze und Verordnungen im Vergleich zu 5 000 Ge­setzen und Verordnungen bedeutet für den Rechtsanwender jedenfalls eines: dass er jetzt die Gesetze schneller und kostengünstiger finden kann. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.00

17.00.30


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.00.5010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen (188 d.B. und 226 d.B. sowie 9995/BR d.B. und 10013/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 65

und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert werden (193 d.B. und 227 d.B. sowie 9996/BR d.B. und 10014/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. Ich bitte um die Berichte.


17.01.20

Berichterstatterin Mag. Doris Schulz: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Ich bringe zwei kurze Berichte des Aus­schusses für Verfassung und Föderalismus, die Ihnen bereits vorliegen.

Der erste betrifft den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen. Mit diesem Gesetzesbeschluss wird die EU-Richtlinie über die Europäische Ermitt­lungsanordnung in Strafsachen für den Bereich des Verwaltungsstrafrechts umgesetzt. Ziel ist es, grenzüberschreitende Beweiserhebungen in Verwaltungsstrafsachen durch ein einheitliches Verfahren, unter Vorgabe von Fristen und Formularen, zu beschleu­nigen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

In weiterer Folge bringe ich den zweiten Bericht; es geht dabei um den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einfüh­rungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwal­tungs­verfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungs­gerichtsverfahrensgesetz geändert werden. Ziele dieses Gesetzesbeschlusses sind effizientere und transparentere Verwaltungsstrafverfahren, einheitliche Strafkataloge und die gesetzliche Festschreibung des Grundsatzes „Beraten statt strafen“ im Verwal­tungs­strafgesetz.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Ewald Lindinger (den Vorsitz übernehmend): Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.


17.03.34

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen, Kolleginnen! Nur damit ihr nicht verwirrt seid: Ich stehe als Kontraredner auf der Rednerliste, rede aber pro. (Bundesrätin Mühlwerth: So wird man auch Erstredner!) – Das habe ich vorhin schon erläutert, aber lassen wir das, wir müssen das nicht noch einmal machen; vielleicht, Monika Mühlwerth, kannst es ja du in der Präsidiale einmal zur Sprache bringen. (Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Bader und Mühlwerth.)

Im Rahmen des EU-Ausschusses haben wir uns ja mehrfach ganz intensiv mit der Europäischen Staatsanwaltschaft befasst. Wir haben uns nicht explizit mit der Euro­päischen Ermittlungsanordnung befasst, aber mit Eurojust und der justiziellen Zusam­menarbeit in Europa. Das ist etwas Gutes, etwas Richtiges!


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 66

Liebe Regierungskoalition, das ist eine Materie, bei der man eine Zweidrittelmehrheit braucht. Um diese zu erreichen, muss man miteinander reden und nicht Dinge einfach, wie in anderen Bereichen, durchpeitschen. Die Zuständigkeiten der Landesver­wal­tungs­gerichte und des Bundesverwaltungsgerichts wurden ja bei der großen Reform jeweils sehr eng gefasst. Wenn man jetzt allerdings diesen Konsultationsmechanismus einführen will, dass nämlich bei der Anordnungsstelle rückgefragt werden muss, muss man die Zuständigkeiten erweitern. Das ist eine Veränderung in der Verfassungs­be­stim­mung, und dazu braucht es eine gemeinsame Zielsetzung. Das gelingt auch, wenn man miteinander in einem gewissen Geist, in einer gewissen Sachlichkeit Dinge erörtert; und wir wollen diese justizielle Zusammenarbeit und die Möglichkeit, in Straf­sachen anderen Behörden Anordnungen zu geben.

So kommt dann das zustande, was zustande gekommen ist, nämlich ein Abän­derungs­antrag – kein überfallsartiger Abänderungsantrag, wie es ihn diese Tage noch öfters gibt, sondern ein wohlüberlegter Abänderungsantrag. Den unterstützen wir, und deshalb unterstützen wir auch alles, was die Europäische Ermittlungsanordnung be­trifft, und freuen uns, dass wir da sogar noch einen Punkt verbessert haben: nämlich dass die angefragte Stelle, die angefragte Verwaltungsbehörde in Österreich bei der Anordnungsstelle – sagen wir einmal, in Prag – nachfragen kann: Seid ihr sicher, dass ihr das wirklich wollt? Oder: Findet ihr nicht, dass das etwas unverhältnismäßig ist? Oder umgekehrt: Das, von dem ihr wollt, dass wir es untersuchen, ist bei uns kein Verwaltungsstrafdelikt! Das heißt, zwischen den beiden Behörden findet ein ganz wichtiger Dialog statt.

Genau das ist jetzt enthalten. Dadurch wird, glaube ich, mehr Klarheit ermöglicht. Die Anordnungsstelle kann beispielsweise etwas zurückziehen, und wir können, wenn wir ein Ermittlungsersuchen bekommen, gezielter und klarer vorgehen. Das ist wichtig. Wir freuen uns, dass das nun Realität wird, so wie die Europäische Staatsanwaltschaft, für die wir immer eingetreten sind; deshalb stimmen wir zu.

Aber noch einmal: Man muss miteinander reden und soll nicht glauben, dass man schnell Abänderungsanträge zu irgendwelchen Gesetzen mit artfremden Materien reinschieben kann. Das ist eine Form von Gesetzesgestaltung, angesichts derer ich sage: Wenn es so ist, wie ihr oft sagt, dass ihr im Dienste Österreichs handeln wollt, dann solltet ihr auch immer wieder schauen, ob es hier nicht auch Kompromisse gibt. In diesem Fall hat es einen einstimmigen Beschluss gegeben, das ist gut so, und das ist gerade in Verfassungsfragen und in Justizfragen richtig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.08


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Dr. Magnus Brunner. Ich erteile dieses.


17.08.25

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal danke, Stefan Schennach, für deine sachliche Rede und auch dafür, dass es bei dieser wichtigen Regelung zu einer Verfassungsmehrheit kommt. In dieser Debatte behandeln wir ja zwei artverwandte Gesetzesmaterien gemeinsam. Ich werde daher zur Umsetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung gar nicht mehr viel sagen. Ich glaube, wir haben das im Ausschuss sehr sachlich und konsensual diskutiert.

Bei der zweiten Materie, dem Verwaltungsstrafrecht, sind schon noch einige Punkte zu erwähnen. Da geht es ja ganz prinzipiell darum, wie wir mit den Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern in einem Verwaltungsverfahren umgehen. Wir wollen zum Ersten einmal


BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 67

entkriminalisieren. Ich glaube, dass das ein wichtiger Punkt ist; das geschieht unter dem Motto „Beraten statt strafen“. Wenn jemand also ein sogenanntes Dauerdelikt begeht, dann soll die Behörde zumindest die Möglichkeit haben, zuerst einmal darauf aufmerksam zu machen, dem Bürger die Möglichkeit geben, diesen Zustand zu verändern, und erst dann ein Verfahren einleiten, wenn er sein Verhalten oder den Zustand nicht ändert.

Jeder von uns kennt Beispiele: Man wechselt den Wohnsitz und vergisst in den ersten Wochen, sich selber oder das Auto umzumelden, wenn man eine neue Adresse hat. In diesen Fällen soll in Zukunft nicht gleich bestraft werden, sondern eben zuerst darauf aufmerksam gemacht werden, und erst, falls es dann notwendig wird, dann soll es zu einem Verfahren kommen.

Dabei ist auch ganz wichtig, festzuhalten, dass dieses Prinzip Beraten statt strafen eben nur bei Dauerdelikten gilt, also nicht bei Erfolgsdelikten und auch nicht, wenn ein Vorsatz dahintersteckt; dann ist dieses Prinzip nicht mehr anzuwenden. Diese Maß­nahme ist ja auch nicht neu, muss man ehrlicherweise sagen. Wir kennen das aus dem Arbeitsinspektionsgesetz, das seit vielen Jahren gilt, in dem auch vorgesehen ist, dass bei Verletzungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften zuerst zu beraten ist. Genau diesen Weg wollen wir heute hier auch gehen: Bei geringem Verschulden, wenn kein Vorsatz vorhanden ist, entkriminalisieren wir mit dieser Änderung.

Ein zweiter Punkt, der auch nicht unwichtig ist, ist die Gleichbehandlung innerhalb Österreichs. Es gibt auch dazu Beispiele, die jeder von uns kennt. Es ist nicht einzusehen, dass beispielsweise bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die in der Steiermark oder wo auch immer begangen wird, ein anderer Betrag zu zahlen ist, als wenn man in Niederösterreich oder in Oberösterreich eine Geschwindig­keitsüber­schrei­­tung begeht. Es wird in ganz Österreich einen einheitlichen Deliktskatalog geben – natürlich auch in Vorarlberg (Bundesrat Mayer: Danke!) –, Klarheit und Rechtssicherheit, dass jedes Delikt, egal wo in Österreich, hinter dem Arlberg oder vor dem Arlberg – in Vorarlberg –, die gleiche Strafe zur Folge hat. (Bundesrat Schennach: Hinterm Arlberg!) – Vorarlberg heißt Vorarlberg, weil wir vor dem Arlberg sind. (Bun­desrat Schennach: ... wieder umgekehrt!)

Ein dritter Punkt, der sowohl für die Behörde als auch für den Bürger sehr, sehr wichtig ist, ist die Beschleunigung der Verwaltungsverfahren. Ich glaube, das ist vor allem in der heutigen Zeit ein Gebot der Stunde. Mit diesem heutigen Beschluss können Ver­fahren nicht mehr beliebig und künstlich in die Länge gezogen werden, sondern in Zukunft können nach Schluss eines Ermittlungsverfahrens nur noch Tatsachen eingebracht werden, die wirklich neu sind, die neu hervorgekommen sind oder über­haupt neu entstanden sind. Das führt natürlich auch zu einer enormen Beschleunigung der Verwaltungsverfahren. Auf der anderen Seite besteht auch die Entscheidungs­pflicht der Behörde. Sie muss innerhalb von acht Wochen entscheiden, sonst wird das Ermittlungsverfahren, das vorher schon abgeschlossen war, wieder aufgemacht.

