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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

926. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 27. Mai 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

926. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 27. Mai 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 27. Mai 2021: 9.04 – 18.24 Uhr

*****

Ergänzte Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der Europäi­schen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Straf­sachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechts­hilfegesetz, das Finanzstrafgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Straf­rechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 – StrEU-AG 2021)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitions­prämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vor­belastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ge­nehmigt wird, geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz zur Beschaffung von und Verfügung über SARS-CoV-2-Anti­gentests zur Eigenanwendung im Rahmen der COVID-19-Öffnungsverordnung

7. Punkt: Bundesgesetz über den Verkehr mit Düngemitteln und sonstigen Düngepro­dukten (Düngemittelgesetz 2021 – DMG 2021)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird

9. Punkt: BESCHLUSS DES RATES vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsys­tem der Europäischen Union, Nr. 2020/2053/EU, Euratom, ABl. Nr. L 424 vom 15.12.2020 (Eigenmittelbeschluss 2021)

10. Punkt: Übereinkommen zur Änderung des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nut­zung dieser Beiträge

11. Punkt: Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäi­schen Stabilitätsmechanismus


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 2

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finalitätsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwick­lungsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Voll­zugsgesetz geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maß­nahmengesetz geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

16. Punkt: Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (294/A-BR/2021)

*****

Inhalt

Bundesrat

Vorschlag des Präsidenten Mag. Christian Buchmann gemäß § 41 Abs. 3 GO-BR, die Tagesordnung um die Beschlüsse des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz zur Beschaffung von und Verfügung über SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung im Rahmen der COVID-19-Öffnungs­verordnung (1580/A sowie 10642/BR d.B. und 10639/BR d.B.), betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmen­gesetz geändert werden (1572/A sowie 10643/BR d.B. und 10640/BR d.B.), sowie betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsge­setz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1635/A sowie 10641/BR d.B.), zu ergänzen – Annahme ............................  38, 38

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschuss­berichte 10639/BR, 10640/BR und10641/BR d.B. gemäß § 44 (3) GO-BR ............      38

Verlangen des Bundesrates Karl Bader gemäß § 54 Abs. 2 GO-BR, bei der Be­kanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu Tagesordnungspunkt 2 die Anzahl der Für- und Gegenstimmen bekannt zu geben ......................................................      62

Verlangen des Bundesrates Mag. Harald Himmer gemäß § 54 Abs. 2 GO-BR, bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu Tagesordnungspunkt 13 die Anzahl der Für- und Gegenstimmen bekannt zu geben ....................................    122

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsident Mag. Christian Buchmann ......................................    154

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    156

Personalien

Verhinderung ............................................................................................................      11

Ordnungsrufe .....................................................................................  126, 140, 142

Aktuelle Stunde (86.)


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 3

Thema: „Aktuelle Initiativen der Justizministerin im Gewaltschutz“ ...............      11

RednerInnen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      11

Johanna Miesenberger ...........................................................................................      13

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      15

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      17

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ..................................................  19, 29

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      22

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................      23

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................      25

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................      27

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      28

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union 33, 34, 35, 36, 37

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      38

Ausschüsse

Zuweisungen .............................................................................................................      30

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsan­waltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Finanzstrafgesetz und das Strafgesetzbuch geän­dert werden (Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 – StrEU-AG 2021) (808 d.B. und 859 d.B. sowie 10638/BR d.B.) .........................................................      39

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      39

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      40

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................      42

Sebastian Kolland ...................................................................................................      42

Stefan Schennach ...................................................................................................      44

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      45

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................      46

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      47

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (1559/A und 845 d.B. sowie 10634/BR d.B.) ................................................................................      47

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ..........................................................      48


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 4

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geändert wird (1560/A und 846 d.B. sowie 10635/BR d.B.) ...........................      47

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ..........................................................      48

RednerInnen:

Dominik Reisinger ..................................................................................................      48

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................      50

Josef Ofner ..............................................................................................................      53

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      55

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      57

Mag. Christine Schwarz-Fuchs .............................................................................      58

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................      60

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 2, gegen den Beschluss des National­rates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämienge­setz – InvPrG) geändert wird (1559/A und 845 d.B. sowie 10634/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Annahme ................................................................  52, 62

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 3, gegen den Beschluss des National­rates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Di­gitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geändert wird (1560/A und 846 d.B. sowie 10635/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Annahme  52, 63

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen; Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend; Entlas­tungsoffensive für unsere Betriebe“ – Ablehnung ........................................  54, 63

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert wird (768 d.B. und 855 d.B. sowie 10636/BR d.B.) ................................................................................      63

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................      63

RednerInnen:

Stefan Zaggl ............................................................................................................      64

Bernhard Hirczy ......................................................................................................      65

Michael Bernard ......................................................................................................      66

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      68

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      70

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (1558/A und 847 d.B. sowie 10626/BR d.B.) ................................................................................      70

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      70

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................      70

Andrea Kahofer .......................................................................................................      72


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 5

Josef Ofner ..............................................................................................................      74

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      76

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................      77

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Hochzeitsfeiern mit Speisen und Getränken ermöglichen“ – Ableh­nung ...............................................................................................................  75, 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      79

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz zur Beschaffung von und Verfügung über SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung im Rahmen der COVID-19-Öffnungsverordnung (1580/A sowie 10642/BR d.B. und 10639/BR d.B.) .........................................................................      79

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................      79

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................      80

Robert Seeber .........................................................................................................      80

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................      82

Markus Leinfellner ..................................................................................................      83

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................      84

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      85

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz über den Verkehr mit Düngemitteln und sonstigen Düngeprodukten (Dün­gemittelgesetz 2021 – DMG 2021) (796 d.B. und 815 d.B. sowie 10632/BR d.B.)         86

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .............................................................      86

RednerInnen:

Nicole Riepl .............................................................................................................      86

Otto Auer .................................................................................................................      87

Michael Bernard ......................................................................................................      88

Andreas Lackner .....................................................................................................      89

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      91

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (1380/A und 816 d.B. sowie 10633/BR d.B.) ................................................................................      91

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .............................................................      91

RednerInnen:

Silvester Gfrerer ......................................................................................................      92

Günther Novak ........................................................................................................      93

Thomas Schererbauer ............................................................................................      95

Andreas Lackner .....................................................................................................      97

Michael Bernard ......................................................................................................      97

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel“ – Ablehnung  98, 99


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 6

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      99

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend einen BE­SCHLUSS DES RATES vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union, Nr. 2020/2053/EU, Euratom, ABl. Nr. L 424 vom 15.12.2020 (Eigenmittelbeschluss 2021) (809 d.B. und 841 d.B. sowie 10627/BR d.B.) ..........      99

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    100

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Überein­kommen zur Änderung des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (751 d.B. und 842 d.B. sowie 10628/BR d.B.) ...........................................      99

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    100

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Überein­kommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitäts­mechanismus (752 d.B. und 843 d.B. sowie 10629/BR d.B.) ..................................      99

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    100

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    100

Elisabeth Mattersberger .........................................................................................    103

Stefan Schennach ...................................................................................................    104

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) ..........................................    106

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    107

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................    109

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .........................................................    111

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“ – Ablehnung .................................................................................................  103, 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, 1. gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vor­liegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 23i Abs. 3 iVm Art. 50 Abs. 4 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .......................    112

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    113

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    113

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finalitätsge­setz, das Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsge­setz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Voll­zugsgesetz geändert werden (663 d.B. und 831 d.B. sowie 10625/BR d.B. und 10630/BR d.B.) .........................................................................................................    113

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................    114


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    114

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (1547/A und 838 d.B. sowie 10637/BR d.B.) .........................................................................    114

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    114

RednerInnen:

Korinna Schumann .................................................................................................    115

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    117

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    119

Andreas Lackner .....................................................................................................    121

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    121

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitswe­sen“ – Ablehnung ......................................................................................  116, 122

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 13, gegen den Beschluss des National­rates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstal­ten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (1547/A und 838 d.B. sowie 10637/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Ablehnung ..............................................  119, 122

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1572/A sowie 10643/BR d.B. und 10640/BR d.B.) .....................    122

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    123

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beam­ten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1635/A sowie 10641/BR d.B.) .........................................................................................................    123

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    123

RednerInnen:

Markus Leinfellner ..................................................................................................    123

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    126

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................    128

Ingo Appé ................................................................................................................    129

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    132

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................    133

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    134

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................    136

Andrea Kahofer .......................................................................................................    138

Christoph Steiner ....................................................................................................    140

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Christoph Stei­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Diskriminierungsverbot gegen das Zwangsregime ‚Grüner Pass‘“ – Ablehnung .............................................  124, 143


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 8

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Corona-Bonus auch für die nicht sichtbaren Heldinnen und Hel­den – vergessen wir jetzt nicht auf Menschen, die während der Corona-Krise Tag und Nacht für uns da waren!“ – Ablehnung ..............................................  131, 143

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    142

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    143

16. Punkt: Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (294/A-BR/2021 sowie 10631/BR d.B.) ................................................................................    143

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................    143

RednerInnen:

Elisabeth Grimling ..................................................................................................    144

Silvester Gfrerer ......................................................................................................    145

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................    146

Marco Schreuder ....................................................................................................    148

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................    149

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................    150

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    151

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 16, dem gegenständlichen Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betref-fend „Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates“ (294/A-BR/2021) die Zu­stimmung zu erteilen – Beschlussfassung nicht zustande gekommen ....  145, 154

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend allgemeine Ableitungen aus dem Fall Naveed ABBAS/Corona-Situatio­nen/mündliche Verhandlungen vor dem BVwG/anwaltliche Vertretungen im Erstinstanz­lichen Verfahren/Dolmetscher (3882/J-BR 2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ihre Verantwortungslo­sigkeit stürzt Familien in Not – der Bundeskanzler sieht sich als nicht zuständig! Was tun Sie, Herr Minister? (3883/J-BR 2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Familien in Not – der Bundeskanz­ler sieht sich als nicht zuständig! Was tun Sie, Herr Minister? (3884/J-BR 2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Familien in Not – der Bundeskanzler sieht sich als nicht zuständig! Was tun Sie, Frau Minister? (3885/J-BR 2021)


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 9

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Familien in Not – der Bundes­kanzler sieht sich als nicht zuständig! Was tun Sie, Herr Minister? (3886/J-BR 2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit betreffend Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Familien in Not – der Bundeskanzler sieht sich als nicht zuständig! Was tun Sie, Herr Minister? (3887/J-BR 2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ihre Verantwortungslosigkeit stürzt Fa­milien in Not – der Bundeskanzler sieht sich als nicht zuständig! Was tun Sie, Herr Mi­nister? (3888/J-BR 2021)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend parteipolitische Werbung im Österreichischen Bundesheer (3889/J-BR 2021)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Life Science (3890/J-BR 2021)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentli­chen Dienst und Sport betreffend 3G-Status der Kulturstaatssekretärin im Schweizer­haus (3891/J-BR 2021)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öf­fentlichen Dienst und Sport betreffend 3G-Status des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport im Schweizerhaus (3892/J-BR 2021)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend 3G-Status der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus im Schweizerhaus (3893/J-BR 2021)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend 3G-Status des Bundeskanzlers im Schweizerhaus (3894/J-BR 2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Versorgungslage psy­chiatrisch erkrankter Kinder und Jugendlicher mit speziellem Fokus auf das Jahr 2020 bis heute (3895/J-BR 2021)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Mar­lies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Folgeanfrage aktive Luft­raumüberwachung (3576/AB-BR/2021 zu 3858/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Si­tuation von Kindern in der Corona-Pandemie (3577/AB-BR/2021 zu 3862/J-BR/2021)


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des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die Situation von Kindern in der Corona-Pandemie (3578/AB-BR/2021 zu 3861/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinder-Reha in Österreich (3579/AB-BR/2021 zu 3866/J-BR/2021)

des Bundesministers für Arbeit auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Sonderbetreuungszeit (3580/AB-BR/2021 zu 3863/J-BR/2021)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Sonderbetreuungszeit (3581/AB-BR/2021 zu 3865/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Sonderbetreuungszeit (3582/AB-BR/2021 zu 3864/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Razzien in der Müllbranche (3583/AB-BR/2021 zu 3868/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Meldepflichten hinsichtlich Nebenwirkungen der verschiedenen Covid-19-Impf­stoffe (3584/AB-BR/2021 zu 3867/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen An­dreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umbau des Fliegerhors­tes Brumowski in Sicherheitsinsel (3585/AB-BR/2021 zu 3869/J-BR/2021)


 


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 11

09.04.39Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Christian Buchmann, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA, Vizepräsident Dr. Peter Raggl.

09.04.40*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Einen schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 926. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 925. Sitzung des Bundesrates vom 6. Mai 2021 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Horst Schachner.

09.05.03Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Aktuelle Initiativen der Justizministerin im Gewaltschutz“

mit Frau Bundesministerin für Justiz Dr.in Alma Zadić, LL.M., die ich herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bun­desministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Mög­lichkeit 5 Minuten nicht überschreiten möge.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.


9.06.08

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Guten Morgen! Ich bin ein biss­chen überrascht, dass ich gleich die Erste bin. Ich freue mich.

Geschätzte, liebe Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! In den letzten Sitzun­gen habe ich schon viel über Gewaltschutzmaßnahmen erzählt, die Sie, Frau Justizmi­nisterin, gesetzt haben, jetzt zähle ich sie trotzdem noch einmal auf, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, wie viele es sind und was alles mit uns Grünen in der Regierung getan wird, ja, was alles in den letzten eineinhalb Jahren aufgeholt wurde.

Ich erwähne nicht das erhöhte Frauenbudget, denn es bildet nicht ab, welche Maßnah­men für den Einsatz gegen Gewalt an Frauen gesetzt werden und wie viele Ressourcen zum Beispiel eben die Justiz in die Hände nimmt, um hier verantwortlich tätig zu werden.

Was ist nun schon beschlossen worden? – Das Hass-im-Netz-Paket mit erleichterter und schnellerer Vorgehensweise, um Hasspostings, Obszönitäten, Stalking oder sexuelle Anpöbelungen leichter löschen zu können. Dazu kommt eine Verringerung der Gerichts­gebühren für die entsprechenden Anträge auf Löschung.


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Weiters: die Einbringung von einstweiligen Verfügungen durch die Opferschutzeinrich­tungen in Vertretung der von Gewalt betroffenen Frauen zum Schutz vor ihren Partne­rInnen oder Ex-PartnerInnen – Ex-Partnern, Verzeihung, ich bin noch ein bisschen ver­wirrt. (Bundesrat Steiner: Vor lauter gendern kriegt man einen leichten Genderwahn­sinn! ElterIn und ElterInnen! – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – Ich bin noch ein bisschen müde. Nein, nein, das ist kein Genderwahnsinn, ganz im Gegenteil, aber hören Sie jetzt lieber zu, was noch alles umgesetzt wurde!

Also: eine bessere Ausbildung und regelmäßige Fortbildung von StaatsanwältInnen und RichterInnen im Umgang mit von Gewalt und sexueller Gewalt Betroffenen für einen schonenden Umgang mit diesen, für die Vermeidung von Retraumatisierungen und eine bessere Aufklärung der Fälle – hoffentlich auch ein Ausbildungsmonat bei Opferschutz­einrichtungen.

Weiters: 60 Prozent mehr an besonders geschulten PolizeibeamtInnen für die Beratung und Einvernahme von von Gewalt betroffenen Frauen auf jeder Polizeiinspektion – das natürlich gemeinsam mit dem Innenminister –; die Wiederbelebung der Hochrisikofall­konferenzen von Polizei, Justiz und Gewaltschutzeinrichtungen, um für die Beurteilung der weiteren Vorgehensweise betreffend einen Gewalttäter alle vorhandenen Daten nut­zen zu können – eine wichtige Maßnahme in der Prävention von Femiziden, wo fast jeder mutmaßliche Mörder der Polizei oder entsprechenden Einrichtungen schon vorher bekannt war.

Es kommen noch weitere Maßnahmen hinzu, auf die wir uns sehr freuen, das sind: vor Gericht die Einvernahme der von sexualisierter Gewalt Betroffenen per Video, um das Zusammentreffen mit dem Täter zu verhindern und eine freie und schonende Einvernah­me zu fördern; nach einer Anzeige wegen Stalking wie bei Wegweisung oder ähnlichen polizeilichen Maßnahmen die Berechtigung der Polizei, die Daten der Betroffenen an Gewaltschutzeinrichtungen weiterzuleiten, um mit ihnen in Kontakt zu treten; das Setzen der Maßnahmen von Antigewalt- und Affektkontrolltrainings auch in Außerstreitverfahren und bei bedingter Freiheitsstrafe, denn viele Verfahren wegen Gewalt oder sexualisierter Gewalt an Frauen enden mit einem Freispruch oder einer Diversion aufgrund schlechter Beweislagen; Maßnahmen im Strafvollzug und bei bedingter Entlassung, bei denen sich Täter mit ihren eigenen Rollenbildern auseinandersetzen sollen – das hilft ihnen, die Ur­sachen für das Verlangen, Gewalt auszuüben, zu erkennen. Wenn allein die letzte Maß­nahme gelingt, sind das große Schritte zur Gewaltvermeidung.

Wir begrüßen natürlich auch die Entscheidung der Regierung, weitere 26 Millionen Euro für Gewaltprävention zur Verfügung zu stellen. Geplant ist, sie für folgende Dinge auszu­geben: für die Stärkung der Gewaltschutzeinrichtungen, für den Ausbau der Familienbe­ratungsstellen und Kinderschutzzentren, für Beratungs- und Informationsangebote zur Stärkung der Selbstbestimmung von Frauen mit Migrationshintergrund, für eine bessere Ausstattung der Familiengerichtshilfe, für die Stärkung und Verbreitung des Wissens über juristische und psychosoziale Prozessbegleitung – ein sehr wesentlicher Punkt –, für den Fokus auf opferschutzorientierte, männerspezifische Täterarbeit, für Kampagnen gegen Männergewalt, das bedeutet auch mehr Geld für Männerberatungsstellen, mehr Geld für die Sensibilisierung von Buben und Burschen, mehr Geld für Antigewalt- und Affektkontrolltrainings. Auf diesen letzten Punkt – und ich bin sehr froh, dass das auch ins Zentrum gerückt wird – wird später noch mein Kollege Adi Gross eingehen.

Auf eine Maßnahme aber, die nicht nur im institutionellen Opferschutzbereich und vor den Gerichten wirken und angewendet werden soll, sondern auch im Umgang mitein­ander, möchte ich noch kurz eingehen: Für die Aufklärung von Fällen und vor allem für das Wiedererlangen von Selbstsicherheit und den Umgang mit Verletzungen derer, die von Gewalt betroffen sind und waren, ist die Beratung und psychosoziale Prozessbeglei­tung durch Frauenschutzeinrichtungen immens wichtig. Darüber hinaus ist sie auch


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deshalb wichtig, weil sie den von Gewalt betroffenen Frauen oder auch Kindern Sicher­heit vermittelt, angst- und vorurteilsfrei alles sagen zu dürfen, was sie erfahren haben, denn darüber zu reden ist oft nicht leicht.

Warum? – Wir alle kennen den Gedanken der Täter-Opfer-Umkehr, das Victim Blaming, den Vorwurf gegenüber verletzten oder vergewaltigten Frauen oder Kindern, selbst an der Gewalt schuld zu sein, weil sie die Gewalt angeblich provoziert haben – weil Frauen oder Mädchen sich nicht richtig angezogen haben, weil sie zu nett waren, weil sie sich zu wenig gewehrt haben, weil sie die Beziehung nicht beendet haben, weil sie den Vater ihrer Kinder oder ihren Ehemann oder Partner nicht angezeigt haben, bis dahin, dass sie den Täter sogar verstehen und mit ihm fühlen, ja, sogar mit ihm Mitleid haben, oder schlicht, weil sie nichts anderes kennen.

Dazu erzählte uns eine Beraterin von Tamar, das ist eine Beratungsstelle im 20. Bezirk für Opfer von sexuellem Missbrauch, dass sie das letzte Mal mit einem Mädchen gespro­chen hat, das erst im Sexualunterricht in der Schule draufgekommen ist, dass das, was ihr Vater mit ihr macht, nicht in Ordnung ist.

Von Gewalt und vor allem von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen und Kinder sind aber nie schuld an dieser Gewalt, weder in dem Moment, in dem wir uns um sie kümmern wollen, noch in dem Moment, in dem wir ihnen helfen wollen, noch wenn sie sonst nicht aus dieser Situation herauskommen. Gewalt ist nicht rechtfertigbar und schon gar nicht sexuelle Gewalt! Da geht es nicht um juristische Betrachtungen, sondern es geht um Opferschutz, und dieser Blick muss immer parteiergreifend sein, er muss immer auf der Seite der Betroffenen stehen, und das müssen wir alle, nicht nur die Beamtinnen und Beamten, lernen, wenn wir Frauen und Kindern helfen wollen, über ihre Erfahrung angst­frei und offen zu reden, wenn wir weitere Gewalt oder sexuelle Gewalt an Frauen und Kindern vermeiden wollen – denn das stärkt diese Frauen und Kinder, wenn sie wissen, dass die Gesellschaft nicht akzeptiert, was ihnen angetan wird, und sie nicht schuld an dieser Gewalt sind. Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrä­tInnen der SPÖ.)

9.13


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Johanna Mie­senberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


9.14.09

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Werte Zuse­herinnen und Zuseher! Zu Beginn möchte ich gleich eines klarstellen, und ich bin über­zeugt, dass das im Sinne aller hier im Saal ist: Gewalt an Frauen, egal, welcher Art, ist hässlich, ist feige und ist klar abzulehnen und zu verurteilen! (Allgemeiner Beifall.)

Wenn man die Zahl der Femizide im heurigen Jahr betrachtet, sich das vermehrte Auf­treten von Hasspostings im Netz anschaut und man von frauenfeindlichen Aussagen in den verschiedensten Medien hört, dann hat man fast den Eindruck, es habe sich in den letzten Jahren noch immer zu wenig zur Stärkung von Frauen, von Frauenrechten und zur Sicherheit und zum Schutz von Frauen getan. Frauen sind noch immer und immer wieder Zielscheibe von Erniedrigung und Ausbeutung.

Und Gewalt hat viele Gesichter: Am Anfang ist es psychische Gewalt, der Frauen ausge­setzt sind, sie sind Beleidigungen und Demütigungen ausgesetzt, und das reicht von Hass und Gewalt im Netz über sexuelle Gewalt bis hin zu physischer Gewalt, die letztlich auch bis zu einem Frauenmord führen kann. Es ist dabei für die Opfer nicht immer leicht, sich zur Wehr zu setzen und sich zu befreien. Existenzängste, Angst vor weiterer Gewalt und Abhängigkeit gegenüber dem Täter hindern die Frauen oftmals daran, sich Schutz und Hilfe zu holen und sich aus der Spirale der Unterdrückung zu befreien.


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Gewalt an Frauen ist ein gesellschaftspolitisches Thema, und es stellt sich schon die Frage, wie entwickelt eine Gesellschaft ist, die es nicht zur Gänze schafft, entschlossen für Anerkennung, Wertschätzung, Respekt und Gleichstellung von Frauen und Mädchen aufzutreten und einzutreten. Immer noch werden Frauen in erster Linie als wichtig für die Familie gesehen, und Gewalt an Frauen wird daher lediglich problematisiert, wenn Frauen und Partnerschaften nicht mehr funktionieren. Ich denke, da ist auch eine be­sondere Wahrnehmung der Gesellschaft notwendig. Gerade die Coronapandemie hat aufgezeigt, welche Rollen, welche vielfältigen Rollen Frauen – als Mütter, als Arbeiterin­nen, als Pflegekräfte und vieles mehr – übernommen haben und als welche wesentliche Stütze sie gerade auch in dieser Zeit in unserem Zusammenleben, in unserer Gesell­schaft fungiert haben. Und noch immer haben wir zu wenige Maßnahmen davon abge­leitet, um diese Frauen auch zu stärken.

Frauen tragen nicht nur die Last in den Familien, sondern auch in der Gesellschaft. Aner­kennung und Wertschätzung sind ein erster guter Schritt, aber bis zur wirklichen Gleich­stellung haben wir noch einen weiten Weg vor uns.

Studien besagen, unsere Gesellschaft befindet sich derzeit in einem Übergangsprozess, in dem sich patriarchale Einstellungen und Normen mit neuen partnerschaftlichen Ansät­zen noch im Widerstreit befinden. Gewalt ist aber nicht die Lösung des Problems, denn Frauen werden weiterhin und vehement und umso vehementer für ihre Rechte aufstehen und auch kämpfen.

Gewalt an Frauen ist ein gesellschaftliches Problem, das uns alle angeht, das uns alle betrifft und bei dem auch wirklich niemand von uns wegschauen darf. Es ist für uns eine politische und auch gesellschaftspolitische Aufgabe, mit allen uns zur Verfügung stehen­den Mitteln gegen Gewalt an Frauen und Mädchen anzukämpfen und uns für ihre Gleich­stellung einzusetzen.

Ich denke, ein wichtiger Schritt in der Prävention gegen Gewalt ist, die Frauen und Mäd­chen dahin gehend zu sensibilisieren, Gewalt zu erkennen, und sie auch zu bestärken und zu schützen. Angst und Scham beziehungsweise das Gefühl, dass Gewalt normal und ein Recht des Mannes ist, bewirken, dass Opfer Gewalterlebnisse eher herunter­spielen oder überhaupt gar nicht als solche erkennen oder benennen.

Bereits während des ersten Lockdowns starteten das Innenministerium und das Bun­deskanzleramt eine umfassende Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagne gegen häusliche Gewalt, mit dem Ziel, dass wirklich jede Frau weiß, dass sie einen Zufluchtsort hat, wo sie bereits bei den ersten Anzeichen von Gewalt Schutz findet. Ich bin froh, dass diese Infokampagne gegen Gewalt in der Privatsphäre weiter intensiviert wird.

Es braucht auch weiterhin alle Anstrengungen in dieser Bundesregierung, um gemein­sam Maßnahmen zu setzen. Mitte Mai wurde von den Ministerien für Soziales, Frauen, Justiz und Inneres ein gemeinsames Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen und zur Stärkung von Gewaltprävention dem Ministerrat vorgelegt. Es umfasst die weitere Intensivierung der Zusammenarbeit der einzelnen Stakeholder, Expertinnen und Ex­perten.

Aufgrund der zunehmenden Gewalt gegen Frauen und der Frauenmorde sollen künftig in jeder Polizeistation speziell geschulte Beamtinnen und Beamte im Bereich des Ge­waltschutzes zur Verfügung stehen, die auch mit den Opferschutzeinrichtungen vernetzt sein sollen.

Das Frauenministerium und das Bundeskriminalamt geben zur Motivforschung über die vergangenen Femizide gemeinsam eine Untersuchung in Auftrag, um daraus Erkennt­nisse zur Motivlage und zu den Möglichkeiten, die für eine frühzeitige Intervention, bevor die Gewalt eskaliert, zur Verfügung stehen, zu gewinnen.


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Weiters sollen Gewaltschutzeinrichtungen finanziell gestärkt und ausgebaut werden. Familienberatungsstellen sind Erstanlaufstellen in Familien- und Partnerschaftsfragen, sie sind wichtige Eckpfeiler der psychosozialen Versorgung der Menschen und somit auch eine wichtige Einrichtung zur Prävention; auch sie sollen weiter finanziell gestärkt und ausgebaut werden.

In Summe umfasst das Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen und zur Stärkung von Gewaltprävention noch viele weitere wichtige Maßnahmen und ist ein klares Zeichen der Bundesregierung, dass ihr Gewaltschutz und Gewaltprävention wirklich ein zentrales Anliegen ist.

Noch einmal: Es ist aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu deren Erfüllung nicht nur Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch die Zivilgesellschaft, die Bildungs­einrichtungen sowie auch die Medien an einem gemeinsamen Strang ziehen müssen.

Abschließend möchte ich sagen: Frauenverachtung, Gewalt gegenüber Frauen ist Men­schenverachtung! Also seien wir wachsam, seien wir achtsam, stärken vor allem wir Frauen uns gegenseitig, denn nur mit Mut und Entschlossenheit, Achtsamkeit und sen­sibler Wahrnehmung können wir jene Frauen unterstützen, die in unserer Gesellschaft aufgrund ihrer Herkunft, ihrer sozialen Stellung und ihres Umfeldes die schlechteren Karten haben! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der BundesrätInnen Gross­mann und Arlamovsky.)

9.21


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Elisabeth Grossmann. – Bitte.


9.22.04

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher! Ja, in Österreich ist der gefährlichste Ort für Frauen das eigene Zuhau­se, die gefährlichsten Menschen sind die eigenen Lebenspartner und die gefährlichste Zeit ist die der Trennung. Österreich hat auch ein tragisches Alleinstellungsmerkmal: Von den 43 Mordopfern im Jahr 2020 in Österreich waren 31 weiblich, und man traut sich gar nicht mehr die tagesaktuelle Zahl zu nennen, weil man nicht weiß, ob nicht in der Zwischenzeit wieder eine Frau dazugekommen ist.

Man kann gar nicht anders, als jetzt wirksame Taten gegen Gewalt an Frauen und Kin­dern zu setzen, auf allen Ebenen, in allen Ressorts. Und ganz besonders muss hier der vielzitierte Grundsatz gelten: „Koste es, was es wolle“. Gerade da, denn es geht um Menschenleben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Steiner-Wieser und Arlamovsky.)

Es sind neben dem Justizministerium viele, eigentlich alle Ressorts gefordert, wenn es darum geht, patriarchale Rollenmuster aufzubrechen, die ja – verbunden mit materieller Abhängigkeit – so gut wie immer der Nährboden für Gewalt sind. Meine Vorrednerinnen sind ja auch schon auf die Thematik eingegangen – insbesondere Sie, Frau Kollegin Miesenberger, haben über die Sensibilisierung von Frauen gesprochen –: Wir müssen vor allem die Burschen und Männer sensibilisieren, damit diese Rollenbilder aufgebro­chen werden (Bundesrätin Miesenberger nickt), denn es ist vielerorts ein Männerpro­blem! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Macht und Besitzansprüche gegenüber Frauen, das Nicht-Verkraften-Können, dass eine Frau eigene Lebensentscheidungen trifft, sich aus einer Beziehung lösen will, sich tren­nen will und selbstbewusst auftritt, sind die häufigsten Tatmotive, das wissen wir mitt­lerweile. In den allermeisten Fällen haben die Taten Vorgeschichten. Es gab Anzeigen, es gab Wegweisungen, es gab Hinweise, die vielerorts nicht wahrgenommen wurden,


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 16

teilweise auch falsch gedeutet wurden, nicht ernst genommen wurden, wie auch immer, es ist nichts geschehen, und da muss man schon ganz klar und deutlich sagen: Wenn es Indizien gibt, dann braucht es – und das ist besonders wichtig und zu betonen – treffsichere Gefährlichkeitsprognosen. Die sind, wie man sich vorstellen kann, sehr, sehr schwer zu erstellen und können nicht so einfach aus dem Ärmel geschüttelt werden, sondern erfordern jahrelange Erfahrung, Know-how und wirklich ein reibungsloses Zu­sammenspiel aller befassten Stellen, von Polizei, Justiz, Bezirksverwaltungsbehörden bis hin zu den Gewaltschutzeinrichtungen, deren Expertise besonders hilfreich ist und sich in der Vergangenheit auch immer besonders bewährt hat.

Da hat es vor Jahren schon eine sehr gut strukturierte Zusammenarbeit gegeben, die aber unter Schwarz-Blau niedergefahren wurde – nicht überall, manche haben sie auf informelle Weise, wie in sehr vielen Regionen in der Steiermark, weiter gepflegt –, das muss alles wieder aufgebaut werden. Da gilt es die Maßnahmen, die hier aufgezählt wurden und die durchaus zu begrüßen sind – und das ist großteils Wiederaufbauarbeit ‑, umzusetzen, wiederum an bewährte Kooperationen anzuschließen, um im Ernstfall treff­sicher reagieren zu können. Wobei ich schon betonen muss, dass sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten, muss man eigentlich sagen, die Sensibilität und das Bewusstsein in der Arbeit mit Gewaltopfern gerade bei Beschäftigten im Polizei- und Justizapparat stark verbessert hat. Das möchte ich schon betonen. (Beifall bei der SPÖ.)

In meinen Berufsanfängen in der Frauen- und Familienberatung, als die ersten Gewalt­schutzgesetze implementiert wurden, haben wir uns, also die Tätigen in den Organisa­tionen, teilweise fast – wie soll ich sagen? wie störende Fremdkörper gefühlt; also das hat einfach nicht ins System gepasst. Das hat sich wirklich sehr, sehr zum Positiven verändert, und die Zusammenarbeit wird auch wechselseitig sehr geschätzt. Es besteht auf beiden Seiten ein großer Wille zur Zusammenarbeit, das muss man wirklich sagen, und da möchte ich auch allen bei Polizei und Justiz Tätigen ein großes Dankeschön aussprechen, weil da wirklich ein Geist des Miteinanders herrscht, auch wenn es, wie wir leider oft erfahren müssen, natürlich auch Probleme gibt.

Wenn sich die derzeitige Bundesregierung, wie so oft, selbst mit Superlativen lobt, in diesem Fall mit dem größten Gewaltschutzpaket aller Zeiten, so rufe ich schon in Erin­nerung, wer überhaupt die Basis für Gewaltschutz und Frauenpolitik in Österreich gelegt hat: Ich darf da an die sozialdemokratischen Ministerinnen, beginnend mit Dohnal, Kon­rad, Prammer, Oberhauser und so weiter erinnern. Da wurde sehr vieles aufgebaut, das aber leider bei zweimal Schwarz-Blau, das kann ich nur wiederholen, schrittweise de­montiert wurde. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Blödsinn!) Das heißt, da ist Wiederaufbau­arbeit zu leisten (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das stimmt ja gar nicht ... so viel ge­tan ...!), und dass sie geleistet wird, ist positiv. – Ich weiß, das hören Sie nicht gerne, Frau Kollegin, denn da war Ihre Fraktion auch in der Regierung, aber es ist so, das ist die Tatsache. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Die Serie an Morden zwingt die Regierung dazu, wirksame Taten zu setzen, und bei der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen sind wir selbstverständlich auch sehr gerne dabei und behilflich. Ich möchte da auch auf einige Best-Practice-Modelle verweisen: In Graz beispielsweise gibt es eine gerichtsmedizinische Gewaltschutzambulanz, auch zur Beweissicherung und Dokumentation von Verletzungen. So etwas braucht man in ganz Österreich, und zwar rund um die Uhr erreichbar und am besten auch mobil einsetzbar, denn es ist von Frau Kollegin Kittl schon angesprochen worden: Die Beweisführung ist ein großes Problem (Bundesrätin Kittl nickt), und da könnten solche mobilen Ambulan­zen sehr, sehr hilfreich sein.

Wenn hier weitergearbeitet oder wenn das sozusagen ausgerollt wird, dann ist das wirk­lich sehr, sehr zu begrüßen, denn es kommt tatsächlich sehr oft zu Freisprüchen im Zweifel, zu sehr zweifelhaften Freisprüchen. Da gilt es natürlich näher hinzuschauen.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 17

Die Ausbildung von Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsan­wälten im Hinblick auf häusliche Gewalt ist essenziell, und wir wundern uns nur allzu oft, warum in manchen Fällen keine Haft ausgesprochen wird und sozusagen Wegweisun­gen und Annäherungsverbote als gelinderes Mittel eingesetzt werden, wozu sie eigent­lich nicht gedacht waren – oftmals auch ohne Begleitmaßnahmen.

Täterarbeit, Antigewalttrainings müssen obligatorisch sein. Im Anlassfall bedürfen das Opfer und in den meisten Fällen natürlich auch die dazugehörigen Kinder eines beson­deren Schutzes. Opferschutz muss überhaupt die höchste, die allerhöchste Priorität ha­ben, und wenn ein Haftgrund gegeben ist, muss auch eine Haft ausgesprochen werden – eine Selbstverständlichkeit, die oft nicht so selbstverständlich ist. Dazu muss man eben die Lage richtig einschätzen können, und dazu müssen die entscheidenden Personen entsprechendes Praxiswissen haben.

Auch da war man schon weiter: In der Vergangenheit war es sehr wohl üblich und sehr oft der Fall, dass wir Praktikantinnen und Praktikanten aus dem Justiz- und Polizeiwesen in den Gewaltschutzeinrichtungen und Familienberatungsstellen hatten. Das gehört wie­der aufgenommen. Das sollte selbstverständlicher Ausbildungsbestandteil sein, damit einfach das Umfeld und die Situation besser eingeschätzt werden können.

In der Steiermark – das möchte ich auch noch als Best-Practice-Beispiel erwähnen – gibt es einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für Gewaltopfer. Dazu gibt es, wenn es notwendig ist, selbstverständlich auch einen Platz in einem Frauenhaus oder, noch besser, in einer regionalen Notwohnung, um nicht das Opfer und vielfach auch die Kinder aus ihrem gewohnten Lebensumfeld herauszureißen – wobei selbstverständlich der Grundsatz gelten muss, dass der Täter das Umfeld verlassen muss, nicht das Opfer.

Es braucht da eben ein umfassendes Bündel an Maßnahmen, und es ist wie gesagt zu begrüßen, wenn nun das Ruder wieder in Richtung wirksamen Gewaltschutz herumge­rissen wird, aber das kommt für viele, allzu viele zu spät und auch vielerorts zu wenig konsequent, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Danke, Frau Minister. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätinnen Hauschildt-Busch­berger und Kittl.)

9.32


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Andreas Ar­thur Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.32.20

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Werte Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Alle sinnvollen Maßnahmen zum präventiven Gewaltschutz sind begrüßens­wert, und solche werden wir Freiheitliche auch jederzeit mittragen, ganz egal, gegen wen sich diese Gewalt richtet. Traurig ist nur, dass es immer wieder Anlassfälle braucht, damit über Gewaltschutz gesprochen wird, und traurig stimmt mich auch, dass Öster­reich im internationalen Vergleich, wenn es um das Thema Gewalt an Frauen geht, tat­sächlich sehr schlecht abschneidet.

Natürlich war es die aktuelle Serie an Frauenmorden, die Diskussionen zum Thema Ge­waltschutz aufflammen ließ. Frau Minister Zadić, ich glaube Ihnen sogar, dass es für Sie persönlich ein ernstes Anliegen ist, im Bereich der Gewaltprävention etwas weiterzubrin­gen. Allerdings gibt es da auch noch Ihren Koalitionspartner, die ÖVP, und bei dieser ÖVP frage ich mich, wie ernst sie es tatsächlich meint. Oder ist das wieder nur ein, weil es gerade hineinpasst, weiterer Versuch, von negativen ÖVP-Schlagzeilen abzulenken? Ich habe es schon einmal gesagt und ich sage es wieder: Leider ist dieser ÖVP jedes Mittel recht, um von den ÖVP-Korruptionsvorwürfen, von unzähligen ÖVP-Anklagen, von


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ÖVP-Plagiatsvorwürfen, ÖVP-Freunderl- und Misswirtschaft und vielen weiteren ÖVP-Skandalen abzulenken – und das, meine Damen und Herren von der ÖVP, ist eine Schande, denn dieses Thema ist zu ernst, um es nur als Ablenkungsmanöver zu miss­brauchen. (Beifall bei der FPÖ.)

In den letzten Jahren waren es Frauenmorde, bei denen Österreich im Ländervergleich leider die Nase ganz vorne hatte. Unser aller Ziel muss es sein, solche Morde an Frauen zu verhindern. Ja, im Nachhinein ist man immer klüger, nur weiß man ja auch, dass einige Morde an Frauen tatsächlich hätten verhindert werden können, vielleicht sogar hätten verhindert werden müssen. Oftmals sind die Täter nämlich Partner, Ex-Partner oder Bekannte, die zuvor schon auffällig geworden waren.

Während Männermorde meist in kriminellen Subkulturen bei eskalierenden Streitereien oder unter Alkoholeinfluss passieren, werden die meisten Frauenmorde im Kontext von Beziehungen begangen – und, auch das darf man nicht verschweigen, dem Großteil dieser Morde geht psychische und physische Gewalt voraus. Es gibt hier oftmals ein Missverhältnis zwischen Tatauslöser und Schwere der Gewalt, denn während früher bei Frauenmorden oftmals Sexualmorde oder Affektdelikte im Vordergrund standen, sind es heutzutage Kränkungen von Männern, Machtverlust, Angst vor Liebesentzug, nicht zu­gegebene Verletzlichkeit et cetera, in deren Folge Morde dann tatsächlich geplant – ge­plant! – und aus Rache ausgeführt werden.

Ja, es ist ein schwieriges Thema (Bundesministerin Zadić nickt), schwierig auch des­halb, weil man da schon auch Tabus brechen dürfen muss. Es muss erlaubt sein, alles anzusprechen. Es muss erlaubt sein, alle Fakten vorzubringen, ohne gleich wieder von der vereinten Union der GutmenschInnen in ein Schmuddeleck gestellt zu werden. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Denn: Nur wenn wir ganz ehrlich mit allen Fakten umgehen, haben wir eine Chance, etwas zu verändern, etwas zu verbessern und Gewalttaten auch tatsächlich zu verhin­dern. Wenn Morde die letzte Konsequenz in einer mit Gewalt erfüllten Beziehung sind, dann ist es vor allem unsere Aufgabe in der Politik, da viel früher lenkend, helfend und schützend eingreifen zu können. Gewalt, meine Damen und Herren, ist niemals tole­rierbar, und für davon Betroffene muss es einen ganz, ganz niederschwelligen Zugang zu Hilfe und zu Unterstützung geben.

Ich will die heutige Debatte auch dazu nutzen, Gewalt anzusprechen, die oftmals ver­gessen wird. Ich will ganz bewusst das Bewusstsein schärfen, dass es viele unterschied­liche Formen von Gewalt gibt, und ich will einige der von mir zuvor genannten Tabuthe­men ansprechen, die gerne ausgespart werden. Ich erwarte mir auch von allen hier ver­tretenen Parteien, dass sie diese Themen ernst nehmen, auch wenn, wie es scheint, die FPÖ die einzige Partei ist, die den Mut hat, so manche Probleme anzusprechen.

Zum einen geht es mir um das Thema Zwangsheirat und Zwangsehe und da vor allem um die Kinderehe. Ja, es ist ganz klar, in Österreich ist das natürlich verboten, wir wissen aber auch, dass es diese Fälle in Österreich gibt.

Ein weiteres Thema: Laut Unicef leben weltweit etwa 150 Millionen Mädchen und Frau­en, die an ihren Genitalien verstümmelt wurden. Jeden Tag werden circa 8 000 Mädchen Opfer solcher Verstümmelungen. In Europa wird die Zahl der Opfer auf etwa 500 000 geschätzt, in Österreich leben circa 6 000 bis 8 000 betroffene Mädchen und Frauen. Diese Genitalverstümmelungen bei Mädchen passieren in Form von Beschneidungen in der Regel im Alter von fünf bis zwölf Jahren. Manchmal werden diese Mädchen dann zum Beispiel in den Schulferien in die Heimat geschickt und dort verstümmelt. In Wien gibt es übrigens eine eigene Ambulanz für Betroffene, und mehr als 100 Mädchen jähr­lich kommen dorthin – die Dunkelziffer ist entsprechend höher.


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Die Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsorgane wird mit Tradition, religiösen Ver­pflichtungen und kultureller Identität gerechtfertigt – wie übrigens auch die Kinderehen –, und solche Traditionen, meine Damen und Herren, haben im 21. Jahrhundert keinen Platz. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätinnen Grimling und Grossmann.)

Ich erspare Ihnen jetzt ganz bewusst, was zum Beispiel bei solchen Beschneidungen genau passiert und wie die drei Verstümmelungsgrade definiert sind. Nur so viel dazu: Circa 10 Prozent der Beschneidungen enden tödlich durch Verbluten oder massive In­fektionen.

Der Mord an einer Frau ist meist nur das Ende einer langen Reihe vorausgegangener Gewaltdelikte. Das beginnt oft ganz harmlos, steigert sich von Tag zu Tag bis zum ersten Mal Zuschlagen und endet dann eben leider oft mit schwersten Übergriffen bis hin zum Mord. Ich versuche nun, Ihnen in aller Kürze näherzubringen, was gleichermaßen un­glaublich wie auch unfassbar ist – und lediglich wenige Zeitungen hatten den Mut, einen Artikel darüber zu verfassen –:

Eine Frage an Sie: Was haben die islamistische Millî-Görüş-Gemeinschaft, ein deutscher Salafisten-Shop, Amazon und Thalia gemeinsam? – Die Herausgabe eines Buches, das Gewalt gegen Frauen und Mord im Namen des Islams legitimiert; ein Buch, das verse­hentlich in den Handel gekommen ist, dann gesperrt wurde und kurz darauf wieder in einschlägigen Shops käuflich erhältlich war und bis heute ist. Im Buch „Ilmihal für Frau­en – Islamisches Grundwissen für Frauen“ steht: „Jemand der den Propheten be­schimpft, beleidigt oder seine Religion in irgendeiner Weise schlecht macht, muss getö­tet werden.“

Zum islamischen Grundwissen für Frauen zählt laut diesem Buch, dass eine Ehefrau häusliche Gewalt über sich ergehen lassen müsse, wenn sie sich dem Mann widersetzt: „Sollte sich eine Frau gegen ihren Mann auflehnen, erlaubt der Koran dem Ehemann als letzte Maßnahme, seine Frau zu züchtigen.“ – 2021 in Österreich und in Deutschland käuflich erhältlich! Das ist keine Ironie, sondern das ist ein tatsächlich ernst gemeintes Buch.

Ja, meine Damen und Herren, es macht für Opfer definitiv keinen Unterschied, ob der Täter Ausländer oder Österreicher ist oder ob der Täter Migrationshintergrund hat oder nicht. Das ist nicht der Punkt, das ist definitiv nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass wir so ehrlich sein und eingestehen müssen, dass jahrelang, zusätzlich zu all den Problemen, die wir in unserem Land sowieso schon haben, auch ein frauenfeindliches Rollenbild importiert wurde, ein Frauenbild, das mit unserer aufgeschlossenen Gesellschaft ganz und gar nicht vereinbar ist.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat, die Redezeit ist konsumiert. Bitte um das Schlusswort!


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Frau Minister Zadić, seien Sie bitte so mutig und beleuchten Sie alle Bereiche, alle Ursachen, alle Hintergründe von Gewalt ehrlich, offen und unvoreingenommen! Dann haben wir eine echte Chance, Frauen in Österreich besser vor Übergriffen zu schützen. (Beifall bei der FPÖ.)

9.42


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemel­det hat sich die Frau Bundesministerin für Justiz. Ich erteile es ihr. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.


9.42.59

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Bun­desrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bedanke mich sehr für die Wahl des heutigen Themas, sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte,


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 20

denn es ist ein wichtiges Thema, und an Ihren Redebeiträgen kann man erkennen, wie ernsthaft wir uns, sowohl als Bundesregierung als auch das Parlament, auch hier im Bundesrat, mit diesem Thema auseinandersetzen. Ich möchte Ihnen auch für Ihre Worte, teilweise sehr persönlichen Worte, danken.

Ich beobachte leider, dass uns das Thema mit einer erschreckenden Regelmäßigkeit immer wieder beschäftigt – und zwar beschäftigt uns das Thema immer wieder nur dann, wenn etwas passiert, wenn wieder ein Frauenmord geschieht. Dann geht ein Aufschrei durch die Medien, die Politik verspricht Verbesserungen, nimmt sich des Problems an, und bald darauf kommt ein anderes Ereignis, das in den öffentlichen Fokus rückt, und das Thema gerät in Vergessenheit. Diese Regelmäßigkeit beobachte ich seit Längerem als Justizministerin, als Abgeordnete und immer wieder auch als Frau. Es gilt, diesen Kreislauf endlich zu durchbrechen. Wir müssen uns unserer Verantwortung bewusst sein, als Politikerinnen und Politiker, als Gesellschaft immer wieder auf dieses Thema aufmerksam zu machen und diesen Aufschrei nicht verstummen zu lassen.

Daher ist es auch wichtig, dass wir den Austausch mit den Opferschutzeinrichtungen, den Kinderschutzeinrichtungen regelmäßig pflegen, nicht nur dann, wenn etwas pas­siert, sondern tatsächlich regelmäßig Austausch halten, denn wir können immer etwas gegen Gewalt an Frauen, immer etwas gegen Gewalt an Kindern und immer etwas ge­gen häusliche Gewalt tun.

Es geht dabei aber auch – das habe ich in den letzten Wochen festgestellt – um die Männerorganisationen. Ich war in den letzten Wochen auch mit vielen Männerorganisa­tionen im Austausch, und mir ist bewusst geworden, wie viel wir auch innerhalb der Justiz machen können, um die Männerberatungen zu stärken, denn wir müssen dort ansetzen, wo die Gewalt beginnt, und da geht es tatsächlich auch um die Prävention.

Ich habe diese Woche auch eine Besprechung im Justizministerium mit den Expertinnen und Experten des Justizministeriums gehabt und bin auch seit meinem Amtsantritt in regelmäßigem Austausch mit verschiedenen Organisationen, denn das ist ein Thema, mit dem wir uns regelmäßig beschäftigen müssen. Es gibt viele Maßnahmen, die wir umsetzen müssen, es sind viele, viele kleine Schrauben, an denen wir drehen müssen, um endlich dieser Gewaltspirale ein Ende zu setzen. Der Schlüssel liegt in der Präven­tion, also in der Arbeit, bevor diese Tat passiert, und hier müssen wir ansetzen, hier werden wir Angebote ausbauen.

Ich habe bereits mehrere Treffen mit dem Sozialminister, mit der Frauenministerin, mit dem Innenminister gehabt, denn es geht darum, gemeinsam als Bundesregierung Maß­nahmen zu setzen. Ich möchte noch einmal kurz darauf hinweisen, was ich in meinem Verantwortungsbereich, in der Justiz, bereits umgesetzt habe und was ich mir persönlich auch zum Ziel gesetzt habe.

Leider wird die Justiz immer dann befasst, wenn schon etwas passiert ist, wenn es einen Mord gab, wenn es Gewalt gab, wenn die Ermittlungen bereits gestartet haben, aber auch wenn die Justiz befasst wird, müssen wir Maßnahmen setzen, denn wir wissen vom Grevio-Bericht – und da werden wir auch zu Recht kritisiert –, dass es zu wenige Verurteilungen gibt, dass die Verurteilungsrate in Österreich zu niedrig ist. Deswegen habe ich mit der Sektionschefin, die für Staatsanwaltschaften zuständig ist, auch einen Erlass erarbeitet, in dem es darum geht, die Beweissicherung besser vorzunehmen, denn das ist genau das Thema. Es heißt dann immer, wenn die Frau ihre Aussage zurückzieht, dann wird das Strafverfahren meistens auch beendet. Wir müssen daher die Beweissicherungen schon viel früher vornehmen. Es reicht nicht, sich nur auf die Aussage zu stützen, es braucht viel mehr Beweise schon von Beginn an. Deswegen haben wir diesen Erlass erarbeitet und an die Staatsanwaltschaften versandt.


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Zweitens geht es auch darum, die Frauen während eines Gerichtsverfahrens und wäh­rend eines Ermittlungsverfahrens bestmöglich zu unterstützen. Wir wissen, dass psycho­soziale und juristische Prozessbegleitung immens wichtig ist, denn Frauen müssen begleitet werden, müssen unterstützt werden, wenn sie vor Gericht aussagen müssen, wenn sie ihre Zeugenaussage aufnehmen lassen müssen, denn jede Vernehmung, jede Aussage einer Frau ist für sie eine enorme Belastung, weil sie oftmals dazu führt, dass die Frau retraumatisiert wird.

Das Gleiche gilt auch für Kinder. Kinder trauen sich oftmals, insbesondere im Kontext von häuslicher Gewalt, nicht, vielleicht gegen den Vater auszusagen. Kinder lieben ja beide Elternteile, deswegen müssen wir auch die Kinder unterstützen, indem sie ins­besondere in den traumatisierenden Verfahren tatsächlich sowohl psychosozial als auch juristisch begleitet werden. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

Das nächste Thema sind natürlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz, der Staatsanwaltschaften und der Gerichte. In Gesprächen mit vielen Opferschutzorganisa­tionen ist erkennbar gewesen, dass es da wesentlich mehr Schulungen braucht. Des­wegen werde ich auch die Ausbildungsverordnung im Justizministerium überarbeiten, denn es braucht hier wesentlich mehr Ausbildung für Richterinnen und Richter, für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, damit sie für dieses Thema auch speziell sensi­bilisiert werden.

Vielleicht noch zu einem zweiten Thema, dem Hass-im-Netz-Paket: Anfang dieses Jah­res ist das Hass-im-Netz-Paket in Kraft getreten, und wir haben mit diesem Hass-im-Netz-Paket auch die psychosoziale Begleitung von Kindern ausgeweitet – ausgeweitet nämlich auch auf Kinder, die Zeugen von Gewalt geworden sind. Bis jetzt war es nämlich so, dass Kinder, die Opfer geworden sind, psychosoziale und juristische Prozessbeglei­tung kriegen.

Es war eine lange Forderung von Opferschutz- und Kinderschutzorganisationen, das auszuweiten, nämlich auch auf jene, die – unter Anführungszeichen – „nur“ Zeugen von Gewalt geworden sind. Diese Kinder sind auch traumatisiert, denn sie beobachten, wie ihre Mutter geschlagen wird, sie hören Schreie zu Hause und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Daher wurde das Budget in diesem Bereich ausgeweitet, ich habe mit dem Paket, das wir jetzt auf den Weg gebracht haben, noch zusätzlich 3 Millionen Euro für den Kinderschutz zur Verfügung gestellt, damit diese psychosoziale und juristische Prozessbegleitung auch die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung hat. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Schließlich – das habe ich auch zu Beginn gesagt – müssen wir auch dort ansetzen, wo die Gewalt beginnt, und das ist bei den Tätern. Aus dem Justizministerium gibt es jetzt 0,5 Millionen Euro, um in die Täterarbeit zu investieren, um in Antigewalttrainings zu investieren, denn eines wissen wir, und das wissen wir aus allen Studien: Die Rückfall­quote, die in Österreich leider erschreckend hoch ist – gerade im Gewaltbereich ist sie erschreckend hoch, nämlich über 50 Prozent –, können wir nur senken, wenn es eine entsprechende Nachbetreuung gibt, wenn es entsprechende Antigewalttrainings gibt. Deswegen werden wir auch da mehr investieren, um diese Rückfallquote zu senken. Die Studien weisen darauf hin, dass man bei einer entsprechenden Nachbetreuung, bei einer entsprechenden Täterarbeit nach der Haft die Rückfallquote sogar um 20 Prozent senken kann – nur das kann mein Ziel sein.

Wie Sie wissen, bemühe ich mich bei allen Gesetzesmaterien, die wir auf den Weg brin­gen, diese immer danach zu prüfen: Gibt es da Anhaltspunkte, wo wir hinsichtlich Gewalt gegen Frauen, häuslicher Gewalt, psychischer und physischer Gewalt, an der einen oder anderen Schraube drehen können, um tatsächlich auch diese Gewaltspirale zu durch­brechen?


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So haben wir zum Beispiel auch im Exekutionsrecht einen Anker gefunden. Diese Über­gangsbestimmung, die wir in der Coronazeit geschaffen haben, nämlich dass Opfer­schutzorganisationen die Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, auch vertre­ten können, hat sich als sehr gut erwiesen. Viele Frauenschutzorganisationen, Opfer­schutzorganisationen sind an uns herangetreten und haben gesagt: Bitte, wir brauchen diese Regelung im Dauerrecht, denn viele, viele Frauen trauen sich nicht, rauszugehen und das Gericht aufzusuchen, weil sie Angst haben, dass der gewalttätige Mann oder die Freunde des gewalttätigen Mannes das beobachten und dass ihnen vielleicht Schlim­meres passiert. Deswegen gibt es jetzt die Möglichkeit, dass sich die Frauen an die Op­ferschutzorganisationen wenden können, und diese können dann in Vertretung dieser Frauen eine einstweilige Verfügung bei Gericht beantragen. Das haben wir jetzt mit dem Exekutionsrecht umgesetzt.

All diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass die Gesellschaft für Frauen sicherer wird, denn es muss immer unser gemeinsames Ziel sein, als Justiz, als Bundesregie­rung, als Parlamentarier, aber auch als Gesellschaft, diese für Frauen und für Kinder auch sicherer zu machen. Wir müssen es schaffen, patriarchale Rollenbilder aufzubre­chen. Wir müssen es schaffen, eine echte Gleichstellung zwischen Frauen und Männern herzustellen, denn nur so schaffen wir es auch, die Gewalt dort zu verhindern, wo sie entsteht.

All diese Maßnahmen sind wichtige Schritte in diese Richtung, aber sie können nur ein Anfang sein. Wir müssen an diesem Thema dranbleiben, und das über das kurzfristige mediale Interesse hinaus. Unser Ziel, unser gemeinsames Ziel als Gesellschaft muss es sein, dass Mädchen und Frauen in Österreich sicher sind, frei von Angst leben können, und das ist jede Anstrengung wert. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ sowie Beifall des Bundesrates Arlamovsky.)

9.54


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer, Teilnehme­rinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


09.54.26

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Ministerin! Zentral geht es um zwei Prinzipien: erstens um Opferschutz – Opferschutz hat immer die oberste Priorität, wir haben sehr viel davon gehört –, zweitens um Prävention, denn wenn wir Frauen und Kinder vor von Männern ausgeübter Gewalt schützen wollen, müssen wir bei den Männern ansetzen, tatsächliche und potenzielle Täter stärker in den Blick nehmen; das heißt eben, Präven­tionsarbeit zu leisten und Gewalt erst gar nicht entstehen zu lassen.

Gewalt, das muss man klar sagen, ist immer das Ergebnis einer mehr oder weniger bewussten Entscheidung. Es ist immer eine Entscheidung gegen eine Handlungsalter­native, eben keine Gewalt anzuwenden. Damit ist auch klar, wer verantwortlich ist: Es ist der Täter, und da gibt es auch keine Ausrede. Gewalt im privaten, häuslichen Bereich wurzelt vielfach in patriarchalen Rollenbildern, in denen Männlichkeit mit Stärke und Do­minanz und so weiter assoziiert wird. Sie kennen das alle. Diese Verhaltensweisen und Haltungen kommen in allen Gesellschaftsschichten vor, sie sind kein fragwürdiges Privi­leg einer Gruppe. Männergewalt an Frauen steckt praktisch mitten in der Gesellschaft.

Herr Kollege Spanring, es hilft uns nicht weiter, zu suggerieren, dass Gewalt an Frauen importiert sei, dass sie bestimmten Zuwanderungsgruppen zuzuschreiben sei, und damit


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abzulenken. (Bundesrat Spanring: Da haben Sie nicht zugehört, Herr Kollege!) Gewalt an Frauen ist generell tabu – Punkt! –, egal von wem. Und, eines ist ganz entscheidend – ich habe es erwähnt –: Das Individuum ist verantwortlich für die Tat. So ist übrigens auch der Rechtsbegriff.

Wir haben schon viel über konkrete Maßnahmen gehört, ich greife nur noch ganz wenige Aspekte in Richtung Täter auf. Die Bubenarbeit soll massiv verstärkt werden – ganz ent­scheidend. Möglichst früh sollen sie lernen, dass Gewalt keine Lösung ist. Sie sollen lernen, mit ihren Gefühlen und Emotionen, mit ihren Ängsten konstruktiv und vor allem friedlich umzugehen. Die Männerberatungsstellen werden gestärkt und ausgebaut und vor allem bekannter gemacht. Ängste und Vorbehalte, dort anzurufen, müssen abgebaut werden. Wichtig ist es, noch mehr zu verstehen, warum Gewalt angewendet wird. Des­wegen ist eine Motivationsforschung geplant, die alle Tötungsfälle der letzten zehn Jahre analysiert, mit dem Ziel, noch genauer Präventionsmaßnahmen ableiten zu können.

Einer der Männer, die den Ursachen männlicher Gewalt umfassend nachgegangen sind, ist der Kulturwissenschafter Klaus Theweleit. Er hat bereits vor vier Jahrzehnten, seiner Zeit weit voraus, mit „Männerphantasien“ – so heißt das Buch; kann ich sehr empfeh­len – eine Art Kulturgeschichte männlicher Gewalt vorgelegt. Das Buch ist heute leider aktueller denn je, darum wurde es auch neu aufgelegt. Und da ziehen sich einige Merk­male durch: Das ist etwa eine grundsätzlich angstbesetzte Wahrnehmung des anderen Geschlechts, das Gefühl der Unterlegenheit. Das sind Folgen einer fatalen Erziehungs­haltung, die es in Ordnung fand und findet, kleine Kinder anzubrüllen, schreien zu lassen oder gar Körperkontakt zu entziehen.

Das ist leider alles nicht so lange her. Ich weiß noch selbst, dass solche Erziehungsme­thoden und Verhaltensweisen zu weit verbreiteten Tipps gehörten, wie Kinder zu erzie­hen seien, wie in der Familie miteinander umzugehen sei. Und noch immer gibt es Män­ner, die glauben, es gäbe so etwas wie eine gesunde Watschen.

Er selbst, erzählt Theweleit, war als Kind Gewalt ausgesetzt, Gewalt seines Vaters. Ihm wurde dann aber geholfen, er hat sich helfen lassen, erzählt er dann. Das ist der Grund, warum ich das jetzt erwähne: Es ist essenziell, zu erkennen, dass Gewalt Ursachen hat, wobei die Verantwortung niemals abzustreifen ist, das ist klar, aber sie hat Ursachen, oft auch außerhalb des eigenen Selbst, die prägend wirken. Das kann das eigene Umfeld sein, in dem es als akzeptiert gilt, gelegentlich durchzugreifen, oder, klarer formuliert, wo Gewalt nicht als auszuschließende Verhaltensweise gilt.

Dieses Erkennen von Gewaltursachen bedeutet nun, dass Hilfe möglich ist.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat, ich bitte, zum Schluss zu kom­men, die Redezeit ist erschöpft!