Einen letzten Punkt möchte ich noch kurz ansprechen, der eigentlich auch zum am An­fang erwähnten Punkt der Entkriminalisierung passt: Wir machen heute einen ersten Schritt in Richtung einer Unschuldsvermutung im Verwaltungsstrafbereich. Ab einem Betrag von 50 000 Euro wird man die bisher geltende Verschuldensvermutung umdre­hen. Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, ob das zu hoch angesetzt ist. Es wurde jetzt einmal so angesetzt, weil in anderen Bereichen, im Finanzstrafrecht bei­spielsweise und im Strafrecht generell, diese Grenze von 50 000 Euro schon imple­mentiert ist. Der Herr Minister hat aber bereits angekündigt, das nach zwei Jahren zu evaluieren und dann zu entscheiden, ob man diese Grenze noch heruntersetzen, also noch weiter in Richtung Entkriminalisierung gehen kann.


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Durch diese Beschlüsse heute wird die Rechtsprechung auf jeden Fall effizienter, sie wird nachvollziehbarer. Ich kann alle nur einladen, zuzustimmen. Wir werden das natürlich tun. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.13


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile dieses.


17.13.57

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Diese Regierungsvorlage verbirgt hinter einer harmlos scheinenden Fassade einiges an Klientelpolitik. Verfahrensvereinfachung, schnellere Verfahren, „Beraten statt strafen“ – das klingt alles sehr gut, ist es aber nicht immer. Es klingt nach Bürger-, Bürgerinnenfreundlichkeit, und das hätte es auch sein können, wenn man an den Entwürfen der vergangenen Legislaturperiode weitergearbeitet hätte.

Was hat man aber stattdessen gemacht? – Ein Gesetz, von dem einfache Bürgerinnen und Bürger wenig, vielleicht etwas, ein bisschen, wie in den angesprochenen Bei­spielen, profitieren können, im Gegenzug dazu aber als Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, als Anrainerinnen und Anrainer, als Menschen, einen geringeren Schutz ge­nießen, denn die generalpräventive Wirkung ist halt geringer, wenn die zu befürch­tende Sanktion lediglich in einem Beratungsgespräch besteht, selbst wenn umwelt­beeinträchtigende oder arbeitnehmerinnen-, arbeitnehmerfeindliche Zustände geschaf­fen wurden.

In der Gesamtschau mit anderen Maßnahmen dieser Bundesregierung, wie etwa der Pau­schalierung von Verwaltungsstrafen, dem sogenannten Strafdeckel bei Meldever­stößen im arbeitsrechtlichen Bereich oder anderen Maßnahmen, kann der Schluss ge­zogen werden: Rechtsbruch zahlt sich aus – das halte ich für brandgefährlich (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Spanring: Silberstein!) –, vor allem für die sogenannten großen Fische, denn bei Verwaltungsdelikten, mein Vorredner hat es angesprochen, gilt ab einer Strafsanktion von 50 000 Euro die Beweislastumkehr, was die Verschul­densvermutung betrifft.

Das ist ein Wahnsinn, wenn man sich da die Kategorie von Straftaten vor Augen führt. Nicht die üblichen Delikte des täglichen Lebens von Otto Normalverbraucher oder Anna Normalverbraucherin hat man da vor Augen, nein, da geht es wirklich um die großen Dinge, die von größeren Unternehmen begangen werden, etwa Überschreitung von Emissionsgrenzen oder eben Dinge, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen können. Bei dieser Strafsanktion geht es um die großen Dinge, das sollte man sich schon vor Augen führen: dass es hier wirklich um schamlose Klientelpolitik geht und um nichts anderes! Alles andere, was Sie hier genannt haben, ist die Fas­sade, die schöne Fassade, mit der man nach außen geht, aber dahinter verbirgt sich das, was wir massiv kritisieren müssen, weil es eben um Rechtsstaatlichkeit geht, um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger.

Bedauerlich ist aber auch, dass soziale, gemeinnützige Tätigkeiten statt des Verbüßens einer Ersatzfreiheitsstrafe im Verwaltungsstrafrecht nicht mehr vorgesehen sind. Herr Minister, da muss ich Sie auch fragen: Warum ist das so? Es ist eigentlich nicht ein­zusehen, warum wir die Gefängnisse füllen wollen, anstatt die Menschen sozial wertvolle Tätigkeiten verrichten zu lassen, das ist absolut nicht nachzuvollziehen. (Bundesrat Spanring: ... für euch nicht nachzuvollziehen! – Ruf bei der ÖVP: Was hat das mit dem zu tun?)


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Herr Kollege, Sie provozieren mich da wirklich zu der Äußerung, dass der Ge­samt­eindruck entsteht, dass offensichtlich wieder einmal eine Rate für die immens hohen Wahlunterstützungen und Parteispenden im Zuge der Wahlauseinandersetzung zu­rück­gezahlt werden soll. Das ist zutiefst zu kritisieren. (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrat Spanring: ... Tal Silberstein!)

17.18


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Josef Moser. Ich erteile dieses.


17.18.49

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Danke für Ihre Ausführungen, Frau Bundesrätin Grossmann, weil ich dadurch doch eini­ges klarstellen kann. Betreffend diese Gesetzesnovelle, die heute vorliegt, möchte ich darauf hinweisen, dass sie gerade für die Bürgerinnen und Bürger da ist, weil sie den Staat einfacher macht; sie macht Verfahren schneller, sie macht sie gerechter, und gleichzeitig entkriminalisiert sie in jenen Bereichen, in denen Strafen nicht angebracht sind.

Ein Punkt, der in diesem Zusammenhang auch noch zu erwähnen ist, macht den Staat gerechter: dass man sich vom Ordnungsstaat hin zum Dienstleistungsstaat bewegt. Sie haben das Prinzip „Beraten statt strafen“ angesprochen, dass dadurch die Rechte gerade der Arbeitnehmer, der Anrainer und dergleichen abgeschwächt werden sollen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die Novelle ist genau so aufgebaut, dass „Beraten vor strafen“ tatsächlich eben nur dann stattfindet – das wurde von Bundesrat Brunner ausgeführt –, wenn das Verschulden und die Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes gering sind. 

Sie haben die Nachbarn angesprochen, dass da entkriminalisiert wird und dass da­durch die abschreckende Wirkung geringer wird, allenfalls eine Straftat zu begehen. Ich zitiere den § 33a der Vorlage, in dem genau ausgeführt ist, was nicht gering ist, das heißt, dass „Beraten vor strafen“ nicht Platz greifen kann, „[...] wenn die Übertretung nachteilige Auswirkungen auf Personen oder Sachgüter bewirkt [...]“.

Das heißt, wenn es eine Lärmimmission gibt oder beispielsweise der Nachbar in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt wird (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), dann gilt „Beraten vor strafen“ nicht. Das heißt, genau das haben wir ausgenommen, wir sind in eine Richtung gegangen, bürgerfreundlicher zu sein. Es ist gerade von Magnus Brunner ein Beispiel angeführt worden: Wenn jemand seinen Wohnsitz von einer Gemeinde zur anderen verlegt und vergisst, gleichzeitig das Autokennzeichen umzumelden, bekommt er eine Strafe, wenn auf dem Autokennzeichen statt Baden zum Beispiel Mödling steht. Da soll beraten werden, und wenn er innerhalb einer bestimmten Zeit den rechtmäßigen Zustand nicht herstellt, wird er bestraft.

Das ist ein Punkt, der eben – auch das wurde angesprochen – im Arbeits­inspektions­gesetz bereits geregelt ist. Dort ist man in die Richtung gegangen, zu sagen: zuerst beraten, dann eine Frist setzen; wenn die Frist nicht gewahrt wird oder der rechts­widrige Zustand nicht beseitigt wird, dann wird bestraft. Die Motivation für dieses Ge­setz war: Man hat mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Umsetzung der Arbeit­nehmer­schutzvorschriften beraten. Das heißt, man ist damals davon ausgegangen, dass das Gesetz eher eingehalten wird, wenn man zuerst berät, die Leute überzeugt, als wenn man gleich mit der Strafkeule kommt. Genau diesen Aspekt haben wir in die Gesetzesvorlage eingearbeitet, und ich glaube, das ist gut so.


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Sie haben betreffend Verschuldensvermutung auch ein Thema angesprochen. Ja, ich habe den Schritt gesetzt, und zwar deshalb, weil es meines Erachtens mit einem Rechtsstaat unvereinbar ist, dass in dem Fall sozusagen ein Inquisitionsprinzip – das heißt also, der Kläger ist gleichzeitig auch der Richter – gilt. Ich bin den Schritt ge­gangen, genau dieses Prinzip der Verschuldensvermutung bei Ungehorsamsdelikten aufzuweichen, und zwar in der Form, dass man nicht irgendjemanden begünstigt, son­dern zu schauen, welche Wirkungen das in dem Bereich hat. Die Wirkung war, dass ich natürlich andere Rechtsvorschriften zugrunde gelegt habe, sozusagen darauf ge­achtet habe, wo es auf jeden Fall angebracht wäre, den ersten Schritt zu setzen, bevor man den zweiten Schritt setzt; das hat Magnus Brunner auch angesprochen. Ich beab­sichtigte da, sehr wohl in zwei Jahren zu prüfen, inwieweit man diese Grenze von 50 000 auf allenfalls 2 000 oder 3 000 Euro senken kann.

Warum habe ich diese Grenze von 50 000 genommen? Nämlich deshalb, weil man diesen Betrag in mehreren Gesetzen bereits als Anknüpfungspunkt hat, wie beispiels­weise in der Exekutionsordnung, dort gibt es ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren bis 50 000 Euro. Im Kapitalabfluss-Meldegesetz sind Kapitalabflüsse bis 50 000 Euro nicht meldepflichtig, im Schenkungsmeldegesetz oder im Finanzstrafgesetz ist die ge­richtliche Zuständigkeit ab 50 000 Euro gegeben, und im Strafrecht war bei Vermö­gensdelikten die Grenze – die mittlerweile angehoben wurde – bisher auch 50 000 Euro.

Das heißt, es wurde genau diese Grenze genommen, um den ersten Schritt in Rich­tung einer Entkriminalisierung zu setzen und nicht in irgendeiner Art und Weise jemanden zu begünstigen. Es freut mich in diesem Zusammenhang, dass Sie ange­sprochen haben, dass Sie die Absicht, diese Grenze weiter zu senken, auch unterstüt­zen würden.

Ein Punkt, der noch angesprochen wurde oder zu dem gesagt wurde, das wirke sich für die Bürgerinnen und Bürger nicht aus, ist die Verfahrensbeschleunigung. Sie wis­sen, wenn ein Kleinunternehmer bisher einen Antrag auf Betriebsanlagengenehmigung eingereicht hat, hat das Verfahren oft jahrelang gedauert. Warum? – Es wurde eine Verhandlung anberaumt, es wurde ein Gutachten vorgelegt, das Gutachten wurde im Rahmen der Verhandlung besprochen; kaum war die Verhandlung vorbei, hat es ein neues Gutachten gegeben: wieder Parteiengehör, neue Verhandlung, neue Verhand­lung, neue Verhandlung. Damit ist der Unternehmer oder auch der Private nie dahin gekommen, dass sein Verfahren abgeschlossen werden konnte.

Damit ist es nun vorbei. Zum einen gibt es eine Verfahrensbeschleunigungspflicht für die Bürgerinnen und Bürger, das heißt, die Bürger müssen dabei mitwirken, dass das Verfahren rascher abgewickelt wird. Es besteht die Möglichkeit, innerhalb der Verhand­lung den Schluss des Beweisverfahrens zu erklären, dann ist das Verfahren vorbei. Gleichzeitig hat aber die Behörde auch eine Verpflichtung, nämlich innerhalb von acht Wochen zu entscheiden. Tut sie das nicht, ist das Ermittlungsverfahren wieder offen. Das ist eine Regelung, die von vielen, auch von den Gerichten verlangt wurde und die in eine Richtung geht, gerade den klein- und mittelständischen Unternehmungen in diesem Zusammenhang eine Hilfestellung zu leisten.

Ein weiterer Punkt, der die Bürgerinnen und Bürger betrifft, ist der Aspekt – auch das wurde angesprochen –, dass das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes bisher in Vorarl­berg, Salzburg und Wien unterschiedliche Deliktshöhen nach sich gezogen hat. Jetzt kann der Wirtschaftsminister festlegen, dass das in ganz Österreich im gleichen Aus­maß, in gleicher Höhe zu ahnden ist. Das bringt ein zeitgemäßes und transparentes Ver­waltungsverfahren für die Bürgerinnen und Bürger.


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Darüber hinaus haben wir für die Bürgerinnen und Bürger einen weiteren Schritt ge­setzt, wenn es darum geht, ein Verfahren einzustellen beziehungsweise dass es über­haupt nicht dazu kommt, dass ein Strafverfahren durchgeführt wird, wenn man näm­lich – so wie derzeit – ein Organstrafmandat mit dem vorgeschriebenen Betrag von 25 Euro bekommen hat, aber 28 Euro eingezahlt hat. Bisher hat man obwohl man gezahlt hat  ein Strafverfahren bekommen, und zwar deshalb, weil nicht ordnungs­gemäß eingezahlt wurde. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Wenn jemand zu viel zahlt, dann bekommt er das Geld zurück, aber es wird kein Strafverfahren einge­leitet.

Ein anderes Beispiel: Wenn ein Bürger – derzeit – eine Anonymverfügung bekommt und im ersten Schritt gegen die Anonymverfügung einen Einspruch macht, kann er den Einspruch nicht mehr zurückziehen, es wird ein Strafverfahren durchgeführt. Das wird es nicht mehr geben, das heißt, der Bürger kann den Einspruch noch zurücknehmen, und es wird dann kein Strafverfahren durchgeführt. Auch das ist ein guter Schritt für die Bürgerinnen und Bürger.

Darüber hinaus machen wir einen weiteren Schritt in der Verwaltung, der zum Wegfall von Bürokratie führt. Bisher gab es in Österreich Tausende Ermächtigungsurkunden, jeder Polizist benötigte eine Ermächtigungsurkunde, damit er Geldstrafen einheben konnte. Diese Ermächtigungsurkunden wird es nicht mehr geben, dadurch fallen in Zukunft Tausende Ermächtigungsurkunden weg.

Noch ein Punkt, in dem wir es einfacher, verständlicher für die Bürger gemacht haben, indem wir einen Aussageverweigerungsgrund auch im Verwaltungsstrafverfahren für ehemalige Lebensgefährtinnen oder Lebensgefährten geschaffen haben. Auch das ist dem Strafrecht angeglichen worden, also auch wieder eine Erleichterung für die Bürgerinnen und Bürger.

In letzter Konsequenz haben wir auch fünf Richtlinien umgesetzt, nämlich die EU-Richt­linie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafver­fah­ren, die Richtlinie über die Pflicht zur Begründung und zur Rechtsmittelbelehrung, die Richtlinie über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren, die Richtlinie über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung, um auch dabei die Rechte der Beschuldigten zu stärken und immer mehr in Richtung einer men­schenrechtskonformen Umsetzung zu kommen. Das heißt, ich glaube, wir haben in dem Bereich, in dem es den Bürgerinnen und Bürgern etwas bringt, sehr viel getan.

Vielleicht noch ein Aspekt, der von Herrn Bundesrat Schennach angesprochen wurde: Danke dafür, dass Sie auch der Ermittlungsanordnung die Zustimmung geben. Sie haben es ja angesprochen: Bisher war das bei Finanzstrafbehörden der Fall, bisher war das bei Gerichten der Fall, dass Ermittlungsanordnungen gemacht werden konn­ten, nunmehr können das auch Verwaltungsbehörden. Dafür ist eben erforderlich – das wurde angesprochen –, dass eine Bestätigung durch ein Landesverwaltungsgericht oder ein Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen ist, wenn eine Anordnung seitens einer Verwaltungsbehörde kommt. Da diese Gerichte bisher als Rechtsmittelbehörden eingerichtet waren und sie nunmehr zu bestätigen haben, dass Anordnungen rechtens sind, brauchen wir eine Verfassungsbestimmung. Also herzlichen Dank dafür, dass Sie auch die Zustimmung dazu geben. Ich glaube, diese Maßnahme, die in die Richtung führt, ein einheitliches Verfahren unter Verwendung einheitlicher Formulare und ein­heit­licher Fristen zu bekommen, bringt den Bürgerinnen und Bürgern sehr viel, das entlastet und, wie gesagt, bringt den Rechtsstaat wieder weiter.

Also ich hoffe, dass Sie dieser Novelle beziehungsweise dieser Gesetzesvorlage Ihre Zustimmung geben, denn meines Erachtens machen wir, wir alle, damit einen


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wesentlichen Schritt zu einem modernen Österreich. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.28


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml. Ich erteile ihm dieses.


17.28.32

Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Minister Moser! Geschätzte Damen und Herren des Bun­desrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Plenarsaal und zu Hause vor den Bildschirmen! Herr Minister, zunächst einmal vielen Dank von meiner Seite dafür, dass Sie mir Gott sei Dank bestätigt haben, dass ich noch fähig bin, ein Gesetz zu lesen und nicht nur zu lesen, sondern es auch zu verstehen. Kollegin Grossmann hat mich da schon ein bisschen verunsichert. Ich habe mir gedacht: Habe ich so viele Dinge in dieser Gesetzesvorlage überlesen? Wo sind meine – zumindest beschei­de­nen – juristischen Fähigkeiten? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich möchte Kollegin Grossmann nicht unterstellen, dass sie uns absichtlich anlügt, also muss es ja wohl passiert sein, dass da doch ein paar Unschärfen aufgetaucht sind. Nachdem Sie gesprochen haben – zunächst einmal nach dem Kollegen Schennach, aber auch nach dem Kollegen Magnus Brunner –, habe ich mir gedacht, ich kann mir meine Wortmeldung völlig ersparen, beide haben das Gesetz perfekt, kurz und prägnant vorgestellt, Herr Minister Moser hat dankenswerterweise dann auch noch die Erläuterungen dazu vorgetragen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Da habe ich mir gedacht, eigentlich bräuchte ich mich nicht mehr zu Wort zu melden.

Dann habe ich mir gedacht, dieses Schauermärchen, das die Bundesrätin Grossmann verbreitet hat, mag vielleicht dazu beitragen, dass mancher Zuseher heute nicht mehr so gut schläft. (Bundesrat Schennach: ... Ihre Rede ... das ist was anderes!) Es ist ja unglaublich, was da alles eingeführt wird, wovon nur die Konzerne und nur die Großen profitieren.

Ich erspare Ihnen jetzt die Wiederholung dessen, was der Herr Minister aufgezählt hat, wobei wir alle als Rechtsunterworfene davon profitieren; ein kleiner Fehler kann jedem einmal passieren. Ja, ich oute mich hier heute gerne: Ich bin vor drei, vier Jahren auch bestraft worden – ich glaube, mit 50 Euro –, weil ich vergessen habe, die Adresse, auf die meine Vespa angemeldet war, zu ändern – sogar innerhalb des Bezirks Linz, also ich habe nicht einmal ein anderes Taferl bekommen. Da habe ich mir auch gedacht: Na ja, das ist ein kleines Versehen, natürlich muss man bezahlen, aber ich glaube, damals hätte auch eine Beratung keine weitreichenden Folgen für den Rechtsstaat oder für sonst jemanden ausgelöst. (Bundesrat Schabhüttl: Sie hätten vier Wochen Zeit gehabt zum Ummelden!)