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (fortsetzend): Liebe betroffene Männer, sein eige­nes Verhalten und dessen Bedingungen zu reflektieren, sich einzugestehen, dass man nicht alles allein lösen kann, dass man bereit ist, Hilfe anzunehmen, das ist Größe, denn es ist ein Durchbrechen gewohnter Muster. Das zu schaffen und auf Gewalt zu verzich­ten, ist Stärke. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

9.59


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin ist Doris Berger-Grabner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.00.07

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sehr ge­ehrte Zuschauer, die Sie zu Hause dabei sind! Ich habe in den heutigen Redebeiträgen sehr viel Konsens gehört, sehr viel Konsens bei einem äußerst wichtigen Thema.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 24

Wir haben auch bereits gehört, nach einem virtuellen runden Tisch bei Opferschutzein­richtungen wurde ein Maßnahmenpaket geschnürt und als Sofortmaßnahme 24,6 Millio­nen Euro aufgebracht – das größte Gewaltschutzpaket der letzten Jahrzehnte. Und das ist wichtig, um auf diesen Anstieg der Femizide reagieren zu können und evidenzbasierte Maßnahmen, insbesondere Motivforschung, durchführen zu können.

Ich habe zu diesem Thema einiges recherchiert und in diesem Zusammenhang eine sehr interessante Studie einer Kriminologin der University of Gloucestershire gefunden, die ich kurz vorstellen möchte. Dabei wurden über 300 Tötungen von Frauen untersucht, und es hat sich Folgendes bestätigt: Femiziden gehen in sehr vielen Fällen häusliche Gewalt, Stalking und eine Beziehung voraus, die geprägt ist von Kontrolle, starker Eifer­sucht, psychischer Gewalt und vor allem auch einer starken Isolierung. Mehr als die Hälfte der Täter, die ihre Partnerin, Ex-Partnerin umgebracht haben, sind vorher auch polizeilich auffällig.

Experten und Expertinnen sind sich einig, dass die Ursache für Tötungen von Frauen nicht, wie medial oft dargestellt, ein vermeintlicher Migrationshintergrund oder eine psy­chische Störung des Täters ist, sondern vielmehr – auch Sie, sehr geehrte Frau Minis­terin, haben es schon erwähnt – gesellschaftlich tief geprägte patriarchale Muster und eine mangelnde Gleichstellung von Frauen.

Ich bin der Meinung, dass es nicht sein kann, dass Frauen im 21. Jahrhundert noch immer Angst haben müssen, wenn sie allein im Dunklen nach Hause gehen, dass Frau­en noch immer nicht gleichwertig von unserer Gesellschaft angesehen werden. Gewalt gegen Frauen kann nur beendet werden – auch das haben Sie schon angesprochen –, wenn Männer auch etwas dagegen unternehmen. Dazu gehört vor allem auch diese gesellschaftliche Grundhaltung, welche Gewalt an Frauen nicht toleriert, und da muss man schon bei der Erziehung im Kindesalter ansetzen.

Männer müssen mehr in die Familienarbeit eingebunden werden. Auch Männer in sor­genden Tätigkeiten, egal, ob bezahlt oder unbezahlt, verändern das Männlichkeitsbild, und das reduziert Gewalttätigkeit. Wichtig sind auch Kampagnen für Männlichkeitsbilder, die eben nicht an Härte, Dominanz und patriarchalen Vorstellungen orientiert sind, son­dern an Partnerschaftlichkeit, Beziehungsorientierung und Sorgearbeit. Ich bin deshalb sehr froh über diese Initiativen, die in diesem Bereich gesetzt werden.

Weil es wichtig und notwendig ist, zu reagieren, hat am 19. Mai in Niederösterreich ein runder Tisch gegen Gewalt an Frauen stattgefunden. Teilgenommen haben: Vertreter und Vertreterinnen aus Opferschutzeinrichtungen, der Frauenberatung, der Täterarbeit sowie der Landespolizeidirektion Niederösterreich, des Kriminalamtes Niederösterreich, der Kinder- und Jugendhilfe, der Landesgesundheitsagentur, der Schulpsychologie und der Bildungsdirektion. Dieser Teilnehmerkreis war also sehr umfangreich. Dabei ist he­rausgekommen, dass wir mehr in Richtung Prävention und Aufklärung tun müssen –auch da sind wir uns einig.

Es gibt schon zahlreiche Angebote in Niederösterreich, die wir alle zur Genüge kennen, die aber der breiten Bevölkerung dennoch oft nicht bekannt sind. Deshalb dürfen wir nicht müde werden, immer wieder auf diese Informationsmaterialien, auf die Anlaufstel­len, die es gibt, hinzuweisen.

Bei diesem runden Tisch wurde beispielsweise auch ein Handlungsleitfaden vorgestellt: Interventionskette häusliche Gewalt. In diesem wird zum Beispiel grafisch dargestellt, was auch sehr wichtig ist, an welche Einrichtungen man sich tatsächlich in prekären Situationen wenden kann und welche Informationsflüsse zwischen diesen Einrichtungen stattfinden. Dieses Informationsmaterial richtet sich nicht nur an die von Gewalt Betrof­fenen, sondern an uns alle, an die Zivilbevölkerung, es dient als Handlungsleitfaden für Menschen, die anderen, im Speziellen Frauen, helfen wollen. Es gibt auch Beispiele für


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diverse Fragestellungen, etwa wie man von Gewalt betroffene Personen auch darauf ansprechen kann, weil, wir haben es auch schon gehört, - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesrätin, die Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!


Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (fortsetzend): - - Betroffene vor allem mit dem Gefühl der Scham konfrontiert sind.

Nicht zu vergessen bei diesem Thema sind die Kinder. Daher ist es auch wichtig, dass diese 400 Familienberatungsstellen zusätzlich mit 2,9 Millionen Euro ausgestattet wer­den, um hier helfen zu können.

Zum Schluss eine Bitte an Sie alle: Wir dürfen nicht müde werden, immer wieder auf diese umfassenden Informationsmaterialien und Anlaufstellen, die es gibt, hinzuweisen. Wir müssen mit allen Mitteln gegen Gewalt an Frauen vorgehen, denn Ziel muss sein, dass alle Frauen und ihre Kinder in Österreich sicher sind. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.06


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste gelangt Frau Vizepräsidentin Doris Hahn zu Wort. – Bitte.


10.06.08

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause, die Sie via Livestream dabei sind! Das Thema häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen und in diesem Zusammenhang Gewaltschutz taucht in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen in unserer politischen Diskussion auf, näm­lich immer dann, wenn es aktuelle Meldungen, Medienmeldungen darüber gibt, wie dies auch jüngst wieder der Fall war, als in Österreich der in diesem Jahr bereits 14. Mord an einer Frau bekannt wurde.

Häusliche Gewalt, Gewalt an Frauen ist nach wie vor – und das auch im Jahr 2021 und auch in einer Gesellschaft, die sich wie die unsere doch als moderne Gesellschaft be­zeichnet –, immer noch ein Thema, ein Thema, das vielfach tabuisiert wird, über das geschwiegen wird, über das man viel zu häufig bagatellisierend spricht, das eigentlich verharmlost wird. In Wahrheit ist Gewalt aber im familiären Umfeld vielfach Realität und Alltag, Alltag von Frauen, und passiert oftmals vor unserer eigenen Haustür, sie ist aber auch Realität von Kindern, die diese Gewalt oftmals mitverfolgen müssen und sie ebenso aushalten müssen wie die Frauen.

2020 wurden – um nur ein paar Zahlen zu nennen – immerhin 11 652 polizeiliche Betre­tungs- und Annäherungsverbote von der Polizei verhängt, fast 20 000 Opfer familiärer Gewalt wurden von Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreut, und die Krise des vergangenen Jahres hat, wie wir alle wissen, das Ihrige dazu beigetragen. Ich glau­be, das sind alles Zahlen, über die man nicht hinwegsehen kann, die man nicht weg­schweigen kann und bei denen man nicht zur Tagesordnung übergehen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, und das hat auch der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser be­stätigt: Jede fünfte Frau ist zumindest einmal im Leben körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Jede fünfte Frau erlebt ab ihrem 15. Lebensjahr psychische und/oder sexualisierte oder sexuelle Gewalt. Jede dritte Frau ab 15 hat Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht. Jede siebente Frau ab 15 ist von Stalking betroffen. Und ich könn­te diese Liste weiter fortführen.

31 ermordete Frauen 2020, 39 ermordete Frauen im Jahr 2019, und ein trauriger Rekord aus dem Jahr 2018: 41 ermordete Frauen in Österreich. Wir haben schon gehört, das ist


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immer sozusagen der allerletzte katastrophale Schritt, aber bis dorthin ist es ein langer Weg und ist oft viel passiert. Schon im Jahr 2019 hat eine österreichische Tageszeitung einige persönliche Aussagen betroffener Frauen gesammelt, die aus meiner Sicht sehr gut zeigen, wie vielschichtig diese Problematik in Wahrheit ist.

Eine Frau schreibt hier beispielsweise:

„Mein Vater hat meine Mutter geschlagen. Ich und mein Bruder haben das alles mitbe­kommen. Öfters mussten wir fliehen, sprich Mutter hat uns geschnappt und wir sind zu ihrer Schwester gerannt. Jeder hats gewußt, keiner hat geholfen. Meine Mutter war, wie viele Opfer häuslicher Gewalt, finanziell abhängig.“

Eine weitere Frau gibt es folgendermaßen wieder: „Ja so eine Beziehung hatte ich mal. Wobei die Gewalt eher psychisch war. Ein paar blaue Flecken waren auch dabei (fest­halten, ziehen etc.) aber mehr zum kämpfen hatte ich mit dem Psychoterror und der Machtausübung. Mein Selbstwertgefühl war auf 0.“

Oder eine andere Frau: „Mein Ex hat mich mal an den Haaren gerissen, als Entschuldi­gung gabs einen Adventkalender. Als ich es dann doch noch einmal wagte, das Thema anzusprechen, ist er gleich ausgezuckt, ob ich ihm das jetzt immer vorenthalten möchte, er hat sich ja eh schon (1x) entschuldigt. [...] ich sollte es bitte unterlassen, ihn als ge­walttätig darzustellen, war ja nur ein Ausrutscher.“

Eine andere Frau sagt von sich selber: Sie scheint „eine Art von Stockholm-Syndrom“ gehabt zu haben „und dachte belämmert, es wäre irgendwie meine Schuld.“ – Und vieles andere mehr.

Das ist nur ein kleiner Auszug an Aussagen, die betroffen machen, wie ich finde, und die uns deutlich aufzeigen, dass es Handlungsbedarf gibt – und zwar jetzt und sofort und dringend! Das zeigt uns, dass es nicht allein ein persönliches Thema ist, sondern dass es ein zutiefst gesamtgesellschaftliches Thema ist, dem wir uns endlich wirklich ohne jegliche Tabus stellen müssen.

Es geht um Rollenbilder, es geht um Geschlechterstereotype – wir alle kennen die Bilder von der zarten Frau, vom starken Mann, was sich im schlechtesten Fall als sogenannte toxische Männlichkeit äußert –, es geht um Machtverhältnisse, - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesrätin, ich ersuche um den Schluss­satz!


Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (fortsetzend): - - um Abhängigkeiten, sei es wirt­schaftlicher, finanzieller, psychischer Art, es geht um Angst- und Schamgefühl. Es geht auch um eine Form der Zivilcourage: Wann mischen wir uns als Nachbarn, als Vertraute ein? Darum geht es.

Vor allen Dingen geht es um ein interdisziplinäres Auseinandersetzen, und dazu, glaube ich, braucht es nicht nur allein das Justiz- und das Innenministerium. Ich als Pädagogin kann Sie nur darum bitten, beispielsweise auch mit dem Bildungsministerium ganz eng zusammenzuarbeiten, um eine Sensibilisierung schon bei den Kindern und Jugendli­chen zu fördern, Selbstwert zu stärken, Möglichkeiten zur gewaltfreien Konfliktlösung aufzuzeigen.

An betroffene Frauen kann ich nur appellieren: Vertrauen Sie sich jemandem an! Die Frauenhelpline ist rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr erreichbar. 0800 222 555, diese Nummer kann man nicht oft genug sagen. Gewalt muss niemand aushalten, wenden Sie sich an jemanden, damit Ihnen geholfen wird!

An dieser Stelle sei auch allen Interventionsstellen, allen Gewaltschutzzentren für ihre wirklich großartige Arbeit und ihre Unterstützung der betroffenen Frauen vielmals ge­dankt. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.12



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 27

Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Bundesrat Michael Schilch­egger. – Bitte, Herr Kollege.


10.12.48

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Frau Bundesminister, Sie haben in Ihrem Redebeitrag etwas ganz Richtiges gesagt: Der Schlüssel für den Gewaltschutz liegt in der Prävention. Da kann ich Ihnen nur zustimmen: Je früher man bei möglichen Straftätern ansetzt, um eine Gewaltkarriere zu verhindern, desto besser ist das auch für die betroffenen Frauen, für Menschen ganz allgemein. Ich möchte das Thema Gewalt­schutz auch unter diesem allgemeineren Verständnis betrachtet wissen.

Ein wesentlicher Punkt, den man bei der Prävention beachten muss, ist, dass 70 Prozent aller Serientäter eine Vorgeschichte als Tierquäler haben. Ich spreche da eine offene Flanke an, die wir im Strafgesetzbuch haben. Es geht mir nicht um einfache, minder schwere Fälle von Tierquälerei, sondern ich spreche jene Fälle an, die Sie vielleicht den Medien immer wieder entnehmen können, schwerste Fälle von Tierquälerei, in denen sadistische Fantasien an wehrlosen Geschöpfen ausgelebt werden, Katzen bei lebendi­gem Leibe gehäutet werden, Enten die Beine abgeschnitten werden, und, und, und.

Wo liegt das Problem? – Vereinfacht gesagt: Wir haben natürlich einen strafrechtlichen Schutz gegen Tierquälerei, das ist § 222 StGB, der derzeit einen Strafrahmen von zwei Jahren vorsieht, und das ist relativ gering. Der Oberösterreichische Landtag hat sich einstimmig dafür ausgesprochen – das war eine Initiative von allen Parteien –, dass der Strafrahmen für diese schwersten Fälle ganz gezielt erhöht wird. Wir haben auch schon hier im Bundesrat darüber diskutiert, es wurde dann abgelehnt, weil es halt eine Initiative von freiheitlicher Seite war. Ich bin aber überzeugt davon, dass das kommen muss.

Es spricht sich im Übrigen auch die Tierschutzabteilung im Sozialministerium dafür aus. Wo ist da das Problem? – Natürlich gibt es auch im Tierschutzgesetz eine Strafe dage­gen, aber die kommt nicht zur Anwendung, weil es ja ein gerichtliches Strafdelikt ist und daher ganz richtig auch der Vorrang des gerichtlichen Strafrechts greift und somit verhin­dert wird, dass die Leute dann auch noch einmal eine Verwaltungsstrafe bekommen.

Warum ist das nicht geschehen? – Ihr Sektionschef Pilnacek war hier im Ausschuss, und sein wesentliches Argument war, der Rahmen sei ausreichend, die Gerichte könnten weitgehend frei entscheiden. Sie könnten ja in schweren Fällen zum Beispiel auch einmal eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe verhängen und Bewährungsauflagen vorsehen, sie könnten sogar eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher prüfen und vornehmen, wie das beispielsweise bei gefährlichen Drohungen der Fall ist.

Frau Justizminister, Sie haben dasselbe gelernt wie ich, Sie wissen ganz genau, dass das in der Praxis völlig unrealistisch ist. Die Gerichte müssen sich natürlich an die ungeschriebenen Strafzumessungsregelungen halten, und sie halten sich auch daran. Wenn man selbst Strafverteidiger ist, weiß man, und Sie wissen das, wenn sich ein Richter einmal ein Herz fasst und dem Täter wirklich Bewährungsauflagen erteilen möch­te, dass er zum Beispiel eine Gewalttherapie machen muss, dass das dann den Instan­zenweg nicht überstehen würde, weil das Obergericht natürlich zu Recht sagen würde: Bei einem Strafrahmen von nur zwei Jahren ist das unverhältnismäßig, das wird aufge­hoben.

Ich bitte Sie daher: Tun Sie das gezielt! In Deutschland und in der Schweiz haben wir bereits einen Strafrahmen von drei Jahren. Mir geht es gar nicht darum, dass der Rahmen im Tierquälereiparagraf ganz allgemein angehoben wird, ich glaube aber, man kann da differenzieren, so wie das derzeit schon bei Körperverletzungsdelikten der Fall ist. Da wird die absichtliche schwere Körperverletzung auch nicht in einen Topf mit einer


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 28

gewöhnlichen Körperverletzung geworfen. Also es braucht so eine Initiative im Tier­schutz, das wäre auch ein wesentlicher Teil der Gewaltprävention.

Sie wissen, Frau Justizminister, ich bin sicher kein Ricola-Mann, der dann sagt: „Wer hat’s erfunden?“ – Das waren die Freiheitlichen!, sondern ich freue mich, wenn Sie das als Ihre eigene Initiative verkaufen oder auch gerne gemeinsam mit Ihrem türkisen Koa­litionspartner, wenn Sie dann ein Interview in der Sonntags-„Krone“ bekommen, bei Con­ny Bischofberger oder bei sonst jemandem, die sich dann dafür bedanken, dass Sie sich so stark für die Tiere einsetzen. Sie bekommen von mir noch zusätzlich einen Blumen­strauß ins Justizministerium geschickt. – Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

10.16


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.16.38

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Österreichweit wurden in den letzten Jahren im Schnitt fast drei Frauen pro Monat ermordet, und wir haben auch schon gehört, dass jede fünfte Frau in Europa ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt ist.

Durch die Coronakrise hat sich diese Situation dramatisch verschärft. Räumlich beengte Wohnsituationen, existenzielle Sorgen und Ängste führen zu Spannungen. Die Doppel­belastung durch Homeoffice und Haushalt, oft mit gleichzeitiger Betreuung von Kindern, wurde zum Nährboden für Konflikte in der Familie. Oft führt die unerträgliche Situation zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Die Gefahr, von Gewalt in den eigenen vier Wänden betroffen zu sein, nimmt täglich zu. Bereits im März 2020, zu Beginn der Pandemie, nahmen die Fälle der häuslichen Gewalt in Österreich merkbar zu. Nach einem weiteren halben Jahr und trotz des teilweisen Wiederhochfahrens des öffentlichen Lebens ab Mai 2020 meldeten sich bei der öster­reichischen Frauenhelpline gegen Gewalt 38 Prozent mehr Frauen als zuvor. Ebenso erhöhte sich bis August 2020 die Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote um mehr als 20 Prozent.

Wir NEOS haben jetzt konkrete Vorschläge zu zwei konkreten Themenfeldern, Problem­stellungen in dem Bereich. Der erste Punkt ist die finanzielle Abhängigkeit. Diese hält viele betroffene Frauen in der Beziehung mit einem gewalttätigen Partner gefangen. Auch wenn Ehemänner dazu verpflichtet sind, nachehelichen Unterhalt zu leisten, heißt das nicht, dass sie dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachkommen. Viele Frauen wollen zwar, können sich aber nicht von ihrem Peiniger trennen, weil sie wissen, dass sie dann finanziell ruiniert quasi auf der Straße landen. Das verschärft die Situation zu­sätzlich.

Der Gesetzgeber hat bereits einmal auf einen ähnlich gelagerten Fall reagiert. Nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gewährt der Bund ja minderjährigen Kindern Vorschüsse auf ihren gesetzlichen Unterhalt, wenn für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im In­land vollstreckbarer Exekutionstitel besteht und der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet. Unter ähnlich strengen Voraussetzungen könnte man auch Frauen Vorschuss auf ihren gesetzlichen Unterhalt gewähren, denn: Geld macht unabhängig. Ein staatlicher Unterhaltsvorschuss in diesen Konstellationen wäre der erste Schritt, Frauen eine Zukunft ohne Gewalt zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Der zweite konkrete Vorschlag: Um Gewalt gegen Frauen zu verhindern, genügen Wort­spenden, wie etwa die des Innenministers, Frauen sollten sich bei häuslicher Gewalt an


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 29

die Polizei wenden, nicht, sondern dazu ist eine andere Politik nötig, nämlich ein Paradig­menwechsel, der Frauen die Möglichkeit gibt, sich effektiv zu schützen. Es braucht schnelle, unkomplizierte Hilfe schon in der Gefährdungsphase. Eine moderne Frauen­politik setzt nicht beim Opfer, sondern beim Täter an, und das lange vor einem tödlichen Angriff.

In drei Fällen mit insgesamt vier Todesopfern verwendeten die Täter eine Schusswaffe. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren, der sich auch dadurch erklären lässt, dass in den letzten Jahren Waffenkäufe rasant zugenommen haben und sich immer mehr Waffen in privatem Besitz befinden.

Das ist an sich schon gesellschaftspolitisch problematisch, die Hemmschwelle zum Ge­brauch einer Schusswaffe ist zudem deutlich niedriger als zum Einsatz anderer Waffen. Selbst jene, die ein liberales Waffenrecht unbedenklich finden, müssen anerkennen, dass die Abnahme der Schusswaffe nach einem tätlichen Angriff zu spät erfolgt. Schuss­waffen müssen schon abgenommen werden, wenn ein ernstes Risiko besteht, dass sie für Straftaten verwendet werden. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Dann muss man aber die Autos auch alle verbieten!)

Eine Wegweisung gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz ist auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der gebotene Zeitpunkt, zu dem auch zwingend eine dokumen­tierte Überprüfung nach dem Waffengesetz stattfinden und ein vorläufiges Waffenverbot geprüft werden muss. Durch die Schaffung der sicherheitspolizeilichen Befugnisse ge­mäß § 38a SPG wurde damals erstmals ein Einschreiten ohne vorangegangene Straftat und dadurch ein echter vorbeugender Schutz für potenzielle Opfer möglich.

Ein Gefährder, gegen den eine Wegweisung ausgesprochen wurde, sollte grundsätzlich keinen Zugang zu Waffen haben. Dass eine Wegweisung automatisch die Prüfung des Waffenbesitzes und ein vorläufiges Waffenverbot gemäß § 13 Waffengesetz zur Folge haben muss, sollte aufgrund der letzten Vorfälle in Österreich selbstverständlich sein. Sind weitere Gefährdungsindizien gegeben, ist im Anschluss an das vorläufige Waffen­verbot ein Verfahren zur Prüfung eines permanenten Waffenverbots geboten. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Und wenn es sich um illegale handelt, was machen Sie dann?) Diese Schritte wären gesetzlich zu verankern.

Das Tragen einer Waffe ist in Österreich kein Grundrecht, die körperliche Unversehrtheit jedoch schon, und wenn Schusswaffen vermehrt bei Straftaten Einsatz finden, muss ein Weg gefunden werden, diese Waffen rechtzeitig sicherzustellen - - (Beifall bei Bundesrä­tInnen von ÖVP und SPÖ.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Die Redezeit ist erschöpft. Bitte zum Schluss zu kommen, Herr Bundesrat!


Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (fortsetzend): Also ich wiederhole den letzten Satz: Wenn Schusswaffen vermehrt bei Straftaten Einsatz finden, muss ein Weg gefunden werden, diese Waffen rechtzeitig sicherzustellen, bevor Straftaten gesche­hen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.21


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnah­me hat sich die Frau Bundesministerin für Justiz zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und verweise auf die 5-minütige Redezeit. – Bitte, Frau Bundesministerin.


10.22.08

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Bun­desrätinnen und Bundesräte! Ich weiß, Sie haben einen langen Tag vor sich, und ich will Ihre Zeit auch nicht zu lange in Anspruch nehmen, aber ich möchte zu diesem sehr wichtigen Thema abschließend schon noch sagen, dass ich sehr, sehr dankbar für Ihre


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Beiträge bin. Es ist ein fraktionsübergreifendes Thema, es ist ein unglaublich wichtiges Thema, und wie ich Ihren Ausführungen entnehmen kann, gibt es ganz viele Ideen, un­terschiedliche Ideen, wo man auch ansetzen kann.

Das zeigt uns einmal mehr ganz deutlich, dass dieses Thema ein unglaublich ernstes und wichtiges Thema ist, mit dem sich jede Fraktion auf ihre Art und Weise beschäftigt. Ich kann Ihnen als Justizministerin nur versichern und versprechen, ich werde mir mit Sicherheit das eine oder andere auch genauer anschauen und prüfen, denn wir müssen an vielen, vielen Schrauben drehen, um diese Gewaltspirale endlich zu durchbrechen.

Wir wissen, wir müssen bei der Prävention ansetzen, wir wissen, wir müssen auch etwas tun, wenn es zu einem Strafverfahren kommt. Es gibt vieles, was wir tun können, und ich kann Ihnen versprechen, ich werde mir jedes Gesetz, das wir auf den Weg bringen, genau anschauen, ob es auch so gestaltet ist, dass Gewaltprävention im Vordergrund steht.

In diesem Sinne danke ich Ihnen sehr für die Anregungen. Ich werde viele dieser Ideen in die weiteren Überlegungen aufnehmen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

10.23


Präsident Mag. Christian Buchmann: Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

10.23.53Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Christian Buchmann: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten An­fragebeantwortungen,

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsge­setz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt,

der Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufent­halt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäi­schen Union,

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 8)

2. Eingelangter Verhandlungsgegenstand, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 und das Bundesfinanzgesetz 2021 ge­ändert werden (811 d.B. und 844 d.B.)

3. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Landesverteidigung, Mag. Klaudia Tanner, am 27. und


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28. Mai 2021 in Lissabon, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG Herr Bundesminister für Inneres, Karl Nehammer, MSc, wahrnehmen wird (Anlage 2)

und

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Mag. Ale­xander Schallenberg, am 26. und 27. Mai 2021 in Lissabon, wobei seine Angelegenhei­ten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, Dr. Margarete Schramböck, wahrnehmen wird (Anlage 3)

und

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Arbeit, Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher, am 26. und 27. Mai 2021 in Brüssel, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG Herr Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Dr. Wolf­gang Mückstein, wahrnehmen wird (Anlage 4)

und

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Elisabeth Kös­tinger, am 26. und 27. Mai 2021 in Brüssel, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG Frau Bundesministerin für EU und Verfassung, Mag. Ka­roline Edtstadler, wahrnehmen wird (Anlage 5)

sowie

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann, am 27. und 28. Mai 2021 in Brüssel, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG Herr Bundesminister für Finanzen, Mag. Ger­not Blümel, MBA, wahrnehmen wird (Anlage 6)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

44. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2020)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

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Präsident Mag. Christian Buchmann: Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Eingelangt ist weiters der Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz zur Beschaffung von und Verfügung über SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung im Rahmen der COVID-19-Öffnungsverordnung (1580/A) sowie der

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1572/A), beziehungsweise der

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallver­sicherungsgesetz geändert werden (1635/A),

die dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wurden und weitere Punkte der heutigen Tagesordnung bilden sollen.

Der Gesundheitsausschuss hat seine Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ergänzung der Tagesordnung und Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Christian Buchmann: Im Einvernehmen mit den Fraktionen schlage ich vor, die Tagesordnung gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung um die genannten Beschlüsse zu ergänzen und den

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz zur Be­schaffung von und Verfügung über SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung im Rahmen der COVID-19-Öffnungsverordnung (1580/A sowie 10642/BR d.B. und 10639/BR d.B.) als neuen Punkt 6 der Tagesordnung sowie den

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1572/A sowie 10643/BR d.B. und 10640/BR d.B.), als neuen Punkt 14 der Tagesord­nung beziehungsweise den

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden (1635/A sowie 10641/BR d.B.), als neuen Punkt 15 der Tagesordnung in Verhandlung zu nehmen.

Dies setzt jedoch voraus, dass von der 24-stündigen Aufliegefrist der Ausschussberichte der gegenständlichen Beschlüsse sowie der Ausschussberichte der übrigen Verhand­lungsgegenstände der heutigen Tagesordnung gemäß § 44 Abs. 3 der Geschäftsord­nung abgesehen wird.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der vorgeschlagenen Ergänzung der Tagesordnung sowie der Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist aller ge­genständlichen Ausschussberichte ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist somit mit der erforderlichen Zwei­drittelmehrheit angenommen.


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Durch die Ergänzung der Tagesordnung werden die bisherigen Tagesordnungspunkte 6 bis 12 zu den Punkten 7 bis 13, und der bisherige Punkt 13 wird der neue Punkt 16.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Selbständigen An­trag 294/A-BR/2021 der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesord­nung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann gehen wir so vor.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Christian Buchmann: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 9 bis 11 so­wie 14 und 15 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

10.29.271. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstge­setz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfe­gesetz, das Finanzstrafgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Straf­rechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 – StrEU-AG 2021) (808 d.B. und 859 d.B. sowie 10638/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelan­gen zu deren 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich ersuche um den Bericht.


10.29.50

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesge­setz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Finanzstrafgesetz und das Straf­gesetzbuch geändert werden.

Es wird ein eigenes Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwalt­schaft vorgeschlagen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Herzlichen Dank.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 40

10.31.11

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu einem Tagesordnungspunkt, bei dem man sagen kann, den Gegen­stand, der heute beschlossen wird, braucht wirklich niemand – oder, um es wienerisch zu steigern, den braucht wirklich, wirklich niemand. Alles andere, was wir heute auf der Tagesordnung haben, ist wichtiger, entscheidender und sinnvoller als die Europäische Staatsanwaltschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Warum es diese Institution gibt, erschließt sich außerhalb von Propagandaüberschriften und Worthülsen der EU wirklich niemandem. Eingeführt wird sie offiziell zur Bekämpfung von Korruptions-, Untreuefällen und so weiter, die gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtet sind. Okay, nur wozu braucht man da eine neue bürokratische Organisa­tion? Wozu muss man ein neues Hauptquartier in Luxemburg einrichten? Wozu muss es Beamte geben, die den österreichischen Staatsanwälten Weisungen erteilen? Wozu muss es eine Überwachung unserer Staatsanwaltschaft geben?

Ich könnte mir noch vorstellen, dass sich Länder wie Bulgarien oder Rumänien oder – wenn sie einmal EU-Mitglied werden – Moldawien oder Montenegro einer solchen Insti­tution unterwerfen, weil sie sagen: Unsere Staatsanwaltschaft funktioniert so wenig, die ist so korrupt, da freuen wir uns, wenn es irgendeine Behörde gibt, die uns auf die Finger schaut. – Warum das aber Österreich macht, ist mir völlig unerklärlich.

Es ist ja auch nicht von ungefähr, dass verschiedene demokratische Staaten wie Irland, Dänemark und Schweden dabei nicht mitmachen. Sie haben ihre Gründe. Wenn Sie die Begründungen dieser Ländern lesen, geht es darum: Wir verstehen nicht, wozu man das braucht, und zweitens ist das ein Eingriff in unsere eigene Rechtsordnung, in unsere demokratisch kontrollierte Rechtsordnung, den wir ohne irgendeinen ersichtlichen Grund nicht zulassen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Überwachung der ordnungsgemäßen Handhabung des EU-Subventionsregens in die Mitgliedsländer gibt es ja ohnehin die Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf. Die unter­sucht das, zeigt es auf und meldet es dann den lokalen Behörden in den Mitgliedslän­dern, wenn sie den Verdacht auf Straftaten hat. Zudem bewirkt sie ja, dass die betroffe­nen Länder unter Umständen die erhaltenen Subventionen, Förderungen, Zuschüsse – was immer das auch ist – zurückzahlen müssen, sodass die Länder selbst ein eminentes Interesse daran haben, solche Dinge aufzuklären, weil es um ihre eigene Geldbörse geht. Warum es jetzt nicht mehr möglich ist, dass die lokale österreichische Staatsan­waltschaft über eine Anzeige der Olaf hinweg tätig wird, warum es jetzt eine Aufsicht durch eine EU-Behörde geben muss, erschließt sich mir jedenfalls nicht.

Ich habe Ihren gestrigen informierten Vertreter aus dem Justizministerium im Ausschuss gefragt, ob ihm ein einziger Fall vorstellbar oder in Erinnerung ist, dass in Österreich ein solches Delikt, das von der Europäischen Staatsanwaltschaft kontrolliert oder begleitet werden will, nicht oder nicht ausreichend verfolgt wurde, und es nur in einem einzigen Fall sinnvoll, notwendig gewesen wäre, eine Europäische Staatsanwaltschaft oder eine vergleichbare Oberbehörde zu haben. Darauf hat er gesagt, so ein Fall ist ihm nicht erinnerlich und vorstellbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Da kommen wir zum entscheidenden Punkt: Wir sollten trotz der Vorfälle um Leute wie Blümel und Kurz, trotz Novomatic, trotz Ibiza und trotz eines Gesundheitsministers, der uns erzählt, dass ein Impfstoff, wenn man ihn in den Muskel spritzt, ja nicht ins Blut gelangt, prinzipiell unserem Staat und unseren Organen ein bisschen vertrauen und nicht auch da die – ich sage einmal – Kastration der eigenen Institutionen vornehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das beste Beispiel, wie realitätsfern und propagandagestützt diese Einrichtung ist, ist ja die Aussage der Vizepräsidentin Jourová vor ein paar Tagen, die gesagt hat, die Behörde


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 41

wird am 1. Juli ihre Arbeit aufnehmen, und dann wird dafür gesorgt sein, „dass kein Euro durch Korruption und Betrug mehr verloren geht“. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Können Sie sich als Ministerin eine absurdere und wirklichkeitsfremdere Idee vorstellen, als dass, wenn wir jetzt österreichweit eine neue bürokratische Form der Kontrolle der Staatsan­waltschaft, eine Oberstaatsanwaltschaft Neu oder einen Weisungsrat Neu im Justizmi­nisterium einrichten, durch Korruption und Betrug kein Euro mehr verloren geht, weil alle Leute sich so ängstigen, dass sie die Finger von Korruption und Betrug lassen? Das kann sich nur eine EU-Institution vorstellen!

Wie viele Mitarbeiter es dort geben wird, wie viel es kostet und so weiter, wissen wir alles nicht. Es wird ja nicht aus dem EU-Budget bestritten, weil es noch dazu eine Materie ist, die nach dem Arbeitsvertrag für die Europäische Union, vulgo EU-Verfassung, über­haupt nicht Kompetenz der Europäischen Union, sondern Kompetenz der Mitgliedstaa­ten ist. Nicht umsonst ist diese Verordnung seit 2017 auf Eis gelegen, die Verord­nung 2017/1939 gibt es ja schon seit 2017. Diese Verordnung kommt jetzt nach vier Jahren über die bewährte Vorgangsweise der EU in Geltung: etwas zu machen, dann zu warten, dann es wieder zu machen, dann zu warten, dann wieder jemanden zu ge­winnen, dann wieder zu warten – und irgendwann ist es so weit, dass alle müde werden und der Institution zustimmen. Dann kann im Drüberwaschen die Kompetenz noch so schwammig festgelegt werden, dass sie eigentlich beliebig austauschbar ist.

In der jetzigen Fassung der Verordnung gibt es ja auch die Kompetenz, in allen Fällen tätig zu werden, in denen in Mitgliedsländern gegen die finanziellen Interessen der EU verstoßen wird. Gegen die finanziellen Interessen wird immer dann verstoßen, wenn ei­ne Maßnahme oder ein Delikt gesetzt wird, das das Bruttonationaleinkommen reduziert. Das ist zum Beispiel auch Steuerhinterziehung in jeder Form, Schwarzbau eines Häusls. Das ist nämlich die Bemessungsgrundlage für die Eigenmittel der EU, und damit sind alle Delikte, die in irgendeiner Weise das Bruttonationaleinkommen betreffen, Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft eingreifen kann. Das heißt, wir geben damit eine Kompe­tenz aus der Hand, von der wir nicht wissen, wie weit sie gehen wird und wo sie landen wird. Wir können das bei den Punkten – da werden Sie nicht mehr hier sein – 9 bis 11 der Tagesordnung, bei denen es ja um die Eigenmittel der EU geht, ein bisschen näher analysieren.

Kurz gesagt, bis noch vor 20 Jahren hat es veröffentlichte Erkenntnisse gegeben, die auch heute noch gelten, dass jede Verwaltung umso effizienter, korruptionsärmer, bür­gernäher und verständlicher ist, je dezentraler sie erfolgt. Sogar Staaten wie Frankreich, die eine fast 200-jährige Zentralisierungsgeschichte haben, haben in den Achtziger- und Neunzigerjahren nachgegeben, Regionen geschaffen, Kompetenzen devolviert. Jetzt aber, nach mehreren Hundert Jahren dieser Erkenntnis, darf darüber nicht mehr disku­tiert werden, jetzt gibt es nur noch einen Glaubenssatz – oder ein Axiom, wie der Mathe­matiker sagen würde –, und der lautet: Wir können nichts mehr alleine machen, wir müs­sen alles zentralisiert verwalten, dann ist es gut, dann ist es möglich, dann ist es effizient; je weniger lokal passiert, je weniger lokal entschieden wird, je weiter es von Entscheidun­gen der betroffenen Bevölkerung weg ist, desto besser!

Diese Umkehrung aller Erkenntnisse, diese Umkehrung – meiner Ansicht nach – der Vernunft und diese Umkehrung des demokratischen Prinzips sehen wir heute mit diesem Gesetzesantrag, der brav eine für uns völlig absurde EU-Verordnung umsetzt. Dieser Vorschlag wird von uns – für Sie nicht überraschend – daher auch nicht die Zustimmung finden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.39


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 42

10.40.00

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! „Braucht wirklich niemand“ – dem möchte ich jetzt einmal vehement widersprechen, weil immerhin 22 Mitgliedstaaten teilnehmen. Wie wir alle wissen, ist ja gerade der Bereich der Justiz eines der Kernstücke der Europäischen Union. Mit der Europäischen Staatsanwaltschaft wird diese Zusammenarbeit nun noch weiter vertieft.

Das vorliegende Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft schafft nun auch die notwendigen nationalen Grundlagen. Wir haben es schon gehört: Ab Juni werden auch europäische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Ermittlungen aufnehmen können, wenn es um die Bekämpfung von grenzüberschreitender Korruption und vor allen Dingen um die Schädigung des EU-Budgets geht. Es geht also beispiels­weise um Förderungen, die von der EU ausgeschüttet werden und in deren Zuge zum Beispiel Projekte nicht umgesetzt werden. Dann wird das ein Fall für die Europäische Staatsanwaltschaft.

Noch einmal – und ich glaube, das ist auch der wesentliche Punkt –: Es geht um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, nicht nur von einem Land zum Nachbarland, sondern es kann sein, dass mehrere Länder involviert sind. Gerade dann ist es notwen­dig, auch eine zentrale Behörde zu haben, die das eben steuert, denn nur so können wir Kriminelle schnell und effektiv über die Grenzen hinweg verfolgen und so einen wichtigen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung und zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Betruges leisten. Steuerbetrug, Geldwäsche, Bestechlichkeit, Beteiligung an einer krimi­nellen Vereinigung – mit diesen Straftaten sollen sich die europäischen Staatsanwältin­nen und Staatsanwälte befassen und auseinandersetzen.

Es wird mit 3 000 Fällen jährlich gerechnet, in denen europäische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ermitteln, Haftbefehle beantragen und auch Anklage erheben wer­den. Die europäischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind nationalen Staatsan­wältinnen und Staatsanwälten gleichgestellt. Es gibt eben diese zentrale Behörde in Lu­xemburg und natürlich auch eine dezentrale Ebene in den jeweiligen Nationalstaaten, wo Ermittlungen dann nach nationalem Recht durchgeführt werden.

Mit der Europäischen Staatsanwaltschaft wird nun eine unabhängige Behörde geschaf­fen, deren Aufgabe es ist – es ist tatsächlich so und es ist wirklich traurig –, dafür zu sorgen, dass die entgangenen Steuermilliarden – da gehen Schätzungen immerhin von 50 Milliarden Euro aus – zurückgeholt werden. Diese Behörde bringt uns durch ihre Tä­tigkeit bei der Bekämpfung von Straftaten, die den EU-Haushalt schädigen, einen großen Schritt voran und vertieft, wie ich zu Beginn schon gesagt habe, die Zusammenarbeit der Justiz innerhalb der Europäischen Union. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.43


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Sebastian Kolland. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.43.33

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit einer hoffentlich breiten Mehrheit wird heute auch der Bundesrat die rechtlichen Voraussetzungen für die Europäische Staatsanwaltschaft schaffen, die mit 1. Juni – nicht mit 1. Juli, sondern mit 1. Juni, also in wenigen Tagen – ihre Arbeit aufnehmen wird. Es ist ein Projekt, das sehr, sehr lange vorbereitet wurde. Bereits bei der Regierungskonferenz in Nizza im Jahr 2000 ist dieses Vorhaben erstmals diskutiert worden. Es ist also nicht so, dass das übers Knie gebro­chen worden wäre, sondern es ist auch ausführlich vorbereitet worden.


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Es geht um die Bekämpfung von missbräuchlicher Verwendung von EU-Mitteln. Ich glau­be, das ist ein Anliegen, das uns hier allen wichtig sein sollte. Es ist nun einmal ein riesiger Kuchen, den es da zu verteilen gibt. Der EU-Finanzrahmen 2021 bis 2027 um­fasst insgesamt 1,8 Billionen Euro – eine riesige Summe –, und von diesen 1,8 Billionen Euro fließt natürlich ein großer Teil in Fördermittel, in Unterstützungsmittel. Wo so viel Geld im Spiel ist, gibt es natürlich auch Menschen und Organisationen, die Interesse daran haben, einen gewissen Teil abzuzweigen und auf ihre Konten umzuleiten.

Natürlich war die Bekämpfung – Kollege Hübner hat es gesagt – von Fördermittelbetrug bereits jetzt möglich. Ja, natürlich, das stimmt, bei internationalem Betrug steht das aber natürlich immer auch in Verbindung mit langwierigen und aufwendigen Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit. Ich glaube, bei diesen Verfahren ist es einfach wichtig, dass große Dynamik und Tempo drinnen sind, um auch entsprechend effektiv dagegen vorgehen zu können.

Die Erfahrung hat uns nun einmal gelehrt, dass es bei organisiertem internationalen Unrecht gescheit ist, wenn man auch entsprechend international darauf reagiert und die europäische Zusammenarbeit forciert. Das Problem – die Vorrednerin hat es bereits erwähnt – ist ein großes. Wir reden von 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2018, die die Natio­nalstaaten als Betrugssummen eingemeldet haben. Im Bereich der Mehrwertsteuer ist die geschätzte Schadenssumme um ein Vielfaches höher. Die Schätzungen gehen von 30 bis 60 Milliarden Euro, also bis zu einem Drittel des österreichischen Staatshaushalts. Es ist also eine riesige Summe, über die wir hier reden. Das ist kein Bagatelldelikt, son­dern es ist schwerer Betrug an allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in der Euro­päischen Union, die mit ihren Zahlungen erst das Fundament für diese Europäische Uni­on schaffen. Wer, wenn nicht wir als Nettozahler in der Europäischen Union, muss das größtmögliche Interesse haben, dass diese Mittel dem Zweck entsprechend verwendet werden, und zwar dort, wo sie auch nutzen und Sinn stiften?

Die Europäische Union hat mit der Staatsanwaltschaft genau dieses Ziel verfolgt, näm­lich den Schutz von Steuergeld und damit auch den Schutz von nationalem Interesse Österreichs als Nettozahler.

Die Frage des Subsidiaritätsprinzips ist natürlich berechtigt. Die Diskussion wurde in den letzten Jahren deshalb ja auch ausführlichst geführt. In mehreren nationalen Parlamen­ten hat es Subsidiaritätsrügen gegeben, sozusagen die Gelbe Karte, sodass man sich noch einmal intensiv Gedanken gemacht hat. Viele dieser nationalen Parlamente haben aber mittlerweile auch zugestimmt, die Europäische Staatsanwaltschaft ins Leben zu rufen. Es ist ja auch ein positives Anzeichen – weil Sie mehrere Länder angeführt haben, die offenbar auch den Sinn nicht erkennen –: 2017, als dieser Beschluss gefasst wurde, waren es 20 Länder, die mit dabei waren, jetzt zum Start, 2021, sind es bereits 22 Län­der. Ich bin überzeugt, dass Länder wie Schweden, wie (Bundesrat Hübner: Dänemark!) Dänemark und wie Irland ebenfalls noch mit an Bord kommen werden. Bei Polen und Ungarn bin ich mir nicht so sicher, aber vielleicht lassen sich auch diese Länder über­zeugen, weil dieses Vorhaben meines Erachtens einfach Sinn macht.

Ich bin bei Gott keiner, der sofort in die Hände klatscht, wenn es darum geht, dass na­tionale Verantwortlichkeiten auf europäische Ebene gehoben werden, aber dort, wo es um internationale Ereignisse, um internationale Betrugsfälle geht, macht es meines Er­achtens einfach Sinn, das auch auf dieser Ebene zu bekämpfen. Es ist ja nicht so, dass das Ganze jetzt ausgelagert wird und wir außen vor wären. Es ist nämlich so: Die Euro­päische Staatsanwaltschaft wird die entsprechenden Verfahren nach wie vor vor den nationalen Gerichten führen. Es ist also eine Hybridstruktur mit einem zentralen Bereich, angesiedelt in Luxemburg, und mit dezentralen Staatsanwälten in den jeweiligen Län­dern.


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Wie gesagt, ich glaube, bei all diesen Dingen ist es wichtig, dass man nicht einem anti­europäischen Reflex aufsitzt, sondern durchaus mit Pragmatismus an die Sache heran­geht. Genau aus diesen Überlegungen heraus macht die Europäische Staatsanwalt­schaft für mich und für uns von der Volkspartei Sinn. Sie ist ausgewogen, sie ist durchaus viel diskutiert, Verbesserungen, die auch notwendig waren, wurden eingearbeitet, und ich bin überzeugt, sie wird sich auch bewähren. Deshalb bitte ich um Zustimmung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.48


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.49.10

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Lieber Herr Kolland, Sie kommen gegen diese Gartenzwergwelt des Kollegen Hübner einfach nicht an! Da ist die Grenze des Gartens, und er sieht nicht, was auf der anderen Seite los ist. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Das Wichtige ist aber, zu erkennen, dass die grenzüberschreitende Kriminalität die Atmosphäre und das Terrain der Gartenzwerge verlässt. Deshalb ist das so wichtig.

Ich kann mich gut erinnern, wir haben all diese Verhandlungen im EU-Ausschuss ge­führt: Damals waren nur sechs EU-Ausschüsse in Europa dafür, und der EU-Ausschuss des Bundesrates war einer dieser sechs. Man hat uns angefleht, eine Subsidiaritätsrüge durch eine begründete Stellungnahme zu machen, und wir haben gesagt: Nein, das ist falsch! Das ist falsch, es geht um europäische Fragen wie Korruption, Missbrauch von Geld, Missbrauch von Förderungen und grenzüberschreitenden Betrug, und das geht nicht national, das geht einfach nicht national. (Bundesrat Hübner: Nein!)

Wenn wir dann in unser Nachbarland Ungarn schauen, geführt von einem Premierminis­ter, den, glaube ich, Herr Hübner und seine Partei geradezu verehren, so haben wir dort einen unglaublichen Missbrauch von EU-Förderungen. Da sind österreichische Gelder dabei, und wir wollen das nicht! Wir wollen nicht, dass EU-Förderungen an den Freund­schaftskreis von Herrn Orbán ausgezahlt werden! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Schreuder.)

Wenn ich mich an die europäische Debatte dazu erinnere, wie es kam, dass eine der besten Korruptions- und Missbrauchsjägerinnen zur Debatte stand – Laura Codruța Kö­vesi – und die rumänische Regierung bei allen europäischen Regierungen angerufen hat, um diese Frau nicht zu nehmen, dann erkennen wir, dass es eine der besten Wahlen war, die da getroffen wurde.

Frau Ministerin, bei der letzten Debatte über das Vorhabensprogramm stand ich hier und habe zu Ihnen gesagt, wir brauchen noch ein paar kleine Nachschärfungen. Das war am 6. Mai, und jetzt sind die kleinen Nachschärfungen, die wir unbedingt brauchen, da, und zwar zeitgerecht vor dem 1. Juni. Insofern Gratulation an das Ministerium, denn es muss ja losgehen, und am 1. Juni geht es los: 22 Länder nehmen teil.

Schon heute gibt es Signale, dass Schweden auch teilnimmt. Irland hat im Unterschied zu Österreich ja einen sehr klugen Premiermister, und ich nehme an, Irland wird auch daran teilnehmen. Was ich nicht glaube, Herr Kolland, ist, dass die Dänen da so schnell mitmachen, weil die Dänen immer auf Eigenkurs gehen. Die werden wahrscheinlich mit Polen und Ungarn – beide sehr schwierige Regierungen, was die Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte, die Freiheit der Medien betrifft – nicht hineingehen.

Ich möchte nicht zu einer Drehleier werden, aber schauen wir es uns ein letztes Mal an: Kollege Hübner, da geht es um Förderungsmissbrauch, da geht es um Korruption, da geht es um Machtmissbrauch – siehe Ungarn –, da geht es um schweren grenz­überschreitenden Mehrwertsteuerbetrug. Das überschreitet finanziell jegliche Form von


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Gartenzwergerepubliken à la Hübner, denn bei dem Förderungsmissbrauch geht es um über eine halbe Milliarde Euro. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat errechnet, dass es alleine zwischen 30 und 62 Milliarden Euro an Mehrwertsteuerbetrug sind. Da braucht man eine Institution wie die Europäische Staatsanwaltschaft, die dagegen vorgeht. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit 2017 gibt es übrigens den Beschluss, dass wir das haben wollen, es hat eh ein bisschen gedauert. Nun treten zwei Frauen an, eine habe ich schon genannt, Frau Köve­si. Aus Österreich ist Oberstaatsanwältin Ingrid Maschl-Clausen beigefügte oder dele­gierte Staatsanwältin bei der Europäischen Staatsanwaltschaft. Wir wünschen beiden Frauen viel, viel Erfolg für diese große Arbeit im Rahmen der unabhängigen Strafverfol­gungsbehörde.

Wir werden natürlich einmal mehr zustimmen. In diesem Sinne herzlichen Dank, und ich hoffe nicht, dass wir das noch einmal und noch einmal neu diskutieren müssen. Das ist ein ganz großer Schritt auch im Dienste der Bürger und Bürgerinnen, damit sie die Si­cherheit haben, dass erstens das Geld, das aus Steuermitteln an die Europäische Union bezahlt wird, nicht missbräuchlich verwendet wird, dass zweitens kein Machtmissbrauch erfolgt und dass drittens – jetzt, wenn wir alle auch auf europäischer Ebene nachdenken müssen: Wer zahlt die Krise? – gerade der Mehrwertsteuerbetrug, dieser schwere Be­trug in Milliardenhöhe, ein Ende findet. In diesem Sinne: Danke, und wir stimmen gerne zu. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

10.55


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundes­ministerin Dr.in Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


10.55.35

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte und Bundesrätinnen! Geschätzte Zuseherinnen und Zu­seher! Sie wissen, die Stärkung der Korruptionsbekämpfung ist mir ein zentrales politi­sches Anliegen, und daher bin ich sehr froh, dass wir heute über ein Gesetz abstimmen, um eben genau eine Institution auf den Weg zu bringen, bei der es um Korruptionsbe­kämpfung geht. Das ist tatsächlich die Europäische Staatsanwaltschaft, denn die Euro­päische Staatsanwaltschaft ist für die Bekämpfung von grenzüberschreitender Korrup­tion und Betrug zuständig, die sich gegen die finanziellen Interessen der EU richten, also Straftaten, die das EU-Budget schädigen.

Ich möchte noch einmal erwähnen: Natürlich gibt es nationale Staatsanwaltschaften, die sich dieses Themas auch annehmen. Wir wissen aber aus der Vergangenheit, dass grenzüberschreitende Kriminalität nicht an den Grenzen aufhört. (Bundesrat Schen­nach: So ist es!) Die kriminellen Organisationen wissen sehr gut, wie sie zusammenar­beiten. Sie arbeiten über die nationalen Grenzen hinweg – und das ausgezeichnet –, und die Nationalstaaten hinken dabei oftmals hinterher. Wir müssen als Europäische Union endlich stärker zusammenarbeiten, um dieser grenzüberschreitenden Kriminalität einen Riegel vorzuschieben.

Wir wissen aus der Staatsanwaltschaft auch, dass gerade Verfahren mit grenzüber­schreitender Komponente sehr zeitaufwendig und sehr schwierig sind. Sie sind deswe­gen schwierig, weil man immer wieder einen Antrag auf Beweisaufnahme stellen muss, immer wieder einen Antrag stellen muss, um über die Ländergrenzen hinweg zu arbei­ten. Das heißt, es braucht Zeit, und diese Zeit ist kostbar, wenn es um Ermittlungen gegen grenzüberschreitende und organisierte Kriminalität geht.

In Zukunft haben wir mit der Europäischen Staatsanwaltschaft eine Behörde, die Krimi­nelle schnell und effektiv über die Grenzen hinweg verfolgen und somit auch einen wert­vollen Beitrag im Kampf gegen die Korruption und den Betrug leisten kann.


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Es wurde ja schon erwähnt, es geht um sehr, sehr viel Geld. Allein beim grenzüberschrei­tenden Umsatzsteuerbetrug gibt es Schätzungen, dass ein Schaden von 50 Milliarden Euro entsteht. Wenn es um den Betrug beim EU-Haushalt geht, so sind es 1,2 Milliarden Euro, die geschätzt werden, was tatsächlich auch eine hohe Schadenssumme ist. Diese Staatsanwaltschaft hat ja auch das Ziel und den Auftrag, gegen Kriminelle zu kämpfen, um diese Steuermilliarden, die dem Staat und den Staaten entgehen, wieder zurückzu­holen.

Damit sie ihre wichtige Arbeit im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union machen kann, ist die Europäische Staatsanwaltschaft als eine unabhängige und weisungsfreie Behörde ausgestaltet. An der Spitze der Europäischen Staatsanwaltschaft steht keine Politikerin, kein Politiker, sondern eine Generalstaatsanwältin. Laura Kövesi wurde schon erwähnt – eine Frau, die als eine starke, unabhängige Korruptionsbekämp­ferin bekannt ist.

Neben der Unabhängigkeit zeichnet sich die Europäische Staatsanwaltschaft aber auch durch ihren zweistufigen Aufbau aus. Wir haben eine zentrale Ebene in Luxemburg und auch eine dezentrale Ebene, nämlich die Ebene der Mitgliedstaaten. Wir haben auch aus Österreich zwei delegierte Staatsanwälte entsandt, die auch die Arbeit der europäi­schen Staatsanwälte unterstützen werden.

Meine Damen und Herren, ich bin mit dem Versprechen ins Amt gekommen, die Kor­ruptionsbekämpfung zu stärken, und zwar nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene. Ich bin davon überzeugt, dass die Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft auch ihren Beitrag dazu leisten wird, die grenzüberschreitende Kor­ruption, den grenzüberschreitenden Betrug zu bekämpfen, und deswegen ist mir diese Umsetzung besonders wichtig.

Ich freue mich, dass wir als Österreich diesem Projekt von Anfang an positiv gegenüber­gestanden sind. Mit diesem Gesetz setzen wir einen wichtigen Schritt im Kampf gegen die Korruption. Ich hoffe daher sehr, dass Sie, geschätzte Bundesrätinnen und Bundes­räte, diesem Entwurf heute zustimmen, damit die Europäische Staatsanwaltschaft mit 1. Juni ihre Arbeit aufnehmen kann. So können wir gemeinsam ein starkes Zeichen für Europa und ein starkes Zeichen im Kampf gegen die Korruption setzen. – Vielen herzli­chen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.00


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Schilchegger, bitte.


11.00.52

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Geschätzte Frau Bundesminister! Ich habe mich nicht noch einmal zu Wort gemeldet, um auf Ihren Redebeitrag zu replizieren. Ich glaube, in der Debatte wurde schon sehr viel gesagt. Unser Kollege Johannes Hübner hat sehr gut ausgeführt, weshalb wir als Fraktion bei diesem Paket nicht mitgehen können. Ich habe mich aber noch einmal zu Wort gemeldet, um auf den Begriff der „Gartenzwerg­welt“ des Kollegen Schennach zu replizieren, mit dem er die Rede meines Kollegen Hüb­ner getadelt hat.

Herr Kollege Schennach (Bundesrat Schennach: Bitte!), finden Sie es wirklich ange­messen, wenn man verschiedene Konzepte verfolgen kann, wie zum Beispiel einen nor­malen Vollzugsföderalismus, wie ihn eigentlich die Europäische Union immer gelebt hat, wenn man dann diese Durchbrechung dieses Prinzips kritisiert, weil wir einfach keine Zentralbehörden brauchen, dass man dann sagt: Na ja, das ist eine „Gartenzwergwelt“?

Wie ist es denn in Österreich? – Da haben wir auch eine Vollziehung auf Länderebene, hier im Bundesrat, das ist eine Länderkammer. (Bundesrat Schennach: Ja, aber wir


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haben internationale ...!) Ist das ein Problem? Die Gesetze werden in Wien beschlossen, aber vollzogen werden sie von den Ländern. Wir haben sogar sehr viele Vollzugskompe­tenzen in den Gemeinden. Fällt Ihnen da dasselbe ein, wenn man in den Gemeinden sagt: Wir entscheiden irgendetwas über Kindergärten, Straßen!? Ist es dann auch eine „Gartenzwergwelt“, wenn man sagt: Da hat Wien nichts mitzureden!? (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Es ist ja in Ordnung: Wenn die Europäische Union meint, man braucht einen bestimmten Mindeststandard bei Korruption, dann ist das ja in Ordnung. Da kann es ja dann einen Rahmenbeschluss geben, eine Verordnung oder sonst etwas, mit bestimmten Mindest­strafen. Das kennen wir ja schon aus verschiedenen Bereichen. Die Kritik des Kollegen Hübner hat sich ja ganz klar auch nur gegen diese Schaffung einer Zentralbehörde ge­richtet. Da geht es ja gar nicht darum, dass man gegen Korruptionsstandards ist, son­dern ihm geht es um etwas anderes.

Sie haben das selber, Herr Kollege Schennach, in Ihrem Beitrag genannt, Sie haben gesagt, Sie wollen nicht, dass Fördergelder an die Freunde von Herrn Orbán verteilt werden. Das ist Ihr Argument gewesen. Wenn man das aber weiterdenkt, dann wollen Sie damit, dass in Rechte souveräner Staaten auf europäischer Ebene einfach einge­griffen werden kann. Dann freue ich mich schon darauf, wenn wir in einigen Jahren wie­der hier sitzen, wenn es dann in Frankreich eine Staatspräsidentin Marine Le Pen gibt (Ah-Rufe bei der SPÖ), wenn es in Italien einen Ministerpräsidenten Salvini gibt, die dann auf einmal auf die Idee kommen, sie möchten nicht, dass in der Republik Österreich Fördergelder an die Freunde von Herrn Kurz oder von Herrn Schennach verteilt werden, weshalb jetzt die Europäische Staatsanwaltschaft ausrücken muss, um diesen Miss­stand und diese Korruption in Österreich zu beseitigen. Sie sollten schon einmal ein bisschen aus Ihrer eigenen „Gartenzwergwelt“ herauskommen, Herr Schennach (Bun­desrätin Schumann: Genau! ...!), damit Sie solche Szenarien mitberücksichtigen. (Bei­fall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

11.03


11.03.33

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Bevor wir zur Abstimmung gelangen, darf ich die Frau Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort, Frau Dr.in Margarete Schramböck, recht herzlich im Bun­desrat begrüßen. – Schönen guten Morgen, Frau Bundesministerin! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir gelangen somit zur Abstimmung. Die Plätze sind, wie ich sehe, eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

11.04.262. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (1559/A und 845 d.B. sowie 10634/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die


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Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geändert wird (1560/A und 846 d.B. sowie 10635/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 2 und 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um die Berichte.


11.04.56

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Sehr geehrte Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Investitionsprämie für Unternehmen geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen allen vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekom­men.

Weiters darf ich Ihnen den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Di­gitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geändert wird, zur Kenntnis brin­gen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekom­men. – Danke schön.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Bundes­rat.


11.06.27

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Seit nunmehr mehr als einem Jahr hält uns die Pandemie in Schach. Diese massive und noch nie da gewesene Gesundheits­krise richtet, wie wir wissen, einen unglaublichen Schaden an, nicht nur einen Schaden an unserer Gesundheit, sondern auch einen Schaden an unserer Wirtschaft.

Wir hatten in den letzten Monaten über 400 000 Arbeitslose und einen unglaublichen Wirtschaftseinbruch zu verzeichnen. Genau diese gefährliche Mischung ist es, die den Konjunkturmotor bremst. (Bundesrat Steiner: Ja, und die Regierung!) Damit die Unter­nehmen wieder auf Touren kommen, brauchen wir Anreize für Investitionen. Darin sind wir uns, nehme ich an, alle hier im Saal einig. Genau deshalb haben wir – übrigens da­mals auch gemeinsam mit der Regierung; es war Mitte des Vorjahres – jenes Investi­tionsprämiengesetz beschlossen, das wir heute wiederholt hier im Plenum diskutieren; wiederholt deshalb, weil es diese Regierung ungeachtet unserer Warnungen mehrmals verabsäumt hat, die Fördertöpfe für dieses Programm so zu füllen, dass alle Betriebe auch darauf zugreifen können.

Ich frage mich: Was ist aus Ihrem Slogan „Koste es, was es wolle!“ eigentlich geworden? Meiner Meinung nach war dieser Slogan nichts anderes als ein leerer Marketinggag.


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(Beifall bei der SPÖ.) Das zeigt ganz klar die Unterdotierung dieser Fördertöpfe. Da ha­ben Sie erneut bewiesen, dass Sie in Sachen Krisenmanagement leider keine glückliche Hand haben. (Bundesrat Steiner: ... war schon gut!)

Wenn wir zurückdenken: Zuerst war es 1 Milliarde Euro als Anschubförderung, dann mussten wir auf 3 Milliarden Euro erhöhen. Nun muss aufgrund fehlender budgetärer Bedeckung ein weiteres Mal aufgestockt werden. (Bundesrat Schreuder: Das haben wir immer gesagt!) Durch dieses Unvermögen müssen Unternehmen nämlich auf die Prämie länger warten, und einige werden, selbst wenn sie fristgerecht bis 28. Februar 2021 ein­gereicht haben, durch die Finger schauen.

Dass die Regierung aber bei ihrer Klausur schon vor einigen Wochen die Erhöhung der Investitionsprämie auf 5 Milliarden Euro als großen Wurf bezeichnet hat, ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten, denn jetzt bräuchte es circa 7,8 Milliarden Euro. (Beifall bei der SPÖ.) Sie verkaufen im Scheinwerferlicht etwas, das es dann für manche nicht mehr geben kann und auch nicht mehr geben wird. Ich frage Sie, Frau Ministerin, wie sich das alles ausgehen soll, Sie selbst rechnen ja nur mit einem effektiven Betrag von rund 5 Milliarden Euro. Also welche Betriebe wollen Sie – das möchte ich gerne von Ihnen wissen – von dieser Förderung ausschließen, wenn wir wissen, dass rund 7,8 Milliarden Euro bei der Austria Wirtschaftsservice GmbH angemeldet sind?