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, Frau Kollegin, dass Sie, glaube ich, schon den Unterschied zwischen einem Erfolgsdelikt und einem Dauerdelikt erkennen und dass Sie schon befähigt sind, zu verstehen und zu lesen, dass eben gerade dieser Grundsatz „Beraten statt strafen“ dann nicht zur Anwendung kommen kann, wenn eine Gefahr für Personen oder Sachgüter besteht. Es kann also nicht sein, dass ein böses Unternehmen tonnenweise Emissionen über den Schornstein ausscheidet – und schon gar nicht vorsätzlich –, die ganze Nachbarschaft verpestet, und dann gibt es bloß ein Be­ratungsgespräch. Das sind Schauermärchen, das ist einfach nicht wahr und gehört auch richtiggestellt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Fakt ist eines – und damit kann man es, glaube ich, bewenden lassen –: Der vorlie­gende Entwurf sieht wirklich viele, viele wichtige Erleichterungen für alle Bürgerinnen


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und Bürger vor und ist damit – der Herr Minister hat es ja aufgezählt, das ist eine weite Reihe an Maßnahmen, die hier getroffen werden – ein weiterer Beitrag zu mehr Rechts­staatlichkeit.

An dieser Stelle, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, möchte ich aber abschließend schon noch eines sagen: Wer einen Pflasterstein gemeinsam mit einer Grabkerze vor einem Privathaus einer jungen Familie als demokratisches Mittel akzep­tiert und anwendet, hat von Demokratie nichts verstanden. Und Sie haben heute auch bewiesen, dass Sie offenbar auch von der Rechtsstaatlichkeit nicht viel verstanden haben. Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.32

17.32.39


Vizepräsident Ewald Lindinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die getrennt erfolgt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einfüh­rungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungs­ver­fah­rensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsgerichts­ver­fahrensgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.33.5312. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Fortpflanzungs­medizinge­setz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtskommissärsgesetz, das Ge­richts­­or­ga­nisationsgesetz, das IPR-Gesetz, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Konsu­mentenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, das Mietrechtsgesetz, die Notariats­ordnung, das Rechtspflegergesetz, das Tiroler Höfegesetz, das Unter­nehmens­gesetzbuch, das Verfahrenshilfeanträge-Übermittlungsgesetz, das Ver­wal­tungs­gerichtshofgesetz 1985, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Voll­zugs­gebüh­ren­gesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, die Zivilprozessordnung, das Erwachsenenschutzvereinsgesetz und das Justizbetreuungsagentur-Gesetz ge­än­dert werden (Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bun­desministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – ErwSchAG-Justiz) (195 d.B. und 221 d.B. sowie 10018/BR d.B.)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich bitte um den


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Bericht.


17.34.13

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des National­rates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, mit dem verschiedene Materiengesetze angepasst werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gregor Hammerl. Ich erteile dieses.


17.35.12

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Meine geschätzten Damen und Herren! Heute ist ein großer Tag. Mit dem Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz, das wir heute beschließen, ist im Parlament ein Meilenstein in der Entwicklung der sozialen Verantwortung geglückt.

Wir sind das einzige Land in Europa, meine Damen und Herren, das ein Gesetz hat – das heute beschlossen wird, es ist großartig –, das es ermöglicht, Menschen, die hilfs­bedürftig sind, zu helfen. Es war eine Perspektivenänderung in Richtung der Men­schen, die Schutz brauchen, die zugleich aber die eigenen Fähigkeiten und Kräfte ent­wickeln können.

Der Mensch, der leider auch in sozialstaatlichen Zugängen oft als Mittel behandelt wird, rückt damit in den Mittelpunkt. Der Mensch droht im bürokratischen und betreue­rischen Umgang oft nur zu einer Nummer zu werden, zu einer Sache, die dann ver­waltet wird. In unserem Fall hieß es dann: Er wird besachwaltet, ist also eine Sache, ein Fall.

Dieser indirekte Zugang zum Menschen ist in manchen Punkten, meine Damen und Herren, in einem Sozialstaat aus Gerechtigkeitsgründen wichtig. Er bedarf aber unbe­dingt der Einbettung in eine direkte Begegnung. Die wenigsten wissen, dass es in Österreich knapp 400 000 Frauen und Männer mit der Diagnose Demenz gibt. Die Damen und Herren, die schon länger hier im Bundesrat sind, werden den Herrn kennen: Ich spreche von einem Bundesratskollegen, den ich seit zwei Jahren betreue, der überraschend in eine Anstalt hineingekommen ist. Wir versuchen seit zwei Jahren, ihn herauszuholen. Mit diesem Erwachsenenschutz-Gesetz, meine Damen und Herren, wird es uns gelingen, dass er wahrscheinlich nicht mehr bei seiner Familie, sondern wieder allein und selbstständig wohnen kann.

Meine Damen und Herren! Der Sozialstaat muss ja von der Hilfsbedürftigkeit der Menschen ausgehen, darf aber die Fähigkeiten der Menschen, sich selbst zu ent­wickeln, nicht übersehen. Wenn ich im anderen nur den Hilfsbedürftigen sehe, nicht aber auch seine Fähigkeiten im Auge behalte, kommt es nur zu leicht zur Sicht, den anderen als arm, behindert oder besachwaltet anzusehen.

Dadurch gerät der Mensch in Abhängigkeiten, er wird nicht als ganzer Mensch, mit in manchen Bereichen vielleicht größeren Fähigkeiten als sogenannte Mündige und Schwache, gesehen. Wir brauchen also, meine Damen und Herren, eine ganzheitliche Sicht auf Menschen, die des Schutzes bedürfen. Wir dürfen sie nicht wie unmündige


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Kinder betrachten. Die Hilfe, die geboten wird, muss als Hilfe zur Selbsthilfe im Sinne des Subsidiaritätsprinzips ausgestattet werden. Es braucht also einen Blick auf den anderen, der die Schutzbedürftigkeit mit einem Blick auf den ganzen Menschen einordnet.

Ich würde Ihnen raten, dass Sie sich vielleicht einmal eine Demenzstation in dem Bundesland, in dem Sie zu Hause sind, ansehen und fragen, wie der Tagesablauf von morgens bis abends ist: Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Fragen Sie dann einmal selbst dort nach, was mit diesen Menschen sonst noch gemacht wird: etwas Geistiges, dazu auch etwas Körperliches und so weiter? Sie werden sich wundern, dass wir in diesem Bereich Probleme haben, wir haben in diesen Anstalten auch zu wenig Personal.

Diesem Anliegen dient die Tatsache, dass es nach dem Erwachsenenschutz-Gesetz nicht nur eine Kategorie von Vertretung gibt. Meine Damen und Herren, den Sach­walter im klassischen Sinne, der alle Bereiche der Vertretung innehat, gibt es nicht mehr. Jetzt gibt es vier Kategorien der Vertretung, die den jeweiligen persönlichen Erfor­dernissen angepasst sind.

Das Erste ist die Vorsorgevollmacht. Jeder kann im Voraus bestimmen, wer bei Verlust oder wesentlicher Einschränkung der Entscheidungsfähigkeit in bestimmten Bereichen die Vertretung übernimmt.

Zweitens gibt es die gewählte Erwachsenenvertretung. Wenn der Bedarfsfall einer Ver­tretung eingetreten ist, kann man immer noch seine Vertretung wählen, auch bei geminderter Entscheidungsfähigkeit. Die gewählte Vertretung ist dann vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder bei einem Erwachsenenschutzverein festzulegen.

Drittens: Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist das, was bisher die Vertretung durch nächste Angehörige darstellte. Diese kann vor den schon genannten Stellen errichtet werden, sie unterliegt der richterlichen Kontrolle und endet spätestens nach drei Jahren.

Viertens: Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ersetzt mit 1. Juli dieses Jahres den früheren Sachwalter. Sie ist auf bestimmte Aufgaben beschränkt und stellt nicht mehr eine Vertretung in allen Angelegenheiten dar. Meine Damen und Herren, mit diesen verschiedenen Formen der Vertretung kann den Grundsätzen Unterstützen statt Ent­mündigen und Schluss mit der kompletten Entmündigung entsprochen werden. Es können damit nämlich die individuellen Bedürfnisse und Schutznotwendigkeiten Be­rück­­sichtigung finden. Mit dieser Veränderung der Perspektive und der Einführung verschiedener Typen von Vertretung ergibt sich nun die Notwendigkeit, in verschie­denen Bereichen des Rechts Anpassungen vorzunehmen, die mit der vorliegenden Beschlussfassung erfolgen.

Es geht dabei nicht nur um ein Austauschen von Wörtern und Finden von neuen Formulierungen. Es geht darum, dass diese neue Perspektive auf den Menschen, seine Schutzbedürftigkeit, aber auch seine unantastbare Würde im ganzen Recht ver­stärkt Platz finden kann.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Erwachsenenschutz-Gesetzes gilt es, noch weitere Schritte zu setzen. In Österreich gibt es über 60 000 Menschen, die bis jetzt besach­waltet sind, deren Status nun aber überprüft werden muss. Das betrifft auch das, was ich vorhin erzählt habe, nämlich dieses große Pflegeheim für an Demenz Erkrankte in der Steiermark. Nach Überprüfung dieser 60 000 Fälle kommen Sie drauf, meine Damen und Herren, dass es viele Frauen und Männer gibt, die in diesen Pflegeheimen für an Demenz Erkrankte nichts zu suchen gehabt hätten. Da gibt es andere Möglich-


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keiten in der Familie da und dort, das hätte nicht so weit kommen müssen. Das Erwachsenenschutz-Gesetz wird diesbezüglich eine Hilfestellung sein.

Es stellt sich auch die Frage, welchen Kategorien der Vertretung sie jetzt zugeordnet werden. Meine Damen und Herren, beim Umgang mit den Betroffenen zeigt sich, wie der Geist des Gesetzes in die Umsetzung des Gesetzes münden kann. Da brauchen wir einen großen Einsatz und großes Einfühlungsvermögen der Behörden und der Vertreter der Schutzbedürftigen. Es gibt diesbezüglich viel Arbeit.

Wenn ich am Anfang erwähnt habe, dass es sich bei diesem Erwachsenenschutz-Gesetz um einen Meilenstein in der Entwicklung der sozialen Verantwortung handelt, so muss ich jetzt darauf hinweisen, dass dieses Gesetz, meine Damen und Herren, wesentlich von der früheren Nationalratsabgeordneten Mag. Gertrude Aubauer, Vize­präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes, mitinitiiert und mitgetragen worden ist, auch der Herr Minister hat es hier im Haus öfter erwähnt. – Ein großes Danke dafür!

Auch Ihnen, Herr Bundesminister, ein großes, großes Dankeschön! Wir wissen und Sie wissen, das Gesetz war nicht billig. Sie haben da und dort gerechnet, und Sie haben mit Freude zugestimmt. Wir wissen das. Es wird noch viel Kraft brauchen, dass wir diese 60 000 Fälle überprüfen. Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen, es ist uns in Österreich ein Meilenstein gelungen, danke für die Mitarbeit. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.42


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile dieses.


17.42.54

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe meinem Vorredner, Kollegen Hammerl, recht, heute ist ein großer Tag, nicht nur wegen des Erwach­senenschutz-Gesetzes, das ja schon im Nationalrat beschlossen wurde, sondern weil heute auch terminologische Anpassungen vorgenommen werden, die ganz wichtig sind. Heute ist aber auch deshalb ein großer Tag, weil unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen angekündigt hat, Ceta nicht zu unterschreiben, bevor nicht ein endgültiges Urteil des EuGH vorliegt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­des­rätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Zwischenruf bei der FPÖ.) Dieses Bekenntnis – Sie haben mich dazu inspiriert, Herr Abgeordneter Hammerl – macht diesen Tag zu einem großen Tag. (Ruf bei der FPÖ: Aber wir haben schon geredet über das Demo­kratieverständnis, Frau Kollegin!)

Aber zum Erwachsenenschutz-Gesetz: Das ist eine wichtige Sache, es löst das bis­herige, nicht mehr zeitgemäße Sachwalterrecht ab. Sie haben es in den Eckpunkten schon erläutert. Es hat eine lange Vorgeschichte, und viele haben sich darum verdient gemacht: Abgeordneter Jarolim, Abgeordnete Aubauer und viele, viele andere. Ich war während der letzten Legislaturperiode ja auch im Nationalrat, und wir haben es im Justizausschuss sehr, sehr lange diskutiert. Es wurden Hearings durchgeführt, es hat ein umfassendes Begutachtungsverfahren gegeben, es wurden Expertisen eingeholt und auch eingearbeitet, Änderungsvorschläge aufgenommen, genau so, wie man sich das vorstellt, wie ein Gesetz zustande kommen soll: unter Einbeziehung vieler Exper­tisen, nach eingehender Beratung und Debatten. (Bundesrat Samt: Das habt ihr nie gemacht vorher!)


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Wir würden uns auch in dieser Legislaturperiode vorstellen, dass genau so Gesetze zustande kommen sollen, anstelle von Husch-Pfusch- und Drüberfahrgesetzen, wie es leider immer mehr einreißt. Nehmen wir uns ein Beispiel, nehmen Sie sich ein Beispiel an diesem guten Gesetz, auch von der Art des Zustandekommens her, denn dann kommt eben etwas Gescheites dabei heraus, auf das wir gemeinsam stolz sein können und das wir alle gemeinsam auch mit gutem Gewissen vertreten können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Es ist wirklich eine gute, begrüßenswerte Sache. Sie haben es auch erläutert, es geht darum, die Förderung der Selbstbestimmung trotz mentaler Beeinträchtigungen auf­rechtzuerhalten und zu unterstützen – also keine unbefristeten Sachwalterschaften mehr für alle Angelegenheiten. Ich bin auch sehr oft in Pflegeheimen unterwegs, und da hört man immer wieder die Klage, dass sich die Menschen ihren Sachwaltern ausgeliefert fühlen, dass sie unglaublich viel Geld zahlen, sich entmündigt fühlen und dass Dinge passieren, die sie einfach nicht gutheißen. Mit diesem neuen Regime mit abgestuften Formen wird einfach der Privatautonomie und der Selbstbestimmung stärker Rechnung getragen, und es ist ein Gesetz, das absolut der Menschenwürde entspricht.

Es ist also wirklich eine sehr, sehr gute Sache, die aber – das muss man auch betonen oder in Erinnerung rufen – fast dem Sparstift zum Opfer gefallen wäre, weil das Budget offensichtlich nicht so freimütig und nicht gleich zur Verfügung gestellt worden ist. Es hat diesbezüglich also eines großen Aufschreis der Zivilgesellschaft bedurft, dass die Mittel doch freigegeben werden. Sie haben sich dazu ja auch dankenswerterweise geäußert, es war nicht einfach. Es wäre fast wieder gekippt worden, nicht aus inhalt­lichen Gründen, sondern aus finanziellen Gründen, was besonders schade gewesen wäre. An dieser Stelle möchte ich mich wirklich bei allen bedanken, die einen unüber­hörbaren Aufschrei getätigt haben, bei den Organisationen und Privatpersonen der Zivil­gesellschaft. Ich glaube, ohne diesen Aufschrei wäre es nicht so einfach gegan­gen.

Ich möchte noch etwas dazu sagen, was heute Kollege Samt angesprochen hat. Wo ist er denn? – Da ist er ja. Sie haben heute angesprochen – ich möchte nur kurz dazu Stellung nehmen –, dass aus dem Regionalressort Schickhofer angeblich irgendwelche Förderungen nicht freigegeben worden wären. (Bundesrat Samt: Seit Monaten! Das Budget, Frau Kollegin, das Budget ist nicht freigegeben!) Ich habe mit dem Ressort gerade Rücksprache gehalten. Es sind 600 Projekte in Umsetzung. Selbst wenn das eine oder andere vielleicht jetzt noch nicht eingereicht worden ist oder noch nicht da ist: Es ist nicht aller Tage Abend. (Bundesrat Samt: Sie verstehen das nicht, Frau Kollegin, das Budget ist nicht freigegeben!) Es können die Mittel auch fortgeschrieben werden, also nur, um das nicht unwidersprochen hier stehen zu lassen. – In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.48


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächster zu Wort gemeldet: Christoph Steiner. Ich erteile dieses.


17.48.27

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Kollegen Bundesräte! Zu dem Gesetz sind eigentlich nur Proredner eingetragen, aber Frau Grossmann bringt es in ihrer eigenen Welt, in der sie an­scheinend lebt – das hat sie uns heute oft genug unter Beweis gestellt –, zustande, das auch noch irgendwie schlechtzureden. Es ist schon ein weiter Sprung gewesen, dass man irgendetwas dafür findet. Wenn es so wäre, wäre das Gesetz doch wohl fast noch gekippt worden. (Bundesrat Todt: Also was hat Sie jetzt schlechtgeredet, Herr Kol-


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lege? Haben Sie nicht zugehört?) – Passen Sie auf, sonst kriegen Sie noch einen Herzinfarkt! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mit dem Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz wird ein Paradigmenwechsel im Bereich der bisherigen Sachwalterschaft eingeleitet, mit der großen und wichtigen Überschrift Erwachsenenvertreter statt Sachwalter. Dieses neue Gesetz soll und wird in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen, sprich der Menschen mit Beeinträchtigungen psychischer Natur oder Ähnlichem, stärken.

Diese Menschen sollen nun so weit wie möglich in den Entscheidungsprozess ein­bezogen werden und deutlich stärker begleitet und auch betreut werden. Wichtig für die Selbstbestimmtheit des Einzelnen ist, dass Vertreter sowie Gerichte in Hinkunft nur noch rechtliche und nicht mehr Aufgabenbereiche der Sozial- und Behindertenhilfe über­nehmen. Somit wird dieses Gesetz einen enormen Beitrag dazu leisten, das Leben all jener Personen, die durch ihr Schicksal auf Hilfe angewiesen sind, zu vereinfachen, aber zugleich auch zu mehr Freiheit und Eigenverantwortung führen.

Derzeit gibt es in Österreich, wie wir schon gehört haben, circa 60 000 Personen, die besachwaltet werden. Diese Fälle werden nun bis 2023 angeschaut und dahin gehend überprüft, ob überhaupt noch Bedarf dafür besteht. Leider gibt es wegen der alten Praxis der Sachwalterschaft auch viele Beschwerden, nun aber wird mit dem in Europa modernsten Vertretungsmodell der Weg für ein freies und selbstbestimmtes Leben frei gemacht. Für diese Verbesserungen wurden nun 27 Bundesgesetze adaptiert und angepasst.

In diesem neuen Gesetz gibt es nun vier Möglichkeiten einer Erwachsenenvertretung, und man kann somit maßgeschneidert auf den Einzelfall eingehen. Sie wurden zwar vom Vorredner schon ausführlich erwähnt, doch möchte auch ich noch kurz die vier Säulen anschneiden.

Zum einen ist dies der gerichtliche Erwachsenenvertreter, der nun den Sachwalter ersetzt und durch nächste Angehörige übernommen werden kann. Zugleich wird aller­dings die gesetzliche Handlungsfähigkeit nicht automatisch eingeschränkt.

Die zweite Säule und wesentliche Änderung besteht darin, dass nun gewählte Erwach­senenvertreter durch die betroffene Person selbst, soweit möglich, bestimmt werden können, damit diese für bestimmte Angelegenheiten die Vertretung übernehmen kön­nen.

Die dritte Säule ist die Vorsorgevollmacht. Hierbei kann die jeweilige Person schon für den Fall einer etwaigen Handlungsunfähigkeit vorsorgen und eine Person aus ihrem Umfeld bestimmen, die beim möglichen Eintritt einer Handlungsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit die Vertretung übernehmen kann.

Die vierte Säule ist die gesetzliche Erwachsenenvertretung. Diese wird nur dann zur Anwendung gebracht, wenn aus bestimmten Gründen die Säulen eins bis drei nicht angewendet werden können. Dies wird allerdings auf drei Jahre befristet, und nach deren Ablauf wird erneut überprüft, ob diese überhaupt weiter nötig ist oder ob eine andere Vertretungsform nun besser geeignet ist.

Summa summarum ist dies ein qualitätsvolles Gesetz, ein Meilenstein für mehr Selbst­verantwortung, Freiheit des Einzelnen und ein historischer Schritt für den rechtlichen Umgang mit Schutzbedürftigen. Nur kurz zu vorhin: Wer austeilt, muss auch einstecken können, liebe SPÖ. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Weber: Aber welches Niveau! – Bundesrat Todt: Zur Geschäftsbehandlung!)