Die Krux liegt nämlich bei der absolut unnötigen Fristsetzung. Der Beginn der Investi­tionstätigkeit muss nämlich vor dem 31. Mai 2021 liegen. Das heißt, es ist maßgeblich, wann das Unternehmen bestellt oder einen Kaufvertrag hat. Genau das ist das große Problem. Zahlreiche Unternehmen klagen zu Recht, dass es jetzt oftmals durch den Ein­bruch bei den Lieferketten einfach unmöglich ist, rechtlich verbindliche Kaufverträge si­cherzustellen.

Hören Sie sich doch um! Viele Unternehmen müssen ihre Produktion und den Ge­schäftsbetrieb zum Teil einstellen oder zumindest zurückfahren, weil sie keine Rohstoffe, wie zum Beispiel Holz, mehr auf dem Markt bekommen. Denken Sie an die Bauwirt­schaft! Folglich wird es vielen nicht gelingen, diese geforderten Bestellungen vor dem 31. Mai zu tätigen. Die Rechnung ist ganz einfach: Keine Bestellung vor Ende Mai heißt dann keine Prämie. Als SPÖ können wir uns nichts vorwerfen: Wir haben bis zuletzt versucht, Sie, Frau Ministerin, von diesen eklatanten Schwächen dieser Gesetzesände­rung zu überzeugen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben eine Streckung der Einreichfrist vorgeschlagen, wir haben eine kulantere Lö­sung beim Investitionsbeginn angeregt, aber leider sind Sie in diesen Gesprächen kei­nen einzigen Millimeter von Ihrer Haltung abgerückt. Das ist das eigentliche Grundpro­blem: Sie nehmen keinen Vorschlag der Opposition auf und jammern dann später, wenn wir bei diesem Dilettantismus nicht mitkönnen.

Wir haben bisher bei der Investitionsprämie immer mitgestimmt, und wir halten sie auch für absolut sinnvoll und gut, wenn sie gut gemacht ist. Bei all diesen gravierenden Män­geln werden wir aber dieser Novelle unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines möchte ich Ihnen gerne auch noch mitgeben, Frau Bundesministerin: Es ist ein unwürdiger Aktionismus, wenn Sie am Vorabend dieser Bundesratssitzung einen Brief an alle Bundesrätinnen und Bundesräte schicken und damit versuchen, unterschwellig politischen Druck auszuüben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Schramböck.) – Ja, das ist so. Ich sage Ihnen auch gleich, warum.

Einerseits geben Sie in diesem Brief die gegenständliche Thematik natürlich nur ge­schönt wieder und lassen die eklatanten Schwachpunkte weg, andererseits kommunizie­ren Sie konkrete Zahlen aus den einzelnen Bezirken. Jetzt wird es lustig: Dort liest man, wie viele Anträge gestellt werden, um wie viel das Investitionsvolumen in den Bezirken


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gehoben wird. Genau diese Zahlen haben Sie uns in der Beantwortung einer schriftli­chen Anfrage noch vor wenigen Tagen vorenthalten. Sie haben nämlich in dieser Anfra­gebeantwortung keine einzige Frage beantwortet und auch keine einzige Zahl genannt. Wie aus dem Nichts können Sie jetzt Zahlen präsentieren – das zeigt einmal mehr Ihr unrühmliches politisches Spiel in so einer wichtigen Wirtschaftsfrage. – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

11.13


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Ing. Eduard Köck. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen dieses, bitte.


11.14.01

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, zur Rettung von Menschenleben und zur Erhaltung unserer Gesundheit haben die Wirtschaft auf der ganzen Welt stark beein­trächtigt. Wie reagieren die einzelnen Länder darauf? Wie reagiert Österreich darauf? (Bundesrätin Schartel: Am schlechtesten!) – Nun, ich hatte erst vor Kurzem eine Diskus­sion mit Vertretern einiger anderer Länder im Kreise des Europarates. Als ich da über unsere Maßnahmen gesprochen habe, haben die doch sehr verwundert geschaut. Der­artige Maßnahmen sind also in anderen Ländern überhaupt nicht üblich, und schon gar nicht eine Maßnahme wie das Investitionsförderungsprogramm dieser Bundesregierung. Daran sieht man, wie gut und einzigartig dieses Programm ist. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Dieses Investitionsprogramm bietet Stimulierung für die Wirtschaft, für die Landwirt­schaft und natürlich dann auch Arbeitsplätze, und genau das ist richtig. Wenn es hier immer wieder zu Kritik kommt, es sei zu kurz angesetzt oder man hätte von Anfang an viel mehr budgetieren müssen, und so weiter, dann ist das ja etwas, das wir kennen. Wenn wir gute Gesetze machen, wenn wir gute Regelungen auf den Weg bringen (Hei­terkeit der Bundesrätin Grimling – Bundesrat Steiner: Ein gutes Gesetz reicht! ...!), dann habt ihr immer etwas daran auszusetzen, damit ihr nicht mitstimmen müsst. (Bun­desrat Steiner: Ein gutes Gesetz als Beweis würde reichen!)

Letzten Endes ist es so, dass dieses Programm schon einmal verlängert wurde, dass es natürlich zeitlich begrenzt ist und dass es von vornherein so ausgelegt war, dass jeder, der mitmachen will, auch seine Förderung bekommen wird. Das ist ein sehr, sehr gutes Programm. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Wenn man fragt, warum man vielleicht weniger veranschlagt, dann ist es halt gut, wenn man ein bisschen Ahnung von der Wirtschaft hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Grim­ling.) Ich selbst habe Anträge gestellt. Natürlich habe ich mich bei der Antragstellung mit der Summe nach oben orientiert, weil ich ja noch keine Voranschläge hatte und weil ich noch nicht die Rechnung hatte. (Bundesrat Steiner: Ach so!) Jetzt habe ich natürlich weniger abgerechnet, weil ich diese Summe eben nicht ausnutzen musste. Auf diese Weise kommt es natürlich zu Unterschieden zwischen den Summen.

Eines muss man aber schon sagen: Da werden mit circa 7 Milliarden Euro an Förderun­gen 70 bis 80 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst. Ein derartiges Programm hat es überhaupt noch nie gegeben. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Man muss sich vorstellen, wie viele Arbeitsplätze hiermit geschaffen werden. 258 000 Anträge sind ge­stellt worden, 50 Prozent davon in den zukunftsträchtigen Bereichen Ökologisierung und Digitalisierung.

Ich kann da wirklich die Kritik nicht verstehen. (Bundesrätin Schartel: Das glaube ich!) Es wird ja oftmals angeführt, es gebe sehr viele Mitnahmeeffekte, diese Investitionen wären früher oder später sowieso gemacht worden. – Dem kann ich hier nur entgegen­halten: Die meisten Anträge sind ja erst in den letzten Wochen und Monaten gestellt


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worden, ich glaube, mehr als 50, 60 Prozent. Das zeigt schon, dass sich die Unterneh­mer Gedanken gemacht haben, in dieser Zeit noch etwas vorzuziehen und Effekte he­reinzuholen, die man auch aufzeigen kann und die ich hier vor allem einmal aus dem Bereich Landwirtschaft aufzeigen will, die wahren Mitnahmeeffekte. (Bundesrat Steiner: Wie viel haben wir denn selber abgecasht? Wie viel haben wir denn selber abgecasht?)

Der Landwirtschaft werden ungefähr 70 000 Anträge zugerechnet, die unter Klein- und Kleinstunternehmer geführt werden. (Bundesrat Steiner: Er war sicher der erste in Ös­terreich, der ...!) Worin ist da investiert worden? – Zum einen in neue Landtechnik. Jetzt kann man natürlich sagen: Das ist schön für die Bauern, wenn sie neue Technik haben, doch was bringt das der Wirtschaft? – Na, ich sage Ihnen etwas: Es ist zum Beispiel bei Traktoren ein Level eingeführt worden; es wird nur gefördert, was besser als Abgasklas­se 5 ist. Das heißt, da wird eine schlechtere Technik gegen eine bessere getauscht, und es gibt einen Mitnahmeeffekt bei der CO2-Einsparung.

Wir haben neue Ställe gefördert. Neue Ställe ersetzen alte Ställe, egal ob Zellenbetrieb oder ob ein Bauer in die Tierhaltung einsteigt und ein anderer aufhört. Wir haben die höchsten Tierschutzstandards in ganz Europa mit den besten und größten Auflagen, was die Räumlichkeit für Tiere betrifft. Das heißt, da wird das Tierwohl gefördert. Das ist für mich ein Mitnahmeeffekt.

Dann geht es im Bereich Ökologisierung vor allem auch um PV-Anlagen für Überschuss­einspeiser, zum Teil mit Batteriespeicher. Das sind für mich die ganz, ganz wichtigen, eigentlich die besten Maßnahmen. Ich selbst habe zwei Überschusseinspeisanlagen zu Hause. Da denkt man sofort nach: Wann schaltet man seine Geräte, seine Anlagen ein? Wann ist Tageslicht und wann nicht? So kann man auch die Netzbelastung etwas hinun­terschrauben. Da gibt es wieder den Mitnahmeeffekt der Steigerung der Ökobilanz und der Senkung des CO2-Ausstosses.

Der vierte Bereich ist die Digitalisierung. Was ist da gemeint? – Da ist zum Beispiel die satellitengesteuerte Lenkung von Traktoren, aber auch von Arbeitsgeräten gemeint. Da kann man sagen: Na ja, gut, jetzt brauchen sie nicht mehr zu lenken, aber was bringt das? – In Wahrheit bringt es sehr viel. Wenn man als Landwirt mit einem Arbeitsgerät fährt, das 4, 5, 6 Meter oder vielleicht 12 Meter Arbeitsbreite hat, dann gibt es eine Über­lappung von 30 bis 50, 60 Prozent, weil man eben nicht so genau schauen kann. Am Vorgewende muss man immer wieder gleich daneben zurückfahren, sonst kann man das überhaupt nicht mehr überblicken und muss dann ein paar Mal hin und her fahren. Mit diesen gesteuerten Systemen fährt man aber ganz genau, auf 5 Prozent Überlap­pung. Man kann die über- oder überübernächste Spur retour nehmen, man muss nicht hin und her fahren.

Es ist auch ausgewertet worden, dass es da zu 10 Prozent an Einsparungen beim Trak­torbetrieb kommt: 10 Prozent Einsparung bei Dieselöl, 10 Prozent Einsparung an CO2 und 10 Prozent Entlastung für unsere Umwelt. Das ist ein Mitnahmeeffekt. Da sieht man, wie klug dieses Programm aufgestellt worden ist, wie klug es in die Zukunft arbeitet und wie klug es gemacht worden ist. (Bundesrat Steiner: So klug wie das Kaufhaus Öster­reich! ...!) – Ich weiß, ihr von der FPÖ bringt so kluge Investitionsprogramme nicht zu­sammen. Da müsst ihr einmal ein bisschen überlegen. (Bundesrat Steiner: Kaufhaus Österreich! Kaufhaus Österreich! Sag da etwas dazu, wie klug das war!)

Was ganz speziell bei den landwirtschaftlichen Betrieben und den Kleinstunternehmen, die ja auch umsatzsteuerpauschaliert sind, an diesem Investitionsprogramm auch noch gut ist: Die sind ja nicht umsatzsteuerbefreit. Das heißt, wenn ein Landwirt 50 000 Euro brutto investiert, zahlt er sofort 20 Prozent, 10 000 Euro, an den Staat (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel) und bekommt in sechs Monaten 7 oder 14 Prozent als Förderung


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retour. Da bezahlt sich dieses Programm von selbst, und es werden noch dazu Arbeits­plätze geschaffen. Das ist das Wichtige, und das ist das Gute an diesem Programm. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Ich sage Ihnen eines: Wenn Sie nicht nur – wie die SPÖ – Arbeitslose bezahlen wollen, sondern Arbeitsplätze schaffen wollen – das ist ja der große Unterschied zwischen unse­ren beiden Systemen (Beifall bei der ÖVP – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann): Ihr seid dafür, Arbeitslose zu bezahlen; wir wollen Arbeitsplätze schaf­fen –, dann geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie mit! Geben Sie den Unternehmern, den Landwirten, den Arbeitnehmern Sicherheit, und geben Sie den Arbeitslosen Zuver­sicht! (Bundesrätin Schumann: Ja, die Landwirte! ...!) Stimmen Sie diesen Gesetzesvor­lagen zu!

Ich komme jetzt zu den Anträgen. Ich bringe zwei Anträge ein:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu Tages­ordnungspunkt 3, Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geän­dert wird, in der 926. Sitzung des Bundesrates

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu Tages­ordnungspunkt 2, Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine Covid-19-Investitionsprämie für Unterneh­men, (Investitionsprämiengesetz) geändert wird, in der 926. Sitzung des Bundesrates

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

*****

Frau Ministerin, danke für dieses gute Investitionsprogramm. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.23


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einge­brachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Investitions­prämiengesetz geändert wird (1559/A und 845 d.B. sowie 10634/BR d.B.), keinen Ein­spruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen ge­mäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungsge­genstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von


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Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geändert wird (1560/A und 846 d.B. sowie 10635/BR d.B.), keinen Ein­spruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.25.02

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer via Livestream! Wenn man sich diese Abän­derung des Gesetzes zur Investitionsprämie verdeutlicht – ursprünglich, vor knapp ei­nem Jahr, ist man von 1 Milliarde Euro ausgegangen, und jetzt landet man bei 7,8 Mil­liarden Euro –, dann sieht man ganz klar, dass diese Bundesregierung und Sie, Frau Minister, nicht in der Lage sind, Situationen und Entwicklungen der österreichischen Wirtschaft und ihrer Betriebe einzuschätzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man es unter diesem Aspekt sieht, dann verwundert es überhaupt nicht mehr, dass es von dieser Regierung keine wirtschaftliche Verantwortungswahrnehmung im Zusammenhang mit den verordneten Lockdowns und ihren Auswirkungen gibt und dass es in Österreich die Situation gibt, dass beispielsweise Deutschland oder auch die Schweiz wesentlich niedrigere wirtschaftliche Einbrüche zu verzeichnen gehabt haben.

Es verwundert auch nicht, dass es staatliche Hilfspakete gegeben hat – zumindest wer­den sie so genannt –, die bei den Unternehmen überhaupt nicht angekommen sind. Es verwundert überhaupt nicht, dass es eine Einreichung und Abwicklung über die Wirt­schaftskammer gegeben hat, die bewusst verkompliziert wurde, sodass die Unterneh­men diese Hilfen nicht haben abrufen können. Es verwundert auch nicht, dass die Un­ternehmen über Monate keine Planbarkeit gehabt haben. Teilweise ist diese ja noch immer nicht gegeben. Es verwundert auch nicht, dass wir hohe Arbeitslosenzahlen ha­ben, gepaart mit einem Fachkräftemangel, in Verbindung auch mit einer Lehrlingsausbil­dung, bei der längst Anreizsysteme zu schaffen wären. Es verwundert schon gar nicht – ich rede auch gar nicht mehr weiter davon – der Rohrkrepierer des Kaufhauses Öster­reich, den Sie zu verantworten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Was macht man heute? – Mit dem heutigen Beschluss werden für die Unternehmen nicht die notwendigen Möglichkeiten geschaffen, in neue und innovative Ideen zu inves­tieren, sondern es erfolgt lediglich eine Bedeckung eines im Vorjahr viel zu niedrig ange­setzten Budgets. Seit Juli 2020 hat man 1 Milliarde Euro in die Hand genommen. Dann hat man gesagt, jetzt nimmt man 2 Milliarden Euro. Irgendwann hat man es auf 3 Milliar­den Euro erhöht, und jetzt ist man schließlich bei 7,8 Milliarden Euro.

Das bedeutet, dass es jetzt keinen zusätzlichen Euro für diese Unternehmen gibt, denn die Einreichfrist ist ja, wie wir schon gehört haben, mit 28. Februar dieses Jahres ver­strichen. Trotzdem geht diese Regierung her und inszeniert diese Investitionsprämie wieder im Zusammenhang mit dem sogenannten Comebackplan, Wir wissen: Immer wenn diese Regierung von einem Plan spricht, dann ist es in Wirklichkeit ein Chaos. Genauso ist es auch da. Die Betriebe werden weiterhin im Regen stehen gelassen. (Bei­fall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Was wichtig wäre, wäre zum Beispiel eine Fristverlängerung dieser Investitionsprämie. Was aber noch wichtiger wäre – und davon hätten alle Unternehmen etwas –: dass es steuerliche Anreize im Förderwesen gäbe, entsprechende Investitionen damit forciert werden könnten und Wachstum generiert werden könnte. Das wäre gerade für die klei­nen und mittleren Unternehmen eine wesentliche Unterstützung, eine effektive Maßnah­me. Das würde unsere Wirtschaft entsprechend beleben.

Diese Bundesregierung geht aber einen anderen Weg: Man beseitigt die Hürden nicht, sondern man baut sie bestmöglich aus. Das heißt, es kommt für die Betriebe erschwe­rend hinzu – auch das wurde bereits angesprochen –, dass die derzeitige Richtlinie


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entsprechend vorsieht, dass erste Maßnahmen bis zum 31. Mai vorzusehen sind. Das einzuhalten ist für die Betriebe aufgrund der nicht lieferbaren Roh- und Werkstoffe oft gar nicht möglich. Es wird aber vor allem auch ignoriert, dass in einer Zeit der erhöhten Rohstoffpreise, der gleichzeitigen Begleichung von Stundungen und der Bedienung von Krediten viele Betriebe die Investitionen trotz der angebotenen Förderungen aus Liqui­ditätsgründen gar nicht umsetzen und die Förderungen auch gar nicht annehmen kön­nen.

Was wir genauso sehen wie viele Experten und was auch unsererseits bekrittelt wird, ist, dass diese Regierung ziellos mit den Milliarden um sich schießt. Da merkt man: Es macht ja fast keinen Unterschied, ob man 1 Milliarde Euro braucht oder 7,8. Es gibt auch keine definierten Ziele, man spricht aber immer von wirtschaftspolitischen Maßnahmen, und vor allem gibt es keine Wirkungsanalysen.

Kollege Köck hat es jetzt gerade wieder unter Beweis gestellt: Einmal wird von 70 Mil­liarden Euro Investitionsvolumen geredet, dann wieder von 85 Milliarden Euro! (Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder.) Ich meine, als ob zwischen 70 und 85 Milliarden Euro kein Unterschied wäre! Dann wird von 100 000 Arbeitsplätzen geredet, die erhalten oder neu geschaffen werden. Es wird mit den Zahlen jongliert. Also einerseits erschließt sich mir das, wenn man den Finanzminister anschaut – der kennt sich ja mit seinen Nul­len auch nicht aus, das ist dann klar, dass da herumjongliert wird ‑, aber wir sind bei diesem wirtschaftlichen Blindflug sicherlich nicht mit dabei. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht, Frau Ministerin, können Sie das heute erklären. Es ist ja angesprochen wor­den: Es macht schon einen Unterschied, wenn ein Liquiditätsbedarf von 5 Milliarden Euro angemeldet ist und man 7,8 bereitstellt. Also wenn ich nur 5 brauche, dann muss mir einer einen Grund sagen, warum man 7,8 Milliarden Euro bereitstellt!

Wir haben da einen anderen Zugang und fordern in diesem Zusammenhang ein Öster­reich-zuerst-Paket. Das wäre wichtig, und wir haben das auch entsprechend ausformu­liert.

Ich darf folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich zu­erst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen; Qua­lifizierungsoffensive für unsere Jugend; Entlastungsoffensive für unsere Betriebe

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen im Sinne der Umsetzung folgen­der Forderungen eines Österreich zuerst – Pakets im Interesse der heimischen Wirt­schaft und Arbeitnehmer zu setzen:

- Vorrang für heimische Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen

- Attraktivierung der Lehrlingsausbildung durch Beseitigung überbordender Auflagen und Vorschriften sowie Einführung eines Blum Bonus Neu

- Senkung der Abgaben auf Arbeit und der Lohnnebenkosten.“

*****

Diese und weitere Maßnahmen würden im Gegenzug zu Ihren komplexen Fördervehi­keln den Wirtschaftsturbo zielgerichtet starten, und daher ersuchen wir um breite Zu­stimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

11.32



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 55

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei der Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen; Qualifi­zierungsoffensive für unsere Jugend; Entlastungsoffensive für unsere Betriebe“ ist ge­nügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.33.07

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Liebe Kolle­gen! Frau Ministerin! Man kann ja da und dort unterschiedlicher Meinung sein, was den wirtschaftlichen Umgang mit der Coronakrise betrifft, aber wenn etwas gut gelungen ist, dann ist es die Investitionsprämie. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Investitionsprämie ist gut gelungen, weil sie den Erhalt und die Schaffung von Ar­beitsplätzen mit Investitionen in die Zukunft verknüpft, weil sie durch die gesetzten Schwerpunkte einen Weg weist, weil sie damit eine Perspektive aufzeigt. Gerade das ist wichtig in Zeiten, in denen viele Menschen Sorge um ihren Job haben. Einen großen Schwerpunkt der Investitionsprämie bilden Investitionen in Digitalisierung und Klima­schutz, Letzteres vor dem Hintergrund der wohl größten Herausforderung unserer Zeit, nämlich der Klimakrise. Deswegen werden Investitionen in diesen Bereichen doppelt so hoch gefördert wie normale Investitionen, nämlich mit 14 Prozent nicht rückzahlbaren Zuschüssen.

Das ist aber noch nicht alles – dazu kommt, dass die Investitionsprämie mit anderen Förderungen kombinierbar ist, etwa mit der Umweltförderung im Inland, womit wahrlich beeindruckende Unterstützungshöhen erzielbar sind: bis zu 44 Prozent; ich habe nach­gefragt.

Parallel zur Investitionsprämie, zu diesen Anstiegen sind die Förderanträge von Unter­nehmen in der betrieblichen Umweltförderung in den ersten Monaten dieses Jahres gegenüber 2020 um 74 Prozent angestiegen; gegenüber 2019 – also gegenüber vor der Krise – um über 100 Prozent. Das hat sich mehr als verdoppelt. Die Betriebe verstehen offenbar, dass es genau jetzt extrem wichtig ist, in ökologisch nachhaltige Technologien zu investieren, und dass es sinnvoll und vernünftig ist, der Coronawirtschaftskrise und der Klimakrise gleichzeitig zu begegnen, denn alles andere wäre kontraproduktiv. Man darf nicht durch das Bekämpfen einer Krise eine andere, insgesamt gewaltigere, weiter verschärfen, um dann vor noch größeren Aufgaben zu stehen.

Unglaubliche 258 000 Anträge sind eingelangt – also von wegen, Herr Kollege Ofner, es würde nicht angenommen werden! Auf so eine Aussage muss man einmal kommen! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Ofner: Sinnerfassend zuhören!)

Die Investitionsprämie ist alleine deswegen ein Erfolgsmodell: ein Erfolgsmodell für Transformation, eine ökologische und digitale Transformation. Das zeigt sich daran, dass fast 50 Prozent aller Projekte genau in diesen Bereichen beantragt sind; in diesen Bereichen, von denen alle Rednerinnen und Redner hier herinnen immer sagen, wie wichtig die denn seien. Die Betriebe tun das.

Noch etwas sei angemerkt, weil Kritik gekommen ist, kleine Unternehmen würden nicht profitieren: Das Gegenteil ist der Fall. Über 90 Prozent der Anträge kommen aus und rund 85 Prozent des gesamten Volumens gehen an KMUs, zwei Drittel der Anträge kom­men aus Kleinstunternehmen, das sind Betriebe mit weniger als zehn MitarbeiterInnen. Also da sieht man schon, dass da viel, viel Geld in Unternehmen geht, die das mit Sicherheit wirklich brauchen können, und nicht nur an Großkonzerne.

Was man jetzt schon sagen kann – wiewohl noch nicht genau quantifizierbar, es ist auch zu früh –, ist, dass dadurch der erwähnte Effekt der Arbeitsplatzsicherung greift und sich


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bestätigt. Wir reden bei diesen Volumina tatsächlich – kann man ja nachrechnen – über eine Dimension von 100 000 Jobs. Um die bereits gestellten Anträge auch bedienen zu können, ist ja nichts vernünftiger als das: die Mittel aufzustocken. Also ich kann jetzt wirklich nichts Schlechtes daran erkennen, wenn man sieht, okay, ein Programm hat Erfolg, es braucht mehr Geld – und das dann zur Verfügung stellt! Dass Sie das dann kritisieren – also das geht mir irgendwie nicht in den Kopf.

Es sind schon wirklich beeindruckende Summen, die da jetzt bereitgestellt werden, und noch dazu in einer dermaßen kurzen Zeitspanne, was sehr klar aufzeigt, dass eine hohe Bereitschaft zu investieren da ist, und das zeigt, dass genau jetzt in dieser Krise sehr, sehr viel Geld investiert wird, damit Arbeitsplätze gesichert werden.

Einen kleinen Ausflug noch – das ist ja bei Weitem noch nicht alles, was geschieht, um die Wirtschaft zu stärken, um die Ökologisierung voranzutreiben, Innovationen in neue Technologien und künftige Infrastrukturen zu forcieren –: Da wären noch die Riesenvolu­mina, die in den Klimaschutz investiert werden; nur ganz wenige Beispiele: 650 Millionen Euro Investitionsförderung für den Umstieg von fossilen Heizsystemen auf erneuerbare Energieträger, 1 Milliarde Euro Unterstützungsvolumen pro Jahr für den Ökostromaus­bau, 46 Millionen Euro heuer für eine E-Mobilitätsoffensive, 17,5 Milliarden Euro für den Bahnausbau in den nächsten sechs Jahren, die Umweltförderung wurde heuer auf ein noch nie dagewesenes Volumen von 110 Millionen Euro aufgestockt.

Es geht aber noch weiter: Es wird eine weitere kräftige Verstärkung durch den European Recoveryfund geben, aus dem 312 Milliarden Euro direkt ausgeschüttet werden, 3,5 Mil­liarden Euro wahrscheinlich in Österreich. Dieses Programm, das an die Kommission abgegeben wurde, hat eine Reihe von verstärkenden Maßnahmen, auch viele neue Pro­gramme – zum Beispiel eine Viertelmilliarde Euro für emissionsfreie Busse und Lade­infrastruktur, die dazugehört, 100 Millionen Euro für eine Transformation der Industrie in Richtung Klimaneutralität für ausgesuchte Leitbetriebe, 500 Millionen Euro für generelle ökologische Investitionen in Betrieben, 125 Millionen Euro für Important Projects of Com­mon European Interest im Wasserstoffbereich.

So, jetzt aber wieder zurück zur Aufstockung der Investitionsprämie auf die 7,8 Milliarden Euro: Wenn wir heute zustimmen, dann helfen wir über 100 000 Unternehmen, die in­vestieren wollen und auf die Förderung warten. Die haben beantragt! Das ist eigentlich etwas, von dem man meinen sollte, dass alle eine Freude damit haben: die Politik, die ArbeitnehmerInnen und die Betriebe. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ganz ehrlich, es wundert mich vor allem bei den Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, ich verstehe wirklich nicht mehr, wie Sie begründen, das ablehnen zu wollen. Ihr Wirt­schaftssprecher, Herr Matznetter, machte vor ein paar Tagen eine Aussendung, in der er sagt, diese 5 Milliarden Euro zusätzlich würden Verschlechterungen für Unternehmen bringen. Ich weiß nicht, welche Fantasien man haben muss, um solche Dinge zu be­haupten: Es würden neue, unüberwindbare Hürden aufgestellt. Wo bitte ist eine neue Hürde? Es ist mehr Geld da, die Bedingungen sind gleich geblieben! (Heiterkeit und Zwischenrufe der BundesrätInnen Schumann, Grimling und Ofner.) – Ich würde mich an Ihrer Stelle davor hüten, zu lachen. (Bundesrat Spanring: Lustig sind eh immer Sie, Herr Bundesrat!)

Bis Ende Mai müssen laut Richtlinie erste Maßnahmen gesetzt werden. Da reicht eine Bestellung, da reicht ein Auftrag, da reicht eine Kaufabsicht. Die Betriebe wissen das alle, die hätten ja nicht beantragt, wenn sie das nicht auf die Reihe bekommen würden. (Bundesrat Ofner: Red einmal mit den Unternehmen, bitte!) Das ist doch einfach ein Witz! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, mit Ihrer Nichtzustimmung verweigern Sie den Unternehmen, die Anträge gestellt haben, die Förderung. (Beifall bei Grünen und


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ÖVP. – Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Genau!) Sie lassen damit Unter­nehmen im Stich! (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Das heißt weniger Klimaschutz, das heißt weniger Arbeitsplätze. (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Jaja! Aber jetzt ...!) KollegInnen von der FPÖ, ich hoffe, das ist Ihnen wenigstens peinlich! (Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann. – Bundesrat Ofner: Euch muss es peinlich sein!) – Ja, es ist ein erzwungenes Lachen! Ich bin gespannt, wie Sie das Ihren Betrieben erklären werden.

Jedenfalls: Wer Betrieben helfen und Arbeitsplätze schaffen und sichern will, stimmt zu. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.42


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.42.18

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Investitionsprämie ist eine ver­gleichsweise sinnvollere konjunkturpolitische Maßnahme, die die Regierung im vergan­genen Jahr gesetzt hat, dennoch verstehen wir nicht, wie man den ursprünglich vorgese­henen budgetären Rahmen derart eklatant überziehen kann.

Wie sehen die verschiedenen Wirtschaftsforschungsinstitute und der Budgetdienst diese Änderung oder die Investitionsprämie an sich? – Es gibt ausgeprägte Mitnahmeeffekte, diese wurden vom Budgetdienst für das Jahr 2020 auf bis zu 90 Prozent geschätzt, was wiederum durch die derzeit herrschende große wirtschaftliche Unsicherheit zumindest teilweise legitimiert wird, wie das Wifo sagt, und der Budgetdienst berichtet, dass in der Studie von Wifo und IHS für die Investitionsprämie beim Großteil der Förderung ein rei­ner Mitnahmeeffekt erwartet wird. Bei den konjunkturellen Effekten spielen die Vorzie­heffekte eine große Rolle, die vor allem für 2020 bis 2022 erwartet werden, was dann wieder dazu führt, dass in den späteren Jahren das Investitionsvolumen sinkt und ein gegenläufiger Effekt eintritt. Das Wifo befürchtet, dass ab 2023 sogar ein Investitionsloch droht.

Bei den Beschäftigungseffekten trägt die Regierung etwas zu dick auf, wenn sie von einigen Hunderttausend spricht. Das IHS sagt, es ist wohl eher mit ein paar Zehntausend neuen Jobs zu rechnen. (Bundesrat Ofner: Wart einmal, nicht vermischen!) Die Arbeiter­kammer schätzt 25 000 bis 50 000 neue Jobs, was auch nicht nichts und insgesamt positiv ist. Das Momentum-Institut sieht auch eine im Vergleich zu den anderen Wirt­schaftshilfen sinnvolle Maßnahme, ungefähr 50 000 neue Jobs und ungefähr 50 000 weitere gesicherte Jobs.

Zu den Lenkungseffekten, die in Richtung Umwelt und Digitalisierung führen, gibt es vom Budgetdienst eine positive Analyse. Insgesamt gibt es von vielen Seiten Kritik, dass genaue Daten über die Ausschöpfung der Investitionsprämie und den Nutzen noch feh­len.

Was bedeutet das jetzt für uns NEOS? – Wir nehmen zur Kenntnis, dass zwar große Mitnahmeeffekte entstehen, aber insbesondere die Vorzieheffekte auch in der derzeiti­gen Situation gewünscht sein können, selbst wenn nachher Investitionslücken entstehen können, und wir sehen, dass die Wirtschaftsforscher die Effekte bei Weitem als nicht so stark beurteilen wie die Regierung, was auch dazu führt, dass wir mittelfristig einen Plan brauchen, wie wir aus der Förderspirale wieder herauskommen, weil das Geld irgend­wann auch wieder knapp werden wird.

Zusätzlich kritisieren wir NEOS, dass Teile der Investitionsprämie durch EU-Gelder finanziert werden. Für diese Gelder wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, zum Beispiel


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die Digitalisierung von Schulen voranzutreiben. Und es fließt eine sehr große Summe an Unternehmen, die sowieso investieren würden, weswegen es auch angebracht wäre, eine wirkungsorientierte Folgenabschätzung zumindest nachträglich anzuhängen, wie das auch der Budgetdienst und der Fiskalrat empfehlen.

Insgesamt führt die Abwägung dieser positiven und negativen Faktoren aber dazu, dass wir dieses Mal zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.46


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.46.24

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Die coronabedingte Ge­sundheits- und Wirtschaftskrise mit ihren drastischen Auswirkungen hat viele Unterneh­men unvorbereitet getroffen und vor neue Herausforderungen gestellt.

Viele österreichische Unternehmen haben seit Beginn der Krise deutliche Umsatzrück­gänge verzeichnen müssen, und viele Menschen sind arbeitslos geworden oder befin­den sich in Kurzarbeit. Um die Folgen der Coronakrise zu mildern, wurde zur Unterstüt­zung unserer Unternehmen ein umfangreiches Hilfspaket geschnürt. Maßnahmen wie Kurzarbeit, Fixkostenzuschüsse, Umsatzersatz, Verlustersatz, Überbrückungsgaran­tien, Steuerstundungen et cetera haben bislang wesentlich dazu beigetragen, die Folgen der Krise abzufedern, und dadurch eine Vielzahl von Unternehmensinsolvenzen sowie eine weit höhere Zahl an Arbeitslosen verhindert. (Bundesrat Steiner: Danke!)

Ich möchte mich dafür, stellvertretend für viele Unternehmen, aber auch für viele Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich, bei Ihnen, Frau Bundesministerin Schramböck, bedanken. (Beifall bei der ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Danke!) Sie waren maßgeblich an diesem umfangreichen Hilfspaket beteiligt, das schon so vielen geholfen hat. (Bundesrat Steiner: Ist aber schon Steuergeld, oder?)

Heute geht es nun darum, die Mittel für eine weitere, sehr wichtige Hilfsmaßnahme auf­zustocken, und zwar für die Investitionsprämie. Die Investitionsprämie ist eine zukunfts­orientierte Maßnahme zur Ankurbelung der Konjunktur und auch zur Einleitung einer Transformation der Wirtschaft in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit, wie wir heute schon ein paar Mal gehört haben. Die Investitionsprämie setzt Impulse in diese Richtung und bietet als wesentliche zukunftsgerichtete Maßnahme Anreize für Investi­tionen in Digitalisierungs- und Umweltprojekte. (Bundesrat Steiner: Danke!)

Wie wichtig diese Maßnahme für die österreichische Wirtschaft ist, zeigt sich daran, wie gut sie von den Unternehmen angenommen wird. Ich möchte nur ein paar Zahlen nen­nen: Insgesamt wurden rund 250 000 Anträge gestellt, mit einem Gesamtvolumen von 75 Milliarden Euro. Weitere Zahlen erspare ich Ihnen jetzt, meine Vorredner haben schon sehr viel gesagt, und ich möchte nicht alles wiederholen. Eines möchte ich aber wiederholen: Wie Kollege Edi Köck bereits gesagt hat – man kann es nicht genug be­tonen –, ist diese Prämie in ganz Europa einzigartig, da ausnahmslos alle Unternehmen die Möglichkeit zur Antragstellung haben, egal wie groß oder wie klein sie sind. Es han­delt sich bei dieser Maßnahme um das größte Konjunkturprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg. – Auch dafür möchte ich mich bei Ihnen, Frau Bundesministerin, und Ihrem Team (Bundesrat Steiner: Danke!) bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätIn­nen der Grünen.)

Wie Kollege Adi Gross bereits gesagt hat, profitieren vor allem die kleinen Unternehmen von dieser Maßnahme. Ganze 94 Prozent der Anträge stammen von Klein- und Mittel­betrieben, den KMUs. Das Geld geht also direkt dahin, wo es gebraucht wird, und


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unterstützt die kleinen und kleinsten Unternehmen in Österreich, die schon immer ein Motor für Wachstum, Innovation und Wohlstand waren.

Dass diese Investitionsprämie auch wirklich als Prämie und nicht als Steuervorteil ge­staltet wurde, wie es vorhin von Kollegen Ofner von der FPÖ vorgeschlagen wurde, kommt vor allem wieder den KMUs zugute. Viele kleine und mittlere Unternehmen tun sich nicht so leicht, wenn es um größere Investitionen geht. Mit dieser Investitionsprämie haben diese kleinen und mittleren Unternehmen nun einen Hebel gefunden, der sie bei dieser Transformation in Richtung Ökologisierung und Digitalisierung unterstützt. Steu­ervorteile hätten nie den gleichen Anreiz für die kleinen und mittleren Unternehmen (Bun­desrat Steiner: Wieso?) und würden somit nicht die gleichen Effekte erzielen. (Bundes­rat Steiner: Warum?)

Mit der gegenständlichen Gesetzesvorlage (Bundesrat Ofner: Ja, warum?) soll das Budget für die Investitionsprämie aufgestockt werden. Diese Gesetzesanpassung wurde nun schon ausgiebig von den Kollegen kritisiert, vor allem von SPÖ und FPÖ. Darum möchte ich diese Kolleginnen oder Kollegen nun fragen: Ist es denn nicht sinnvoll, eine solche Maßnahme mit mehr Geld auszustatten, wenn der Bedarf gegeben ist – und der ist offenbar gegeben? (Bundesrat Ofner: ... Fristverlängerung auch machen, dann macht es Sinn!) Ist es denn nicht zielführend, mit einer solchen erfolgreichen Maßnahme die Wirtschaft wieder zu stärken und vor allem auch den Arbeitsmarkt zu entlasten? (Bundesrat Ofner: Ja, dann macht eine Fristverlängerung!)

Über 100 000 Arbeitsplätze pro Jahr sollen mit dieser Maßnahme gesichert beziehungs­weise geschaffen werden. Das bedeutet 100 000 Arbeitslose weniger; 100 000 Men­schen weniger, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen müssen; 100 000 Personen weniger, für die der Staat und somit die Steuerzahler, also wir alle, Arbeitslosengeld zahlen müssen; 100 000 Arbeitsplätze pro Jahr, und das ist nur eine vorsichtige Hoch­rechnung. Es gibt auch noch weit optimistischere Berechnungen, die von viel mehr Ar­beitsplätzen ausgehen. (Bundesrat Steiner: Mit Hochrechnungen von der ÖVP muss man aufpassen!)

Ich möchte Ihnen, die Sie diese Maßnahme nicht unterstützen wollen, aufzeigen, was diese einzelne Maßnahme der Investitionsförderung alles bewirkt. Neben den Arbeits­plätzen und einer Perspektive für viele Österreicherinnen und Österreicher bringt diese Maßnahme ganz deutliche ökonomische Effekte. Natürlich gibt es auch sogenannte Mitnahmeeffekte, wie Kollege Köck vorhin schon gesagt hat, aber 75 bis 80 Prozent der Anträge betreffen Investitionen, die sonst gar nicht getätigt worden wären, die kleiner ausgefallen oder erst später durchgeführt worden oder weniger innovativ ausgefallen wären, Stichwort Digitalisierung und Ökologisierung.

Warum ist es nun so wichtig, dass diese Gesetzesvorlage heute eine mehrheitliche Zu­stimmung bekommt? (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) – Aktuell warten noch sehr viele Unternehmen auf den Vertrag des AWS. Für noch rund die Hälfte der Anträge konnte das AWS keine Verträge ausstellen, da der Budgetrahmen dafür fehlt. Wenn wir nun heute keine Mehrheit für diese Gesetzesvorlage finden, dann wird es zu einer gro­ßen Unsicherheit bei vielen Unternehmen kommen (Bundesrat Ofner: Die Unsicherheit ist die ÖVP!), denn sie müssen die Erstmaßnahmen dieser Investitionen bis spätestens 31. Mai getätigt haben, und viele werden verunsichert sein, wenn sie bis dahin keinen Vertrag für die Investitionsprämie vom AWS erhalten haben. Das heißt, die eine oder andere Investition wird dann vielleicht doch nicht oder erst später getätigt, womit die ökonomischen Effekte, die ich vorhin erwähnt habe, weitaus geringer ausfallen würden.

Ob Förderzusagen für 3 Milliarden Euro oder für 7,8 Milliarden Euro bis Ende Mai bei den Unternehmen vorliegen, macht für die Wirtschaft Österreichs und somit auch für


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viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen großen Unterschied. Viele Unterneh­men, vor allem KMUs, wollen und brauchen Planungssicherheit, um in Zeiten wie diesen zukunftsweisende Investitionen zu tätigen. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Wenn wir nun zum Beispiel Ihr Bundesland, Herr Bundesrat Reisinger von der SPÖ, anschauen, das Bundesland Oberösterreich, sehen wir: In Oberösterreich wurden von allen Bundesländern die meisten Anträge gestellt, nämlich über 57 000. (Bundesrat Stei­ner: Hat das vielleicht was mit den Landtagswahlen zu tun?) Wenn nun rund die Hälfte noch auf einen Vertrag des AWS wartet, dann betrifft das über 28 000 Anträge aus Ihrem Bundesland. (Heiterkeit und Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schu­mann.) Das heißt, viele Unternehmen in Oberösterreich werden davon betroffen sein, wenn wir heute keine Mehrheit im Bundesrat finden, weil Sie dagegenstimmen. (Bun­desrat Steiner: Ich trau euch alles zu! Alles! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Gerade als SPÖ-Mandatar, Herr Kollege Reisinger, sollten Ihnen doch die vielen Ar­beitsplätze in Oberösterreich, die mit dieser Maßnahme gesichert werden können, ein Anliegen sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wie bereits erwähnt müssen die Erstmaßnahmen bis kommenden Montag, den 31.5., gesetzt werden. Daher hoffe ich auf breite Zustimmung bei der nun folgenden Abstim­mung (Bundesrat Steiner: Wie oft denn noch?), damit wir heute mehrheitlich dieses Gesetz, das so wichtig für unseren Wirtschaftsstandort ist, verabschieden. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Die Unternehmen, die wir mit dieser Maßnahme unterstützen, sichern unzählige Arbeitsplätze in ganz Österreich (Bundesrätin Grimling: Danke!), aber nicht nur das: Es werden auch neue Fachkräfte ausgebildet und zusätzliche Arbeitsplät­ze geschaffen. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Steiner und Steiner-Wieser.) Darum bitte ich Sie: Unterstützen Sie die Maßnahme mit Ihrer Stimme! (Bundesrat Steiner: Danke!) Sichern wir gemeinsam den zukünftigen Wohlstand Österreichs! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.55


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.55.47

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Da­men und Herren! Heute ist ein wichtiger Tag für die Unternehmen, vor allem für die KMUs, die in Ihren Bundesländern tätig sind. Darum war es mir persönlich wichtig, Ihnen auch die Information zukommen zu lassen, sobald sie zur Verfügung gestanden ist, welche Unternehmen in Ihren Bezirken, in Ihren Bereichen konkret davon profitieren können.

Darum möchte ich Ihnen auch einen Überblick über die Bundesländer geben, und damit Sie sich da wiederfinden, möchte ich Ihnen auch die Zahlen nennen: In Oberösterreich werden Investitionen von 16 Milliarden Euro ausgelöst; zweites Bundesland ist Wien mit 11,9 Milliarden Euro; Niederösterreich: 10,6; dann kommen schon Steiermark, Tirol, Salzburg, Kärnten, Vorarlberg und das Burgenland. Die Investitionsprämie ist also von jedem Bundesland und all den Unternehmen in ganz Österreich angenommen worden. Sie ist von großen Leitbetrieben, von Start-ups, aber ganz besonders von den kleinen und mittelständischen Unternehmen in Österreich angenommen worden, und das ist gut so. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Warum tun wir das? – Wenn wir genau hinschauen, dann sehen wir, dass gerade die KMUs die größten Arbeitgeber in Österreich sind, und für ein KMU macht es einen gro­ßen Unterschied, ob das eine Prämie ist, die in Geld ausbezahlt wird, oder ein Steuer­vorteil, der im nächsten Jahr kommt. Wenn man nämlich Verlust macht, dann profitiert


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man davon nicht. Das ist der große Unterschied zwischen der Prämie und der steuerli­chen Begünstigung. Darum gibt es in Unternehmen zwei Rechnungskreise. Der eine ist die Gewinn- und Verlustrechnung, da geht das Thema Steuer hinein, aber auch die Prä­mie ist ein wichtiger Bereich bei der Liquiditätsrechnung, denn da bekommt man unmit­telbar Geld – das als Antwort auf Ihre Frage, was der Unterschied zwischen einer Prämie und einer steuerlichen Begünstigung ist. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Ofner: Ja! Senkung der Lohnnebenkosten!)

Ein weiterer Punkt ist, dass die steuerlichen Begünstigungen auch wichtig sind, und die haben wir ja geschaffen, nur scheinen das einige wieder vergessen zu haben. Darum erwähne ich gerne noch einmal die degressive Abschreibung, die wir damals – ich kann mich noch erinnern – vor Ibiza mit dem damaligen Staatssekretär von der FPÖ bespro­chen haben und die er für gut befunden hat. Eine degressive Abschreibung ist eine steuerliche Maßnahme, und die gibt es zusätzlich. Das heißt, die Unternehmen haben wirklich die Möglichkeit, anzuschaffen, sich die Prämie von bis zu 14 Prozent abzuholen und zusätzlich für diese Investitionen eine degressive Abschreibung in Anspruch zu neh­men. Damit haben wir sowohl eine steuerliche Maßnahme als auch eine Liquiditätsmaß­nahme gesetzt.

Mir ist extrem wichtig, dass Sie auch mitnehmen, was wir getan haben. Ja, wir haben die Fristen bereits zweimal verlängert. Wir haben erstens die Frist für die Einreichung verlängert, das heißt: Die ursprüngliche Frist für die Einreichung der ersten Maßnahme war Ende Februar, wir haben diese auf Ende Mai verlängert. Und ja, es soll eine kon­junkturelle Maßnahme und keine generelle Maßnahme sein, denn sie soll in der Covid-Krise helfen und hat geholfen, dass die Unternehmen Investitionsentscheidungen getrof­fen haben.

Zweitens haben wir die Umsetzungsphase verlängert. Wir haben also zwei Dinge ge­meinsam verlängert: die Einreichfrist bis Ende Mai – die ist schon von Ende Februar auf Ende Mai verlängert worden –, und wir haben die Umsetzungsfrist um ein Jahr verlän­gert. Vor allem diese Verlängerung der Umsetzungsfrist um ein Jahr ist der Grund, dass es Gott sei Dank im Februar mehr Anträge gegeben hat als in den Monaten davor. Das ist richtig und wichtig, und da bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Was auch noch ein ganz wesentlicher Punkt ist, ist, dass diese Investitionsprämie ja eine Prämie ist, die eben alle Unternehmen in dieser Zeit in Anspruch nehmen können. Das ist mir ganz, ganz wesentlich, und eine Ihrer Fragen war ja auch: Können das nur große Betriebe? – Nein, es können eben auch die kleinen Betriebe entsprechend in Anspruch nehmen. Wir wollen damit Arbeitsplätze schaffen.

Ganz wichtig sind auch die Mitnahmeeffekte, die Sie angesprochen haben. Da hat es auch entsprechende Anpassungen der Analysen gegeben, denn durch diese Verlänge­rung um ein Jahr für die Umsetzung und die Einreichung vieler Unternehmen hat sich natürlich dieser Mitnahmeeffekt sehr stark reduziert. Wir gehen jetzt nur mehr von 20 Prozent aus. Das ist wirklich beachtlich: Wir haben 80 Prozent mehr Maßnahmen, also 80 Prozent Maßnahmen, die in die Richtung gehen, dass sie nicht getroffen worden wären, wenn die Investitionsprämie nicht da wäre.

Reden Sie mit Ihren Unternehmen in Ihren Bezirken! Sie werden sehen, dass alles vor­kommt, vom Lastenbike, vom E‑Bike über die Solaranlage bis hin dazu, den Schritt in die Digitalisierung zu wagen, Server anzuschaffen, die vielleicht schon lange nicht ange­schafft worden sind, oder das Lager nach vorne zu bringen. All diese Maßnahmen sind besser, wenn sie jetzt umgesetzt werden und nicht später in der Zukunft. Ich sage es nach dem Motto: Was wir haben, das haben wir. Es ist wichtig, dass wir die Unternehmen jetzt unterstützen, ihnen Planungssicherheit geben, und deshalb bitte ich Sie um Ihre


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Unterstützung und bedanke mich wirklich außerordentlich bei jedem einzelnen Mitglied des Bundesrates, das jetzt zustimmt und damit Unternehmen und damit die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter in diesen Unternehmen unterstützt, denn es werden neue Ar­beitsplätze geschaffen und auch bestehende Arbeitsplätze abgesichert.

Wir haben uns das angeschaut: Es geht um 800 000 Arbeitsplätze über fünf Jahre, die geschaffen und abgesichert werden. Ich glaube, das ist es wert, heute mitzustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.02


12.02.22

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. (Bundesrat Bader gibt ein Zeichen mit der Hand.)

Zur Geschäftsordnung, nehme ich an. – Bitte, Herr Fraktionsvorsitzender.

*****


12.02.43

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Geschäftsbehand­lung melde ich mich heute deswegen, weil wir in der letzten Bundesratssitzung bei einer Abstimmung, die auch von der Zahl der anwesenden Mitglieder her relativ knapp aus­gegangen ist, ein tatsachenwidriges Abstimmungsergebnis festgestellt haben und die­ses dann auch in einer Präsidialbesprechung diskutiert wurde.

Daher möchte ich, damit hier so ein Fehler, bei dem dann vom Vorsitz ein falsches Ab­stimmungsergebnis festgestellt wird, vermieden wird, auf jeden Fall noch einmal gemäß § 54 Abs. 2 der Bundesratsgeschäftsordnung verlangen, dass Sie bei der Feststellung des Beschlusses die Für- und Gegenstimmen tatsächlich auch bekannt geben, damit so ein Fehler, der ja gravierende Ausmaße gezeitigt hat, nicht wieder passiert. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

12.03

*****


12.03.36

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich gehe davon aus, dass hier Einvernehmen unter den Fraktionen besteht, hier auch das Abstimmungsergebnis bekannt zu geben. – Dann gehen wir da so vor. (Bundesrat Bader: Ist ein Verlangen, da brauchen wir kein Einvernehmen!)

Die Plätze sind, wie ich sehe, soweit eingenommen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Investitionsprämiengesetz geändert wird (1559/A und 845 d.B. sowie 10634/BR d.B.).

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. Ich ersuche die Schriftführung bitte um Auszählung. (Schriftführer Span­ring nimmt gemeinsam mit Vizepräsidentin Hahn die Stimmenzählung vor. – Bundesrat


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Novak begibt sich in Richtung seines Sitzplatzes. – Bundesrat Steiner: Novak! Was ist mit dem Novak?) – Ich bitte um die Gegenprobe. Die Gegenstimmen bitte jetzt aufzei­gen, damit wir die Gegenprobe zählen können. (Schriftführer Spanring nimmt gemein­sam mit Vizepräsidentin Hahn die Stimmenzählung vor.) – Es hat somit 31 Stimmen da­für und 26 Stimmen dagegen gegeben.

Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit an­genommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Ver­sorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen; Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend; Entlastungsoffensive für unsere Betriebe“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsan­trag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, geändert wird (1560/A und 846 d.B. sowie 10635/BR d.B.).

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit mit einer Mehrheit von 31 zu 26 angenommen.

12.08.244. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert wird (768 d.B. und 855 d.B. so­wie 10636/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Ich bitte um den Bericht.


12.08.54

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich direkt zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben. – Danke schön.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Zaggl. – Bitte, Herr Bundesrat. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)



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12.09.35

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Wir befassen uns nun mit dem Heizkostenabrechnungsge­setz, das geändert werden soll. Mit der vorliegenden Novelle sollen im Rahmen einer EU-Richtlinienanpassung Änderungen vorgenommen werden.

Das implementierte Heizkostenabrechnungsgesetz von 1992 hatte von Anfang an Schwächen – auch rechtlicher Natur – und bot keinerlei Transparenz. Mietervereinigun­gen wie auch die AK haben oft genug auf die Missstände hingewiesen und wurden nicht gehört.

In unserer Regierungszeit haben wir nicht nur einmal versucht, es zu ändern, sind jedoch immer an unseren Koalitionspartnern gescheitert. Nun, mit den bevorstehenden Ände­rungen, wird es jedoch keine Verbesserung für die Mieter geben. Wir sprechen hier von über 600 000 MieterInnen, die kaum Rechte nach dem Heizkostenabrechnungsgesetz oder Ansprüche auf Rechtsschutz nach § 25 des Heizkostenabrechnungsgesetzes ha­ben, um eventuelle falsche Aufteilungsschlüssel, falsche Abrechnungen oder unkorrekte Ableseergebnisse beeinspruchen beziehungsweise richtigstellen zu können. Daher sollte man eine Änderung ins Auge fassen, die allen Endverbrauchern von Wärme ein­heitliche Rechte nach dem Heizkostenabrechnungsgesetz zukommen lässt.

Wohl auch ein Manko ist es, dass bei Passiv- und Niedrigenergiehäusern für die Mieter, Wohnungseigentümer jede Möglichkeit fehlt, eine teure, nicht kosteneffiziente Verteilung und Abrechnung der Kosten trotz nachgewiesener Ineffizienz zu ändern – eine absolut unnötige Kostenbelastung für die Wohnungsnutzer. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher würde sich durch die Gesetzesänderung auch die Möglichkeit ergeben, dass man den Endnutzern erlaubt, die teure, unwirtschaftliche Messung, Verteilung, Abrechnung nach dem Verbrauch auf eine Verteilung nach beheizbarer Nutzfläche umstellen zu las­sen. Eigentlich sollte das Ergebnis einer Heizkostenabrechnung sein, dass ersichtlich ist, was man als einzelner Mieter oder Wohnungseigentümer tatsächlich an Heiz- und Warmwasserkosten schuldet, und ebenso, wem die Kosten zu bezahlen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Jedoch sind im Heizkostenabrechnungsgesetz die Abrechnungsbestimmungen dafür untauglich und mehr als missverständlich. Selbst Gerichtsurteile widersprechen dazu. Oft wird das Gesetz so ausgelegt, dass der Vermieter nicht als Wärmeabgeber gilt, selbst dann nicht, wenn er sich im Mietvertrag zur Vermietung einer beheizten Wohnung und zur Wärmeversorgung aus einer Zentralheizung verpflichtet hat. Der Wohnungsnut­zer soll nur die Heizkosten, die Betriebskosten der Heizungsanlage, aber nicht Repara­tur- oder gar Baukosten zahlen müssen. Wenn in einer Wohnanlage eine neue große Heizung von einem Wärmeträger installiert wird, müssen die Mieter die Kosten tragen, jedoch gehört diese dann nicht ihnen, sondern meist erhalten sie dann noch zusätzlich einen schlechteren Vertrag. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie bei einem Einfamilien­haus eine Heizung bekommen, diese monatlich abzahlen, sie aber im Endeffekt trotz­dem weiterhin dem Wärmeanbieter gehört?

Bessere, strengere Regeln beim Contracting wären hier wohl angebracht. Es sollte end­lich eine klare und verständliche Abrechnung geben, aus der klar hervorgeht, welche Kosten man wem schuldet und aufgrund welcher man die Abrechnungen in einem einfa­chen Verfahren und effektiv auf die Richtigkeit und Un- oder Angemessenheit der ver­rechneten Kosten überprüfen lassen kann. Da fehlt allgemein eine bessere Stellung für den Mieter, da diese ja auch die Nutzer sind und dafür bezahlen.

Gut gestellt sind jedoch die Anbieter, die sich in einem Monopol befinden, etwa bei der Fernwärme. Es sollte da eine bessere Kontrollmöglichkeit und höchste Transparenz


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geben, da der Konsument ökonomisch ohnehin extrem benachteiligt ist, da es keinen Wettbewerb gibt.

Warum können Mieter eigentlich nicht selbst ablesen? – Dies wird von den Ablesefirmen nicht besonders begrüßt, da es angeblich eine zu hohe Fehlerquote gibt. Jene soll sich im zweistelligen Bereich bewegen. Das ist irgendwie amüsant – zwischen 10 und 99 Pro­zent liegt alles im zweistelligen Bereich. (Beifall bei der SPÖ.)

Alle Maßnahmen, die mehr Transparenz für die Verbraucher bringen würden, werden vom Messdienstleister eher abgelehnt. Auch da sollte man sich die Frage stellen, warum dies so ist beziehungsweise warum wir nicht gesetzlich dafür sorgen, dass es für die Mieter transparenter und einfacher wird.

Wir werden dieser Gesetzesänderung in dieser Form nicht zustimmen. Es müssten hier noch viele Verbesserungen für die Endverbraucher, also für die Mieter, angestrebt wer­den, um ein gerechtes Abrechnungssystem zu erhalten.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass die beiden großen Abrechnungskonzer­ne Ista – jetzt chinesisch, früher niederländisch und vor einigen Jahren um 5,3 Milliarden Euro verkauft – und Techem Schweiz mit dem Heizkostenabrechnungsgesetz eindeutig zuungunsten der KonsumentInnen bevorteilt werden. Kürzlich hat der Oberste Gerichts­hof eine Preisklausel aufgehoben, weil Ista jahrelang einen Ausfallhaftungsbetrag rechtswidrig von den KonsumentInnen eingehoben hat. Der milliardenschwere Konzern wälzt sein unternehmerisches Risiko einfach auf die MieterInnen ab. Die Arbeiterkammer hat das juristisch erfolgreich bekämpft.

Interessant für die KonsumentInnen wären auch die Kosten für die jährliche Zählermiete von 30 Euro. Fragen wir uns doch einmal: Wie viel kostet so ein Zähler? – Mit Sicherheit nicht mehr als 70 Euro. Und wie lange ist er in Betrieb? – Da besteht somit auch der Verdacht, dass keinesfalls angemessen im Sinne der KonsumentInnen agiert wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.16


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.16.55

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon einige Details gehört, und ich denke doch, dass man auch bei meinem Vorredner herausgehört hat, dass jeder Schritt in die richtige Richtung ein richtiger Schritt ist. Im Detail darf man natürlich disku­tieren.

Ein Bundesgesetz über die sparsame Nutzung von Energie durch verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz-, Warmwasser- und Kältekosten – dieses Gesetz ist notwendig, weil es einerseits eine EU-Richtlinie gibt, andererseits aufgrund von technologischen Er­neuerungen und natürlich Erneuerungen im Bau und tatsächlich auch aufgrund von An­passungen als Reaktion auf den Klimawandel. Im Titel ist alles enthalten, und aus dieser Langform kann man auch ableiten: Worum geht es? – Um die Heiz-, Warmwasser- und Kältekosten in Gebäuden. Das Ziel: eine sparsame Nutzung – und die Abrechnung soll verbrauchsabhängig passieren, sprich: Das soll in diesem Gesetz verstärkt zur Geltung kommen.

Rund 27 Prozent des Energieverbrauchs in Österreich werden für Raumwärme, für Warmwasser und für die Kühlung von Gebäuden aufgewendet. Mit diesem Wert spielt der Gebäudebereich bei der Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele neben dem Verkehrssektor natürlich eine bedeutende Rolle. Rund 600 000 Wohnungen in Ös­terreich sind davon betroffen. Ein Schwerpunkt liegt in der Steigerung des Anteils der


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Energiekostenabrechnung, und hier gilt, dass es für die Menschen transparenter wird und dass sie eben selbst Möglichkeiten haben, regulierend einzugreifen.

Bis 2030 sollen eben auch die Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden. Es soll eine Einsparung von rund 3 Millionen Tonnen auf rund 5 Millionen Tonnen äquivalent erreicht werden – somit ein klarer Auftrag, vor allem auch an die Verbraucher, sich da zu beteiligen, damit wir es schaffen, bei der Bereitstellung für Raumwärme und Warm­wasser in die richtige Richtung zu kommen. Es ist auch klar, dass die Senkungsrate bei Gebäuden, wo wir derzeit bei 1 Prozent liegen, noch nicht ausreicht. Hiervon sind aber viele Staaten betroffen.

Somit ist klar festzuhalten: Künftig gibt es genauere Informationen für die Endverbrau­cher. Diese können diese daher auch verwenden. Ich finde das richtig und wichtig. Es gibt einen klaren Rechtsanspruch durch diese Anpassung, und ich darf abschließend festhalten, dass eben einerseits der Schadstoffausstoß reduziert werden kann – somit leisten wir einen Beitrag im Sinne des ökologischen Fußabdruckes –, andererseits wer­den auch die Mieterinnen und Mieter belohnt, wenn sie sich beteiligen, indem sie selbst bares Geld sparen, indem nämlich die Heizkosten sinken.

Ich sehe es so: Es ist im Kampf gegen den Klimawandel ein kleiner, aber dennoch sehr wichtiger Schritt. Ich sehe das auch in meinen weiteren Funktionen, zum Beispiel in der Wasserwirtschaft, so: Auch da versuchen wir, die Leute zu motivieren, dass sie mit Ein­sparungen, mit vernünftiger Nutzung dementsprechend einen Beitrag leisten.

Es geht um Ressourcen, wertvolle Ressourcen für uns, unsere Kinder und nachfolgende Generationen. Es ist ein Beitrag für die Energiewende und gegen den Klimawandel. Das übergeordnete Ziel ist von der Europäischen Union definiert: bis zum Jahr 2030 um 32,5 Prozent gegenüber 2007 zu senken. Ich hoffe daher, dass sich viele beteiligen, ich hoffe auf ein Umdenken in vielen Bereichen und ich hoffe auch da auf breite Zustimmung im Bundesrat im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger.

Ich darf auch noch die Gelegenheit nutzen, um noch einmal danke zu sagen: Die Inves­titionsprämie – wir haben es vorhin ausführlich diskutiert –, 75 Milliarden Euro sind aus meiner Sicht ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Viele Klein- und Mittelbetriebe werden sich bedanken, und es sind wichtige Investitionen für mehr Arbeitsplätze und wichtige Impulse. Frau Minister, danke dafür. Ich denke, das größte Dankeschön kommt von den vielen Menschen, die hier Beschäf­tigung finden, denn unser gemeinsames Ziel muss es sein, auch künftig Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.21


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.21.22

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsi­dent! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Bei dem Bundesgesetz, mit dem das Heizkostenabrechnungsgesetz ge­ändert wird, geht es um die sparsame Nutzung von Energie durch verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz-, Warmwasser- und Kältekosten in Gebäuden. Rund 27 Prozent des Energieverbrauchs in Österreich werden für Raumwärme, für Warmwasser und für die Kühlung von Gebäuden aufgewendet. Mit diesem Wert spielt der Gebäudebereich bei der Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele natürlich eine bedeutende Rolle.