17.52



BundesratStenographisches Protokoll882. Sitzung, 882. Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2018 / Seite 79

Vizepräsident Ewald Lindinger: Bitte, Herr Bundesrat Todt. (Bundesrat Todt tritt ans Rednerpult. – Bundesrat Raml: Wie geht denn das jetzt?)

*****


17.53.00

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Geschäfts­behandlung kann ich reden, oder? (Bundesrat Längle: Vom Platz aus! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Todt begibt sich zu seinem Sitzplatz und benutzt das dort befindliche Mikrofon.)

Ich will nur noch eines sagen: Prinzipiell ist es so, dass der Ausspruch: Sie bekommen einen Herzinfarkt!, eigentlich eines Ordnungsrufes würdig wäre. (Bundesrat Steiner: So habe ich das nicht gesagt!) Ich verzichte gerne auf den Ordnungsruf; ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen. Mäßigen Sie sich künftig! Wenn Sie schon zu einem Gesetz sprechen, zu dem in Wirklichkeit Einvernehmen herrscht, mäßigen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Nun ja, das sagst aber der Kollegin Grossmann auch! – Ruf: Jetzt brauchen wir dann einen Schiedsrichter!)

17.53

*****


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.54.15

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Todt, ich berichtige nun tatsächlich, ich habe nicht gesagt, Sie kriegen einen Herzinfarkt, sondern ich habe gesagt: Be­ruhigen Sie sich, ansonsten kriegen Sie noch einen Herzinfarkt! Ich habe davor darauf hingewiesen, dass bei einer Debatte über ein Gesetz, bei der nur Proredner eingetra­gen sind, Frau Grossmann trotzdem noch irgendetwas gefunden hat, um das schlecht­zureden. Ich habe das gesagt, und dann haben Sie so laut hineingeschrien, dass ich das andere halt gesagt habe. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Hat sie ja gar nicht!) – Natürlich. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.54


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile dieses.


17.55.04

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nach diesem Intermezzo ein bisschen schwierig, reden zu dürfen, weil es heute, wie wir ja schon gesagt haben, auch für mich als Seniorenvertreterin ein historischer Tag ist. Kollege Hammerl hat ja wirklich sehr gut und sehr ausführlich ausgeführt, warum es uns so wichtig ist, dass wir dieses Erwach­senenschutz-Gesetz – zugegeben: das ist ein bisschen ein sperriger Begriff – seit 1.7. auf den Weg gebracht haben, und dass wir heute mit dem vorliegenden Gesetzes­beschluss die Anpassung von bundesgesetzlichen Regelungen vornehmen, die dann mit 1. August in Kraft treten können. Es ist wirklich etwas ganz Besonderes.

Es ist ein Meilenstein für uns im Seniorenbereich, da wir schon sehr lange darum ge­kämpft haben, Kollege Hammerl hat das auch schon sehr ausführlich ausgeführt. Wir


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können uns jetzt gemeinsam freuen, dass es vorliegt und wir es dann auf dem Weg begleiten können und wir allfällige Kinderkrankheiten dann auch ausmerzen können.

Die vier Möglichkeiten sind schon erwähnt worden. Ziel und Zweck sind auch schon erwähnt worden. Ich möchte noch kurz zusammenfassen: Es geht darum, Selbst­be­stim­mung und die Autonomie zu stärken und rechtliche Einschränkungen auf ein Min­dest­maß zu reduzieren. Selbstbestimmung, das ist uns ja allen wichtig. Gerade dann, wenn ich dann nicht mehr so kann und eingeschränkt bin, wenn ich durch irgend­welche Krankheiten im Alter nicht mehr so mitkann, ist es umso wichtiger, dass man auch rechtlich eine Handhabe hat. Wie Kollege Hammerl schon gesagt hat, wir kennen ja alle Beispiele, bei denen es notwendig und wichtig ist, dass aus dem Ange­hörigen­bereich wirklich gezielt geholfen wird.

Aus dem Sachwalter von früher ist jetzt der Erwachsenenvertreter geworden. Das ist ja schon auch begrifflich ein wesentlicher Unterschied. Das ist ein Begriff, der viel mehr Menschenwürde ausstrahlt. Wir wollen, dass Menschen, die nicht entscheidungsfähig oder nicht mehr so entscheidungsfähig sind, ihre Angelegenheiten trotzdem so weit wie möglich selbständig erledigen können. Da möchte ich mich schon ganz, ganz herzlich bei Ihnen, Herr Minister, und auch beim Herrn Finanzminister bedanken, dass Sie das jetzt alles auf den Weg gebracht haben, die Finanzierung sichergestellt haben.

Es war uns und auch Herrn Bundeskanzler Kurz immer ein großes Anliegen, dieses Ge­setz auch zu finalisieren, und es war nie in Gefahr, auch wenn die Kollegin Grossmann da etwas anderes behauptet hat. Es war uns immer ein Anliegen, und darum herz­lichen Dank für das, was Sie gemacht haben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich sage nur, diese Regierung handelt, setzt um und macht, was im Regierungs­programm geschrieben steht. (Bundesrat Mayer: Das ist super!) Was sie sich vorge­nommen hat, wird rasch umgesetzt, und dafür kann man sie nicht tadeln, sondern man muss sagen: Gott sei Dank bewegt sich etwas in unserer Republik! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wie Kollege Hammerl schon ausgeführt hat, sollen die bestehenden Sachwalter­schaf­ten bis 2023 dahin gehend evaluiert werden, ob sie noch notwendig sind, damit auch sichergestellt ist, dass Sachwalterschaften beziehungsweise gerichtliche Vertretungen nur in jenen Fällen zum Einsatz kommen, in denen sie wirklich notwendig sind. Wir haben damit in Österreich seit 1.7. wirklich die größtmögliche Selbstbestimmungs­ent­scheidungshilfe für Betroffene erreicht, und das ist, wie schon gesagt, ein Meilenstein.

Ich konnte gemeinsam mit Herrn Bundesminister a. D. Wolfgang Brandstetter schon letztes Jahr bei diversen Seniorenveranstaltungen in Salzburg mit Seniorinnen und Seni­o­ren über diesen Entwurf diskutieren. Es war sehr klar, dass das sehr gut ange­kommen ist. Wir haben dann auch noch ein paar Dinge eingebracht, die dann mit hineingenommen wurden. Diese Vorlage hat also wirklich sehr großen Zuspruch gefunden, und dafür darf ich mich noch einmal bei Ihnen und bei allen Ausführenden, wie ich schon gesagt habe, und auch bei Gertrude Aubauer sehr herzlich dafür bedanken, dass wir das jetzt auf den Weg gebracht haben.

Die Entscheidungsfähigkeit in persönlichen und familiären Angelegenheiten wird damit gestärkt und auch die Rechnungslegungspflicht für nahe Angehörige und von Erwachsenenschutzvereinen wird vereinfacht, was ja auch wesentlich ist, denn es ist ja wichtig, dass sich jemand findet, der diese Damen und Herren dann auch begleitet.

Jetzt haben wir also das Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz zu beschließen, das mit 1. August in Kraft treten soll und mit dem insgesamt 27 Bundesgesetze angepasst werden. Vielen Dank für die gemeinsame Beschlussfassung, damit setzen wir wirklich


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ein wichtiges Zeichen für unsere Seniorinnen und Senioren und für alle, die es in unserem Land brauchen – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

18.00


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Josef Moser. Ich erteile ihm dieses.


18.00.46

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Bundesrätinnen und Bundesräte! Es sind im Rahmen der Debatte mehrmals folgende Worte gefallen: Herr Bundesrat Hammerl hat auf einen Meilenstein hingewiesen, Bundesrat Steiner hat von einem Paradigmen­wechsel gesprochen und Frau Bundesrätin Grossmann hat darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz viele Väter und Mütter hat. Das ist auch richtig so, und ich möchte mich bedanken, dass aus allen Wortmeldungen hervorgegangen ist, dass dieses Gesetz die einhellige Zustimmung findet, nämlich so wie auch das Stammgesetz, das Erwachse­nenschutz-Gesetz.

Es ist ein Paradigmenwechsel eingetreten, und zwar deshalb, da man mit diesem Gesetz von Entmündigung weggeht und hingeht zu mehr Autonomie, zu mehr Selbst­be­stimmung und auch zu mehr Entscheidungshilfe für die Betroffenen. Damit wurde auch die Behindertenrechtskonvention umgesetzt, nämlich Artikel 12, dass grund­sätz­lich jeder Mensch handlungsfähig ist. Und das ist ein wichtiger Aspekt, da jetzt durch dieses Änderungsgesetz eben nicht mehr, so wie es in der Vergangenheit war, jede Sachwalterschaft im Grundbuch und Firmenbuch eingetragen wird, sondern nur mehr, wenn ein Genehmigungsvorbehalt erteilt wurde. Das heißt, es bleibt damit jeder Mensch handlungsfähig. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, um genau in diese Richtung zu gehen, dass auch Menschen mit Handicaps so zu behandeln sind und dass sie niemals ihre Handlungsfähigkeit zur Gänze verlieren.

Von Herrn Bundesrat Steiner wurde angesprochen, dass durch das Gesetz ein Para­dig­menwechsel herbeigeführt wurde. Es bedarf aber nicht nur eines Gesetzes, sondern auch einer Haltungsänderung bei uns allen, wenn wir mit Menschen mit Behinderung umgehen. Das war auch der Grund, weshalb ich mit Freude daran mitgewirkt habe, dass von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr als hundert Veranstaltungen durchgeführt worden sind, bei denen in den letzten Monaten alle Betroffenen, also Ärzte, PflegerInnen und dergleichen, geschult worden sind.

In diesem Zusammenhang haben auch die Sachwaltervereine, die jetzt in Erwach­senenschutzvereine übergeführt werden, Schulungen für alte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon länger beschäftigt sind, und für die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchgeführt. Sie haben das Personal und gleichzeitig auch die Ressourcen aufgestockt. Es war daher für mich eine Selbstverständlichkeit, für diese Vereine auch Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Sie erhalten im Jahr 2018 zusätzlich 10,2 Millio­nen Euro und im Jahr 2019 zusätzlich 14,7 Millionen Euro.