Die Europäische Union hat im Dezember 2018 eine Richtlinie zur Energieeffizienz ver­kündet, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um bis


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zum Jahr 2030 4,4 Prozent des jährlichen Energieverbrauchs einzusparen. Auf Grundla­ge dieser EU-Richtlinie und unter Berücksichtigung von Anpassungen aufgrund des technischen Fortschritts, aber auch der Erfahrungen des bisherigen Heizkostenabrech­nungsgesetzes liegt nun die bereits mehrfach angesprochene Novelle über die sparsa­me Nutzung von Energie im Gebäudebereich vor. Von den neuen, gerechten Regelun­gen profitieren, wie wir heute schon gehört haben, circa 600 000 Wohnungsnutzer in Österreich.

Zukünftige Aufgabenfelder sind für mich erstens die thermische Effizienz – das wird wahrscheinlich auch der Weg von der eigenen Gasetagenheizung und Klimaanlage in jeder Wohnung hin zu einer zentralen Wärme- und Kälteversorgung und zu Transparenz. Die zentrale Heizung, die Fernwärme und -kälte sind ganz einfach die Zukunft. Dafür braucht es ein modernes Gesetz, das diese Transformation gut begleiten kann.

Mit dem heutigen Beschluss wird auch die Energieeffizienzrichtlinie umgesetzt – mit mehr Transparenz für den Endkunden. Sparsamkeit des Einzelnen beim Energiever­brauch wird stärker belohnt – durch technologische Erneuerungen, von der Fernable­sung haben wir vorhin schon gehört, oder durch die Bauphysik, die viele Veränderungen hinter sich, aber sicher noch viele Veränderungen vor sich hat. Im Gegensatz zu früher gibt es sehr viel mehr Mehrparteienhäuser im Passivhausstandard. Aufgrund dessen, dass in vielen Fällen die Messkosten sogar deutlich höher als die Kosten für den sehr, sehr kleinen Energieverbrauch in einem Passivhaus sind, wurden im neuen Gesetz neue Abrechnungsmodalitäten berücksichtigt.

Zweitens: Ohne thermisches Sanieren, wofür es noch viel zu wenige Anreize gibt, wird es nicht gehen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg besteht darin, die Sanierungsrate bei Gebäuden von derzeit unter 1 Prozent auf durchschnittlich 2 Prozent im Zeitraum 2020 bis 2030 anzuheben. Im Projekt Heizen 2050 der TU Wien erfolgte aus diesem Grund die Analyse der langfristigen Entwicklung der österreichischen Gebäude, von deren Wärmebedarf und der Wärmebedarfsdeckung bis zum Jahr 2050. Die Ergebnisse von Heizen 2050 zeigen für den Zeitraum nach 2020 nur noch einen leichten Anstieg der Gebäudezahl und ab 2030 eine Stagnation. Im Jahr 2050 werden in Österreich voraus­sichtlich 1,8 Millionen Wohngebäude und 255 000 Nichtwohngebäude, zusammen also 2,1 Millionen Gebäude, existieren. Durch Gebäudesanierung kann im Betrachtungszeit­raum bis 2050 vor allem bei Gebäuden der Bauperioden von 1945 bis 2000 ein sehr großes Einsparungspotenzial umgesetzt werden.

Der Energiebedarf für Raumwärme und Brauchwassererwärmung in österreichischen Gebäuden erreichte in den letzten Jahrzehnten mit circa 103 Terrawattstunden pro Jahr sein Maximum und sinkt im Modell unter der Annahme von qualitativ hochwertigen Sa­nierungen bis 2050 um 50 Prozent auf einen Wert von circa 52 Terrawattstunden pro Jahr. Der Effekt der Klimaerwärmung reduziert den Energiebedarf je nach Szenario zu­sätzlich um 8 bis 15 Prozent.

Beim Anteil erneuerbarer Energie unterscheiden sich verschiedene Szenarien, vor allem im Zeitraum um das Jahr 2030. Hier besteht eine Bandbreite von 65 bis 90 Prozent Er­neuerbare im Energiemix des Jahres 2030.

Die Kernpunkte zusammengefasst:

Der Geltungsbereich wird auch auf die Abrechnung von Kälte ausgeweitet.

Die Einführung des Unwirtschaftlichkeitskriteriums der Verbrauchererfassung kurz er­klärt: Hier gilt die gesetzliche Vermutung, dass jedenfalls dann die Wirtschaftlichkeit nicht vorliegt, wenn die Summe der laufenden Kosten für den Betrieb der Vorrichtungen zur Erfassung der Verbrauchsanteile und die Kosten der Erfassung der Verbrauchsanteile höher sind als die Energiekosten.


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Stärkere Gewichtung des Warmwasseranteils: Da sich der Anteil der Heizkosten gegen­über den Warmwasserkosten nach einer Sanierung reduziert, wird die vertragliche Band­breite von derzeit 60 bis 80 Prozent für Heizung auf 50 bis 70 Prozent reduziert.

Steigerung des Anteils der verbrauchsabhängigen Energiekosten: Die verbrauchsab­hängig abzurechnenden Anteile der Heizungs- und Warmwasserkosten bekommen mehr Gewicht, indem auch hier die vertraglichen Bandbreiten in Richtung Verbrauch geändert werden. Der Anteil der Verbrauchskosten wird von derzeit 55 bis 75 Prozent auf 55 bis 85 Prozent ausgeweitet und bei Kälte auf mindestens 80 bis 100 Prozent fest­gelegt.

Beim Mangel einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung gilt: Aufteilung der Ver­sorgungskosten Heizung zu Warmwasser von 60 zu 40 Prozent – derzeit sind es 70 zu 30 Prozent –, verbrauchsabhängige Aufteilung der Energiekosten Heizung zu Warm­wasser: 70 Prozent verbrauchsabhängig und 30 Prozent nach versorgbarer Nutzfläche, bei Energiekosten für Kälte: 90 Prozent nach Verbrauchsanteilen und 10 Prozent nach versorgbarer Nutzfläche.

Weitere Punkte betreffen: Einführung der verpflichtenden Rechnungsabgrenzung bei Energieträgern mit Bevorratung, zum Beispiel bei Öl oder Biomasse; Schaffung von neuen Voraussetzungen für die Selbstablesung, gleichzeitig Gleichstellung von Mietern, Pächtern und Fruchtnießern von Wohnungseigentumsobjekten mit den Abnehmern; pauschalierte Vorschreibung nach Vorjahresverbrauch.

Wir Freiheitlichen sehen diese Änderung des Heizkostenabrechnungsgesetzes überwie­gend positiv und aufgrund dessen werden wir keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

12.28


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als vorläufig letzter Redner dazu zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.28.47

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Ministerin! Die Novelle zum Heizkostenabrechnungsgesetz bringt eine Reihe von technischen Verbesserungen beziehungsweise Anpassungen, sinnvolle Anreize zur Energie- und damit Kosteneinsparung, zum Klimaschutz und zu mehr Transparenz.

In Österreich gibt es, wir haben es gehört, rund zweieinhalb Millionen Gebäude, 2,1 Mil­lionen Wohngebäude und fast fünf Millionen Wohnungen. Die wollen natürlich alle be­heizt sein, das ist klar, und das benötigt eine beträchtliche Menge Energie – immerhin etwa ein Viertel des gesamten österreichischen Endenergiebedarfs. Das ist verbunden mit 8 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Das ist viel, das sind rund 10 Prozent der ge­samten Emissionen in Österreich. Ziel ist, haben wir gehört, das auf 5 Millionen Tonnen zu reduzieren. Das darf man getrost als Herausforderung bezeichnen, wenn man weiß, wie komplex diese Materie ist.

Allem voran – das ist erwähnt worden, ich mache das jetzt deswegen auch kürzer – steht die thermische Sanierung. Das ist ja auch die Maßnahme, die den Verbrauch und damit die Kosten am wirksamsten dauerhaft senkt, das ist die Umstellung auf erneuerbare Energieträger und – nicht zu vergessen – der eigene Umgang mit dem Energiever­brauch fürs Heizen, fürs Warmwasser. Da lässt sich sehr viel tun, das zeigen viele Un­tersuchungen, ohne auf warme Räume oder warmes Wasser verzichten zu müssen. Kli­maschutz und Kosteneinsparung sollen Hand in Hand gehen, das ist sozialpolitisch es­senziell, sonst wird man kein Mittun für solche Klimaschutzmaßnahmen finden.

Dafür braucht es ein zeitgemäßes Heizkostenabrechnungsgesetz. Das sei eingestreut, weil uns das wirklich wichtig und ein großes Anliegen ist.


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Ich habe es vorher schon ganz kurz erwähnt: Das Klimaschutzministerium stellt nie da­gewesene Summen eben genau für diese thermische Sanierung bereit. Ein ganz beson­deres Programm, das aufgesetzt wurde, sieht 100 Millionen Euro vor, um einkommens­schwachen Haushalten die Umstellung auf erneuerbare Energieträger massiv zu erleich­tern, massiv heißt in diesem Fall bis zu 100 Prozent der Kosten, die für einen Kessel­tausch anfallen. Also das ist schon eine sehr, sehr offensive sozialpolitische Begleitung solcher Maßnahmen.

Ich greife wirklich nur noch ganz kurz ein paar Aspekte aus der Gesetzesnovelle heraus. Eine wichtige Neuerung ist, Kollege Bernard hat darauf hingewiesen, dass in Zukunft keine genaue Messung der Wohnungs- oder Nutzeinheit erfolgen muss, wenn die Mess­kosten höher als die Energiekosten sind. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, auf den ich immer wieder hingewiesen und mich dafür eingesetzt habe. Das gilt für alle sehr, sehr energieeffizienten Häuser, wie etwa Passivhäuser. Gerade in Wien gibt es übrigens sehr, sehr viele davon, die werden jetzt deutlich kostenentlastet.

Wir haben gehört, dass das Gewicht zwischen Warmwasser und Heizung in der Aufglie­derung der Kosten verschoben wird. Warum ist das so? Auswertungen zeigen ganz klar, dass energieeffiziente Gebäude ungefähr die gleiche Dimension an Warmwasser- und Heizungsenergieverbrauch haben, deswegen ist das ganz wichtig, um auch irgend­wie verbrauchsorientiert abrechnen zu können. Prinzipiell soll in Zukunft fernabgelesen werden, damit wird es extrem einfach. Wichtig: Die Verbräuche müssen in Zukunft dann monatlich zurückgespielt werden, das ist ganz wichtig  bis jetzt ist das jährlich und teil­weise sogar noch seltener –, das braucht es deswegen, weil man nur so reagieren kann. Nur so kann man einen Bezug zum eigenen Verbrauch herstellen und auch schnell re­agieren, wenn irgendetwas nicht erklärbar ist, plötzlich ein hoher Energieverbrauch auf­tritt. Man kann sich dann kurzfristig schneller beschweren, wenn irgendetwas nicht passt.

Besonders erfreulich sind die umfangreichen Bestimmungen zu Transparenz und Infor­mation der AbnehmerInnen. Da verstehe ich nicht, was Herr Kollege Zaggl gesagt hat. § 24b, ich habe das jetzt schnell herausgesucht, sagt explizit, dass MieterInnen den Ei­gentümern und so weiter gleichgestellt werden. Das ist schon völlig neu. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das ist eine massive, nie dagewesene Ausweitung der Rechte der MieterInnen.

Das geht dann noch weiter: MieterInnen werden in Zukunft nicht nur über die Kosten, sondern auch über die Preise für die Energieträger regelmäßig informiert werden müs­sen. Was wurde sozusagen eigentlich vom Einkäufer, vom Eigentümer für die Energie­träger gezahlt? Wo kauft er ein? Wie sieht der Brennstoffmix aus? Vergleiche, ob sich da gegenüber der gleichen Periode im Vorjahr etwas verändert hat, sind anzustellen, damit man die Kosten steuern kann. Es ist sozialpolitisch sehr wichtig, dass man seine Kosten beeinflussen und steuern kann.

Es sind sogar in den regelmäßigen Abrechnungen Vergleiche anzustellen, wie die Ver­bräuche in anderen Nutzungseinheiten – anonymisiert – im gleichen Gebäude ausse­hen, um damit überhaupt in die Lage versetzt zu werden, das zu beurteilen. Das sind schon großartige Verbesserungen und Serviceleistungen, vor allem auch für Leute, die sich nicht jeden Tag mit Energiefragen beschäftigen.

Es sind Kontaktinformationen verpflichtend zu unabhängigen Beratungseinrichtungen, von denen ich mir helfen lassen kann, zu transportieren, auch zum Konsumentenschutz. Es ist zu erklären, wo man sich beschweren kann, wenn etwas nicht passt. Also das ist schon ein schönes und großes Paket, das vor allem genau für die angesprochenen Mie­terInnen ganz, ganz, große Verbesserungen bringt.

Zum Stichwort Begünstigungen der Unternehmen, die die Ableseeinrichtungen bauen: Die Infos sind kostenfrei zur Verfügung zu stellen, auch das ist gesetzlich festgehalten,


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und es ist normiert, dass der Aufwand, der betrieben werden muss, um die Daten aufzu­bereiten, auf nicht kommerzieller Basis zu erfolgen hat. Es darf also niemand ein Ge­schäft damit machen. Das kann auch überprüft werden, man kann auch Beschwerden einreichen. Also die betroffenen Betriebe haben jedenfalls mit der Bestimmung keine Freude, das kann ich Ihnen versichern, die MieterInnen sehr wohl.

Ich denke, das sind durch die Bank erfreuliche Aspekte, erfreuliche Verbesserungen des Heizkostenabrechnungsgesetzes, es klingt technisch, aber bringt wirklich ganz unmit­telbar viel Erleichterung und mehr Rechte. Die vielen Betroffenen, da bin ich mir sicher, werden sich über eine breite Zustimmung heute freuen. Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.36


12.36.14

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

12.36.495. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (1558/A und 847 d.B. sowie 10626/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


12.37.08

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­terin! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalra­tes vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsge­setz) geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Ich darf in unserer Mitte unsere Bundesministerin Karoline Edtstadler begrüßen – ein herzliches Grüß Gott im Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Holzner. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


12.38.08

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister Schramböck und Ministerin Edtstadler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der Sozial­staat wirkt – zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung der Agenda Austria. Zwei


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Ökonomen haben Daten des AMS ausgewertet, wie sich die staatlichen Hilfen in der Coronakrise auf die Haushaltseinkommen ausgewirkt haben.

Konkret wurden die Effekte der Kurzarbeit, der Einmalzahlungen für Arbeitslose und des Familienbonus betrachtet. Durch diese zusätzlichen Leistungen ist es gelungen, die Ein­kommensverluste auf 1 Prozent zu reduzieren – das stellen die Studienautoren fest. Für das einkommensschwächste Fünftel gab es sogar leichte Erhöhungen.

Während Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Arbeit der Regierung pausenlos schlechtreden und Regierungsmitglieder pauschal verunglimpfen, arbeitet die Bundesregierung mit Hochdruck daran, das Land aus der Krise zu führen. Mit den ersten Öffnungsschritten sind bereits mehr als 19 000 Personen weniger arbeitslos als in der Vorwoche. Der Arbeitsminister rechnet bei weiteren Öffnungsschritten im Gastronomie‑, Tourismus-, Kultur- und Sportbereich mit 135 000 Personen, die in den nächsten Wo­chen aus der Kurzarbeit in die Normalbeschäftigung wechseln werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Ja, die nach wie vor stark gebeutete Tourismus- und Freizeitwirtschaft verspürt Aufwind, die Öffnung der Gastronomie lockt. Am Pfingstwochenende hat man gesehen, dass Ein­heimische und Gäste aus den Nachbarländern anreisen. Für den Sommer sind die Koffer schon halb gepackt, die Buchungslage in den Sommerfrischeregionen, in Thermen und Wellnesshotels steigt.

Sehr schwer zu planen sind weiterhin kulturelle Angebote, größere Veranstaltungen, Messen und Kongresse. Diese Veranstaltungen sind Voraussetzungen für einen florie­renden Städtetourismus, daher – ich glaube, das macht kein anderes Land – wird der Schutzschirm für Veranstaltungen erhöht.

Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, für die Österreichische Hotel- und Tourismusbank im Einzelfall Haftungen für Verpflichtungen bis zu 10 Millionen Euro an Kapital zuzüglich Zinsen und Kosten zu übernehmen. Bisher lag der Rahmen bei Veranstaltungen bei 15 000 Euro bis zu 2 Millionen Euro, nun sind es 10 Millionen Euro, damit die Veranstalter und Veranstalterinnen planen, organisieren und auch Leistungen Dritter, wie zum Beispiel Künstler, Floristen und Werbeagenturen, beauftragen können. Die nicht mehr stornierbaren Aufwendungen sind förderbar. Ich wünsche es den im Tou­rismus und in der Freizeitwirtschaft beschäftigten Menschen sehr, dass sie wieder Gäste verwöhnen, das Publikum verzaubern oder vom Hocker reißen können.

Geschätzte Kollegen von der FPÖ: Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft macht circa 15 Prozent unseres BIPs aus. Gerade in den Städten sind wir in hohem Maße von in­ternationalen Gästen abhängig. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Darum haben wir es nicht verstanden, dass die ÖVP ...!) Diese Leute kommen nur zu uns, wenn es bei uns sicher ist, das heißt in Zeiten der Pandemie, dass das Ansteckungsrisiko gering ist, und das haben wir mit einem nun doch schnellen Impffortschritt, Sicherheitskonzepten, einer klu­gen, praktikablen und für die Bürger kostenlosen Teststrategie geschafft. Die Reisefrei­heit ist eine Grundvoraussetzung für einen florierenden Tourismus, und mit der Umset­zung des grünen Passes sind wir Österreicher da Vorreiter.

Wie heißt es auf Innviertlerisch? Von nichts kommt nichts, und nichts geht von selber. Ich danke den Mitgliedern der Bundesregierung für ihren unermüdlichen Einsatz und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Ministerien und im Parlament für ihre großartige Arbeitsleistung in dieser nun schon über ein Jahr währenden Pandemie. Arbeiten wir weiter daran, und vor allem arbeiten wir gemeinsam daran, dass wir die letzten Meter mit dieser Pandemie ohne Rückschläge schaffen, denn die Menschen in diesem Land haben es sich verdient! Sie haben es sich nicht verdient, dass Sie, Kollegen von FPÖ und SPÖ, die Unternehmen und ihre Mitarbeiter wie zum Beispiel mit Ihrem Abstim­mungsverhalten bei der Investitionsprämie  im Regen stehen lassen. (Bundesrat Of­ner: Das macht’s schon ihr!)


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Sie haben es sich verdient (Bundesrätin Steiner-Wieser: Von 27 000 Anträgen ...!), dass man sich um ihre konkreten Anliegen und Probleme kümmert, und daher begrüße ich es sehr - - (Bundesrätin Steiner-Wieser: Frau Edtstadler, Sie kennen sich aus in Salzburg, Sie wissen genau, was da los ist! Tausend Leute ...! Redet’s mit den Leuten! Nachlesen, nicht die Augen rollen! Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edt­stadlerBundesrätin Steiner-Wieser – in Richtung Bundesministerin Edtstadler ‑: Ich seh’ ja die Augen, das andere Gesicht sieht man ja nicht unter der Maske! Bundesmi­nisterin Edtstadler: Das ist eine Unterstellung! Bundesrätin Steiner-Wieser: Bei mir sieht man es ganz!)

Die Menschen haben es sich verdient, dass man sich um ihre konkreten Anliegen und Probleme kümmert, daher begrüße ich es sehr, dass heute dieser Schutzschirm für Ver­anstaltungen aufgespannt wird. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.43


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zusätzlich zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile dieses. – Bitte.


12.43.30

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte ZuseherInnen und ZuhörerInnen! Ich glaube, dass wir alle den 19. Mai als einen ganz besonderen Tag erlebt haben, als Gäste, als KonsumentInnen, als die Bewirteten, einige von uns auch als Unternehmerinnen und Unternehmer, aber ich glaube, am sehnlichsten herbeige­sehnt haben diesen Tag natürlich die Wirte und Wirtinnen, die Beherberger und Beher­bergerinnen, die Mitarbeiter, die Beschäftigten in der Tourismusbranche.

Was aber haben diese Öffnungen auch gezeigt? – Der Start ist nicht ganz so einfach, und das aus verschiedenen Gründen: Ich habe in den letzten Tagen so oft gehört, dass die Pandemie jetzt überstanden und das Gröbste bewältigt sei. Diesen Satz habe ich aus der Rede von Frau Ministerin Köstinger im Nationalrat. Ich habe auch gelesen, dass der Herr Bundeskanzler getwittert hat, dass er mit seinem Team diese Pandemie besiegt hat. Ich glaube aber, dass es nicht die Regierung alleine war, die diese Pandemie be­siegt hat, das waren schon die Menschen, das war schon die Bevölkerung (Beifall bei der SPÖ), das waren schon alle, die da mitgemacht haben. Das waren auch unsere Unternehmerinnen und Unternehmer, die in dieser Zeit wahrlich auf viel verzichtet ha­ben, mit vielen Ängsten und Sorgen leben mussten.

Es stimmt aber, dass die momentane Situation natürlich hoffen lässt, dass wir im ge­sundheitlichen Kontext das Ärgste geschafft haben. Wir verdanken das aber auch den Bundesländern, denn sie haben die Testungen, sie haben die Impfungen organisiert. Als es eng wurde, war das nämlich nicht mehr die Kanzlersache, da war es die Sache der Bundesländer, und die haben ihre Arbeit wirklich sehr, sehr gut gemacht. (Beifall bei der SPÖ.) Als Niederösterreicherin möchte ich mich da auch bei meiner zuständigen Ge­sundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig und bei den vielen freiwilligen Helfe­rinnen und Helfern, die viele Stunden, viel Zeit investiert haben, bedanken.

Unbestritten ist sicherlich der Fakt, dass das Impfen diese Pandemie in Schach hält, dass das Impfen diese ersten und doch schon sehr breiten Öffnungsschritte ermöglicht hat. Da haben wir viel dem Glück zu verdanken, wir haben es sehr vielen glücklichen Faktoren zu verdanken, dass Österreich da aus einer kritischen Situation in der es Deckelungen bei der Impfstoffbeschaffung gegeben hat und in der auf Kontingente ver­zichtet worden ist gerettet wurde.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind natürlich noch lange nicht vom Tisch, gerade nicht im Bereich der Gastronomie, im Bereich des Tourismus und vor allem nicht im


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Veranstaltungs-, im Seminar-, im Kongresstourismus, bei den großen Sportveranstaltun­gen. Natürlich betrifft das ganz, ganz stark den städtischen Bereich, und da ist es über­haupt nicht hilfreich, wenn ein Wettstreit, eine Show um die schnelleren und breiteren Öffnungen ausgetragen wird. Das brauchen die UnternehmerInnen und die Mitarbeite­rInnen wirklich ganz zuletzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihnen fehlt in diesem Bereich natürlich noch die Laufkundschaft, es gibt noch sehr, sehr viele, die sehr vorsichtig sind. Ich habe heute Früh beim Herfahren in den Nachrichten gehört und weiß es von unseren Wirtinnen und Wirten , dass sehr viele das Essen immer noch abholen kommen, da das Wetter nicht dazu geeignet ist, im Schanigarten zu sitzen, und viele einfach noch Ängste haben und vorsichtig sein wollen. Das ist auch in Ordnung so, aber die Konsequenzen daraus dürfen wir nicht unter den Tisch reden, die gibt es. Es ist auch nicht so einfach, mit halben Kapazitäten wirtschaftlich zu arbeiten.

Dann gibt es noch etwas, und das ist ein sehr heikler Bereich: Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich vor ein paar Monaten hier gestanden bin und Frau Ministerin Köstinger darauf hingewiesen habe, die Zeit der Pandemie zu nutzen, um dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in diesen Bereichen bleiben, dass sie Schulungs- und Umschulungsangebote bekommen. Natürlich haben viele aus der wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus, weil sie Geld verdienen mussten und auch weil sie gesehen haben, dass es unsicher ist, und nicht wussten, wie es mit der Branche, in der sie gearbeitet haben, weitergehen wird, umgesattelt und sind jetzt ganz woanders verankert.

Daraus lernen wir noch etwas: Das Fördern von Unternehmen generell, aber vor allem das Fördern von kleinen und mittleren Unternehmen geht nicht nur monetär, da gehört ganz viel dazu. Da gehören Rahmenbedingungen dazu, da gehört vorausschauendes und weitblickendes Handeln dazu – nicht nur reagieren, auch agieren, auch nach vorne schauen. Wir haben dazu Vorschläge auf den Tisch gelegt, ich selbst habe das hier vom Rednerpult aus getan.

All das muss zeitgerecht passieren, und da muss man die Sozialpartner einbeziehen, da gehört die Gewerkschaft eingebunden, da gehören die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebunden, und es müssen die geeigneten Arbeitsmarktinstrumente geschaffen und umgesetzt werden.

Besonders hart betroffen ist der Kongresstourismus, das ist klar, und er ist zusätzlich dann auch noch von den internationalen Reisebestimmungen, die wir nur begrenzt be­einflussen können, abhängig. Deshalb ist es natürlich zu befürworten, dass der Veran­staltungsschutzschirm hinaufgesetzt wurde, das ist gar keine Frage, denn in diesem Bereich profitieren ja auch ganz viele regionale Kleinbetriebe – vom Bäcker über die Wäscherei über den Friseur über den Gastronomen, Busunternehmer, die Taxis, da ist so vieles dabei. Das ist wichtig, da muss Sicherheit für die Veranstalter gegeben sein, denn sonst wird nichts geplant, was ich auch verstehe, wenn es zum wirtschaftlichen Ruin führen könnte.

Ganz wichtig ist aber einfach auch – und das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren ‑: Es ist noch nicht vorbei! Auch wenn wir hoffen und hoffen dürfen, dass wir die Gesund­heitskrise jetzt doch gut, kontrolliert überschauen können – wirtschaftlich ist es auch noch nicht vorbei! Diese Krise und ihre Auswirkungen müssen auch finanziert werden, auch dazu gibt es Vorschläge von unserer Seite. Es wäre wirklich gut, auch über diese Vorschläge nachzudenken.

Ganz zum Schluss möchte ich dieser Regierung noch eines mitgeben: Bitte, bitte kein Déjà-vu, bitte verschlafen Sie nicht wieder – so wie im letzten Jahr – den Sommer, denn das hat uns ganz, ganz viel gekostet, und zwar viel Zeit, viel Geld, viele Sorgen und viel Vertrauen der Bevölkerung! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 74

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Ich bitte darum.


12.52.35

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Werte Kollegen! Geschätzte Zuschauer vor den Bildschirmen! Wir haben heute diese Gesetzesänderung hinsichtlich Durchführung und Organisation von Kongressen und Veranstaltungen mit der beinhalteten Aufstockung von 2 auf 10 Millionen Euro vor uns liegen. Dazu darf ich vorausschicken, dass wir unsere Zustimmung geben werden.

Wir tun das im notwendigen Bewusstsein, dass diese Änderung vor allem für unsere Unternehmen und damit für viele Tausende Arbeitnehmer, aber vor allem für unseren Tourismus unabdingbar ist. Es braucht diesen Schutzschirm, denn er ist nicht nur ein Schutzschirm für die Kultur- und Kongressveranstalter in Bezug auf die nicht stornierba­ren Kosten, sondern er ist vor allem ein Schutzschirm für die Unternehmen gegen die Planungsunsicherheit, die tagtäglich von dieser Bundesregierung ausgeht. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade die Tourismus- und Freizeitwirtschaft ist ja von dieser Bundesregierung über Monate zum Sterben verurteilt worden, nunmehr werden diese Unternehmen mit skur­rilsten Maßnahmen weiterhin drangsaliert, denn die aktionistisch gefeierte Öffnung ist in Wahrheit keine, sondern es ist ein verordnungs- und verwaltungstechnischer Spießru­tenlauf, der es vielen Unternehmen unmöglich macht, ihre Betriebe entsprechend wirt­schaftlich zu führen.

Das zeigt sich auch hinsichtlich der Doppelbödigkeit, die immer von Schwarz und Grün ausgeht, wenn man einerseits auf die Wichtigkeit der Tourismussparte hinweist und an­dererseits tagtäglich unglaubliche Schikanen verordnet, wie zum Beispiel hinsichtlich Bäderregelung oder Hochzeiten, die Einschränkungen bei den vorhin angesprochenen Busreiseunternehmen oder – das ist auch ein sehr wichtiger Bestandteil im Tourismus – bei den Tausenden ehrenamtlichen Kulturvereinen in Österreich. Da braucht es nieman­den zu wundern, dass der Städtetourismus tot ist und dass die Gastronomie und Hotel­lerie, die nebenbei auch mit einem Fachkräftemangel konfrontiert sind, von einer wirt­schaftlichen Führung teilweise kilometerweit entfernt sind.

Jetzt sind wir schon bei dem, was ich es eingangs gesagt habe: Wir unterstützen diesen Schutzschirm, damit Veranstaltungen auch entsprechend geplant werden können. Schaut man sich aber zum Beispiel die Situation der Reiseunternehmer an, dann sieht man, dass es für sie unrentabel ist, den Besuch einer solchen Veranstaltung entspre­chend anzubieten, da sie ja nur mit 50 Prozent Auslastung fahren dürfen. Das ist natür­lich komplett widersprüchlich, wenn zeitgleich Linienbusse, U-Bahnen und so weiter vollbesetzt sind, dort auf Stehplätzen ohne Mindestabstand, ohne Registrierung Gäste befördert werden dürfen, den Reisebusunternehmen das aber untersagt ist. Das ist ein völliger Wahnsinn, und das versteht kein Mensch mehr.

Dass Veranstaltungen wie Hochzeiten ohne Verpflegung gefeiert werden müssen, schlägt dem Fass den Boden aus, und da muss man wirklich fragen: Wie realitätsfremd muss man überhaupt sein, um so etwas zu verordnen? (Beifall bei der FPÖ sowie der BundesrätInnen Grimling und Novak.)

Dazu kommt die völlig sinnbefreite Verwendung von Masken bei Veranstaltungen im Freien oder in Bädern. Übrigens: Diese Sinnbefreiung erfährt auch eine wissenschaftli­che Bestätigung. Da wir ja heute Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler), eine Verfassungsrechtlerin, als MinisterInnenvertretung da haben: Sie müssten eigentlich Ih­re Kollegen darauf hinweisen, mit diesen Verordnungen aufzuhören, da diese im Endef­fekt sowieso wieder aufgehoben werden; also das wäre ja eigentlich auch Ihre Aufgabe in dieser Bundesregierung. (Beifall bei der FPÖ. Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 75

Dem absoluten Wahnsinn – wie vorhin angesprochen – sind wirklich Tausende ehren­amtlich Kulturausübende ausgesetzt, die neben einer 20-Quadratmeter-Regel in den Proberäumlichkeiten auch eine Woche im Vorhinein bei der Bezirksverwaltungsbehörde detailliert bekannt geben müssen, wer diese Probe besucht, sofern es mehr als zehn Personen sind  und ich denke einmal, das ist in 99 Prozent der Fälle bei Vereinen der Fall. Ich kann Ihnen aus jahrelanger persönlicher Erfahrung in diesem Bereich sagen, dass mir eigentlich wenige Proberäumlichkeiten bekannt sind, die in dieser Größenord­nung gegeben sind, dass beispielsweise ein Blasmusikverein mit 40 Musikern entspre­chend 20 Quadratmeter pro Musiker zur Verfügung hat. Das wird in Österreich kaum der Fall sein.

Nahezu amüsant ist ja wirklich diese Voranmeldung eine Woche davor bei der Bezirks­verwaltungsbehörde, denn dazu kann ich Ihnen auch aus Erfahrung sagen, dass Tau­sende ehrenamtliche Funktionäre seit Jahren froh wären, wenn sie darauf zurückgreifen könnten, dass sie eine Woche im Vorhinein wissen, wer nächste Woche bei der Probe da sein wird. Diesen Zugang habe nicht nur ich, sondern den haben auch unzählige Vereinsfunktionäre und vor allem auch prominente Musikkollegen wie der Sänger und Blasmusikfunktionär – Sie kennen ihn wahrscheinlich gut – und Tiroler Landeshaupt­mann Günther Platter, der als Präsident des Tiroler Sängerbundes, aber auch des Tiroler Blasmusikverbandes denselben Zugang hat. Er sagt ganz klar, dass diese Regelung völlig absurd ist.

Wenn man sich das vergegenwärtigt, dann versteht man auch, dass die Auswirkungen der Coronamaßnahmen der Regierung von vielen Menschen in direkten Bezug mit ei­nem schwindenden Intellekt einiger Menschen in Verbindung gebracht werden (Beifall bei der FPÖ), denn all diese Absurditäten verunmöglichen einen florierenden, ganzheitli­chen Tourismus in Österreich, und sie sind vor allem im Kulturbereich ein schmerzhafter Stachel im Organismus Tausender Kulturschaffender. Daher fordere ich Sie auf: Been­den Sie endlich diesen Humbug und lassen Sie die Unternehmen entsprechend erfolg­reich wirtschaften! Lassen Sie die ehrenamtlich Kulturschaffenden ihrer wertvollen Arbeit nachgehen! Dann könnten wir uns über viele hervorragend organisierte Kulturveranstal­tungen ebenso wie über Kongresse und einen florierenden Tourismus in der Stadt und auf dem Land freuen. Zudem würde das der psychischen Gesundheit vieler Tausender Menschen in unserem Land gut tun.

Akut greifen Sie aber, wie gesagt, vor allem ständig in die Privatsphäre ein, wie zum Beispiel in die Organisation und die Durchführung von Hochzeiten.

Ich darf daher in diesem Zusammenhang auch unseren Entschließungsantrag einbrin­gen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hochzeitsfeiern mit Speisen und Getränken ermöglichen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sicherzustellen, dass auch im Interesse der Veranstaltungs- und Eventbranche sowie der Gastronomie Hochzeiten und sonstige Fei­ern inklusive der Verabreichung von Speisen und Getränken unter Einhaltung der ent­sprechenden Sicherheitskonzepte so rasch wie möglich wieder stattfinden dürfen.“

*****

In diesem Sinne und im Sinne der österreichischen Bevölkerung ersuche ich um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

13.00



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 76

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank. – Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Hochzeitsfei­ern mit Speisen und Getränken ermöglichen“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Zusätzlich zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses. – Bitte. (Bundesrätin Kittl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das war nicht zusätzlich!)


13.01.03

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ja, wir haben im letzten Jahr auf sehr viel ver­zichtet: auf Treffen mit Freunden und Familie, aber auch Kunst-, Sport- und Kulturveran­staltungen, Symposien, Vorlesungen, Rockkonzerte und, und, und fehlten uns sehr.

Existenziell aber fehlte es einer Branche von circa 30 000 Unternehmen und den dort etwa 140 000 angestellten Personen, und damit in der Wertschöpfungskette verknüpft noch bei Abertausenden weiteren Jobs: vom Tourismus, wie heute schon oft erwähnt, über die Gastro bis hin zu den GrafikerInnen, Werbefachleuten, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, TechnikerInnen, ModeratorInnen, aber eben auch, wie Sie auch erwähnt haben, bei den Vereinen und Kulturinitiativen. Die Veranstaltungsbranche erwirtschaftet viele Milliarden Euro pro Jahr, und die angeschlossenen Branchen zig Milliarden Euro.

Ja, nicht nur die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt brauchen die Veranstaltungsbranche, auch wir wollen wieder Kunst, Wissenschaft und Kultur live erleben. Sie sind Teil unserer Identität, und sie sind auch für unsere Gesellschaft und für unser demokratisches Sys­tem wichtig. Das zeigt sich vor allem an der Kunst – wir haben das verfassungsrechtlich verankert –: Sie ist frei. Kunst sorgt für ein liberales Klima in unserem Land, und Kunst darf, kann und – ja – soll kritisieren. Sie hinterfragt und diskutiert, und sie ist damit ein wichtiger Bestandteil unseres gesellschaftlichen Diskurses. Sie zeigt neue Wege auf, und damit ist sie eben auch ein bedeutender Bestandteil unserer Demokratie – ich erin­nere mich an „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard.

Mit der Veranstaltungsbranche fehlen also eine wichtige Arbeitgeberin und ein wichtiger Wirtschaftsmotor, aber es fehlt eben auch die Organisatorin und Ermöglicherin unserer kulturellen Identität und unserer Demokratie. Daher wird die Veranstaltungsbranche un­terstützt.

Ein großer Teil der Arbeit in der Veranstaltungsbranche besteht in der Planung dieser Veranstaltungen, und in der Planung ist es eben wichtig, dass Unsicherheiten geklärt werden. Die größte Unsicherheit verursacht jetzt natürlich die Pandemie. Wir wissen nicht, ob nicht aufgrund gesundheitssichernder Einschränkungen – und ich bin sehr froh, dass es sie gibt, auch psychisch bin ich sehr froh, dass es sie gibt, weil ich mir dann nicht so große Sorgen machen muss, mich anzustecken – zukünftige Veranstaltungen wieder abgesagt werden müssen. (Bundesrat Steiner: Was tun wir mit den ganzen Kin­dern ...? Was tun wir mit denen ...?) Die BetreiberInnen wissen also nicht, ob sie nicht wieder auf den Kosten sitzen bleiben, was sie natürlich davon abhält, Veranstaltungen, egal ob kleinere oder größere, zu planen. Daher wurde schon im Herbst letzten Jahres – wir haben es gehört – der Veranstalterschutzschirm beschlossen. Ich würde ihn eigent­lich lieber Sicherungsnetz nennen, da das klar verdeutlicht, dass vor pandemiebedingten Ausfällen und einem möglichen Konkurs geschützt wird. Es geht aber immer um den Effekt, und der lautet Planungssicherheit und damit Aufrechterhaltung des Betriebs.

Seit Ende Jänner wurden bereits knapp 40 Millionen Euro von mehr als 200 Unterneh­merInnen in Anspruch genommen. Die Gesamthaftungssumme scheint damit mit 300 Millionen Euro ausreichend dotiert zu sein. Die Ausfallshaftung wird nun erhöht, auch aufgrund der großen Festspiele, die wir in Salzburg, Mörbisch und Bregenz haben.


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Spitzenreiterinnen bei den Ansuchen sind aber eben die Kulturveranstaltungen, gefolgt von den Kongressen. Das zeigt nochmals, wie wichtig diese Maßnahme für die Bereiche Kunst, Kultur und Wissenschaft in unserem Land ist, die wesentliche Teilhaberinnen am gesellschaftlichen Diskurs sind. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

13.05


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke schön. – Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desministerin Karoline Edtstadler. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.05.05

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ich darf heute Tourismus­ministerin Elli Köstinger vertreten, die heute am Rat Landwirtschaft und Fischerei in Brüssel teilnimmt. Gott sei Dank, möchte ich sagen, gibt es diese Räte jetzt auch wie­der – hoffentlich in Zukunft hauptsächlich – in physischer Form, denn es ist notwendig, sich auszutauschen und die Dinge auch in anderen Bereichen voranzutreiben.

Ich wurde aber bereits einige Male in dieser Diskussion auch schon als Verfassungsmi­nisterin angesprochen, und ich bin und fühle mich auch als Europaministerin angespro­chen. Ich möchte ganz konkret auch auf einiges, was gesagt worden ist, antworten be­ziehungsweise darüber reflektieren.

Ja, Frau Bundesrätin Kahofer, es ist unbestritten, dass wir diese Krise bisher und jetzt so weit bewältigen konnten, dass wir wieder Öffnungsschritte setzen konnten, weil die Bevölkerung mitgemacht hat – daran besteht kein Zweifel. Ich möchte das von dieser Stelle aus in aller Deutlichkeit sagen – verbunden mit einem ganz, ganz großen Danke, dass da auch das Durchhaltevermögen an den Tag gelegt worden ist –, und dass wir es auch nur deshalb geschafft haben, die Inzidenz unter 50 herunterzubringen, weil die Menschen sich an die Regelungen gehalten haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner.)

Ja, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, ich denke, wir sind jetzt in einem Momentum, in dem wir zu Recht hoffen können, dass wir das Ärgste hinter uns haben. Warum? – Die Impfungen wirken, an die Testungen haben sich, zumindest die meisten von uns, gewöhnt, und es ist fast ein bisschen zur Selbstverständlichkeit geworden, dass man sich, wenn man andere schützen will, auch selbst testet, wenn man noch nicht geimpft ist oder wenn man, wie viele leider auch, die Krankheit schon hinter sich hat und hof­fentlich Antikörper entwickelt hat – auch an dieser Stelle ein großes Danke an die Bevöl­kerung, die da wirklich mitmacht!

Es gibt einen weiteren Punkt, der dahin gehend Hoffnung gibt, dass wir das Ärgste hinter uns haben, und das ist eine Einigung auf europäischer Ebene zu einem grünen Pass (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), der den Menschen wieder Mobilität ermöglicht, und zwar in einer Art und Weise, die Sicherheit gewährleistet. (Bundesrat Steiner: Zur Sache! Zur Sache, Frau Ministerin!)

Ja, ich bin auch bei Ihnen, Frau Bundesrätin Steiner-Wieser, wenn Sie sagen: Kultur in unserem Land lebt auch davon, dass die Gastronomiebetriebe offen haben, dass die Menschen ins Wirtshaus gehen können! – Es gibt Hunderttausende Menschen, die da­rauf warten, es gibt so viele in diesem Land, die davon leben, die auch endlich wieder ihre Gäste bewirten können, und jeder Einzelne, der heute noch nicht das Geld ausbe­zahlt bekommen hat, ist einer zu viel, das sage ich ganz deutlich; und ich möchte von dieser Stelle aus dezidiert zurückweisen, dass ich bei Ihrer Wortmeldung – Ihrem Zwi­schenruf – die Augen gerollt hätte. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)


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Im Gegenteil, ich habe ganz, ganz viele Gespräche in Salzburg, aber auch in anderen Bundesländern Österreichs geführt, in denen es darum ging, wann wer welche Hilfszah­lungen bekommt. Unsere Verwaltung – und das möchte ich auch als Verfassungsminis­terin sagen – hat alles daran gesetzt, dass diese Hilfszahlungen möglichst schnell auch genau dort ankommen, wo sie ankommen sollen und wofür sie gedacht waren. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Dann hätte es das Finanzamt machen sollen!)

Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte der FPÖ, ich möchte Ihnen eines mit auf den Weg geben: Bitte sitzen Sie nicht dem Pandemieparadoxon auf – wir haben es auch gestern im Nationalrat gehört –, die Maßnahmen haben gegriffen! Die Maßnahmen ha­ben gegriffen – und ich sage es noch einmal –, weil die Menschen sich daran gehalten haben. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Selbstverständlich ist auch der Umstand, dass es wärmer wird, einer, der der Sache entgegenkommt, aber Sie erinnern sich vielleicht daran, dass wir mittlerweile fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher impfen konnten. (Zwischenrufe der Bun­desräte Steiner und Ofner.) Es wird einige geben, die das nicht wollen, das ist zu ak­zeptieren (Bundesrat Steiner: Oder nicht können!  Bundesrätin Schartel: Oder nicht können!), es gibt auch manche, die es aus gesundheitlichen Gründen nicht können, aber es gibt auch viele, die dann auf den anderen Bereich, nämlich auf die Testungen, zurück­greifen, und es gibt, wie gesagt, auch leider einige, die Antikörper entwickelt haben.

Erinnern Sie sich bitte daran, dass das auch der Schlüssel zum Erfolg war! Jemand hat das auch angesprochen: Man will kein Déjà-vu-Erlebnis haben, und genau das ist der Grund, warum wir auch weiterhin vorsichtig bleiben müssen, auch über den Sommer, damit wir in den Herbst hinein diese Situation aufrechterhalten können. (Bundesrat Stei­ner: Was machen ... mit dem grünen Pass in Israel? Ab 1. Juni? ... eingestampft?!)

Damit komme ich auch ganz konkret zu diesem Tagesordnungspunkt, bei dem es darum geht, Planungssicherheit für die Veranstaltungsszene auch tatsächlich zu sichern, indem heute – und darin besteht offenbar kein Zweifel – dieser Schutzschirm noch einmal aus­geweitet wird.

Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang nur ein paar Zahlen mitgeben, damit man vielleicht auch verdeutlicht bekommt, wie wichtig diese Planungssicherheit und auch die finanzielle Unterstützung sind. Österreich ist ein Tourismusland, das wissen wir alle. Österreich ist ein Genussland. Österreich ist ein Land, das sich wirklich nicht nur als Speisekammer, sondern als exklusiver Laden hervortut, wenn es um Lebensmittel geht. Wir haben viele Veranstaltungen im Bereich Tourismus und Kultur, wir haben aber auch einen ganz regen Kongresstourismus. Im Jahr 2019 – eine konkrete Zahl – waren über 25 000 Kongresse, Firmentagungen und Seminare hier in diesem Land. Wir wollen da wieder hinkommen, und damit diese Branche auch tatsächlich wieder nach oben kommt, erfolgt die Ausweitung dieses Schutzschirmes – an dieser Stelle auch ein Danke nicht nur an die Tourismusministerin, die ich hier vertreten darf, sondern auch an den Finanz­minister, der da größtes Verständnis hat und dem, glaube ich, auch die Bevölkerung entsprechend dafür dankt, dass diese Unterstützung da ist. (Zwischenruf des Bundes­rates Steiner.) Ich glaube, das ist etwas, was ganz wesentlich ist. Wir sind uns darüber einig, das ist außer Zweifel.

Ich kann mir jetzt eine Bemerkung, Herr Bundesrat Ofner, in Ihre Richtung nicht verknei­fen: Ja, wir alle wollen auch wieder die Volkskultur leben. Ich bin selbst Blasmusikerin gewesen, ich weiß, was das heißt. Ich weiß auch, was es da gibt, dass man im kleineren Rahmen probt: Das ist oft sehr, sehr gut, auch für die Kapelle selbst – das sind die Re­gisterproben. Ich glaube auch, dass es viele Kapellmeister in diesem Land gibt, die sich wünschen, dass sie eine Woche vorher wissen, wer tatsächlich in die Probe kommt, aber das Ziel ist eines: dass wir wieder komplett proben können, dass in diesem Land die


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Kultur wieder nach oben geht (Bundesrat Ofner: Ja, dann mach’ ma auf!), und wir wer­den auch in den nächsten Wochen darüber beraten, wie wir da wieder hinkommen, aber in einer Art und Weise – und ich sage es noch einmal –, dass es sicher möglich ist und dass wir nicht zurückfallen, eben um kein Déjà-vu zu erleben. (Bundesrat Ofner: Wie hoch war das Infektionsgeschehen? – Null!)

Vielen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Ich sehe, dass es dann doch auch partei­übergreifend eine große Zustimmung gibt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei den Grünen.)

13.12


13.12.06

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesministerin! – Weitere Wort­meldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Die Plätze wurden bereits eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Hochzeitsfeiern mit Speisen und Getränken ermögli­chen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen.

Der Präsident und der Schriftführer machen von ihrem Stimmrecht Gebrauch. – Damit ist das die Stimmengleichheit. (Bundesrat Steiner: Ja, die ÖVP muss ja nicht auf der Hochzeit trinken ...!) – Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

13.13.376. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz zur Beschaffung von und Verfügung über SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwen­dung im Rahmen der COVID-19-Öffnungsverordnung (1580/A sowie 10642/BR d.B. und 10639/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. – Ich bitte um den Bericht.


13.14.01

Berichterstatterin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ge­sundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 be­treffend ein Bundesgesetz zur Beschaffung von und Verfügung über SARS-CoV-2-Anti­gentests zur Eigenanwendung im Rahmen der COVID-19-Öffnungsverordnung.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung, wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile die­ses. – Bitte.



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13.14.44

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich weiß gar nicht, wie oft ich im letzten Jahr zum Thema Covid-19, Corona, gesprochen habe – eh wie alle. Im Fokus stand primär die Eindämmung der Pandemie, aber auch die Unterstützung, die Schutzmaßnahmen, bis wir eine Impfung zur Verfügung haben oder eventuell sogar ein Medikament entwickelt haben.

Inzwischen wird geimpft, und nun gilt es, weitere Schritte seitens der Politik zu setzen, um die Folgen der Pandemie zu lindern und den Weg aus der Pandemie heraus achtsam zu begleiten. Das Ganze kann nur schrittweise passieren, und ein wesentliches Begleit­instrument dazu ist, dass weiter getestet wird. Wir sind Testweltmeister (Bundesrat Steiner: Wie lange noch? Drei Wochen, vier Wochen?), und deshalb ist es im Zuge der umfangreichen Öffnung nun notwendig, dass wir da nicht zurückfallen. Dazu soll heute als Zusatzinstrument die Möglichkeit geschaffen werden, dass an Betriebe Gratistests zur kontrollierten Selbsttestung abgegeben werden. Hierbei geht es um Betriebe, die diese Tests in Ausnahmefällen zur Ergänzung als Zutrittstests für ihre KundInnen und Gäste verwenden können. Das sind zum Beispiel Betriebe wie öffentliche Sportstätten, Freizeit- und Kultureinrichtungen, Alten- und Pflegeheime, stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Niemandem soll nämlich ein Restaurantbesuch, eine sportliche Aktivität nicht möglich sein, weil sein Test eventuell in zwei Stunden ausläuft oder sich jemand noch spontan zur gemütlichen Runde dazugesellen will – oder wenn statt nur einer Enkelin auch die zweite sich spontan dazu entschließt, die Großmutter im Altenheim zu besuchen, sie aber keinen aktuellen Test hat.

Das Ganze ist als Ausnahme gedacht, aber in der Logik absolut sinnvoll, um flächende­ckende Testungen zu ermöglichen. Sicher und schnell zurück zur Normalität: Mit diesem Gesetz setzen wir einen weiteren Schritt dazu. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.17


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Robert Seeber. – Bitte.


13.17.20

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Wir haben vorige Woche die Österreichi­schen Tourismustage im Messezentrum gehabt, und ich habe – auch als oberster Bran­chenvertreter – feststellen können, dass die Stimmung ausgezeichnet war und eine ech­te Aufbruchstimmung im Tourismus herrscht. Es ist auch das Thema der Antigenselbst­tests, über das ich jetzt hier spreche, zur Sprache gekommen. Das wird als eine zusätz­liche Möglichkeit der Testung von unseren Betrieben sehr positiv aufgenommen. Es soll allerdings die Ausnahme und nicht die Regel sein. (Rufe bei der SPÖ.)

Wir freuen uns alle sehr, dass wir nach sieben Monaten die Betriebe mit unseren Präven­tions- und Hygienekonzepten wieder öffnen können. Letztes Wochenende, das Pfingst­wochenende, konnten wir auch zeigen, dass das hervorragend funktioniert. Ich spreche auch aus Erfahrung aus meinen eigenen Betrieben. Ich möchte sagen, fast 98 Prozent sind hereingekommen – und das haben mir auch die Kolleginnen und Kollegen bestä­tigt – und haben schon einen Nachweis einer Testung ungefragt vorgelegt.

Für mich ist wichtig – und wir haben auch unsere Betriebe dahin gehend gebrieft und auch unsere Kunden dementsprechend informiert –, dass es besser ist, getestet zu kom­men. Es gibt aber Regionen in Österreich, wo es nicht ganz einfach ist, einen Test zu


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bekommen – sprich in den ländlichen Regionen. Da ist eben als Ausnahme – ich sage das dazu – ein derartiger Selbsttest, Antigentest, vorgegeben. (Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Schennach und Schumann.)

Unsere Umfragen in der Wirtschaftskammer haben ergeben – es ist ganz interessant, da ein bisschen aufzupassen, auch Richtung FPÖ –, dass das Thema Sicherheit oberste Priorität bei unseren Gästen hat. Das muss man also immer ein bisschen in den Konnex von diesem Schlechtmachen und Schlechtreden aller Maßnahmen, die die Bundesregie­rung macht, stellen. (Bundesrat Steiner: Welche Sicherheit ...?) Wir orientieren uns auch an unseren Kunden, und die Urlaubsentscheidung unserer Gäste ist ganz stark davon abhängig, ob Österreich ein sicheres Urlaubsland ist oder nicht. Das wird von unseren nationalen und internationalen Gästen gewünscht. (Bundesrat Steiner: Sind wir gefähr­lich ...? Sind wir gefährlich?)

Österreich hat einen Ruf als sicheres Urlaubsland, als eines der sichersten weltweit überhaupt, zu verteidigen.

Was die Antigentests selbst betrifft, die genau in dieses Genre hineinspielen, hängt es natürlich davon ab, dass ausreichend Tests zur Verfügung stehen.

Wir haben bereits eine erste Tranche ausgeliefert bekommen, das hat sehr gut funktio­niert. Ich sage dazu: Wenn das der Bund finanziert, ist dies allemal besser als ein weite­rer Lockdown. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Testen, Impfen und die Hygiene­maßnahmen geholfen haben, dass die Zahlen jetzt auf einem extrem niedrigen Niveau sind, daher können wir zusätzliche Öffnungsschritte verkünden. Bereits diesen Freitag wird es wieder eine Verkündung in Richtung weiterer Öffnungsschritte geben, weil die Inzidenzen derart günstig sind. Ich darf mich an dieser Stelle auch bei unserer Bundes­ministerin Elli Köstinger bedanken, die sich sehr dafür eingesetzt hat, dass etwas weiter­gegangen ist.

Der hier anwesenden Ministerin Karoline Edtstadler ebenfalls ein herzliches Danke­schön für das Forcieren des grünen Passes, der – FPÖ aufgepasst! – auch von unseren Betrieben gewünscht wird. – Ihr sagt natürlich: Der grüne Pass? Uninteressant, brau­chen wir nicht. – Er ist der Schlüssel zur Reisefreiheit! (Bundesrat Steiner: Was passiert in Israel mit dem grünen Pass?! Das große Vorbild ...!) Das sagt unseren Betrieben! (Weitere Zwischenrufe des Bundesrates Steiner.) Ihr spielt euch immer als Beschützer der Gastronomie und des Tourismus auf, jetzt redet ihr an ihnen vorbei. Unsere Betriebe wollen den grünen Pass! (Beifall bei der ÖVP.) – Aber es ist, glaube ich, sinnlos.

Jetzt möchte ich noch eine kleine Schleife einbauen, weil es einen Entschließungsantrag der FPÖ gibt. Wir haben nicht mitgestimmt, dass wieder Hochzeiten zugelassen werden. Ich weiß nicht, ob ihr mitbekommt, dass die Öffnungsschritte rapide voranschreiten. Ab Juli gibt es wieder die größeren Veranstaltungen und auch die Hochzeiten, die wir natür­lich auch wollen. (Bundesrat Steiner: Ohne Essen!) Wir wollen, dass wieder gegessen, getrunken, gefeiert wird. Ein paar Wochen (Bundesrat Steiner: Aber die Gastronomie wünscht sich eh Hochzeiten ohne Essen und Getränke ...!), bitte, noch Geduld, dann wird der Impffortschritt so weit sein, dass auch das kein Thema ist! Das weiß auch die Regierung, und daher gibt es Schritt für Schritt weitere Öffnungen. Das ist doch ohnedies etwas Positives. Also nicht immer schlechtreden! Es ist ohnedies bald vorbei, darum haben wir diesem Antrag nicht zugestimmt. (Bundesrat Steiner: Vorbei ist’s erst, wenn die Regierung weg ist! – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.)

Da ich mit den Österreichischen Tourismustagen begonnen habe, noch ein kleiner Hin­weis: Prof. Hengstschläger, ein Humangenetiker, hat dort einen Vortrag gehalten, der ganz interessant war. Wir leben in schwierigen Zeiten, keine Frage, und er hat von einer Lösungsbegabung gesprochen. Das Fördern von Lösungsbegabungen der Menschen bei uns, nicht nur bereits im Kindesalter oder im jugendlichen Alter, ist das, was wir brau­chen. Wir brauchen heute kein Schlechtreden, kein Draufhauen, kein Erzeugen einer


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Negativstimmung im Land. Das braucht der Tourismus nicht, das wollen auch die Men­schen in unserem Land nicht. Die Menschen in unserem Land wollen, dass ihr alle, auch die gesamte Opposition, die Regierung bei dieser Aufbruchstimmung, auch was den Tourismus betrifft, unterstützt. Das ist das, was die Österreicherinnen und Österreicher wollen (Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ), aber nicht dieses ständige unmotivierte Schlechtreden, das will niemand. Unterstützung! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.23


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bettina Anna Lancaster. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.24.12

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geehrte Frau Bundesminister! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Wer­te Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Testen war und ist neben der Impfung ein wesentlicher Bestandteil der Pandemiebekämpfung. Wir von der Sozialdemokratie ha­ben diesen Standpunkt von Anfang an vertreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir waren es auch, die die Gratisselbsttests zu Hause immer wieder eingefordert haben. Nach mehreren Anläufen wurden diese auch umgesetzt. Einen gemeinsamen Modus zu finden, um diese Tests auch als offizielle Eintrittstests zu qualifizieren, interessierte die Regierungsparteien nicht. (Rufe bei der SPÖ: Das wurde immer abgelehnt!) – Das wurde immer abgelehnt, genau. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Auch der Herr See­ber! Auch der Herr Seeber hat mehrmals abgelehnt! Der hat mehrmals abgelehnt, ge­nau!)

Die Vorausschau, das Antizipieren von Entwicklungen gehört eben nicht zu den Qualitä­ten der Regierung. (Beifall bei der SPÖ.) Sie ist eher spontan und von Meinungsumfra­gen geleitet.

Mit den Öffnungsschritten seit dem 19. Mai kommt Bewegung in die Sache, der Druck steigt. Gerade die jungen Menschen, die aus Solidarität mit der älteren Generation viele Einschränkungen in Kauf nehmen mussten, gehören jetzt zur Kategorie der Ungeimpf­ten. Sie brauchen jetzt vermehrt die Tests, um in die Gastronomie, zum Sport, zu Kultur­veranstaltungen und so weiter zu kommen, aber auch für die Besuche zum Beispiel in Pflegeheimen und stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe braucht man eines der drei Gs. Jetzt müssen rasche Lösungen her.

Bei uns in Oberösterreich läuft eine Onlinevariante mit QR-Code an. Zudem wurden die Gemeinden aufgerufen, das Testen unter Aufsicht von Gemeindemitarbeiterinnen und -mitarbeitern anzubieten. In meiner Gemeinde ist seit 14 Tagen eine Teststraße ein­gerichtet, die von ehrenamtlichen FreiberuflerInnen, einer Hebamme und einer diplo­mierten Krankenpflegerin betrieben wird. Die Menschen helfen zusammen, sie sind soli­darisch und schaffen ein möglichst flächendeckendes Angebot.

Der Bedarf ist da, viele lassen sich testen, das sehe ich auch in meiner Kleingemeinde. Es verwundert auch nicht: Die zwei Wirte im Ort, das Fitnesscenter im Nachbarort haben aufgesperrt, das gesellschaftliche Leben kommt wieder in Schwung. Alle freuen sich auf ein Außerhausleben, und eben besonders die ungeimpften Jungen.

Jetzt zum konkreten Gesetzesantrag, und diesbezüglich zunächst einmal zur gewählten Vorgehensweise, wie diese Gesetzesmaterie ihren Weg ins Parlament fand: über Initia­tivantrag und Abänderungsantrag in einer Sondersitzung. Dies erweckt wenig Vertrauen, klingt nach übers Knie gebrochen, um noch etwas zu retten. Die Regierungsparteien demonstrieren damit zum wiederholten Mal, dass sie wenig vorausschauend agieren und an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Opposition kein Interesse haben. Sie arbeiten nach dem Motto: Vogel, friss oder werde angepatzt!


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Nun zum Inhalt des Antrages und des Abänderungsantrages: Viel gibt es dazu nicht zu sagen. Frau Ministerin Köstinger – warum auch immer, das ist nicht schlüssig – wird wieder einmal ermächtigt, Geld auszugeben: Antigentests um 60 Millionen Euro darf sie bis Dezember 2022 beschaffen. Das Gesetz gilt auch rückwirkend bis 10. Mai 2021. Man könnte annehmen, da wurde schon beschafft. Jetzt aber wird es noch einmal spannend: Die Verteilung liegt entsprechend der Abänderung bei den Ländern, und es gibt dafür null Kriterien.

Nach welchem Verteilungsschlüssel sollen nun die Selbsttests auf touristische Einrich­tungen, auf öffentliche Sportstätten, auf Freizeit- und Kultureinrichtungen, auf Alten- und Pflegeeinrichtungen, auf Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, auf Kuranstalten und so weiter verteilt werden? Wir – und ich nehme an, auch die Länder – würden gerne wissen, was auf sie zukommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wird jedes Bundesland eigenverantwortlich handeln? Mit welchen Arbeitskräften? Wer übernimmt die Verteilungslogistik? Übernimmt die Wirtschaftskammer vielleicht die Ver­teilung auch für Nichtkammermitglieder? – Es gibt viel zu viele offene Fragen. Klare Sa­che – nämlich eine halbe Sache aus dem Ministerium –: Die Länder werden die tatsäch­liche Leistung erbringen müssen, und sie werden es wieder tun, aus Verantwortung für die Menschen in unserem Land – eine Verantwortung, die unsere Regierung halt gerne delegiert.

Eigentlich sollte Respektlosigkeit gegenüber demokratischen Gepflogenheiten und un­ausgegorene Ausarbeitung der Materie mit der Verweigerung der Zustimmung quittiert werden. Als konstruktiv-kritische Oppositionspartei gehen wir jedoch einen anderen Weg. Wir stimmen zu, aber wir entlassen die Ministerin nicht aus der Letztverantwort­lichkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht die effiziente, sondern die effektive Verteilung ist das Ziel. Strukturelle Verschwen­dung von Ressourcen ist ein absolutes No-Go für die Sozialdemokratie. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.31


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile dieses. – Bitte.


13.31.22

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ja, es ist richtig: Wir wollen öffnen. Die Österreicher wollen Normalität, die Österreicher wollen aber nicht diese neue Normalität, sondern ihre alte und bekannte Normalität wieder zurück. Es gibt viele Fragen – wir haben es bereits gehört –, die noch offen sind. Eine Frage hat sich allerdings für mich geklärt, nämlich dass die Allmachtfantasie der ÖVP munter weitergeht. Ein Außenstehender könnte sa­gen, dass einem die Grünen ja schon fast ein wenig leidtun.