Es war auch notwendig, Maßnahmen zu setzen, um über das Erwachsenenschutz-Gesetz zu informieren. Wir haben fünf Broschüren herausgegeben und Konsens­pa­piere mit Vertreterinnen und Vertretern der Banken, der Heime, der Gesundheitsberufe und auch der Krankenanstaltenträger entwickelt. Wir haben 80 Formulare neu ge­staltet, um das Erwachsenenschutz-Gesetz anwendbar zu machen. Wir haben die ge­samte Rechtsordnung durchforstet und sind draufgekommen, dass in hundert Vor­schriften Änderungen herbeizuführen sind, nämlich vom alten Sachwalterrecht hin zum Erwachsenenschutzrecht.


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Das heißt, diese Änderungen sind auch in das heute vorliegende Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz Justiz eingeflossen, und es freut mich daher, dass diese Aktivität Ihre Zustimmung findet.

Abschließend möchte ich nur darauf hinweisen, dass keiner von uns weiß, ob er in der nächsten Minute allenfalls bereits den Bestimmungen des Erwachsenenschutz-Geset­zes unterliegen könnte. Überlegen wir uns daher, wie wir gerne behandelt werden würden, kämen wir in die Situation, und behandeln wir auch andere genau dement­sprechend. Ich glaube, das ist unser Motto! – Ich danke Ihnen! (Allgemeiner Beifall.)

18.04

18.04.21


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Herr Bundesminister. – Weitere Wortmel­dun­gen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.04.4513. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2018 – UrhG-Nov 2018) (185 d.B. und 222 d.B. sowie 10019/BR d.B.)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich bitte um den Bericht.


18.05.07

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Natio­nalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheber­rechts­gesetz geändert wird.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 10. Juli 2018 in Verhandlung genommen. Der diesbezügliche Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmen­ein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich folgende Druckfehlerberichtigung zum schriftlichen Bericht vor: Der Satz: „An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Stefan Schennach, Christoph Steiner und Dr. Peter Raggl“, wurde aufgrund eines Redaktionsfehlers aufge­nommen und ist zu streichen.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. Ich erteile ihm dieses.


18.06.22

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt die relativ schöne und friedvolle Aufgabe, über eine einstimmige Materie zu berichten, die Urhe­berrechtsgesetz-Novelle. Ich werde sie auch nicht mit Ceta und ähnlichen Dingen in


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Verbindung bringen – da bin ich sehr zurückhaltend –; ansonsten würde ich vielleicht empfehlen, dass wir gemeinsam ein Bundesratsschutzgesetz in den Nationalrat ein­bringen, um solche Emotionen etwas zurückzuhalten – aber ja, vielleicht braucht es das auch.

Mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle setzen wir eine EU-Richtlinie, also eine Vorgabe der EU, in österreichisches Recht um und adaptieren damit sozusagen auch den Vertrag von Marrakesch. Was beinhaltet der Vertrag von Marrakesch? – Ganz einfach: Die urheberrechtliche Perspektive soll angepasst werden, sodass blinde und lese­behinderte Personen einen erleichterten Zugang zu Werken – Bücher, Zeitschriften et cetera – haben und diese in einem für sie zugänglichen barrierefreien Format, bei­spielsweise in Brailleschrift oder Großdruck, erhalten. Darüber hinaus soll zugunsten dieser Personen der grenzüberschreitende Austausch von Kopien in einem barriere­freien Format gefördert werden.

Weiters sollen Sitzungen des Parlaments – und das steht natürlich nicht im Vertrag von Marrakesch, das muss ich hier anmerken – in Zukunft zum Zweck der Information einer breiten Öffentlichkeit auch über Video-on-Demand zugänglich gemacht werden.

Was hat das für einen Hintergrund? – Die Zulässigkeit der Nutzung war aus urheber­recht­lichen Gründen nur für die Berichterstattung und natürlich auch zu Infozwecken möglich. Wir stellen damit jetzt also auch klar, dass die Debattenbeiträge langfristig, sozusagen unbefristet, über Videoplattformen abrufbar sind.

Es ist ein gutes Gesetz, das Parlament öffnet sich weiter für die Bürgerinnen und Bür­ger, und wir schaffen auch Erleichterungen für behinderte Menschen. Wir werden deshalb gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.08


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm dieses.


18.08.41

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kollegen im Plenum! Und an die wenigen, die übrig geblieben sind und uns hier noch zuhören: Herzlich willkommen, auch zu Hause vor den Bildschirmen! Ich werde jetzt nicht wiederholen, was Sie, Herr Mayer, über die Urheberrechtsgesetz-Novelle ausgeführt haben, denn wir finden auch, dass das eine sehr gelungene Gesetzesnovelle ist. Gerade in dem Bereich, wo es um Behinderungen geht, wo es um schwächere Bevölkerungsteile geht, die gar nichts dafürkönnen, ist es notwendig, dass diese unsere Hilfe bekommen. Und es ist eine ganz tolle Sache, dass das auch noch grenzüberschreitend ist.

Es wird auch festgehalten, wer als behindert beziehungsweise sehbehindert ange­sehen wird. Ich möchte da noch ein paar barrierefreie Mittel ergänzen, denn es ge­hören auch Hörbücher dazu, es gehören Leseformate und auch Vorlesetools für Publi­kationen dazu. Video-on-Demand wurde schon genannt.

Es ist eine Klarstellung, dass das legal gemacht werden kann und der Zugang zu Bildung für diese Menschen ermöglicht wird. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt, die Basis für die Gleichstellung, für die Gleichberechtigung sind Bildung, Unterhaltung, aber auch Information.

Ich habe nur ein ganz kleines Problem, und zwar jenes, dass dieser barrierefreie Zugang oft schon mit Barrieren verbunden ist, denn für all diese technischen Dinge


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braucht man Geld. Da sollten wir als Politiker auch noch einen Schritt weiter denken, dass man das auch den sozial Schwächeren zukommen lässt, denn man braucht Ge­räte, man braucht die Zugänge und man braucht die technische Ausstattung dazu. Einen weiteren Schritt könnten wir noch unternehmen, um zu ermöglichen – hier noch einmal die sozialen Aspekte aufzeigend –, dass man nicht nur Information konsumiert, sondern dass man letzten Endes auch aktiv an der Information teilnehmen kann. Auch da wären von unserer Seite noch Schritte notwendig.

Das alles sind tolle Schritte Richtung Inklusion, was für uns eine Herausforderung ist, aber eine ganz notwendige Sache. Nebenbei bemerkt beschäftigt sich gerade der Europarat mit der Gebärdensprache als Amtssprache, und ich glaube, das ist für Behinderte sehr wichtig.

Gerade in Zeiten wie diesen sollten wir schauen, dass die Schwächeren gestärkt wer­den, dass Behinderten geholfen wird, dass die soziale Sicherheit nicht aus dem Lot kommt, denn gerade ältere und behinderte Menschen haben es sehr schwer, in den Arbeitsmarkt zu kommen oder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Seien Sie mir nicht böse, aber da muss ich zwei Themen der letzten Monate anschneiden: Das sind einerseits der 12-Stunden-Arbeitstag und die 60-Stunden-Arbeitswoche (Bun­desrat Schuster: Märchenstunde, Herr Kollege! – Bundesrätin Mühlwerth: Das hat mit dem Gesetz nichts zu tun!), die für Behinderte wirklich nicht leicht sind, und das ist andererseits die Abschaffung der Aktion 20 000, wodurch ältere Behinderte sicherlich benachteiligt sind.

Wir werden ganz genau schauen, dass es zu keiner Schieflage für Schwächere in der Bevölkerung kommt, und auf jeden Fall alle diese guten Vorschläge, die da sind (Bundesrätin Mühlwerth: Sie schaffen es nicht, zu sagen, das Gesetz ist gut!) – Frau Kollegin, lassen Sie mich ausreden; Sie dürfen aber gerne weiterreden, ich warte noch ein bisschen –, sowie diese tolle Novelle unterstützen und vollinhaltlich mittragen. – Danke, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ.)

18.13


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


18.13.26

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Zwei wichtige Dinge wurden mit diesem Gesetz beschlossen, sie wurden schon genannt. Es geht erstens einmal darum, dass unsere Redebeiträge hier im Plenum über die Sichtweisen und Gründe, warum wir so handeln, wie wir handeln, warum wir so entscheiden und abstimmen, wie wir entscheiden und abstimmen, langfristig abrufbar sind. Mit „wir“ meine ich alle Parteien, sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat, und damit meine ich auch alle Meinungen. Für uns ist Meinungsfreiheit ein sehr wichtiges Gut. (Heiter­keit bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Viele Menschen nutzen zu Hause schon diese Video-on-Demand-Funktionen, sprich Videos auf Abruf, damit werden meistens Filme oder Serien geschaut, und der Grund, warum es das gibt, ist, dass die Menschen sich das anschauen wollen, wenn sie Zeit dazu haben. Um das für unsere Debatten möglich zu machen – das hat der Vorredner schon gesagt –, ist eine Änderung im Urheberrechtsgesetz notwendig, die mit dieser Novelle auch umgesetzt wird.


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Das musste so passieren, da die Zulässigkeit der Nutzung lediglich für die Bericht­erstattung und nicht zu Informationszwecken gegeben war. Das wiederum ist aber die Voraussetzung, um eben unsere Debattenbeiträge langfristig zu speichern und abruf­bar machen zu können. Das heißt, all jene, die politisch interessiert sind und sich über sieben Tage – wie es bisher war – hinaus diese Videos anschauen wollen, haben damit die Möglichkeit. Das ist einmal der eine Teil.

Der zweite Teil ist jedoch viel wichtiger, auch das wurde schon besprochen, und ich bin sehr froh, dass wir hier alle einer Meinung sind und an einem Strang ziehen, auch wenn hin und wieder Sachen gesagt werden, die eigentlich gar nichts mit der Tages­ordnung zu tun haben.