Zu Beginn hat man noch gesagt, die Grünen sind so etwas wie der Schnittlauch in dieser Suppe, aber inzwischen ist es, glaube ich, nur mehr der Schnittlauch, der neben dieser Suppe steht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Von Beschluss zu Beschluss schwindet der Einfluss dieser Grünen in der Bundesregie­rung, die Grünen sind darin schon nahezu nicht mehr vorhanden. Das ist ja, bitte, nur mehr eine Zweckbindung zum Machterhalt, aber keine ehrliche Partnerschaft mehr. (Bundesrat Schennach: Und ihr hattet eine ehrliche Partnerschaft?! – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Aber wir waren nie Teil dieser Familie, das kann ich auch sagen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage, gerade bei der Beschaffung dieser Antigentests wäre der Gesundheitsminister wahrscheinlich der richtige Ansprechpartner und Zuständige für diese Beschaffung – in


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der türkis-grünen Bundesregierung sieht es allerdings etwas anders aus. Da schaut man, dass man alles bei der ÖVP zentralisieren kann.

Das Landwirtschaftsministerium ist inzwischen zuständig für Telekommunikationsdiens­te, Postdienste, für den Zivildienst und jetzt auch noch für die Beschaffung der Antigen­tests. Ja, schön langsam mutiert dieses Landwirtschaftsministerium zu so etwas wie ei­nem Superministerium, im Volksmund draußen würde man fast sagen: zur eierlegenden Wollmilchsau, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.)

Genau dieses Ministerium ist jetzt auch noch für die Beschaffung der Antigentests zu­ständig. Es ist, wie die Vergangenheit gezeigt hat: Wer alles macht, macht im Endeffekt dann doch wieder nichts. Und wenn die Frau Landwirtschaftsminister vor rund einer Woche sagte, das Fleisch müsste in Österreich um rund ein Drittel teurer sein, kann ich der Frau Landwirtschaftsminister ja nur beipflichten. Eine Aufgabe aber sollte sie schon noch uns als Oppositionsparteien überlassen, nämlich: Forderungen an die Regierung zu stellen. Wenn ein Regierungsmitglied hervortritt und Forderungen an sich selbst stellt, dann wissen wir, wie weit wir mit dieser Bundesregierung bereits gekommen sind. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Gerade bei den Beschaffungsvorgängen im Bereich der ÖVP sollte man doch immer etwas genauer hinschauen. Ich erinnere nur an die Hygiene Austria, an das Rote Kreuz oder die Tests in Tirol, und das Kaufhaus Österreich ist heute schon einmal angespro­chen worden. Ich glaube, da wissen die beiden Regierungsparteien bereits, dass vieles in die Hose gegangen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Schennach.)

Abschließend kann ich den Regierungsparteien und vor allem der ÖVP eigentlich nur mitgeben: Arbeiten Sie oder treffen Sie Ihre Entscheidung zum Wohle der Österreicher! Treffen Sie die Entscheidung zum Wohle des Landes! Stellen Sie Ihre Freunderlwirt­schaft hintan – dafür ist da wirklich kein Platz! Ich kann auch nur empfehlen: Sie sollten Ihre Familie, wie es der Finanzminister ausgedrückt hat, wirklich einmal verkleinern. (Bei­fall bei der FPÖ.)

13.35


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu einem Redebeitrag hat sich Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler gemeldet. – Bitte.


13.36.00

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Eines vorweg: Ich bin gern im Hohen Haus, weil ich unglaub­lich gerne die vielen Meinungen hier höre, auch aufnehme und damit auch selbst Dinge kritisch hinterfrage. Ich merke jetzt in der Diskussion, es gibt unterschiedliche Zugänge, aber ich glaube, ich kann für jeden sprechen, wenn ich sage: Alle begrüßen die Öffnun­gen, alle wollen allen Österreicherinnen und Österreichern wieder Zutritt ermöglichen zu Sportveranstaltungen, Restaurants und Gastronomiebetrieben, zu Kulturveranstaltun­gen, und dies auch im ländlichen Raum, wo es vielleicht nicht so leicht möglich ist, einen Antigentest zu machen, wo man darauf angewiesen ist, einen Selbsttest zu machen.

Ich darf auch eines sagen – ich habe ein wenig den Überblick, was Europa betrifft –: Kein Land Europas und auch kein Land der Welt war auf diese Pandemie vorbereitet. Wir alle haben Woche für Woche dazugelernt, und wenn insbesondere seitens der SPÖ die Kritik kommt, dass man zu spät zu Selbsttests übergeht, dann möchte ich eines her­vorheben: Wir waren eines der Länder, die als erste mit einer umfassenden Teststrategie nach vorne gegangen sind. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schennach und Schar­tel.) Wir sind das Land in der Europäischen Union, das am meisten testet.


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Ich darf auch den Blick zurückwenden, wenn ich sage, dass die Entwicklungen während der Pandemie unglaublich schnell vonstattengegangen sind. Ich kann mich erinnern, dass es in der Zeit, als der Impfstoff am Ende der Entwicklung angelangt war und kurz vor der Zulassung stand, unglaublich viel Kritik gegenüber der Impfung gab – zu Recht, denn es ist in einer Demokratie total zulässig, dass man Dinge hinterfragt, dass man sich erkundigt, was dahintersteckt. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Dann ging es sehr schnell und es entstand Impfneid. (Bundesrat Steiner: Ja, weil die ganzen ÖVP-Minister die Impfung g’fladert haben!)

Der nächste Schritt war, dass wir beim Testen große Diskussionen gehabt haben, ob das sinnvoll ist, ob das in dieser Art und Weise durchführbar ist. Mittlerweile haben sich die Österreicherinnen und Österreicher wirklich gut daran gewöhnt, und wir haben es anhand der Zahlen gesehen, dass damit der durchschlagende Erfolg bei der Pandemie­bekämpfung erreicht werden konnte. Jetzt ist es so weit, dass wir sagen: Wir brauchen auch Selbsttests. (Bundesrat Schennach: Wir haben das viermal schon vorgeschlagen!)

Ich bin selbst auch in einer Teilorganisation der ÖVP verwurzelt, wo ich viel mit Bürge­rinnen und Bürgern spreche, wo der Wunsch besteht (Bundesrat Schennach: ... viermal haben wir das vorgeschlagen! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), diese Selbsttests durchzuführen. – Ja, und jetzt kommt das. Ich möchte wirklich positiv hervorheben, dass Sie dem nun zustimmen.

Wenn Sie mir zuhören, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, dann darf ich Ihnen schon auch mit auf den Weg geben, dass man in der Pandemiebekämpfung alle Hände voll zu tun hat – und zwar ständig und jeden Tag – und dass nicht alles gleichzeitig geht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich möchte hier sehr wohl auch eine Lanze für alle brechen, die 24 Stunden sieben Tage die Woche versucht haben, effektive Möglichkeiten zu ent­wickeln. (Beifall bei der ÖVP.) Dafür ist es gut und richtig, dass diese Selbsttests jetzt beschafft werden können, weil Sie, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, das mit die­sem Gesetz zur Beschaffung ermöglichen.

Die Frage der Verteilung ist natürlich auch eine wesentliche, aber lassen Sie mich eines ausführen: Ich habe von den Tests in Österreich gesprochen, die sehr erfolgreich abge­laufen sind, und wir waren auch Vorbild auf europäischer Ebene. Auf europäischer Ebe­ne hat das Parlament im Zuge der Verhandlungen zum grünen Pass gefordert, dass Tests gratis ermöglicht werden, weil dies eben nicht in allen Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union selbstverständlich ist, wie das bei uns mittlerweile der Fall ist.

Wir setzen mit Ihrer Unterstützung den nächsten Schritt. Mit Ihrer Zustimmung – bezie­hungsweise weil Sie keinen Einspruch gegen dieses Gesetz erheben – kann die Touris­musministerin entsprechend vorgehen. Ich kann Ihnen versichern, dass auch die Frage der Verteilung in einer Art und Weise gelöst werden wird (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), dass möglichst allen Österreicherinnen und Österreichern wieder Zugang zu diesen Einrichtungen und kulturellen Möglichkeiten geboten wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Wie bei den Impfdosen in Europa!)

13.40


13.40.11

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 86

13.40.467. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz über den Verkehr mit Düngemitteln und sonstigen Düngeprodukten (Düngemittelge­setz 2021 – DMG 2021) (796 d.B. und 815 d.B. sowie 10632/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich ersuche um den Be­richt.


13.41.18

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz über den Verkehr mit Düngemitteln und sons­tigen Düngeprodukten (Düngemittelgesetz 2021 – DMG 2021).

Schwerpunkt des Gesetzesbeschlusses ist die Anpassung der innerstaatlichen Regelun­gen an das Unionsrecht durch Einrichtung einer notifizierenden Behörde und einer notifi­zierten Stelle samt Verfahrensregelung unter Berücksichtigung der allgemeinen Verwal­tungsvorschriften.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt daher den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Nicole Riepl. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Kollegin.


13.42.13

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Um den EU-Vorschriften zu entsprechen, müssen eine offi­zielle Behörde und eine autorisierte Stelle eingerichtet werden. Das ist prinzipiell positiv zu unterstreichen.

„Ziel dieses Bundesgesetzes ist die Erhaltung der Bodengesundheit, der Bodenfrucht­barkeit und des Naturhaushaltes zur Sicherstellung einer nachhaltigen Ernährungs­grundlage durch Bereitstellung geeigneter Düngeprodukte unter Berücksichtigung der Kreislaufwirtschaft, der Ressourceneffizienz und des Vorsorgeprinzips zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt.“ – So steht es in § 1, dem Anwendungsbereich der Regie­rungsvorlage. Weiter regelt dieses Bundesgesetz das Inverkehrbringen von Düngemit­teln.

Es bestehen an dieser Regierungsvorlage jedoch drei wichtige Kritikpunkte. So weist das Klimaschutzministerium in seiner Stellungnahme zum Ministerialentwurf darauf hin, dass die generelle Aufnahme von gefährlichen Abfällen im Anwendungsbereich des Düngemittelgesetzes sowie bei den Regelungen zum Inverkehrbringen abfallspezifi­schen Verfahren nicht ausreichend Rechnung trägt und dies eine Abkehr vom Vorsor­geprinzip darstellt.

Ich zitiere aus der Stellungnahme des Klimaschutzministeriums:

„Die ersatzlose Streichung der Bestimmungen zum Abfallrecht sowohl im Anwendungs­bereich als auch bei den Regelungen zum Inverkehrbringen ist abzulehnen. Durch die generelle Aufnahme selbst von gefährlichen Abfällen in den Anwendungsbereich des Düngemittelgesetzes wird den abfallspezifischen Gefahren nicht ausreichend Rechnung getragen. Dies stellt eine Abkehr vom Vorsorgeprinzip dar.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 87

Durch die Schadstoffbegrenzungen im Regime des Düngemittelrechts wird der mögli­chen diversen und variablen Zusammensetzung von Abfällen, die schwer bis unmöglich vorhersehbar ist, nicht ausreichend Rechnung getragen. Auch ‚exotische‘ Schadstoffe wie Rückstände von POP oder organische Schadstoffe können sich in Abfällen wieder­finden. Wenn Abfälle eingesetzt werden, muss nachgewiesen werden, dass im Regime des Düngemittelrechts spezifisch durch diesen Abfall keine Gefährdung im Hinblick auf Boden und Grundwasser eintreten kann.“

Zu den weiteren Kritikpunkten: Die Arbeiterkammer und das Land Vorarlberg weisen darauf hin, dass die Vorlage einen Mangel bei der Kennzeichnungspflicht von Wirt­schaftsdüngern enthält, was dazu führen kann, dass, wenn dieser Schadstoffe enthält, bei einer gemeinsamen Lagerung mit anderen Wirtschaftsdüngern eine Durchmischung passieren und damit jegliche Rückverfolgbarkeit von Schadstoffüberschreitungen verlo­ren gehen kann. In diesem Zusammenhang wird auch der mögliche Transport über weite Strecken kritisiert.

Ich zitiere dazu wieder, und zwar aus der Stellungnahme des Landes Vorarlberg zu § 7 Abs. 3:

„Nach dieser Regelung sind die nach Abs. 2 vorgeschriebenen Kennzeichnungen bei Wirtschaftsdüngern nicht erforderlich, wenn sie von dem Betrieb, in dem sie anfallen, direkt an andere zur Verwendung im eigenen Betrieb oder unter Nutzung gemeinsamer Lager regional abgegeben werden. Gemäß den Erläuterungen ist dabei als ‚regional‘ die Abgabe in demselben oder einem angrenzenden Bundesland anzusehen.

Dies wird in zweifacher Hinsicht kritisch gesehen. Zum einen wird der räumliche Bezug dieser Ausnahmebestimmung (,regional‘) als deutlich zu weit erachtet, da er den Trans­port von Wirtschaftsdünger über weite Strecken unter Entfall der Kennzeichnungspflicht ermöglicht. Dies scheint dem Ziel des ressourceneffizienten Einsatzes von Düngepro­dukten (vgl. Erläuterungen zu § 1) zuwider zu laufen. Zum anderen ist die Ausnahme von der Kennzeichnung für Wirtschaftsdünger bei Nutzung gemeinsamer Lager nicht unproblematisch. Da auch Wirtschaftsdünger Schadstoffe enthalten können, geht bei einer gemeinsamen Lagerung (Durchmischung von Wirtschaftsdüngern verschiedener Herkunft und Qualität) jegliche Möglichkeit der Rückverfolgung von Schadstoffüber­schreitungen sowohl emissions- als auch immissionsseitig verloren. Aus diesem Grund sollten die Wirtschaftsdünger bei Nutzung gemeinsamer Lager sehr wohl der Kennzeich­nungspflicht unterliegen.“ (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Unser Ziel ist es, den Boden und Lebensraum über Generationen zu erhalten und zu schützen. Im Vordergrund müssen immer der Umweltschutz, der Schutz der Ressourcen sowie die Gesundheit von Mensch und Tier stehen, wie es auch angekündigt wurde. Oft wird das zugunsten von großer industrieller Landwirtschaft und Gier hintangestellt, denn der kleine Bauer weiß ganz genau, wie er anbauen muss, um langfristig Qualität zu er­halten, nämlich umweltfreundlich, mit einer abwechslungsreichen Fruchtfolge und so weiter. Dann braucht man keine Chemie, um das Wachstum künstlich voranzutreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um uns alle, um unsere Gesundheit, um nachhaltige Landwirtschaft. Aus den von mir angesprochenen Gründen stimmen wir der Gesetzesvorlage nicht zu. (Beifall bei der SPÖ.)

13.48


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als nächster Redner gelangt Herr Bundesrat Otto Auer zu Wort. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.


13.48.18

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Gäste hier und zu Hause vor den Bild­schirmen! Es geht heute um die Neuerlassung eines Gesetzes. Das Vorgängergesetz


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 88

stammt aus dem Jahre 1994, also noch aus Zeiten vor der Mitgliedschaft Österreichs in der EU. Das hat wirklich schon etliche Jahre auf dem Buckel, und ich denke, es ist gut und richtig, dass wir dieses Gesetz anpassen, damit die Anwendungs- und Inverkehrset­zungsbestimmungen und -vorschriften für alle gleich sind, sprich dass im ganzen EU-Raum für alle Produzenten und alle Anwender dieselben Gesetze und Normen gelten. Das ist eine rein fachliche und sachliche Vorgangsweise. Dabei begleiten uns kontrollie­rende Stellen seitens des Landes. Die Ages und die Labors der Landwirtschaftskammern sind federführend dabei, damit alle Bestimmungen eingehalten werden. Das Gesetz ist ein Regelwerk für Erzeugung und Inverkehrbringung.

Die Anwendung und die Kontrolle werden ebenfalls in diesem Gesetz geregelt, es betrifft alle Mineral- und Wirtschaftsdünger. Wichtig für alle ist, dass für die Landwirtschaft glei­che Vorgaben und damit Chancengleichheit in der Produktion bestehen, keine Nachteile für die eigene Produktion erwachsen und auch Sicherheit in der Versorgung gewährleis­tet ist.

Regelungen für den Handel, der in der EU Düngemittel in den Verkehr bringt, müssen fix sein, damit Anwendersicherheit besteht. Das Ziel muss, so gut es geht, eine flächen­deckende Eigenversorgung und die Gewährleistung einer Zurverfügungstellung von ent­sprechenden Mitteln sein.

Die Landwirtschaft als Hauptanwender dieser produzierten Dünger hat viele Vorgaben. Sie muss genau dokumentieren, wie diese Dünger angewendet werden. Sie darf sie nur bedarfsorientiert, rein zur Ertragssicherung und zur Qualitätssicherung verwenden. Das Ziel der Anwendung der Düngemittel ist immer eine hundertprozentige Versorgung der Menschen in unserem Land mit gesunden, regionalen und frischen Lebensmitteln.

Es ist aber auch eine neue Aufgabe dazugekommen, nämlich die Reststoffverwertung. Wenn wir zurückgehen, sehen wir, dass es die klassischen Wirtschaftsdünger gibt, das sind eben Stallmist, Gülle und Jauche. In der Reststoffverwertung kommen jetzt viele Stoffe dazu, zum Beispiel Kompost oder aus der Industrie, aus der Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten, Produkte, die aus der Zucker- und Stärkeerzeugung übrig bleiben. Diese Produkte schließen eine Kreislaufwirtschaft. Ich denke, diese Nach­haltigkeit und diese Wiederverwertung können beispielgebend für viele andere Produk­tionszweige und Verwendungen sein.

Das Ziel, das wir, das die Landwirtschaft mit diesem Gesetz verfolgen, ist eine Ressour­censchonung und die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit für die nächsten Generationen, damit auch in Zukunft die Versorgung mit Nahrungsmitteln, die auf gesunden und gut versorgten Böden produziert werden, gewährleistet ist. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.51


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.51.53

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Frau Mi­nister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es braucht gemeinsame Maßnahmen und Ziele, um größtmöglichen Schutz für die Men­schen, Tiere, die Umwelt sowie die wirtschaftlichen Interessen unter einen Hut zu brin­gen. Dies gilt für uns Freiheitliche auch beim Düngemittelrecht.

Worum geht es bei dieser Änderung? – Das heimische Düngemittelrecht soll an die EU-rechtlichen Vorgaben angepasst werden, um einen reibungslosen Markt mit Düngepro­dukten zu gewährleisten. Hauptgesichtspunkt in der dazu im Parlament eingelangten Regierungsvorlage ist die Errichtung einer notifizierenden Behörde, einer notifizierenden


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 89

Stelle, von der bewertet wird, ob Düngeprodukte den Anforderungen der EU-Düngemit­telverordnung entsprechen, nicht zuletzt im Hinblick auf den Schutz von Mensch und Tier sowie des Bodens und der Natur. So soll auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft die Wiederverwertung von Reststoffen als Düngemittel gefördert werden.

Für die Bewertungsagenden sieht der Gesetzesvorschlag schon bisher mit amtlichen Kontrollen betraute Institutionen für Beschlagnahmen und Strafverfahren vor, das Bun­desamt für Ernährungssicherheit und die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicher­heit. Der zusätzliche Kostenaufwand im Rahmen der Konformitätsbewertung von jährlich 73 000 Euro für ein Vollbeschäftigungsäquivalent soll durch Gebührenvorschreibungen gedeckt werden.

Der effiziente Einsatz der Düngemittel durch unsere Landwirte hat bereits in den letzten Jahren seit 1995 zu einer Reduktion des Mineraldüngereinsatzes von 34 Prozent beige­tragen. Mit dem Düngemittelgesetz werden die Kennzeichnung und Kontrolle der Dünge­mittel sowie die Transparenz durch ein öffentlich zugängliches Register verbessert. Weiters beinhaltet das zu verabschiedende Gesetz die Beschränkung der Zulassung einzelner Produkte auf zehn Jahre und damit die neue Wiederbewertung.

Für uns Freiheitliche ist es auch wichtig, dass der Humusaufbau gefördert wird, weil die­ser nicht nur für die Ernährungssicherheit, sondern auch zur Speicherung von CO2 wich­tig ist. Der freiheitliche Leitsatz zu Bodengesundheit, Bodenfruchtbarkeit und Naturhaus­halt zur Sicherstellung einer nachhaltigen Ernährungsgrundlage durch Bereitstellung ge­eigneter Düngeprodukte unter Berücksichtigung der Kreislaufwirtschaft, der Ressour­ceneffizienz und des Vorsorgeprinzips zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt findet im neuen Düngemittelgesetz 2021 seine Berücksichtigung. (Beifall bei der FPÖ.)

Das dahinterstehende übergeordnete Ziel ist, eine nachhaltige und bodenschonende Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen zur Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sicherzustellen. Im Rahmen der Zulassung, Kenn­zeichnung und Kontrolle soll eine bestmögliche Zielerreichung gewährleistet werden.

Ein weiterer wesentlicher Grund für die Neuerlassung des Düngemittelgesetzes ist die Anpassung an Vorgaben des Unionsrechts. Nur zur Information und zum Verständnis für die Nichtbauern: Die Düngung ist in der konventionellen Landwirtschaft wichtig, aber auch in der Biolandwirtschaft wird im Übrigen gedüngt, in der konventionellen vorwie­gend mit Mineraldünger und in der Biolandwirtschaft mit organischem Dünger. Zusätzlich wird auch der Einsatz von neuen Technologien zur Düngemittelreduktion beitragen, ganz präzise Landwirtschaft durch die Anwendung neuer Technologien, sodass man zum Beispiel nicht ein ganzes Feld düngt, sondern nur punktuell dort, wo es notwendig ist.

Wir Freiheitliche werden keinen Einspruch erheben und dem Gesetz mit dem Kritikpunkt, dass im Gesetz mehr auf Strafen und weniger auf Beraten gesetzt wird, unsere Zustim­mung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

13.56


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Kollege.


13.56.18

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werte Frau Bundes­minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte ZuseherInnen! Es geht vor allem um eine technische Anpassung an die EU-Düngemittelverordnung. Wirklich neu dabei ist die Beschränkung der Zulassung der jeweiligen Produkte auf zehn Jahre. Diese Be­schränkung sehen wir auch vor dem Hintergrund des Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie positiv, welche eine Halbierung der Nährstoffverluste und eine Reduktion


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 90

des Düngemitteleinsatzes um 20 Prozent bei gleicher Bodenfruchtbarkeit zum Ziel ha­ben. Daraus folgt, dass im Bereich der – Klammer auf: Kunst-, Klammer zu – Düngung weitere Veränderungen vor der Tür stehen und daher die Produkte immer wieder neu zu bewerten sind. Ein zeitliches Ablaufdatum macht daher durchaus Sinn.

Ich selbst lebe in einer Region, die manchmal auch als Porkbelt – als Schweinegürtel – bezeichnet wird, wo die konventionelle Schweinemastung und der Maisanbau eine gro­ße Rolle spielen. Neben dem Ammoniakproblem, das wir durch die Gülle haben, werden die Böden durch den jahrzehntelangen kontinuierlichen Maisanbau auch immer nähr­stoffärmer. Der Humusgehalt sinkt, und der Kunstdüngerbedarf ist konstant hoch. Diese Spirale gilt es zu durchbrechen, und zwar aus mehreren Gründen.

Nehmen wir einmal die Energieseite: 170 Kilo Stickstoffdünger – das ist die pro Hektar erlaubte Menge – benötigen in der Erzeugung 340 Liter Diesel, die Energie umgerechnet in Diesel wäre also 340 Liter Diesel. Das heißt nichts anderes, als dass der Bauer, bevor er noch seinen Traktor gestartet hat, schon 340 Liter Diesel verbraucht hat.

Nehmen wir die Bodenfruchtbarkeit: Der Humusgehalt ist in den letzten Jahrzehnten durch diese einseitige Form der Bewirtschaftung, die eben nur den hohen Ertrag im Fokus hatte, stetig gesunken. Er liegt derzeit in meiner Region größtenteils nur mehr bei 2 Prozent. Wenn der Boden nur mehr 1 Prozent Humusgehalt hat, dann ist es vorbei, dann spricht man von Wüste, dann hilft auch das Düngen mit Kunstdünger nichts mehr. Sehr viel Spielraum haben wir also nicht mehr. 1 Prozent Humus liefert 25 Kilogramm löslichen Stickstoff pro Hektar. Ein hoher Humusgehalt würde also auch die Menge der Stickstoffdüngung reduzieren, ganz zu schweigen von den anderen positiven Eigen­schaften und Auswirkungen eines hohen Humusgehaltes wie einer höheren Wasser­speicherfähigkeit und damit besserem Hochwasserschutz und besserem Überstehen von Hitzeperioden oder einem höheren Grad von CO2-Bindung im Boden.

Angesichts der Klimakrise ist gerade die CO2-Bindung im Boden ein ganz, ganz wichtiger Hebel, der viel Potenzial bietet, die Klimaerwärmung einzudämmen. Aus meiner Sicht wird ein guter Humusgehalt der Böden gerade angesichts der Klimakrise wichtiger denn je. Anstatt dass wir Humus aufbauen, indem wir zum Beispiel wirklich flächendeckend eine Winterbegrünung sicherstellen, wird der Humusgehalt durch Stickstoffüberversor­gung aber weiter reduziert. Und wozu das alles? – Wir sind derzeit in einem System, in dem nur der hohe Ertrag zählt. Aber wofür? – Es kommt zu einem Überangebot, und die Preise fallen in den Keller.

Das System: Wachse oder weiche!, ist an seine Grenzen gestoßen. Wir können das nicht ewig so weiterspielen, das geht sich irgendwann nicht mehr aus. Das gilt natürlich nicht nur für die Landwirtschaft. Es gilt, einen Weg zu entwickeln, bei dem Qualität und nicht Masse im Vordergrund steht (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ), bäuerliche Betriebe durch faire Preise überleben können und wir nach­haltig unsere Grundlagen wie zum Beispiel die Böden in gutem Zustand erhalten. Wir brauchen einen Weg, auf dem wir Abhängigkeiten auch bei Futtermitteln abbauen, wieder mehr auf Eigenversorgung setzen und damit auch mehr Sicherheit bekommen.

Ein Baustein in Richtung mehr Qualität ist die in der Vorwoche im Nationalrat beschlos­sene Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels mit dem Ziel, dass nur mehr Fleisch aus GVO-freier Fütterung, also mit Futtermitteln, die nicht gentechnisch verändert wurden, das AMA-Gütesiegel tragen darf. Das ist wirklich ein Meilenstein, denn das bedeutet nichts anderes als das Ende der Sojaimporte aus Übersee, Soja, für das der Regenwald gerodet wurde und das Tausende Kilometer bis zu uns unterwegs ist. Natürlich geht es nicht von heute auf morgen, 500 000 Tonnen Soja oder andere Eiweißfrüchte selbst an­zubauen, aber wie schon im Bekenntnis zum Aufbau einer heimischen Eiweißstrategie im Regierungsprogramm ist mit diesem Vorhaben der Weg in die richtige Richtung ein­geschlagen.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 91

Ebenso wird das AMA-Gütesiegel in Zukunft noch höhere Tierwohlstandards beinhalten, und veränderte, tierfreundlichere Haltungssysteme bringen auch eine andere Form von Dünger mit sich, die etwa durch Festmist oder Kompost neben der Nährstoffversorgung auch positive Nebeneffekte wie eben Humusaufbau und Förderung des Bodenlebens haben.

Die nationale Umsetzung der kommenden GAP-Förderperiode bietet uns jetzt auch die Möglichkeit, in Richtung mehr Tierwohl, gesündere Böden und damit auch mehr Resi­lienz zu fördern und so auch die Landwirtschaft zum Teil der Lösung der Klimakrise zu machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

14.02


14.02.34

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich ersuche, die Plätze einzunehmen. – Ich sehe, die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist damit angenommen.

14.03.238. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (1380/A und 816 d.B. so­wie 10633/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist erneut Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich bitte um den Bericht.


14.03.43

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflan­zenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird.

Der Gesetzesbeschluss sieht ein Teilverbot für die Verwendung von Pflanzenschutz­mitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat für jene Bereiche vor, die in der Öffentlichkeit als besonders sensibel wahrgenommen werden und die gemäß dem einschlägigen Unions­recht als zulässig bewertet werden können.

Das Verbot soll die nicht berufliche Verwendung sowie das Inverkehrbringen zur Vorern­tebehandlung, sofern das Erntegut für Lebens- oder Futtermittelzwecke bestimmt ist, sowie den Haus- und Kleingartenbereich umfassen.

Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 92

14.04.49

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren, die via Livestream an unserer Bundesratssitzung teilnehmen! Das Thema Pflanzenschutz und die Anwendung des Wirkstoffes Glyphosat wurde in den letzten Monaten und Jahren sehr intensiv und auch sehr emotional diskutiert. Das ist zu einem gewissen Grad auch verständlich, geht es doch um gesellschaftliche Interessen und Ansprüche, die zum The­ma Pflanzenschutz und deren Anwendung zu Recht berücksichtigt werden müssen.

Wer hat wohl größeres Interesse, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, als die Bäue­rinnen und Bauern in unserem Land, die durch ihre Bewirtschaftung hochwertigste Le­bensmittel erzeugen, die Kulturlandschaft, Lebens- und Erholungsraum für die Zukunft sicherstellen? Diese schöne und erfüllende, aber auch herausfordernde Aufgabe neh­men unsere Bäuerinnen und Bauern gerne an und sind stolz darauf. Dafür, denke ich, gebührt ihnen wirklich ein aufrichtiger Dank.

Leider kommt in der Diskussion die Sachlichkeit sehr oft zu kurz, denn wenn wir uns die nachhaltige Produktionsweise unserer österreichischen Landwirtschaft anschauen und mit anderen Ländern vergleichen, hat sich seit dem EU-Beitritt durch die Teilnahme an den Umweltprogrammen vieles verbessert. Tatsache ist – und das müssen wir zur Kenntnis nehmen, ob es uns passt oder nicht –, ein gänzliches Glyphosatverbot auf na­tionaler Ebene ist nach EU-Recht nicht möglich – Punkt.

Wer bewertet das in der EU? – Wir haben in Europa zwei Institutionen, die Efsa, die Europäische Behörde für Ernährungssicherheit, und die Echa, das ist die Europäische Agentur für Chemikalien. Auch dort wird dieses Thema von Experten und von der Wis­senschaft begleitet, geprüft und bewertet. Ganz wesentlich dabei ist, dass sich Anwen­der auf wissenschaftliche Grundlagen und Studien verlassen können müssen und nicht politischer Willkür ausgesetzt sind.

Österreich hat beim letzten Zulassungsverfahren des Wirkstoffes Glyphosat gegen eine weitere Zulassung gestimmt, ist aber in der Minderheit geblieben. Das ist die Realität und die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ. Das haben Sie auch genau gewusst, als Sie Anfang März Ihren Entschließungsantrag für ein Totalverbot im Bundesrat eingebracht haben. Ihnen ist es nicht um eine sachliche und fachliche Diskus­sion gegangen, sondern mehr um politische Agitation. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie wird es jetzt weitergehen? – Unsere Frau Bundesminister Elisabeth Köstinger und unsere Regierungsparteien sind aktiv geworden, haben nach Vorbild des Bundeslandes Kärnten auf die Bedenken der Europäischen Kommission reagiert und bringen nun ein gemeinsames Teilverbot auf den Weg, das wir heute zu beschließen haben.

Einige Details dazu: „Verboten ist das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat

1. hinsichtlich der Indikation Vorerntebehandlung einschließlich ‚Sikkation‘, sofern das Erntegut für Lebens- und Futtermittelzwecke bestimmt ist,

2. für den Anwendungsbereich“ – zusammengefasst: auf allen öffentlich zugänglichen Flächen –,

„3. für den Haus- und Kleingartenbereich,

4. für die nicht-berufliche Verwendung, sofern kein Sachkundenachweis vorliegt.“

Dies ist ein Teilerfolg, der auch auf europäischer Ebene zulässig ist.

Generell wurde die Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat in der Europäischen Union bis 15.12.2022 erteilt, und es ist ein Bewertungsverfahren auf EU-Ebene in Gang, bei dem


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 93

insbesondere Gesundheits- und Umweltaspekte für eine weitere Zulassung ausschlag­gebend sind.

Im österreichischen Umweltprogramm wird der Einsatz von Pflanzenschutzmittel jetzt schon nicht gefördert, daher werden auch keine Steuermittel für die Verwendung von Pflanzenschutzmittel aufgewendet. Das österreichische Umweltprogramm ist ein freiwil­liges Programm, besteht aus vielen verschiedenen Maßnahmen und beschränkt sich nicht nur auf Herbizidverzicht. Österreich ist Vorreiter in der europäischen Landwirt­schaft, was Umweltprogramme, Klimaschutz, Biodiversität und nachhaltige Bewirtschaf­tung in der Landwirtschaft betrifft. Viele EU-Mitgliedstaaten schließen sich den Grundsät­zen der österreichischen Agrarpolitik an und wollen in ihren Ländern ähnliche Program­me schreiben und umsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Meine Erkenntnisse aus der Diskussion zum Pflanzenschutz, aber auch im Zusammenhang mit der Coronapandemie haben eines ganz, ganz deutlich gezeigt: Die Landwirtschaft in Österreich hat die Grund­versorgung in der Zeit der Krise sichergestellt. Das heißt, die Landwirtschaft ist sys­temrelevant. Und ich stelle die Frage: Wann ist uns das eigentlich in den letzten Jahren bewusst geworden? – Ganz besonders bewusst, denke ich, im vergangenen Jahr. Ei­gentlich wurde aber immer davon ausgegangen und es als selbstverständlich erwartet.

Die Konsumenten und Konsumentinnen – das spürt man direkt – sind noch sensibler geworden und wollen wissen, wo die Lebensmittel herkommen und wie die Lebensmittel produziert werden. Dazu haben sie auch ein Recht. Es ist eine Partnerschaft entstanden, die es auch in Zukunft zu vertiefen gilt, um unser Genussland Österreich auszubauen. Wir Bäuerinnen und Bauern sind stolz, dass wir diesen Tisch so reich decken können. Nutzen wir gemeinsam diese Chance und packen wir es gemeinsam an. Ich bitte um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.12


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Bundesrat Günther No­vak. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.12.33

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Herr Gfrerer hat es ja schon richtig festgestellt, ich kann das Ganze nur noch verstärken: Im Grunde genommen sind wir uns ja einig, dass dieses Dreckszeug verboten gehört! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich werde Ihnen einen Leserbrief vorlesen. Es ist ja meine Spezialität, Leserbriefe zu lesen, in diesem Fall aus der „Kronen Zeitung“ von einem Peter Grandits aus Stinatz. Er schreibt: „Wie gefährlich das Acker- und Umweltgift Glyphosat ist, wissen schon die meisten Volksschul- und Kindergartenkinder. Nur unsere ‚Volksvertreter‘“ – unter Anfüh­rungszeichen – „leiden anscheinend an einer Bildungslücke oder sind, anders formuliert, Ignoranten und Realitätsverweigerer. Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn man den jüngsten Parlamentsbeschluss“ – also im Nationalrat – „bezüglich eines Teilverbots von Glyphosat ansieht.“

Na ja, gar so unrecht hat er nicht. Wenn wir uns anschauen, dass Glyphosat aus Amerika vom Monsanto-Konzern kommt – und, glaube ich, auch von Bayer in Deutschland ver­trieben wird – und seit 1970 in Massen als Unkrautvernichtungsmittel zum Einsatz kommt, kann man feststellen, dass es mengenmäßig das mit Abstand am meisten ver­triebene Produkt unter den Herbiziden ist. Das muss man ja bei jeder Gelegenheit immer wieder dazusagen – und auch dass es ein Milliardengeschäft ist.

Es wundert daher kaum, dass Glyphosat nach jahrzehntelangem Einsatz bei den ver­schiedensten Lebensmitteln, in Gemüse, in Obst, mittlerweile leider auch bereits – ich


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 94

habe es in einer Abhandlung gelesen, das sauge ich mir ja auch nicht aus den Fingern – in Muttermilch ganz klar und eindeutig nachweisbar ist. Seit vielen Jahren steht Glypho­sat jedoch im massiven Verdacht, wirklich äußerst schädlich für die Natur und für den Menschen zu sein. Wenn auch die WHO Glyphosat als wahrscheinlich – das muss ich noch betonen – krebserregend einstuft, herrscht zu Recht große Aufregung. Wenn man sich die Befürworter und die, die dagegen sind, anschaut, sind diese ja sehr massiv unterwegs, und es wird auch oft mit wissenschaftlichen Studien untermauert, was deren Meinung ist.

Die Gefährlichkeit für die Umwelt, für die Amphibien, die Insekten, die Bienen – wir ha­ben gerade den Bienentag gehabt – ist relativ klar. Ich glaube – und da bin ich nicht alleine –, dass Glyphosat eine tickende Zeitbombe ist und dass diese schädlichen Aus­wirkungen im gesamten Umfang von uns allen noch nicht einschätzbar sind.

Wenn irgendwo etwas Negatives aufgekommen ist oder man gegen diese Firmen, gegen diese großen Chemiekonzerne irgendetwas vorgebracht hat, haben sie immer wieder versucht, es niederzuklagen. Man hat gesehen, dass die angestrebten Prozesse in den USA immer in einem Vergleich geendet sind und die Geschädigten eigentlich im Großen und Ganzen recht bekommen haben.

Wenn man heute zehn Leute zum Thema Glyphosat anspricht, werden sicher neun sa­gen, sie wollen mit diesem Zeug nichts zu tun haben, weil sie alle glauben, dass die Gesundheit dadurch gefährdet wird.

Wenn ich jetzt – Kollege Gfrerer hat es gerade erwähnt – daran denke, dass 2022 die Wiederzulassung ins Haus steht, dann kann ich mir vorstellen, dass die Lobbyisten schon fleißigst unterwegs sein werden und versuchen, Glyphosat wieder bewilligen zu lassen, weil es ein Milliardengeschäft ist. Die Frau Landwirtschaftsministerin ist heute nicht hier, deshalb frage ich die Frau Europaministerin – sie wird ja wahrscheinlich schon wissen, in welche Richtung es geht und wie es mit Glyphosat weiter ausschaut –, ob es eine Wiederzulassung geben wird.

Ja, es ist schon richtig, Herr Kollege Gfrerer: Wir Sozialdemokraten haben immer wieder versucht, hier – und ich glaube, auch als wir noch im Parlamentsgebäude drüben waren, sei es im Nationalrat, sei es im Bundesrat – Entschließungsanträge, was auch immer, einzubringen. Vielleicht ist es aber doch nicht so negativ zu sehen: Wenn wir heute nicht hier wären, um diese Kleinigkeit zu beschließen – dass wir Glyphosat bei uns in Öster­reich außer in der Landwirtschaft nicht mehr zulassen, das betrifft wahrscheinlich 10 Pro­zent –, wäre es wahrscheinlich gang und gäbe, dass es weiterverwendet wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Ich möchte aber auch – und ich werde ganz genau hinhören, wenn Herr Lackner heute hier redet – die Meinung der Grünen hören, weil die Grünen bei diesem Beschluss immer mit uns mitgezogen sind. Da wir das gemeinsam gemacht haben, möchte ich wissen, ob die Grünen in Zukunft auch bereit sind, zu beschließen, dass es in der Landwirtschaft nicht mehr eingesetzt wird. Herr Gross hat uns so getadelt, weil wir beim Investitionsprä­miengesetz nicht zugestimmt haben. Das schaue ich mir heute noch einmal ganz genau an! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Es wurde auch schon gesagt, dass wir diesen Antrag immer wieder eingebracht haben. Wir haben ja eine Zwischenregierung gehabt, und wir wissen, was dann passiert ist. Wir wissen, dass es mit dem geltenden Unionsrecht nicht vereinbar war, das ist keine Frage. Der Druck hat es aber wahrscheinlich ausgemacht, dass wir heute hier stehen und zu­mindest einmal den ersten Schritt beschließen.

Was wir heute hier beschließen – und das kann ich auch Herrn Gross noch einmal ins Tagebuch schreiben –, habt ihr in Vorarlberg nicht zusammengekriegt. Das haben nur


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 95

wir in Kärnten mit unserem Landeshauptmann Peter Kaiser, mit allen Parteien zusam­mengekriegt, sonst würde wahrscheinlich auch dieser Beschluss heute hier nicht am Tisch liegen. Dort wurde ein einstimmiger Beschluss gefasst, sodass Glyphosat neben Hunderten zusätzlichen Pestiziden, die wir auch verboten haben – sodass nur mehr 13 übergeblieben sind –, im Grunde genommen aus der täglichen Anwendung weggekom­men ist. Das, glaube ich, kann man den Kärntnern verdanken, da in Kärnten jetzt nicht nur in den Einzelhaushalten, sondern auch von den Österreichischen Bundesbahnen und der Asfinag langsam kein Glyphosat mehr eingesetzt wird.

Es ist also ein langer Weg, und die EU hat dem ja auch zustimmen müssen. Wenn man sich die Zeitungen ein bisschen genauer anschaut, dann sieht man zum Beispiel, dass der Vorstandsdirektor der Spar, Herr Drexel, in diesem Bereich immer wieder einer war, der versucht hat, dass man das Glyphosat in weiterer Folge wegbekommt.

Jetzt ist es ganz klar an der Bundesregierung, auch im Bund Nägel mit Köpfen zu ma­chen und in Richtung EU zu agieren, um zu schauen, dass Glyphosat in weiterer Folge in Österreich nicht mehr eingesetzt wird.

Ich fasse zusammen: Der mit Abstand größte Anwender ist die Landwirtschaft: 90 Pro­zent. Von den restlichen 10 Prozent reden wir heute. Wie soll man der Bevölkerung er­klären, dass Glyphosat in privaten Gärten, auf Sportplätzen, bei Kindergärten, auf Spiel­plätzen und so weiter nicht mehr eingesetzt wird, in der Landwirtschaft aber in Zukunft sehr wohl?

Würde Frau Köstinger heute hier sitzen, dann würde ich sie fragen – und das geht viel­leicht auch an Sie, Frau Bundesministerin –: Wenn ich mir das so vorstelle, was ich gele­sen und im Fernsehen gesehen habe, dass die Wirtschaftskammer und die Landwirt­schaftskammer darüber nachgedacht haben, das Mercosur-Abkommen mit Südamerika in weiterer Folge um- oder durchzusetzen, dann meine ich, dass da zwei Welten aufein­anderprallen: auf der einen Seite die Wirtschaft, auf der anderen Seite die Landwirt­schaft. Wie dieses Spiel ausgehen wird, darauf bin ich wirklich gespannt. Wir wissen alle, dass in Südamerika – in Brasilien, Argentinien oder wo auch immer – massivst 5 000-mal mehr als bei uns – Glyphosat und Pestizide eingesetzt werden. Dann werden wir Mais bekommen, von dem wir ja zu wenig haben, Fleisch, Sojafrüchte und so weiter, das alles wird nach Europa kommen, damit man Autos von Deutschland Richtung Süd­amerika bringen kann. Ich bin gespannt, wie das ausgeht. Das hätte ich heute auch gerne gefragt.

Wie auch immer, diese Ahnung wird sich wohl irgendwann auf einem niedrigen Niveau erfüllen, dass man schlussendlich sagt: Ja, das Mercosur-Abkommen müssen wir doch unterzeichnen. Da wird man das eine oder andere, wovon wir heute hier reden, wieder vergessen haben.

Wenn wir es mit dem Schutz der Natur für unsere Bevölkerung wirklich ernst meinen, dann kann nur ein klares Verbot von Glyphosat unser Ziel sein, meine Damen und Her­ren. Das sind wir unseren Kindern und den uns nachfolgenden Generationen schuldig. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.22


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Thomas Schererbauer. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.22.55

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Mit diesem Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird, setzen wir einen kleinen, aber wich­tigen Schritt in die richtige Richtung. Das Teilverbot des umstrittenen Unkrautvernich­tungsmittels Glyphosat wird umgesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 96

Der Antrag sieht vor, dass Glyphosat an sensiblen Orten wie Kinderspielplätzen, Parks, Einrichtungen der Altenbetreuung oder Gesundheitseinrichtungen nicht mehr zum Ein­satz gebracht werden darf. Ebenso sind der Haus- und Kleingartenbereich und die pri­vate Verwendung betroffen. Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat wird an jenen Orten eingeschränkt, die in der Öffentlichkeit als be­sonders sensibel wahrgenommen werden. Dazu zählen etwa Sport- und Freizeitanla­gen, Schulen, Kindergärten, Garten- und Parkanlagen, Friedhöfe oder Einrichtungen der Behindertenhilfe. Außerdem werden besonders sensible Personengruppen wie Kinder, ältere oder erkrankte Personen geschützt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Teilverbot kann am Ende des Tages nur ein unbürokratisches Totalverbot als Ziel haben. Das sehen im Übrigen namhafte Umweltexperten genauso. Helmut Burtscher-Schaden bezeichnet das Teilverbot als eine (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) „Light-Version“. Es sei eine Mogel­packung. Die Landwirtschaft als Hauptverursacher der österreichweit ausgebrachten Menge an Glyphosat sei ausgeklammert. Wäre es der Regierung tatsächlich ernst damit, den Einsatz von Glyphosat in Österreich zu reduzieren, dann würde sie den Verzicht auf Glyphosat zur Voraussetzung für den Erhalt von Agrarumweltförderungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik machen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Es ist sehr bedauerlich, dass sich der Gesetzesantrag nur auf die kleinteilige private Anwendung bezieht, das Gift in der Land- und Forstwirtschaft aber weiterhin versprüht werden darf, kritisiert Natalie Lehner, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace Öster­reich. Die Menschen in diesem Land wollen kein Gift auf ihren Feldern oder Tellern.

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid. 2015 wurde es von der Internationalen Agentur für Krebsforschung IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO als beim Menschen wahrscheinlich krebserregend eingestuft.

Immer wieder wird die Frage gestellt: Birgt Glyphosat Gefahren für den Menschen und kann es Schäden in der Natur anrichten? – Viele Studien bringen die Verwendung von Glyphosat mit negativen gesundheitlichen Folgen in Verbindung. Reizungen der Haut und der Augen, Schwindel, Kopfschmerzen, Husten oder Kreislaufprobleme können bei der Anwendung auftreten. Bei vielen der negativen gesundheitlichen Auswirkungen han­delt es sich um chronische oder langfristige Erkrankungen.

Die negativen Auswirkungen auf das Ökosystem werden auch von der europäischen Behörde Efsa beschrieben. Als Totalherbizid tötet Glyphosat jede nicht gentechnisch veränderte Pflanze auf dem gespritzten Feld ab. Die gleiche verheerende Wirkung wie auf Pflanzen hat Glyphosat auch auf Bakterien. Was viele nicht wissen: Glyphosat ist auch ein patentiertes Antibiotikum. Nicht zuletzt wird dieses Pestizid als eine der maß­geblichen Ursachen für das weltweit zu beobachtende Amphibiensterben angesehen.

Aus diesen Gründen sind die negativen Auswirkungen des meisteingesetzten Ackergifts auf Ackerflora und Ackerfauna fatal. Die biologische Vielfalt nimmt mit dem vermehrten Einsatz mehr und mehr ab. Regenwürmer und Bodenbakterien werden dezimiert, damit gehen wichtige Funktionen eines gesunden Bodens verloren. Da Glyphosat alle Pflan­zen tötet, die nicht dagegen resistent sind, wird vielen Tieren ihr Lebensraum entzogen. Weniger Wildpflanzen auf und neben den Ackerflächen bieten weniger Lebensraum für Wildbienen, Schmetterlinge und andere Insekten, die in unserem Ökosystem eine wichti­ge Rolle spielen. Kollege Günther Novak hat schon erwähnt, dass die ökologische Viel­falt darunter sehr leidet.

Da Glyphosat das weltweit am meisten eingesetzte Herbizid ist, kann es inzwischen in fast allen konventionell hergestellten Lebensmitteln nachgewiesen werden. Mein Kollege Michael Bernard wird dazu heute noch einen Entschließungsantrag betreffend „Glypho­satkennzeichnung für Lebensmittel“ einbringen.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 97

Das Verbrauchermagazin „Öko-Test“ hat Glyphosat in Linsen, Kinderkeksen, Schoko­müsli, Mehl und Brot nachgewiesen. Funde in der Muttermilch und im Urin zeigen eben­falls, wie universell Glyphosat verwendet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. Diesem Antrag werden wir unsere Zu­stimmung geben, ein Totalverbot von Glyphosat muss jedoch das erklärte Ziel sein. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

14.28


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte.


14.28.16

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Im Prinzip haben wir diese Diskussion vor zwei Monaten hier im Haus sehr emotional geführt, wie immer, wenn es um Glyphosat geht. Kurz noch einmal zum Wesentlichen: Grundsätzlich wollen wir Grü­ne ein generelles Glyphosatverbot. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Klar ist mittlerweile aber auch, dass ein österreichischer Alleingang nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Was national möglich ist, sind Teilverbote, und die machen wir auch. Es freut mich, dass es hierzu gestern auch Einstimmigkeit im Landwirtschaftsausschuss gab.

Mit dem Teilverbot schützen wir besonders vulnerable Personen, sensible Personen­gruppen sowie nicht geschulte AnwenderInnen. Es kommt auch zu Verboten im Bereich der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Anwendung. Wir werden nämlich die Vorerntebehandlung – das ist die Behandlung, bei der noch Glyphosatrückstände in Le­bensmitteln bleiben – in Österreich mit dem heutigen Beschluss verbieten.

Wir setzen uns ganz generell dafür ein, dass das Öpul-Programm verstärkt auf den Ver­zicht von Pestiziden in der Landwirtschaft hinsteuert und die Biolandwirtschaft ausge­baut wird. Es ist unser klares Ziel, die GAP stärker zu ökologisieren, wie wir uns auch dafür einsetzen, die Agrarförderungen gerechter zu verteilen.

Entscheidend in der Glyphosatfrage ist, was auf EU-Ebene passiert. Nächstes Jahr fällt dort die wichtige Entscheidung. Die Zulassung in der EU läuft 2022 aus. Durch die neue programmatische Ausrichtung der EU-Kommission – Stichwort Green Deal, Farm-to-Fork-Strategie – sind die Chancen, dass es zu keiner Verlängerung der Genehmigung kommt, erheblich gestiegen.

Wie sich die europäischen Grünen in dieser Frage verhalten und wie sie abstimmen werden, ist sonnenklar. Wir treten ganz entschieden gegen eine Verlängerung der Zulas­sung ein. Wichtig dafür, ob eine Mehrheit gegen eine Verlängerung zustande kommt, wird nicht zuletzt das Abstimmungsverhalten der europäischen Fraktion der Sozialdemo­kraten sein. Also liebe SPÖ! Ich gehe natürlich davon aus, dass alle nationalen Abgeord­neten gegen eine Verlängerung und somit für ein Verbot stimmen werden. Überzeugen Sie bitte aber auch Ihre Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Mitgliedsländern. (Bundesrätin Schumann: Na geh! ...!) Dann sieht es sehr gut aus, dass es eine Mehrheit geben wird. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.31


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Michael Ber­nard. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.31.22

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Der Pflanzenschutz ist zweifellos ein schwer emotionales Thema.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 98

Ich möchte hier nochmals festhalten, dass unsere Landwirte mit der größtmöglichen Sorgfalt Pflanzenschutzmittel einsetzen und natürlich auch in die Wissenschaft und in die Behörden, die diese Substanzen genehmigen, Vertrauen haben. Das Ziel der Land­wirte ist es, saubere, gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu produzieren. Das schaffen unsere Landwirte in der konventionellen Produktionsweise und in der biologi­schen Produktionsweise.

Mehrere Studien bestätigen, dass die von den österreichischen Landwirten produzierten Lebensmittel, was Rückstände von Pflanzenschutzmitteln betrifft, im Vergleich sowohl mit dem europäischen als auch mit dem internationalen Durchschnitt die saubersten auf der Welt sind. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei allen Landwirten für ihren großartigen Einsatz zum Wohle der Österreicher bedanken. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei meiner letzten Rede zum Thema Glyphosat endete ich mit Folgendem: „Nun zur Begründung unserer Entscheidung: Wir haben es uns sicher nicht leicht gemacht. Auf der einen Seite stehen unsere einheimischen Landwirte, die unsere hochwertigen Le­bensmittel auch in Zukunft wirtschaftlich produzieren sollen, auf der anderen Seite ste­hen alle Österreicher als Konsumenten, denen der maximale Schutz ihrer Gesundheit und Lebensmittel gebührt.“

Aufgrund dessen werde ich heute noch einen Entschließungsantrag, der unsere Forde­rungen abdeckt, einbringen.

Zur Erinnerung: Das im Juli 2019 vom Nationalrat beschlossene Verbot des Unkrautver­nichters Glyphosat wurde von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein nicht kundgemacht und wird somit nie in Kraft treten. Grund dafür war ein Formalfehler. Das Gesetz hätte der EU im Voraus zur Notifizierung übermittelt werden müssen, was aber nicht geschehen ist.

Nunmehr beschlossen die Regierungsparteien ein Teilverbot. Ende 2022 endet jedoch ohnehin die aktuelle Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene, wie wir bereits gehört ha­ben.

Da sich die türkis-grüne Chaosbundesregierung nicht auf ein konsequentes Totalverbot einigen konnte – was aber unsere freiheitlichen Vorstellungen wären –, braucht es unse­rer Meinung nach nunmehr zumindest Transparenz für die Österreicherinnen und Öster­reicher. Eine konsumentenfreundliche und rasch umsetzbare Lösung ist eine Glyphosat­kennzeichnung von Lebensmitteln. Eine solche Kennzeichnung ermöglicht unseren hei­mischen Konsumenten, wenn sie wollen, glyphosatfreie Lebensmittel zu kaufen. Bei einer Glyphosatkennzeichnung werden alle Lebensmittel, die mit Glyphosateinsatz pro­duziert werden, als solche gekennzeichnet. Die Kennzeichnung soll einfach und gut ersichtlich auf der Verpackung erfolgen und alle Lebensmittel umfassen, wenn bei der Produktion in irgendeinem Stadium Glyphosat zum Einsatz kam. Die Kennzeichnung auf der Verpackung soll die Konsumenten dabei unterstützen, jene Lebensmittel auszuwäh­len, die ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen entsprechen.

Bei meiner letzten Rede zum Glyphosatverbot endete ich mit folgenden Worten: „Falls dieses Verbot in Kraft tritt, müssen wir zum Schutz unserer Landwirte und Konsumenten gleichzeitig ein Importverbot von Lebensmitteln aus dem Ausland, welche mit glyphosat­haltigen Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sind, umsetzen.“

Daher freut es mich, zum Wohle aller Österreicher folgenden Entschließungsantrag ein­zubringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Glyphosat­kennzeichnung für Lebensmittel“


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 99

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Kennzeichnung glyphosathaltiger Lebens­mitteln zu entwickeln und diese einzuführen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

14.35


14.36.00

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Glyphosatkenn­zeichnung für Lebensmittel“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu aktuell nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Ich begrüße im Haus Herrn Bundesminister für Finanzen Gernot Blümel. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir gelangen zur Abstimmung. Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

14.37.289. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend einen BESCHLUSS DES RATES vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union, Nr. 2020/2053/EU, Euratom, ABl. Nr. L 424 vom 15.12.2020 (Eigenmittelbe­schluss 2021) (809 d.B. und 841 d.B. sowie 10627/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Übereinkommen zur Änderung des Übereinkommens über die Übertragung von Beiträgen auf den ein­heitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (751 d.B. und 842 d.B. sowie 10628/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanis­mus (752 d.B. und 843 d.B. sowie 10629/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 100

Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 9 bis 11, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen drei Tagesordnungspunkten ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich ersuche um die Berichterstattung.


14.38.26

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend einen Beschluss des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union Nr. 2020/2053/EU, Euratom, vom 15.12.2020, Eigenmittelbeschluss 2021.

Die Unterlagen liegen Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 23i Abs. 3 iVm Art. 50 Abs. 4 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Übereinkommen zur Änderung des Übereinkommens über die Übertra­gung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge.

Die Unterlagen dazu liegen Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Übereinkommen zur Änderung des Vertrages zur Einrichtung des Euro­päischen Stabilitätsmechanismus.

Auch hierzu liegen Ihnen die Unterlagen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals für die Berichterstattung zu den drei Tagesordnungspunkten.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte, Herr Bun­desrat.


14.40.41

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Minister! Ich werde mich diesem für uns sehr wichtigen The­ma aus meiner Perspektive, aus der Perspektive, die Kollege Schennach zuvor so ele­gant als die Zwergenperspektive beschrieben hat, widmen. (Bundesrat Schennach: Garten! Garten!) – Nein, Zwergenperspektive. Ich werde diese Zwergenperspektive auch verwenden, um die Interessen der von Kollegen Schennach wiederum so elegant bezeichneten Gartenzwergerepublik Österreich ein bisschen zu berücksichtigen. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 101

Ich glaube, wir sind hier immer noch im österreichischen Bundesrat, das ist immer noch eine Vertretung der österreichischen Bundesländer und keine PR-Organisation der Eu­ropäischen Kommission, des Europäischen Parlaments oder ähnlicher transnationaler Institutionen, und deshalb glaube ich auch – das ist zumindest meine Sicht der Dinge; ich weiß, dass es manche mittlerweile anders sehen –, dass die Interessen der von uns vertretenen Länder und ihrer Bevölkerung hier zur Diskussion stehen.

Geht man jetzt an diesen Eigenmittelbeschluss des Rates heran, so gibt es da einige Besonderheiten: Ich kann mich noch sehr gut erinnern – und einige von Ihnen können das auch –, wie der Brexit im Jahr 2016 Realität geworden ist. Da hat der damalige Au­ßenminister Schüssel (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder) – der damalige Au­ßenminister Kurz; entschuldigen Sie! (Bundesrat Spanring: Ist eh dasselbe!) – gesagt, es darf auf keinen Fall der Ausfall an Mitteln – das sind immerhin plus/minus 10 Mil­liarden Euro netto oder 17 Milliarden Euro brutto – dadurch ausgeglichen werden, dass die einzelnen Mitgliedsländer verstärkt zur Kasse gebeten werden, sondern die EU, die 65 Millionen Einwohner, 15 Prozent ihrer Bevölkerung ungefähr, verloren hat, wird ihre Institutionen und ihre Ausgaben entsprechend zu reduzieren haben. Das würde ja jeder­mann, ob er jetzt in der Gartenzwergerepublik Österreich sitzt oder nicht, als vernünftig ansehen. Ich habe mich über die Aussagen des Außenministers gefreut. Auch der Herr Finanzminister – ich habe ein bisschen nachgelesen – hat noch in einem EU-Ausschuss am 15.5.2018, bei dem er anwesend war, gesagt, es geht nicht darum, die Institutionen oder ihr Wachstum zu fördern, sondern etwas für die Menschen zu tun. Deswegen sind die Vorschläge der Kommission für den Finanzhaushalt 2021 bis 2027 völlig unakzep­tabel.

Was ist jetzt herausgekommen? – Der letzte langjährige Finanzrahmenbeschluss war der Ratsbeschluss vom 26.5.2014. Da gab es eine sogenannte Gesamteigenmittelober­grenze von 1,23 Prozent des Gesamtbruttonationaleinkommens der Staaten. Im jetzigen Beschluss wurde diese Grenze einmal auf 1,40 beziehungsweise, wenn man den Ver­pflichtungsrahmen nimmt, auf 1,46 Prozent, damit um happige 20 Prozent, erhöht. Das heißt, es wurden nicht nur die 15 Prozent Ausfall durch den Brexit nicht eingespart, sondern den Ländern aufdividiert, und dazu gleich noch 5 Prozent Körberlgeld. Das ist für ein Nettobeitragsland wie Österreich, das nach diesen neuen Zahlen ungefähr 3,8 Milliarden Euro im Jahr einzahlen und einen noch unklaren Betrag zurückbekommen wird – der wird, Sie (in Richtung Bundesminister Blümel) werden es wissen, vielleicht schon besser geschätzt 1,8 Milliarden Euro betragen; das heißt, unser Nettobeitrag wird sich in den nächsten Jahren irgendwo bei 2 Milliarden Euro einpendeln –, auch wenn es ein Gartenzwergeland ist, ein unerfreuliches Ergebnis.

Das ist aber noch lange nicht alles. Das Nächste ist der sogenannte Sanierungsfonds, Wiederaufbaufonds oder Next-Generation-EU-Fonds, wie er genannt wird: happige 750 Milliarden Euro, die die EU – unter Anführungszeichen – „zur Verfügung stellt“, sprich – so sagt es der Text – in Vorgriff auf ihren Haushalt auf dem Kapitalmarkt aufneh­men wird. Die EU wird sich also 750 Milliarden Euro ausborgen und das wird mit den Einnahmen der Haushalte der Jahre 2021 bis 2027 und in der Folge auch der weiteren Haushalte besichert.

Na ja, jetzt könnte man ja sagen: Na gut, das kostet uns ja nichts. Die EU nimmt das auf und besichert es mit ihrem Haushalt. – Nur haben alle aufgenommenen Mittel die unan­genehme Nebenwirkung, dass man sie irgendwann zurückzahlen wird müssen. Das trifft auch auf diese 750 Milliarden Euro zu.

Jetzt kann man davon ausgehen: Na ja, die 750 Milliarden Euro werden hergeborgt, wer­den wieder zurückgezahlt; das wird sich irgendwie ausgehen. – Das ist aber in diesem Fall völlig ausgeschlossen, weil ja im Beschluss selbst drinnen steht, dass von diesen 750 Milliarden Euro bis zu 390 Milliarden Euro als Zuschüsse, sprich Geschenke, verteilt


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 102

werden und nur maximal 360 Milliarden Euro als Kredite. Also 390 Milliarden Euro sind einmal verschenkt, die sind weg, die wird man zurückzahlen müssen.

Jetzt kann man sagen: Es ist ja nicht unser Problem, wie die EU das zurückzahlt. – Das kann man sagen, sollte man aber nicht sagen, weil es natürlich sehr wohl unser Problem ist. Es steht ja schon drinnen: Die EU wird sich bemühen, durchzusetzen, dass sie zu­sätzliche Eigenmittelquellen, sprich zusätzliche Steuern bekommt. Wo werden diese Steuern eingehoben? – Wohl nicht am Place Schuman, in der Europäischen Kommis­sion, sondern in den Mitgliedstaaten. Das heißt, wenn es neue Steuern gibt, werden das die Mitgliedstaaten zahlen.