Es geht in diesem Fall um die Schaffung einer europaweit einheitlichen Regelung für den erleichterten Zugang für Blinde, Sehbehinderte und anderweitig lesebehinderte Personen betreffend bestimmte Werke in einem barrierefreien Format; wir haben schon gehört: Brailleschrift, Großschrift oder auch Hörbücher, wie der Kollege da drü­ben erwähnt hat. Das wird sicher notwendig sein, je nachdem, was jemand braucht. (Bundesrat Schennach: :.. drüben! Ein bisschen höflicher geht es schon!) Damit wird sichergestellt, dass einerseits die Verwertungsgesellschaften dem Einzelnen keine Kos­ten auferlegen können und es andererseits urheberrechtlich zu keinen Problemen kommen wird, da es dazu keine Zustimmung des Urhebers braucht. Das alles sind sehr positive Maßnahmen.

Leider schafft es die SPÖ nicht, zuzuhören, das, aber auch unqualifizierte Zwischen­rufe sind wir von ihr gewöhnt. (Zwischenruf des Bundesrates Koller.) – Sie können sehr gerne sagen, was Sie wollen, es ist nur so: Das Mikrofon habe ich. Alles, was Sie da sagen, wird zwar im Stenographischen Protokoll festgehalten, aber weder die Zuschauer da oben, noch die vor den Bildschirmen hören das. (Beifall bei der FPÖ.) Auch der Scheibenwischer (in Richtung SPÖ) ist nicht sehr nett, Frau Kollegin. Ich weiß, bei der Moral sind wir alle sehr groß, aber selber hält man es nicht so genau damit. (Bundesrätin Mühlwerth: Vor allem bei den anderen! – Beifall bei der FPÖ.)

Trotzdem ist es mir persönlich ein Anliegen – da es auch zum Tagesordnungspunkt passt –, das Thema Barrierefreiheit im Gesamten anzusprechen. Es passt da dazu, und ich bin der Meinung, dass in Wahrheit zum Thema Barrierefreiheit zu wenig gemacht wird, seit vielen Jahren zu wenig gemacht wird, und dass es oft nur als Randthema gesehen wird. Barrierefreiheit heißt, so wie wir heute an diesem Gesetz sehen, mehr, als nur Rampen zu bauen. Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen ohne fremde Hilfe zurechtkommen können. Und wem nutzt diese Barrierefreiheit in jeder Hinsicht? – Ich kann es Ihnen ganz einfach sagen: Es nutzt allen. Es nutzt natür­lich besonders Kindern, es nutzt Familien, es nutzt Senioren, Menschen mit Geh-, Hör- und Sehbehinderungen, Menschen mit Lernschwierigkeiten, aber auch Menschen mit geistiger Behinderung.

Der Herr Minister hat es vorhin kurz angesprochen, wir alle hier – die meisten von uns – können dankbar dafür sein, nicht auf Barrierefreiheit angewiesen zu sein. Den­ken Sie aber daran: Das kann sich für jeden von uns schlagartig ändern. Darum wün­sche ich mir, dass wir alle gemeinsam in Zukunft daran arbeiten, dass alle Menschen ohne fremde Hilfe zurechtkommen können.

Mit 31.12.2015 ging eine Zehnjahresfrist, um überall in öffentlichen Gebäuden, auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Bereichen Barrierefreiheit herzustellen, zu Ende. Um ehrlich zu sein: Umgesetzt wurde verhältnismäßig wenig. Was war die Kon­sequenz am 1.1.2016? – Gar nichts ist passiert. Unter roter Kanzlerschaft hat man das


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einfach hingenommen und gesagt: Es ist so! Diese Regierung tickt da ein bisschen anders, es werden 250 Millionen Euro mehr für Menschen mit Behinderung im Budget vorgesehen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Abschließend möchte ich Ihnen noch etwas auf den Weg mitgeben: Eine barrierefreie Umgebung ist für circa 10 Prozent der Bevölkerung zwingend erforderlich, für circa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung notwendig und für 100 Prozent der Bevölkerung komfortabel. Diese Gesetznovelle ist ein Schritt in die richtige Richtung, und ich wün­sche mir persönlich, dass noch viele solche Schritte folgen werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Beer: Jawohl!)

18.20


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Josef Moser. Ich erteile es ihm.


18.20.24

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde in diesem Zusammenhang schon von Herrn Bundesrat Mayer darauf hinge­wiesen, dass der Vertrag von Marrakesch mit der Urheberrechts-Novelle 2015 bereits umgesetzt worden ist.

Mittlerweile hat aber die EU aufgrund einer Entscheidung des EuGH, des Euro­päischen Gerichtshofes, festgehalten, dass die Zuständigkeit für die Ratifizierung des Vertrags von Marrakesch in die Kompetenz der EU fällt. Dementsprechend hat mittler­weile auch die EU eine voll harmonisierte Richtlinie für die EU-Staaten erlassen bezie­hungsweise eine Verordnung, die für Drittstaaten gilt.

Genau diese Verordnung beziehungsweise diese Richtlinie sieht eine wesentliche Bes­serstellung betreffend freie Werknutzung für Menschen, die blind, sehbehindert oder anderweitig lesebehindert sind, vor. Das war auch der Grund dafür, dass wir im Ministerium sehr rasch darangegangen sind, diese Bestimmungen umzusetzen, damit sie Behinderten zugutekommen.

Es gibt einiges an Besserstellung in diesem Zusammenhang, es wurde schon einiges angesprochen, nämlich dass durch die jetzige Anpassung des § 42d Urheberrechts­ge­setz eine Ausweitung der freien Werknutzung auf verwandte Schutzrechte erfolgt, nämlich in Bezug auf Datenbanken, Darbietungen, Tonträger, Filme und Sendungen, weil sich diese Regelung – und das wurde angesprochen – nunmehr auch auf Hör­bücher erstrecken soll. Es wurde darüber hinaus eine Beschränkung von Vergütungs­ansprüchen vorgenommen, denn da braucht man, wie es Herr Bundesrat Wanner angesprochen hat, Geld. In diese Richtung muss man gehen.

Das heißt, durch die Umsetzung dieser Richtlinie wird eine Beschränkung des Vergü­tungsanspruchs eingeführt. Ein Vergütungsanspruch besteht nur gegenüber befugten Stellen; wenn aber beispielsweise Menschen mit Seh- und Lesebehinderungen eine Kopie herstellen, dann ist diese Kopie kostenfrei. Es wird auch die Höhe des Vergü­tungsanspruchs eingeschränkt, sodass nicht mehr eine angemessene Vergütung zu bezahlen ist, sondern nur mehr ein finanzieller Ausgleich zu gewähren ist. Das heißt, es wird für die befugten Stellen auch noch wesentlich billiger.

Darüber hinaus ist nunmehr auch klargestellt, dass eine vertragliche Unabdingbarkeit der freien Werknutzung vorzusehen ist. Das heißt, die freie Werknutzung kann vertrag­lich nicht ausgeschlossen werden.


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Zuletzt ist noch darauf hinzuweisen, dass auch für Menschen mit anderen Behin­derungen die freie Werknutzung entsprechend ausgeweitet wird, nämlich durch Erwei­terung auf verwandte Schutzrechte beziehungsweise auch durch eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs.

Es ist dies also eine wichtige Maßnahme, die gesetzt wird, um Menschen mit Behinde­rungen zu helfen. Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie – wie alle Fraktionen bekundet haben – dieser Vorlage Ihre Zustimmung erteilen werden. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

18.23


Vizepräsident Ewald Lindinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!) – Bitte.


18.23.37

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Das war heute eine zum Teil sehr turbulente Sitzung, der Ton war ein wenig rau. Das stört mich an sich gar nicht so sehr, denn wir sind ja kein Mädchenpensionat; in der Politik geht es, wenn die Meinungen auseinandergehen, manchmal auch ein bissel deftiger zu.

Mir ist aber Folgendes aufgefallen – ich möchte das auch deshalb sagen, weil wir ja morgen noch einen Sitzungstag haben –: Die Erteilung von Ordnungsrufen ist, würde ich jetzt einmal sagen, etwas willkürlich. Bei mir war er sofort da, bei Kollegen Stögmüller bedurfte es erst einer Aufforderung von mir; und bei Frau Kollegin Grossmann – ich glaube, Sie waren es, die meinem Kollegen den Scheibenwischer gezeigt hat, jeden­falls jemand aus Ihren Reihen – passiert überhaupt nichts.

Ein Vorsitzender, ob Präsident oder Vizepräsident, ist ein Vorsitzender aller Bun­desräte. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Das heißt, man muss den Mut haben, auch einmal jemandem von der eigenen Fraktion einen Ordnungsruf zu erteilen. Das macht übrigens unsere Nationalratspräsidentin Kitzmüller sehr wohl, und auch im Wiener Land­tag werden meine Kollegen von den Freiheitlichen manchmal Opfer eines Ord­nungs­rufs durch die Zweite Landtagspräsidentin Veronika Matiasek.

Wenn in Richtung meiner Fraktion oder in Richtung eines oder mehrerer meiner Kollegen die Aufforderung erfolgt, wir mögen uns ein bisschen mäßigen, dann tun wir das, Herr Kollege Todt, gerne, aber dann bitte ich Sie auch, auf Ihre Fraktion einzu­wirken, damit es morgen in einem etwas gesitteteren Rahmen abläuft. Wir müssen uns bei aller Meinungsverschiedenheit nicht verbal die Köpfe einschlagen. Schauen wir also, dass wir es morgen besser machen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.25

18.25.51


Vizepräsident Ewald Lindinger: Ich möchte dazu noch Folgendes sagen: Wenn man Gesten nicht sieht, kann man sie auch nicht mit einem Ordnungsruf oder Ähnlichem ahnden. Man kann nicht immer alles links und rechts im Auge behalten. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr sitzt aber eh die ganze Zeit da oben! Bei mir war das aber sofort möglich! Erstaunlich ...!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates ist bereits auf schriftlichem Wege erfolgt. Als Sitzungstermin ist morgen, Donnerstag, 12. Juli 2018, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat am 4. und 5. Juli verabschiedet hat, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Ich wünsche einen schönen, spannenden Fußballabend.

Die Sitzung ist geschlossen.

18.27.15Schluss der Sitzung: 18.27 Uhr

 

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