Wenn es keine neuen EU-Steuern gibt, dann werden es die Mitgliedstaaten natürlich erst recht zahlen. Da gibt es nämlich eine weitere versteckte Klausel drinnen, dass man diese 1,4 beziehungsweise 1,46 Prozent noch einmal um bis zu 0,6 Prozent, sprich auf 2 Prozent plus, erhöhen kann, wenn solche neuen Steuern nicht oder nicht in ausrei­chendem Umfang erhoben oder eingenommen werden können. Da sind wir schon bei 2 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Für Österreich ist das ein happiger Betrag, da sind wir irgendwo jenseits der 4,5 Milliarden Euro.

Damit ist es aber noch immer nicht aus, denn wenn einzelne Mitgliedstaaten ihren Ver­pflichtungen – nicht aus den Geschenken, aber aus den Darlehen, die sie bekommen, oder aus den zusätzlich abgerufenen Geldern im Rahmen dieser 0,6 Prozent des BNE – nicht nachkommen, sind die anderen Länder verpflichtet, diese Ausfälle auszugleichen. Das heißt, es können dann weitere Nachschüsse von den solventen oder zahlungswilli­gen Ländern eingehoben werden, die sogar über diese 0,6 Prozent hinausgehen.

Da Österreich ja nicht nur ein Gartenzwergestaat ist, wie Kollege Schennach meint (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann), sondern auch eine recht solvente und gesunde Volkswirtschaft, ist zu erwarten, dass wir eher nicht bei denen sein werden, die ihre Ver­pflichtungen nicht oder nicht vollständig erfüllen, sondern bei denen, die auch hierfür zahlen.

Das heißt, mit diesem Paket öffnen wir ein Tor für gewaltige Haftungen und Zahlungen zum Schaden der Republik Österreich. Wir bewegen uns da weit außerhalb des Verfas­sungsrahmens, den die Verträge über die Arbeitsweise der Europäischen Union vulgo EU-Verfassung – sage ich untechnisch – vorgeben, die ja all das ausdrücklich untersa­gen.

Jetzt könnte man sagen, das Geld, das da verschenkt wird, kommt ja Österreich zugute, und diese Argumentation werden wir vielleicht nicht von Kollegen Schennach allein, son­dern auch vom Ministerium hören: Das ist ja für ganz Europa und für Österreich eine Riesenchance, weil Österreich ja nach bisherigen Schätzungen 3 Milliarden Euro – man­che Schätzungen sagen sogar: bis zu 3,17 Milliarden Euro – von der EU kriegt. – Das klingt ja nett, nur: Rechnen wir einmal kurz! Ich will jetzt nicht zu sehr an den Zahlen kleben, aber wir müssen Bedacht auf die Zahlen nehmen, wenn wir die Interessen unserer Bürger wahrnehmen. Wir haften da also für einen Betrag, der vulgo 15 Milliarden Euro ausmacht. Das ist unser Anteil an diesen 750 Milliarden Euro, ohne dass man Aus­fälle von anderen hereinnimmt, sondern wenn alle brav zahlen. Von diesen 15 Milliarden Euro sind knapp 60 Prozent Geschenke. Diese Geschenke wird man also irgendwann bezahlen müssen, durch Steuern oder durch nachträgliche Zuschüsse. Na ja, plus/minus 60 Prozent von 15 Milliarden Euro sind 8 Milliarden Euro.

Wenn man ein Paket hat, bei dem man im besten Fall – wenn nämlich alle ihren Ver­bindlichkeiten nachkommen und alle alles zahlen – 8 Milliarden Euro durch direkte Steu­ern oder Nachschüsse zahlen muss und dafür 3 oder 3,17 Milliarden Euro geschenkt bekommt, wahrt man da die Interessen unserer Bürger? Wahrt man da die Interessen


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der Bundesländer, die wir vertreten? Wahrt man da die Interessen? – Ja, werden einzel­ne sagen, weil es völlig egal ist, wie viel unsere Leute zahlen; wichtig sind der europäi­sche Gedanke, die Stärke der EU und die europäische Solidarität.

Ich habe nachgeschaut, welche Proargumente es gibt – es werden vielleicht eh einige kommen. Eines der besten Proargumente ist: Jeder Euro, der in Europa ausgegeben wird, egal wo, kommt Österreich zugute, weil eine starke EU ein starkes Österreich be­deutet. – Na ja, jeder Zuhörer möge seine eigenen Schlüsse aus dieser Argumentation ziehen.

Weil all das, was da geschieht, natürlich der direkteste Weg in eine Schuldenunion ist, den man sich vorstellen kann – wenngleich das unseren Bürgern in unredlicher Weise verschwiegen wird und wenngleich er verschiedenste Tarntitel verfolgt –, bringe ich fol­genden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Öster­reich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert den Beitritt zu einer Schuldenunion in Verbin­dung mit dem EU-Wiederaufbaufonds (NGEU) auf EU-Ebene abzulehnen und ein klares Bekenntnis für die finanzielle Unabhängigkeit Österreichs und gegen die Vergemein­schaftung von Schulden abzugeben sowie die dadurch freigewordenen budgetären Mit­tel insbesondere für die Stützung und Förderung der österreichischen KMU zu verwen­den, damit diese Arbeitsplätze sichern und schaffen.“

*****

Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)


14.51

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Bitte, Frau Kollegin.


14.52.06

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Minister! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Worum geht es bei den Tagesordnungspunkten 9 bis 11? – Kollege Hübner hat dazu schon einiges ausgeführt. Es geht um das Eigenmittelsystem der Europäischen Union, es geht um die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und um die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge und es geht um die Änderung des Vertrages zur Einrichtung des Euro­päischen Stabilitätsmechanismus.

Die Aufbringung der Mittel für den EU-Haushalt soll durch den Eigenmittelbeschluss ge­regelt werden. Es ist mit diesem Beschluss vorgesehen – Kollege Hübner hat es schon ausgeführt –, dass die Eigenmittel, die die Europäische Kommission in einem bestimm­ten Jahr zur Finanzierung von Ausgaben abrufen kann, von 1,2 Prozent auf 1,4 Prozent


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erhöht werden. Dadurch soll die Europäische Union unter anderem auch wegen des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs mehr finanziellen Spielraum, mehr Bewe­gungsfreiheit erhalten.

Damit die neuen Finanzierungsvereinbarungen des EU-Haushalts rechtswirksam wer­den können, ist der Eigenmittelbeschluss durch die Mitgliedstaaten zu ratifizieren. Ein wesentliches Ziel für Österreich in der neuen Regelung des Eigenmittelbeschlusses ist, dass Österreich im Zeitraum von 2021 bis 2027 eine Bruttokürzung in Höhe von 565 Mil­lionen Euro jährlich in Form eines Beitragsrabatts erhalten soll und wird. Ein weiteres wesentliches Ziel ist die Modernisierung und Vereinfachung des Eigenmittelsystems. Das System wurde seit 1988 zwar immer wieder leicht novelliert, aber nie grundlegend geändert. Durch die umfassende Änderung des Eigenmittelsystems sollen Einfachheit, Transparenz und Gerechtigkeit im Vordergrund stehen.

Zudem soll die EU-Kommission ausnahmsweise ermächtigt werden, bis 2026 an den Kapitalmärkten Schulden in Höhe von 750 Milliarden Euro aufnehmen zu dürfen. (Bun­desrat Spanring: Eine Kleinigkeit halt, nicht?!) Dies soll ausnahmsweise passieren und das Geld soll ausnahmslos und ausschließlich für die Bewältigung der Covid-19-Krise in den Mitgliedstaaten verwendet werden. Von den 750 Milliarden Euro – Kollege Hübner hat das auch schon ausgeführt – sollen 360 Milliarden Euro für Darlehen und bis zu 390 Milliarden Euro für Ausgaben verwendet werden – das sind dann sogenannte nicht rückzahlbare Zuschüsse. Beides dient wie bereits erwähnt ausschließlich zur Krisenbe­wältigung in den Mitgliedstaaten.

Den finanzschwachen Mitgliedstaaten in Zeiten wie diesen – in der Covid-19-Krise – zu helfen ist ein Akt der Solidarität und wird dem Gedanken der europäischen Einigkeit gerecht. Zudem wird Österreich als Exportland von der Hilfe für die Mitgliedstaaten pro­fitieren, da es auch für die österreichische Wirtschaft existenziell ist, dass der Konsum und die Nachfrage in den finanzschwachen Mitgliedstaaten durch die Covid-19-Hilfen angekurbelt werden. Auch Österreich wird zukunftsorientierte Projekte über den gemein­sam geschaffenen Fonds einreichen.

Kollege Hübner, Ihre rechtlichen Einwände und die von der FPÖ geäußerte Forderung der Nichtunterzeichnung sind für uns nicht haltbar. Es gibt dazu gegenteilige Ausführun­gen des Juristischen Dienstes des Rates. Zudem wurde vom deutschen Bundesverfas­sungsgericht die Forderung einer Untersagung der Ratifizierung abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wie schon erwähnt handelt es sich hiermit um eine zur Be­wältigung der Folgen der Covid-19-Krise außerordentliche, einmalige und befristete Er­mächtigung der Kommission, Schulden auf dem Kapitalmarkt aufnehmen zu dürfen. Es ist eine Chance und kein Einstieg in die Schuldenunion. Das Wiederaufbau- und In­vestitionsprogramm ist eine Chance dahin gehend, dem Klimawandel in Europa entge­genzutreten, eine Chance, dass Europa den Anschluss bei der Digitalisierung nicht ver­liert, eine Chance, dass Europa umweltfreundlicher, moderner und zukunftsfitter wird.

Ich ersuche Sie namens meiner Fraktion, diesen Gesetzesänderungen zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.57


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Bundesrat Stefan Schen­nach. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.57.29

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kollege Hübner, eines lassen wir jetzt nicht so stehen: Ich habe nicht gesagt, Österreich ist ein Zwergenstaat, sondern ich habe anlässlich Ihrer Ablehnung einer Europäischen Staatsanwaltschaft gesagt, Sie haben


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trotz Ihrer beachtlichen Körpergröße eine Gartenzwergperspektive. (Bundesrat Span­ring: Zwergenrepublik Österreich haben Sie gesagt! – Heiterkeit der Bundesministerin Edtstadler.) Stellen wir das jetzt einmal fest, damit wir das Kalb im Stall lassen.

Zweitens: Wenn ich Arzt bin und wider meinen ärztlichen Eid und wider mein ärztliches Wissen handle, nennt man das strafrechtlich, glaube ich, Kurpfuscher. Wenn ich Anwalt bin und wider meine Ausbildung handle, können wir das, glaube ich, seit dem 19. Jahr­hundert als Winkeladvokat bezeichnen.

Herr Hübner, Sie wissen genau, dass die Europäische Union keine Schuldenunion ist. (Bundesrat Spanring: ... am besten Weg dorthin!) Und Sie wissen auch – ich hoffe, Sie wissen es – kraft Ihrer Ausbildung, dass die Eigenmittelbeschlüsse in der EU seit den Siebzigerjahren existieren und bei der Volksabstimmung von 1994 mit abgestimmt wur­den.

Damit nicht genug: Mit Artikel 23i Bundes-Verfassungsgesetz wurde 2011 eine eigene ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage für Eigenmittelbeschlüsse der EU ge­schaffen. (Bundesrat Hübner: ... aber nicht für ...! ... Unterschied!) Damit sind sie auch nicht verfassungswidrig, da sie in den Verträgen der EU geregelt sind. So weit, glaube ich, geht auch Herr Hübner nicht, zu sagen, dass die EU-Verträge verfassungswidrig sind, denn sie wurden durch eine Volksabstimmung akzeptiert und sind damit im Verfas­sungsrang. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Aber es geht ja um diesen Recoveryfund, und wir begrüßen ausdrücklich diesen Schritt der Europäischen Kommission, aufgrund der Wirtschaftskrise, die eine Folge der Pan­demie war, 672 Milliarden Euro in den Jahren 2021 bis 2023 in den Regionen und in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu investieren, um wieder ein Motor zu sein. Das ist ein enormes Projekt, und da kann man nur sagen: das richtige Projekt zur richtigen Zeit.

Nur hat sich die Europäische Union die Ideenfindung ein bisschen anders vorgestellt, als diese in Österreich passiert ist. Ich erinnere mich an einen Satz der Kommissionsprä­sidentin Ursula von der Leyen, die sagte: „Wir finden, dass Städte und Regionen von Beginn an in die Konzeption der nationalen Aufbaupläne einbezogen werden sollten.“ Später sagte sie auch: und die Sozialpartner. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Span­ring: Wenn sie Sozialpartner hören, müssen sie sofort klatschen! Egal, welcher Zusam­menhang, Hauptsache, Sozialpartner! – Heiterkeit des Bundesministers Blümel.)

Die Bundesregierung hat sich an das Panschen von Weinen erinnert, sie hat alten Wein in neue Schläuche gegossen – nicht viel mehr. Wir wissen, in anderen Staaten haben nationale Konsultationen stattgefunden, in Griechenland hat man einen Nobelpreisträger für diese Konsultationen engagiert, in Portugal hat man in einer unglaublichen Art die Bevölkerung und Interessenverbände, NGOs und die Sozialpartner eingebunden, um Ideen zu finden: Was stellen wir uns denn vor, was können wir mit so viel Geld machen? Wie können wir den Arbeitsmarkt beleben? Wie können wir die Wirtschaft beleben? – In Österreich hingegen ist gar nichts passiert. Der Koralmtunnel ist uns eingefallen – der ist aber schon sehr lang geplant – und ein paar andere Dinge. Das ist eine vertane Chance, das muss man einfach sagen! Ich bin ja neugierig, ob die Europäische Union das nicht irgendwann ein bisschen durchschauen wird, obwohl das so beweihräuchert worden ist.

Ich möchte nur erinnern: Die Stadt Wien hat alleine aufgrund dessen ihre Investitionen auf 2,6 Milliarden Euro hochgeschraubt und 31 Projekte im Bundesland Wien, in der Stadt Wien eingemeldet. Es hätte ja auch sein sollen, dass mit den Bundesländern ge­sprochen wird, was ja dann nur auf Druck der Bundesländer und in einer sehr verkürzten Art und Weise geschehen ist, und das ist schade. Ich sage es noch einmal: Das ist schade.


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Es ist enorm viel Geld. Kollege Hübner hat es gesagt: 4,5 Milliarden Euro von einem Gesamtpaket von 672 Milliarden, Österreich haftet für 12 Milliarden davon, aber es kommen ja 4,5 Milliarden zurück. Was für Österreich enorm wichtig ist – Kollege Seeber, du bist ja Wirtschafter, du verstehst das (Bundesrat Steiner: Das bezweifle ich!) –: Wie soll eine Wirtschaft wieder in Gang kommen, wenn zum Beispiel unser zweitwichtigster Handelspartner, nämlich Italien, darniederliegt? Wie soll das funktionieren, wenn Spa­nien darniederliegt? Wie soll das funktionieren, wenn Frankreich darniederliegt? Wir ha­ben in Europa einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, und deshalb ist es so wichtig, dass wir in diese Bereiche gemeinsam hineingehen. So wirtschaftet es sich besser, und des­halb ist dieser Wiederaufbaufonds oder Resilienzfonds wichtig und richtig. Leider sind diese Projekte in einer sehr unintelligenten Art und Weise zustande gekommen.

Wir erinnern uns: Die Vorvorgängerregierung in Italien ist genau über die Entscheidung: Was machen wir im Land?, gestürzt. Dann kam eine zweite Regierung nach, und die hat dann Projekte vorgestellt, und Regierungschef Draghi kann jetzt davon ernten. – Das ist einmal das eine.

Das andere ist, dass wir unseren Beitrag von 2,9 Milliarden Euro auf künftig 3,8 Milliar­den Euro erhöhen. Das ist dem Brexit geschuldet. Die Bundesregierung hat immer ge­sagt: keinen Euro mehr!, und wir haben immer gesagt, wenn all die Projekte funktionie­ren sollen, dann muss es auch eine Erhöhung der Mittel geben, und deshalb ist das richtig. Dieses Geld kommt aus den Eigenmitteln, von den Zöllen, von der Mehrwert­steuer, aus dem Bruttonationalprodukt und, das ist neu, aber da gibt es noch keine Ent­scheidung, aus der Plastikabgabe.

Die Plastikabgabe soll bitte nicht aus dem normalen Budget kommen. Ich weiß, Finanz­minister Blümel möchte das gerne aus dem normalen Budget machen. – Nein, wer Plas­tik verursacht, soll auch dafür zahlen, und daher sollen auch diese Mittel kommen. Was will die EU mit dieser Initiative? – Sie will lenken: Wenn ich die Mittel aus dem Budgettopf nehme, dann lenke ich die Wirtschaft nicht in eine plastikärmere Produktion, sondern lasse das einfach zu, und deshalb ist es eine wichtige Sache, dass man da nach dem Verursacherprinzip vorgeht.

Kommen wir noch zum Digitalisierungsfonds, da sind wir ja an sich mittendrin – und doch nicht, denn wir haben einfach einen enormen Rückstand, das hat uns jetzt die Pandemie gezeigt, was die Digitalisierung an den Schulen betrifft und so weiter und so fort. Der Digitalisierungsfonds ist an sich in Ordnung, wenn wir ihn fokussieren. Wir müssen auf den Bereich der Bildung fokussieren, wir müssen auf die Schnelligkeit unserer Netze, den Ausbau unserer Netze fokussieren, dann kann das funktionieren.

Deshalb noch einmal: Ja zum Eigenmittelbeschluss. Er bedeutet eine große Chance, die leider von Österreich nicht so genützt wurde, wie sie hätte genützt werden sollen. Zwei­tens: Ja zur Erhöhung unserer Beitrittsverpflichtungen, unserer Mittel an den europäi­schen Haushalt; und drittens: Versuchen wir nun aus den Bereichen Bildung, Digitalisie­rung und Green Deal mit diesem Geld, das die EU zur Verfügung stellt, das Beste zu machen, und hoffen wir, dass diese Regierung, wenn das dann bewilligt ist, doch einmal in der Lage ist, mit den Ländern und mit den Sozialpartnern endlich in einen Dialog ein­zutreten. Nützen wir dieses Geld nicht nur, um die Wirtschaft anzukurbeln, sondern auch, um das zu schaffen und zu sichern, was wir jetzt vor allem brauchen: Arbeitsplätze, Ar­beitsplätze, Arbeitsplätze. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.08


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Spanring gemeldet. – Bitte schön.


15.08.25

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich melde mich zu einer tatsächlichen Berichtigung. Kollege Schennach hat


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gerade behauptet, er hätte nicht von Österreich als Gartenzwergrepublik gesprochen. Ich habe mir jetzt extra noch einmal seine Rede angehört (Rufe bei der SPÖ: Jaja!), weil ich es nämlich auch so verstanden habe: Das ist falsch, denn er hat sehr wohl von der Gartenzwergwelt des Johannes Hübner gesprochen und später in der Rede vom För­derungsmissbrauch, der jegliche Form von Gartenzwergrepubliken überschreitet, und damit war auch Österreich gemeint. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Na geh! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

15.09


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.09.23

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ich möchte vor allem auf den Eigenmittelbe­schluss der EU in Verbindung mit dem Wiederaufbaufonds eingehen, weil es sich um das größte Konjunkturpaket handelt, das Europa je gesehen hat – leider in der größten Krise, die Europa jemals gesehen hat.

Insgesamt stehen für die Erholung Europas inflationsbereinigt etwa 1 800 Milliarden Euro bereit; 1 200 Milliarden Euro für das siebenjährige Finanzrahmenbudget und 800 Milliarden Euro für den Wiederaufbaufonds. Es ist ein bisschen ein anderer Betrag, weil die 750 Milliarden Euro, die genannt werden, inflationsbereinigt heuer sozusagen 800 Milliarden Euro sind. Das Ziel ist, kurz gesagt: Europa soll grün, digital und krisenfest gemacht werden.

Ein paar Worte zum Wiederaufbaufonds: Die EU nimmt nun vertragskonform Anleihen auf dem Kapitalmarkt auf. Damit schafft sie erstmals einen gemeinsamen Fonds, be­tragsmäßig eben mit 750 Milliarden Euro – Berechnungsbasis ist 2018 –, zeitlich be­schränkt bis 2058, und daher auch zu entsprechend günstigen Konditionen.

Was von manchen als Schuldenfalle dargestellt wird, ist genau das Gegenteil, nämlich ein Motor für Österreich und seine europäischen HandelspartnerInnen, um die darnie­derliegende Wirtschaft aufzubauen. Aus dem Fonds wird zweckgebunden nach Aufbau- und Resilienzplänen – und da ist der Name Programm – eine Hälfte in Form von Dar­lehen und eine andere Hälfte an Mitgliedstaaten vergeben. Der Großteil der Mittel wird für nachhaltige Investitionen, wie zum Beispiel in erneuerbare Energie, Elektromobilität und Digitalisierung, vergeben. Österreich wird einen Teil aus dem Fonds für den Bahn­ausbau und den Breitbandausbau nutzen.

Eine dazu vom IHS erstellte Studie zeigt, dass durch die Mittel aus dem Wiederaufbau­fonds in Österreich pro Jahr 25 000 neue Arbeitsplätze entstehen und das BIP um 1,2 Prozent steigen und so das Budget langfristig entlasten wird. Hinzu kommt, und das ist wichtig zu betonen, der positive Effekt des Wirtschaftsaufschwungs unserer Nachbar­länder, Herr Schennach hat es schon gesagt, vor allem Italiens. Diese sind unsere Ex­portmärkte und Teil unserer Wertschöpfungskette. Das wird, das muss den Aufschwung noch vergrößern und wird natürlich auch ein gesicherteres und würdigeres Leben für viele Hunderttausend Menschen sowie einen besseren Schutz unseres Klimas und un­serer Umwelt ermöglichen.

Die Tilgung der aufgenommenen Mittel für den Wiederaufbaufonds wird vornehmlich aus dem EU-Haushalt geschehen, aber weitere Eigenmittel für die Rückzahlung werden aus der auch schon erwähnten sogenannten Plastiksteuer kommen, die sich schon im Eigen­mittelbeschluss befindet. Im Laufe dieses Jahres werden aber noch weitere Eigenmittel­kategorien hinzukommen. Das sind der sogenannte CO2-Zoll sowie eine Mindeststeuer


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für Digitalunternehmen, die spätestens 2023 eingeführt werden sollen. Des Weiteren wird über eine Finanztransaktionssteuer sowie über eine Ausweitung des Emissionshan­dels für den Luft- und Seeverkehr diskutiert. Ersteres begrüßen wir natürlich sehr.

Auf ein paar dieser zusätzlichen Kategorien möchte ich eingehen, vor allem auf die Plas­tiksteuer. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, innerhalb der nächsten vier Jahre den Anteil von recyceltem Plastikverpackungsmüll auf 50 Prozent zu heben; derzeit ist er bei circa 25. Eine Maßnahme dafür ist, den angefallenen nicht recycelten Plastikverpackungsmüll mit 80 Cent pro Kilo als neue Eigenmittelkategorie zu bemessen. Die EU rechnet mit 7 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr, das wären 50 Milliarden Euro bis 2027.

Wie schaut es in Österreich aus? – In Österreich fallen pro Jahr etwa 330 Millionen Kilo Plastikverpackungsmüll an. Drei Viertel davon sind nicht-recycelbarer Plastikverpa­ckungsmüll, der verbrannt wird. Das wären dann für Österreich 200 Millionen Euro an Plastiksteuer. Diese Plastiksteuer könnte aber reduziert werden, was dann zusätzlich auch unseren Beitrag zum EU-Budget reduzieren würde. Darüber hinaus hätte es den Effekt, lokale Strukturen zu stärken.

Wie geht das? – Dazu legt die Umweltministerin einen Dreipunkteplan vor. Der besteht aus erstens Mehrwegquote, zweitens Einwegpfand und drittens HerstellerInnenabgabe, was ich nun skizzieren möchte. Ein Weg, um weniger Plastikmüll zu produzieren, ist der Umstieg von wegwerfbaren PET-Flaschen auf Mehrwegglasflaschen. Diese Glasfla­schen können bis zu 50 Mal befüllt werden. Die Österreicherinnen und Österreicher lieben es aber, Plastikflaschen zu kaufen. Sie tun das in einem Ausmaß von 45 Millionen Kilo pro Jahr. Sie sind darin EU-SpitzenreiterInnen. Warum also nicht auf recycelte PET-Flaschen umsteigen? – Weil, auch wenn alle PET-Flaschen zurückgegeben werden – was nie der Fall ist – und recycelt werden, trotzdem neue PET-Flaschen produziert wer­den müssten. Das heißt, für eine PET-Flasche braucht es zwei recycelte PET-Flaschen. Für die Herstellung brauchen wir wieder Erdöl, und das wollen wir nicht.

Mehrweg hat darüber hinaus den Vorteil, dass es kleine und lokale Strukturen und kleine Betriebe, wie zum Beispiel Befüllungsbetriebe, fördern kann. Das verbessert die klein­räumigen Strukturen, verringert die Transportwege und generiert Arbeitsplätze vor Ort: eine gute Kombi.

Ein Pfand auf Wegwerfflaschen würde zusätzlich den Bequemlichkeitsvorteil der Plastik­flasche – sie ist einfach zu tragen und zu entsorgen – reduzieren und zum Kauf von Mehrwegflaschen, die keinen Müll produzieren, animieren. Ein verbindliches Mehrweg­angebot in den Neunzigerjahren brachte die ÖsterreicherInnen dazu, 80 Prozent ihrer Getränke in Mehrwegflaschen zu kaufen.

Aber es sollen natürlich, wie Kollege Schennach gesagt hat, nicht nur die KonsumentIn­nen in die Pflicht genommen werden, sondern auch die ProduzentInnen. Im Sinne des Verursacherprinzips ist es daher folgerichtig, die Herstellung von Plastikverpackungen mit 80 Cent pro Kilo – das Modell der Umweltministerin ist etwas ausgefeilter – zu be­steuern. Die EU setzt also mit der sogenannten Plastiksteuer einen wichtigen Anreiz zur Vermeidung von Plastikmüll, den unsere Umweltministerin konstruktiv nutzt und der da­rüber hinaus auch unserem Budget nutzt. Wenn wir nämlich da Vorreiterin werden, zahlen wir auch insgesamt weniger Eigenmittelanteil an die EU.

Eine weitere für den Umweltschutz besonders positive neue Eigenmittelkategorie ist der CO2-Zoll – oder wäre es. Dieser soll für in die EU eingeführte Produkte eingehoben werden, wenn bei der Produktion mehr CO2-Emissionen anfallen, als es EU-Vorschriften erlauben. Das hebt den Preisvorteil von europäischen Unternehmen, die unter umwelt­schädlichen Bedingungen produzieren lassen, auf, und die EU erhält mehr Einnahmen. Zusätzlich kann der Zoll dazu anregen, die Dekarbonisierung der Industrie in allen EU-Ländern und denjenigen Ländern voranzutreiben, die mit der EU Handel treiben wollen;


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eine global wirksame Maßnahme also, und Umweltschutz kann auch nur global funktio­nieren.

Noch eine geplante Eigenmittelkategorie ist der Mindeststeuersatz für Digitalunterneh­men, den wir natürlich auch sehr begrüßen. Große Konzerne wie zum Beispiel Ver­sandplattformen haben gerade in der Krise besonders profitiert. Aber nicht nur das: Sie wenden aggressive Steuertricks an und verschieben ihre Gewinne in Steueroasen. Sie entziehen sich damit einer Solidarität, die wir brauchen, um das soziale System, das wir haben, aufrechtzuerhalten. Daher sollen sie dort, wo sie Gewinne erzielen, auch besteu­ert werden.

Alle Mitgliedstaaten und auch Österreich profitieren von diesem Wiederaufbaupro­gramm: wirtschaftlich, sozial und ökologisch. Es scheint im ersten Moment so, als wür­den wir mehr einzahlen. Das stimmt aber nicht. Zwar bekommen die Mitgliedstaaten, die die Krise besonders hart getroffen hat, einen Großteil der Gelder – und ja, sie müssen diese nicht zurückzahlen –, aber, das wird dabei oft vergessen: Sie werden diese Gelder auch ausgeben. Damit steigt ihre Kaufkraft und die Nachfrage, und aufgrund der ver­schränkten europäischen Wertschöpfungsketten und dem wirtschaftlichen Austausch untereinander wird auch bei uns die Produktion angekurbelt und unsere Exporte werden steigen. Damit steigt auch unsere Wirtschaftsleistung. Für mich, die ich eigentlich keine Ökonomin bin, ist das eine Milchmädchenrechnung, und ich verstehe nicht, wie man das nicht nachvollziehen kann. (Bundesrat Spanring: Stimmt! Milchmädchenrechnung kann jeder nachvollziehen!)

Der Eigenmittelbeschluss und das Wiederaufbauinstrument fördern zudem auch die So­lidarität unter den Mitgliedstaaten. Sie lassen uns die Verflechtungen besser verstehen, und sie fordern mehr Fairness. Sie sind nach der Corona- und Wirtschaftskrise ein wirk­samer Motor zum Wiederaufbau der europäischen und damit auch unserer Wirtschaft. Sie verringern die Arbeitslosenzahlen und setzen einen großen, gemeinsamen Schritt in Richtung Klimaneutralität. Gut so. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler. – Bitte schön.


15.19.19

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edt­stadler: Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Finanzminister! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte zu TOP 9 Stellung neh­men, im eigenen Wirkungsbereich, aber auch im gemeinsamen, auch im Sinne des Fi­nanzministers.

Zu Beginn der Debatte ist die Frage gestellt worden: Ja, ist denn das alles im Interesse der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, der BürgerInnen Österreichs? Und ich sage Ihnen: Ja, ich bin davon überzeugt, es ist im Interesse der BürgerInnen Europas, aber auch Österreichs, die Pandemie nachhaltig zu bekämpfen. Stichwort: Impfungen, Testungen.

Es ist im Interesse der EU-BürgerInnen, aber auch der BürgerInnen Österreichs, Mobi­lität wieder zu ermöglichen, Stichwort grüner Pass, um die Wirtschaft anzukurbeln. Um das zu tun, braucht es auch innerhalb der Europäischen Union Solidarität. Dieser Begriff, der in meinen Augen eine so wesentliche Rolle in dieser Debatte spielt, ist vorhin von Frau Bundesrätin Kittl genannt worden.

Es braucht auch etwas Weiteres: Wir müssen aus dieser Krise die Lehren ziehen, wir müssen resilienter werden für die Zukunft, Stichwort Zukunftskonferenz in der Europäi­schen Union. All das steht nicht im Widerspruch zu einem ganz wichtigen Prinzip, näm­lich dem sparsamen Umgang mit dem Steuergeld.


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Ich darf hier in Erinnerung rufen, dass es unser Bundeskanzler Sebastian Kurz war (Uh-Rufe bei der SPÖ), der im Verbund der frugalen vier plus Finnland dafür eingetreten ist, und sich auch durchgesetzt hat, dass wir ganz klare Ziele formulieren, sodass die Euro­päische Kommission vorgegeben hat, wie dieses Geld des EU-Aufbau- und Resilienz­fonds, genannt Next Generation EU, verwendet werden kann, nämlich zum Besten für uns alle und nicht nach dem Gießkannenprinzip. Das ist auch der Grund dafür, dass uns hier, so wie auch allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ein Plan der Europäischen Union vorliegt.

Herr Bundesrat Hübner! Sie haben Wolfgang Schüssel und dann Sebastian Kurz als Außenminister erwähnt. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Da möchte ich ganz bewusst den ehemaligen Außenminister und ehemaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zitieren, der über die EU gesagt hat: „Gäbe es sie nicht, müsste man sie jetzt gründen.“ (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Es ist nämlich notwendig, ge­meinsam aus dieser Krise hervorzugehen, und dafür ist es auch notwendig, Geld in die Hand zu nehmen, es aber so in die Hand zu nehmen, dass es auch tatsächlich dort ankommt, wo es ankommen soll.

Nun hat Herr Bundesrat Schennach, um das aufzugreifen, weil ich mich ein bisschen angesprochen fühle (Bundesrat Schennach: Bei was?), bekrittelt, dass der Konsulta­tionsprozess nicht ausreichend gewesen wäre, dass andere Staaten das viel umfangrei­cher gemacht hätten. Ich darf an dieser Stelle sagen, dass ich viele Gespräche geführt habe, und ich weiß vor allem eines: Ich war zum Beispiel in Portugal und in Spanien, und es ist richtig, dort hat es auch umfangreiche Prozesse gegeben, vielleicht sogar noch umfangreicher, weil sie früher angefangen haben, nämlich bevor eigentlich klar war, was die Kommission tatsächlich will und von uns verlangt – das stand nämlich erst im Februar fest. Wissen Sie was, Herr Bundesrat? – Dort ist die Kritik nicht weniger. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Nun kann man natürlich auch in der Politik immer sagen: Einem jeden recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. – Ich kann Ihnen nur sagen, aus der Kommission kamen sehr, sehr positive Rückmeldungen. Ich darf an dieser Stelle Vizepräsidenten Timmer­mans zitieren, mit dem ich ein Videotelefonat geführt habe, nachdem wir den Plan pünkt­lich eingereicht haben. Er hat wortwörtlich zu mir gesagt, er sei sehr begeistert, was da aus Österreich käme. Warum? – Weil es in Richtung Bekämpfung des Klimawandels geht, in Richtung Ökologisierung, Digitalisierung, in die Richtung, dass ein Wandel ein­geleitet wird.

Sie haben vom alten Wein in neuen Schläuchen gesprochen. – Man muss das Rad nicht immer neu erfinden. Wir haben ein Regierungsprogramm, das sehr zukunftsorientiert ist, in dem vieles schon drinnen steht, das die Kommission jetzt von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verlangt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Aufbau- und Resilienzplan die richtigen Akzente setzen und dass das alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch tun müssen, weil auch Österreich darauf bestanden hat, dass das Geld sparsam einge­setzt wird. (Bundesrat Spanring – erheitert –: So wie in Niederösterreich!)

Ich freue mich darauf, dass auch innovative österreichische Unternehmen von Geldern, die an andere Staaten gehen, profitieren können. Wir haben von Spanien, Italien und Portugal gesprochen. Spanien und Italien bekommen etwa 70 Milliarden Euro. Da gibt es einige Unternehmen, die dort schon innovative Technologie zum Einsatz bringen und das in Zukunft noch stärker, intensiver tun sollten, damit der digitale und ökologische Wandel tatsächlich vollzogen werden kann. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Griechenland war auch ein gutes Geschäft, war perfekt!)


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Alles in allem sage ich Ihnen: Ich freue mich darüber, dass Sie heute hoffentlich in großer Einigkeit sozusagen den Schlussstein setzen, damit auch Österreich da den Ratifika­tionsprozess des Eigenmittelbeschlusses abschließen kann. Mit Stand 21.5. sind es bereits 22 Mitgliedstaaten, die das getan haben. Wir sind damit dann auch im Zeitplan, darauf bin ich stolz. Wie gesagt, ich hoffe auf große Einigkeit.

Ein Wort noch zur Frage, ob Zwerg oder nicht: Österreich ist ein mittelgroßes Land, kein kleines Land. Österreich spielt in der Europäischen Union eine bedeutende Rolle, das möchte ich auch sagen. Der Europäischen Union wird manchmal nachgesagt, dass sie zur Selbstverzwergung neigt. Machen wir diesen Fehler bitte nicht! Wir sind wichtig, wir sind bedeutend (Bundesrätin Schumann: Nein!), nicht nur finanzstark, und wir werden auch politisch eine große Rolle spielen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach.)

15.25


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: An dieser Stelle möchte ich Herrn Bundesminis­ter für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein recht herzlich im Bundesrat begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Gernot Blümel gemeldet. – Bitte schön, Herr Bundesminister.


15.25.40

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich darf vielleicht auch kurz auf einige Redebeiträge eingehen. Ich glaube, in allen Redebeiträgen waren gute und richtige Argumente. In manchen Rede­beiträgen hat halt die jeweils andere Seite der – ebenfalls richtigen – Argumente gefehlt.

Ich darf ein wenig auf die Aussagen des Herrn Kollegen Hübner eingehen, der viel Rich­tiges gesagt hat – also ich kann einigem wirklich etwas abgewinnen –: Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, dass man beim Wiederaufbaufonds nicht so zu tun braucht, als ob das in der Cash-out-Variante für Österreich ein massives Geschäft wäre. Das ist es natürlich nicht. Die Zahlen haben Sie völlig richtig genannt. Österreich wird für mehr haf­ten, als Österreich zurückerhält, das ist ein Faktum. Das habe ich auch in der Plenarsit­zung des Nationalrates und auch in Interviews gesagt, weil es natürlich stimmt.

Es gibt sogar noch einen weiteren Mechanismus drinnen, der besagt: Je besser das Wachstum in Österreich ist, desto weniger bekommen wir heraus. Das sind Anreize und Mechanismen, die dafür sorgen sollen, dass das Geld auch in die Länder, die es beson­ders brauchen, fließt. Das ist völlig richtig.

Was Sie aber zu sagen vergessen haben oder negieren wollen, ist die Tatsache, dass wir als kleine, offene Volkswirtschaft indirekt natürlich auch davon profitieren, wenn es Ländern wie beispielsweise Italien besser geht, denn Italien ist immerhin unser zweit­wichtigster Handelspartner. Das ist genauso richtig, das macht Ihr Argument nicht falsch, aber die zweite Hälfte, würde ich sagen, sollte man auch dazusagen.

Auch was Sie über die Schuldenunion gesagt haben, kann ich zu einem Gutteil unter­streichen, wenn es denn so wäre. Natürlich wissen Sie ganz genau, dass die EU keine Schuldenunion sein kann, weil das von den Verträgen, die Sie zitiert haben, ja auch nicht umfasst ist. Wenn es eine wäre, dann wäre ich auch dagegen – und wir werden auch immer dagegen auftreten. Warum? – Weil Geld bei einer Vergemeinschaftung von Schulden einfach ineffizienter verwendet werden würde.

Es gibt ein einfaches Beispiel, das man sich vor Augen halten kann: Zehn Leute gehen gemeinsam abendessen. Es gibt zwei Varianten, die Rechnung zu zahlen: Entweder zahlt jeder das, was er bestellt, oder es kommt alles in einen Topf und wird gezehntelt.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 112

Wo wird mehr ausgegeben, wo wird der bessere Wein bestellt? – Wohl dort, wo alles gezehntelt wird. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es nicht gut ist, eine Vergemein­schaftung der Schulden in Europa anzustreben. Deswegen werden wir als ÖVP auch weiterhin dagegen auftreten.

Wenn es aber darum geht, dass wir die Coronakrise gemeinsam bekämpfen, dann ist es auch aus meiner Sicht wichtig und gut, dass wir einen Beitrag leisten.

Im Übrigen, da Sie das Wort Nettozahler immer wieder in negativer Konnotation heraus­gestrichen haben: Völlig richtig, wir wollen natürlich möglichst effizient mit dem Steuer­geld der Österreicherinnen und Österreicher umgehen, aber dennoch bin ich unterm Strich lieber Nettozahler als Nettoempfänger, denn das bedeutet, dass wir ein wirt­schaftlich starkes Land sind, das durch die Menschen, durch die Unternehmen in diesem Land aufgebaut worden ist, ein Land, in dem wir, die Bundesregierung, in den letzten Jahren zum Teil auch gemeinsam eine solide Standortpolitik gemacht haben, die diese Wirtschaftskraft auch möglich gemacht hat. Das sollte man nicht vergessen. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch im Redebeitrag des Herrn Kollegen Schennach waren viele richtige Argumente dabei. Was den Prozess hin zum Plan für den Wiederaufbau betrifft, gibt es einen As­pekt, den ich ein bisschen vermisst habe. Wir haben im letzten Jahr schon einige Male auch hier im Bundesrat darüber diskutiert. Da bezog sich die allgemeine Kritik der Op­position gar nicht so sehr auf die Art der Einbindung, sondern da ist immer gesagt wor­den: die Bundesregierung verschläft das wieder, es ist zu spät, wir werden nicht rechtzei­tig einreichen!, et cetera.

Wir haben damals seitens der Bundesregierung immer gesagt: im Gegenteil, wir lernen von dem, was andere Länder tun und was andere Länder vielleicht nicht optimal gemacht haben! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Mittlerweile sind wir diejenigen, die von der Kommission für die professionelle Art der Planerstellung, für die Einreichung massiv gelobt werden. Es gibt viele Länder, die einen breiten Prozess aufgesetzt haben; dort wurde dann so gestritten, dass die Pläne noch nicht eingereicht werden konnten. Das ist uns nicht passiert und darauf können wir stolz sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend vielleicht noch zum Europäischen Stabilitätsmechanismus, der weiterent­wickelt wird: Auch diesbezüglich wird heute hier ein Beschluss gefasst. Es geht darum, das Geld, das im Stabilitätsmechanismus zur Verfügung gestellt wurde, für einen allfäl­ligen weiteren Bankenabwicklungsfall in Europa hernehmen zu können. Das stärkt ins­gesamt das Ziel der Bankenunion und wird auch dazu beitragen, dass der Finanzsektor eine höhere Stabilität hat.

Da hat man, glaube ich, in den letzten Jahren infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise viel gelernt, und ich bin froh darüber, dass das gemacht wurde. Warum? – Weil wir in der aktuellen Situation mit der Eigenkapitalausstattung der österreichischen Banken vor der letzten Krise ein sehr, sehr großes Problem bekommen hätten. Das ist jetzt über­haupt nicht der Fall. Der Finanzsektor in Österreich ist sehr stabil, und das ist auch den Reformmaßnahmen, die von der europäischen Ebene vorgegeben worden sind, zu verdanken. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

15.30


15.30.53

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein! – Das ist somit erfolgt.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 113

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend einen Beschluss des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsys­tem der Europäischen Union, Eigenmittelbeschluss 2021, 809 der Beilagen und 841 der Beilagen sowie 10627/BR der Beilagen.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 23i Abs. 3 in Verbindung mit Art. 50 Abs. 4 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Drittel der abgege­benen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 23i Abs. 3 in Verbindung mit Art. 50 Abs. 4 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch dies ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Übereinkommen zur Änderung des Übereinkommens über die Übertra­gung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge, 751 der Beilagen und 842 der Beilagen sowie 10628/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäi­schen Stabilitätsmechanismus 752 der Beilagen und 843 der Beilagen sowie 10629/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenom­men.

15.34.2412. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finalitätsgesetz, das


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 114

Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert werden (663 d.B. und 831 d.B. sowie 10625/BR d.B. und 10630/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


15.34.43

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Wer­te Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwe­sengesetz, das Börsegesetz 2018, das Finalitätsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz geändert werden.

Um sicherzustellen, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen auf konsolidierter Ba­sis innerhalb der gesamten Gruppe eingehalten werden, sollen künftig bestimmte Fi­nanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften einer Konzes­sionspflicht unterliegen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.


15.36.00

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Die Plätze sind immer noch eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.36.3413. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (1547/A und 838 d.B. sowie 10637/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter hiezu ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um den Bericht.


15.36.53

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz ge­ändert wird.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 115

15.37.33

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich stehe immer noch unter dem Eindruck der Worte des Finanzministers, der jetzt tatsächlich im Zusammenhang mit dem Resilienzfonds gesagt hat: Wir haben die Sozialpartner und die Länder nicht eingebunden, weil es sonst zu Streitereien gekom­men wäre. – Also da fällt einem demokratiepolitisch wirklich nichts mehr ein, aber es ist so hinzunehmen, wie es ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zur Sache: Die Beschäftigten in den Krankenanstalten sind am Limit. Die Belastun­gen der Pandemie und ihrer Folgen waren in den Spitälern übermenschlich. 54 Prozent aller Spitalsärzte haben überlegt, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, 32 Prozent haben es dann wirklich getan. 52 Prozent der Spitalsärzte überlegen, den Job zu wechseln oder zu kündigen. Das geht aus einer sehr großen Befragung der Spi­talsärzte durch die Ärztekammer in Wien hervor.

Aber nicht nur die Ärzte können nicht mehr, auch das Pflegepersonal ist am Limit, so eine schwere Zeit haben die Beschäftigten in den Krankenhäusern, in den Alten- und Pflegeheimen und auch in der mobilen Pflege durchgemacht, und es ist noch lange nicht vorbei. Schon vor der Krise war das Gesundheitspersonal extrem belastet, und dann kam noch Corona.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben x-mal darauf hingewiesen, und jetzt wäre es doch mehr als logisch, die Beschäftigten in diesem Bereich rasch zu entlas­ten – aber nein, das schafft diese Ankündigungsregierung nicht. Sie geht vor nach der Devise: Ankündigungen sind alles. Was schert uns dann die praktische Umsetzung oder wirklich sinnvolle Reformen?

So geht die Regierung auch beim Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz vor, aber hier noch schlimmer. ÖVP und Grüne legen den Beschäftigten noch einen zusätzlichen Be­lastungsrucksack oben drauf. Die derzeit so hohen Arbeitsstunden für das Krankenan­staltenpersonal von bis zu 55 Wochenstunden hätten eigentlich mit 30. Juni 2021 Ge­schichte sein sollen, aber nein: Vier weitere Jahre – nicht ein Jahr, nicht zwei Jahre, vier weitere Jahre! – sollen die Beschäftigten so viel arbeiten, und erst dann folgt ein Zeit­raum von drei Jahren, in denen sie bis zu 52 Stunden arbeiten sollen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen ganz fest auf der Seite der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer und werden solch einer Verlängerung der Mehrbe­lastung für das Gesundheitspersonal ganz sicher nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

So einer unmenschlichen Vorgangsweise erteilen wir eine Absage. Sieben weitere Jahre der Ausbeutung des Krankenhauspersonals – das kann nur einer türkis-grünen Bundes­regierung einfallen. Arbeitszeitregelungen haben die Aufgabe, die Beschäftigten zu schützen – zu schützen vor Überlastung, zu schützen vor gesundheitlichen Schäden – und zu ermöglichen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesund und fit bis zum regulären Pensionsantrittsalter arbeiten können.

In diesem Bereich haben sie eine weitere Schutzfunktion, nämlich den Schutz der Pa­tienten. Wer möchte schon von einem überlasteten, übermüdeten Arzt oder von einer überlasteten, übermüdeten Ärztin operiert werden, von einer Pflegerin betreut werden, die nach 50 Stunden im Dienst einfach nicht mehr kann? Darüber denkt die ÖVP aber nicht gerne nach, war sie doch die treibende Kraft bei der Einführung der 60-Stunden-Woche unter tosendem Applaus der FPÖ. Noch mehr Belastung – nicht mit uns. (Bun­desrat Spanring: Das hat es ja vorher noch nicht gegeben bei den Krankenschwestern!)

Daher stelle ich folgenden Antrag:


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 116

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekämp­fung des Personalmangels im Gesundheitswesen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend ein Maßnahmenbündel bestehend aus Verbesserungen im Bereich der Ausbildung und im Bereich der Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal, insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflege­personal, zu erarbeiten und noch heuer zur Umsetzung zu bringen.“

*****

Nur das kann die Lösung sein – gerade aus den Erfahrungen der Pandemie –: ein Maß­nahmenpaket, das den Beschäftigten hilft und den Beruf wieder attraktiver macht. Wir werden in Zukunft viele gut ausgebildete und hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter in den Spitälern, in der Pflege älterer Angehöriger und in den Sozialberufen brau­chen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang die Covid-19-Prämie ansprechen – Bundes­rat Ingo Appé wird dazu noch einen Entschließungsantrag einbringen. Die Regierung hat eine Covid-19-Prämie für das Gesundheitspersonal angekündigt. 500 Euro, das ist okay, ein erster Schritt, darüber kann man sich freuen. Der Teufel steckt aber im Detail. Der Zeitpunkt der Ankündigung war natürlich so gewählt, dass man von den bestürzenden Vorgängen rund um Kanzler Kurz und neuerlich um Finanzminister Blümel ablenkt.

Okay, es gibt also 500 Euro für das Gesundheitspersonal – aber da darf niemand ver­gessen werden! Der Gesundheits- und Pflegebetrieb funktioniert nur, wenn alle Bereiche ineinandergreifen, daher muss die Prämie genauso den Sanitätern und Sanitäterinnen, den Beschäftigten in den Teststraßen, den Reinigungskräften, dem Sicherheitspersonal, den Beschäftigten in den Behinderteneinrichtungen, in den sozialen Berufen, den Ordi­nationsassistentInnen und auch den Beschäftigten in der Verwaltung zustehen. Die Liste ist lang. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Gesundheitssystem kann kein Teil ohne den anderen funktionieren. Darauf weisen auch völlig zu Recht die Gewerkschaften GÖD, die Gesundheitsgewerkschaft und auch die Younion ganz klar hin; denn schlechter kann man es nicht machen, als dass man mit einer Prämie die Beschäftigungsgruppen auseinanderdividiert und die Gesundheitsver­sorgung in der Pflege spaltet. Kein gut funktionierender Betrieb würde jemals so handeln, denn Sie als türkis-grüne Regierung spalten mit der Prämie ja bereits sowieso bei den anderen Beschäftigungsgruppen. Keine Prämie gibt es zum Beispiel für die Kindergärt­nerInnen, die gar keine Maske tragen können, um ihre Arbeit zu machen. Keine Prämie gibt es für die Beschäftigten in der Produktion, im Handel, für die ZugbegleiterInnen und für die vielen, die alle das Land in der Krise am Laufen gehalten haben.

Was diese Regierung macht, ist reine Ankündigungspolitik ohne Mehrwert. Staatliche Stellen und staatsnahe Betriebe haben 2020 rund 223 Millionen Euro für Werbung aus­gegeben, und nun nimmt man 95 Millionen Euro für die Menschen in die Hand, die sich für andere Menschen in der Krise aufgeopfert haben. – Das sind die Worte von Gerald Gingold, dem Obmann der Kurie der angestellten ÄrztInnen der Ärztekammer Wien. Dem ist nichts hinzuzufügen.

In und nach der Coronakrise braucht es gerade für den Gesundheits- und Pflegebereich endlich echte Wertschätzung. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern die rasche Umsetzung von Konzepten, die diese für jede und jeden von uns so wichtigen Bereiche der Gesundheits- und Sozialversorgung in eine positive Zukunft führen.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 117

Lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen, denn das liegt mir ganz stark am Herzen: Wir freuen uns natürlich darüber, dass die Notstandshilfe für weitere Monate – bis Oktober – auf das Niveau des Arbeitslosengeldes angehoben wird, es ist aber unerträglich, dass die Kündigungsfristen von Arbeiterinnen und Arbeitern und Angestellten nicht angegli­chen werden. Drei weitere Monate gilt es hier zu warten, und das bei dieser schwer belasteten Beschäftigungssituation. Drei Jahre lang hat es geheißen: Die Wirtschaft muss sich für die Angleichung der Kündigungsfrist vorbereiten; dann, im Jänner, hätte es so weit sein sollen. Es hieß dann: Noch einmal sechs Monate warten, aber dann kommt es ganz bestimmt mit 1. Juli – nichts ist gekommen!

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Man kann nicht einzelne Gruppen gegeneinander aufwie­gen. Man kann nicht jene, die Notstandshilfe kriegen, und jene, die Arbeiterinnen und Arbeiter, die in kürzesten Kündigungsfristen innerhalb einer Woche ihren Arbeitsplatz verlieren, gegeneinander aufwiegen. Es braucht einen ordentlichen Kündigungsschutz und es braucht die Angleichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Beifall bei der SPÖ) – gerade in dieser schwer belasteten Arbeitsmarktsituation, denn wir wollen nicht ein neues Prekariat schaffen und neue geknechtete Menschen, die sich alles gefallen lassen müssen, nur damit sie nicht ihren Arbeitsplatz verlieren. In diesem Sinne: Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

15.46


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den BundesrätInnen Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Be­kämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.46.55

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die über den Livestream zugeschaltet sind! Frau Kollegin Schu­mann, ich habe Ihren Ausführungen natürlich sehr, sehr genau gelauscht, und ja, da haben Sie mit einigen Ausführungen schon recht, vor allem, was diese letzten Monate anbelangt und diese schwere Zeit der Pandemie in den Spitälern, in den Ordinationen und auch darüber hinaus. Das eine oder andere Detail, glaube ich, müsste man aber schon noch konkretisieren und da und dort nachschärfen. Dazu komme ich dann aber noch kurz.

Ich möchte, bevor ich zu meinen Ausführungen komme, wirklich noch einmal einen Dank aussprechen – ich sage immer, man kann nie genug danken, vor allem in Zeiten wie diesen –, vor allem unserem Personal in den Spitälern, in den Pflegeheimen, in den Or­dinationen, allen Ärztinnen und Ärzten, Schwestern und vielen anderen. Es sind da Worte nie genug und Worte reichen oft nicht (Bundesrätin Schartel: Die reichen nicht!), umso mehr begrüße ich aber diesen Bonus, den Korinna Schumann auch angesprochen hat, in der Höhe von 500 Euro für das Gesundheits- und Pflegepersonal. Ich glaube, das ist wirklich eine Wertschätzung, das ist ein schönes Signal und ein wichtiger Schritt, der hier gesetzt wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Thema weiß ich wirklich, wovon ich spre­che. Ich habe von Dienstag auf Mittwoch, also von vorgestern auf gestern, selbst Dienst gehabt, 25 Stunden, und da war alles dabei, was so ein Dienst in der NFA bietet – vom Herzinfarkt über Blutdruckkrisen bis hin zu einem Sonnenbrand. Das habe ich nicht nachvollziehen können, weil es drei Tage durchgeregnet hat, aber es gibt in der Medizin nichts, was es nicht gibt. (Bundesrätin Schartel: Solarium!) Du weißt es, sehr geehrter Herr Bundesminister.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 118

Ich will Ihnen einfach nur kurz erklären, wie so ein Dienst aussieht: Wir Ärztinnen und Ärzte – bei diesem KA-AZG geht es ja in erster Linie um das ärztliche Personal – kom­men in der Früh ins Spital, arbeiten dann, und ab 15, 15.30, 16 Uhr – in Wien aufgrund anderer Dienstzeitlegenden etwas früher – geht der Großteil der Mannschaft nach Hau­se und ein kleiner Teil bleibt als sogenannte Dienstmannschaft im Spital, um Dienst auf der Intensivstation, der Notfallambulanz oder wo auch immer zu versehen. Das ist dieser sogenannte Journaldienst. Das sind 24 Stunden – wenn ich zum Beispiel sage: von Dienstag auf Mittwoch. Da ist jede Stunde eine Arbeitsstunde und das ist auch gut so, das ist auch richtig so. Wenn ich jetzt hergehen und sagen würde: Ich mache von Montag auf Dienstag so einen Dienst und dann vielleicht noch von Donnerstag auf Freitag, dann wären die 48 Stunden erfüllt und ich hätte keine Möglichkeit mehr, noch an dem einen oder anderen Tag im Spital tätig zu sein.

Da komme ich jetzt nämlich zu einer Nachschärfung, Frau Kollegin Schumann, weil Sie immer von den 55 und 60 Stunden gesprochen haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Die Höchstarbeitszeit sind natürlich 48 Stunden. Das ist das, was in der EU-Arbeitszeitrichtlinie steht: 48 Stunden. Wenn aber eine Betriebsvereinbarung vor­herrscht, unterschrieben vom Betriebsratsvorsitzenden und dem Spitalsärztevertreter, und wenn eine individuelle Zustimmung vorliegt – das heißt, ich muss proaktiv als Ärztin oder als Arzt sagen: Ja, ich bin bereit, die eine oder andere Stunde über die 48. Stunde hinaus zu arbeiten –, dann ist es im Augenblick möglich, 55 Stunden zu arbeiten. Ich weiß nicht nur als Arzt, wovon ich da spreche, sondern ich war damals 2014 als Mitglied der Bundeskurienspitze und Vorstandsmitglied der ÖÄK dabei, als wir das mit Rudolf Hundstorfer verhandelt haben – jemand, den ich übrigens sehr geschätzt habe und der immer auf Augenhöhe mit der Ärzteschaft verhandelt hat. Das war natürlich ein ambi­tioniertes Ziel, zu sagen: bis 2018 60 Stunden. Es kam dann die erste Reduktion – du erinnerst dich, Herr Bundesminister – ab 2018 auf 55 Stunden. Diese Hürde haben wir auch gemeinsam genommen, vor allem durch die Mithilfe der Bundesländer. Dann war das Ziel, 2021 auf die 48 Stunden zu kommen.

Ich habe mir die Zahlen und auch die erhobenen Zahlen der Ärztekammer sehr genau angeschaut: Es sind im Augenblick – und da ist Wien gar nicht dabei, weil Wien aufgrund anderer Dienstberechnungen, wie schon erwähnt, das Opt-out nicht benötigt, da kann man gratulieren – 27 Prozent der österreichischen Ärztinnen und Ärzte, die dieses Opt-out überhaupt ziehen. Da sind die Gründe mannigfaltig. Man kann zum Beispiel sagen: Ich bin jung und will ein bisschen mehr machen und will im Spital ein bisschen mehr sehen. Oft ist es in den Sommermonaten, weil man sagt, da kann der eine oder andere länger auf Urlaub gehen.

Was wir jetzt mit diesem Gesetz tun wollen und müssen, ist nichts anderes als das, was damals vereinbart wurde, nämlich bis 2025 zu verlängern, und dann wird eine Reduktion auf 52 Stunden in der Woche eintreten, die dann noch für drei Jahre laufen soll. Ich gebe Ihnen recht, Frau Kollegin Schumann: Es ist am Ende des Tages ein Kompromiss. Es ist ein Kompromiss zwischen auf der einen Seite den Notwendigkeiten und Anforderun­gen, die wir eben in unseren Spitälern haben, und auf der anderen Seite der Arbeitszeit unserer Ärztinnen und Ärzte. Was wir, glaube ich, alle nicht vergessen dürfen, heute hier herinnen, wenn es dann zur Abstimmung kommt: Es geht am Ende des Tages um nicht mehr und nicht weniger als um unser solidarisches Gesundheitssystem und darum, dass die Versorgungssicherheit sichergestellt ist, denn wenn dieser Antrag heute nicht im positiven Sinne verabschiedet wird, sind die Dienstpläne ab Juli in den Müllkübel zu schmeißen. Die Dienste können dann im Juli nicht in der Form, wie sie derzeit geplant sind, abgehalten werden. Da möchte ich dann nicht im Erklärungsnotstand sein. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich habe in den letzten Tagen und Wochen mit vielen Vertretern aus der Ärztekammer und in der Ärztekammer – das ist das, wo ich herkomme – quer durch ganz Österreich


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 119

gesprochen. Jetzt ist schon klar: Da ist niemand in Jubel ausgebrochen. Da hat niemand geklatscht und gesagt: Na, super, Gott sei Dank. Es war aber, und das habe ich überall quer durch ganz Österreich geortet, eine Bereitschaft da, diesen Kompromiss mitzutra­gen und es war auch ein Verständnis für die Versorgungsnotwendigkeit da.

Ich möchte auch schon zum Ende kommen und, bevor ich einen Antrag einbringe, noch ein letztes Mal einmahnen, gerade hier für uns im Bundesrat heute: Wir sind die Länder­kammer und gerade als Vertreter der Länderkammer muss ich sagen, dass alle Bundes­länder, auch quer durch alle politischen Couleurs, gefordert haben, dass es diese Rege­lung, wie es sie jetzt gibt, in der einen oder anderen Form noch für ein paar Jahre geben soll (Bundesrat Steiner: Nein, nein, nein, ...! – Zwischenruf bei der SPÖ), weil das für unser solidarisches Gesundheitssystem wichtig ist, weil es für unsere Versorgungswirk­samkeit wichtig ist. Das ändert nichts daran, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist – keine Frage. Wir müssen hart weiterarbeiten, damit die Bedin­gungen besser werden. Wir müssen hart daran arbeiten, dass wir dieses Ziel 2025 mit der nächsten Reduktion dann für die nächsten drei Jahre schaffen. Unser Bundesminis­ter hat das schon angekündigt und da sind wir als Ländervertreter auch entsprechend gefordert.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf zum Ende kommen und einen Antrag stellen:

Antrag

der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zum Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kran­kenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird, in der 926. Sitzung des Bundesrates:

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Ich bitte Sie um Ihre diesbezügliche Zustimmung, um unser solidarisches Gesundheits­system weiterhin aufrechterhalten zu können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.55


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einge­brachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenan­stalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.56.27

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Ministerin! Herr Mi­nister! Bezüglich des Inhaltes haben die Vorredner schon einiges gesagt, aber ich möch­te trotzdem noch einmal darauf hinweisen: Warum kommt es wieder zu dieser Notverlän­gerung eines bestehenden Gesetzes? – Weil eine Regierung es verabsäumt hat – im Wissen dessen seit 2013 –, rechtzeitig Rahmenbedingungen zu schaffen, damit es nicht erforderlich ist, dass Ärzte 55 Stunden, 60 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Das ist der hauptsächliche Grund. Da kommt man jetzt – heute ist der 27. Mai – auf einmal


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drauf, Herr Dr. Kornhäusl, dass die Regelung so dringend und so wichtig ist und dass dann mehr oder minder ab 1. Juli unser Gesundheitssystem eigentlich nicht mehr funk­tioniert? (Bundesrat Kornhäusl schüttelt den Kopf.) Also das ist schon ein Versäumnis.

Das Spannendste für mich ist, dass Sie gerade mit einer solchen – wie soll ich sagen? – Emotion über das Gesundheitswesen reden und gerade Ihre Partei in der Steiermark nichts anderes zu tun hat, als Spitäler zu schließen – und damit wird noch mehr Druck auf das Personal ausgeübt. Das ist schon interessant. (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich es ist ein Spagat. Warum? – Wir alle wissen, gerade Gesundheitsberufe – egal, ob man im pflegenden Bereich ist, ob man in der Altenbetreuung ist, ob man als Arzt tätig ist – sind eben Berufe, die es mit sich bringen, dass man leider in den meisten Fällen nicht Dienst nach Vorschrift machen kann. Es gibt sehr viele Berufsfelder, in denen es Gott sei Dank eine gesetzliche Rahmenarbeitszeit gibt, in denen aber manch­mal die Situationen das Ganze einfach nicht möglich machen. Man kann nicht um 16 Uhr aufhören und womöglich einem Menschen, der gerade operiert wird, sagen: Jetzt soll jemand anderer weitermachen.

Trotzdem werden wir dem nicht unsere Zustimmung erteilen – und zwar deshalb, weil es doch wirklich nicht sein kann, dass man, wenn Verantwortliche es nicht schaffen, die Dinge zukunftsträchtig zu betrachten, das dann mehr oder minder auf dem Rücken der Betroffenen ausführt, indem man einfach herkommt und sagt: Na, verlängern wir es einfach! Da muss ich Frau Kollegin Schumann recht geben: Warum bis 2028? Warum so lange? – Im Ausschuss habe ich nachgefragt und da hat mir der zuständige Herr Binder vom Ressort gesagt, dass sie genau wissen, dass die Krankenanstalten – wir haben jetzt 2021 – noch fast sieben Jahre brauchen, bis sie das eventuell mit Personal­aufstockung so hinkriegen, dass es machbar ist, dass die Ärzte die 48-Stunden-Woche mehr oder minder einhalten können.

Zum Entschließungsantrag, den die SPÖ eingebracht hat: Diesem werden wir natürlich gerne zustimmen.

Ich möchte dann noch auf zwei Sachen eingehen: Ich glaube, Frau Kollegin Schumann hat bezüglich der 60-Stunden-Woche etwas anderes gemeint als jene, die seinerzeit die Ärzte hatten. Ich habe es im Nationalrat damals immer wieder gesagt, ich sage es Ihnen auch jetzt gerne: § 2 Arbeitszeitgesetz, dass in Österreich die wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden beschränkt ist, wurde weder verändert noch ergänzt noch sonst irgendet­was. Das müssten Sie als Gewerkschafterin wissen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann.) Der § 6 ist es auch nicht.

Was wir lediglich gemacht haben, ist, dass die Dienstnehmer auch ohne die Bewilligung eines Betriebsrates mit ihrem Arbeitgeber darüber entscheiden können, ob sie die Ar­beitszeit verlängern oder nicht. Ihr habt damals mit Betriebsvereinbarung die 60-Stun­den-Woche 24 Wochen zugelassen, wir haben es auf 17 Wochen beschränkt. – Das war das erste. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Schumann: Geh, geh!) – Ja, lesen Sie das Arbeitszeitgesetz, dann wissen Sie es! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrä­tin Schumann.)

Bezüglich der Forderung nach Prämien: Dank ist ein wichtiges Gut und es gehört zu unserer Kultur dazu, dass man Menschen Wertschätzung entgegenbringt, dass man sich für besondere Leistungen bedankt. Ich bin auch ganz bei Ihnen, dass man sagt, man sollte diesen speziellen Berufsgruppen, und da gibt es sehr vielfältige, auch eine finanzielle Anerkennung geben. Ich muss Ihnen aber trotzdem einen kleinen Vorwurf machen, denn es hat einige Branchen – Sozialpartner – gegeben, die es sehr wohl ge­schafft haben, im Jahr 2020 in Kollektivverträge Covid-Prämien hineinzuverhandeln, und da waren Branchen dabei, bei denen ich mich gewundert habe, dass die überhaupt eine Prämie drinnen gehabt haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Es ist also


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schon auch ein bisschen Ihrer Sozialpartnerschaft geschuldet (Bundesrätin Schumann: Ah geh!) und Ihrem doch nicht so gutem Verhandlungsgeschick, dass das zum Beispiel nicht in den Kollektivverträgen drinnen ist, für die Sie jetzt vom Staat diese Prämie for­dern. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

16.01


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.01.38

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, das, was hier vorliegt, ist ein Kompromiss, und es geht dabei um zwei wichtige Rechte: zum einen um das Recht auf medizinische Versorgung, auf eine gewisse Versorgungssicherheit, und zum anderen um das Recht von Ärztinnen und Ärzten auf vernünftige Arbeitszeiten – beides ist wichtig.

Mir und auch meiner Fraktion wäre es lieber gewesen, wenn die sogenannte Opt-out-Regelung ausgelaufen wäre und die Wochenarbeitszeit von 48 Stunden Wirklichkeit werden würde. (Bundesrätin Schumann: Kürzer! Kürzer, das war ...!) Dem steht leider die Realität gegenüber, dass dies zu erheblichen Problemen in den Spitälern geführt hätte und in vielen Regionen eine gute medizinische Versorgung nicht mehr gegeben wäre. Ja, es ist ärgerlich, dass die Spitalserhalter nicht früher und rechtzeitig reagiert haben, denn es ist ja kein Problem, das plötzlich vom Himmel gefallen ist. Es ist letztlich unerheblich, ob es sich da um ein kollektives Verschlafen der Bundesländer handelt oder ob dies aus Kalkül geschah.

Wir stehen jetzt vor der konkreten Situation: Versorgungssicherheit versus vernünftige Arbeitszeiten. Es wurde ein Kompromiss gefunden, der klar einen Weg vorgibt, um stu­fenweise am Ende das Ziel der 48 Wochenstunden zu erreichen. Es wird also nicht bloß nur verlängert, sondern auch klar ein Pfad zur schrittweisen Reduktion vorgegeben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Die Spitalserhalter sind nun also klar gefor­dert, sich entlang dieses Pfades zu bewegen, sich vorzubereiten. Ein weiteres Verschla­fen oder Verschleppen gibt es damit diesmal nicht mehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.03.56

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal die Chronologie dieses Gesetzentwurfs rekapitulieren: Österreich war verpflichtet, die Ärztearbeitszeitrichtlinie der EU bis 2015 umzusetzen, 2014 wurde daher das Ärztear­beitszeitgesetz mit dieser Übergangsbestimmung bis zum 30.6.2021 beschlossen. Am 22. April 2021 bringen die Regierungsparteien eine Trägerrakete – nicht einmal den Ge­setzentwurf, sondern eine Trägerrakete! – im Nationalrat ein, und mit einem Abände­rungsantrag im Ausschuss am 11. Mai 2021 kommt man dann zu dem Gesetzeswortlaut, der am 20. Mai im Nationalrat beschlossen wird und heute hier vorliegt – dann mit einer Dringlichkeit zu argumentieren, passt nicht zusammen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Diese Ausnahmebestimmungen sollen jetzt bis 2028 verlängert werden. Wir sprechen uns dagegen aus. Wir haben auch einen konkreten Alternativvorschlag, wie man das Personalproblem angehen könnte, nämlich spitalsübergreifende Nachtdiensträder zu planen und so die entsprechende Arbeitszeit in den Spitälern einzusparen, weil nämlich die Verlängerung dieser Ausnahmen unserer Sorge nach erneut dazu führen wird, dass


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zu wenig sorgsam mit der Personalplanung umgegangen wird, womit wiederum dem niedergelassenen Bereich Personal entzogen würde. Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

16.05


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. (Bundesrat Himmer: Zur Geschäftsordnung!) – Zur Geschäftsbehandlung: Herr Bun­desrat Himmer, bitte.

*****


16.06.01

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehr­te Frau Vizepräsidentin! Um bei dieser Abstimmung zu vermeiden, wenn es möglicher­weise knapp wird, dass hier vielleicht noch einmal ein Hoppala – wie das in der letzten Sitzung passiert ist – passiert, stelle ich den Antrag nach § 54 Abs. 2, dass bei der Ab­stimmung auch eine Bekanntgabe der Anzahl der Für- und Gegenstimmen erfolgt.

16.06

*****


16.06.27

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich nehme diesen Antrag zur Kenntnis und gehe daher auch so vor.

Wir gelangen somit zur Abstimmung. – Ich sehe, die Plätze sind eingenommen.

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich ersuche die Schriftführung bitte wieder um die Feststellung der Mehrheit beziehungsweise Minderheit. Wir beide nehmen natürlich auch an der Abstim­mung teil. (Schriftführerin Miesenberger nimmt gemeinsam mit Vizepräsidentin Hahn die Stimmenzählung vor.)

Wir kommen zur Gegenprobe: Ich bitte jetzt um die Gegenstimmen, ich bitte jene um ein Handzeichen. (Schriftführerin Miesenberger nimmt gemeinsam mit Vizepräsidentin Hahn die Stimmenzählung vor.)

Wir haben somit Stimmengleichheit mit jeweils 30 abgegebenen Stimmen. – Der An­trag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt. Ein Beschluss des Bundesrates ist somit nicht zustande gekommen. (Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesrat Him­mer –: Danke, sonst wäre er vielleicht durchgegangen!)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Bekämpfung des Personalmangels im Ge­sundheitswesen“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundesrä­tinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzei­chen. Auch ich nehme, ebenso wie die Schriftführerin, natürlich von meinem Stimmrecht Gebrauch. – Auch in diesem Fall haben wir eine Stimmengleichheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

16.09.3514. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1572/A sowie 10643/BR d.B. und 10640/BR d.B.)


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15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1635/A sowie 10641/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 14. und zum 15. Punkt der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschber­ger. – Ich bitte um die Berichte.


16.10.11

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemie­gesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrags­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. Mai 2021 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-So­zialversicherungsgesetz und das Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz ge­ändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrags­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. Mai 2021 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.11.40

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Gesundheits­minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! (Der Redner stellt eine Tafel, auf der sich links neben dem Wort „gesund“ ein Häkchen und rechts davon eine rot-weiß-rote Fahne sowie links neben den Worten „getestet“, „genesen“ und „geimpft“ jeweils ein X befindet, vor sich auf das Rednerpult. – Rufe bei der ÖVP: Na, net! Ah geh! – Bundesrat Steiner – in Richtung ÖVP –: Was ah geh?! – Bundesrätin Steiner-Wieser hält ein blaues T-Shirt mit der eben beschriebenen Aufschrift in Richtung ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Mit den - - (Die beschriebene Tafel fällt vom Rednerpult. – Oh-Rufe bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Der Redner stellt die Tafel wieder vor sich auf das Rednerpult.)

Mit den heutigen Gesetzesbeschlüssen wird die neue Normalität, wie es die Bundesre­gierung seit rund einem Jahr bezeichnet, zur Normalität, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und was bedeutet diese neue Normalität? – Die neue Normalität bedeutet


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Überwachungsstaat, die neue Normalität bedeutet die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte, die neue Normalität bedeutet die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die neue Normalität bedeutet die Diskriminierung von unseren gesunden Österreichern, und die neue Normalität bedeutet eine Spaltung der Gesellschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grund darf ich an dieser Stelle auch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Diskriminie­rungsverbot gegen das Zwangsregime ‚Grüner Pass‘“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- Ein verfassungsrechtlich garantiertes Diskriminierungsverbot für alle jene Bürger, die den ‚Grünen Pass‘ nicht in Anspruch nehmen oder verwenden.

- Der volle und uneingeschränkte Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen für Ungeimpfte, Ungetestete, Genesene und Gesunde“

*****

Ich glaube, das wäre der Schritt in die richtige Richtung, um unsere gesunden Bürger, nämlich 99,8 Prozent der österreichischen Bevölkerung, da nicht zu drangsalieren. Di­vide et impera – ein Ausspruch, nach dem diese Bundesregierung seit Beginn ihrer Tä­tigkeit handelt –, teile und herrsche, und genau nach diesem Grundsatz arbeitet diese Bundesregierung, nämlich mit den Ängsten der Bevölkerung.

Ich erinnere nur an den Ausspruch des Bundeskanzlers: „Bald wird jeder jemanden ken­nen, der an Corona gestorben ist“. – Ich bin sehr froh, dass ich noch immer niemanden kenne, der an Corona gestorben ist, und ich hoffe, dass das Ganze auch so bleibt. (Bun­desrat Bader: Ich kenne genug! – Bundesrat Seeber: Sei froh! Sei froh!) Dieser Aus­spruch war aber der Startschuss dieser Angstpolitik, das war der Startschuss Ihrer neuen Normalität. Die Coronapolitik dieser Bundesregierung besteht schlicht und ergreifend aus Angst, aus Panikmache, aus Freunderlwirtschaft und aus einer Spaltung der Gesell­schaft, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist Ihre neue Normalität! Das ist Ihre neue Normalität, die Sie heute mit dem grünen Pass auf eine ganz neue Ebene treiben, nämlich auf die Ebene der lückenlosen Überwa­chung und auf die Ebene der offensichtlichen Diskriminierung unserer gesunden Öster­reicher. (Beifall bei der FPÖ.)

Gegen genau diese Überwachungs- und Diskriminierungsfantasien werden wir Freiheitli­che Widerstand leisten. Wir werden gegen die Überwachungsfantasien dieser Bundes­regierung Widerstand leisten, und wir werden nicht zulassen, dass diese Bundesregie­rung aus unserem Land eine DDR 2.0 macht. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

99,8 Prozent der Österreicher sind die gesunden Österreicher, Sie wissen das, Herr Ge­sundheitsminister. 99,8 Prozent sind gesunde Österreicher, und genau diese gesunden Österreicher schafft diese Bundesregierung mit dem heutigen Beschluss ein für alle Mal ab. Es gibt in Zukunft nur mehr die Geimpften, die Genesenen, die Getesteten und Men­schen, die unmittelbar vor einer Infektion stehen. Die Gesunden aber, die gibt es in die­sem Land mittlerweile nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich frage mich: In welcher Zeit sind wir angekommen, in der Gesunde beweisen müssen, dass sie gesund sind? Wo sind wir angekommen, dass gesunde Österreicher sich nicht mehr frei bewegen dürfen? (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Wir sind mit dieser Bundesregierung in einer Zeit angekommen, in der gesunde Österreicher in einen Mas­kenzwang getrieben werden, in der gesunde Österreicher in einen Testzwang getrieben werden und in der gesunde Österreicher in einen Impfzwang getrieben werden, und das alles, damit sie einen Teil ihrer Grund- und Freiheitsrechte wieder zurückbekommen, die ihnen nichts und niemand hätte nehmen dürfen. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

Was die Menschen da draußen von diesen völlig überzogenen Maßnahmen, von den Gesetzen und Verordnungen dieser Bundesregierung halten, haben ja schon viele auf den Straßen kundgetan. Ich glaube, auch der 19. Mai, die Öffnung der Gastronomie, war für diese Bundesregierung ein Ankommen in der wirklichen Wirklichkeit, denn auch da hat sie gesehen – im Schweizerhaus –, was die Menschen von ihrer Politik halten. (Bei­fall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Jawohl! Bravo! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und ja, auch wenn die ÖVP da Coronaleugner und Rechtsradikale sieht – auch die ge­kauften Medien stellen das ja permanent so dar –, so muss ich sagen: Das sind Bürger, die mit diesen Coronamaßnahmen nicht umgehen können, das sind Bürger, die mit offe­nen Augen durchs Leben gehen und die sich nicht länger von dieser Bundesregierung drangsalieren lassen wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines kann ich Ihnen auch sagen: Das ist nur ein kleiner Teil, der wirklich den Mut hat, draußen auf der Straße seine Meinung kundzutun. In Wirklichkeit sind es aber noch viel, viel mehr, die mit diesen völlig überzogenen und sinnbefreiten Maßnahmen dieser Bun­desregierung schon lange nichts mehr anfangen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Draufgabe und zur weiteren Entmündigung unserer Österreicher führt diese Bundes­regierung jetzt auch noch ein elektronisches Überwachungszertifikat ein. Da kann ich nur sagen: Dollfuß würde beim Anblick dieser Bundesregierung vor Neid erblassen. Es ist unglaublich, was sich da abspielt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche werden jedenfalls nicht zulassen, dass diese Chaosregierung unser Land bis zur Unkenntlichkeit umbaut. Was wir wirklich brauchen, sind Regeln für die Kranken, sind Regeln für Krankheitsverdächtige, aber nicht diese Bundesregierung soll feststellen, wer krank ist, sondern einzig und allein ein Arzt soll feststellen, wer krank ist – da brauchen wir Regeln! (Beifall bei der FPÖ.)

Was wir brauchen, ist ein funktionierendes Gesundheitssystem und nicht kaputtgesparte und zusammengekürzte Krankenanstalten, und genau in diesem Bereich haben sowohl die Bundesregierung als auch viele Landesregierungen im vergangenen Jahr im wahrs­ten Sinne des Wortes in der Pendeluhr geschlafen. Anstatt die offensichtliche Unfähig­keit endlich einmal zuzugeben, drangsaliert diese Bundesregierung unsere Bürger tag­täglich mit neuen Wahnsinnigkeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

Das gipfelt seit einigen Tagen auch noch darin – ich glaube, heute sind Sie mit dem Bildungsminister zusammengesessen –, dass man jetzt dieses Genexperiment auch noch auf unsere Kinder ausweiten will, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist etwas, das es mit uns auf keinen Fall spielt! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Frechheit! Unglaublich! Schämt euch! Schämt euch!)

Was passiert denn, wenn die Kinder an diesem Genexperiment nicht teilnehmen? Was passiert dann, wenn sich Eltern gegen diese Impfung von Kindern entscheiden? Was passiert? Dürfen diese Kinder dann die Schule nicht mehr besuchen? Werden sie vom Bildungssystem ausgeschlossen? Na was passiert dann weiter? – Ich kann Ihnen nur sa­gen: Finger weg von unseren Kindern! Da werden Sie auf Widerstand stoßen, auf


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Widerstand der Bevölkerung und auf Widerstand der Freiheitlichen Partei, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Ich sage bei all dem, wenn ich in die Vergangenheit schaue: Liebe Grüne, Sie haben plakatiert: „Wen würde der Anstand wählen?“ – Ich frage mich das heute auch: Wen würde der Anstand heute wirklich wählen, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Abschließend kann ich Ihnen nur sagen: Mit uns Freiheitlichen wird es keinen Stände­staat 2.0 geben! Und: Wir sind froh, dass wir in der Zeit unserer Regierungsbeteiligung nie Teil dieser ÖVP-Familie gewesen sind. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

16.21


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.22.01

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Ich habe ja immer das Vergnügen, nach dem Kollegen zu reden, und zwangsweise habe ich mir jetzt einmal auch das Taferl angeschaut.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Entschuldigen Sie, Frau Bundesrätin, eines habe ich vergessen: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kol­legen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Diskriminierungsverbot gegen das Zwangsregime ,Grüner Pass‘“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung. – Entschuldigen Sie die Unterbrechung!


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (fortsetzend): Jetzt habe ich mir dieses Taferl angeschaut, und das ist ja ganz interessant, denn das Einzige, das an diesem Taferl fehlt, ist das Ist-gleich-Zeichen: Jemand ist gesund, wenn er getestet, genesen oder geimpft ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner – erheitert ‑: Du bist ja völlig irre! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Dann möchte ich noch etwas spezifizieren (Bundesrat Steiner: Völlig irre, gute Dame, bist du!): In Wirklichkeit meinen wir damit - - (Bundesrat Steiner: Du bist ja völlig irre!) – Kann ich weiterreden? (Bundesrat Steiner: Red du ins Mikrofon!) Dann müsst ihr eure Taferln bitte genauer machen, aber darauf ist nicht so viel Platz. (Bundesrat Steiner: Du bist ja völlig irre!) – Also wenn ich von der FPÖ als irre bezeichnet werde, dann betrachte ich das ja fast als Kompliment, muss ich ganz ehrlich sagen.


16.23.22*****

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich fürchte, ich muss Sie noch einmal unter­brechen.

Herr Bundesrat Steiner, in Anbetracht der Würde des Hauses würde ich Sie bitten, den Ausdruck „völlig irre“ zurückzunehmen. (Bundesrat Steiner: Nein, nichts! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) – Dann, bitte, erteile ich auch hierfür einen Ordnungsruf.

Ich bitte aber dennoch, bei aller Hitzigkeit und Emotion, die dieses Thema hervorruft, ein bisschen Ruhe einkehren zu lassen, um eine ordentliche und sachliche Diskussion zu ermöglichen.

*****


16.23.52


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 127

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (fortsetzend): Genau. – Das möchte ich nämlich schon auch ausführen: In Wirklichkeit ist ein Mensch im Rahmen der Epide­mie als gesund zu definieren, wenn von ihm ein geringes epidemiologisches Risiko aus­geht. Ich glaube, darauf können wir uns einigen, und daher würde ich jetzt doch sagen, meine Interpretation der Tafel ist gar nicht so verkehrt. (Heiterkeit des Bundesrates Stei­ner.) – Na ja, ich möchte jetzt zu meiner Rede kommen.

Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Zorn ist ja spürbar, nicht nur hier bei den Kollegen, sondern man bekommt ja als Abgeordnete oder Bundes­ratsmitglied auch immer wieder Mails. Da gibt es kritische und zornige Mails, und ich habe in den letzten Tagen auch sehr viele in Bezug auf den grünen Pass erhalten. Ich möchte hier gerne ein paar Sätze aus einem Mail vorlesen, und zwar – ich zitiere –:

Das Leben von 8,9 Millionen Menschen in Österreich wurde im vergangenen Jahr umge­krempelt und auf den Kopf gestellt, egal welchen Alters, welcher Berufsgruppe. In Öster­reich gelten die Prinzipien der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltentrennung und Liberalität, es herrscht freie Meinungsäußerung. Es ist Ihre Pflicht, in einer besonderen Situation in welcher Art auch immer die Gesamtheit der Bevölkerung und deren Wohl beziehungsweise die Gesamtsituation in unserem Land nicht aus den Augen zu verlie­ren. – Zitatende.

All das ist auch richtig und dem stimme ich auch zu, ich möchte aber dazu ausführen, dass die Bundesregierung genau dieser, ihrer Pflicht, für das Wohl der Bevölkerung Sorge zu tragen, nachkommt. Im Rahmen der Pandemie werden weitreichende seriöse Maßnahmen gesetzt, und Hilfe wird gewährt.

Ich habe heute auch schon erwähnt – ohnedies schon öfter erwähnt –, dass wir in Ös­terreich Testweltmeister sind und auch unsere Impfsituation als sehr gut zu bewerten ist. Ende Juni werden rund 40 Prozent der österreichischen Bevölkerung voll immunisiert sein, und damit beschreiten wir einen sehr guten Weg.

In Bezug auf Oberösterreich kann ich sagen, dass seit Sonntag am Abend bereits allen auf „Österreich impft“ registrierten Personen eine Impfung angeboten wurde und diese Impfungen auch zeitnah abgewickelt werden. Es gibt sogar in zahlreichen wohnortnahen Impfzentren eine Vorabauswahlmöglichkeit, welchen Impfstoff man möchte.

Nun gilt es, weitere Schritte in Richtung Normalität zu setzen. Dazu gehört die Schaffung eines Nachweises, einer Bestätigung, dass von einer Person eine geringe epidemiologi­sche Gefahr ausgeht, dass sie quasi gesund ist – national, natürlich auch international, damit ein freies Bewegen innerhalb Europas wieder möglich ist. Da hat Österreich be­reits am 19.5. die Phase eins gestartet. Im Rahmen der 3G-Strategie werden derzeit analoge Nachweise – geimpft, genesen, getestet – ausgestellt beziehungsweise aner­kannt; dies in Form eines Impfpasses, des Absonderungsbescheides der Behörde, eines Antikörpernachweises, eines zurückliegenden positiven PCR-Tests und natürlich nega­tiven Testbestätigungen in den verschiedenen Formen.

Nun gilt es, die Phase zwei einzuleiten. Da soll es ein Zertifikat geben, das die Unbe­denklichkeit eines Zutrittes bis zu einem gewissen Datum bescheinigt, und dieses Zertifi­kat hat quasi den Namen „grüner Pass“ bekommen, und – ich weiß, das wollen jetzt vielleicht viele nicht hören, insbesondere Kollege Leinfellner wahrscheinlich nicht – wir werden dadurch wieder anonymer werden – das Gegenteil wird ja immer angeprangert –, denn es ist jetzt gerade noch so, dass wir durch das Vorzeigen des Impfpasses, des Absonderungsbescheides, des Antikörpernachweises doch fremden Personen mitunter ziemlich persönliche Daten zugänglich machen (Bundesrat Leinfellner: Na wer hat denn den Schas eingeführt? – Ruf bei der ÖVP: Na hallo!), und jetzt wird es so sein, dass sich das mit dem grünen Pass verändert. Dort wird mittels QR-Code, wenn dieser abgefragt wird, nur noch mein Name, mein Alter und insbesondere die Dauer der Gültigkeit des


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Zertifikats sichtbar sein. Ehrlich gesagt, ich freue mich darauf schon wirklich (Ruf bei der FPÖ: Ja, ja!), denn das Ganze wird im Offlinemodus passieren, es wird keine Onlinever­netzung oder Rückkoppelung geben (die Bundesräte Steiner und Ofner: Ja, genau!), und damit wird auch keine Rückverfolgbarkeit möglich sein. Dann kann niemand feststel­len, wann ich wo mit wem unterwegs gewesen bin – und das ist richtig und gut so, und das wird bald in ganz Europa möglich sein. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Bundesrä­tInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Für all jene, die kein Smartphone besitzen oder digital skeptisch sind, wird es auch mög­lich sein, diesen Nachweis in Papierform zu erhalten.

Abschließend möchte ich dann doch noch sagen, dass es uns gut anstünde, einmal weniger zornig zu sein. Freuen wir uns über sinkende Infektionszahlen, und arbeiten wir daran, weiter in die Normalität zu schreiten! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

16.29


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.29.22

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim via Live­stream! Im Sport zählen ganz besonders die letzten Meter vor dem Ziel. Da ist es ganz wichtig, noch einmal seine gesamten Kräfte zu bündeln und sich noch einmal voll auf das unmittelbar bevorstehende Ziel zu konzentrieren, um nicht zu stolpern, wie beim Marathon, oder einzufädeln, wie beim Skifahren.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, mir scheint, Sie sind schon ganz zu Beginn des Rennens im Kampf gegen diese Coronapandemie aus­geschieden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.) Sie können sich jetzt nur ärgern, dass Sie keinen Beitrag zur Bewältigung dieser Pandemie geleistet ha­ben. Nicht nur, dass Sie einfach keinen Beitrag geleistet haben (Bundesrat Ofner: Wir leisten einen Beitrag für die Grund- und Freiheitsrechte! Das ist wichtig!), diese Pande­mie zu bewältigen, nein, was Sie jetzt noch machen, ist: Sie werfen uns Leistungsträgern noch Stöcke vor die Beine (Bundesrätin Steiner-Wieser: Leistungsträgern?! – Bundes­rat Ofner: Leistungsträger seid ihr keine!), um uns Leistungsträger, die wir hier sind, bei der Zielerreichung zu behindern oder uns gar zu Fall zu bringen. Im Sport würde man sagen, das ist ein absolut unsportliches Verhalten, meine lieben Kolleginnen und Kolle­gen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Leistungsträger? Das ist wohl ein Scherz! – Bundesrat Ofner: Ihr seid vielleicht Geld­empfänger, aber keine Leistungsträger!)

Nun aber zum heutigen Thema: Es geht um den grünen Pass. Wir schaffen dafür die rechtliche Basis und damit einen elektronischen Nachweis für Genesene, Getestete und Geimpfte, und da gibt es schon ein paar wichtige Eckpfeiler (Bundesrat Köck: Das ist einmal eine gute Rede!) – meine Vorrednerin hat bereits einige davon erwähnt, und ich möchte sie noch in Kürze zusammenfassen –:

Mit dem heutigen Beschluss können nämlich Österreicher und Österreicherinnen mit ihrem elektronischen Dokument EU-weit reisen. Das Dokument ist konform mit den EU-Vorgaben, und sobald das Gesetzespaket dann EU-weit in Kraft treten wird – das wird voraussichtlich Ende Juni der Fall sein –, werden wir EU-weit reisen können. Das ist gerade in Anbetracht des bevorstehenden Sommers ein wirklich großartiger Schritt. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Ofner: Genau: Keiner kann sich mehr infizieren!)

Mit dem heutigen Beschluss wird auch ein wirklich niederschwelliger Zugang zu Zertifika­ten geschaffen, so wie wir das auch schon beim Testen hatten. Zu den bisher gängigen


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Nachweisen wie dem Absonderungsbescheid oder dem gelben Impfpass, wie wir ihn in Papierform kennen, können wir ab Juni auch digitale Formate mittels QR-Code verwen­den. Der Nachweis kann zum Beispiel über das Elga-Portal abgespeichert werden. Dafür ist eine Handysignatur oder eine Bürgerkarte notwendig. Jetzt ist uns schon klar, dass das zum Beispiel für ältere oder weniger technikaffine Personen eine Hürde darstellen kann, und deshalb gibt es auch die Möglichkeit, dass Ärzte oder Apotheken direkt vor Ort zum Beispiel einen Impfnachweis ausstellen können.

Wir beschließen heute in diesem Zusammenhang auch, dass die Leistungserbringer für diese Leistungen ein Honorar in Höhe von 3 Euro pro Impfnachweis erhalten werden. Ich denke, das ist durchaus akzeptabel und nachvollziehbar.

Außerdem wird mit dem heutigen Beschluss auch eine Clearingstelle eingerichtet, bei der fehlerhafte Zertifikate gemeldet werden können und die Fehler dann auch schnellst­möglich behoben werden. Schlussendlich werden mit diesem Gesetz die Anforderungen des Datenschutzes durchaus erfüllt.

Meine Kolleginnen und Kollegen, der grüne Pass wird in drei Etappen kommen – das hat die Bundesregierung angekündigt, und genau so ist es jetzt auch eingetroffen. An­fang Juni gehen wir in die zweite Etappe über, und voraussichtlich Ende Juni bezie­hungsweise spätestens Anfang Juli wird es mit der europäischen Gesamtlösung die drit­te Phase und dritte Etappe geben.

Damit geht Österreich jetzt schon einen wirklich mutigen Schritt voraus, damit die Be­völkerung bis zum EU-weiten grünen Pass bereits lokal und national Freiheiten genießen kann, Freiheiten wie beispielsweise die Bregenzer Festspiele, Freiheiten (Bundesrat Steiner: Freiheiten, die uns diese Regierung genommen hat!) wie das Davis-Cup-Finale in Innsbruck, das kommen wird, aber auch Freiheiten wie das Public Viewing der Fuß­ball-EM, die ja unmittelbar bevorsteht.

Auf all das können wir uns freuen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Diese Maß­nahmen bringen uns damit auch einen wirklich großen Schritt näher an unser Ziel, die Pandemiebekämpfung, näher an unsere Freiheit. Deshalb werden wir seitens der ÖVP-Bundesratsfraktion diesen Maßnahmen natürlich zustimmen und sie voll unterstützen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bravoruf bei der ÖVP.)

16.34


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.34.17

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, der grüne Pass – ein im Vorfeld sehr stark diskutiertes Thema! Eingangs möchte ich Ihnen, Herr Bundesminister, dafür danken, dass Sie in dieser sehr sensiblen Angelegenheit den Weg des Dialogs gesucht haben und mit der Sozialdemokratie auch einen praktikablen Weg zur notwendigen Mehrheit gefunden haben, um noch rasch eine Umsetzung zu ermögli­chen. (Beifall bei der SPÖ. – Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Wir Sozialdemokraten und die SPÖ fahren in der Opposition einen kritischen, aber im­mer konstruktiv orientierten Kurs. Ich möchte aber schon festhalten, dass es ohne die Sozialdemokratie keine Begutachtungsphase für dieses Gesetz zum grünen Pass gege­ben hätte. (Bundesrat Steiner: Das war eine Pseudobegutachtung!) Durch die Begut­achtung konnten sich die Bevölkerung und ExpertInnen überhaupt erst ausreichend mit dem Gesetzestext befassen.

Aufgrund dieses Drucks vonseiten der Zivilbevölkerung und der ExpertInnen konnte die SPÖ entscheidende Verbesserungen verhandeln, und so können wir heute auch unsere


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Zustimmung dazu erteilen. Es ist uns gelungen, vier für uns wichtige Punkte durchzu­setzen:

Erster Punkt: kein Datenmoloch unter dem Vorwand des grünen Passes. Dies bedeutet, dass wir die umfassende Verknüpfung sensibler Daten zu Erwerbsleben, Einkommen, Bildungsweg und Krankenständen ersatzlos streichen konnten. Damit sind aus diesen Daten keine Rückschlüsse auf konkrete Personen möglich. Dies ist ein entscheidender Sieg für den Datenschutz und das Recht auf Privatsphäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt: keine Nachverfolgung von Bewegungsprofilen. Ursprünglich wäre es ja mit dem grünen Pass möglich gewesen, diese Bewegungsprofile zu erstellen – wenn man beispielsweise zuerst beim Friseur war, dann ins Gasthaus ging und anschließend im Schwimmbad war. Diese zentrale Speicherung konnten wir verhindern, und auch da hat sich der Datenschutz durchgesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der dritte Punkt: die Protokollierung aller Datenabfragen auf sensible Gesundheitsdaten. Der Entwurf der Bundesregierung sah nicht vor, dass Abfragen der Daten protokolliert werden. Wir konnten nun sicherstellen, dass jeder Zugriff, zum Beispiel die Kontaktver­folgung, protokolliert werden muss. Alle BürgerInnen haben damit die Möglichkeit, nach­zusehen, wer auf die eigenen Daten zugegriffen hat.

Schließlich ein vierter, sehr wichtiger Punkt: Auch die EU-Kompatibilität ist gegeben. Wir konnten nun sicherstellen, dass der österreichische grüne Pass EU-konform sein wird und somit nicht zu Chaos und zu zusätzlichen Kosten führen wird. Die Reisefreiheit in­nerhalb der Europäischen Union und auch der Tourismus in Österreich werden damit wieder möglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Darüber hinaus konnten wir auch noch weitere BürgerInnenservices erreichen.

Auf gesetzlicher Ebene können wir also entscheidende Verbesserungen erreichen, die Umsetzungsverantwortung liegt jedoch bei der Bundesregierung. Die Grundlage für den grünen Pass ist nun geschaffen – liefern muss nun die Bundesregierung bis zum 4.6.

Ich darf nun kurz auch auf diese Taferln der Freiheitlichen mit den vier G replizieren – und wenn ich nun auf 3G oder 5G Bezug nehme, spreche ich nicht über die technischen Voraussetzungen in der Telekommunikation –: In den letzten Wochen war immer von 3G zu hören. Gemeint war damit – und das wissen wir alle –: geimpft, getestet und ge­nesen. Wichtig sind aber noch zwei weitere G: garantiert gesund. – Gesund allein ist eine allzu trügerische Annahme, liebe Freunde von der FPÖ.

Was will ich damit sagen? – Ich denke, das Beispiel des Kärntner Kollegen Gabriel Ober­nosterer von der ÖVP gestern im Nationalrat bringt das sehr deutlich zum Ausdruck – vielleicht versteht ihr dann diesen Ausdruck „garantiert gesund“ etwas besser –: Gabriel Obernosterer ist Betreiber eines ausgezeichneten Hotels im Lesachtal. Alle freuen sich, dass die Betriebe ab 19.5. wieder öffnen konnten. Die Buchungslage ist bei ihm sehr gut. Er beschäftigt 70 Mitarbeiter. Bei der Buchung wird den Gästen mitgeteilt, dass sie unter Beachtung der drei G jederzeit willkommen sind.

Am Sonntag erfolgte eine Buchung, und der Gast teilte mit, dass er diese 3G-Regel nicht erfüllt, aber er sei eh gesund und komme trotzdem. Nachdem dem Gast mitgeteilt wor­den war, dass dies nicht möglich ist, hat er sich auf dem Weg zum Hotel testen lassen. Seine Ehefrau war negativ, er war positiv. Wären die Gäste so angereist, hätte dies vielleicht zur Folge gehabt, dass sich aufgrund der Infektion nach wenigen Tagen andere Gäste oder Bedienstete angesteckt hätten und der Betrieb für mindestens zehn Tage hätte geschlossen werden müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Da geht es um den Schutz der Betriebe, um den Schutz der Gäste und der Mitarbeiter. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)


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Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass für eine gewisse Zeit noch gewisse Maßnahmen notwendig sein werden. Wir alle sehnen uns nach der alten Normalität zurück, aber zurzeit geht es, glaube ich, nicht, denn der Virus ist nicht weg. Eine Woche nach den ersten Öffnungsschritten sind die Fallzahlen mit dem heutigen Datum leider wieder et­was angestiegen. Hoffen wir, dass dies im erträglichen Ausmaß bleiben wird!

Herr Bundesminister, Sie sind Fachmann und wissen ganz genau, wohin die Reise geht, auch wenn die Diskussion zu Pfingsten nicht gerade die beste war und Ihr Fachwissen beim Adressaten anscheinend nicht ganz angekommen ist, aber vielleicht ändert sich das in Zukunft noch. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein anderes Beispiel, das nicht aus der Gastronomie, sondern aus dem Lebensmit­telhandel kommt: Egal ob das Groß- oder Kleinbetriebe sind, da haben die Infektionen auch weitreichende Folgen. Ein Großbetrieb kann Erkrankte vielleicht noch durch Perso­nalrochaden mit anderen Betrieben abdecken, Kleinbetriebe und Selbstständige jedoch nicht. Da ist die Frage: Ist dann die Versorgung zum Beispiel im ländlichen Raum noch gewährleistet, wenn da nur Gesunde herumgeistern? Wenn es publik ist, dass es in ei­nem Betrieb Kranke gibt, schlägt sich das so nieder, dass auch die Konsumenten diesen Betrieb meiden, was massive wirtschaftliche Folgen für die Betriebe hat.

Wenn wir schon von den Handelsangestellten sprechen: Sie waren in den Lockdown­zeiten die viel beklatschten Heldinnen und Helden der Krise. Wie gesagt, Beklatschen ist zu wenig, vielmehr ist da ein spürbares Zeichen für die Betroffenen längst fällig. Daher möchte ich, wie von meiner Kollegin Korinna Schumann bereits angekündigt, folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Corona-Bonus auch für die nicht sichtbaren Heldinnen und Helden – vergessen wir jetzt nicht auf Men­schen, die während der Corona-Krise Tag und Nacht für uns da waren!“

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz sowie der Finanzminister, wird aufgefordert, bei der Zutei­lung des ,Corona-Bonus‘ die unsichtbaren Heldinnen und Helden nicht auszuschließen und darüber hinaus auch den Arbeitnehmer*innen in den Bereichen der Daseinsvorsor­ge und anderen unverzichtbaren Branchen, wie zum Beispiel im Lebensmittelhandel, eine finanzielle Anerkennung zukommen zu lassen.“

*****

Ich glaube, sie haben es sich verdient. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.43


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Corona-Bonus auch für die nicht sichtbaren Heldinnen und Helden – vergessen wir jetzt nicht auf Menschen, die während der Corona-Krise Tag und Nacht für uns da waren!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 132

16.44.19

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit mei­nem, ich müsste fast sagen, ceterum censeo: There is no such thing as a green pass. – Es gibt keinen grünen Pass, zumindest nicht außerhalb von Israel.

Was wir heute beschließen, ist eine österreichische technische Grundlage für das digi­tale Covid-Zertifikat der EU, das ab 1. Juli gelten soll. Weil es sowieso erst ab 1. Juli gelten soll, verstehe ich auch nicht die Eile, die da wieder von den Regierungsparteien gekommen ist, mit einer Sondersitzung im Nationalrat, damit wir die Vorlage heute im Bundesrat haben. Wir haben die nächste Bundesratssitzung am 24.6. Bis dahin wäre es sich mit einem ordentlicheren Gesetzgebungsprozess, einer längeren Begutachtungs­frist auch ausgegangen. Ich weiß es nicht, aber ich habe eine Ahnung, warum das so durchgepeitscht werden musste: weil der Herr Bundeskanzler wieder einmal eine Da­tumsankündigung gemacht hat, ohne vorher mit den Leuten zu sprechen, die dann für die Umsetzung zuständig sind.

Diese EU-weite Harmonisierung ist eine Harmonisierung der Nachweisform, es ist keine Harmonisierung der zu erbringenden Nachweise. Es bleibt weiterhin jedem europäi­schen Staat, sei es innerhalb der EU, sei es im Schengenraum, selbst überlassen, das Niveau der Nachweise festzulegen, also zum Beispiel ob der Impfnachweis 22 Tage nach der ersten Impfung oder erst zwei Wochen nach der zweiten Impfung gültig ist, ob für die Einreise ein PCR-Test notwendig ist oder ob auch ein Antigentest genügt.

Daran ändert sich ja nichts. Deswegen befinden wir uns in Wirklichkeit sowieso nur auf der Metaebene der ganzen Covid-Diskussion, denn das, was wir innerstaatlich regeln oder was für Grenzüberschreitungen geregelt wird, verändert sich nicht durch das, was wir heute beschließen.

Diese EU-weite Harmonisierung ist hilfreich für die Reisetätigkeit, sowohl für Österrei­cherinnen und Österreicher ins Ausland als auch für Touristinnen und Touristen oder Geschäftsreisende aus dem Ausland nach Österreich.

In Wirklichkeit beschließen wir heute die technischen Grundlagen dafür, dass es eine dezentrale Datenbankabfrage geben soll. Das konnte im Unterschied zum ursprüngli­chen Gesetzentwurf verhandelt werden, was deshalb so wichtig war, weil durch die tech­nische Nachweisform keine Bewegungsprofile ermöglicht werden sollen und die Daten­schutzstandards eingehalten werden müssen.

Solange die Pandemie in Österreich noch ein Erkrankungsniveau auslöst, das gesetz­liche Maßnahmen erfordert, die diejenigen bei anderen Infektionskrankheiten überstei­gen, ist es natürlich sinnvoll, dass das Zusammenströmen größerer Menschenmengen oder der Kontakt mit gefährdeten Personen an den Nachweis einer – das haben wir heute schon gehört – geringen epidemiologischen Gefahr geknüpft wird. Das bedeutet in Österreich vor allem Eintrittstests, von denen aber Genesene und seit nicht allzu lan­ger Zeit endlich auch Geimpfte ausgenommen sind.

Die Regelung, die wir heute beschließen, hat ein Ablaufdatum – das ist auch wichtig –, ein gesetzliches Ablaufdatum mit Juni 2022, was aber, Herr Minister, durch Ihre Verord­nung ja nicht notwendigerweise ausgeschöpft werden muss.

Die heutige Novelle ist in der letztlich vereinbarten Version das Drama nicht wert, sie ist ein nüchterner, richtiger Schritt in die richtige Richtung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.48


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 133

16.48.32

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Dr. Wolfgang Mückstein
: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Wir haben fast 3,5 Millionen Menschen in Österreich, die bereits mit dem Covid-19-Impfstoff geimpft sind, wir haben knapp 1,3 Millionen, die die erste Impf­serie schon beendet haben, und wir werden – das ist heute auch schon gesagt worden – Ende Juni die Marke von 40 Prozent Vollimmunisierten erreichen. Wir werden dazu aber noch diejenigen haben, die bereits die erste Teilimpfung haben, und wir haben zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich 640 000, 650 000 Österreicherinnen und Österreicher, die ge­nesen sind.

Das ist doch eine gute Neuigkeit, und bei aller Kritik, die ich teilweise nachvollziehen kann, teilweise nicht, ist das heute oder morgen mit Sicherheit ein Tag, an dem wir uns alle freuen können, wir uns vielleicht einmal auf die Schulter klopfen, denn das waren anstrengende 16 Monate, und ich glaube, wir sind eigentlich ganz gut durch die Krise gekommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Weiter mit nüchternen Zahlen: Wir haben heute eine Siebentageinzidenz von 41. Wir haben heute auf den Intensivstationen die Zahl von 200 Covid-19-Patienten unterschrit­ten. Das sind etwa Zahlen, die an Oktober 2020 erinnern. – Entschuldigung (auf seine Smartwatch blickend), das ist meine Tochter, sorry! – Das schaut doch gut aus. Damals waren wir kurz davor, wieder - - Sorry! (Der Redner blickt wieder kurz auf seine Smart­watch, nimmt dann sein Smartphone zur Hand und nimmt eine entsprechende Einstel­lung vor. – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) Die ist sehr hartnäckig, die ist wieder draußen und freut sich darüber. So, jetzt geht es. Das werde ich ihr nachher im Live­stream zeigen. Entschuldigen Sie!

Also ich glaube, es schaut gut aus, die Inzidenz passt, der Belag der Intensivstationen passt, die Prognosen für die nächsten Wochen passen eigentlich recht gut. Wir haben daher letzte Woche erst, vor acht Tagen, am 19. – das haben wir wiederum ungefähr viereinhalb Wochen davor beschlossen –, bei aller Sicherheit doch recht breit öffnen können. Morgen werden wir die nächsten Öffnungsschritte bekannt geben. Ich glaube, wir sind eigentlich mit einer ziemlich großen Geschwindigkeit auf dem Weg zurück in unser altes Leben, und das ist unser aller gemeinsamer Erfolg, der Erfolg der Österrei­cherinnen und Österreicher. Wir geben ihnen da nichts zurück, sondern sie und wir ha­ben uns das alle erarbeitet.

Wodurch war das weiters möglich? – Wir testen, testen, testen. Wir haben geimpft, es kommen 400 000, 500 000 Impfstoffdosen pro Woche nach Österreich. Die Bundeslän­der haben das sehr gut gemacht: mit Impfstraßen, mit niedergelassenen Ärzten, die imp­fen, mit Impfbussen, es werden wirklich viele verschiedene Möglichkeiten angeboten, und das Impfen schreitet rasant voran. Wir haben letzte Woche an drei aufeinanderfol­genden Tagen – drei oder vier sogar – über 100 000 Leute pro Tag geimpft, das ist wirk­lich eine großartige Leistung. – Danke dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zu dem heutigen Thema, dem grünen Pass: Der grüne Pass beruht auf dem Prinzip von 3G, das ist heute auch schon angesprochen worden. Wir werden, wenn eines dieser drei G erfüllt ist, wieder körpernahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen können, ins Re­staurant gehen können, wir werden ins Theater gehen können, und wir werden dann ab 1.7., wenn diese Regelung dann EU-weit umgesetzt wird – die finalen Regelungen sind erst vor ungefähr einer Woche gekommen –, auch in der EU wieder reisen können. Auch das ist bitte eine gute Neuigkeit.

Wir haben beim grünen Pass drei Phasen vereinbart. Seit 19. gilt an und für sich jeglicher analoge Nachweis, ob das jetzt der Impfpass ist, ob das eine SMS aus der Impfstraße ist oder ob ich einen Absonderungsbescheid habe. Ich muss in irgendeiner Form analog


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nachweisen, dass ich eines dieser drei G erfülle, und damit ist eine Teilhabe möglich. Für diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, steht das Testen zur Verfügung. Es werden also wirklich alle mitgenommen.

In der zweiten Phase, die wir heute gesetzlich ermöglichen, wird es die Möglichkeit eines digitalen Zertifikats geben. Das bedeutet, man bekommt einen QR-Code auf einen Aus­weis draufgedruckt – das wird dann in verschiedenen Formen möglich sein –, was die Abwicklung natürlich wesentlich erleichtert.

Die dritte Phase, die EU-weit mit Anfang Juli starten wird und zu der wir jetzt, wie gesagt, die letzten technischen Voraussetzungen übermittelt bekommen haben, wird dann das Reisen in Europa erleichtern; das ist der Grund. Wir wissen jedenfalls, dass Geimpfte und Genesene sich dann frei werden bewegen können. Dann gibt es für die Mitglied­staaten in einzelnen Bereichen die Möglichkeit, zu justieren, zum Beispiel welche Impf­stoffe national zugelassen werden und welche nicht. Das werden wir uns natürlich genau anschauen. Dieses Digital Green Certificate ist, glaube ich, sehr anwenderfreundlich. Es ist EU-weit gelöst, es ist jedenfalls datenschutzkonform, und ich glaube, wir können uns alle darauf freuen, dass wir ab 1.7. dann in Europa wieder reisen können.

Die Zertifikate, die es nach der gesetzlichen Grundlage, die heute geschaffen wird, im Juni geben wird, bekommt man in Apotheken, in weiterer Folge dann auch bei niederge­lassenen Ärzten. Man kann sich mit der Bürgerkarte anmelden. Wir haben da eine ganze Reihe von Möglichkeiten, zu diesen digitalen Zertifikaten zu kommen. Mit der App kön­nen offline in Wirklichkeit nur Name, Geburtsdatum und Status überprüft beziehungs­weise eingesehen werden. Es wird eben nicht abgefragt, ob man genesen, geimpft oder getestet ist, sondern es wird nur das grüne Hakerl angezeigt, für diesen Moment, und damit ist klar, dass die Dienstleistung oder der Eintritt für die betreffende Person möglich ist.

Im Rahmen der Projektentwicklung hat sich mein Ressort auch massiv und intensiv mit den Anliegen der Zivilgesellschaft auseinandergesetzt, und wir haben uns mit den Da­tenschutzbedenken, die auch im Rahmen der Begutachtung geäußert wurden, genau beschäftigt. Ich glaube, da ist ein Kompromiss zwischen berechtigten Anliegen auf bei­den Seiten gefunden worden, und ich bedanke mich an dieser Stelle auch sehr herzlich für die Zustimmung der SPÖ, sodass dieser Beschluss heute möglich ist.

Weiters möchte ich mich aber auch bei den anderen Systempartnern bedanken, bei den Bundesländern und – das ist mir ganz wichtig – bei den Technikern, die all das ermög­lichen. Wir haben bei der Sozialversicherung die Techniker der ITSV, der Elga GmbH, aber auch des Bundesrechenzentrums, die in den letzten Wochen tolle Arbeit geleistet haben, um die Umsetzung zu ermöglichen, und ich glaube, all denen kann man einfach nur ein dickes Danke sagen.

Der grüne Pass ist der Schlüssel zurück in die Normalität. Es gibt eine breite Möglichkeit, auf dieses Angebot zuzugreifen, und es wird eine sichere Grundlage für eine Öffnung sein, an der möglichst viele Menschen in Österreich teilhaben können. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

16.56


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


16.56.26

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren, die via Livestream noch zugeschaltet sind! Siehst du, Herr Bundesminister, das ist der Grund, warum ich mir solch eine Uhr noch gar nicht zugelegt habe, denn ich habe


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auch zwei sehr hartnäckige Töchter, und die rufen dann gleich vier-, fünfmal hintereinan­der an. Also ich kenne das.

Lieber Karl Arlamovsky, lieber Kollege, bei allem Feuereifer, da möchte ich dir widerspre­chen: Erst am 24.6. das Gesetz im Bundesrat zu beschließen – ich weiß nicht, wie es sich in einer Woche ausgegangen wäre, solch ein Projekt aufzusetzen. Da wirst du mir wahrscheinlich recht geben. Seriöserweise kann man nicht vor dem Beschluss des Ge­setzes zu arbeiten beginnen, daher ist es schon richtig, dass wir das heute verabschie­den. Zugegeben, die Begutachtungszeit war etwas knackiger, aber es sind dennoch 16 000 Stellungnahmen eingegangen. Ich möchte mich auch bei den NEOS und bei den Kollegen von der Sozialdemokratie für die rege Teilnahme und dafür, dass ein Beschluss jetzt möglich gemacht wird, bedanken.

Werte Kolleginnen und Kollegen, es ist schon vieles gesagt worden, ich möchte mich daher kurz fassen und zum Technischen auch nichts mehr sagen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen letztes Wochenende, am Pfingstwochenende, gegangen ist – ich habe das wirk­lich genossen. Ich war mit meiner Familie zuerst essen, ein steirisches Backhenderl, und dann haben wir gemeinsam ein Fußballspiel meines Vereins, des GAK, besucht. (Beifall des Bundesrates Buchmann.) – Danke, Herr Präsident, das weiß ich sehr zu schät­zen. – Warum war es möglich, ein schönes Familienpfingstwochenende auch einmal dienstfrei zu verbringen? – Weil wir, die Zahlen sind schon genannt worden, Inzidenzen von weit unter 50 haben, weil wir – das waren wirklich news of the day – erstmals unter 200 Covid-Intensivpatienten haben, weil die Neuinfektionsrate auf einem Level ist, bei dem wir natürlich immer noch aufpassen müssen, wir aber sagen können: Na gut, da können wir weiterarbeiten und mit Augenmaß und Vorsicht die weiteren Schritte vorneh­men.

Warum ist es gelungen, dass es zu diesen wirklich positiven Neuigkeiten seit vielen, vielen Monaten gekommen ist? – Das ist deshalb so, weil wir zum Ersten die Maßnah­men gesetzt haben, die wir gesetzt haben und die Gott sei Dank von der Mehrheit einge­halten worden sind, das ist so, weil wir nach wie vor testen, testen, testen – Österreich ist beim Testen Europa- und Weltmeister –, und das ist deshalb so, weil wir, wie Minister Mückstein bereits gesagt hat, wirklich rasant impfen. 3,5 Millionen Österreicher sind zumindest einmal geimpft worden, 40 Prozent Durchimpfungsrate bis jetzt. (Bundesrat Spanring: Pro Test 120 Euro für den Herrn Minister in seiner Ordination! Jawohl!) Die Österreicherinnen und Österreicher sind auch weiter bereit, sich impfen zu lassen, die Impfbereitschaft steigt von Tag zu Tag. Da nützt auch das Hereinrufen der freiheitlichen Fraktion nichts, das hört schon gar niemand mehr. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Aber der Herr Kollege hat es immerhin gehört!)

Ich habe den Eindruck, Sie sind überhaupt nur mehr damit beschäftigt: welches Lager, Hofer, Kickl, oder vielleicht kommt noch irgendjemand daher? Das Beste wäre, ihr be­schäftigt euch mit euch selbst, dann könnt ihr nicht so viel anstellen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Machen wir eh! Solltet ihr auch machen!) Beschäftigt euch mit euch selbst und lasst die Verantwortungspolitik andere machen! (Bundesrat Steiner: Von den Korrupten! Hausdurchsuchungen, angeklagt! – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Wenn ich schaue, was bisher war und was jetzt auch sein wird, dann fällt mir vor allem ein Wort ein, nämlich niederschwellig. Das ist etwas, das uns tatsächlich allen, den Ver­nünftigen hier herinnen, gemeinsam gelungen ist, nämlich niederschwellige Angebote zu schaffen, sei es beim Testen, sei es beim Impfen in Impfstraßen, Spitälern, bei un­seren niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Wenn wir jetzt den nächsten Schritt ge­hen, dann wird das auch wieder niederschwellig passieren.

Der nächste Schritt zu noch mehr Normalität ist der grüne Pass. Der grüne Pass ist nichts anderes als die Digitalisierung des Covid-19-Zertifikates. Da hat es ein paar Herausforderungen gegeben, und die wird es noch geben – die Zugänglichkeit zum


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Beispiel, es hat nicht jeder ein Smartphone oder ein Tablet –, und da sind wir wieder bei der Niederschwelligkeit. Wir wollen und werden heute beschließen, dass man zu seinem Arzt gehen kann, dass man zur Apotheke gehen kann, dass man in eine Zweigstelle der ÖGK gehen kann und dort einen ausgedruckten Zettel bekommt (Bundesrat Schen­nach: Gibt es das beim Landeshauptmann auch?) – wenn Sie wollen, Herr Kollege Schennach, können Sie auch zu Ihrem Landeshauptmann gehen, vielleicht druckt er Ihnen das aus, ich weiß es nicht –, dass man dort ein ausgedrucktes Exemplar bekommt.

Wenn immer wieder gesagt wird, vor allem auch von Ihnen, Herr Kollege Steiner, das sei alles Inszenierung, das sei eine Ho-ruck-Aktion (Bundesrat Steiner: Das habe ich gar nicht gesagt! Das habe ich ja nie gesagt!), so muss ich Ihnen da wirklich vehement widersprechen. Österreich hat sich da wieder einmal als Tempomacher innerhalb der EU bewiesen. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Österreich ist viel weiter. Da können Sie schon lachen, aber Österreich ist viel weiter als viele andere Länder in der EU, die – das haben wir heute schon gehört – neidvoll zu uns schauen.

Und warum haben wir so draufgedrückt? – Weil wir so schnell wie möglich das Come­back wollen, das Comeback unserer Wirtschaft, das Comeback des Tourismus. Aus steirischer Sicht darf ich sagen, ich freue mich jetzt schon, wenn es möglich sein wird, zum Beispiel in Spielberg bei zwei Großevents – einmal Formel 1, einmal MotoGP – Be­sucher in der Steiermark willkommen heißen zu können, dank Landeshauptmann Schüt­zenhöfer und Landesrat Drexler und dank der Maßnahmen dieser Bundesregierung, die da gesetzt worden sind. Ich glaube, das alles sind positive Beispiele. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Steiner, wir haben gesagt, heute wollen wir uns ein bisschen mäßigen. (Bundes­rat Steiner: Ich habe ja nichts gesagt!) – Stimmt, du hast dich bisher fast daran gehalten. Ich halte mich auch daran. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Da kannst du noch so lachen, ich freue mich darauf, wenn wir uns im Sommer treffen können, wenn wir uns zusammensetzen können. (Bundesrat Steiner: Wir zwei nicht!) Ich habe kein Problem damit, ich gehe auch mit dir gerne auf ein Glaserl, Kollege Steiner. (Bundesrat Steiner: Aber nur geimpft!) Ich freue mich darauf. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Um das zu gewährleisten, braucht es aber jetzt noch diesen grünen Pass, den wir heute beschließen wollen und werden, und ich darf mich auch noch einmal bei den Kollegen von der Opposition, die diese vernünftige Maßnahme mittragen, bedanken. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.03


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Schilchegger. Ich erteile ihm dieses. – Bitte. (Bundesrat Schennach: Schau, jetzt kommt einer, den haben Sie jetzt hervor...! – Heiterkeit bei der SPÖ.)


17.03.59

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Werter Herr Prä­sident! Werte Damen und Herren! Herr Minister! Herr Kollege Kornhäusl, ja, die Zahlen sinken, und Österreich kann sich darüber freuen, aber was ich nicht ganz verstehe, ist, warum jetzt die ÖVP glaubt, diese positive Entwicklung für sich vereinnahmen zu müs­sen. Man sieht ja in allen Ländern auf der ganzen Welt, wie sich dieser Coronavirus entwickelt. Das ist eine Entwicklung in Wellen, und man kann sehr schön wissenschaft­lich nachweisen – und es wurde ja auch schon in zahlreichen Studien nachgewiesen –, dass diese wellenartige Entwicklung einerseits und Maßnahmen, die von den Regierun­gen auf der ganzen Welt gesetzt werden oder auch nicht gesetzt werden, andererseits fast überhaupt nicht miteinander korrelieren.

Das kann man auch sehr schön in einigen amerikanischen Bundesstaaten beobachten, in North Dakota, South Dakota, in vielen anderen Bundesstaaten, die sehr ähnliche Ent­wicklungen haben. In einem Bundesstaat wurden Masken verordnet, im anderen nicht.


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In einem Bundesstaat wurde die Wirtschaft extrem heruntergefahren – so wie das in Österreich unter Ihrer Verantwortung geschehen ist –, in anderen nicht. Man sieht, dass sich Florida, wo überhaupt keine derartigen Zwänge auferlegt wurden, trotzdem sehr gut entwickelt, dass alles schon wieder aufgesperrt ist, es keine Maskenpflicht gibt. Beinahe in allen amerikanischen Bundesstaaten ist das jetzt schon der Fall.

Schweden ist ebenso ein Beispiel. Wenn man sich die Todeszahlen anschaut, sieht man, dass Schweden mit seinem eher besonnenen Kurs sehr gut gefahren ist.

Also die Zahlen sinken, weil es jetzt wärmer wird, weil es Frühling wird – und die ÖVP sagt: Wir, unsere Maßnahmen sind dafür verantwortlich, dass der Virus jetzt besiegt wird! – Also das ist schon ein bisschen frei von jeder Wissenschaft, Herr Kollege. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, Österreich ist tatsächlich Testweltmeister. Die Frage ist nur, was es uns wirklich ge­bracht hat. Das hat sehr viel Steuergeld gekostet. Die Tests sind sehr wenig aussage­kräftig, insbesondere die Antigentests, aber auch die PCR-Tests, sie sind immer nur eine Momentaufnahme. Das haben Sie selber noch bis vor einem halben Jahr auf der Web­seite des Gesundheitsministeriums veröffentlicht und anerkannt. Sie haben gesagt, Tes­ten sei auf keinen Fall eine Schutzmaßnahme. Das ist auch klar, weil das ja wirklich nur eine Momentaufnahme ist, die noch dazu nicht zu 100 Prozent zuverlässig ist. Da stellt sich schon die Frage, warum man diesen hohen finanziellen Aufwand betrieben hat, an­statt sich wie andere erfolgreiche Länder auf andere Maßnahmen zu konzentrieren, wie zum Beispiel auf eine schnellere Impfstoffbeschaffung.

Sie haben auch gesagt, Österreich sei beim Impfen super unterwegs, und da frage ich mich auch, was die ÖVP damit zu tun hat. – Außer, dass Sie zu wenig Impfstoff bestellt haben, haben Sie nicht viel gemacht. (Beifall bei der FPÖ.) Der Impfstoff wurde ja über die Europäische Union zentral angeschafft, und die Vollziehung des Impfens findet schon noch immer in den Ländern statt. Also ich glaube, die ÖVP-Gesetzgebung und die zentrale Vollziehung im Gesundheitsministerium haben sehr wenig mit diesen erfreu­lichen Zahlen zu tun. Das wollte ich Ihnen nur einmal mitgeben.

Das andere: Frau Kollegin Eder, Sie haben gesagt, wir Freiheitlichen seien unsportlich und könnten uns auch überhaupt nicht mit diesem Erfolg brüsten. – Ja, und wir sind auch froh, dass wir nicht die Verantwortung für diese verfehlte Coronapolitik, die Sie zu verant­worten haben, tragen müssen. Wir sind ja froh darüber. Wir haben nämlich das Ohr am Bürger, und wir hören tagtäglich und vernehmen und verstehen auch, was die Bürger denn so an dieser Covid-Politik stört. Da geht es jetzt überhaupt nicht um gesetzliche Maßnahmen, die viel zu spät kommen, wie zum Beispiel dieser grüne Pass, um den es jetzt gerade geht. Das ist alles schon viel zu spät, wir sind ja schon im zweiten Jahr der Pandemie. Warum kommt das überhaupt erst jetzt? Die Frage ist auch: Warum kann denn nicht ein einfacher Impfpass, den man jetzt schon hat, den man im Gasthaus ein­fach vorweist, ausreichend sein? Wenn man also schon dieses Konzept der Diskriminie­rung von gesunden Personen verfolgt und wenn man schon sagt, man muss getestet oder geimpft sein, wozu braucht es dann diese Datenkrake, die Sie da installieren? Ich sehe das nicht.

Wenn wir schon einmal dabei sind – und deswegen habe ich mich eigentlich zu Wort gemeldet, Herr Gesundheitsminister, weil es mir ein Anliegen ist, einmal darauf hinzu­weisen: Sie können sich vielleicht erinnern, im Herbst wurde entschieden, die Gastrono­mie wieder herunterzufahren, auch Marktstände herunterzufahren, sprich Adventmärkte sollen verboten sein. Es wurde eine klare gesetzliche Regelung geschaffen, dass Ad­ventmärkte den Regelungen für Veranstaltungen unterworfen werden, und Veranstaltun­gen waren im Winter generell verboten, ganz vereinfacht gesagt.


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Es ist mir schon ein Anliegen, jetzt einmal auf diese absurde Entwicklung seither hin­zuweisen. Es kam vor einigen Wochen zu einer Verordnungsnovelle, wonach auch ge­öffnet wurde, Gastronomie wieder zugelassen wurde, diese aus dem Veranstaltungsbe­griff herausdefiniert wurde. Jetzt haben wir wirklich die absurde Situation, dass Markt­fahrer wieder anfangen wollen, so wie der Handel auch, ganz normal ihre Waren feilzu­bieten – im Freien, also, ich weiß nicht, irgendwelche Flohmärkte, Gelegenheitsmärkte, wie man sie auf irgendwelchen Kirtagen findet. Da geht es nicht, sage ich einmal, um epidemiologisch Bedenkliches, sondern da geht es um ganz normale Marktfahrer – aller Couleurs übrigens, das ist jetzt nicht im Besonderen eine freiheitliche Klientel, sondern das betrifft wirklich Marktfahrer, Wirtschaftstreibende aller Couleurs. Diese stehen vor einer absurden Situation: Obwohl das aus der Verordnung bereits herausdefiniert wurde, haben die Gemeinden einmal nachgefragt – das ist jetzt nicht mehr geregelt –, wie das das Gesundheitsministerium sieht. Sie haben dann eine Rechtsauskunft bekommen, und die ist für ganz Österreich fatal, weil weiterhin gesagt wird: Das wird nach wie vor, auch wenn das nicht mehr drinsteht, den Regelungen für Veranstaltungen unterworfen.

Das ist aus meiner Sicht nicht nur juristisch verfehlt, sondern auch willkürlich. Man muss immer bedenken, es ist ja jetzt schon so, dass Märkte, normale Grünmärkte, die regel­mäßig in den Städten stattfinden, weiterhin stattfinden können. Das war auch übrigens im Winter kein Problem, weil das alles im Freien ist. Wo ist denn da überhaupt ein Risiko? Das gibt es gar nicht. Noch dazu wurde auf diesen Märkten ja Maskenpflicht verordnet.

Das heißt also, diese Marktfahrer für Gelegenheitsmärkte werden schon seit dem Winter diskriminiert, aber jetzt ist es besonders absurd: Die Leute können ins Einkaufszentrum gehen, also sozusagen in Innenräume, und dort mit vielen anderen Personen einfach ganz normal einkaufen, im Freien dürfen aber keine Märkte stattfinden. Das ist wirklich willkürlich.

Ich würde Sie ersuchen, Herr Gesundheitsminister: Vielleicht nehmen Sie sich dieses Problems einmal an! Schauen Sie sich an, woher aus Ihrem Hause diese seltsame Rechtsauskunft kommt, und schauen Sie bitte im Zuge der nächsten Novellierung der Öffnungsverordnung, dass dieses Problem für die Marktfahrer beseitigt wird! Das ist wirklich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Das wollte ich Ihnen noch mitgeben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.10


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


17.10.53

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, sehr vieles von dem, was ich hier in meinem Konzept stehen habe, wurde schon gesagt. Ich glaube, dass wir es nicht so machen müssen wie in der Schule, nämlich alles zu wie­derholen, denn ich glaube, wir passen ja alle ganz gut auf.

Was ich aber schon zu Beginn einmal auch in Richtung der FPÖ fragen will: Warum wird diesem Coronavirus eine Eigenschaft, die wir von anderen Viren kennen, so ganz abge­sprochen? Gesund – wir wissen von vielen anderen Viruserkrankungen, dass man ge­sund und symptomlos und trotzdem Träger und Überträger von einem Virus sein kann. Das sehen wir bei Kindern, bei vielen Kinderkrankheiten, die viel infektiöser sind, bevor sie ausbrechen. (Bundesrat Steiner: Ja, da müssen wir alles zusperren in Zukunft! ... bei jedem Virus! Alles zu, immer!) Ich glaube, das wissen wir, aber wir sollen nicht Tat­sachen infrage stellen. (Bundesrat Steiner: Nach Ihrer Logik: immer alles zu!) Es gibt gesund und infiziert. Das ist einfach so, das ist eine Tatsache.


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Wo es das auch gibt, und das wissen wir, ist beim HI-Virus, und HIV ist in den letzten Monaten komplett in den Hintergrund gedrängt worden. Es passiert keine Aufklärungsar­beit mehr, nicht in den Schulen, nicht bei den Jugendlichen. (Bundesrat Steiner: Ja wenn die Schulen zu haben!) Wir haben jetzt gesehen, dass es eine Impfung in relativ kurzer Zeit geben kann, und ich würde mir wünschen, dass wir auch bezüglich des HI-Virus alle unsere Kräfte dafür einsetzen, dass weiter in Richtung Impfung geforscht wird, denn auch das wäre wichtig. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

An Kollegin Heike Eder, die sich vorhin sehr darüber gefreut hat, dass wir heute diese Novelle beschließen, in der auch die Datenschutzrichtlinien, der Datenschutz einen sehr hohen Stellenwert haben: Im März, als die SPÖ im Bundesrat dieses Gesetz eben aus diesem Grund blockiert hat, wart ihr sehr, sehr entsetzt. Ihr hättet es durchgewunken – ohne Begutachtung, ohne Stellungnahme, ohne das, was im Datenschutzrat festgestellt wurde. (Beifall bei der SPÖ.) – Das darf sich die ÖVP, das darf sich die Regierung nicht auf ihre Fahnen heften! Danke, dass es da ein Aufeinanderzugehen gegeben hat und dass diese über 30 000 Stellungnahmen, die eingegangen sind und die ja schon zeigen, wie wichtig dieses Thema der Bevölkerung ist, aufgegriffen und in diesem Gesetzwer­dungsprozess berücksichtigt wurden. Dieses Aufschieben war also richtig und wichtig.

Wir haben schon viel darüber gehört, dass die Regelung jetzt mit den EU-Plänen harmo­nisiert werden kann, dass das Reisen innerhalb der EU dann hoffentlich möglich sein wird. Wir haben auch gehört, dass Ärzte, Apotheken, Gemeinden diese Nachweise aus­drucken können. Als Gemeindevertreterin, aber auch als Politikerin, die, als die Impfan­meldungen gekommen sind, mit vielen Hausärztinnen und -ärzten gesprochen hat, die überfordert waren, weil sie nicht informiert wurden, die einfach den Arbeitsauftrag von Wien, wie sie sagen, bekommen haben, möchte ich sagen: Bitte macht es diesmal an­ders und informiert und besprecht das im Vorfeld!

Wir haben aber – ich hoffe, dass wir das getan haben – jetzt noch etwas gelernt. Es heißt beziehungsweise habe ich irgendwann einmal gelesen, dass diese Sonderstellung unter den Lebewesen, die wir Menschen für uns so gerne in Anspruch nehmen, vor allem mit unserer Lernfähigkeit zu begründen sei, und ich hoffe, dass es jetzt auch einen Lernef­fekt oder viele Lerneffekte gibt, nämlich dass Begutachtungen Sinn machen, dass Begut­achtungsfristen kein Ärgernis sind, sondern eine Notwendigkeit, dass das Durchpeit­schen von Gesetzen, das hier von den Regierungsparteien immer wieder versucht wird, nicht sinnvoll und nicht zielführend ist, auch dass die Akzeptanz in der Bevölkerung nur dann zu erreichen ist, wenn es ordentliche Gesetzwerdungsprozesse gibt, wenn es Aufklärungsarbeit gibt, auch dass Kritik konstruktiv ist, dass Kritik nicht immer etwas Schlechtes sein muss, sondern einen Fortschritt bringt, wie wir jetzt ganz klar gesehen haben.

Kommunikation ist wichtig, Kommunikation auf Augenhöhe, Kommunikation, zu der auch Zuhören, Hinhören und Ernstnehmen gehört. Es ist nämlich noch etwas der Fall: Eigent­lich würde das Gesetz, glaube ich, heute veröffentlicht werden und müsste schon repa­riert werden. – Wenn wir von Anfang an ordentlich zusammengearbeitet hätten, wenn dieser Gesetzwerdungsprozess ordentlich erfolgt wäre, hätte das nicht nur Zeit, sondern auch Geld gespart. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Schnell, möglichst schnell durchzupeitschen verlangsamt den Prozess, macht ihn nicht schneller, aber letztlich freue ich mich sehr darauf, dass ich am 4. Juni auf den digitali­sierten Nachweis zugreifen kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

17.17


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 140

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Kollege Steiner, ich erteile Ihnen das Wort. (Bundesrat Schennach: Jö! Und ein Schild dabei!)


17.18.03

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Jetzt bin ich fast ein bisschen herausge­fordert worden, dass ich mich doch noch zu Wort melde. (Der Redner stellt eine blaue Tafel, auf der sich links neben dem Wort „gesund“ ein Häkchen und rechts davon eine rot-weiß-rote Fahne sowie links neben den Worten „getestet“, „genesen“ und „geimpft“ jeweils ein X befindet, auf das Rednerpult.)

Zu den Grünen: Eine Kollegin von den Grünen hat heute gesagt, sie sei froh über diese Einschränkungen. Also das aus einem grünen Mund zu hören ist mehr als schockierend für einen Nichtgrünen, das muss ich schon einmal sagen. Ich will gar nicht wissen, wie es einem grünen Wähler dabei geht, wenn sich eine Grüne hier herstellt und sagt, sie sei froh über diese Einschränkungen. Also wirklich, das ist Wahnsinn. (Beifall bei der FPÖ.)

Die zweite grüne Rednerin stellt sich hierher und will uns das Schild (auf die auf dem Rednerpult abgestellte Tafel zeigend) erklären. Sie sagt, es müsse erweitert werden: Gesund ist gleich getestet, genesen, geimpft. – Also, Frau Kollegin, ich habe vorhin gesagt, Sie sind irre. Das nehme ich zurück. Sie sind in einen völligen Wahnsinn verfal­len. Mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu dem „geimpft“, ganz interessant: Wir alle oder EU-weit, österreichweit - -


17.19.23*****

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Entschuldigung, Kollege Steiner, Sie provozieren es einfach: Für den Ausdruck „Sie sind in [...] Wahnsinn verfallen“ erhalten Sie einen Ord­nungsruf. (Beifall bei der FPÖ.) – Tut mir leid – oder nicht.

*****


17.19.33

Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Ja was soll das sonst noch sein als der völlige Wahnsinn, Herr Vizepräsident? (Bundesrat Schreuder: Argumente, ja!)

Dann haben wir das Gschichtl mit der Impfung, die ja jetzt von allen propagiert wird, das ist toll und wunderbar. Da gibt es ja diesen tollen Vorstoß von uns allen, auch auf euro­päischer Ebene, dass gentechnikveränderter Mais weil ungesund für den menschli­chen Körper zu Recht verboten ist. Eine Impfung, die auf Gentechnik basiert und den Menschen (Zwischenrufe bei der ÖVP) nur in den Muskel geimpft wird und ja nicht ins Blut geht, Herr Minister, ist ungefährlich. Also das ist paradox, liebe Kollegen von der ÖVP, der SPÖ und den Grünen. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zu Kollegin Eder, die uns vorgeworfen hat, wir hätten keinen Beitrag geleistet: Frau Kol­legin Eder, wir haben einen sehr viel wichtigeren Beitrag geleistet. Wir haben gegen eure Wunschdiktatur hier herinnen im Parlament für Demokratie und Freiheitsrechte ge­kämpft. (Beifall bei der FPÖ.)

Heute wurde hier gesagt: Das ist ein guter Tag für Österreich. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann.) – Eines ist klar: Heute ist ein trauriger Tag, ein trauriger Tag für Österreich, ein trauriger Tag für unsere Grund- und für unsere Freiheitsrechte. Diese Regierung erreicht nun einen neuen Tiefpunkt (Bundesrat Schreuder: Wie würdest du ...?), einen Tiefpunkt des totalitären Regierens à la Kurz und Co. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Schreuder: Erzähl uns, wie würdest du ...?) Dieser grüne Impfpass ist keine Rückkehr zum normalen Leben, Herr Kollege von den Grünen. Das ist eine


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totalitäre Spionage dieser unsäglichen Regierung gegen das eigene Volk. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Der ganz normale Zustand eines Menschen, der gesunde, wird abgeschafft. Durch diese von Macht besessene Regierung wird heute, an diesem traurigen Tag, mithilfe von SPÖ und NEOS  das muss man schon dazusagen  die ganze Republik in eine Gesund­heitsdiktatur verwandelt. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Schennach: Entschuldige, was ...?)

Jeder einzelne Bürger in Österreich muss nun plötzlich seine Gesundheit beweisen, sprich wir haben da jetzt eine Beweislastumkehr. Diese totalitäre Regierung stellt jeden einzelnen Bürger vorerst einmal unter Generalverdacht, ein potenzieller Anstecker, ein Lebensgefährder oder sonst irgendetwas zu sein, auf jeden Fall ist voraussichtlich ein­mal niemand mehr gesund in diesem Land. Es gilt nämlich der völlig wahnsinnige Grund­satz: Ist man gesund, darf man nicht am öffentlichen Leben teilnehmen, außer man un­terwirft sich dieser Gesundheitsdiktatur.

Sehr geehrte Bundesräte von den Regierungsparteien, unzählige Bürger haben mich in den letzten Tagen, Wochen angeschrieben, und ihnen muss ich danken (Beifall bei der FPÖ) diese Bürger sind mittlerweile in Österreich Gott sei Dank in der Mehrheit , diese Bürger haben mir auch geschrieben, dass sie diese Regierungspraktiken in eine ganz, ganz dunkle Zeit der Geschichte Österreichs zurückversetzen und daran erinnern. Was passiert gerade? Unseren Kindern wird das Recht auf Bildung gestohlen. Denkt einmal kurz darüber nach, in welcher Zeit man das letzte Mal unterschieden hat, welches Kind Bildung erfahren darf und welches Kind keine Bildung erfahren darf! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Man kann alles ...!) Das waren die dunkelsten Zeiten, die Österreich je erlebt hat. Da will ich nicht mehr hinkommen! Ich sage es euch – mit den Worten eures Kanzlers – ganz ehrlich: Diese Regierung und ihre willfährigen Helfer widern mich an! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist eigentlich unglaublich, wenn man sich vor Augen führt, dass diese Grünen in der Regierung sitzen, die bei jedem straffälligen Asylanten sofort zur Stelle waren und laut­hals nach Menschenrechten, nach Grundrechten, nach Freiheitsrechten geschrien ha­ben. Diese Grünen sind nun Beitragstäter dieser im Korruptionssumpf versinkenden ÖVP und stampfen mit voller Überzeugung alle Grund- und Freiheitsrechte der Österrei­cher in den türkisen Mistkübel. Dass der straffällige Asylant mehr wert ist als der unter­würfige Österreicher, hat jetzt keinen Neuigkeitswert, neu ist allerdings, dass die Abnei­gung der Grünen gegen die österreichischen Bürger jetzt so offen und ehrlich ausgetra­gen wird. Zu diesem Zweck, so ehrlich muss man sein, ist euch Grünen jedes Mittel recht. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Diese Regierung tritt alle parlamentarischen Usancen mit Füßen. Auch dieses Gesetz wurde wieder ohne ordentliche Begutachtung durchgebracht. Das war keine ordentliche Begutachtung, denn die vorliegende Gesetzesvorlage ist seit der Begutachtung dreimal abgeändert worden und hat mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf überhaupt nichts mehr zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist das wieder einmal eine demo­kratiepolitische Farce dieser Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch zu eurer Information, speziell an die ÖVP: Euer Sebastian hat ja das große Vorbild Israel. Er ist extra hingereist, um sich den grünen Pass anzuschauen. Wer die interna­tionalen Medien ein bisschen verfolgt hat, kann jetzt lesen, dass in Israel mit 1. Juni dieser unsägliche grüne Pass ein für alle Mal eingestampft wird. Was ist jetzt? Hat der Herr Kanzler schon mit Herrn Netanjahu gesprochen? Wir führen ihn jetzt ein, in Israel wird er eingestampft.

Hunderte Bürger haben einen Einspruch gemacht, und trotzdem peitschen Sie mit aller Kraft mit Ihrer Mehrheit hier herinnen diesen Gesetzentwurf heute durch. (Unruhe im


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 142

Saal.) Diese Bürger sind Gott sei Dank mittlerweile schon in einer großen Mehrheit. (Bundesrat Ofner: Herr Präsident! Wirst vielleicht für Ruhe sorgen?) Das Traurige ist nur – und das ist immer dasselbe –: Ihr belächelt diese Bürger von oben herab, im bes­ten Fall werden sie noch als Aluhutträger betitelt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel in Richtung der sich hinter den Sitzreihen unterhaltenden BundesrätInnen der ÖVP.) Um die Eskalationsstufe zu erhöhen, werden diese Bürger aber seitens der Regierung dann auch noch als Neonazis gebrandmarkt. Dies ist die Strategie dieser Regierung: Alle, die sich kritisch äußern, werden sofort niedergeknüppelt und stigmatisiert – entweder man unterwirft sich dem Kurz-Diktat oder man wird gebrandmarkt und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau deshalb, aus genau diesen Gründen, kämpfen wir als FPÖ weiter für Freiheit, für Grundrechte und gegen diese Diskriminierung von gesunden Menschen in Österreich. 99,8 Prozent der Menschen in Österreich sind gesund, merkt euch das ein für alle Mal! (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Eines noch, liebe Kollegen von dieser unsäglichen Regierung: Ich sehne den Tag herbei (Unruhe im Saal Bundesrat Ofner: Herr Präsident, kannst du vielleicht für Ordnung sorgen?), an dem diese Regierung in das tiefe schwarze Loch der politischen Bedeu­tungslosigkeit verschwindet, denn an diesem Tag (Bundesrat Schennach: Blöd für euch!) wird das ganze Land aufatmen und lauthals in die Ferne rufen: Österreich ist frei! (Beifall bei der FPÖ.)


17.29.08*****

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat Steiner, für die Ausdrücke „totalitäre Spionage“ und „totalitäre Regierung“ erteile ich Ihnen nachträglich einen Ordnungsruf.

Ich glaube, wir sind alle sehr froh, in einem freien, demokratischen Land leben zu dürfen. (Bundesrätin Schartel: Das war einmal! Wir sind kein freies Land mehr!)

*****


17.29.39

Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, dass Sie immer mich rügen. Kurz vor der Abstimmung ist kein ÖVPler mehr da, es war Ihnen egal, dass im Saal lautstark geredet wurde, als ich – es ist ja nur ein Freiheitlicher! – geredet habe. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Die SPÖ wollte das, was ich gesagt habe, auch nicht hören, aber sie hatte den Anstand, sitzen zu bleiben, so wie wir das bei euren Reden, die wir auch nicht hören wollen, machen. Sie (in Richtung BundesrätInnen der ÖVP) gehen alle nach hinten und sind laut (Bundesrat Seeber: Weil uns schlecht gewor­den ist!), das ist dem parteiischen Präsidenten völlig egal, und ich kriege die Ordnungs­rufe. – Herzlichen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

17.30


17.30.25

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. (Bundesrat Steiner: Die Debatte ist geschlossen? Sonst melde ich mich zur Geschäfts­ordnung!)

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 143

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Diskriminierungsverbot gegen das Zwangsre­gime ‚Grüner Pass‘“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „‚Corona-Bonus auch für die nicht sichtbaren Heldinnen und Helden vergessen wir jetzt nicht auf Menschen, die während der Corona-Krise Tag und Nacht für uns da waren!‘“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. Ich bitte die Schriftführung, mich beim Stimmenzählen zu unterstützen, und sage gleichzeitig, dass ich vom Stimmrecht Gebrauch mache. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Ent­schließung ist damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

17.33.3116. Punkt

Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (294/A-BR/2021 so­wie 10631/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


17.34.00

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sehr geehrter Herr Präsident! Der Herr Minister ist schon weg. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte Bericht über die Verhandlungen des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag der Bun­desräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates.

Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie soll mit diesem Antrag die Möglichkeit ge­schaffen werden, dass der Präsident des Bundesrates zeitlich befristet Anordnungen treffen kann, soweit dies zum gesundheitlichen Schutz der bei Sitzungen des Bundes­rates und seiner Ausschüsse anwesenden Personen notwendig ist – zum Beispiel allge­meine Maskentragepflicht im Plenum und in den Ausschüssen. Es sollen auch Sank­tionen vorgesehen sein, wie zum Beispiel Ordnungsruf oder Ordnungsgeld.

Der Antrag, dem Bundesrat die Annahme des gegenständlichen Antrages zu empfehlen, wurde infolge Stimmengleichheit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 144

Ein Beschluss über den Antrag, dem Bundesrat die Annahme des gegenständlichen An­trages zu empfehlen, ist daher nicht zustande gekommen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Berichterstatterin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile dieses. – Bitte.


17.35.29

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Bundesrätinnen! Sehr ge­ehrte Bundesräte! Hohes Haus! Wir debattieren heute einen Vorschlag der Regierungs­fraktionen zur Ergänzung der Geschäftsordnung des Bundesrates. Anlass dafür sind die Maskenpflicht und die Weigerung von Mandatarinnen und Mandataren einer Fraktion, diese zu befolgen.

Wie das erfolgte, ist jedoch ein Beispiel dafür, wie heikle Themen im Bereich des Parla­ments nicht angegangen werden sollen. Zur Lösung dieses Problems gab es einen Vorschlag vonseiten der Sozialdemokratie, womit eine Pönalisierung für einen Verstoß gegen die Maskenpflicht in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz hätte geregelt werden sollen, um eine rasche Erzeugung zu gewährleisten, um eine Geltung für beide Kammern zu erreichen und um einen tatsächlichen Bedienstetenschutz umzusetzen, da unser Vorschlag in allen Parlamentsgebäuden gegolten hätte.

Dazu gab es mit den Regierungsfraktionen Verhandlungen, bei welchen auch Vertrete­rInnen der Parlamentsdirektion anwesend waren. Die Parlamentsdirektion hat schließ­lich nach den Ergebnissen der Beratungen einen endgültigen, verfassungsrechtlich was­serdichten Entwurf erarbeitet. Am nächsten Tag wurde vonseiten der Regierungsfrak­tionen mitgeteilt, dass sie an einer solchen Lösung nicht interessiert seien. In Folge wurden dann sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat von den Regierungsfraktionen ohne weitere Verhandlungen mit der Opposition Anträge zur Änderung der jeweiligen Geschäftsordnung eingebracht. Die Sozialdemokratie wird sich an dieser Spektakelpoli­tik der Regierungsfraktionen jedoch nicht beteiligen (Beifall bei SPÖ und FPÖ) und sich von den Regierungsfraktionen nicht unter Druck setzen lassen. (Beifall und Bravoruf des Bundesrates Steiner. Beifall des Bundesrates Ofner.)

Wir werden die Änderung der Geschäftsordnung daher konsequenterweise ablehnen.

Für die Öffentlichkeit sei noch einmal kurz dargestellt, was die Vorteile der Lösung, die wir angeboten haben, sind: Erstens könnte die Lösung bereits seit drei Wochen in Kraft sein, zweitens hätte die Lösung für beide Häuser gleich gegolten, und drittens hätte un­sere Lösung für alle Parlamentsgebäude gegolten, während der vorliegende Vorschlag der Regierungsfraktionen lediglich das Nichttragen einer Maske im Plenum und in den Ausschüssen pönalisieren will. Es wäre daher ein echter Bedienstetenschutz für die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter umgesetzt worden. (Beifall bei der SPÖ.)

Viertens wäre durch die Beschlussfassung eines eigenen Bundesverfassungsgesetzes der Ausnahmecharakter dieser Bestimmung für Zeiten einer Pandemie mit hohen Er­krankungs- und Sterberaten deutlich geworden. Fünftens war in unserem Entwurf ein Außerkrafttreten mit 31. Juli 2021 vorgesehen. Der Entwurf der Regierungsfraktionen soll erst am Ende dieses Jahres außer Kraft treten. Es wird daher in zeitlicher Hinsicht nicht mit der notwendigen Sensibilität auf diese Ausnahmesituation reagiert.

Darüber hinaus steht der Termin Ende des Jahres 2021 auch im Widerspruch mit den allgemeinen politischen Ansagen der Bundesregierung, die weitere Lockerungen in den nächsten Tagen und Wochen angekündigt hat, wie dies insbesondere Bundeskanzler


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Sebastian Kurz am letzten Wochenende tat. Wie ich jetzt auch schon gehört habe, wer­den auch im Intranet im Parlament schon Lockerungen angeboten; das kann man nach­lesen.

Alles in allem ist die Vorgangsweise der beiden Regierungsfraktionen aus parlamentari­scher Sicht abzulehnen, da keine Verhandlungen gesucht wurden, die zu einem Ergeb­nis hätten führen können. Gerade bei Geschäftsordnungsfragen ist eine solche man­gelnde Sensibilität besonders heikel, da es bisher Tradition war, in Geschäftsordnungs­fragen möglichst weitgehend Konsens zu erzielen. Es ist bedauerlich, dass die Diskurs­verweigerung der Regierungsfraktionen nun von allgemein politischen Fragen auch auf interne parlamentarische Angelegenheiten erweitert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Es ist Zeit, dass wir wieder zurück zur bisher üblichen und guten Praxis finden und versuchen, durch breit angelegte Verhandlungen das beste Ergebnis zu errei­chen. Bitte berücksichtigen Sie das, meine Damen und Herren von den Regierungsfrak­tionen! Dies dient dem Wohle des Landes und der Bürgerinnen und Bürger. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.41


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte. (Bundesrat Steiner: Nicht Bader zu seinem Antrag?)


17.42.05

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzter Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Sprecher der ÖVP-Fraktion im Geschäftsordnungsaus­schuss ist es mir besonders wichtig, einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung einzubringen. (Bundesrat Steiner: Das hat ja der Bader eingebracht!) Warum? – Weil es für uns eine Selbstverständlichkeit ist, dass wir unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterin­nen im Hohen Haus, alle Kolleginnen und Kollegen und uns selber vor einer Infektion schützen wollen. (Bundesrat Steiner – ein Plakat in die Höhe haltend, auf dem Bundes­rat Bader und ein zweiter Mann, der eine Maske trägt, dessen Gesicht durch ein masken­tragendes Smiley unkenntlich gemacht wurde und von dem ein roter Pfeil auf den gegen­überstehenden Bundesrat Bader weist, der keine Maske trägt, abgebildet sind –: So wie Fraktionsobmann ...! Da schau, wie ihr schützt!)

Es ist für alle Mandatare – außer den Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei – selbstverständlich, vereinbarte Regelungen einzuhalten. Diesen Respekt und die Solidarität erwarten wir uns (Bundesrat Steiner: Da schau, wie ihr schützt!), so glaube ich, zu Recht. Warum jetzt und nicht früher? – Weil wir zu lange auf eine bilaterale vernünftige Lösung gehofft hatten (Bundesrat Steiner: Schau die Solidarität vom Bader an!), die leider nicht zustande kam; weil wir nicht glauben, dass hier im Hohen Haus vor der Sommerpause auf die Maskenpflicht verzichtet werden kann; und weil die Menschen in Österreich – und das ist uns besonders wichtig – nicht verstehen, warum diesbezüg­lich keine einheitliche Linie möglich ist. (Bundesrat Steiner – auf das in die Höhe gehal­tene Plakat zeigend –: Da, schau den Fraktionschef an!)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR

der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 16) Antrag (294/A-BR/2021) der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates, in der 926. Sit­zung des Bundesrates


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Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, dem gegenständlichen Antrag die Zustimmung zu erteilen.

*****

Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.44


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreu­der, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, dem Selbständigen Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Änderung der Ge­schäftsordnung des Bundesrates die Zustimmung zu erteilen, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Schilchegger. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.


17.45.24

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Da­men und Herren Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Vielleicht haben das einige Zuseher nicht mitbekommen: Worum geht es jetzt? – Vereinfacht gesagt wollen ÖVP und Grüne die Geschäftsordnung des Bundesrates ändern, und zwar wollen sie das, weil sie sagen, es sollen doch bitte alle im Parlamentsgebäude als Zeichen – mehr ist es ja nicht – FFP2-Masken tragen. Das ist ein Symbol der Unterdrückung, das wir Frei­heitliche ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist vereinfacht gesagt der Hintergrund dieses Manövers, denn um die Maske selber geht es ja gar nicht. Das wissen Sie selbst, Herr Kollege Bader. Sie haben auch die Maske nur dann auf, wenn die Kameras auf Sie gerichtet sind, wenn Sie sich dann aber in anderen Räumen im Parlament aufhalten (ein Plakat in die Höhe haltend, auf dem Bundesrat Bader und ein zweiter Mann – der eine Maske trägt, dessen Gesicht durch ein maskentragendes Smiley unkenntlich gemacht wurde und von dem ein roter Pfeil auf den gegenüberstehenden Bundesrat Bader weist, der keine Maske trägt – abgebildet sind), dann wird schon gerne einmal irgendein Mindestabstand oder die Maske verges­sen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ja auch kein Problem, wir sehen das nicht als gesundheitsgefährdend, uns stört nur die Heuchelei. Sie werden bei uns keine Spreader finden, die irgendjemanden hier im Parlament gefährden. Wir kennen unseren Gesundheitszustand genau. (Zwischenruf bei der ÖVP: Genau!) Wenn wir das Gefühl haben, wir sind infektiös, dann bleiben wir natürlich daheim oder klären das vorher ab, aber wir gefährden niemanden dadurch, dass wir keine Maske aufhaben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Man darf auch nicht vergessen, meine Damen und Herren, wir kämpfen als Freiheitliche dafür, dass diese Maßnahmen für alle abgeschafft werden. Man sieht in Ländern, die keine Maskenpflicht hatten oder haben: Dort entwickeln sich die Infektionszahlen im We­sentlichen genauso. Man darf auch nicht vergessen, wie die Maskenpflicht derzeit am Arbeitsplatz geregelt ist. Dort gibt es im Wesentlichen, wenn es andere geeignete Maß­nahmen gibt, auch keine Maskenpflicht. Im Parlament haben wir zum Beispiel am Ar­beitsplatz diese teuren Glaskobel angeschafft – das war keine freiheitliche Idee, sondern das ist ja letztlich auch auf ÖVP-Initiative so im Parlament verwirklicht worden. Aus unse­rer Sicht ist das völlig ausreichend.

Die Zahlen – die Pandemie geht ja jetzt schon eineinhalb Jahre – geben uns recht. Wo hat denn jemals ein Freiheitlicher irgendjemanden von einer anderen Fraktion


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 147

angesteckt? – Das hat es nicht gegeben, das wird es auch in Zukunft nicht geben. (Bei­fall bei der FPÖ.) Diese Debatte ist entbehrlich.

Schauen wir uns aber doch einmal den Text, also diese Änderung, die Sie da in der Geschäftsordnung vornehmen wollen, an: Da steht kein einziges Wort von Maskenpflicht drinnen, da steht weder FFP2-Maske, da steht auch nicht Mund-Nasen-Schutz und auch nichts anderes. Da steht – ich darf vielleicht den Satz, den Sie einfügen möchten, wört­lich zitieren –: „Soweit es zum gesundheitlichen Schutz der bei Sitzungen des Bundesra­tes und seiner Ausschüsse [...] notwendig ist, kann der Präsident für diese zeitlich befris­tet entsprechende Anordnungen erlassen.“

Na ja, ist denn die Maske so eine gesundheitsbezogene Maßnahme, die notwendig ist? – Darüber kann man sich schon einmal trefflich streiten; wir sagen Nein, Sie sagen Ja. Gehen wir aber doch einmal einen Schritt weiter, denn das bleibt ja dann bei der Maske nicht stehen. Als Nächstes erfindet die ÖVP vielleicht irgendeinen Darmvirus. Dann muss jeder eine Darmspiegelung machen, wenn er sich hier hereinsetzen möchte. (Beifall bei der FPÖ. Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Also eine gesundheitsbezogene Maßnahme kann alles und nichts sein. Ich wollte Ihnen mit diesem drastischen Beispiel nur vor Augen führen, warum deshalb in der Verfassung ganz klar ein Grundsatz verankert ist, wenn es um Strafnormen geht – denn Sie wollen ja auch, dass das bestraft werden kann, das ist ja nicht nur so eine Tu-tu-tu-Norm wie ein Ordnungsruf, Herr Präsident, das ist ja doch strafbewehrt; so wollen Sie es in die Geschäftsordnung hineinschreiben –:

Unsere Verfassung sagt ganz klar, als Prinzip bei allen Strafen – Disziplinarstrafen, Ver­waltungsstrafen, gerichtlichen Strafen – muss der Gesetzgeber und natürlich auch der Geschäftsordnungsgeber ganz besonders bestimmt vorschreiben, was ein verbotenes Verhalten ist und was ein erlaubtes Verhalten ist. Der abstrakte Begriff einer gesund­heitsbezogenen Maßnahme, die notwendig ist, worüber nach Gutdünken des Präsiden­ten entschieden werden kann, erfüllt natürlich dieses Bestimmtheitserfordernis nicht, meine Damen und Herren.

Das Nächste, warum ein Verfassungsjurist niemals für diese Änderung sein kann, ist das Recht, das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 6 und Artikel 13 MRK, das Sie auch in der Geschäftsordnung mit Füßen treten wollen.

Denn – es ist ja wohl auch verständlich –: In einer Demokratie – das haben Sie von der ÖVP vielleicht schon verlernt – gilt die Gewaltenteilung, die bezieht auch die dritte Säule, die Justiz, mit ein. Da ist es ganz klar, dass es, wenn jemand von einer Behörde oder meinetwegen auch von der Legislative bestraft wird – wie Sie hier als Parlamentsprä­sident das dann entscheiden wollen, was eine gesundheitsbezogene Maßnahme ist –, wenn er dann ein Ordnungsgeld verhängt bekommt, weil er sich nicht an diese Maßnah­me halten möchte, dann natürlich nicht reicht, das Plenum, das ja wieder die Regierungs­parteien kontrollieren, mit Mehrheit entscheiden zu lassen. Das ist natürlich keine Institu­tion, die mit den richterlichen Garantien – nämlich Unabhängigkeit und Unversetzbarkeit und für eine gewisse Zeit gewählt – ausgestattet ist.

Das also treten Sie auch noch mit Füßen, und ich könnte jetzt noch viele weitere ver­fassungsrechtliche Argumente zu diesem Unsinn anführen, aber mir ist dafür auch die Zeit zu schade (Ruf bei der SPÖ: Danke!), und das ist auch dieser unsinnige Antrag gar nicht wert. Wir werden natürlich dagegenstimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.51


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses. – Bitte.



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17.51.07

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich mache lieber mal sauber (das Red­nerpult mit einem Tuch reinigend). Wenn jemand glaubt, dass sich gesund zu fühlen reicht, dann muss man leider sagen, dass dieses heimtückische Virus, mit dem wir jetzt seit vielen Monaten kämpfen, nicht Rücksicht darauf nimmt, wie man sich fühlt, sondern eine Infektion sich nur über Testen feststellen lässt, und deswegen ist Testen eine der wichtigsten Maßnahmen, immer noch. (Bundesrätin Schartel: Enorm! Acht Millionen Einwohner testen! – Bundesrat Ofner: Drei Tage ... beim Friseur-Test ...!) – So, das ist einmal das eine.

Das andere ist: Ich finde, ich habe in der letzten halben Stunde ungefähr den Tiefpunkt erlebt – ich bin schon lange im Bundesrat, Frau Grimling kann sich noch daran erinnern, wie ich früher da war. Das war tatsächlich einer der Tiefpunkte, die ich hier je erlebt habe: die letzte halbe Stunde in diesem Raum. (Bundesrat Steiner: Da hast du den Tiefpunkt: Die moralische Überheblichkeit von dir! Ich erinnere dich daran: Was hast du zu der Frau Mühlwerth gesagt? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich werde jetzt auch etwas sagen, vielleicht lässt du mich jetzt einfach einmal zu Wort kommen. (Bun­desrat Steiner: Was hast du zu der Frau Mühlwerth gesagt?) – Ja: Ich habe einmal rechtsextrem zu ihr gesagt. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Na, na, na, na, na, na! – Bun­desrat Steiner: Na, na, na, na, na, na! Nazi-Schwein hast du gesagt, Nazi-Schwein!)

Jetzt möchte ich schon etwas sagen – auch zu diesem Foto von Herrn Kollegen Bader, das ihr jetzt so stolz hochgehalten habt –: Wir machen alle einmal Fehler – übrigens: er hat eine Tasse Kaffee in der Hand –, wir haben alle einmal die Maske vergessen, aber: einmal einen Fehler zu machen, weil wir Menschen halt manchmal auch Fehler machen oder weil wir einen Kaffee trinken, und hier absichtlich ohne Maske zu sitzen und unsoli­darisch zu sein, andere Menschen zu gefährden, macht einen Unterschied! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und wenn man schon glaubt, die Maske hilft nichts, dann könnte man ja vielleicht mit ein bisschen Anstand respektieren, dass andere Menschen sich sicherer fühlen, wenn man eine Maske aufhat, und deswegen eine Maske aufset­zen – nur deswegen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Ofner und Schartel.)

Und überhaupt, es wurde heute schon die Spionage erwähnt: Da wird hier in den Gän­gen fotografiert und dann werden diese Fotos auf Facebook und hier öffentlich zelebriert. Ich habe zum Beispiel auch so einen Fehler gemacht – wie damals bei Frau Mühlwerth –: dass ich in meiner Emotion etwas zu laut geflüstert habe, wie letztens im EU-Ausschuss. Da habe ich ein Wort gesagt, das hätte ich nicht sagen sollen. (Bundesrat Steiner: Nazi-Schwein hast gesagt, Nazi-Schwein!)

Ich habe im EU-Ausschuss etwas anderes gesagt, und Herr Spanring zeigt auf, meldet sich zu Wort und sagt: Herr Vorsitzender, Herr Vorsitzender! Der Herr Kollege Schreuder hat das und das gesagt! – Geflüstert! (Bundesrat Spanring: So war’s net!) – Entschuldi­gung, so war’s! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn wir jetzt hier in diesem Haus so weit kommen, dass die FPÖ hier herumgeht und einfach sagt, was jemand flüstert oder dass jemand einen Kaffee trinkt (Heiterkeit bei der FPÖ), und man ihn dann öf­fentlich der Blamage aussetzt, weil er keine Maske aufhat, weil er einen Kaffee trinkt, dann finde ich das unerhört. Das ist eine Infamie, die finde ich unfassbar! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Falscher Fuffzger! Falscher Fuffzger!) Ich bin kein falscher Fuffzger! Ihre Vorgehensweise – das ist im Übrigen wirklich Spionage und das ist wirklich Infamie, und deswegen wundert es mich ja auch nicht, dass ihr gegen diese Geschäftsordnung seid. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Vielleicht noch einen Satz zur SPÖ: Das wäre etwas gewesen, was wir in der Geschäfts­ordnung selber hätten regeln können. Ich verstehe ja gewisse Argumente, überhaupt


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 149

kein Thema, schade trotzdem, denn das hätten wir im Rahmen der Geschäftsordnung selber regeln können, das müssen wir nicht jemanden anderen regeln lassen – schade drum.

Das aber, was hier passiert – mit diesen Fotos und mit diesem Bloßstellen und mit die­sem Melden: der hat das und das geflüstert! –, das geht nicht mehr, bitte hört auf damit! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ja was machts denn ihr die ganze Zeit? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ sowie Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

17.55


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Harald Himmer. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


17.55.34

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir alle wissen, dass es das freie Mandat ermöglicht, sich auch der Hausordnung zu entziehen. (Bundesrat Steiner: Was? Wir entziehen uns ja nicht der Hausordnung!) Es wurde schon gesagt, es wurde von einer prominenten Person gesagt: „Wer das tut, stellt sich [...] in einer Selbstüberhöhung über alle“ anderen Personen, „die sich an Regeln halten [...]“. Dieses Zitat stammt vom Bun­desparteiobmann der Freiheitlichen Partei – er heißt Norbert Hofer –, der einmal sehr engagiert vor einigen Tagen versucht hat, da auch verbindliche Worte zu finden, sodass es vielleicht möglich wäre, auch die Freiheitliche Partei mit in diesen Grundkonsens hi­neinzunehmen.

Das ist ihm – Norbert Hofer – nicht gelungen. Leider ist ihm das nicht gelungen, wie ihm offensichtlich auch einiges andere zurzeit innerhalb der Freiheitlichen Partei nicht ge­lingt. (Bundesrat Steiner: Das sagt einer von der im Korruptionssumpf versinkenden ÖVP, ausgerechnet der, der da draußen steht, ausgerechnet der, gegen den ermittelt wird! Geh, hör ma auf! Zu glauben, sich über andere überhöhen zu müssen! Ich meine, was einem Hofer gelingt und was nicht, das hast nicht du zu beurteilen! Ja, so ist es! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich danke auch für den Respekt gegenüber der Unschuldsvermutung, und ich habe es ja seit diesen Ereignissen sehr wohl auch immer zwischen den Zeilen durchgehört. Es ist ja an sich hier bekannt, dass ein Verfahren gegen mich läuft, und es ist jetzt auch schon bei Zwischenrufen von mir so, dass sich dann Kollege Steiner umdreht und sagt, ich soll ganz besonders den Mund halten. Ich nehme das zur Kenntnis. Ich kann dazu nur sagen: So redet man so lange, solange man das selber nicht erlebt hat, was es bedeutet, einmal in einem Verfahren beschuldigt oder angeklagt zu sein. Das weiß aber jeder besser, der selbst einmal in so etwas involviert war, und dann hat man eine andere Wertschätzung gegenüber der Unschuldsvermutung. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischen­ruf bei der FPÖ.)

Ich möchte hier wirklich anführen – und ich glaube, das wissen viele, die mich kennen ‑, dass ich selber von meiner politischen Einstellung her sehr weit davon entfernt bin und immer war, Schnappatmung zu bekommen, weil ein Freiheitlicher einen anderen Stand­punkt vertritt. Das hat mich, ehrlich gesagt, nie gestört, im Gegenteil: Ich habe eigentlich oft Standpunkte der Freiheitlichen geteilt und habe eigentlich auch zu denjenigen ge­zählt, die, als die Volkspartei mit den Freiheitlichen in eine Koalition gegangen ist, sehr positiv zu dieser Entscheidung gestanden sind, weil ich aus vielerlei Gründen meine, dass es da, was gesellschaftliche und andere Überlegungen betrifft, auch einiges an Schnittmengen gibt (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), und die Freiheitliche Partei für mich eine demokratische Partei ist wie alle anderen.

Was mich aber wirklich traurig macht und was ich unpassend finde, ist, wenn man je­manden, der einen anderen Standpunkt vertritt – so, wie das heute hier geschehen ist –,


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 150

als irrsinnig bezeichnet und sich dann zynisch korrigiert, indem man sagt: Okay, ich neh­me irrsinnig zurück und sage stattdessen wahnsinnig. – Das, finde ich, ist einfach unpas­send, und es ist einfach nicht der notwendigste Mindestanstand, den man haben muss, wenn man den politischen Diskurs miteinander führt. (Bundesrat Steiner: Das ist die Wahrheit!)

Es ist ja völlig normal, dass wir ganz unterschiedliche Standpunkte haben und dass man sich in den unterschiedlichen Standpunkten dann öfters denkt, der andere ist ein bisserl (eine sogenannte Scheibenwischerbewegung ausführend) den da. Das ist auch noch in Ordnung, das geht einem jeden von uns so, aber dass man derart respektlos gegenüber einer anderen Meinung agiert, das ist dieses Hauses unwürdig. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Das möchte ich hier explizit zu dem Thema sagen, wenn man auch über die Geschäfts­ordnung spricht, denn letztendlich führt man ja auch die Ordnungsrufe ad absurdum, wenn es einem völlig gleichgültig ist, ob man einen Ordnungsruf bekommt oder nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Letztendlich ist ein Ordnungsruf ohne jede Konsequenzen. Das wissen wir, das weiß das Publikum, das zuhört. Man muss auch nichts zahlen. Es ist auch immer so – selbstverständlich –: Jeder Präsident, der sich auch bemüht, hier objektiv den Vorsitz zu führen, gehört in letzter Konsequenz einer Fraktion an, und es gibt dann immer auch noch die Debatte, ob so ein Ordnungsruf jetzt objektiv genug ist.

Das darf natürlich auch genauso kritisiert werden, ich will jetzt auch nicht hergehen und sagen, dass jeder Ordnungsruf, der getätigt wird, die gleiche Qualität hat oder nicht kriti­siert werden darf. Ich sage aber, dass es meiner Meinung nach eindeutig zu weit geht, wenn man eine andere Meinung quasi derart disqualifiziert, dass man damit den Geis­teszustand einer anderen Person nicht nur infrage stellt, sondern ihr diesen eigentlich abspricht. (Zwischenrufe der Bundesräte Ofner und Steiner.)

Was genauso zu weit geht – das möchte ich wirklich hier in aller Ruhe unaufgeregt sa­gen, und ich möchte da jetzt auch nicht reinbrüllen und dagegen klopfen –, sind diese ebenfalls unpassenden Anschuldigungen mit Diktatur. Ich will jetzt gar nicht auf diese ganze Debatte, die wir da in den letzten Wochen gehabt haben, besonders im Detail eingehen, aber wenn es irgendetwas ganz besonders beweist, dann das, dass wir nicht in einer Diktatur sind.

Man kann jetzt unterschiedliche Meinungen dazu haben, was die Anschuldigungen ge­gen den Bundeskanzler betrifft und wie die Debatte über einzelne Personen in der Justiz geführt wird (Zwischenrufe bei der FPÖ) – alle unterschiedlichen Meinungen –, aber eines ist wohl eindeutig damit dokumentiert: Dass das so möglich ist und dass man diese Debatten hier im Parlament führt und dass sich da Regierungsmitglieder auch so recht­fertigen müssen, zeigt ganz eindeutig, dass wir in allem anderen als in einer Diktatur leben. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.) Hier ungestraft solche Beleidigungen aussprechen zu können, ist leider auch deshalb möglich, weil wir in keiner Diktatur leben. (Bundesrat Steiner: Wenn’s der Kollege selber macht, ist es okay!)

Trotzdem würde ich die Freiheitlichen – insbesondere den Fraktionsvorsitzenden – bitten, zu berücksichtigen, dass politisch Andersdenkende, die andere Entscheidungen treffen, auch Menschen sind, die ebenfalls eine Würde haben. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Bundesrätin Schartel: Und wir net?)

18.03


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zusätzlich zu Wort gemeldet hat sich Bundesrätin An­drea Holzner. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


18.04.14

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Werte Damen und Her­ren! Kollege Schilchegger, ich möchte mich noch kurz auf Sie beziehen: Danke für Ihre


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 151

wortreichen Erklärungen. Leider haben diese gezeigt, dass Sie nach gut einem Jahr Pandemie noch immer nicht verstanden haben, worum es geht. Es geht nicht darum, wo das Virus sitzt – ob im Darm oder sonst wo, wie Sie gesagt haben –, sondern es geht darum, wie ansteckend das Virus ist, und es geht darum, was an diesem Virus besonders heimtückisch ist: dass es ansteckend ist, ohne dass man es merkt.

Hat man zum Beispiel eine Grippe, dann ist man krank und bleibt daheim, und man ist zu dem Zeitpunkt ansteckend. (Bundesrat Spanring: Das stimmt ja nicht! Stimmt nicht!) Bei dem Virus ist man schon zwei, vier Tage ansteckend, bevor man überhaupt merkt, dass man es hat, oder man merkt es vielleicht überhaupt nicht. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schartel.) Die meisten Leute haben das mittlerweile verstanden. Man hat auch in den Gemeinden gesehen: Wenn etwas aufgetreten ist, hat es dann auf einmal plopp, plopp, plopp, plopp, plopp gemacht und man hat einen Haufen Leute gehabt, die infiziert waren (Heiterkeit bei der SPÖ), und manche hat das auch ziemlich schwer getroffen.

Zur Maskendiskussion: Ja, beim Kaffeetrinken nimmt man die Maske ab, man hält sich nicht immer hundertprozentig daran, man hat sie vielleicht auch nicht immer auf, wenn man sie aufhaben sollte, aber es ist eine Frage der Wahrscheinlichkeit, und je mehr Menschen sich rücksichtsvoll verhalten, umso eher gelingt es uns oder umso wahr­scheinlicher ist es, dass sich das Virus weniger verbreitet. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist also einfach eine Frage der Wahrscheinlichkeit und eine Frage des rücksichtsvol­len Verhaltens. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte mich bei allen Zuseherinnen und Zusehern bedanken, die mithelfen, diese Pandemie zu bewältigen, die sich nicht von Ihren (in Richtung FPÖ) Verwirrspielen be­einflussen lassen, und vor allem möchte ich mich bei jenen Menschen bedanken, die das Für und Wider der Maßnahmen erörtern, ohne sich auf ein solches Niveau zu be­geben, wie Sie (in Richtung FPÖ) das hier im Parlament vorführen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich bitte wirklich darum – wie Sie (in Richtung Bundesrätin Grimling) es auch schon ge­sagt haben –, dass wir da wieder zu einem Konsens, zu einem wertschätzenden Um­gang miteinander kommen. Ich glaube, das wäre für uns und das ganze Land sehr wich­tig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.06


Präsident Mag. Christian Buchmann: Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wort­meldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Spanring, bitte. (Bundesrat Span­ring – auf dem Weg zum Rednerpult –: Wollt ihr leicht schon heim? – Rufe: Na ...!)


18.07.01

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Kolle­gen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Herr Kollege Himmer, zum Respekt vor anderen Meinungen: Da bin ich bei Ihnen. Da muss man dann zum Beispiel sagen, wenn man andere Meinungen akzeptiert, dann sollte man dieje­nigen, die diese vertreten, nicht als Aluhutträger, Verschwörungstheoretiker, Rechtsradi­kale oder anderswie bezeichnen, so wie ganze Scharen von Österreichern, Massen, die für ihr Grundrecht demonstrieren gehen, bezeichnet werden. (Bundesrat Himmer: Habe ich das gemacht?) – Vielleicht haben es nicht Sie persönlich gemacht, aber Sie dürfen dann nicht wehleidig sein, wenn auch Sie Ihr Fett abbekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die zweite Geschichte ist: Herr Kollege Himmer, Sie haben gesagt: Wir leben nicht in einer Diktatur! – Ja, Gott sei Dank leben wir wirklich noch nicht in einer Diktatur, aber ich habe schon ein paarmal gesagt: Wehret den Anfängen! Und wenn es da draußen Men­schen gibt, die Regierungsmaßnahmen kritisieren und eine andere Meinung haben und


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 152

deshalb ihren Job als Künstler, als Arzt, als Wissenschaftler verlieren, dann sind wir schon bei ganz schlimmen Tendenzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Kollegin Holzner: Jetzt zieht die Solidarität nicht mehr, jetzt wird es die Wahrschein­lichkeit. Jetzt müsst ihr euch einmal entscheiden, warum wir Masken tragen sollen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Auf alle Fälle, meine Damen und Herren, haben wir heute wieder so viele Ungeheuer­lichkeiten von Schwarz-Grün gehört, dass es mir einfach wichtig war, mich noch einmal zu Wort zu melden. Warum? – Es war mir wichtig, mich zu Wort zu melden für all jene draußen, die nicht die Möglichkeit haben, hier – von diesem Platz hier – einmal Stellung zu nehmen.

Zur Maskenpflicht: Ja, wir tragen die Masken deshalb hier herinnen nicht, weil es hier herinnen nicht zwingend vorgeschrieben ist und weil wir davon überzeugt sind, dass es für gesunde Menschen keinen Mehrwert hat, Masken zu tragen, eher das Gegenteil ist der Fall. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir aber mit der freien Entscheidung von Men­schen kein Problem, und wenn Sie Masken tragen wollen, weil Sie glauben, die Maske schützt Sie, dann machen Sie das bitte. Wir haben damit kein Problem. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Bitte zwingen Sie uns das aber nicht auf und machen Sie es auch bitte nicht immer nur dann, wenn Sie vielleicht gerade gefilmt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie dann hier herinnen unter Tränen erklären, dass wir Vorbilder sein müssen – zum Beispiel für die Supermarktangestellten draußen –, dann sage ich Ihnen: Nein, das müssen wir nicht, denn stellen Sie einfach den Menschen draußen frei, ob sie FFP2-Masken tragen wollen oder nicht – ohne Zwang, ganz ohne Zwang und ganz ehrlich –, und Sie werden merken, viele werden die Masken dann nicht tragen.

Das sind alles mündige Bürger, die selbst entscheiden können, ob die Pandemie so ge­fährlich ist, wie uns in den Medien immer suggeriert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Köck! Wenn Sie dann zwischenrufen und Beispiele bringen, wo es angeb­lich ÖVP-Cluster gegeben hat: Ich würde einmal sagen, ich glaube, bei uns Freiheitlichen waren nicht viel mehr krank als bei euch. Also da müsste ja, wenn es so gewesen wäre, der ganze FPÖ-Klub schon fünfmal ausgefallen sein, wenn es so wäre, denn wir tragen im Klub keine Maske. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Wo ist es dann?

Herr Kollege Köck! Wenn Sie genau wissen wollen, wie das ist, wenn sich die eigenen Leute nicht daran halten, dann fragen Sie Ihre Landjugend oder fragen Sie die Junge ÖVP, die hat das vorexerziert.

Meine Damen und Herren! Nein, wir sind nicht Ihre Marionetten und wir tragen nicht für Ihre Solidarität als Schauspiel hier herinnen die Maske. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie von der ÖVP und von den Grünen waren es, die den Menschen draußen diese Masken aufgezwungen haben. Wir wären andere Wege ge­gangen, das haben wir mehrmals gesagt, zum Beispiel den schwedischen Weg. Die Zahlen zeigen heute ganz klar: Wir hätten recht behalten. Während Sie behaupten, Sie hätten Leben gerettet, sage ich Ihnen (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel) – und das habe ich auch dem Herrn Gesundheitsminister außer Dienst gesagt –: Sie werden viel mehr Tote auf dem Gewissen haben, als die Pandemie in Österreich selbst gefordert hat!, und dazu stehe ich. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu gibt es auch schon Studien, und das wurde jetzt vor wenigen Tagen sogar in einer Zeitung publiziert. Herr Minister Mückstein hat vorhin gesagt: Wir sind eh ganz gut durch die Krise gekommen. – Ja, ich gehe einmal davon aus, die Kollateralschäden werden um ein Vielfaches höher sein, weil die meisten der Maßnahmen dieser Regierung ganz


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einfach unverhältnismäßig waren. Die Maßnahmen waren ja anfangs auch gerechtfer­tigt, als man noch wenig bis nichts über die Pandemie gewusst hat. Da haben Sie das Ganze sogar eher noch verschlafen. Anstatt aber nach zwei Monaten ganz einfach zuzu­geben, dass die Maßnahmen überzogen waren, sind Sie in den übertriebenen Maßnah­men geblieben.

Es stellt sich schon die Frage: Warum? – Für mich aus zwei Gründen: erstens, weil Sie natürlich nicht zugeben wollten, dass Sie vielleicht Fehler gemacht haben. Jeder Mensch macht Fehler; das wäre gar kein Problem gewesen. Das bestätigen heute auch unzäh­lige Experten, die eben nicht auf der Gehaltsliste dieser Regierung stehen. Sogar einige Experten, die auf der Gehaltsliste von eurer Regierung stehen, sagen, dass ihr damals falsch abgebogen seid. Der zweite Grund, und das ist ja der viel verwerflichere Grund, warum ihr bei den Maßnahmen geblieben seid, ist: weil Sie von der ÖVP gemerkt haben, dass Sie sich mehr oder weniger den Staat unter den Nagel reißen können und Ihren Freunderln durch Umgehungskonstruktionen Millionen zuschieben können – quasi als Alleinregierung. Die Grünen haben ja alles brav mitgetragen. Da wird vielleicht auch ir­gendwo der eine oder andere Euro abgefallen sein, zum Beispiel, wenn, wie ich weiß – das ist dann in der Zeitung zu lesen –, bei Herrn Minister Mückstein, der vorhin hier war und der ein großer Impf-, Masken- und Testbefürworter ist, in der Ordination pro Test 120 Euro bezahlt wurden. Dann kann ich leicht ein Befürworter von Tests sein und dann freue ich mich, wenn wir Testweltmeister sind. (Beifall bei der FPÖ.)

ÖVP-Freunde verdienen Millionen mit Masken, ÖVP-Freunde verdienen Millionen mit Tests und, wie ich auch gesagt habe, die Ordination des Herrn Ministers und auch die ÖVP-Impflobbyisten werden wahrscheinlich über die Pharmakonzerne gut entlohnt worden sein. Die Medien wurden auch mit Steuergeld gekauft (Bundesrätin Hahn: Geh bitte, komm zum Thema!) und berichten natürlich ganz willfährig das, was die ÖVP will. Der Rest wird über die Cofag an die eigenen Leute verteilt, während viele andere wenig bis nichts bekommen. Ich hoffe, auch dazu wird es noch einen Untersuchungsausschuss geben, welcher die volle Transparenz bringt. (Ruf bei der SPÖ: Zum Thema!)

Heute war überhaupt ein ganz spannender Tag. Wir haben gehört, dass Sebastian Kurz – das ist von der SPÖ gekommen – und sein Team Corona besiegt haben. Frau Minister Edtstadler hat nachher gesagt: Die Regierung war’s. (Bundesrat Beer: Pass ein bisschen auf, von uns ist es nicht!) Doch, es war ein SPÖ-Bundesrat, der gesagt hat (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), dass das von der ÖVP behauptet wurde. Doch, das ist von euch gekommen, das stimmt schon. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Minister Edtstadler hat heute behauptet, die Regierung ist verantwortlich dafür, dass die Inzidenz unter 50 ist. Meine Damen und Herren, mitnichten, mitnichten! Es ist ganz einfach so, dass die Jahreszeit und das Klima, das jetzt herrscht, so wie bei allen anderen Viruserkrankungen dafür verantwortlich ist, aber mit Sicherheit nicht diese Re­gierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie wegen des Maskentragens von Solidarität sprechen, dann frage ich mich: Wo ist Ihre Solidarität mit den Gesunden? Wo ist die Solidarität mit den Gesunden? (Zwi­schenruf bei der FPÖ.) – Genau, die gibt es nicht.

Ich bin einer von diesen Hunderttausenden Gesunden und ich weiß es, denn ich bin getestet. Ich habe vor wenigen Tagen das Ergebnis meines Antikörpertests bekommen. Ich habe es geschafft, 15 Monate lang, obwohl ich ja einer der bösen Blauen bin, nicht krank zu werden, mich nicht anzustecken – vielleicht auch deshalb, weil ich der Regie­rungspropaganda nicht so auf den Leim gegangen bin und mich nicht in Angst, Unruhe und Schrecken versetzen habe lassen. Meine Damen und Herren! Jetzt sage ich Ihnen: Nach 15 Monaten lasse ich mich auch nicht testen. Aber eines ist schon klar (Zwischen­ruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler): Ich bin jetzt gesund, und weil ich nicht krank


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war, zähle ich nicht als Genesener, und jetzt muss ich mich wegen Ihnen jeden zweiten Tag testen lassen, damit ich am ganz normalen Leben teilnehmen kann. Meine Damen und Herren, das ist krank! Das ist einfach nur krank! (Beifall bei der FPÖ.)

18.16


18.16.22

Präsident Mag. Christian Buchmann: Gibt es noch eine weitere Wortmeldung? (Un­ruhe im Saal.) – Das ist nicht der Fall.

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich erlaube mir dennoch, als derzeit amtie­render Präsident des Bundesrates zu appellieren, dass Radikalisierung mit einer Radika­lisierung in der Sprache beginnt. Wir sollten dem keinen Vorschub leisten. Wir sollten die politische Debatte mit einem gewissen Respekt voreinander und zueinander führen. Wir sollten immer auch die Würde und den Anstand des Hauses im Auge haben.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie die Plätze ein. – Die Plätze sind eingenommen.

Da zu einem Beschluss des Bundesrates über eine Änderung der Geschäftsordnung gemäß § 58 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Anwesenheit von min­destens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich ist, stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, dem Antrag 294/A-BR/2021 die Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem ge­genständlichen Antrag 294/A-BR/2021 betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Der Beschluss über eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates ist mangels Erfüllung der beson­deren Beschlusserfordernisse nicht zustande gekommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.19.02Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Christian Buchmann: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungs­punkte 1, 2, 3, 6, 9, 12, 14 und 15 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnungspunkt 1:

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit angenommen.

Tagesordnungspunkte 2 und 3:

Die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu TOP 2 den Antrag, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (Beilage 2/1).

Die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu TOP 3 den Antrag, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (Beilage 3/1).


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 155

Die Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 2 den Entschlie­ßungsantrag Beilage 2/2 EA ein.

Bundesrat Karl Bader stellt gemäß § 54 Abs. 2 GO-BR das Verlangen, bei der Bekannt­gabe des Abstimmungsergebnisses auch die Anzahl der „Für“- und „Gegen“-Stimmen bekannt zu geben.

Abstimmungen:

TO-Punkt 2: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit (dafür: 31, dagegen: 26) angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 2/2 EA wird abgelehnt.

TO-Punkt 3: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit (dafür: 31, dagegen: 26) angenommen.

Tagesordnungspunkt 6:

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Tagesordnungspunkt 9:

Die Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschlie­ßungsantrag Beilage 9/1 EA ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 9:

Berichterstattung: Antrag,

1. keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit angenommen,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 23i Abs. 3 in Verbindung mit Art. 50 Abs. 4 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, wird bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates mit Stim­menmehrheit (somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit) angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 9/1 EA wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 12:

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Tagesordnungspunkte 14 und 15:

Die Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschlie­ßungsantrag Beilage 14/1 EA ein.

Die Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsantrag Beilage 14/2 EA ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 14: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stim­menmehrheit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 14/1 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 14/2 EA wird abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll926. Sitzung, 926. Sitzung des Bundesrats vom 27. Mai 2021 / Seite 156

TO-Punkt 15: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmen­einhelligkeit angenommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amt­lichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1, 2, 3, 6, 9, 12, 14 und 15 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss die­ser Sitzung als genehmigt.

Einlauf


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 14 Anfragen, 3882/J-BR/2021 bis 3895/J-BR/2021, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 24. Juni 2021, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 22. Juni des Jahres, 14 Uhr, vorge­sehen.

Kommen Sie gut nach Hause und bleiben Sie gesund!

Die Sitzung ist geschlossen.

18.24.12Schluss der Sitzung: 18.24 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien