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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

937. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 3. Februar 2022

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

937. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 3. Februar 2022

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 3. Februar 2022: 9.00 – 20.15 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Investment­fondsgesetz 2011 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden sowie das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022 erlassen wird (Ökosoziales Steuerre­formgesetz 2022 Teil I – ÖkoStRefG 2022 Teil I)

2. Punkt: Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Ökosoziales Steuerreformge­setz 2022 Teil III – ÖkoStRefG)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Umweltförde­rungsgesetz, das Pflegefondsgesetz, das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz und das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das Elek­trizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (EIWOG 2010) und das Energie-Control-Gesetz (E-ControlG) geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Impfschadengesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz und das Epide­miegesetz 1950 geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Gentechnikgesetz ge­ändert werden

10. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Beer, Markus Leinfellner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Ös­terreichischen Bundesheers – Auswirkungen auf die Länder (301/A(E)-BR/2021)


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 2

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht der BundesrätInnen Mag. Sascha Obrecht und Korinna Schumann sowie Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates .........................................      65

Angelobung der BundesrätInnen Korinna Schumann und Mag. Sascha Ob­recht .........................................................................................................................      10

Antrittsansprache der Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..................      10

Erklärung des Landeshauptmannes von Vorarlberg Mag. Markus Wallner gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Gemeinsam in Verantwortung“ – Bekanntgabe .      13

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ................      14

Landeshauptmann Mag. Markus Wallner ............................................................      14

Debatte:

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................      23

David Egger .............................................................................................................      25

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      26

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      28

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      31

Landeshauptmann Mag. Markus Wallner ............................................................      33

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates .................................................................      73

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Internationales Überein­kommen über die Bekämpfung der Nutzung von Informations- und Kommunika­tionstechnologien zu kriminellen Zwecken durch den Herrn Bundespräsidenten           74

Wortmeldung des Bundesrates Christoph Steiner zur Geschäftsbehandlung          100

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ..............................    186

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................    186

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Vizepräsident Günther Novak ..................................................    195

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    196

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      10

Ordnungsrufe ............................................................  100, 173, 179, 179, 179, 183

Aktuelle Stunde (92.)

Thema: „Sofortmaßnahmen gegen die Teuerung“ .............................................      36


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 3

RednerInnen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................      36

Korinna Schumann .................................................................................................      39

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................      41

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      44

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc ...................................................................      47

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................      49

Dominik Reisinger ..................................................................................................      50

Christoph Steiner ....................................................................................................      52

Andreas Lackner .....................................................................................................      53

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      55

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union  62, 63, 64

Vertretungsschreiben ................................................................................................      78

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      78

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  56, 196

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Invest­mentfondsgesetz 2011 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden sowie das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022 erlassen wird (Öko­soziales Steuerreformgesetz 2022 Teil I – ÖkoStRefG 2022 Teil I) (1293 d.B. und 1306 d.B. sowie 10860/BR d.B. und 10866/BR d.B.) ..............................................      78

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      79

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) (1292 d.B. und 1307 d.B. sowie 10867/BR d.B.) .......................................................................      78

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................      79

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Ökosoziales Steuerreformge­setz 2022 Teil III – ÖkoStRefG) (1294 d.B. und 1308 d.B. sowie 10861/BR d.B. und 10868/BR d.B.) ..................................................................................................      78

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      79

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      79

Karl Bader ................................................................................................................      82


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 4

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      83

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      85

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      88

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. .......................................................      90

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................      93

Martin Preineder .....................................................................................................      96

Michael Bernard ......................................................................................................      97

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    100

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................    103

Martin Preineder (tatsächliche Berichtigung) .........................................................    105

Alexandra Platzer, MBA .........................................................................................    105

Mag. Franz Ebner ....................................................................................................    106

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitliches Maßnahmenpaket gegen die grüne Inflation“ – Ablehnung ...................................................................................................  99, 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    108

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    108

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    108

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Umweltförderungsge­setz, das Pflegefondsgesetz, das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz und das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert werden (1295 d.B. und 1309 d.B. sowie 10862/BR d.B. und 10869/BR d.B.) .......................................    108

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................    109

RednerInnen:

Markus Steinmaurer ...............................................................................................    109

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................    110

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................    112

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    114

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. .......................................................    116

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bundesweit einheitliche finanzielle Unterstützung für Gemein­den bei der Anschaffung von Gerätschaften der Feuerwehr“ – Ablehnung ....  114, 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    117

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das Elektrizi­tätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (EIWOG 2010) und das Energie-Control-Gesetz (E-ControlG) geändert werden (2184/A und 1304 d.B. sowie 10865/BR d.B. und 10870/BR d.B.) .........................................................................    117

Berichterstatter: Marco Schreuder ..........................................................................    117

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................    118

Ing. Isabella Kaltenegger .......................................................................................    120


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 5

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    121

Günther Novak ........................................................................................................    122

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    124

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Energiearmut verhindern – keine Umsatzsteuer auf Strom und Gas“ – Ablehnung ..............................................................................  120, 126

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................................................................    126

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impf­pflichtgesetz – COVID-19-IG) (2173/A und 1312 d.B. sowie 10863/BR d.B. und 10871/BR d.B.) .........................................................................................................    127

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    127

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Impfschadengesetz geändert wird (1314 d.B. sowie 10872/BR d.B.) .........................................................................................................    127

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    127

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz und das Epidemiege­setz 1950 geändert werden (1313 d.B. sowie 10864/BR d.B. und 10873/BR d.B.)     127

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    127

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................    128

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    133

Josef Ofner ..............................................................................................................    135

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    140

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) ..........................................    143

Günter Kovacs ........................................................................................................    144

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    146

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................    148

Dr. Johannes Hübner ..............................................................................  149, 184

Marco Schreuder ....................................................................................................    153

Stefan Schennach ...................................................................................................    156

Sonja Zwazl .............................................................................................................    158

Andreas Arthur Spanring .......................................................................  160, 180

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................    163

Markus Leinfellner ..................................................................................................    165

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................    169

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    171

Andrea Kahofer .......................................................................................................    174

Karl Bader ................................................................................................................    174

Christoph Steiner ....................................................................................................    176

Marco Schreuder (tatsächliche Berichtigung) ........................................................    179

Ferdinand Tiefnig (tatsächliche Berichtigung) ........................................................    183


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 6

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „die Erarbeitung geeigneter Strategien für Long-Covid-Patient*in­nen, die an Ihren angestammten Arbeitsplatz so rasch als möglich zurückkehren wollen“ – Ablehnung ..................................................................................  132, 187

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Vollzug des Impfpflichtgesetzes“ – Annahme (355/E-BR/2022)  153, 187

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Impfpflicht und Arbeits­welt“ – Annahme (356/E-BR/2022) ...........................................................  158, 187

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Aufhebung des Covid-19-Impfpflichtgesetzes“ – Ablehnung          169, 188

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Impfquote durch positive Impfanreize“ – Annahme (357/E-BR/2022) .......................  175, 188

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ........................................................................................................................    186

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................    186

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    186

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    186

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Gentechnikgesetz geändert werden (1289 d.B. und 1317 d.B. sowie 10874/BR d.B.) ........................................    188

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    188

RednerInnen:

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................    189

Andreas Lackner .....................................................................................................    190

Günter Pröller ..........................................................................................................    191

Johanna Miesenberger ...........................................................................................    193

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    194

10. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Beer, Markus Lein­fellner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Reform des Österreichischen Bundesheers – Auswirkungen auf die Länder (301/A(E)-BR/2021 sowie 10875/BR d.B.) ...............................................................    194

Berichterstatterin: Mag. Sandra Gerdenitsch .........................................................    194

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, dem Antrag 301/A(E)-BR/2021 die Zustimmung zu erteilen (354/E-BR/2022) ................................................................    195


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 7

Eingebracht wurden

Antrag der BundesrätInnen

Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Erarbeitung geeigneter Strategien für Long-Covid-Patient*innen, die an ihren angestammten Arbeitsplatz so rasch als mög­lich zurückkehren wollen (321/A(E)-BR/2022)

Anfragen der BundesrätInnen

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Personalsituation in steirischen Gefängnissen (3981/J-BR/2022)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend ungetestete Flüchtlinge auf Reisen durch Österreich in öffentlichen Ver­kehrsmitteln (3982/J-BR/2022)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Informationsaustausch zu Postenschacher um OGH-Vizepräsidentin Marek (3983/J-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ge­plante Einstellung der Wiener Zeitung (2. Folgeanfrage) (3984/J-BR/2022)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Aprés-Ski und Pandemie: Warum will die Bundesregierung unbedingt den Impfzwang? (3985/J-BR/2022)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beantwortung von Fragen im Rahmen der Fragestunde (3641/AB-BR/2021 zu 3990/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 306/E-BR/2020 (3642/AB-BR/2021 zu 3937/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 320/E-BR/2020 (3643/AB-BR/2022 zu 3931/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 312/E-BR/2020 (3644/AB-BR/2022 zu 3932/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 317/E-BR/2020 (3645/AB-BR/2022 zu 3933/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 316/E-BR/2020 (3646/AB-BR/2022 zu 3934/J-BR/2021)


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 8

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 311/E-BR/2020 (3647/AB-BR/2022 zu 3935/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 304/E-BR/2020 (3648/AB-BR/2022 zu 3938/J-BR/2021)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfra­ge der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umset­zung der Entschließung 310/E-BR/2020 (3649/AB-BR/2022 zu 3936/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schlie­ßung der Postfiliale in Sieghartskirchen (Bezirk Tulln an der Donau) (3650/AB-BR/2022 zu 3939/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Probleme bei Schüler*innentransporten (3651/AB-BR/2022 zu 3962/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kol­legen betreffend dem aktuellen Stand zur Entschließung „keine Abwälzung der EU-Plastikabgabe auf SteuerzahlerInnen statt Plastikhersteller“ (330/E-BR/2020) (3652/AB-BR/2022 zu 3945/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem aktuellen Stand zur Entschließung „Ärztemangel bekämpfen“ (347/E-BR/2021) (3653/AB-BR/2022 zu 3947/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kollegin­nen und Kollegen betreffend dem aktuellen Stand zur Entschließung „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“ (336/E-BR/2021) (3654/AB-BR/2022 zu 3949/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem aktuellen Stand zur Entschließung „Berufsschulen nicht vergessen“ (335/E-BR/2021) (3655/AB-BR/2022 zu 3944/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem aktuellen Stand zur Entschließung „eine Kastrationspflicht für alle Katzen, die mit freiem Zugang zur Natur gehalten werden (,Freigängerkatzen‘)“ (349/E-BR/2021) (3656/AB-BR/2022 zu 3941/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Korin­na Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem aktuellen Stand zur Ent­schließung „Ausstattung von Gebäuden des Bundesheers mit Photovoltaik-Anlagen“ (351/E-BR/2021) (3657/AB-BR/2022 zu 3940/J-BR/2021)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem aktuellen Stand zur Entschließung „Ausstattung von Gebäuden der Polizei mit Photovoltaik-Anlagen“ (352/E-BR/2021) (3658/AB-BR/2022 zu 3942/J-BR/2021)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Ber­nard, Kolleginnen und Kollegen betreffend nicht genehmigte Anträge Ausfallbonus durch COFAG (3659/AB-BR/2022 zu 3959/J-BR/2021)


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 9

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem aktuellen Stand zur Entschließung „weitere Entlastungen für Mieterinnen und Mieter im Rahmen der COVID-19-Krise“ (338/E-BR/2021) (3660/AB-BR/2022 zu 3943/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem aktuel­len Stand zur Entschließung „Soforthilfepaket für Alleinerzieherinnen“ (333/E-BR/2021) (3661/AB-BR/2022 zu 3946/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend dem aktuel­len Stand zur Entschließung „umgehende Umsetzung eines Zukunftspaketes für Kinder und Jugendliche“ (334/E-BR/2021) (3662/AB-BR/2022 zu 3948/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 345/E-BR/2021 (3663/AB-BR/2022 zu 3950/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 346/E-BR/2021 (3664/AB-BR/2022 zu 3951/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorgänge in der Landesabteilung 13 – Umwelt und Raumordnung des Landes Steiermark (3665/AB-BR/2022 zu 3952/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Gültigkeit und Speicherdauer von Daten des Grünen Passes (3666/AB-BR/2022 zu 3955/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Corona-Totalversagen der Bundesregierung – Folgean­frage (3667/AB-BR/2022 zu 3956/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Totalversagen der Bundesregierung – Folgeanfrage (3668/AB-BR/2022 zu 3957/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Impfpflicht für wen? (3669/AB-BR/2022 zu 3958/J-BR/2021)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Ber­nard, Kolleginnen und Kollegen betreffend nicht genehmigte Anträge Ausfallbonus durch COFAG (3670/AB-BR/2022 zu 3959/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Ausbau von Breitbandverbindungen und die Breitbandstrategie 2030 (3671/AB-BR/2022 zu 3970/J-BR/2021)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Probleme bei Schüler*innentrans­porten (3672/AB-BR/2022 zu 3963/J-BR/2021)


 


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09.00.21Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Vizepräsident Günther No­vak, Vizepräsidentin Sonja Zwazl.

09.00.23*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich eröffne die 937. Sitzung des Bun­desrates.

Das Amtliche Protokoll der 935. Sitzung des Bundesrates vom 21. Dezember 2021 und die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 936. Sitzung des Bundesrates vom 22. Dezember 2021 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Eva Prischl und Stefan Zaggl-Kasztner.

09.00.59Mandatsverzicht und Angelobung


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Eingelangt ist ein Schreiben des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates. (siehe S. 65)

Die wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verle­sung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Sehr geehrte Damen und Herren, einen schönen guten Morgen! Ich verlese die Gelöbnisformel für die Mitglieder des Bundes­rates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beach­tung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner leisten die BundesrätInnen Korinna Schumann und Mag. Sascha Obrecht die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat!


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich begrüße die wiedergewählten Mitglie­der des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen. – Ruf: Ein neues Gesicht! – Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

09.03.07Antrittsansprache der Präsidentin


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher sowohl hier


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im Saal wie zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist mir eine große Freude und vor allem auch eine große Ehre, den heutigen Sitzungstag mit meiner Antrittsrede als Präsidentin des Bundesrates zu beginnen.

Vorweg möchte ich mich bei Dr. Peter Raggl für seine Präsidentschaft im letzten Halb­jahr bedanken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Peter Raggl war mit vielen Gesprächsterminen ein sehr aktiver Präsident und somit ein überaus erfolgreicher Botschafter unserer Länderkammer. Gerade in internationalen An­gelegenheiten hat er das Ansehen des Bundesrates als Zukunfts- und Europakammer gestärkt und gefestigt. Lieber Peter, ich darf dir zu deiner Amtszeit gratulieren und dir ein herzliches Dankeschön für deinen Einsatz für den Bundesrat aussprechen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Danken möchte ich auch dir, lieber Herr Landeshauptmann Markus Wallner, und dem Vorarlberger Landtag, dass ich die Präsidentschaft im Bundesrat für das kommende Halbjahr übernehmen darf. Ich sehe diese Aufgabe in politisch abwechslungsreichen Zeiten als Ehre und Herausforderung.

Mein weiterer Dank gilt aber vor allem auch meiner Familie, die immer hinter mir steht und mich unterstützt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Es freut mich auch sehr, dass sie heute anwesend sind.

Großen Dank möchte ich auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Dru­ckerei – die ich leite –, auf die ich mich stets verlassen kann, aussprechen.

Mit der Präsidentschaft Vorarlbergs wird fortgesetzt, was 2019 mit dem Masterplan für den ländlichen Raum begonnen wurde. Deswegen liegt auch der Schwerpunkt dieses Halbjahres auf der Zukunft dezentraler Lebensräume. In einer Enquete mit diesem Titel werden wir die spezifischen Stärken und Schwächen unserer Region eruieren und eva­luieren. Unser ehemaliger EU-Kommissar Franz Fischler wird dabei aufzeigen, wie peri­phere Regionen gestärkt werden können. Zudem werden wir uns Initiativen österreichi­scher Bundesländer, unter anderem von Vorarlberg, für stärkere Regionen ansehen. Auch die verschiedenen Wege hin zu einer Scientific Open Region und die Herausfor­derungen der digitalen Transformation sollen von verschiedenen Experten beleuchtet werden.

Unsere Regionen, nicht nur die peripheren, sondern auch die städtischen Gebiete, brau­chen eine Perspektive für die Zukunft, denn sie haben nun schon zwei Jahre lang in unterschiedlichem Ausmaß unter der Pandemie gelitten. Corona hat die Ausübung vieler wirtschaftlicher Tätigkeiten massiv erschwert. In vielen Sparten musste der Staat als Nothelfer einspringen. Die gesetzten Maßnahmen haben die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Arbeit während der letzten zwei Jahre geprägt.

Auch die Art und Weise, wie unsere Arbeit verrichtet wird, hat sich in dieser Zeit verän­dert – nicht nur, dass viele Beschäftigte nun öfters von zu Hause aus arbeiten, stellen sich auch inzwischen mehr und mehr Menschen die Frage, ob die Zufriedenheit mit ih­rem Job auch im richtigen Verhältnis zum persönlichen Einsatz steht. Gerade im Tou­rismus und in der Gastronomie sehen wir, dass viele Beschäftigte der Branche den Rü­cken gekehrt haben. Diese Arbeitskräfte fehlen uns aber. Wir können schlicht nicht auf sie verzichten. Auf der Agenda des Vorarlberger Vorsitzes der Landeshauptleutekonfe­renz steht deswegen nicht umsonst eine Arbeitsmarktreform. Vorgeschlagen wird darin eine verstärkte Regionalisierung der Programme, um konkreter auf lokale – ortsgebun­dene – Bedürfnisse eingehen zu können.

Auch der Bundesrat wird sich des Arbeitsmarktes der Zukunft annehmen. Im Zuge eines parlamentarischen Fachgespräches werden Experten aus der Wirtschaft und dem Ar­beitsmarkt dazu eingeladen, zukünftige Herausforderungen und Rahmenbedingungen


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zu besprechen und zu beurteilen: Wie wird etwa die Klimakrise Wirtschaft und Arbeit in den Regionen verändern? Wie umweltfreundlich produziert unsere Industrie in Zukunft und welche Rahmenbedingungen braucht sie dafür? Welche Produkte werden in Sa­chen Klimaneutralität künftig gefragt sein? Wer wird diese Produkte wo unter welchen Bedingungen erzeugen? – Für all diese Fragen brauchen wir einen Plan für den Tag nach der Krise, wann auch immer dieser kommen mag.

Die Bekämpfung der Klimakrise ist aber nicht nur ein politischer Imperativ, der als Bürde gesehen werden muss, diese Generationenaufgabe birgt jede Menge Chancen, die wir für uns nützen müssen. Mit Themen wie Klimaschutz und Energieeffizienz steht und fällt zukünftig die Qualität unserer Wirtschaftsstandorte. Grüne Technologien sollen uns nicht nur vor der drohenden Klimakatastrophe bewahren, sie können auch neue, nachhaltige Jobs schaffen. Wenn wir das richtig angehen, werden Wirtschaft und Arbeitsmarkt davon profitieren.

Das daraus generierte Wachstum ist auch notwendig, gerade im Hinblick auf die im­mensen Summen, die in Form von Wirtschaftshilfen in den vergangenen zwei Jahren ausgeschüttet wurden. Klimaschutz und Wachstum müssen Hand in Hand gehen, um den anstehenden Herausforderungen gerecht zu werden.

Eine weitere Herausforderung birgt die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, die es ohne Wenn und Aber zu verbessern gilt. Hierbei steht das oft unzureichende Angebot an Kinderbetreuung nicht nur dem Wunsch vieler junger Frauen, Familie und Beruf zu vereinbaren, im Wege, es führt auch dazu, dass sich viele junge Familien gezwungen sehen, aus den ländlichen in die städtischen Gebiete abzuwandern. Diese Entwicklung ist weder im Interesse der ländlichen Regionen noch in jenem junger Familien. Wir brau­chen daher mehr Angebote für die Betreuung auch der Jüngsten unserer Kinder sowie längere Öffnungszeiten solcher Kinderbetreuungseinrichtungen, damit sowohl Mütter als auch Väter ihre Berufe ausüben können. Auch wenn sich der Mangel solcher Angebote mehr auf dem Land bemerkbar macht, schließt das die Städte natürlich nicht aus.

Dies bewahrheitet sich insbesondere im Hinblick auf so viele Konsequenzen, die sich oftmals erst Jahre später bemerkbar machen. Hier sticht vor allem die in Österreich ver­gleichsweise hohe Altersarmut unter Frauen, besonders unter Witwen und Geschiede­nen, ins Auge. Es steht völlig außer Zweifel, dass durch die unzureichende Integration von Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht nur die Frauen selbst benachteiligt werden, son­dern unsere gesamte Wirtschaft und Gesellschaft sehr viel an Erfahrung, Engagement und Expertise verliert. Wir haben nämlich einerseits sehr viele gut ausgebildete Frauen und andererseits in zahlreichen Branchen einen eklatanten Fachkräfte- und Arbeitskräf­temangel.

Und sollten diese Argumente noch nicht schwer genug wiegen, bitte ich, Folgendes zu beachten: Denken Sie an all die Chancen, die wir den heranwachsenden Generationen bieten, wenn sie frühkindliche Bildung genießen dürfen, während ihre Eltern gleichzeitig einer Arbeit nachgehen können. Es gibt Studien, die zeigen, dass jeder Euro, der heute richtig in Elementarpädagogik investiert wird, in Zukunft mehrfach wieder zurückkommt. Diese Kinder von heute haben später durch eine bessere Grundausbildung bessere Chancen am Arbeitsmarkt, laufen weniger Gefahr, arbeitslos zu werden, und belasten auch nachweislich weniger unser Gesundheitssystem.

Ein weiterer Eckpfeiler für adäquate Bedingungen unserer Wirtschaft ist die konstruktive Zusammenarbeit von Bund und Ländern. In der Pressekonferenz zur Übernahme des Ländervorsitzes wurde von gleichberechtigten Partnern gesprochen, die auf Augenhöhe einzubinden sind. Die Partnerschaft von Bund und Ländern, von Städten und ländlichen Regionen ist nicht nur ein Grundpfeiler dieser zweiten Kammer des Parlaments und somit unser Staatswesen, sie ist auch Ausdruck eines gelebten Subsidiaritätsprinzips,


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des Wissens, dass viele Herausforderungen auf lokaler Ebene effizienter und zielgerich­teter bewältigt werden können.

Das gilt nicht nur für den Bereich Arbeit und Wirtschaft, sondern insbesondere für einen ganz wichtigen Bereich, der in den letzten Jahren mehr und mehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist und nun angegangen wird. Die Rede ist von der Pflege, die uns wirklich alle betrifft – entweder direkt oder indirekt, entweder jetzt oder später irgend­wann einmal. So schwierig auch die Umsetzung ist, so einfach ist das Ziel: Die Pflegever­sorgung wie auch die Finanzierung müssen sichergestellt sein.

Auch da hat die Zukunftskammer Bundesrat Vorarbeit geleistet und bereits 2017 in einer Enquete die Zukunft der Pflege diskutiert. Damals wurden die Zunahme der Singlehaus­halte, die Abwanderung aus dem ländlichen Raum, der Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten und der Anstieg chronischer Krankheiten in Kombination mit der steigenden Lebenserwartung als größte Herausforderungen in der Pflege genannt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Es bedarf gerade bei diesem Thema einer reibungslosen Zu­sammenarbeit von Bund und Ländern, um die Finanzierung der Pflege zu sichern und den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Ich denke, gerade mitten in der Pandemie sollte jeder die Notwendigkeit sehen, dass es wichtig ist, mehr Menschen dazu zu motivieren, einem solch schwierigen, aber überaus wichtigen und ehrenvollen Beruf nachzugehen, und zugleich jene zu entlasten, die bereits seit Jahren dieses System stützen.

Hier schließt sich der Kreis, der die Themen Frauen am Arbeitsmarkt und Zukunft der Pflege miteinander verbindet. Nach wie vor sind es nämlich die Frauen, die die Hauptlast der Pflege tragen, sowohl im privaten beziehungsweise familiären Bereich als auch im öffentlichen Bereich. Auch wenn es mittlerweile ein Umdenken dahin gehend gibt, dass der Pflegebereich zunehmend auch bei Männern auf Interesse stößt, werden wir in der nahen Zukunft nur dann eine Entlastung in diesem Bereich schaffen, wenn wir den darin tätigen Frauen bessere Arbeitsbedingungen bieten können.

Neben den bereits erwähnten Themengebieten sollen aber auch andere Schwerpunkte des Bundesrates für die kommenden sechs Monate nicht unerwähnt bleiben. Mit der Gestaltung unserer digitalen Zukunft und der Chancengleichheit städtischer und länd­licher Regionen haben wir, verehrte Mitglieder des Bundesrates, auf jeden Fall weitere wichtige Themen zu behandeln.

Sie sehen also, der Bundesrat wird seiner Rolle als Zukunftskammer des Parlaments gerecht. Wir als Mitglieder dieser Kammer werden weiterhin unsere Expertise und Erfah­rung aus unseren Berufen und Bundesländern in die Gesetzgebung einbringen. Wir werden uns weiterhin der für die Zukunft Österreichs wichtigen Themen annehmen, und wir werden auch weiterhin unser Möglichstes dafür tun, die Interessen Österreichs und seiner Bürgerinnen und Bürger in der EU zu wahren. Subsidiarität darf nicht zu einem Schlagwort verkommen, sie muss das Prinzip allen künftigen Handelns der EU sein.

Ich lade Sie alle herzlich dazu ein, in den nächsten Monaten weiter mitanzupacken, sei es in den Ausschüssen, sei es hier im Plenum oder in Ihren Heimatbundesländern. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung ganz gemäß dem Motto des Vorarlberger Vorsitzes „Ge­meinsam in Verantwortung“. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen, bei Bun­desrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

09.17.37Erklärung des Landeshauptmannes von Vorarlberg zum Thema
„Gemeinsam in Verantwortung“


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich begrüße den Landeshauptmann von Vorarlberg, Herrn Mag. Markus Wallner, sehr herzlich bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


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Ich gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Gemeinsam in Verantwortung“ ab­zugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die von Herrn Landeshauptmann von Vorarlberg abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen aus­reichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Landeshauptmann von Vorarlberg zur Abgabe seiner Erklä­rung das Wort. – Bitte sehr.


9.18.42

Landeshauptmann von Vorarlberg Mag. Markus Wallner: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Vizepräsidentin! Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Damen und Herren, die heute zuschauen! Auch die Familie der Präsidentin möchte ich herzlich begrüßen. Ich danke Ihnen sehr für die Möglichkeit, eine Erklärung abzugeben, um mit Ihnen heute in einen Austausch zu treten.

Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich dem Bundesrat meinen Dank für die inten­sive Zusammenarbeit mit den Ländern aussprechen und auch gleich die Bitte oder den Appell an Sie richten: Bleiben Sie bitte bei der Wahrung der Länderinteressen besonders aufmerksam! Es wird viele Fragen und Themen geben, nicht nur aktuell, sondern auch in der nächsten Zeit, für die es eine intensive Zusammenarbeit zwischen Bund und Län­dern und auch die Kraft des Bundesrates brauchen wird. Es ist kein Geheimnis, dass ich persönlich als überzeugter Föderalist auch dafür eintrete, dass wir dem Bundesrat ins­gesamt eigentlich wesentlich mehr Gewicht einräumen sollten, damit die Stimme der Länder in der Republik eine noch stärkere, eine noch hörbarere wäre. Aber wie gesagt, zu Beginn danke dafür, dass Sie sich hier engagieren und für die Länderinteressen ein­treten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der Grünen.)

Mir ist noch eines aufgefallen – einfach nur als Sidestep –; die Präsidentin hat am Beginn ein wichtiges Thema angeschnitten, das mir gerade so durch den Kopf gegangen ist, das ich zumindest noch einmal unterstreichen möchte und das auch für den Bundesrat von Bedeutung ist: Sie hat auf die Kraft von dezentralen Lebensräumen hingewiesen. Ich danke für die Initiative, in diesem Zusammenhang auch eine Enquete durchzuführen.

Nur ein Satz dazu: Treten Sie bitte auch mit Nachdruck dafür ein, was hier gesagt wurde, weil wir guten Grund dafür haben, für – ich würde einmal sagen – gleichwertige Lebens­bedingungen – es werden nie die gleichen sein können – zwischen Stadt und Land ein­zutreten!

Ein Markenzeichen Österreichs ist, dass Sie, wenn Sie durch die Republik fahren, egal durch welche Region – fast egal, würde ich sagen –, egal durch welches Bundesland, etwas feststellen werden, das Sie in Europa ganz selten finden: Der Unterschied zwi­schen Stadt und Land ist zwar vorhanden, aber niemals in dem Ausmaß und so groß wie jene Kluft, die Sie etwa in Teilen Italiens, in Teilen Frankreichs vorfinden. Selbst dort, wo wir meinen, dass der Wohlstand groß ist, treffen wir auf ausgehöhlte, ausgeleerte ländliche Räume. Diese schauen zwar romantisch aus, wenn man hinfährt, aber wenn Sie genauer hinschauen, dann werden Sie dort keine Schule mehr, keine vernünftige Wasserversorgung, eine schlechte Infrastruktur finden, die sozialen Dienste sind irgend­wo, das nächste Spital ist weit entfernt, und Sie werden ältere Leute vorfinden, denen es mehr oder weniger gut geht.

Das finden Sie in Österreich in dieser Form nicht. Das Eintreten für gleichwertige Le­bensbedingungen in Stadt und Land ist also wirklich wichtig. Damit tun Sie etwas Gutes, denn das ist eine Marke für Österreich, dass wir das eigentlich auch im europäischen Vergleich herzeigen können. Ich danke sehr für die Initiative bei diesem Thema. Es ist


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mir persönlich wichtig, weil im Regierungsprogramm Vorarlberg drinnen steht: Wir treten für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land ein!, weil wir diesen Unterschied in der Form nicht haben wollen, weil wir den massiven Zuzug in die Städte und die Ab­wanderung aus ländlichen Räumen unterbinden wollen. Mit der massiven Abwanderung entstehen in dem Zusammenhang dort, wo die Ballungsräume sind, oft andere Proble­me. Ich danke also noch einmal sehr, dass Sie dieses Thema in der Form aufgreifen.

Gemeinsam in Verantwortung ist das Motto. Man könnte sagen, das passt immer, na­türlich, aber in Zeiten wie diesen, in schwierigen Zeiten ist man auch immer beim Thema der Pandemie, und gerade heute ist natürlich Gemeinsam in Verantwortung ein ganz besonders wichtiges Motto, weil wir alle aufgefordert sind, anstatt so stark gegenein­ander zu arbeiten, miteinander einen Weg hinaus aus dieser Pandemie zu finden. Heute fällt ein wegweisender Beschluss dazu, über den man viel diskutieren wird. Insgesamt gesehen heißt, Gemeinsam in Verantwortung zu sein, eben auch, die Pandemie ge­meinsam zu bekämpfen, die Bereitschaft aufzubringen, Brücken zu schlagen, und das wird jetzt notwendig sein. Vielleicht ist auch die Omikronvariante, die wir jetzt vorfinden und bei der der Verlauf eher mild ist, wie wir sehen, letztlich auch eine Chance, diese Gräben, die aufgerissen wurden, wieder zuzuschütten.

Schauen wir auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung, auf diese Zerrissenheit, die da ist, dieses unversöhnliche Gegenüberstehen! (Bundesrätin Schartel: Wer ist daran schuld?!) Ich bin schon lange in der Politik – ein paar Jahre –, aber dieses unversöhnli­che Lagerdenken, das da existiert – fast schon ein Stellungskrieg (Bundesrätin Schar­tel: Wer ist denn schuld daran?! Das ist ja lustig!), aus dem man sich kaum herausbewe­gen kann –, habe ich selten vorgefunden. Das ist ein Punkt, den man versuchen sollte zu überwinden, und ehrlich gesagt – auch an die, die dazwischenrufen –: Es kann jeder versuchen, einen Beitrag dazu zu leisten – jeder, uns eingeschlossen –, diese Gräben wieder zuzuschütten – sagen wir es einmal so –, eine Brücke in diese Richtung zu bau­en. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Meine persönliche Einschätzung und Erfahrung der letzten zwei Jahre – man glaubt es ja kaum, in Krisensituationen hat man immer das Gefühl, es dauert ein paar Wochen, und es ist vorbei, das ist bei der Pandemie leider nicht so; mehr als zwei Jahre eigentlich ein Krisenmodus der gesamten Republik, das ist keine Kleinigkeit, und es besteht größter Handlungsbedarf, da rauszufinden –: Schauen Sie auf die Zahlen und auf die Gesamtentwicklung, da sind auch Chancen dabei!

Wenn das stimmt, was uns die Experten sagen, nämlich dass sich der milde Verlauf bestätigt, könnten wir trotz steigender Zahlen, hoher Zahlen, das muss man dazusa­gen – also der Peak ist ja offenbar erreicht, aber noch nicht in allen Bundesländern; Gott sei Dank müssen wegen des milderen Verlaufs weniger Österreicherinnen und Öster­reicher ins Spital und nur ganz wenige auf die Intensivstationen gebracht werden, alles andere wäre eine Katastrophe –, das Ganze auch als Chance sehen. Das heißt, wenn der Verlauf so mild ist – damit das auch klar gesagt ist –, dann ist alles zu unternehmen, und zwar von allen Beteiligten – Bund und Ländern –, die vorhandenen Regeln frühest­möglich und nicht spätestmöglich abzuschaffen – frühestmöglich!

Das, was gemacht wurde, ist ja ein massiver Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte. Mei­ner Meinung nach – auch nach meinem Rechtsverständnis und staatspolitischem Ver­ständnis – ist beim Eingriff in Grundrechte und Freiheitsrechte – so einfach ist das ja nicht – mit größter Sorgfalt umzugehen, und wenn sich der Funken einer Chance ergibt und eine gesicherte Evidenz vorhanden ist – die ist mittlerweile vorhanden –, dass wir aus diesen Regeln rauskönnen, dann ist der Plan, der jetzt aufgestellt ist, ein richtiger, nämlich schrittweise rauszufinden und gleichzeitig das Tempo in dem Bereich eher zu erhöhen. Die nächsten Tage, Wochen werden das bringen.


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Ich glaube, wir sollten alles daransetzen, das umzusetzen, was versprochen wurde – Lockdownende, 2G-Regel weg, diese unsinnige Sperrstundenregelung kippen (Bundes­rat Ofner: Ah!) und auf 24 Uhr gehen (Beifall der Bundesräte Ofner und Spanring) –, und dann auch schauen, welche nächsten Schritte eingeleitet werden können, damit wir von diesen Regeln wieder wegkommen. (Bundesrat Spanring: Gute Zeichen! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Sie beschließen heute die Impfpflicht. Ausweichen soll man der Debatte selbstverständ­lich nicht. Ich möchte eines dazu sagen: Ich war selber erkrankt, und zwar eigentlich gar nicht so mild, es war schon auch relativ heftig. Durch eine zweifache Impfung war innerhalb von sieben, acht, maximal neun Tagen durch einen CT-Wert das Virus nicht mehr nachweisbar, heißt über 40, und davor unter 15. (Bundesrat Spanring: Ja, das habe ich ohne Impfung auch gehabt!) Bei unter 15 ist ohne Impfung ein Spitalsaufenthalt ziemlich sicher. Das möchte ich Ihnen auf den Weg mitgeben – für die, die es noch nicht wissen.

Der Grund dafür, warum Omikron jetzt mild verläuft – mild verläuft, heißt ja, dass jene, die ins Spital kommen, nach zwei, drei Tagen wieder gehen können –, ist die Impfung, und sonst gar nichts (Zwischenruf bei der FPÖ), nicht weil Omikron - - (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Spanring: Wie erklären Sie ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der Grund - - (Bundesrat Span­ring: Das sind total evidenzbasierte Zahlen!) – Wir können es gerne diskutieren, immer mit der Ruhe! (Bundesrat Spanring: Märchen und Geschichtsstunde aus Vorarlberg!) – Wir können es gerne diskutieren.

Ich möchte das auch noch einmal festhalten: Wir sind jetzt im Moment – ich nehme mein Bundesland her – bei einem Immunisierungsgrad von etwa 80 Prozent der Bevölkerung, das ist natürlich Impfung plus Genesene gerechnet. Das ist sehr hoch und lässt uns eigentlich, würde ich einmal sagen, einigermaßen vernünftig in den Herbst schauen. Niemand weiß, was da wirklich kommt. Ich dachte schon öfters, die Pandemie sei vorbei, und sie war nicht vorbei, neue Varianten sind aufgetaucht, neue Schwierigkeiten – die Frage, ob der Impfstoff wirkt und so weiter, waren die Probleme, die wir hatten –, aber wir sind da auch bisher durchgekommen. Mit einem Grad von 80 Prozent Immunisierung kann man an sich, glaube ich, einmal von der Grundlage her relativ zuversichtlich in den Herbst schauen.

Was mir da eher auch Sorge bereitet – ich habe es erwähnt –, ist dieser Trend an Ra­dikalisierung und Polarisierung. Da kann jeder einen Beitrag leisten, und ich bitte Sie, sich nicht daran zu gewöhnen, was da in der Gesellschaft passiert. Das ist eine große Bitte von mir.

Wir hatten gestern im Landtag eine Diskussion. Bei einer Demonstration in Vorarlberg wollte eine Demonstrantin mit dem Auto auf einen Polizisten losfahren. Hätte Sie ihn sozusagen erwischt, dann hätte das tödlich enden können. Das heißt, da sind auch Vor­gänge vorhanden, die uns nicht guttun. Es gibt eine hohe Tendenz zur Radikalisierung, die Wortwahl ist katastrophal, die ist inakzeptabel. Ich bitte wirklich auch uns alle in die­sen Verantwortungsfunktionen, parteiübergreifend: Gewöhnen wir uns nicht an diese Wortwahl, egal woher sie kommt, denn Worten folgen oft Taten! Das hat uns die Ge­schichte gelehrt, und da muss man eben auch aufpassen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich plädiere daher auch angesichts dieser heute sicher auch aufgeheizten Diskussion und Stimmung sehr dafür, dass wir trotzdem die Nerven bewahren und uns bemühen, diese Brücken zu bauen. Es wird Möglichkeiten geben, auch in den nächsten Wochen – das glaube ich bei dieser gesamten Entwicklung schon –, wieder mehr aufeinander zu­gehen zu können. Das Miteinander ist eigentlich das, was uns stark macht, und nicht


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das Gegeneinander. Das gilt für alle Ebenen, für alle Gebietskörperschaften. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Es gilt letztlich auch für alle Fraktionen am Ende des Tages.

Meine Damen und Herren, man soll nicht nur über die Pandemie reden, aber in dem Zusammenhang ist mir eines wichtig – weil es immer diskutiert wird –, nehmen Sie es einfach als Gedankenanstoß mit auf den Weg: Es wird die Zeit kommen, zu der die Pandemiediskussion auch zu einer föderalen Diskussion werden wird, auch die Frage aufgeworfen wird, wie denn das Zusammenspiel Bund-Länder gelaufen ist – nicht immer friktionsfrei, da kann man auch selbstkritisch genug sein. Man sollte den Wert des Föderalismus auch in der Krise erkennen, und auch das, was in den Ländern und Ge­meinden geleistet wird, nicht vergessen. Die Pandemiebewältigung braucht eben beide Seiten.

Ich sage Ihnen ein kleines Beispiel dafür, wie mein Verständnis von Föderalismus ist: Ich bin nie davon ausgegangen, dass Föderalismus heißt, man weiß es besser – das ist nicht meine Einstellung –, ich bin immer davon ausgegangen: Wir haben einen Wettbe­werb um bessere Ideen, und wir überlegen uns vor allem, wo, auf welcher Ebene was am besten bewältigt werden kann.

Da gibt es Dinge, die zentral gut organisiert sind, und Dinge, die föderal besser orga­nisierbar sind. Dieser auch kritischen Auseinandersetzung hat man sich immer zu wid­men. Ich erinnere mich gut an das Frühjahr zurück: Modellregion Vorarlberg in der Pan­demie. Wir sind einem – leider nur einem, aber immerhin einem – Lockdown entgangen, und zwar deswegen – was heute ganz normal ist –: Wir waren im Frühjahr das erste Bundesland, das mit damals noch Antigentests begonnen hat, mit Wohnzimmertests, mit digitalen Plattformen, mit Zutrittstests in der Gastronomie, um die Gastronomie offen­zuhalten, während sie in ganz Österreich zugegangen ist.

Passiert ist gar nichts. Die Zahlen sind leicht gestiegen, die Intensivbettenzahlen sind halbwegs stabil geblieben, und wir haben die Frühjahrswelle ohne Lockdown eigentlich ganz gut über die Bühne gebracht – mit einem intensiven Testregime und vielen ein­zelnen föderalen Maßnahmen. Vieles davon wurde österreichweit übernommen.

Heute ist es selbstverständlich: Es wird getestet, wo man es braucht. Es sind Systeme aufgebaut worden, es gibt Möglichkeiten – in Wien, die sehr früh dran waren, zum Bei­spiel mit Gurgeltests, aber auch in anderen Bundesländern – von zu Hause aus zu tes­ten. Es sind also Modelle, die man in den Ländern – auch in Wien, aber auch in Vorarl­berg – entwickelt hat und die letztlich über die ganze Republik ausgerollt wurden. Das war keine Erfindung des Gesundheitsministeriums, das war auch keine Erfindung einer Zentralbürokratie, sondern das waren Lösungen, die man ganz nah am Bürger und sehr regional gemacht hat.

Vergessen Sie das nicht, wenn der Tag kommt, an dem die Diskussion Pandemie und Föderalismus geführt wird und auf dem Rücken der Pandemiediskussion dann der ge­samte Föderalismus infrage gestellt wird! Ich werde Sie daran erinnern, weil es kommen wird. Die Experten im Hintergrund und andere arbeiten schon an solchen Themen (Hei­terkeit des Bundesrates Schreuder), also wird die Diskussion natürlich stattfinden. Sie soll auch stattfinden, aber ich bitte Sie, dann auch darauf zu achten, was da geschehen ist.

Selbstverständlich soll man auch sehen, was da nicht so gut gelaufen ist, und man soll daraus lernen, aber wissen Sie – gut, als Landeshauptmann ist das klar –: Ich bin immer etwas zurückhaltend, wenn die Zentralbürokratie wächst, weil ich nicht so stark an die Lösung zentraler Bürokratien glaube, sondern an die Kraft kleinerer Einheiten, über­blickbarerer Strukturen, schnellerer Reaktionen, weil es der heutigen Zeit mehr ent­spricht und weil ich Schwerfälligkeit nicht mag, sondern eher schnellbootartig unterwegs sein möchte, um auch rasch auf Gegebenheiten reagieren zu können.


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Manche Dinge haben uns auch geärgert. Wenn die Diskussion dann kommt, vergessen Sie als Bundesräte es nicht: Der Ostererlass war keine Meisterleistung von Zentralbüro­kratie. Laut VfGH-Entscheidungen waren die Gastroverordnung, das Spielplatzverbot schlichtweg verfassungswidrig. Das waren keine legistischen Meisterleistungen von zentraler Bürokratie, sondern Fehlleistungen, um es ganz klar zu sagen – das sollte eigentlich nicht mehr passieren. Solche Dinge gab es auch in Ländern, bleiben wir auch selbstkritisch! Wer aber glaubt, dass man eine Pandemie nur zentral lösen kann, wird irren, und wir sollten dann auch keine falschen Schlüsse ziehen, wenn es so weit kommt.

Ich möchte Ihnen zum Thema Föderalismus etwas mit auf den Weg geben, damit Sie mein Verständnis verstehen: Diese eher billigen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern mag ich ohnehin nicht so, sondern der Streit um die Sache und um die besten Lösungen ist es.

Es gibt eine interessante Studie auf europäischer Ebene, die nachfragt, was die Erfolgs­faktoren für die erfolgreichsten Regionen Europas sind. Übrigens sind dort auch einige Bundesländer oder Regionen – Regionen muss man sagen – Österreichs dabei. Was macht es eigentlich aus, wenn man zu den erfolgreichsten Regionen Europas zählen will? Was muss man richtig machen, was kann man falsch machen?

Die erste Schlussfolgerung heißt – jetzt bin ich wieder bei der Wirtschaft –: Regionen, die produzieren können – der Produktionsfaktor macht es aus, Produktionsstätten sind es. Das heißt natürlich im Folgeschluss daraus: Kümmern wir uns darum, dass die pro­duzierende Wirtschaft im Lande gute Standortbedingungen hat! Jene Regionen in Euro­pa mit starken Produktionsstandorten sind schlichtweg wohlhabender, das ist ganz ein­fach – übrigens auch sozial ausgeglichener.

Der zweite Punkt ist das Bildungssystem. Jene Regionen in Europa mit einem ausge­prägten Bildungssystem mit viel Chancengleichheit – das muss man dazusagen – und jene Regionen mit einer ausgesprochen hohen Forschungsquote sind die erfolgreichs­ten Regionen Europas. Jede Investition in Bildung – Sie (in Richtung Präsidentin Schwarz-Fuchs) haben die Elementarpädagogik und die Kinderbetreuung genannt, alles gehört da dazu – und jede Investition in Forschung führen schlichtweg dazu, dass wir im Wettbewerb der Regionen in Europa führend mit dabei sein können. Machen wir das nicht, fallen wir automatisch zurück – auch dessen sollte man sich bewusst sein.

Das Letzte ist spannend: Jene, die föderal organisiert sind, sind erfolgreicher. Auch das ist eine Schlussfolgerung, die man in der Evidenz ganz einfach nachvollziehen kann. Schauen Sie nur, wer an der Spitze Europas steht und warum das so ist! Dafür gibt es ganz gute Gründe, und ich finde, das sollte man in der Debatte über die Zukunft, wenn es wieder um die Frage geht, wie die staatlichen Strukturen der Zukunft ausschauen und wohin der Föderalismus steuert, sehen.

Noch ein paar Schwerpunkte aus meiner Sicht als Vorsitzender – wo wir mit dem Bund zusammenarbeiten wollen: Ich glaube, jetzt ist eine Phase da, hoffentlich auch nach der Pandemie, in der wir nicht erschlaffen und auch nicht müde werden sollten, auch nicht von der Krisenbewältigung, sondern in der wir durchstarten sollten. Jetzt gilt es, die Vor­bereitungen zu treffen, den Aufschwung weiter zu unterstützen – das halte ich für ganz entscheidend.

Interessanterweise sind wir da in einer etwas – man könnte auch so sagen – zwiespäl­tigen Situation: einerseits in einer der größten Krisen der Zweiten Republik – ich sage nie die größte, weil ich glaube, es gab noch Schlimmeres –, und auf der anderen Seite gibt es einen Wirtschaftsaufschwung – in unserem Bundesland zum Beispiel –, wie ich ihn seit den Siebzigerjahren noch nie gesehen habe. In der Metallindustrie Vorarlbergs gibt es eine Arbeitslosenquote von 1,7 Prozent – das ist Vollbeschäftigung; im Gegenteil:


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Es fehlen die Fachkräfte, die Diskussion geht in die andere Richtung. Die Wachstums­prognosen sind exzellent, wenn uns die Pandemie nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht, und wir sollten natürlich alles unternehmen, um das zu unterstützen.

Vor diesem Hintergrund sind die Steuerreformbeschlüsse und die Bemühungen darum natürlich wichtig. Sie kennen alle in- und auswendig, was das beinhaltet, im Einkom­mensbereich, bei der Körperschaftsteuer und so weiter, aber natürlich auch im ökologi­schen Bereich. Auch der Einstieg in die CO2-Bepreisung mit 30 Euro pro Tonne und dann mit einem steigenden Pfad ist sicher prinzipiell richtig. Wir beginnen, das Steuer­system auch ökologisch zu bearbeiten. Ich halte das grundsätzlich für richtig, und da werden noch weitere Schritte folgen müssen.

Es wird in den letzten Tagen auch viel von der Pflege geredet. Wir sollten uns jetzt darauf einstellen – die Pandemie wird hoffentlich einmal vorbei sein –, die Pflegereform vorzu­bereiten, und zwar dringend. Eine Bitte habe ich in diesem Zusammenhang an alle Ver­antwortungsträger – ich versuche, so gut es geht, das auch selbst zu leben –: Wenn wir über die ältere Bevölkerung und deren Pflege und Unterstützung und die Notwendigkeit dessen reden, dann sollte uns klar sein, dass wir in der öffentlichen Debatte die ältere Bevölkerung nicht nur und ständig – mir geht das auf die Nerven – als Kostenproblem der Republik darstellen sollten. Das stört mich in diesem Zusammenhang. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Riepl.)

Es stört mich auch bei anderen Bevölkerungsschichten, wenn sie nur als Kostenproblem dargestellt werden. Das ist nicht mein Verständnis, wie wir mit Menschen umgehen soll­ten. Eine ältere Bevölkerung, die viel geleistet hat, braucht auch unsere Unterstützung. Und seien wir uns eines bewusst: Jeder und jede von uns hat irgendwann im Leben – meistens eher am Beginn des Lebens, wenn ich so in die Runde schaue – Unterstützung gebraucht. Manche brauchen sie etwas später, und viele brauchen sie zwei- und dreifach während des Lebens. Keiner von uns kommt ohne staatliche Unterstützung in irgendei­nem Schritt seines Lebens, egal was es ist, aus. Jeder braucht sie irgendwann: Alle waren einmal im Kindergarten, alle haben einmal eine Kinderbetreuung benötigt, und alle werden wir vermutlich irgendwann auch eine Pflegeunterstützung benötigen. Das sollte man in der Diskussion sehen, wenn man über eine Gruppe redet und darüber, was sie jetzt braucht.

Ich bin bei der Pflegereform der Meinung – mit Blick auf die demografische Entwicklung muss man das nicht ausführen, es ist klar, wo das hinführt –, dass wir ein paar Dinge machen sollten. Wir leiden unter massivem Fachkräftemangel. Der ist übrigens im Wes­ten Österreichs, glaube ich, eher höher als im Osten Österreichs. Ich bitte Sie, das auch zu sehen, wenn wir verschiedene Modelle der Ausbildung anstoßen. Das sind keine Überfälle im Pflegesystem, die wir da machen wollen, sondern wir überlegen ganz gut, auch in unserem Land, wie wir zu genügend ausgebildeten Pflegekräften kommen.

Der Ausbildungsfonds des Bundes, der angekündigt wurde, steht im Regierungspro­gramm. Er ist zu machen, und zwar zügig, und er ist gut auszustatten. Achten Sie auf diese Dinge! Wir brauchen dazu natürlich auch Geld, aber wir brauchen diesen Aus­bildungsfonds schon dringend, weil wir gut ausgebildete Pflegekräfte für alle Ebenen benötigen: die mobile Pflege, die stationäre Pflege und alles, was damit zusammen­hängt.

Aus Vorarlberg kommt der Vorstoß – und ich bitte, das richtig zu verstehen, weil ich weiß, dass es da Widerstand gibt – in Richtung einer Pflegelehre. Da muss ich Ihnen sagen: Wenn Vorarlberger über die Lehre reden, dann reden sie über eine Topausbildung.

Ich weiß nicht, ob das überall in Österreich so ist, aber wenn sich Eltern bei uns ent­scheiden, ihre Kinder eine Lehre machen zu lassen oder ihnen diese empfehlen, dann haben die kein Imageproblem, sondern umgekehrt: Die, die sagen: Ab auf die Uni!, ha­ben möglicherweise ein Imageproblem, aber nicht die, die die praktische Ausbildung in


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der Lehre machen. 50 Prozent der Jugendlichen in Vorarlberg machen eine Lehre und kriegen einen Job, und zwar in einer wirklich ausgezeichneten Wirtschaftsstruktur. Das ist eine Topausbildung. Von diesem Niveau aus diskutieren wir. Bei uns versteht nie­mand, warum das, wenn man von Pflegelehre redet, etwas Schlechtes sein soll (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann), weil bei uns die Lehre an sich etwas Gutes ist. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der Grünen sowie des Bundesrates Hübner. – Bundesrätin Schumann: Die Gewerkschaft schon!)

Ich möchte Ihnen einen zweiten Gedanken mit auf den Weg geben, bevor automatisierte Widerstände entstehen – sie sind nämlich eher automatisiert, habe ich den Eindruck, also stereotype Widerstände. Schauen Sie sich einmal an, wie man in der Industrie einen Fachkräftemangel bekämpft! Da passiert Folgendes: In jeder Altersklasse – die begin­nen, glaube ich, schon im Kindergarten, jedenfalls sicher bei den 14-, 15- und 16-Jähri­gen – wird eine hoch qualifizierte Ausbildung angeboten. Wenn Sie einen Fachkräfte­mangel bekämpfen wollen, dann brauchen Sie das auch.

Sie dürfen in Wahrheit keine Alterskategorie auslassen. Wenn Sie den jüngeren Leuten, die Sie vielleicht später einmal gerne für die Pflege hätten, wenn Sie Leuten dieser Al­tersgruppe gar nichts anbieten, dann werden sie schlichtweg woanders hingehen. Das sollte man nicht tun, sondern man sollte überlegen, in jeder Alterskategorie – in sehr durchlässigen Systemen, damit ich richtig verstanden werde – alles anzubieten. Das gilt auch für den Wiedereinstieg, das gilt für den Umstieg, da sind auch AMS-Mittel richtig einzusetzen – da muss nicht jeder immer arbeitslos sein, damit er umgeschult werden kann, das muss auch anders laufen. Sie brauchen aber auch für die ganz Jungen eine Möglichkeit, man sollte schon dort ganz vorsichtig und sanft beginnen. – Ich kenne auch die Gegenargumente dazu.

Ich bitte Sie, mir einfach eines abzunehmen: Wenn wir in Vorarlberg ein Modell bauen, dann bauen wir ein gutes Modell, weil wir das Land der Lehre sind. Ich weiß nicht, ob man das überall so sagen kann, aber von uns weiß ich es, denn es gibt eine Riesener­fahrung, eine jahrzehntelange Erfahrung mit der Entwicklung von Lehrberufen.

Sie können auch davon ausgehen, dass wir die Argumente kennen. Niemand von uns will einen 15- oder 16-Jährigen oder welchen Alters auch immer unvorsichtigerweise in irgendeine Situation, die zu belastend ist, hineinmanövrieren. Niemand von uns will das, auch darüber denken wir nach. Es gibt Modelle, bei denen das funktioniert. Wenn man das gut und schrittweise macht, bekommt man schlichtweg das Interesse der Jugendli­chen für diese Art des Berufs. Wer das gut aufbaut, wird später womöglich eine Hilfe­stellung haben, dass genügend Fachkräfte vorhanden sind.

Bei der Pflege geht es noch um vieles. Ein Satz noch dazu: Beim Thema Föderalismus und Pflege ist mir wichtig, zu sagen – weil ich da auch meine Sorgen habe –: Achten Sie auch darauf, wir tun es ganz sicher, dass wir in der Pflege gar keine Zentralisierung brauchen. Wenn Sie wollen, dass Pflege funktioniert, dann brauchen Sie in Wahrheit die Gemeinden dazu. Sie müssen an den Nahraum herankommen. Sie brauchen starke ländliche Regionen. Sie brauchen die mobilen Dienste, Sie brauchen die Hauskranken­pflege, und zwar flächendeckend organisiert, um überhaupt damit fertig zu werden, sonst haben wir gar keine Chance, diese demografischen Veränderungen überhaupt zu be­wältigen – auch nicht mit mehr Personal.

Das heißt, Sie müssen alles dazu tun, dass Pflege im Nahraum funktioniert. Da braucht es auch ein bisschen Mut für Spielraum. Also definieren wir nicht Standards, die nicht erfüllt werden können, sondern vernünftige Standards, keine übererfüllenden, keine übertriebenen. Schauen wir, dass Pflege vor Ort auch in der Familie funktionieren kann! Wer selber Pflegesituationen in der Familie erlebt, der kann ein Buch darüber schreiben, insbesondere wenn Demenz dahintersteht; darüber können wahrscheinlich viele von uns


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Bücher schreiben, was da wirklich passiert. Überlegen Sie einmal, wer Ihnen da hilft und wo das Ganze am besten organisiert ist! Eine Pflegereform sollte eigentlich die Pflege zu Hause, die Pflege in der Nähe, mobil, und die stationäre Pflege mit gut ausgebildeten Fachkräften und guter Infrastruktur unterstützen. Bund und Länder haben als Rückgrat im Hintergrund die Finanzierung zu sichern.

Das ist mein Ansatz dazu, und mein großer Appell ist, auch darauf zu achten, dass wir uns da nicht in eine andere Richtung bewegen, sondern uns klarmachen, dass das in der Nähe auch gut organisiert sein muss.

Wir werden im Rahmen meiner Vorsitzführung auch diese elementarpädagogische 15a-Ver­einbarung zu verlängern haben – aus meiner Sicht eine Chance. Natürlich muss man da mehr Geld in die Hand nehmen. Bund und Länder müssen investieren, auch in Betreu­ungsplätze für unter Dreijährige. Die Gemeinden tun da viel; sie stehen vor großen He­rausforderungen, aber es muss gemacht werden. Da muss die Qualität sichergestellt sein, es müssen die Betreuungsangebote ausgebaut werden.

Und wir brauchen eine gute frühe sprachliche Förderung – Stichwort Integration. Auch wir in Vorarlberg wissen – in Wien weiß man es auch ganz gut; dazwischen, glaube ich, ein bisschen weniger, weil die Anteile nicht so hoch sind –, was es bedeutet, migranti­sche Kinder frühzeitig zu integrieren. Da ist die frühe sprachliche Förderung – für alle, aber für migrantische Kinder im Speziellen – ganz, ganz wichtig, und es sind auch Mittel in diesem Bereich zur Verfügung zu stellen. Ein frühes Erlernen der deutschen Sprache, nämlich schon in der Kinderbetreuung und im Kindergarten, halte ich für ganz, ganz ent­scheidend, um künftig den Integrationsbemühungen auch richtig nachzukommen.

Unter der Vorsitzführung Vorarlbergs werden wir diese Vereinbarung verhandeln, zu En­de bringen. Ich bitte Sie um Unterstützung. Wir brauchen mehr Mittel in diesem Bereich, da muss mehr investiert werden. Die Gemeinden stehen vor ganz, ganz großen Heraus­forderungen, denn der Wunsch der Eltern und die Notwendigkeit der Familien, Familie und Beruf zu kombinieren, insbesondere bei Frauen, ist riesig. Es ist klar: Wenn wir auf den Fachkräftebedarf der Zukunft schauen und die Entwicklungen jetzt schon sehen – es ist nicht daran vorbeizukommen – ist es auch richtig, diese Betreuungsangebote kon­sequent weiter auszubauen.

Ich möchte noch etwas zum Thema Energie und Klimaschutz sagen – einfach, damit ich es mit auf den Weg gebe: Wenn ich mich nicht irre – die europäische Entwicklung zeigt es uns –, dann erleben wir in diesem Frühjahr eine Energiepreisexplosion. Ich bin dazu mit dem Bundeskanzler in Kontakt und habe auch früh darauf hingewiesen. Wenn Sie eine Chance haben, dann reden Sie mit Ihren eigenen EVUs in den Ländern, was sich dort abspielt.

Es kann schon sein, dass wir da in eine Entwicklung kommen, die die Haushalte be­sonders stark belasten wird – die Wirtschaft übrigens auch, aber ich bleibe jetzt einmal bei den Haushalten –, und natürlich treten wir alle für den Klimaschutz ein – das ist wohl klar! –, andererseits muss uns aber auch Folgendes klar sein: Die Bemühungen sind dann gut, wenn die Bevölkerung mitkann und wenn sie sozial ausgewogen sind. Ich habe ein bisschen die Sorge, dass so manche Klimaschutzbemühung insgesamt ein Pro­gramm für Privilegierte werden könnte.

Das ist wirklich wichtig, weil wir alle miteinander, glaube ich, hoffentlich einen Grund­konsens haben, nämlich die Klimaziele erreichen zu wollen. Wenn man die Klimaziele erreichen will, dann muss man es so machen, dass die Bevölkerung in der Breite mit­gehen kann. Wer der Bevölkerung sagt: Raus aus Öl! – was richtig ist –, muss eine ver­nünftige Strategie auf den Tisch legen, wie das in einem guten Tempo, aber auch sozial abgefedert gemacht werden kann. Das ist ganz, ganz entscheidend. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)


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Bei den Haushalten ist es so, dass da, glaube ich – auch durch internationale Krisen noch befeuert, im wahrsten Sinn des Wortes –, eine ordentliche Preissteigerung beim Erdgas auf uns zukommt. Das sind schon einmal 300, 400 Prozent, wenn nicht mehr, das geht ordentlich hinauf. Das ist eine große Belastung für einen Durchschnittshaushalt. Meine Aufforderung und meine Bitte ist – sie ist auch von der Bundesregierung aufge­nommen worden –, da gegenzusteuern, da eine soziale Balance herzustellen, denn sowohl Strompreise als auch Erdgaspreise werden unter Umständen im Frühjahr massiv steigen.

Bei den Großhandelspreisen gibt es wirklich eine Wand – in dem Fall keine Infektions­wand, sondern eine Großhandelspreiswand –, und die ist wirklich enorm. Die Großhan­delspreise haben in der Prognose eine Steigerung von 700 Prozent! Ich möchte Sie dafür sensibilisieren, weil wir da im Frühjahr unter Umständen eine Diskussion erleben werden, die wir so einige Jahre oder Jahrzehnte nicht mehr hatten, nämlich hinsichtlich einer massiven Energiepreisexplosion. Vielleicht tritt es in der Form oder in der Härte nicht ein, aber es sind die Vorbereitungen dazu aufzunehmen.

Der Bund hat jetzt zumindest zwei, drei wichtige Entscheidungen getroffen – einen Teue­rungsausgleich, einen Energiekostenausgleich, die Aussetzung der Ökostrompauscha­le. Das geht in die richtige Richtung. Die Bundesländer haben auch die Möglichkeit, über den Heizkostenzuschuss zu arbeiten. Ich halte es für wirklich notwendig, dass wir da gegensteuern, auch in den größeren Zusammenhängen der Bevölkerung zu signali­sieren: Wenn so eine Entwicklung kommt, dann bemühen wir uns um sozialen Ausgleich, damit wir die Klimaziele insgesamt nicht aus dem Auge verlieren.

Stellen Sie sich vor, wenn der Klimaschutz nur noch ein Programm für ein paar wenige wird! Am Ende des Tages funktioniert das nicht. Das heißt, die soziale Ausgewogenheit beim Thema des Klimaschutzes ist mir persönlich ein großes Anliegen. Manchmal habe ich den Eindruck, das verliert man aus den Augen und dass am Ende nur ein paar da sind (Bundesrätin Grossmann: Wir nicht – in Richtung linke Saalhälfte weisend –, die anderen!) – Sie nicht, das ist gut, ja –, die sozusagen auf verschiedene Dinge umsteigen können und andere aus sozialen Gründen nicht mitmachen können.

Wir brauchen die Zustimmung der gesamten Bevölkerung für so einen Kurs, darauf muss man aus meiner Sicht ganz besonders achten. Es gilt, sozial verträgliche Übergänge zu schaffen, darauf zu achten, dass Klimaschutz mehr wird als ein Programm für Pri­vilegierte. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Grossmann. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Meine Damen und Herren, man könnte noch vieles in dem Zusammenhang sagen, was an Schwerpunkten vorhanden ist. Die Präsidentin hat auch einiges erwähnt, das wir na­türlich mit unterstützen. Ich hoffe, dass Ihnen klar wird, welchen Kurs wir da fahren wollen, dass Sie da auch vieles mittragen können, dass Sie sehen, dass wir da sehr konstruktiv an die Sache herangehen. Es ist jetzt nicht die Zeit für Auseinandersetzun­gen, die nichts bringen, es ist die Zeit für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, um die größten Herausforderungen, die vor uns stehen – über die Pandemie hinaus; die sowieso –, miteinander zu bewältigen. Wir müssen uns im ge­samtstaatlichen Interesse auf die Reformen vorbereiten, Stichwort Pflege, Energiebe­reich, Elementarpädagogik, Bildung, sozialer Ausgleich und, und, und. Wir müssen den Klimaschutz vorantreiben und auch die Frage ländlicher Raum und Ausgleich Stadt – Land angehen. Das sind Dinge, die uns als Vorarlberger wichtig sind und in de­nen wir Expertise haben.

Wir sind nicht überall gut, aber in manchen Bereichen können wir durchaus Dinge vor­zeigen, die unter Umständen für andere von Interesse sein können – im besten Sinne von Föderalismus: nicht besser zu wissen, wie es geht, sondern besser zu zeigen, wie es geht.


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In diesem Sinne möchte ich verbleiben, Ihnen alles Gute wünschen, auch für die Dis­kussion heute, und dass Sie in der Diskussion die Nerven bewahren, die richtige Ent­scheidung im Gesamtinteresse von uns allen treffen und dass es Ihnen gelingen möge, von den Brücken, von denen ich geredet habe, zumindest eine heute zu bauen. Ich wün­sche Ihnen alles Gute, sage herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und stehe Ihnen natürlich für jede Art von Austausch immer zur Verfügung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.51


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich danke dem Landeshauptmann von Vorarlberg für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte.


9.52.19

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Christine, ich wünsche dir natürlich im Namen unserer ÖVP-Bundesratsfraktion alles Gute für deine Präsidentschaft. Engagement und eine Portion Hartnäckigkeit sind nur zwei deiner herausragenden Eigenschaften, und ich bin mir sicher, die sind auch ganz hilfreich für die bevorstehende Präsidentschaft. Ich hoffe, du kannst diese intensive Zeit auch etwas genießen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Grimling.)

Lieber Herr Landeshauptmann, lieber Markus, herzlich willkommen bei uns im Bundes­rat! Lieber Peter, auch bei dir möchte ich mich noch ganz herzlich für deine Präsident­schaft im Namen unserer Fraktion bedanken.

Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Liebe Besucher auf der Besucher­galerie – heute haben wir ordentlich Verstärkung aus Vorarlberg mitgebracht! Liebe Zu­seher daheim! Bei der Rede unseres Landeshauptmannes ist mir eines aufgefallen: Er und ich, wir haben mit dem Großteil aller Vorarlbergerinnen und Vorarlberger eines ge­meinsam, nämlich: Wir sind stolz auf unser Ländle. Und stolz sind wir auch auf unsere Spitzenathletinnen und -athleten, die in den nächsten Wochen in Peking um paralympi­sche und olympische Medaillen kämpfen werden. Zwölf Athletinnen und Athleten stellt Vorarlberg, so viele Sportler wie noch nie in der Geschichte.

Wenn man bei einem so wichtigen Wettkampf – in einem Sportlerleben ist das wahr­scheinlich das Ereignis – am Start steht, gehen einem oft die absurdesten Gedanken durch den Kopf. Die einen visualisieren ihren Sieg und sehen sich schon auf dem Sto­ckerl, manche gehen nochmals die perfekte Technik, den perfekten Schwung durch und wieder andere hören Musik.

Meine Herangehensweise bei den Paralympics vor vier Jahren war die: Ich dachte an Vorarlberg. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.) So weit weg von der Heimat – ich war in Pyeongchang in Südkorea –, mitten im Nirgendwo, getragen von dem großen Zuspruch, den vielen Daumendrückern und Glückwünschen von daheim – viele sind mitten in der Nacht aufgestanden, um mir live via Fernsehen zuzusehen –, fühlte ich mich ganz besonders gestärkt und getragen, mein absolut Bestes zu geben. Und wenn man dann erfolgreich ist, ein gutes Rennen, einen guten Wettkampf absolviert hat oder vielleicht sogar eine Medaille holen kann, dann ist das natürlich die Krönung und immer ein Produkt daraus, dass ganz viele Menschen gemeinsam Verantwortung übernommen haben. Durch ihre Taten, durch ihr Einbringen, durch ihr Daumendrücken haben sie ihren Anteil am Erfolg geleistet. So ist das im Sport und so ist es auch in der Politik, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Gemeinsam in Verantwortung, das ist ja der Leitsatz, den Vorarlberg für seinen Länder­vorsitz gewählt hat. Verantwortung übernehmen ist nicht nur jetzt das Gebot der Stunde,


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in dieser schwierigen Zeit der Pandemiebewältigung, sondern auch darüber hinaus. Und dass die Vorarlberger in der Vergangenheit durchaus schon gezeigt haben, dass sie Verantwortung durch ein wirklich konstruktives und gemeinsames Zusammenspiel ver­schiedenster Akteure übernehmen können, das zeigen auch einige Beispiele.

Vorarlberg zählt nämlich zu den stärksten Wirtschaftsregionen Europas; die Basis für unsere starke Wirtschaftskraft ist eine überdurchschnittlich starke Industrie. Wir haben wettbewerbsfähige Gewerbe- und Handwerksbetriebe und eine starke Tourismuswirt­schaft. Die Region Arlberg ist als die Skiregion wahrscheinlich jedem von euch ein Begriff.

Vorarlberg ist darüber hinaus Exportchampion. Wir haben heute schon gehört, erfolgrei­che Regionen sind immer auch erfolgreich im Exportieren: 76 Prozent der in Vorarlberg produzierten Waren werden jenseits der Landesgrenzen verkauft. Damit liegt Vorarlberg weit über den Exportländern Deutschland und Schweiz.

Diese hohe Exportquote ist auch das Ergebnis einer besonderen Innovationskraft. Vor­arlberg belegt Platz sieben der innovativsten Regionen weltweit. Die OECD sagt, wir liegen auch nur ganz wenig hinter der Region Massachusetts; Vorarlberg – Massachu­setts, das ist also schon ein ordentlicher Vergleich, denke ich. (Heiterkeit der Bundesrä­tInnen Zwazl und Kornhäusl.) Diese große Innovationskraft zeigt sich aber beispiels­weise auch in der Patentstatistik. Das Bundesland Vorarlberg gehört bei Patentanmel­dungen beim Europäischen Patentamt regelmäßig zu den top fünf in Europa.

Ein weiterer Wesenszug und auch Erfolgsfaktor der Vorarlberger Wirtschaftslandschaft sind die zahlreichen Familienbetriebe: 93 Prozent aller Unternehmen in Vorarlberg sind in Familienhand. Das begünstigt auch ein loyales Miteinander zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber; gemeinsam wird mit viel Fleiß und einer hohen Produktivität an Lösun­gen gearbeitet.

Wir haben es schon gehört: Die höchste Lehrlingsquote im Bundesländervergleich unter­streicht auch den Stellenwert der Lehre, den wir ihr beimessen. An die 50 Prozent aller 15-Jährigen in Vorarlberg entscheiden sich auch für eine hochqualitative Lehre.

Als einzigem Bundesland in Österreich mit einer Bevölkerung vorwiegend alemanni­scher Abstammung werden uns auch gewisse Charaktereigenschaften zugeschrieben (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl): Fleiß, Heimatverbundenheit, Sparsamkeit, aber auch Hartnäckigkeit.

Dass Vorarlberg durchaus hartnäckig eigene Wege beschreiten kann, das zeigen auch zwei Beispiele aus jüngster und älterer Geschichte. Vielleicht zuerst die ältere Ge­schichte, nämlich die Schiffstaufe 1964: Die Taufe eines Bodenseeschiffes brachte or­dentlich Aufruhr ins Ländle, weil das Schiff nach dem Willen des Bundes nach Karl Renner benannt werden sollte. Die Vorarlberger waren darüber ganz erzürnt, weil sie das Schiff Vorarlberg nennen wollten, und am Tag der Schiffstaufe verhinderten dann Tausende Demonstranten die Schiffstaufe, indem sie die Ehrengäste mit faulen Eiern und Tomaten bewarfen. Der damalige Verkehrsminister Probst musste umdrehen, da die Polizei nicht mehr für seine Sicherheit sorgen konnte. Das führte im Nationalrat na­türlich zu heftigen Debatten, die große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP wurde infrage gestellt. Fast ein halbes Jahr später ließ sich aber der Bund erweichen und das Schiff durfte tatsächlich auf den Namen Vorarlberg getauft werden. Das war ein wirklich starkes Symbol für Föderalismus und für die Eigenständigkeit Vorarlbergs. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Ein weiteres Beispiel für die Eigenständigkeit Vorarlbergs gibt es in der ganz aktuellen Geschichte zu finden. Nach intensiven Verhandlungen unseres Landeshauptmanns Markus Wallner – er hat es heute schon erwähnt – und seines Teams konnte Vorarlberg als Modellregion einen weiteren Lockdown im Frühling 2021 umgehen.


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Ich denke, Vorarlberg hat also schon bisher ganz klar bewiesen, dass es Verantwortung übernehmen kann, und wir werden diese nun natürlich auch im Rahmen des Ländervor­sitzes gemeinsam mit dem Bund übernehmen, um wichtige Themen anzugehen; unser Landeshauptmann hat diese bereits skizziert. Erfolge, egal ob im Sport oder in der Politik, zeigen, dass diese immer nur gelingen, wenn wirklich alle an einem Strang ziehen und gemeinsam Verantwortung übernehmen. In diesem Sinne bedanke ich mich auch bei dir, lieber Markus, für deine stets umsichtige und mit Hausverstand gepaarte Verant­wortungsübernahme für Vorarlberg, und ich wünsche dir einen erfolgreichen Länder­vorsitz. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.59


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. Ich erteile dieses.


10.00.11

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin, auch aus Salzburger Sicht darf ich Ihnen natürlich alles, alles Gute für Ihre Präsidentschaft wün­schen, und ich darf Sie, Herr Landeshauptmann, auch im Namen von Salzburg herzlich willkommen heißen. Als Fastnachbar von Vorarlberg – ich nehme das mit der Brücke gleich einmal an – und als Östlichster im Westen darf ich ein paar Parallelen aufzeigen.

Fangen wir mit dem Schönen an: Wir teilen ja nicht nur die schöne Landschaft, die Berge, die Täler und die schönen Wiesen, wir teilen ja zum Beispiel auch den Tourismus, den Wintertourismus, und auch das Skifahren – eine große Leidenschaft von vielen Vorarl­bergerinnen und Vorarlbergern, natürlich auch von vielen Salzburgerinnen und Salzbur­gern. Das bringt mich auch gleich zu ein paar Zahlen – von vor Corona selbstverständ­lich –: Ich glaube, Sie haben 3,2 Milliarden Euro des Bruttoregionalprodukts im Touris­mus erwirtschaftet, 20 Prozent der Wertschöpfung kommen aus dem Tourismus; das ist ein sicherer und wichtiger Arbeitgeber bei Ihnen, in Tirol sowie auch bei uns in Salzburg.

Das Ganze hat aber natürlich auch ein paar Schattenseiten. Sie haben die Abwanderung angesprochen, Herr Landeshauptmann: Da sind das Land und natürlich auch der Bund gefordert. Wir sprechen von ein paar unnötigen – sage ich einmal – Helian- und ‑abrei­sen von ein paar wohlhabenden Milliardären und Heliskiern und wir sprechen von star­ken Regionen, aber ich glaube nicht, dass wir die Regionen dadurch stärken können, denn der Ausverkauf der Heimat ist eine große Gefahr.

Familien müssen mittlerweile die Hälfte des Einkommens oder auch mehr für das Woh­nen ausgeben, da platzt der Traum vom Eigenheim, da werden – in Vorarlberg, in Tirol und besonders auch in Salzburg – Mieten bereits unerschwinglich: 16 Euro pro Quadrat­meter sind keine Seltenheit mehr, 1 200 Euro aufwärts für eine Dreizimmerwohnung – unleistbar für junge Menschen, die sich im Bundesland etwas aufbauen möchten. Da sitzen wir im gleichen Boot, aber da sind wir besonders als Länder gefordert.

Während das passiert, kaufen sich Milliardäre und große Investoren aus dem Inland sowie aus dem Ausland ein, investieren Millionen, Hunderte Millionen Euro als Geldan­lage in unserer schönen Heimat, bauen dann Chalets, Luxusapartments (Bundesrat Schen­nach: Richtig!), und dann sagt man: Da will eh keiner wohnen! – Das glaube ich nicht ganz. Ich glaube, da müssen wir in den Ländern ganz dringend die Reißleine ziehen und dem Ganzen einen Riegel vorschieben, damit genau diese jungen Leute, die dann in der Forschung arbeiten, wie Sie richtig sagen, die in den Ländern, in den Regionen bleiben möchten, dort wohnen möchten, sich dort etwas aufbauen möchten, eine Chance bekommen – aber mit dem Ausverkauf der Heimat geht das nicht. Wir brauchen ein Baulandsicherungsmodell, das diesen Namen verdient, und wir brauchen leistbare Miet­wohnungen – und da sage ich immer: 75 Prozent geförderter Mietwohnbau ist ein abso­lutes Muss in den Bundesländern. (Beifall bei der SPÖ.)


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Sie haben es richtig angesprochen: Bei der Pflege – das ist für mich persönlich eine Herzensangelegenheit, nicht nur wegen Corona – müssen wir vom Reden ins Tun kom­men, da gebe ich Ihnen zu 100 Prozent recht, Herr Landeshauptmann. Es braucht nicht nur die Pflegemilliarde, die die SPÖ und der Pensionistenverband Österreichs schon lange fordern, wir müssen auch in den Ländern an Tempo aufnehmen, die Rahmenbe­dingungen für die Pflege verbessern, das Einstiegsgehalt, das Nettogehalt für Pflege­fachassistentinnen und ‑fachassistenten um mindestens 200 Euro erhöhen. Wir müssen den Pflegerinnen und Pflegern in Ausbildung, bitte, 1 700 Euro zahlen – denn wie soll man jemanden motivieren, wenn er von einem Taschengeld Wohnung und Lebenshal­tungskosten zahlen muss? Wir müssen auch runter mit der Normalarbeitszeit. Sie den­ken über eine Pflegelehre nach; denken wir auch – da sind die Länder auch gefordert – darüber nach, ob wir nicht pflegende Angehörige in Rahmen eines Modells, wie es das Burgenland gemacht hat, anstellen. Da sind wir gefordert. Nehmen wir da an Fahrt auf, kommen wir vom Reden ins Tun!

Ich wünsche Ihnen alles Gute und noch einen schönen Tag bei uns im Bundesrat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Arlamovsky und Kolland.)

10.04


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile dieses.


10.05.04

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es kann sein, Frau Präsiden­tin, dass ich die Redezeit ein bisschen überziehe, weil ich jetzt doch auf ein paar Aus­sagen des Herrn Landeshauptmannes replizieren möchte.

Dass ich als Salzburgerin heute spreche, hat einen ganz simplen Grund: Der Herr Lan­deshauptmann und ich kennen uns schon seit vielen, vielen Jahren, man kann sagen, seit Jahrzehnten. Wir haben gemeinsam an der Universität Innsbruck studiert, waren gemeinsam in der Hochschülerschaft Innsbruck aktiv, haben uns dort gemeinsam für die Interessen der Studenten eingesetzt und mehr oder weniger den Grundstein für unsere zukünftigen politischen Tätigkeiten gelegt.

Ich fange an: Der Herr Landeshauptmann hat vom Föderalismus gesprochen, davon, dass die Länder zunehmend betroffen sein werden. Föderalismus ist schon in den letz­ten zwei Jahren ein massives Thema gewesen – wir sehen es, wir sind ja das Para­debeispiel für Föderalismus, die Bundesräte als Ländervertreter –, und in den Medien hat man immer wieder gelesen: „Pandemie als föderale Zerreißprobe“, „Föderalismus in der (Corona-)Krise“, „Lebensgefährdender Föderalismus“, „Wie Föderalismus nicht funk­tioniert“.

Zwei Jahre, Herr Landeshauptmann, ist halt da ein wenig geschlafen worden, die Länder hätten viel föderaler arbeiten können. Ab und zu haben sich die Länder – der Salzburger Landeshauptmann zumindest – dann, wenn es heiß geworden ist, hinter dem Bund ver­steckt; der Salzburger Landeshauptmann hat dann oft, wenn er reagiert hat, überschie­ßend reagiert: Salzburg war das erste Bundesland, in dem der Landeshauptmann föde­ral 2G eingeführt hat – unsinnigerweise. (Beifall bei der FPÖ.)

Föderalismus muss aber der Garant für Nähe sein. Föderalismus bedeutet ja nicht nur ein rechtliches Funktionieren, sondern bedeutet vielmehr Emotionalität und Identität mit der Bevölkerung. Wenn aber diese schwarz-grüne Regierung hergeht und die Bevölke­rung spaltet und Wind sät, dann wird man halt Sturm ernten; wenn diese Bundesregie­rung und teilweise auch die Landesregierungen ungeimpfte Menschen ausgrenzen, mit dem Finger auf sie zeigen und anfangen, sie zu denunzieren, dann braucht man sich doch nicht zu wundern, wenn dann, sagen wir, die Tonalität ein bisschen eine andere wird. Darüber braucht man sich dann nicht zu wundern.


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Wenn man von Regierungsmitgliedern dann hört, für Ungeimpfte werde es ungemütliche Weihnachten geben, wenn man von ÖVP-Regierungsmitgliedern hört, die Zügel gegen­über Ungeimpften seien strammer zu ziehen, wenn von „Blut an den Händen“ gespro­chen wird und man hört, dass Ungeimpfte ab 1. Februar in Österreich rechtswidrig leben, dann braucht man sich, glaube ich, nicht zu wundern, wenn sich Menschen – und das sind gar nicht so wenige – in Österreich gegen eine Tonalität, die die Regierenden vor­geben, wehren. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei der letzten Vorsitzübernahme und Erklärung des Vorarlberger Landeshauptmannes im Bundesrat lief die Diskussion unter dem Motto Perspektiven schaffen. Viel ist leider von dieser letzten Rede nicht übrig geblieben, und seit Corona ist man davon eigentlich ganz weit entfernt. Es wurden in den letzten Jahren nämlich keine Perspektiven ge­schaffen, sondern, ganz im Gegenteil, es wurden leider Perspektiven vernichtet. Es gibt keine Planungssicherheit mehr für Unternehmen, es gibt keine Planungssicherheit mehr für Arbeitnehmer, keine Planungssicherheit mehr für Familien – und das bei einer In­flationsrate von 5,1 Prozent; das ist eine reine Katastrophe.

Das heutige Thema lautet Gemeinsam in Verantwortung – klingt super und sehr plakativ. Herr Landeshauptmann, lieber Markus, das darf jedoch keine Einbahnstraße sein, das heißt, Entscheidungen, die die Vorarlberger Landesregierung, Schwarz-Grün trifft, dür­fen nicht im stillen Kämmerchen gemacht werden, sondern wenn ihr sagt: Verantwortung tragen!, dann bindet bitte auch die Opposition ordentlich mit ein! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke da an ein paar Themen, die dringend anstehen: Zum einen gehört nach zwei Jahren Murkscoronapolitik im Bund endlich wieder die Wirtschaft angekurbelt. Das wä­ren ganz einfache Handgriffe im Land, das kann man föderal erledigen: Man könnte zum Beispiel die vor ein paar Jahren beschlossene Steuererhöhung betreffend Nächtigungen von 13 Prozent wieder auf 10 Prozent senken; das wäre für die Betriebe eine enorme Erleichterung. Gerade die Nächtigungsbetriebe und der Tourismus wurden durch Co­rona hart gebeutelt. Das wäre eine enorme Erleichterung. Man könnte auch die Ab­schreibungsdauer von 40 Jahren etwas unternehmerfreundlicher gestalten.

Damit würde man den Unternehmern, den Betrieben eine Riesenlast von den Schultern nehmen, denn vor allem in den grenznahen Orten, in den grenznahen Zonen ist die Gefahr schon groß, dass die Betriebe ins billigere Nachbarausland absiedeln. Darin liegt nämlich die Gefahr, und man muss aufpassen, dass es keine Betriebsabsiedlungen gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich, und gerade Vorarlberg, hat viele gute Betriebe, die tagtäglich viel Wertschöp­fung bringen. Die Vorarlberger – wir haben es heute schon von der Kollegin gehört, auch ich kann das bestätigen – sind als fleißig und als sparsam bekannt, so ganz nach dem Motto: Schaffa, schaffa, Hüsle baua!, aber wenn wir einen guten Wirtschaftsstandort haben möchten, ist es wichtig und essenziell, dass die Verkehrssysteme gegeben sind, dass wir Straßen haben, Zugverbindungen, aber auch dass man – wie es in Vorarlberg möglich ist – die Häfen anlaufen kann.

Da bin ich schon mitten im Thema: S 18, die Bodensee Schnellstraße. Wir zwei (in Rich­tung Landeshauptmann Wallner) sind noch in Innsbruck auf die Uni gegangen, haben gemeinsam für die Studenten gearbeitet und haben dieses Thema schon diskutiert. Da­mals war das schon ein alter Hut, denn seit mittlerweile 40 Jahren wird hinsichtlich dieser wichtigen Straßenführung herumgeeiert. Jetzt, wo man kurz vor der Zielgeraden wäre, kommt eine grüne Verkehrsministerin Gewessler daher und will das Projekt kippen. Ge­wessler setzt offensichtlich alles daran, die Entlastungsstraße S 18 zu verhindern. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Herr Landeshauptmann, bitte mach dem grünen Treiben ein Ende! Beende diesen unsin­nigen grünen Spuk von Gewessler! Dulde nicht länger ihre Verhinderungspolitik! Wir


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haben es bei anderen Entlastungsstraßen im Osten von Österreich schon gesehen, wo die grüne Frau Gewessler ja auch drübergefahren ist und wirklich wichtige, Gefahren nehmende Straßenprojekte einfach gestoppt hat. Bitte setz dich ein, denn Frau Gewess­ler setzt gerade zum finalen Schlag gegen Vorarlberg an! Die vom Verkehr belastete Bevölkerung im unteren Rheintal wird es euch danken, wenn ihr euch einsetzt.

Zu weiteren Themen: In der Pflege – auch das hast du vorhin kurz angesprochen – be­steht Handlungsbedarf; aber für die Umsetzung zum Beispiel von der viel propagierten und auch von dir unterstützten Pflegelehre ist das ÖVP-geführte Wirtschaftsministerium zuständig. Das sollte das einmal ein bisschen in die Gänge bringen! Vielleicht hast du heute noch die Möglichkeit, dort weitere Gespräche zu führen, damit das Wirtschaftsmi­nisterium einmal in die Gänge kommt und dieses wichtige Thema umsetzt, denn die Pflegekräfte werden nicht mehr werden. Im Gegenteil, sie werden weniger werden, auch unterstützt durch eure Impfpflicht, die ihr einführen möchtet.

Was die Stärkung der Pflege zu Hause betrifft, könnte die Landesregierung auch föderal schon Schritte setzen oder du persönlich könntest über deinen eigenen Schatten sprin­gen und könntest vielleicht das AK-Modell zur besseren Unterstützung der pflegenden Angehörigen unterstützen; denn es kommt wenig glaubwürdig rüber, wenn man sich zwar vordergründig für die Stärkung der Pflege zu Hause ausspricht, aber dann das Mo­dellprojekt, das wirklich gut ist, verzögert oder im schlimmsten Fall vielleicht sogar ver­hindert. (Beifall bei der FPÖ.)

So müssen die Vorarlberger weiterhin auf Lösungen warten, und der Personalmangel wird wie gesagt nicht besser werden. Wir Freiheitliche stehen auf jeden Fall parat. Wir werden jedenfalls weitere Initiativen zur Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Stär­kung der Pflege zu Hause setzen.

Deine Anwesenheit möchte ich noch für Folgendes zum Anlass nehmen: Herr Landes­hauptmann, lieber Markus, bitte nehmt du und deine ÖVP-Fraktion Abstand von der Impfpflicht! Eine Impfpflicht ist gerade durch Omikron überhaupt nicht mehr argumen­tierbar und völlig unverhältnismäßig. Du hast vorhin gesagt, die Impfung ist momentan so wichtig, weil man mit einer Impfung nur mehr zwei Tage im Spital ist. – Uns wird seit Monaten verklickert, dass nur mehr die Ungeimpften ins Spital kommen. Also so wirklich kenne ich mich jetzt nimmer aus! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Gesetz, das beschlossen werden soll, ist menschenverachtend. Es ist verfas­sungswidrig und es darf nicht beschlossen werden. Es wird mit diesem Gesetz drastisch in Grund- und Freiheitsrechte eingegriffen, und das Gesetz wird die persönliche Unver­sehrtheit massiv angreifen. Bitte nehmt Abstand von diesem Gesetz! So, wie das um­gesetzt wird, in dieser Art und Weise, kenne ich Gesetze – wenn man sie so nennen darf – nur in diktatorischen Ländern.

Abschließend darf ich dir, lieber Herr Landeshauptmann, alles Gute für den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz wünschen, und dir, liebe Frau Präsidentin, alles Gute für die Amtsführung als Bundesratspräsidentin. Ich hoffe – und du hast ja schon bewie­sen, dass du das kannst –, dass du deine Entscheidungen objektiv triffst und nicht wie leider dein Vorgänger ideologisch nach schwarz-türkisen Vorgaben. – Danke sehr. (Bei­fall bei der FPÖ.)

10.15


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


10.15.59

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin, auch ich wün­sche alles Gute für die Amtsführung. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Landeshaupt­mann! Ja, in der Tat gibt es, wie die Präsidentin und auch der Herr Landeshauptmann


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ausgeführt haben, ziemlich viele Themen, die anzugehen sind und die, auch dem stimme ich vollinhaltlich zu, nur bewältigbar sind, wenn sie als gemeinsame Verantwortung – und an dieses Thema möchte ich mich ein bisschen halten – verstanden werden und auch als solche praktiziert werden.

Da geht es selbstverständlich auch, wie vom Herrn Landeshauptmann angesprochen, um das Verhältnis zwischen Bund und Ländern beziehungsweise deren Rollen – oder präziser: um deren Rollenverständnis. Das ist durchaus individuell unterschiedlich, wenn man in die politische Landschaft hineinschaut. Ein klares Rollenverständnis ist meiner Meinung nach jedenfalls eine entscheidende Basis für das Wahrnehmen gemeinsamer Verantwortung. Eine wichtige normative Basis für diese Zusammenarbeit ist ja in der Verfassung abgelegt, nämlich über die Definition der Kompetenzen von Bund und Län­dern und natürlich auch von Gemeinden.

Damit gemeinsame Verantwortung in der Praxis funktioniert, braucht es natürlich noch mehr: Da sind gemeinsame Ziele von Vorteil, da geht es um das Erkennen von Krisen und Akzeptieren des entsprechenden Handlungsbedarfs – in welcher Krise auch immer. Die gemeinsame politische Verantwortung für ein Land erfordert weiters – das finde ich sehr wichtig – eine Ausrichtung am Gemeinwohl und nicht an Einzelinteressen. Um die­ses Gemeinwohl muss aber gerungen werden, ständig gerungen werden, in einem politischen Diskurs, auch selbstkritisch; und das Gefäß dafür ist natürlich die Demokratie mit ihren Institutionen und Möglichkeiten, mit ihrem Pluralismus und natürlich auch mit den Medien, die als zentrale Informationsvermittler fungieren.

Die gemeinsame Verantwortung klappt nur dann gut, wenn auch alle tatsächlich zu ihrer Verantwortung stehen und das nicht vornehmlich von den anderen einfordern, gerade wenn Eigenverantwortung unangenehm ist. Doch das lässt sich leider immer wieder beobachten. Ein illustratives Beispiel dafür sind so manche Debatten über die Covid-19-Maßnahmen-Politik. Da hagelt es förmlich, und das muss man auch als Ländervertreter schon kritisch anmerken, immer wieder Zurufe, auch aus den Landeshauptstädten, auch von diversen Lobbys, wie den Kammern beispielsweise. Da ist es dann manchmal schon so – jedenfalls bekommt man den Eindruck –, dass die eigene Positionierung wichtiger wird als das Ringen um eine gemeinsame Lösung. Es sind dann oft gerade Institutionen und Leute, die eigentlich wüssten, wie man sich einbringen kann, weil sie ja direkte Ver­bindungen zu den Entscheidungsträgern haben.

Eigentlich haben wir gerade durch Corona gelernt, dass es in Krisenzeiten wirklich ent­scheidend ist, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, auch wenn das oft ganz und gar unlustig ist, so wie im Moment, auch wenn vieles von dem, was zu tun ist, sich nie­mand gewünscht hat.

Eine ganz besondere Verantwortung – das ist angesprochen worden, ich möchte es noch einmal betonen –, die wir jetzt haben, liegt jedenfalls darin, die negativen Folgen der Coronakrise aufzuarbeiten – diese sind leider umfänglich –, ihnen entgegenzuwirken und den gesellschaftlichen Diskurs wieder auf eine rationalere und versöhnlichere Ebe­ne zu bringen. Themen gibt es wie gesagt genug.

Ich habe mich entschieden, auf eine Krise zu fokussieren, die fundamental ist, die funda­mental unsere Zukunft und vor allem jene der jungen Leute definiert, und das ist die Klimakrise beziehungsweise daraus abgeleitet der Handlungsbedarf beim Klimaschutz. Die Zeit drängt leider wirklich sehr. Österreich und alle anderen Industriestaaten werden ohne wirksame Gegenmaßnahmen ihre Klimabudgets in wenigen Jahren aufgebraucht haben.

Diese wirklich ziemlich scharfe Kurve können wir nur gemeinsam kratzen. Dazu brau­chen wir zum Beispiel eine mutige Energiewende, die garantiert, dass wir schnellstens, also binnen nur 20 Jahren, komplett aus fossilen Energieträgern rauskommen. Wir brau­chen, auch das sei deutlich gesagt, ein Umdenken und grundlegend andere Prioritäten


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betreffend den Verkehr. Die Zeit von immer noch mehr – vor allem – Schnellstraßen ist vorbei, auch im Hinblick auf den Bodenverbrauch und die Biodiversitätsfrage, und des­halb ist es nur folgerichtig, alte Projekte zu überdenken und zeitgemäßere Lösungen zu finden.

Klimaschutz in der nötigen Intensität wird von Bund und Ländern systematische Konse­quenz erfordern, vor allem auch deswegen, weil es darum geht, Strukturen umzubauen. Es geht nicht nur darum, da und dort etwas besser zu machen, das krempelt um: Das krempelt Gewohnheiten um, das krempelt Selbstverständnisse um, das stellt Ansprüche infrage und das verschiebt Einflusssphären.

In manchen Dingen sind wir uns einig: Selbstverständlich ist Österreich gegen Atom­kraft – das muss ich nicht weiter ausführen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wie­ser.) Weniger selbstverständlich ist – was genauso scharf abzulehnen ist –, dass die EU‑Kommission jetzt fossiles Gas in die Taxonomie aufnimmt, was völlig absurd ist – schon allein wegen der Tatsache, dass Gas ein fossiler Energieträger ist, den wir schnellstens loswerden müssen.

Leider regt sich da weniger Widerstand, vielleicht auch deswegen, weil es uns betrifft, weil es nicht so einfach ist, denn das zwingt uns zu Änderungen in der eigenen Energie­landschaft, teils in den eigenen Landesenergiegesellschaften. Auch das gehört zu un­serer gemeinsamen Verantwortung: Dinge durchzuziehen, auch wenn sie – jedenfalls in der Übergangsphase – unangenehm sind und Widerstände erzeugen, Machtgefüge und Geldflüsse verschieben.

Wichtig ist mir aber, und das möchte ich herausheben: Es ist zwar die Klimakrise eine Bedrohung, nicht aber der Klimaschutz. (Bundesrat Steiner: Wenn ihn die Grünen ma­chen, dann ist er eine Bedrohung, ja! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Da werden die Straßen gestrichen ...!) Der Klimaschutz bringt riesige Chancen mit sich, Perspektiven (Zwischenrufe bei der FPÖ) – wir sind da zum Glück dran, und nicht Sie – einer öko­logischen, wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit – das ist besonders wichtig. Ich betone das, weil ein Wandel in der nötigen Dimension nur mit sozialer Gerechtigkeit und gerechter Verteilung der Güter möglich sein wird.

Ich möchte eines mit aller Klarheit sagen: An bestehenden Versorgungsstrukturen im Energiebereich festzuhalten ist jetzt mit Sicherheit das Falscheste, das wir tun können. Gerade für Länder und Gemeinden, und da wiederum vor allem im ländlichen Raum, öffnen sich riesige Chancen durch Klimaschutz. Nur ein paar Beispiele: Die Investitionen in erneuerbare Energieträger werden dort stattfinden, wo auch die Potenziale sind, und das ist im ländlichen Raum. Da geht es nicht um Peanuts, da geht es um viele, viele Milliarden Euro. Das eröffnet den Gemeinden Wertschöpfungsmöglichkeiten und Be­schäftigungsmöglichkeiten. Das stärkt den ländlichen Raum, das schafft wiederum Spielräume im ländlichen Raum, um ihn attraktiv zu halten, etwa durch Verbesserung des Bildungsangebotes, der Kinderbetreuung, der regionalen Wirtschaftsstrukturen und natürlich auch der Digitalisierung.

Der Klimawandel verändert vor allem die Rahmenbedingungen für den Wintertourismus gerade in den westlichen Bundesländern, und das bringt die Chance mit sich, Tourismus auf nachhaltigere und behutsamere Beine zu stellen, einen Tourismus zu entwickeln, der mit weniger technischen Eingriffen in Natur und Landschaft auskommt und mehr Rücksicht auf die äußeren Bedingungen nimmt. Die äußeren Bedingungen und unsere Landschaft sind ja gerade das entscheidende Kapital des Tourismus.

Um die Energiewende schnell genug voranzubringen, braucht es vor allem Beteiligungs­prozesse, Stichwort gemeinsame Verantwortung. Das sind auch sehr große Chancen gerade für kleine Gemeinden, weil das dort noch besser funktioniert. In gemeinsamer


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Verantwortung getroffene Entscheidungen schaffen Akzeptanz, sie stärken die Demo­kratie und sie schaffen Identifikation mit dem Lebensraum, was wichtig ist, wenn wir Ab­wanderung verhindern wollen.

Und da schließt zum Schluss noch ein Aspekt an, den wir im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung keinesfalls vernachlässigen dürfen: Dazu gehören die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Eigenverantwortung. Es ist aber vor allem auch wichtig – wie in der Politik –, Räume und Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen, damit sich BürgerInnen ak­tiv in die Entscheidungsfindung einbringen können – natürlich auch sollen. Was ja schwerlich zu übersehen ist – das sollten wir, glaube ich, wirklich ernst nehmen –, ist, dass die repräsentative Demokratie schon länger in einer Vertrauenskrise steckt, was die letzten schweren Jahre der Krise, die alle unmittelbar betroffen hat, leider noch ver­stärkt haben. Ein taugliches Instrument, das zu verbessern, sind BürgerInnenräte.

Gerade in Vorarlberg können wir da auf gute Erfahrungen hinweisen, BürgerInnenräte sind bei uns sogar in der Verfassung verankert. Ich habe selber mehrere miterlebt und auch organisiert. Stets zeigen die Ergebnisse der BürgerInnenräte, dass ein hohes Wis­sen um die Problemlagen da ist, dass hochwertige Vorschläge gemacht werden. (Bun­desrat Steiner: Das ist euch bei der Impfpflicht aber wurscht!) Und besonders schön ist, es stand und steht stets das Gemeinwohl im Vordergrund – immer –, nie Einzelinter­essen, und das schon alleine deswegen, weil sie gut und nicht asymmetrisch zusam­mengesetzt sind. (Bundesrat Spanring: ... Solidarität!) Auf Bundesebene wird das ge­rade beim Thema Klimaschutz gemacht. Das halte ich für ganz wichtig, weil es um tiefe Veränderungen geht, und da ist es wichtig, hinzuhören.

Aus meiner Sicht – ich bin ja kein Kulturpessimist – gibt es auf jeden Fall viele Gründe, zuversichtlich zu sein, nach vorne zu schauen und die anstehenden Herausforderungen als Chancen zu verstehen. Das kann, finde ich, eine gemeinsame Verantwortung um­reißen, die für die Räume und ihre Menschen schöne Perspektiven aufmacht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.26


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


10.26.55

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Landeshauptmann, auch wir haben eine gemeinsame ÖH-Vergangenheit, zwar nicht zur gleichen Zeit wie Kollegin Steiner-Wieser und Sie, aber dafür in der gleichen Fraktion. Ich war gleichzeitig wie die Frau Präsidentin tätig, allerdings an einer anderen Uni.

Ich möchte auf das eingehen, was Sie gesagt haben – Föderalismus als Wettbewerb der Ideen –, zeigen, welche Gemeinsamkeiten es gibt, herausarbeiten, wo der Bund gefragt ist, einerseits Best‑Practice‑Beispiele, aber andererseits auch Defizite Vorarlbergs nen­nen, die aufzuzeigen uns NEOS wichtig sind, und hinweisen, wo wir uns mehr Engage­ment von Ihnen in Land und Bund erwarten würden.

Der erste Punkt, bei dem Vorarlberg und auch Wien sicher gut liegen, ist der Bereich der Pflege, bei dem Sie einen Schwerpunkt legen müssten. Ähnlich wie Wien versucht Vor­arlberg die Menschen, die pflegebedürftig sind, so lange und so gut wie möglich daheim zu betreuen. Wenn man sich verschiedene Kennzahlen ansieht, erkennt man, dass Vor­arlberg und Wien betreffend ambulante Dienste gemeinsam an der Spitze liegen. Das ist grundsätzlich der richtige Ansatz, denn Heimplätze kosten viel und entsprechen oft nicht den Bedürfnissen der Betroffenen, und deshalb ist für uns NEOS klar, dass eine Reform der Pflege genau diesen Grundsatz, den auch Vorarlberg hochhält – nämlich ambulant vor stationär –, weiterverfolgt.


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In Vorarlberg sollte es wie in Wien das Ziel sein, den Großteil der Pflege und Betreuung auch in Zukunft von professionellen Pflegekräften durchführen zu lassen, um die pfle­genden Angehörigen und die Familien zu entlasten. Schlussendlich muss das Angebot an ambulanten, mobilen Pflegediensten so ausgebaut sein, dass niemand darauf ange­wiesen ist, pflegende Angehörige anstellen zu müssen, nur weil kein ausreichendes und finanzierbares anderes Angebot vorhanden ist. (Bundesrat Hübner: Ja, aber wie bitte?!)

Ein weiterer Bereich, der für NEOS Vorarlberg ein großes Thema ist und bei dem der Bund beziehungsweise eine 15a-Vereinbarung viel weiterbringen könnte, ist das Thema Kinderbetreuung. In Vorarlberg wird gerade ein neues Kinderbildungs- und –betreuungs­gesetz verhandelt. Nach Ansicht der NEOS Vorarlberg ist das leider sehr mühsam und zieht sich schon viele Jahre, und das, was bisher am Tisch liegt, ist leider kein großer Wurf. Gerade was das Angebot angeht, könnte Vorarlberg sich sehr viel von Wien ab­schauen. Vorarlberg hat gerade im Kleinkinderbereich im Vergleich der Bundesländer mitunter die teuersten Einrichtungen. Zudem ist gerade im Bereich der Kleinkinder und später dann bei den Schülerinnen und Schülern die Verfügbarkeit von ganztägiger Be­treuung oft noch nicht gegeben.

Auch wenn in Vorarlberg so wie in Wien bereits viel in die Qualität und in bessere Grup­pengrößen, um ein höheres Niveau in Sachen Betreuungsschlüssel zu erreichen, in­vestiert wird, sind auch in Vorarlberg vor allem im Bereich der Ausbildung massive Investitionen notwendig, um Vorarlbergs Familien endlich ein flächendeckendes und vor allem leistbares Angebot machen zu können. Dafür braucht es eine ambitionierte 15a-Vereinbarung, wie wir NEOS schon länger fordern. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Ein wesentlicher Unterschied ist  und das muss für das geplante Gesetz in Vorarlberg auch endlich angegangen werden , dass Eltern bei der Verfügbarkeit und bei der Wahl der Kinderbetreuung noch immer an die Entscheidung der Bürgermeisterinnen und Bür­germeister gebunden sind. Die Eltern in Vorarlberg brauchen mehr Entscheidungsfrei­heit, nicht nur, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht  Stichwort passende Öffnungszeiten , sondern auch, was zum Beispiel die Form der Einrichtung oder die pädagogischen Konzepte angeht. In Vorarlberg sind Familien davon abhängig, ob sich zwei Bürgermeister einig werden, wenn eine Familie einen Platz in einer anderen Gemeinde in Anspruch nehmen will. Da muss man bei der Finanzierung ansetzen und eine neue Logik etablieren, nämlich: das Geld folgt dem Kind  so wie es in Wien an­satzweise schon gemacht wird. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Der letzte Punkt, bei dem Vorarlberg aus NEOS-Sicht quasi Themenführerschaft inne­hat, wie wir auch schon von Kollegen Gross gehört haben, ist die direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung. Möglicherweise durch die Nähe zur Schweiz hat Vorarlberg ein besonderes Verhältnis zur direkten Demokratie. Auch wir NEOS sehen gerade im Be­reich der Bürgerbeteiligung und der direktdemokratischen Elemente auf Gemeindeebe­ne einen wesentlichen Beitrag zu mehr demokratischer Qualität und zur Schaffung einer aktiven Bevölkerung.

In Vorarlberg brachte das Erkenntnis des VfGH zur Volksabstimmung in Ludesch leider einen beträchtlichen Dämpfer, weil das Recht der Gemeindebürgerinnen und -bürger, selbst verbindliche Volksabstimmungen zu initiieren, gegen das repräsentativdemokra­tische Prinzip der Bundesverfassung verstößt.

Der Nationalrat hat bereits beschlossen, dass jetzt ein Länderdialog zum Bedarf einer Weiterentwicklung der Bundesverfassung auf diesem Gebiet gestartet werden soll. Wer, wenn nicht Vorarlberg, könnte da eine führende Rolle einnehmen und diese Rolle viel­leicht auch koordinierend übernehmen. Gerade dieser Aspekt, der für Vorarlberg eine so große Rolle spielt, sollte auch für Ihren Vorsitz in diesem Halbjahr eine größere Rolle


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spielen  es enttäuscht mich ein bisschen, dass das noch nicht der Fall ist –, denn wenn Vorarlberg einen politischen Exportschlager innerhalb Österreichs haben könnte, wäre das wohl die Möglichkeit zur direkten Demokratie und zur Aufgeschlossenheit gegen­über der Bürgerbeteiligung.

Wir NEOS würden uns daher von der Landesregierung und von Ihnen wünschen, doch noch einen entsprechenden Schwerpunkt im Rahmen des Vorsitzes zu setzen und ko­ordinierend eine führende Rolle im geplanten Länderdialog zu übernehmen.  Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.33


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Landes­hauptmann Mag. Markus Wallner. Ich erteile ihm das Wort.


10.33.18

Landeshauptmann von Vorarlberg Mag. Markus Wallner: Geschätztes Präsidium! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich noch von meiner Seite zwei, drei Rückmeldungen auf das Geäußerte geben, weil ja auch viele Denkanstöße dabei waren.

Kollege David Egger hat das Thema Wohnen zumindest angetönt. Ich glaube, man könnte eine ganze Debatte damit verbringen, darüber zu sprechen, was zu tun ist, und auch über die Rolle der Länder dabei. Wir müssen darauf achten, dass uns die Wohn­bauförderung bleibt  das ist auch ein Bundesthema. Ich sage das auch so offen, weil es immer wieder einmal kam – in dem Fall vonseiten der Wirtschaft –, den Wohnbauför­derungsbeitrag abzuschaffen. Wir haben ihn jetzt verländert, das heißt, obwohl der Bund den Rahmen dazu vorgibt, ist das ein wesentliches Instrument für uns – ohne Wohnbau­förderung kein leistbares Wohnen in Vorarlberg!

Im Übrigen sind wir ein Bundesland, das die Darlehen nicht verkauft hat. Wir haben aus­haftende Darlehen in Höhe von ungefähr 1,4 Milliarden Euro in einer konsequenten Re­finanzierung der Wohnbauförderung  ein sehr gutes System, weil ungefähr 100 Mil­lionen Euro pro Jahr in das Budget zurückfließen und wieder in den Wohnbau investiert werden können. Ohne diese Mittel, ohne diese Initiative, ohne diesen Beitrag, wäre es, glaube ich, noch schwieriger.

In unserer Region ist das eine Riesenherausforderung. Grundstückspreise explodieren – wir sind eine attraktive Region – aufgrund großen Zuzugs, vor allem auch aus Deutsch­land, es gibt die Nähe zur Schweiz  ich muss Ihnen das nicht beschreiben. Da haben Sie natürlich ein für die Jugend, für die Familien wichtiges Thema angesprochen. Woh­nen ist ein zentrales Grundbedürfnis, die Leistbarkeit ist ein Riesenthema geworden.

Wohnbauförderung, Wohnbeihilfe, Grundstückssicherung; den „Ausverkauf“ haben Sie genannt: Das sind schon wichtige Fragen. Ich weiß auch, dass in Salzburg einiges in diese Richtung gemacht wird. Wir schauen uns das sehr genau an, stehen in einem Austausch, weil natürlich die Frage, was sich bei uns weiter am Grundstücksmarkt ent­wickelt, ungemein wichtig ist, da die Preise so nach oben gehen.

Persönlich bin ich der Meinung, dass man vor allem über Grundverkehrsgesetzgebung und Raumplanungsinstrumente arbeiten muss und dass wir insbesondere mit befristeten Widmungen arbeiten müssen. Es kann heute bei der Rendite, die man erzielen kann, jeder verstehen, dass an sich das Beste, was Sie tun können, wenn Sie ein paar Euro zu viel haben, ist, sich ein Grundstück zu kaufen. Da erzielen sie relativ locker eine Rendite von 4,5 Prozent. Es gibt kein anderes Produkt im Moment, mit dem Sie das so erreichen können, außer sie sind spekulativ unterwegs. Das heißt, viele weichen auf diese Möglichkeiten aus, und das führt natürlich insgesamt zu großem Druck.

Das Horten von Grundstücken ist in unserer Region ein Thema, und das ist insbeson­dere dort, wenn man eben ein kleineres Bundesland ist, auch ein gebirgiges Bundesland


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mit insgesamt wenig verfügbarer Fläche, ein großes Thema. Auf jedem Quadratmeter Grund und Boden herrscht ein großer Nutzungsdruck, nicht nur vonseiten des Wohn­baus – von Familien, die leistbares Wohnen wollen –, sondern auch vonseiten der Wirt­schaft, des Naturschutzes, der natürlich auch Dinge erhalten möchte, vonseiten des Tou­rismus, der Freizeitnutzung und, und, und. Jeder Quadratmeter Grund und Boden in unserem Bundesland ist nicht nur vom Inland, sondern auch vom Ausland aus betrachtet höchst interessant, und Sie können sich vorstellen, dass das eine der größten Heraus­forderungen der Landespolitik schlechthin ist.

Zur Pflege ein paar Sätze, weil sie jetzt so in den Mittelpunkt gerückt ist: Ich bin eigentlich dankbar dafür, dass man die Pflegedebatte führt. Führen Sie sie weiter, und zwar in­tensiver, wir werden Gelegenheit dazu haben! Dass Sie pflegende Angehörige so in den Mittelpunkt stellen – dazu gibt es jetzt viele Diskussionen –, ist absolut richtig.

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich zumindest skeptisch gegenüber diesen An­stellungsverhältnissen innerhalb der Familie bin, auch aus eigener Erfahrung heraus. Wenn die Pflege zu Hause funktionieren soll, ist es für mich immer eine Grundfrage, ob wir mit dem Angestelltengesetz und mit allem, was dahintersteht, dort, in der Familie, überhaupt etwas bewerkstelligen können. Die Pflege zu Hause ist etwas, was in der Familie geleistet wird und bei dem man mit diesem sozusagen Regime eines Ange­stelltengesetzes seine Schwierigkeiten haben wird.

Was da im Burgenland passiert, ist insgesamt sicher eine gute Initiative. Wir beobachten das auch ganz genau, und dort ist auch nicht das abschließende Wort in dem Zusam­menhang gesprochen, ich möchte Ihnen aber folgenden Gedanken mit auf den Weg geben: Schauen Sie in Ihre eigenen Familien, wie Sie dort mit einem Angestelltengesetz die Pflege in der Familie organisieren würden: mit Urlaubszeiten, Arbeitszeiten, Über­stunden, Wochenenden, Nachtzuschlägen und mit was weiß ich was allem, also dem ganz normalen Angestelltenverhältnis! Innerhalb einer Familie ist es nicht einfach, das gut hinzubringen. Ich bin aber dankbar, wenn man so offen darüber redet.

Was die pflegenden Angehörigen brauchen, ist jede Form der Unterstützung. Achten Sie mit uns gemeinsam auf das Pflegegeld, schon in diesem Zusammenhang! Wissen Sie, wo das Pflegegeld erfunden wurde? In Vorarlberg. Der damalige Abgeordnete zum Nationalrat Feurstein, ehemaliger Sozialsprecher der Volkspartei  eigentlich legendär, weil sehr wissend (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann); Sie werden ihn vielleicht noch kennen, weil Sie so lachen, er war jedenfalls einer derer, die spontan wussten, was in jedem Paragrafen steht, war sehr genau, aber auch sehr wissend und sehr visionär ‑, hat damals Pflegegeld für die zu Pflegenden gefordert  nicht für die Angehörigen, für die zu Pflegenden! , um ein Höchstmaß an eigener Beweglichkeit zu fördern, um ein Höchstmaß an eigener Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Unsere Idee und meine Idee der Pflege war nie, Leute in eine Abhängigkeit zu führen, sondern sie möglichst lange selbstständig entscheiden zu lassen. Das Pflegegeld steht den zu Pflegenden und nicht den Angehörigen zu, um das einmal klar zu sagen. Wir wollen, dass Leute möglichst lange selbstständig bleiben! Es ist eine Frage, mit welchem Selbstbild, mit welchem Bild von Menschenwürde Sie durch das Leben gehen. Nach meinem Selbstbild ist das klar: Ich hätte gerne, dass zu Pflegende möglichst lange selbst über ihr Leben entscheiden können, möglichst lange zu Hause bleiben können und dort jede Form der Unterstützung kriegen, die sie brauchen.

Die Angehörigen brauchen Entlastungsangebote jeglicher Art: Kurzurlaube, vielleicht auch ein pflegefreier Tag – auch solche Dinge kann man überlegen. Das wird im Moment alles diskutiert. Auch etwas in Sachen eines Pflege-daheim-Bonus für Angehörige zu tun, wäre absolut richtig.

Ich bin in diesem Bereich sehr offen, wir sollten aber eben richtig gewichten. Wenn 80 Prozent der Pflege in unserem Bundesland zu Hause erfolgen, dann ist das zu sehen.


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Wir wollen den Anteil nicht verschieben, sondern eigentlich halten oder sogar ausbauen können. Es ist also gut, das im Blickfeld zu halten.

Ein Wort noch zu Kollegin Marlies Steiner-Wieser: Wir kennen uns schon sehr lange, das stimmt, schon aus Hochschülerschaftszeiten. Wer sie näher kennt, weiß, dass das heute geradezu eine Charmeoffensive an Freundlichkeit war. (Allgemeine Heiterkeit.) Sie kann auch anders, das weiß ich. Sie dürfen also nicht überrascht sein: Ich habe das als wohltuende freundliche Worte empfunden, nämlich gegenüber dem, was ich sonst schon erlebt habe. (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall. Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Das kommt heute schon noch schärfer!)

Falls also manche Medienvertreter meinen, sie haben mich heute kritisiert: Ich habe das fast als Lob empfunden. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich möchte aber einen Punkt herausgreifen, bei dem wir eigentlich durchaus beide etwas sehen, was für das Bundesland wichtig ist: Ich teile einen gewissen Groll und einen ge­wissen Ärger über diese S-18-Debatte, das muss ich sagen – und bei dem Thema bin ich farbenblind –, weil wir seit Jahren und Jahrzehnten einfordern, dass diese Autobahn­verbindung zwischen der Schweiz und Österreich – schauen Sie vielleicht einmal von oben auf das Land hinunter, da sieht man es dann ganz gut! – hergestellt wird, und ich verlange in dem Zusammenhang auch von der zuständigen Ressortministerin Gewess­ler nichts anderes, als dass das Bundesstraßengesetz umgesetzt wird. Es gibt einen gesetzlichen Auftrag, diese Autobahnverbindung herzustellen, und ich gehe bei einer Ministerin davon aus, dass sie das einhält und nichts anderes tut. Mehr verlange ich in dem Zusammenhang nicht. (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Zu Kollegen Arlamovsky noch einen Satz; wir waren offenbar in der gleichen Fraktion, das habe ich gar nicht gewusst. Wo sitzt er? – Da hinten. Heute ist er bei den NEOS gelandet – schade! (Heiterkeit bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen.) Wir müssen einmal darüber reden, was da passiert ist.

Um jedenfalls noch auf zwei, drei Dinge einzugehen: Die NEOS in Vorarlberg haben Sie nur einseitig informiert. Wenn Sie die Kinderbetreuungsangebote im Land, auch bei uns, anschauen – ich habe jetzt nicht den Gesamtüberblick in Österreich, aber bei uns –, werden Sie sehen, die Ausgaben dafür haben sich in den letzten zehn Jahren verzehn­facht, vor allem auf der Gemeindeseite und der Länderseite. Das heißt, wir investieren massiv im Bereich der Kinderbetreuung, wir bauen das aus für alle Bereiche. Wir sind bei den Vier- und Fünfjährigen bei 100 Prozent Betreuungsquote, bei den Dreijährigen nahezu bei 100 Prozent, bei den unter Dreijährigen tiefer.

Das heißt, die Initiative, die meiner Meinung nach jetzt gemacht werden musste, ist, ge­meinsam mit dem Bund – der Herr Bundeskanzler, der soeben gleichfalls eingetroffen ist, hat sich als Gesprächspartner in dem Zusammenhang schon in Stellung gebracht – auch die 15a-Vereinbarung betreffend Elementarpädagogik, die wir angesprochen haben, vor gut zwei Wochen auf den Weg zu bringen. Das heißt, da gibt es ein gemein­sames Interesse zwischen Bund und Ländern, auch zwischen uns beiden, eine Ver­einbarung zustande zu bringen, die mehr Mittel in den Bereich pumpt, die aber auch einen Ausbau im Bereich der unter Dreijährigen sicherstellen kann.

Eines muss aber auch klar sein, weil Sie da die Bürgermeister etwas eigenartig hinstel­len: Ein Bürgermeister hat schon die Verantwortung, vor Ort zu schauen, wie er das Angebot ausbaut, aber er muss auch bedarfsorientiert vorgehen. Das muss man ihm schon überlassen können. Eine Gemeindevertretung hat auch die Funktion, bedarfs­orientiert vorzugehen, ein Angebot auch leistbar zu halten. Und ich sage es auch ganz offen: Diesen deutschen Weg, den man dort eingeschlagen hat, nämlich einen Rechts­anspruch zu formulieren, der dazu führt, dass sich Eltern und Gemeinden vor Gericht wiederfinden, halte ich persönlich für falsch.


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Das Angebot muss ausgebaut werden, muss bedarfsorientiert sein, muss leistbar sein, mit besseren Öffnungszeiten. Regionenübergreifend oder gemeindeübergreifend ist für mich eigentlich auch klar. Wenn es kein Angebot in der Gemeinde A gibt und die Ge­meinde B 10 Minuten entfernt liegt, dann sollte das natürlich dort auch wahrgenommen werden können – übrigens auch am Arbeitsplatz, also dort, wo jemand arbeitet. Eine gewisse Flexibilisierung und eine gewisse Flexibilität sind in dem Bereich notwendig, aber ansonsten sage ich natürlich: Vielen Dank, dass Sie das Thema mitaufgreifen und mithelfen wollen, dass wir diese Vereinbarung auch über Ihre Fraktion in Bund und Land auf den Weg bringen. Es ist ein gemeinsames Interesse von Bund und Ländern, die Elementarpädagogik bedarfsorientiert, aber gut, mit mehr Mitteln, weiter auszubauen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute noch eine gute Debatte. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

10.43


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Landeshauptmann.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

10.44.01Aktuelle Stunde


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Sofortmaßnahmen gegen die Teuerung“

mit Herrn Bundeskanzler Karl Nehammer, den ich herzlich bei uns im Plenum willkom­men heiße. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiede­rum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktionszugehörigkeit mit jeweils einer Redezeit von 5 Minuten. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers erfol­gen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Prä­sidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.


10.45.21

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, schön, dass Sie noch ein wenig bei uns bleiben! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren – speziell die Vorarlberger Familienmitglieder unserer neuen Präsidentin begrüße ich ganz herzlich – und alle Damen und Herren, die uns via Livestream und im ORF zuschauen! Ich kann Ihnen zu Beginn meiner Rede einen kurzen Erfahrungsbericht von meinem sozialen Engagement in der Frauenhilfe Salzburg bringen: Wir hatten rund um Weihnachten eine große Nachfrage an Second-Hand-Klei­dung – nicht nur für Kinder, sondern gerade für unsere Frauen, die wir dort betreuen. Aber nicht nur die zu betreuenden Frauen kamen vorbei, sondern auch viele, viele an­dere, die wussten, dass sie bei uns etwas bekommen. – Unsere SozialarbeiterInnen ha­ben gesagt, die Nachfrage nach Betreuung und Unterstützung war noch nie so groß wie in diesen letzten Monaten, speziell um Weihnachten. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)


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Wir sehen also, dass einfach der Bedarf wirklich gegeben ist, dass die Teuerung ange­kommen ist. Gestern ist auch im ORF eine Studie der Volkshilfe veröffentlicht worden, die diesen Effekt bestätigt – leider, muss man sagen.

Natürlich spüren auch wir alle die Teuerung, sei es beim Tanken, beim Heizen, im Gast­haus, beim Einkaufen. In Europa erleben wir derzeit die höchsten Preissteigerungen seit vielen Jahren. Österreich liegt zwar aktuell unter dem europäischen Durchschnitt und der Inflationsrate der USA, aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, das ist nur ein schwacher Trost: Die finanziellen Herausforderungen sind existent, und wir müssen auf unsere Bevölkerung hier in Österreich schauen. (Bun­desrat Spanring: Das merkt man!)

Auch der Salzburger Landtag hat sich gestern in der Aktuellen Stunde mit diesem Thema beschäftigt. Bei uns im Land gibt es ja dankenswerterweise den Heizkostenzuschuss, es gibt die Landeshilfe, die einen Zuschuss gewährt, und es wurde in den vergangenen Jahren wirklich sehr viel getan, um auch dem Problem der steigenden Mietpreise entge­genzuwirken. Kollege Egger, da bin ich nicht deiner Meinung – du hast vorhin gesagt, dass zu wenig getan wird –, denn es ist eines unserer wichtigsten Anliegen in Salzburg – und da sind wir einer Meinung –, den jungen Salzburgerinnen und Salzburgern das Woh­nen im eigenen Zuhause zu ermöglichen und daher zu schauen, dass sie sich den Traum vom Wohnungseigentum auch leisten können. Diesbezüglich gibt es wirklich sehr, sehr viele Bestrebungen im Land.

Neben dem Kampf gegen illegale touristische Vermietungen auf Airbnb und Co und ei­nem faktischen Verbot von künftigen Neuausweisungen von Zweitwohnsitzen hat es eine umfangreiche Novelle des Salzburger Baurechts gegeben sowie die Aufstockung des Wohnbauförderungsgesetzes um zusätzliche 30 Millionen Euro. Das konnte also schon in die Wege geleitet werden, und kürzlich ist auch ein Gesetzentwurf betreffend eine kommunale Leerstands- und Zweitwohnsitzabgabe in Begutachtung geschickt wor­den.

Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich hat darüber hinaus die österreichische Bun­desregierung das Problem erkannt und rasch gehandelt (Heiterkeit der Bundesräte Of­ner und Spanring), und zwar mit dem Unterstützungspaket in Höhe von 1,7 Milliar­den Euro, um die Preissteigerung abzufedern. Das Unterstützungspaket umfasst diesen
150-Euro-Energiekostenausgleich für jeden Haushalt mit einem Einkommen bis zur ein­fachen beziehungsweise zweifachen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage. Das sind unge­fähr 600 Millionen Euro, die wirklich dazu beitragen, Kaufkraft zu binden und die Bevöl­kerung zu entlasten.

Weiters umfasst es 300 Euro Teuerungsausgleich für besonders vulnerable Gruppen; zusätzlich wird es eben zu dieser bereits beschlossenen Einmalzahlung von 150 Euro eine weitere Zahlung in Höhe von 150 Euro für Menschen geben, die arbeitslos oder Mindestsicherungs-, Ausgleichszulagen-, Studienbeihilfebezieher oder Mobilitätsstipen­diaten sind.

Dieses gesamte Entlastungsvolumen beträgt 100 Millionen Euro, und konkret werden damit 750 000 Menschen entlastet. Das ist ja wirklich etwas. (Zwischenruf des Bundes­rates Kovacs.)

Weiters werden die Ökostrompauschale und der Ökostromförderungsbeitrag für 2022 ausgesetzt. Das bringt noch einmal 100 Euro für jeden Haushalt und führt zu einer Ent­lastung von insgesamt rund 900 Millionen Euro. Also wir sehen: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Und mit diesen Maßnahmen hat unsere Bundesregierung ein ausgewogenes und treffsicheres Entlastungspaket geschnürt, damit die von der Teuerungsrate betrof­fene Bevölkerungsschicht wirklich etwas bekommt. Alle, die es brauchen, profitieren da­von. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Natürlich sind die Seniorinnen und Senioren von dieser Teuerung auch betroffen. Unsere Seniorenbundpräsidentin Ingrid Korosec hat sich ja aktuell sehr bemüht, auch weitere Entlastungen für die Seniorinnen und Senioren auszuverhandeln. Da gab es, Herr Bun­deskanzler, letzte Woche eine Verhandlungsrunde; ich weiß, Herr Bundeskanzler, dass Sie ein offenes Ohr für die berechtigten Anliegen der Seniorinnen und Senioren haben.

Dann beschließen wir heute auch noch das Gemeindepaket mit zusätzlich 1,9 Milliarden Euro für die Kommunen, auch das entlastet natürlich massiv. (Zwischenruf der Bundes­rätin Schartel.)

Mit dem heutigen Beschluss der ökosozialen Steuerreform setzen wir weitere Meilen­steine zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. So wird ab 1. Juli 2022 die zweite Einkommensteuerstufe von 35 auf 30 Prozent gesenkt. Das betrifft natürlich auch wieder die Seniorinnen und Senioren, denn gerade die ältere Generation kann über die Er­höhung des Sozialversicherungsbonus, also die Negativsteuer, sowie des Pensionisten­absetzbetrages profitieren. Dies wurde ja ursprünglich erst für Juni geplant, aber es wird vorgezogen. Das bedeutet wirklich eine Entlastung der Seniorinnen und Senioren.

Natürlich ist der Familienbonus zu erwähnen, dessen Aufstockung von 1 500 auf 2 000 Euro pro Kind und Jahr wir beschließen werden. Die Damen und Herren, die wenig verdienen, kriegen statt 250 nun 400 Euro. Dieser Kindermehrbetrag wird angehoben. Das bedeu­tet, davon sind ungefähr 1,7 Millionen Kinder betroffen, deren Eltern damit wieder eine deutliche Entlastung bekommen.

Erwähnen möchte ich auch noch die Inflationsanpassung des Pflegegeldes; auch ein wichtiger Schritt, den wir seit 2020 immer wieder durchführen.

Wegen der Covid-19-Pandemie wurde die gesetzliche Mietzinserhöhung im letzten Jahr ausgesetzt. Sie wäre ja sonst mit 1. April 2021 in Kraft getreten und tritt erst ein Jahr später, also mit 1. April 2022, in Kraft.

Daher, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Diese Bundesregierung hat zusammen mit den Landesregierungen viel getan, um die Teue­rung abzufedern, um den betroffenen MitbürgerInnen wirklich eine Entlastung zukom­men zu lassen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Steiner-Wieser bewegt eine Hand mit erhobenem Zeigefinger hin und her.)

Abschließend noch ein paar persönliche Bemerkungen zur gegenwärtigen Situation: Die Bekämpfung des Virus hält uns seit Monaten in Atem. Wir werden aber, davon bin ich fest überzeugt, unsere ganze Kraft dafür brauchen, andere Themen, wie der Herr Lan­deshauptmann sie schon erwähnt hat, die Pflege, aber auch die Vereinsamung, die Iso­lation unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger (Bundesrätin Schartel: Wer hat es denn verursacht? – Bundesrat Pröller: Wer macht es denn? – Bundesrat Hübner: Die Fol­gen ... bekämpfen!), aktiv anzugehen.

In Salzburg haben wir bereits das Projekt Plattform Pflege II auf den Weg gebracht. Wir kümmern uns aktiv um diese Anliegen. So bitte ich auch Sie, sich mit ganzer Kraft dieser Herausforderung zu stellen, denn wir Österreicherinnen und Österreicher sind ein Volk mit großem Herz, mit großer Solidarität, mit großer Hilfsbereitschaft. Davon bin ich fest überzeugt. Lassen wir uns bitte nicht auseinanderdividieren! (Bundesrat Ofner: Ja! Das sagen die Richtigen!) Gehen wir die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam an! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Gehen wir aufeinander zu, hören wir zu! Reden wir bitte miteinander wertschätzend und auf Augenhöhe! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Rufe bei der FPÖ: Ja, genau!)

10.54


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.



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10.55.04

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Werter Herr Landeshauptmann! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Teuerung bereitet den Menschen riesige Sorgen. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Familien Angst vor der Heizkostenabrechnung, vor der Stromrechnung, die sie treffen wird, haben, wie viele Alleinerzieherinnen sich davor fürchten, was in diesen Rechnun­gen stehen wird. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen auch schon das Schreiben der Heiz­kostenanbieter bekommen haben, man möge bitte jetzt für die nächste Zeit noch 20 Pro­zent mehr zu den normalen Zahlungen dazuzahlen, damit es dann nicht zu einem Schock bei der Abrechnung kommt. – 20 Prozent mehr! Das bedeutet für das Einkom­men von Familien eine unglaubliche Belastung.

Das ist ja nicht der einzige Belastungspunkt, vor dem wir stehen, sondern es gibt viele weitere mehr. Die Teuerung greift um sich. Wir hatten im Dezember eine Inflationsrate von 4,3 Prozent und wir haben im Jänner eine Inflationsrate von 5,1 Prozent. (In Rich­tung Bundeskanzler Nehammer, der mit Landeshauptmann Wallner spricht:) Ich habe es nicht schriftlich, sonst würde ich es dann hergeben, aber ich würde jetzt gerne meine Rede halten. Danke vielmals. – Es gibt eine Erhöhung der Treibstoffkosten um 32,9 Pro­zent; das bedeutet für die Pendlerinnen und Pendler eine unglaubliche Belastung. Es gibt eine Erhöhung der Mietkosten um 44 Prozent. Der Gemüsepreis ist um 5,8 Prozent gestiegen, das betrifft die Lebensmittel. Also die Belastungen sind unglaublich hoch. Besonders für jene, die ohnehin schon wenig im Geldbörsel haben, sind die Belastungen noch einmal höher. Alle Sozialleistungen, sei es Sozialhilfe, sei es Kinderbetreuungs­geld, was auch immer, werden von der Inflation einfach weggefressen.

Jetzt ist es gut, einen Bonus auszuzahlen, keine Frage. – (In Richtung Bundeskanzler Nehammer, der nach wie vor mit Landeshauptmann Wallner spricht:) Gut, ich kann mei­ne Rede jetzt in den Saal hinein halten, aber macht nichts. (Bundesrat Hübner: Es ist ja für uns und nicht für den Bundeskanzler! – Bundeskanzler Nehammer: Ich höre Ihnen voll zu!) Es ist schade, ich würde so gerne dem Herrn Bundeskanzler erzählen, was uns wichtig ist, und ich habe irgendwie das Gefühl, es wird nicht zugehört. Tut mir leid. (Beifall bei der SPÖ.)

Gut, das ist ein erster Schritt, aber von einer Sofortmaßnahme kann doch keine Rede sein. Es ist von uns schon seit Oktober gesagt worden: Bitte, die Menschen leiden unter der Teuerung, das wird immer mehr werden! Aber die Ohren wurden zugeklappt. Jetzt zu sagen, weil jetzt eine Aktion gesetzt wird, das sei eine Sofortmaßnahme – nein, das ist wirklich nicht die Wahrheit. Ausgezahlt wird dieser Bonus erst im April. Bis dahin können sich die Leute mit der Teuerung durchgfretten. Das kann es ja wohl nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht eine wirkliche Armutsabsicherung, eine dauerhafte, keine Bonuszahlung, sondern etwas, worauf sich die Menschen verlassen können. Wir brauchen eine befris­tete Senkung der Umsatzsteuer auf Gas und Strom für alle Haushalte, einen Abschal­testopp bei den Energieanbietern bei nicht beglichenen Rechnungen, dazu auch noch Ratenvereinbarungen, und es braucht endlich einen Regierungsauftrag an das Wifo, dass wirtschaftswissenschaftlich festgestellt wird, wie die Teuerung jetzt auf die Men­schen wirkt. Das ist ein riesiges Problem, das kann man nicht mit: Wir machen jetzt einmal etwas!, abtun. Auf keinen Fall!

Dazu kommt noch die kalte Progression. Den Leuten bleibt einfach weniger Geld. Es gibt keine Zinsen auf den Sparbüchern. All das kommt zusammen. Das ist eine ganz, ganz große Problematik, auch für die Frage der Kaufkraft.

Diese Teuerung trifft auch die Frauen. Jede zweite Frau in Österreich arbeitet Teilzeit und hat dadurch auch ein Teilzeiteinkommen. Die Teuerung ist auch für die Frauen ein


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riesiges Problem, wie sie es auch für die Pensionistinnen und Pensionisten ist, na keine Frage, aber für die Frauen sehr wohl auch.

Ich muss schon sagen, betreffend diese ökosoziale Steuerreform, die Sie so unglaublich anpreisen, gibt es die Bestätigung des Budgetdienstes des Parlaments, dass diese Steu­erreform zu 69 Prozent positiv für Männer wirkt, zu 31 Prozent für Frauen. Auch das ist eine Tatsache. Das ist kein Ruhmesblatt für diese Regierung, besonders nicht für eine Regierung mit grüner Beteiligung. Ich darf schon daran erinnern, dass Genderbudgeting bei uns in der Verfassung steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sehen die Entwicklung, dass während der Coronapandemie – jetzt auch noch einmal durch die Studie der Oesterreichischen Nationalbank untermauert – die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer werden. Einem Prozent in Österreich gehört ein Anteil von 30 bis 50 Prozent am Vermögen in diesem Land.

Das ist nicht gerecht. Da braucht es einen Ausgleich. Das ist eine Frage der Gerech­tigkeit. Wie aber geht man damit um? – Dass Reiche reicher werden und Arme ärmer. Das kann nicht unser Wunsch sein! Das kann nicht unser Ziel sein. Da muss man ein­greifen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Wir sehen aber schon: Die ÖVP tut sich da sehr leicht. Sie hat einen Auftrag. Wir konnten ja in den Chats deutlich mitverfolgen, für wen sie sich in ihrer politischen Richtung ein­setzt, nämlich für die Reichen. Wir sehen das: Es gibt eine Senkung der KöSt. Das hilft nicht den kleinen Unternehmen, denn nur 1,5 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe pro­fitieren von der KöSt-Senkung. Das hilft nur den großen Unternehmen.

Mitten in der Pandemie sagt der Finanzminister zudem: Jetzt wäre es auch an der Zeit, die Steuer auf Aktien zu senken oder ganz abzuschaffen. – Ist das, bitte, die Form, wie man mit der Frage der Gerechtigkeit umgeht? Das kann es doch nicht sein! Wir sehen: Das ist eine Politik für die Reichen. Diejenigen, die es wirklich brauchen, werden hinge­gen außer Acht gelassen und bekommen ihren Ausgleich irgendwann, vielleicht im April, wenn überhaupt. – Das kann nicht der Weg sein, wie wir Sozialdemokratinnen und So­zialdemokraten eine gerechte Politik sehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun auch zur Pandemiebekämpfung: Dass wir heute hier das Impfpflichtgesetz beschlie­ßen müssen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Na, müssen tun wir nicht! – Bundesrat Span­ring: Eine billige Ausrede!), ist auf eine lange Verkettung der Nichthandlungsfähigkeit dieser Regierung zurückzuführen. Es wurde ein Sommer verschlafen. Es wurde im zwei­ten Sommer die Pandemie für beendet erklärt. Es wurden keine Maßnahmen gesetzt, die wirklich eine Motivation bringen würden.

Wir wissen, wie gut positive Anreize sind und wie sie Menschen auch motivieren, sich impfen zu lassen. Wir haben das doch im Burgenland gesehen. Das ist super gelaufen. Das hat wunderbar funktioniert. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben das immer wieder gesagt, aber es ist bis heute nichts passiert! Es hat auch keine wirkliche Kampagne zur Aufklärung gegeben, und all das lässt jenen, die der Sa­che unsicher und negativ gegenüberstehen, sehr viel Raum. – Diese Handlungsweise ist ganz, ganz falsch!

Grundlegend sei gesagt: Wir brauchen Anreize, wir brauchen Information, und wir müs­sen die Menschen mitnehmen. Wir wollen, dass jeder und jede Einzelne wichtig ist, gar keine Frage. Trotzdem – und das ist mein Bekenntnis und das Bekenntnis der Sozialde­mokratie – sind wir alle nur ein Teil in einem Ganzen. Wir wollen, dass man sich selbst schützt, keine Frage, wir wollen aber auch, dass die anderen geschützt werden. Daher stimmen wir nach all diesen Entwicklungen – einer Politik des Nichthandelns, des Durch-die-Pandemie-Fahrens wie durch einen Nebel, ohne jemals genau zu wissen, welche Maßnahmen man jeweils setzen soll – dem Impfpflichtgesetz zu.


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Dazu ist aber auch zu sagen: Vieles, was jetzt passiert, ist für die Menschen nicht mehr verständlich. Viele Maßnahmen passen nicht zusammen. Es gibt extrem hohe Anste­ckungszahlen, gleichzeitig geht es darum, 3G wieder aufzumachen. Na freilich: Wir sind für jede Lockerung! (Bundesrat Hübner: Sie sind für jede Lockerung? ... Verschärfung!) Wer will denn Maßnahmen, die beschränken und die den Menschen das Leben schwieri­ger machen? Die Maßnahmen müssen aber verständlich sein und zusammenpassen, und das ist durch diese Regierung nicht gewährleistet, das muss man schon ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Unglaubwürdig!)

Noch ein Punkt: Ich habe es heute sehr interessant gefunden, als Kollegin Eder gesagt hat, dass es wirklich fast zu einem Koalitionsbruch gekommen ist, weil man das Boden­seeschiff nicht „Vorarlberg“ genannt hat. – Heute ist man da ja in der Koalition wesentlich gütiger. Da macht es nichts, wenn Chats auftauchen, die einem wirklich die Schuhe aus­ziehen, da macht es gar nichts, wenn Postenschacher betrieben wird, und da macht es gar nichts, wenn es Sideletter gibt, bei denen man überlegt, ob denn die Basis der Grü­nen wirklich entsprechend informiert wird. – All das ist völlig egal! Früher ging es um die Benamsung eines Schiffes, heute ist man sehr viel duldsamer. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns gilt es jetzt, nach vorne zu schauen. Für uns gilt es, zu sagen – wie auch der Landeshauptmann heute sehr richtig angesprochen hat –: Es gibt Punkte, die wesentlich sind, und zwar: Wie geht es mit der Pflegereform weiter? – Diese ist dringend notwendig, und sie steht aus.

Jetzt ist zu handeln. Jetzt ist zu handeln, und zwar bei den Ausbildungen der Beschäf­tigten und bei den Arbeitsbedingungen. Wir brauchen im Kampf gegen Corona neue Formen, mit welchen die Menschen mitgenommen werden und ihnen verständlich ge­macht wird, wie hier gehandelt wird. (Bundesrat Hübner: In Oberösterreich, ja, genau!) Und wir brauchen eine neue kooperative und solidarische Wirtschaftspolitik.

Wir befinden uns in einer der größten Wandelsituationen, die Österreich je hatte, und wir ignorieren das. Wir brauchen eine entsprechende Industriepolitik. Wir brauchen eine Standortpolitik, um auch die Unternehmen in diesen Wandlungsprozessen mitzuneh­men. Diesbezüglich ist der Staat gefordert. Da braucht es zweifellos einen starken Staat. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Das ist ganz dringend notwendig. Auch die Frage des Fachkräftemangels ist anzusprechen. (Bundesrat Hübner: Durch die Akademisie­rung vielleicht?) Es muss ausgebildet werden. Es muss die Lehre attraktiviert werden, auf jeden Fall - -


Vizepräsident Günther Novak: Frau Bundesrätin! Bitte kommen Sie zum Ende.


Bundesrätin Korinna Schumann (fortsetzend): Ein Punkt noch: Ich freue mich sehr, dass das jetzt anscheinend ein allgemeiner Wunsch ist, ein Wunsch, den wir schon längst hegen: Es braucht den Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz für jedes Kind, und zwar leistbar und mit Vollzeitarbeit vereinbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist notwendig. Wenn wir wollen, dass Frauen sich mehr in den Arbeitsprozess ein­bringen, wenn wir wollen, dass die Kinder eine gute Bildung bekommen, dann braucht es den Ausbau der Kinderbetreuungsmaßnahmen. – Nicht schwafeln, nicht schwurbeln: Jetzt gilt es, zu handeln! (Beifall bei der SPÖ.)

11.06


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr dieses.


11.06.22

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Werte Kollegen! Wie meine Vorredner heute schon bekannt gegeben haben,


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ist es zurzeit in Österreich zu einer der höchsten Preissteigerungen seit 30 Jahren ge­kommen.

Wie gesagt: Die Inflationsrate im Jänner wird 5,1 Prozent betragen. Die Statistik Austria sieht eine wesentliche Verringerung und eine diesbezügliche Erholung unter Umständen erst ab April beziehungsweise Mai. Für viele Österreicher wird die Bestreitung des tägli­chen Lebens eigentlich zum Existenzkampf, und vor allem die hohen Energiekosten stel­len die Menschen vor schwerwiegende Entscheidungen.

Man hat im „Report“ am 1.2. einen Beitrag gesehen, in dem man sich genau dieser The­matik gewidmet hat. Es ging darum, dass es sehr einschneidend ist, wenn ein Mensch sich entscheiden muss: Kaufe ich mir Heizmaterial, oder kaufe ich mir Lebensmittel? – Es ist eine Schande, dass sich in Österreich Menschen entscheiden müssen zwischen: Tue ich frieren, oder tue ich hungern?! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie als Bundeskanzler haben dann mit der Regierung reagiert und haben gesagt: Ja, wir werden ein sogenanntes Entlastungspaket schnüren, und wir werden den Menschen hel­fen. – Das spricht Sie und Ihre Regierung aber nicht davon frei, dass Sie eine wesentli­che Mitverantwortung an dieser Teuerungsexplosion tragen! Wenn Sie, Frau Schumann, sich jetzt hierherstellen, ein Plädoyer halten und die Regierung eigentlich für die Teue­rung kritisieren, dann frage ich: Wer hat denn sämtlichen Covid-Maßnahmen ohne Wenn und Aber zugestimmt? (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wer hat zugestimmt, sodass überhaupt auch solche Teuerungen zustande gekommen sind? Das sage nicht nur ich als Bundesrätin, sondern es hat auch der Ökonom der Wirtschaftsuni Wien Harald Oberhofer in seinen Recherchen herausgefunden, dass sehr wohl die Pandemie und die damit verbundenen Covid-Maßnahmen einen wesentlichen Beitrag – einen wesentlichen Beitrag! – zu der jetzigen Preissteigerung leisten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Dazu kommt noch, dass es im Zusammenhang mit der gesamten Pandemiebekämpfung und den ganzen Verordnungen ein Chaos par excellence gibt. Märkte reagieren immer mit Preiserhöhungen, wenn Unsicherheiten herrschen und Unsicherheiten gestreut wer­den. Damit man das ein bissel besser versteht, erlaube ich mir jetzt, Ihnen das anhand eines Beispiels aus dem Schulbereich zu erklären.

Bei uns in der Steiermark besteht Gott sei Dank die Möglichkeit, dass sowohl in Kinder­gärten als auch in Volksschulen Englisch unterrichtet wird. Wenn dieser Englischunter­richt am Vormittag stattfindet, also während normaler Unterrichtszeit, dann gilt das als Unterrichtseinheit, und es gelten die Covid-Maßnahmen an Schulen. Das ist ja gut so. Wenn aber dieser Englischunterricht auf einmal am Nachmittag stattfindet, dann wird es kompliziert, denn dann muss der Veranstalter dieses Englischunterrichtes bei den Eltern eine Bestätigung einholen, ob ihr Kind eventuell die Nachmittagsbetreuung besucht.

Wenn die Eltern bestätigen, dass das Kind die Nachmittagsbetreuung nicht besucht, dann darf es in den Englischkurs. Wenn das Kind aber, weil die Eltern berufstätig sind, die Nachmittagsbetreuung besucht, dann darf es erst dann den Englischkurs besuchen, wenn die Eltern bestätigen, dass sie das Kind nach dem Englischkurs abholen, weil es ja nicht mehr in die Nachmittagsbetreuung darf. Wenn aber der Veranstalter der Eng­lischkurse an derselben Schule ein Klassenzimmer mietet, ist vollkommen egal, welche Kinder den Englischkurs besuchen und woher sie kommen. Dann wundert man sich, dass alles chaotisch ist?! (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt noch andere Dinge, bei denen ich mir das oft denke, wie zum Beispiel im Fall einer Schule: Wirklich sämtliche Lehrer, sämtliche Kindergartenpädagogen sind so et­was von interessiert daran, in der jetzigen Zeit ihre Schützlinge so gut wie möglich ge­meinsam durch diese Pandemie zu bringen. Sie werden aber oft von den Verantwortli­chen komplett alleingelassen. Es hat zum Beispiel einen Direktor gegeben, der in einer


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Klasse seiner Schule mehrere positive Fälle hatte. Er hat die Bildungsdirektion ange­rufen und dort hat man ihm gesagt, sie wüssten nicht, was er tun soll, er solle das selbst entscheiden. Er war auf alle Fälle alleingelassen. Er geht dann in seiner Verzweiflung her und fragt die Schüler dieser Klasse, die 14-jährigen Schüler: Wollt ihr zu Hause blei­ben oder wollt ihr lieber in die Schule gehen? – Na, was glauben Sie, Herr Bundeskanz­ler, wofür sich die Kinder entschieden haben? (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ und Beifall bei der FPÖ.)

Zurück zu den Teuerungen: Man muss schon ehrlich sagen: Gerade jetzt in dieser eh schon angespannten wirtschaftlichen Situation und sensiblen Zeit geht die Regierung her und beschließt die ökosoziale Steuerreform, bei der es sicher ein paar positive Dinge gibt; wenn aber das Kernstück die CO2-Bepreisung ist, dann darf man sich nicht wun­dern, dass die Benzinpreise steigen, Herr Bundeskanzler. Oder hat das keiner von euch vermutet? (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, die freie Marktwirtschaft funktioniert immer so: Den Preis regulieren eigentlich immer Angebot und Nachfrage. Vor allem durch die Pandemie und durch viele Coronamaßnah­men ist es in vielen Bereichen zu Lieferengpässen gekommen. Das hat vor allem in der Bauwirtschaft, wenn es um Handwerker, um Sanierungen, um Elektrogeräte geht, zu starken Lieferengpässen geführt, was natürlich auch wieder automatisch eine Teuerung mit sich bringt. Warum? – Na, weil das Angebot kleiner ist als die Nachfrage.

Dann macht man noch einen Lockdown und beschließt vor allem auch noch einen Lock­down für Ungeimpfte. Was passiert? – Die Menschen wollen einkaufen, die Menschen brauchen Konsumgüter, nicht nur Lebensmittel. Man hat als Regierung also wieder et­was gemacht, das bei all den Onlineriesen die Zahlen explodieren lässt, denn die Men­schen müssen ihre Waren ja irgendwo einkaufen. Wenn man etwas online bestellt, dann muss das ja irgendwie ins Haus geliefert werden, also braucht man wieder den Trans­port. Man braucht die Güterbeförderung, also wird die Nachfrage nach Treibstoff höher. Damit haben wir natürlich noch einmal eine hausgemachte Preiserhöhung der Benzin­preise, denn wenn die Nachfrage so groß ist, reagiert der Markt einfach darauf. (Bundes­rat Preineder: Ab Hof beim Bauern einkaufen!) – Bitte? (Bundesrat Preineder: Ab Hof beim Bauern einkaufen! – Bundesrat Steiner: In Wien, gell! Was machen die Wiener?) – Ja, aber es hilft nichts, wenn Sie Menschen ausschließen, Menschen wollen sich etwas kaufen. (Bundesrat Spanring: Unfassbar! – Zwischenruf des Bundesrates Raggl.)

Dann beschließt man eine CO2-Bepreisung, weil man ja etwas gegen den Klimawandel tun will, trifft aber nebenbei eine Entscheidung, womit eigentlich der CO2-Wert auf Öster­reichs Straßen explodiert, weil so viele Menschen ihre Güter, die sie online bestellen, ja gerne daheim hätten. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Raggl, Bernard und Spanring. – Bundesrat Spanring: ... die Bauern nach Wien? Oder kommen die auch mit der U-Bahn?)

Sie haben am Freitag, am 28.1., in einer PK verkündet, dass die Regierung in Summe 1,7 Milliarden Euro in die Hand nehmen wird, um die Belastung für die Bevölkerung ab­zufedern. Circa 600 Millionen Euro sollen sofort ausbezahlt werden – sofort, muss man wissen, heißt bei dieser Regierung immer drei, vier, fünf, sechs, sieben Monate später oder wie beim Pflegebonus 1,5 Jahre später; okay, das ist Ihre Interpretation von sofort. Diese Einmalzahlung von 150 Euro klingt ja nicht schlecht. Ich würde sagen, es ist eine PR-wirksame Geste. Die Deutschen denken ja auch darüber nach und haben etwas Ähnliches beschlossen. Der Obmann der Bundesverbraucherzentrale in Deutschland hat aber gesagt, man braucht mindestens 500 Euro, um gegensteuern zu können.

Wir wissen aber: Die Regierung macht Geldgeschenke natürlich nur an Großunterneh­mer und befreundete Unternehmer. Das können wir auf der Liste von kontrast.at lesen: Der Kurz-Freund Martin Ho als Gastronom bekommt 1,7 Millionen Euro, der ÖVP-nahe


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René Benko 8 Millionen Euro, der Glücksspielkonzern Novomatic 2,4 Millionen Euro – alles arme Menschen –, und Starbucks – das finde ich am besten – bekommt 280-mal mehr Steuergelder von uns geschenkt, als es in Österreich überhaupt Steuern zahlt. Ja geht es noch? (Bundesrat Spanring: Das ist ein Wahnsinn! Ein Wahnsinn!) Mediamarkt kriegt 16,3 Millionen Euro, damit sie 63 Millionen Euro Dividende ausschütten können. Das ist ein total falsches Signal! Das heißt, wenn Sie den Menschen wirklich helfen wollen, dann erkundigen Sie sich einmal bei jenen, denen es wirklich sehr, sehr schlecht geht, was sie tatsächlich brauchen. Das wäre einmal richtig und wichtig. (Beifall bei der FPÖ.)

Das heißt, wir haben es zwar geschafft, dass Österreich die Nummer zwei ist, was die Förderungen im Coronabereich betrifft, aber wenn man schaut, wie wir wirtschaftlich durch die Krise gekommen sind, finden wir uns leider etwas weiter hinten.

Zu dem ganzen Übel kommt noch hinzu, dass der ORF sagt: Jetzt erhöhen wir einmal schnell die GIS-Gebühr um 8 Prozent. Jetzt frage ich Sie ernsthaft: Warum haben Sie nicht Ihre Kontakte und Ihre Netzwerke, die Sie ja sonst auch immer gerne nutzen, dazu genutzt, um diese Gebührenerhöhung zu verhindern? Das wäre einmal ein sinnvoller Lobbyismus gewesen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Spanring: ... hätte genügt!)

Der ORF begründet seine Zwangsgebühren ja immer damit, dass er sagt: Ja, wir haben den staatlichen Auftrag, wir müssen die Menschen neutral und wahrheitsgemäß infor­mieren. Jetzt sage ich Ihnen ein Beispiel, wie neutral - -


Vizepräsident Günther Novak: Frau Bundesrätin, bitte kommen Sie zum Ende.


Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (fortsetzend): Der Journalist Andreas Wetz hat im Zuge seiner Recherchen, bei denen es um die Beratung der Experten der Regierung gegangen ist, entdeckt, dass der ORF auf dem Onlinekanal eine Stunde lang eine PK zum Thema Covid-Impfungen für Kinder übertragen hat. Als er dann weiter recherchiert hat, wer der Veranstalter ist, ist er auf Folgendes draufgekommen: Der Veranstalter war der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller, die Moderatorin ist eine Führungs­kraft im Pfizer-Impfwesen und zusätzlich spielt sie noch eine tragende Rolle in einem Verein, der als Aufgabe hat, gutes Klima für die pharmazeutische Industrie in Europa herzustellen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Na bravo!) Solche Dinge überträgt der ORF. Und das ist dann neutral, wahrheitsgemäß und objektiv? Dafür soll ich meine Gebühren zahlen? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Spanring: Abmelden! Abmelden!)


Vizepräsident Günther Novak: Ich bitte um den Schlusssatz, Frau Kollegin.


Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (fortsetzend): Ich muss Ihnen jetzt aber trotz­dem noch eine persönliche Geschichte erzählen, Herr Nehammer, weil - -


Vizepräsident Günther Novak: Frau Kollegin, ich bitte um den Schlusssatz, sonst rufe ich den nächsten Redner auf. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrat Span­ring: Zur Geschäftsordnung!) Ich bitte um Ihren Schlusssatz. (Bundesrat Steiner: Ak­tuelle Stunde: 10 Minuten!)


Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (fortsetzend): Okay, 10 Minuten, gut. (Beifall bei der FPÖ. – Bundeskanzler Nehammer – in Richtung der sich zu ihrem Sitzplatz be­gebenden Bundesrätin Schartel –: Aber wir können nachher noch darüber reden!)

11.18


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dies


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 45

es.


11.18.27

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler! Zwar nicht der einzige Grund, aber ein we­sentlicher Grund für die Teuerungen sind die stark gestiegenen Energiepreise. Da braucht es natürlich Sofortmaßnahmen, es ist aber ratsam, auf die Ursachen zu schauen und Maßnahmen zu setzen, um sich vor derartigen Preisanstiegen – vor allem ja auch, wenn sie so schnell gehen – wirksam und dauerhaft zu schützen. Ich möchte den Blick ein wenig auf die Hintergründe werfen.

Rasant gestiegen ist ja vor allem der Gaspreis, jedenfalls der Großhandelspreis. Das ist technisch, aber wichtig zu unterscheiden. Für die Verbraucher haben sich die Preise ja inzwischen – unter Anführungszeichen – „erst“ teils erhöht, allerdings werden sie sich in diesem Jahr noch erhöhen, und zwar spürbar, allerdings bei Weitem nicht in dem Aus­maß, wie das die Großhandelspreise tun. Die schlechte Botschaft ist: Das wird nächstes Jahr anhalten.

Warum ist der Gaspreis so gestiegen? – Es gibt mehrere Faktoren. Nur kurz im Über­blick: Das hat mit einer riesigen Nachfrage vor allem in Asien zu tun. China hat Teile seiner Kohlekraftwerke zurückgefahren und hat auf Gas geswitcht. Das hat mit Konflik­ten mit Australien zu tun.

Das wiederum hat zur Folge, dass ein großer Teil des Angebotes an flüssigem Erdgas nach Asien abgesaugt wird. Das hat den Markt verengt. Da sich die Wirtschaft in Europa rascher erholt hat als gedacht, hat es einen schnelleren Verbrauchsanstieg gegeben, der sich immer noch weiter fortsetzt.

Außerdem gibt es noch einen ganz wichtigen Punkt, und das ist Russland: Wir beziehen 80 Prozent unseres Gasbedarfs aus Russland. Russland bedient zwar die Verträge, die abgeschlossen wurden, also mittel- und langfristige Verträge, aber es liefert keine Men­gen darüber hinaus, und das in einer Situation, in der wir mehr bräuchten. Das führt in Summe zu derartigen Preisanstiegen.

Das zeigt etwas Wichtiges auf, nämlich dass Energieimport, Importabhängigkeit und sol­che Preiswirkungen immer auch Geopolitik sind. Es geht immer um Abhängigkeit, das ist der wichtige Punkt. Energie ist fundamental für das Funktionieren einer Volkswirt­schaft. Darum eignet sich Energie als politisches Druckmittel, als Instrument, um Dinge durchzusetzen. Es geht dabei auch um sehr, sehr viel Geld.

Deswegen ist die Gaspreisteuerung auch nicht trennbar vom Ukraine-Konflikt, deswe­gen ist die Gaspreisteuerung nicht trennbar vom aggressiven Expansionsstreben Russ­lands, und so ist die Gaspreisdebatte – das hören manche in Österreich nicht gern – auch nicht trennbar von der Pipeline Nord Stream 2, die dabei wirklich eine große Rolle spielt.

Nord Stream 2 ist ein mehrfacher Unsinn. Sie hätte ja ohnehin nie gebaut werden dürfen und sie darf jedenfalls unter keinen Umständen in Betrieb genommen werden, vor allem in Hinblick auf die Ukraine. Es ist einfach unmöglich. Man würde die Ukraine ausliefern. Betreffend die Energieversorgung, kann ich Ihnen versichern, brauchen wir sie ohnehin nicht. Die bestehenden Pipelines haben Kapazität genug.

Die Strompreise folgen dem Gaspreis, da relevante Mengen der Stromerzeugung aus Gaskraftwerken kommen, übrigens auch die Fernwärme. Deswegen werden leider auch die Fernwärmepreise weiter steigen, weil vor allem in großen Städten ein Teil der Fern­wärme über Gaskraftwärmekopplung erzeugt wird. Diese Preisanstiege sind verzögert und gedämpft, aber natürlich auch spürbar, wenngleich nicht so wie beim Gas.

Wie das jetzt mit den Preisweitergaben genau weitergeht, hängt natürlich nicht nur von den Großhandelspreisen ab, sondern auch sehr stark vom Verhalten der Gas- und Stromgesellschaften, die ja zu relevanten Teilen Landesgesellschaften sind. Also natür­lich gibt es da Spielräume, entsprechend auch weitergegebene Preise zu steuern.

Es war nicht das erste Mal, dass an den Gashähnen gedreht wurde, und es wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Die einzige Antwort darauf kann nur sein: raus aus


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der Abhängigkeit, raus aus Gas und Öl und hin zu erneuerbaren Energieträgern, und zwar vollständig, beim Strom und bei der Wärme. Bei der Wärme ist es besonders wichtig, weil dahinter ja vor allem auch in sozialpolitischer Hinsicht wichtige Dienstleis­tungen stecken, etwa das angemessene Heizen von Räumen.

Im Strombereich haben wir eine wichtige Maßnahme gesetzt, über die wir heute noch reden werden, nämlich das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Dazu möchte ich schon noch etwas kritisch anmerken, weil ich finde, dass man diese massiven Vorwürfe, die in den letzten Tagen von der WKO und der IV gekommen sind, man hätte den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeuger versäumt, nicht so stehen lassen kann. Das muss man einmal zusammenkriegen. Also da ist es wirklich so, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird. Ich bin lange genug immer wieder auch in diesen Gremien gewesen, auch im Natio­nalen Energiebeirat beim Wirtschaftsminister. Da haben manche ziemlich schnell ver­gessen, wer den Ausbau viele, viele Jahre systematisch gebremst hat. Aber gut, wenn die Erkenntnis jetzt eine andere ist, dann soll uns das recht sein.

Ein Umstieg auf Erneuerbare beim Strom und beim Heizen wirkt mehrfach. Er stabilisiert die Preise – wir reden ja heute von Preisen – auf einem deutlich niedrigeren Niveau, und die Mittel fließen in die regionale Wirtschaft. Das darf man ja nicht vergessen. Das stärkt die Kaufkraft, das generiert Jobs. Da geht es wirklich um viel Geld: 10 Milliarden Euro gibt Österreich jährlich allein für Importe von fossiler Energie aus. 10 Milliarden Euro! Also das sind 10 Milliarden Euro, die in Österreich keinerlei Beschäftigungswirkung ha­ben. Wenn man diese 10 Milliarden Euro für den Umbau behält und sie anders investiert, schafft das Einkommen und damit natürlich auch eine sozusagen krisenfestere Gesell­schaft gegenüber steigenden Energiepreisen.

Natürlich braucht es Sofortmaßnahmen für finanzielle Hilfen für Menschen mit geringem Einkommen, das ist völlig unbestritten. Diese erhalten nun noch einmal 150 Euro an Teuerungsausgleich. Das sind in Summe 300 Euro. Das geht dann an alle BezieherIn­nen von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Ausgleichszulage und übrigens auch an StipendienbezieherInnen. Dazu kommt dann noch der Klimabonus – gerade recht – mit mindestens 100 Euro pro Person. Die Ökostrompauschale wurde gesetzlich auf null gesetzt, oder streng genommen machen wir das heute noch. Auch das ist ein relevanter Betrag. Viele Länder vergeben Heizkostenzuschüsse. Vorarlberg zum Bei­spiel vergibt mit 270 Euro die höchsten Zuschüsse in Österreich. Da kommt in Summe schon etwas zusammen, jedenfalls so viel, dass die Teuerungen, die durch Energie ent­standen sind, einmal abgefangen werden. Das ist für diese Gruppe auch gut so.

Wir müssen aber betonen: Essenziell, um aus dieser Preisdebatte endlich herauszukom­men – es ist ja nicht das erste Mal –, ist, dass wir umsteigen müssen. Wir müssen raus aus den fossilen Energien, weil das Hinausschieben es ganz bestimmt nicht billiger macht. Darum brauchen wir dringend die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür. Dazu werde ich bei einem anderen Tagesordnungspunkt noch etwas sagen. Es ist aber wich­tig, den Umstieg finanziell zu unterstützen – das ist gar keine Frage –, was seitens des BMK in einem großen Ausmaß geschieht, in einem Ausmaß, wie es mit Abstand noch nie da gewesen ist.

Erst Anfang Jänner ist eine gemeinsam mit den Bundesländern umgesetzte Förderung in Kraft getreten, die in der ersten Phase zunächst BewohnerInnen von Eigenheimen betrifft. Man hat gesehen, es gibt viele – Zehntausende – Haushalte, die einkommens­schwach sind, bei denen es sich aber dennoch um Haushalte in Eigenheimen handelt. Für diese werden jetzt die Umstiegskosten bis zu 100 Prozent abgefangen.

Es gilt also, jetzt denen zu helfen, die es brauchen, aber die Maßnahmen bitte nicht aufzuschieben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.26



BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 47

Vizepräsident Günther Novak: Für eine erste Stellungnahme hat sich der Herr Bundes­kanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.


11.27.10

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Hoher Bundesrat! Es sind tatsächlich in vielerlei Hinsicht schwierige Zeiten, und die Teuerungswelle, die uns erreicht, muss man ernst nehmen. Ich bin froh, dass der Bundesrat da die gleiche Einschätzung hat. Ja, es ist auch selbstverständlich, dass Maßnahmen der Regierung in jeder Vielfalt kritisiert werden.

Ich möchte noch auf Bundesrat Gross replizieren, weil dieser hier ein größeres Bild ge­zeichnet hat.

Wir haben tatsächlich eine sehr ernste Situation zwischen der Ukraine und der Russi­schen Föderation. Die Eskalation, die sich derzeit an der Grenze abspielt, gibt tatsächlich Anlass zur Sorge. Die Russische Föderation ist derzeit in der Lage, auf Knopfdruck eine Invasion gegenüber der Ukraine vorzunehmen. Das weiß die Russische Föderation auch, und sie setzt das politisch gezielt ein.

Auf der anderen Seite bemüht sich die Europäische Union mit allem Nachdruck darum, den Dialog weiter fortzuführen. Es wurde das Normandie-Format wieder ins Leben gerufen, das sehr wichtig ist. Dabei kommen die Ukraine, die Russische Föderation, Deutschland und Frankreich an einen Tisch. Das ist aus meiner Sicht jetzt ganz we­sentlich und wichtig. Daneben unterstützen europäische Mitgliedstaaten die Ukraine di­rekt, so wie das auch Österreich tut.

Ich habe mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten gesprochen. Wir werden uns zu ei­nem großen ukrainischen Wirtschaftsforum treffen, denn die Ukraine ist darum bemüht, auch in dieser angespannten Zeit Normalität zu signalisieren, um auch da den Druck herauszunehmen und vor allem aber auch einem Wachstumsprozess weiter Folge zu leisten, der für die Ukraine selbst wichtig ist. Österreich folgt dieser Bitte der Ukraine und unterstützt sie dabei auch.

Offensichtlich gab es eine sehr gut akkordierte Strategie vonseiten der Russischen Fö­deration und dem Gazprom-Konzern. Die Energiespeicher wurden nur bedingt gefüllt, was dazu führt, dass sich der Gaspreis tatsächlich dramatisch erhöht hat. Die Versor­gungslage ist gesichert, aber natürlich wird durch die Preise jetzt auch eine angespannte Situation sichtbar. Gas ist so teuer wie noch nie. Das führt zu der absurden Situation, dass unser deutscher Nachbar momentan Strom, der aus Braunkohlekraftwerken ge­wonnen wird, billiger ins Netz einspeisen kann als Strom aus Gaskraftwerken, was an sich schon eine Perversion darstellt.

Das heißt, es gibt eine sehr ungute Gemengelage, was das Thema Energiekosten be­trifft, und darüber hinaus auch eine Inflation, die wir ernst nehmen und die sich zu einem Teil eben aus den Energiekosten zusammensetzt, aber auch andere Teuerungsbereiche beinhaltet, die man angehen muss, um den Menschen tatsächlich Entlastung zu geben. Das haben wir getan. Aus meiner Sicht ist auch da immer der systemische Blick not­wendig.

Was meine ich damit? Wir haben auf der einen Seite die sehr große ökosoziale Steu­erreform beschlossen. Jetzt ist es aus meiner Sicht ganz wichtig, Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten. Die CO2-Bepreisung, die da festgesetzt worden ist, ist mit einem großen Transformationsbegleitprozess verbunden, das heißt, dass die Kosten, die da­raus entstehen, abgefedert werden und die ökosoziale Steuerreform insgesamt ein Volu­men von 18 Milliarden Euro hat, das ist tatsächlich viel Geld. Sie beginnt dort zu wirken, wo es notwendig ist. Wir haben ja schon einmal gemeinsam eine Entlastungsmaßnah­me beschlossen, nämlich die, dass wir die Steuerkosten einer Steuerstufe von 25 auf


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20 Prozent reduziert haben. Jetzt wird die nächste Steuerstufe angegangen, nämlich eine Reduktion von 35 auf 30 Prozent.

Die ökosoziale Steuerreform umfasst aber viele Bereiche mehr, die auch nicht unmittel­bar zusammenhängen: Bezieherinnen und Bezieher von kleinen Pensionen haben eine Pensionserhöhung erhalten; es gibt eine Negativsteuer, das heißt, diejenigen, die keine Steuer zahlen, werden bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet. Ich will das nur dazusagen, weil Sie natürlich gleichzeitig in Ihrer Befürchtung recht haben, dass diese Entlastungsmaßnahmen durch die Inflation und durch die steigenden Preise relativiert werden.

Genau deshalb haben wir uns dazu entschlossen, dieses Antiteuerungspaket jetzt in Angriff zu nehmen und zu beschließen, das sind 1,7 Milliarden Euro. Das ist aus meiner Sicht gut und richtig investiertes Geld. Die Maßnahmen im Einzelnen wurden schon beschrieben: Die Ökostrompauschale wird ausgesetzt, es gibt den Teuerungsausgleich für sozial Schwache  das ist echtes, aus meiner Sicht auch hier richtig investiertes Geld, es handelt sich dabei um eine Verdoppelung, nämlich von 150 Euro auf 300 Euro für sozial schwache Haushalte –, und dazu gibt es auch noch den Energiekostenausgleich für alle Haushalte. Das zu erwähnen ist für mich deshalb wichtig, weil es da einen syste­mischen Ansatz gibt, da die Teuerung ja alle trifft, zwar unterschiedlich hart, aber trotz­dem spürbar.

Es hat einen Energiegipfel vonseiten der Bundesregierung mit den Energieversorgungs­unternehmen gegeben, wir sind in sehr engem und gutem Austausch, und auch die werden einen Beitrag dazu leisten, dass die Belastung für die Menschen eine geringere wird.

Ja, es braucht auch einen systemischen Ansatz, wenn es darum geht, den Wirtschafts­standort Österreich zu entlasten. Das muss inkludiert sein und wird auch ein Teil sein, mit dem wir uns ernsthaft auseinandersetzen. Wir haben dort schon eine Maßnahme erreicht: dass Gewerbebetriebe mit bis zu 67 000 Euro entlastet werden, weil die Öko­strompauschale ausgesetzt wird. Das ist ein Teil eines Maßnahmenpaketes. Dieses Antiteuerungspaket wird wahrscheinlich nicht das letzte sein, auch da haben Sie recht. Diese Bundesregierung hat sich vorgenommen, genau da die Menschen in dieser schwie­rigen Situation nicht im Stich zu lassen.

Gestatten Sie mir aber auch noch ein Wort zu dem vielen, das gesagt worden ist, und aus meiner Sicht wurde auch vieles miteinander verwischt und vermischt. Wir sind in einer insgesamt angespannten Situation. Ja, die Coronapandemie hat der Wirtschaft und den Menschen an sich in vielerlei Hinsicht massiven Schaden zugefügt. (Bundesrat Steiner: ... Maßnahmen waren es!) Das Besondere dabei ist aber – weil Sie angeführt haben, dass Österreich weniger gut durch die Krise gekommen sei –, dass einfach der Faktenbefund ein anderer ist.

Wir haben mit einem Wirtschaftswachstum von 4 Prozent im letzten Jahr und einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent für dieses Jahr eine Situation, wie sie uns Experten letztes Jahr nicht vorhergesagt haben; man hat letztes Jahr von Rezession gesprochen, man hat von Massenarbeitslosigkeit gesprochen. (Bundesrat Steiner: Das kommt noch!) Wenn man sich an den Fakten orientiert, dann sieht man, dass wir einen Beschäftigungsstand auf einem Niveau wie vor der Krise haben. Wir ha­ben momentan das Problem, dass wir zum Beispiel in Oberösterreich, einem Industrie­bundesland, de facto Vollbeschäftigung haben und händeringend Fachkräfte suchen.

Das heißt, worauf ich hinweisen möchte: Es gilt, wirklich genau dort hinzuschauen, wo die Pandemie schwere Narben hinterlassen hat (Bundesrat Steiner: Die Maßnahmen!), dort hinzuschauen, wo Menschen nach wie vor in einer betroffenen Situation sind. Wozu ich aber auch ermuntern möchte – ich finde, das ist auch eine gute und positive Aufgabe


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in der Politik –, ist, nicht alles, was jetzt gerade passiert, nur schwarzzumalen und damit die Menschen noch einmal zu belasten, sondern den Blick auch darauf zu richten, dass es Hoffnung und Perspektive gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Das ist aus meiner Sicht in einer Pandemie wichtig und richtig. Ich bin mir dessen be­wusst, dass wir nicht aufhören dürfen, dort Nachschau zu halten, wo Menschen nach wie vor betroffen sind, aber das, was gemeinsam geleistet worden ist, dass die Republik Österreich – und damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – 42 Milliarden Euro Hilfsgelder in die Hand genommen hat, um die Wirtschaft zu stabilisieren, um Arbeitsplät­ze zu sichern und damit dieses Wachstum erst möglich zu machen (Ruf bei der FPÖ: Das glaube ich, ...!), ist eine große Leistung (Bundesrat Steiner: 8 Millionen für Benko!  Bundesrat Spanring: 1,8 Millionen für Ho!), nämlich wenn man bedenkt, dass es uns trotzdem gelungen ist, die Staatsschulden dabei abzubauen.

Das ist eine besondere Situation, das ist auch der Zinspolitik der Europäischen Zentral­bank geschuldet, aber man muss es zusammenziehen und man muss es gemeinsam betrachten, da wir auch dazu verpflichtet sind, den Menschen eine Perspektive zu geben und zu zeigen, dass es in Österreich wieder aufwärtsgeht, dass das, was wir gemeinsam erreichen können, wenn wir in einer nach wie vor einzigartigen Krise in der Zweiten Re­publik zusammenstehen, positiv ist. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.35


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundeskanzler.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Christian Buchmann. Ich erteile ihm das Wort.


11.36.10

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie unseren Beratungen lauschen! Worum geht es? – Es geht um die Teuerung, es geht darum, wie wir als Politik mit dieser Teue­rung umgehen, und es geht darum, zielgerichtet Maßnahmen zu setzen, um den privaten Haushalten – damit unseren Familien in den Haushalten –, aber auch den Unterneh­mungen in dieser nicht unkritischen Phase der Entwicklung eine Perspektive zu geben.

Wodurch ist diese Situation entstanden? – Es wurde vom Herrn Bundeskanzler und den Vorrednern angesprochen, diese aktuelle Situation ist unterschiedlichen Entwicklungen geschuldet, zum einen hauptsächlich natürlich den steigenden Energiekosten bei Gas, es wurde angesprochen, aber auch bei Heizöl und bei Strom. Sie ist aber auch eine Folge aus der Pandemie heraus, aber nicht rein eine Folge der Maßnahmen, die national gesetzt worden sind, sondern jener, die international ihre Wirksamkeit durch diese Pan­demie entfalten.

Das hängt zum einen mit der Entwicklung auf Rohstoffmärkten zusammen, das hängt auf der anderen Seite damit zusammen, dass Lieferketten unterbrochen wurden und damit Verwerfungen auf den Märkten stattfinden. Es hängt damit zusammen, dass Transportkosten massiv gestiegen sind, und es hängt damit zusammen, und auch das wurde von Vorrednern angesprochen, dass wir einen grünen Transformationsprozess haben, bei dem gewisse Entwicklungen ihre Zeit brauchen werden, manche Maßnah­men aber auch preistreibend sind. Wir haben damit ein Bündel von Einwirkungen auf die Preissituation, die es jetzt seitens der Politik zu bewerten gilt.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 50

Was erwarten sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von einer verantwortungsbe­wussten Politik? – Sie erwarten sich rasches Handeln, sie erwarten sich Maßnahmen, damit ihre Kaufkraft erhalten bleibt, damit die Grundbedürfnisse abgedeckt werden kön­nen, damit es entsprechend Wärme in den Wohnungen und Häusern der Bürgerinnen und Bürger gibt und damit die Lebensqualität, die wir alle gemeinsam in unserem Öster­reich sehr schätzen, erhalten werden kann.

Wie kann diese Lebensqualität und damit zusammenhängend die Kaufkraft für die priva­ten Haushalte, für unsere Familien erhalten werden? Wie kann auch für die Wirtschaft eine Perspektive in dieser notwendigen Transformation gegeben werden? – Dazu haben die Bundesregierung und auch wir auf parlamentarischer Ebene bereits ein breites Bün­del an Maßnahmen beschlossen beziehungsweise in Gang gesetzt. Der Herr Bundes­kanzler hat darauf hingewiesen, dass durch die ökosoziale Steuerreform und sehr ziel­gerichtete Maßnahmen in den nächsten Jahren rund 18 Milliarden Euro wirksam wer­den. Mit dem, was die Bundesregierung jetzt mit Sofortmaßnahmen gegen die Teuerung zusätzlich auf den Weg bringt – das sind noch einmal rund 1,7 Milliarden Euro –, sind das in Summe also fast 20 Milliarden Euro, die bei den Haushalten, bei den Werktätigen unseres Landes, bei den Familien ankommen sollen und damit entsprechend ihre Wir­kung gegen die vorherrschende Teuerung – die ist ja unstrittig –entfalten sollen.

Was sind die Maßnahmen gegen die Teuerung, die diese Bundesregierung – und danke, Herr Bundeskanzler, dass du das heute auf die Tagesordnung des Bundesrates ge­nommen hast, denn ich glaube, es ist wichtig, zeitnah über diese Entwicklungen zu spre­chen – mit den 1,7 Milliarden Euro in Gang gesetzt hat? – Na ja, es wurde schon gesagt, dass es die Aussetzung der Ökostrompauschale und des Ökostromförderbeitrages ist. Es wurde schon gesagt, dass es auch einen Teuerungsausgleich für besonders be­troffene Gruppen gibt, und die 600 Millionen Euro wurden angesprochen. Es ist auch der Energiekostenausgleich angesprochen worden.

Sie wissen, dass ich in der Wirtschaft verhaftet bin und dass es mich mit Sorge erfüllt, dass diese Auswirkungen der Teuerung auch in der Wirtschaft angekommen sind, sowohl in der Industrie als auch in den zuliefernden Wirtschaftsbereichen und auch bei den klein- und mittelständischen Unternehmen. Das sollen wir nie vergessen. Deshalb sind bei uns im Lande Arbeitsplätze betroffen. Daher ist es von der Bundesregierung klug gewählt, dass sie Maßnahmen in Aussicht gestellt hat, um die Wirtschaft entspre­chend unterstützen zu können.

Resümee: Es ist, glaube ich, gut und richtig, dass zielorientiert Maßnahmen gesetzt wur­den. Es ist richtig und wichtig, dass von der Bundesregierung rasch gehandelt wird. Das schätzen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Eine letzte Bemerkung: Es ist gut, dass die Geldpolitik und die Fiskalpolitik von unter­schiedlichen Organen gesteuert werden. Die Bundesregierung und wir als gesetzgeben­de Körperschaften haben die Möglichkeit, in der Fiskalpolitik unsere Entscheidungen zu treffen. Was die Geldpolitik betrifft, machen das die Nationalbanken und in Europa ins­besondere die Europäische Zentralbank. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Es wird auch der Europäischen Zentralbank nicht erspart bleiben, in naher Zukunft wichtige Entscheidungen zu treffen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

11.42


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile ihm das Wort.


11.42.27

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 51

und Zuhörer! Ich darf als Kommunalsprecher mit meinem Redebeitrag einen Bereich ansprechen, der auch enorm unter der Teuerung und unter anderen Belastungen leidet. Ich lege den Fokus auf die Gemeinden und Städte und darf dabei gleich zu Beginn fest­halten, sehr geehrter Herr Bundeskanzler: Ohne die Gemeinden hätten Sie bei der Pan­demiebekämpfung längst kapitulieren und Ihr Versagen eingestehen müssen. Es waren und sind nämlich die Gemeinden, die seit Monaten den Job der Regierung machen und die, wenn es darauf ankommt, auch die Kohlen aus dem Feuer holen müssen (Beifall bei der SPÖ), und zwar genau dann, wenn die Bundesregierung – ein gutes Beispiel ist auch die oberösterreichische Landesregierung – massiv in Not gerät. Ich kann Ihnen eines sagen: Das alles ist nicht selbstverständlich und ist auf Dauer auch nicht mehr machbar, weil die Gemeinden – salopp formuliert – finanziell aus dem letzten Loch pfeifen.

Ein Beispiel dazu: Durch den Einbruch bei den Ertragsanteilen und durch Ausgabenstei­gerungen in vielen Bereichen – einer davon ist zum Beispiel der Gesundheitsbereich – sind die Gemeindefinanzen in eine extreme Schieflage geraten.

Um das Ganze zu untermauern, folgende Größenordnung dazu: Meine Gemeinde konn­te bis zur Pandemie immer ihren Haushalt ausgleichen. Im Voranschlag für 2022 steht jetzt ein Minus von rund 400 000 Euro, und das bei absolut sparsamer Haushaltsfüh­rung. Uns droht jetzt wie vielen anderen betroffenen Gemeinden der Status Härteaus­gleich-Gemeinde. Was heißt das? – Das heißt, es wird in unterschiedlichsten Bereichen Kürzungen geben: bei den Investitionen, bei der Instandhaltung, bei Förderungen, bei den Vereinen, bei Personal und bei vielem mehr. Das ist sicher kein Einzelschicksal, das wird viele Gemeinden hart treffen, und vor allem wird es die Bevölkerung in den Ge­meinden spüren – spüren müssen.

Die Regierung hat auf viel Drängen jetzt endlich reagiert. Sie verzichtet auf die Rückzah­lung von 275 Millionen Euro bei der – wenn man so sagen will – Vorschussmilliarde aus dem zweiten Gemeindehilfspaket. Ganz ehrlich: Herr Bundeskanzler, da gibt es von mir, da gibt es auch von uns lobende Zustimmung. Das ist eigentlich der richtige Ansatz, um unbürokratisch, schnell und direkt zu helfen. (Beifall des Bundesrates Raggl.)

Das haben wir als SPÖ seit Monaten gefordert. Es ist aber eben nur ein Ansatz und leider nicht genug. Wir brauchen schnell direkte Hilfe über Direktzahlungen. Was ma­chen Sie und Ihre Regierung jetzt, Herr Bundeskanzler? – Sie zwingen die Gemeinden aus meiner Sicht in einen inakzeptablen Wettbewerb, indem Sie uns gewünschte Impf­quoten wie eine Karotte vor die Nase halten und uns nur bei Erreichung dieser Quoten weitere Finanzmittel zusichern.

Es gibt dazu schon Berechnungen: In Oberösterreich würden sich von 438 Gemeinden derzeit nur 13 dafür qualifizieren. Dass Sie die Gemeinden einem direkten Druck ausset­zen, ist aus meiner Sicht völlig unfair. Wir sollen nämlich jetzt das schaffen, was Sie und Ihre Regierung bis jetzt nicht auf die Reihe gekriegt haben. Diese Kritik kann ich Ihnen leider nicht ersparen. Ich darf Sie bitten: Denken Sie ernsthaft über faire Alternativen nach! (Beifall bei der SPÖ.)

Was glauben Sie denn überhaupt, was wir bis jetzt in den Kommunen gemacht haben? – Es waren und sind doch die Gemeinden, die von Anfang an bemüht waren, Ihr ver­korkstes Krisenmanagement zu retten. Ich denke an die Organisation von Teststraßen, an die Organisation von Impfstraßen, an die Öffentlichkeitsarbeit und – jetzt ganz neu – an die Verteilung der Antigentestsets, die wir von einem Tag auf den anderen sicherstel­len müssen. All das stemmen die Gemeinden, und das seit Monaten. Dafür gibt es kein zusätzliches Personal, kein zusätzliches Geld, ganz im Gegenteil: Wir müssen diese zu­sätzlichen Arbeiten oft mit weniger Personal leisten, weil natürlich auch wir krankheits­bedingte Ausfälle und Quarantänefälle haben.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir haben die Belastungsgrenze in den Gemeinden erreicht, vielerorts sogar überschritten. Ich ersuche Sie wirklich: Gehen Sie in sich und


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denken Sie über diesen unrühmlichen Plan der Impfprämie für die Gemeinden nach! Wir werden das heute noch in einem Entschließungsantrag thematisieren, dem wir bei aller Kritik deshalb zustimmen, weil er wieder einmal mit einem Thema verknüpft ist, das uns sehr wichtig ist. Wir erwarten aber schon von der Regierung, dass es einen formulierten Gesetzesvorschlag geben wird, dem wir zustimmen können und der die Gemeinden wirklich finanziell stärkt und nicht unnötig unter Druck setzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend kann ich Ihnen versprechen, dass die Gemeinden schon Ihre Partner sind, wenn Sie ihnen respektvoll und auf Augenhöhe begegnen. Spielen Sie die Gemeinden nicht gegeneinander aus und machen Sie finanzielle Hilfen für die Menschen in den Kommunen nicht von Impfquoten abhängig! Arbeiten wir bitte gemeinsam daran, dass wir diese Gesundheitskrise endlich hinter uns bringen! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm das Wort.


11.48.59

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Herr Kanzler! (Der Red­ner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – FPÖ – www.impfzwang.at“ auf das Rednerpult.) Für die Zuschauer zu Hause: Das ist jetzt die Aktuelle Stunde. In dieser Aktuellen Stunde gibt die ÖVP das Thema vor. (Zwischenruf des Bundesrates Raggl.) Das ist jetzt ein bisschen ein Wohlfühlthema, weil sie ja die beste Regierung aller Zeiten ist (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder), und man gibt die Teuerung als Vorwand für eine Aktuelle Stunde vor.

Die beste Regierung aller Zeiten ist jetzt so großzügig mit dem österreichischen hart arbeitenden Volk und gibt ihm 150 Euro zurück. Was für eine Leistung nach zwei Jahren Regierungswahnsinn, Herr Kanzler! (Beifall bei der FPÖ.)

Für die Redner der ÖVP ist das natürlich wunderbar, dürfen sie doch heute endlich ein­mal die in den Parteizentralen vorgefertigten Reden hier heraußen fleißig vorlesen und Hunderte Male zum Kanzler nicken und sagen: Danke, Herr Kanzler! Danke, Herr Kanz­ler! Danke, Herr Kanzler! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich frage mich nur, wofür man sich hier bedankt. Wofür bedankt man sich bei dieser Regierung? Seid ihr vergangenheitsvergessen oder tagesvergessen? Habt ihr verges­sen, was gestern, vorgestern, vorvorgestern passiert ist, vor Monaten und vor Jahren?! Habt ihr vergessen, was diese Regierung mit diesem Land aufgeführt hat?! Ich bedanke mich bei dieser Regierung für genau gar nichts. Das ist die teuerste Regierung aller Zeiten! (Beifall bei der FPÖ.)

Millionen an Steuergeldern werden für Regierungspropaganda und Medienkauf aufge­wendet, für Inserate, die für den Steuerzahler null Nutzen haben, wobei allerdings für die Regierung sehr wohl eine wohlwollende Berichterstattung daraus entsteht. Mit den Steu­ergeldern aus dem Finanzministerium türkt man Umfragen. Mit Millionen an Steuergel­dern aus dem Finanzministerium macht man auch Tierstudien, wobei dann wichtiger­weise herauskommt – das ist natürlich wichtig für ganz Österreich, aber vor allem für die ÖVP –: Sebastian Kurz ist ein Pfau und kein stolzer Gockel. – Gut zu wissen! (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Dann überschreitet die ÖVP ihre Wahlkampfkosten um Millionen. Bitte, liebe Österrei­cherinnen und Österreicher, Wahlkampfkosten einer Partei sind auch Steuergeld und nicht Eigentum der Partei, das dürfen wir niemals vergessen! (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kriegen wir aus Chats mit, wie die ÖVP ganz ungeniert alle ihre unfähigen ÖVPler irgendwo im System in Österreich unterbringen muss, denn diese ÖVPler wären ja im


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normalen Leben und in einer freien Wirtschaft nicht überlebensfähig. (Heiterkeit des Bun­desrates Ofner.) Diese ÖVPler kosten uns dann im System wieder Zigtausende Euro an Steuergeldern.

Was nützt uns jetzt diese Regierung aus ÖVP und Grünen? – Eigentlich nichts, es gibt nur Unannehmlichkeiten, und das waren jetzt nur zwei, drei Beispiele, die ich da ge­bracht habe, weil ich ja nur 5 Minuten Zeit habe.

Jetzt gibt es dann bald einen U-Ausschuss, Herr Kanzler. Dieser U-Ausschuss beschäf­tigt sich ausschließlich mit der Korruption der ÖVP, und Herr Sobotka, der bis zu seinen Haarspitzen mit im Korruptionssumpf steckt, will da auch noch den Vorsitz führen. Es ist unglaublich, wie selbstgefällig, wie überheblich – ganz ohne Genierer – diese ÖVP ei­gentlich sein muss! (Beifall bei der FPÖ.)

Dann stellt man sich hier als der große Retter her und gibt ganze 150 Euro an die Steu­erzahler zurück. Manchmal frage ich mich wirklich: Muss man als ÖVPler schon geboren sein oder wird man im Laufe der Zeit so, also quasi: Wenn einen diese Partei einmal hat, dann kommt man nicht mehr raus, außer mit ganz intensiver Sektenberatung (Zwischen­ruf des Bundesrates Raggl) und mit einer Korruptionsberaterin, damit man dann abseits dieser Regierung im normalen Leben überhaupt überlebensfähig ist? (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den Coronaförderungen, die Sie da ausgeschüttet haben und die Sie angesprochen haben, hat meine Kollegin eh schon ausgeführt: ein Witz, wenn man sich hinstellt und sagt, wir haben so viel gefördert. – Alleine der Bruder vom Schnee, Martin Ho, hat 1,7 Millionen Euro bekommen und Herr Benko 8 Millionen Euro. Das sind eure ÖVP-Freunde, während die Kleinen, die Greißler am Hungertuch nagen.

So schaut es bei dieser wunderbaren und tollen Regierung aus mit der Verteilungspolitik, mit der Gerechtigkeit und mit der Abgeltung einer Teuerung. Wissen Sie, was? – Ich bin froh, dass ich weder mit dieser Regierung noch mit der ÖVP etwas zu tun habe! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Raggl: Wir auch!)

11.54


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster ist Herr Bundesrat Andreas Lackner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


11.54.32

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! In ganz Europa und natürlich auch in Österreich kommt es aktuell zu hohen Preissteigerungen, die uns alle treffen.

Am stärksten spüren das natürlich jene Menschen, die ohnehin über wenig Einkommen verfügen, und das aus zwei Gründen: zum einen weil einkommensarme Gruppen in der Regel keine finanziellen Reserven haben, sodass für sie jede Preissteigerung ein Pro­blem ist, zum anderen weil ein Hauptteil der Teuerungen die Energiepreise betrifft und einkommensarme Personen und Haushalte relativ gesehen einen höheren Energiever­brauch haben. Daher liegt der Fokus der ausgleichenden Maßnahmen einmal mehr auf Menschen, die es finanziell nicht leicht haben.

Beim Teuerungsausgleich zwei werden – wie beim ersten – noch einmal 150 Euro für alle BezieherInnen von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Mindestsicherung beziehungs­weise Sozialhilfe und für alle, die ein Stipendium erhalten, ausbezahlt. Diesmal wird der Bezugskreis allerdings um eine wichtige Gruppe erweitert, nämlich um die Menschen, die Rehageld oder Umschulungsgeld erhalten, sowie um Personen, die – unter Anfüh­rungszeichen – „nur“ Krankengeld erhalten. Das ist ein besonders wichtiger Punkt, denn diese Gruppen haben bis jetzt von Förderungen aus den Covid-Töpfen eigentlich nicht


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profitiert beziehungsweise sind in der Regel leer ausgegangen. Es ist wichtig, dass da um diese Gruppen nachgebessert wird.

Insgesamt profitieren 700 000 Menschen vom Teuerungsausgleich zwei, der gemein­sam mit dem ersten eben eine Entlastung von 300 Euro ausmacht. Das Entlastungsvo­lumen für die sozusagen einkommensärmste Gruppe beträgt aus diesen beiden Tran­chen mehr als 200 Millionen Euro. Dazu kommt jetzt noch der Energiekostenausgleich – den auch andere Haushalte bekommen, ja –, das sind noch einmal 150 Euro, macht also in Summe 450 Euro.

An dieser Stelle möchte ich auch noch weitere bereits beschlossene Maßnahmen, die insbesondere für untere und mittlere Einkommen eine Entlastung bringen, in Erinnerung rufen: Der Sozialversicherungsbonus wurde um 250 Euro erhöht. Der PensionistInnen­absetzbetrag wurde erhöht, der Klimabonus wird ganzjährig ausbezahlt, obwohl die CO2-Bepreisung erst im zweiten Halbjahr umgesetzt wird. Der Ökostromförderbeitrag bezie­hungsweise die Ökostrompauschale werden dieses Jahr ausgesetzt. Die zweite und dritte Einkommensteuerstufe werden heuer gesenkt, allein diese Maßnahme bringt ein Entlastungsvolumen von 1 Milliarde Euro. Die Mindestpension wurde auf 1 000 Euro er­höht, und der Ausgleichszulagenrichtsatz – besonders wichtig – wurde auch erhöht. – Sie sehen also, diese Regierung unternimmt einiges, um die Armut in unserem Land zu bekämpfen.

Auch die ökosoziale Steuerreform, die heute noch Thema sein wird, bringt deutlich mehr soziale Gerechtigkeit. Das bescheinigt uns auch der Fiskalrat, der in seiner Analyse klar aufgezeigt hat, dass gerade die untersten Einkommen stärker profitieren als bei jeder anderen Steuerreform aus der Vergangenheit. Schauen wir uns einmal die Steuerreform aus 2015/2016 an, die damals als die größte aller Zeiten bezeichnet wurde: Das nied­rigste Einkommenszehntel hat damals eine Steuerentlastung von 1,5 Prozent erhalten. Heute sind es 3,5 Prozent.

Was uns die aktuelle Teuerungswelle aber auch gezeigt hat, ist, dass es nicht nur aus ökologischen Gründen, nicht nur um den Klimawandel nicht zu einer Klimakatastrophe werden zu lassen, wichtig ist, aus der fossilen Energie auszusteigen, sondern es geht auch darum, dass wir uns aus der Abhängigkeit von Gas und Öl, aus dieser Kostenfalle, befreien. Wir dürfen nicht nur akut Löcher stopfen, sondern müssen eben auch in die Zukunft blicken, und diese Zukunft muss klimaneutral sein, das ist ganz klar.

Deshalb investieren wir jetzt in eine sichere, klimagerechte Energiepolitik, mit der wir die Energiewende ermöglichen und finanzieren. Wenn wir erneuerbare Energie aus Sonne, Wind und Wasser made in Austria haben, müssen wir Öl und Gas nicht mehr teuer im­portieren. Genau deshalb stellt das Klimaministerium in den nächsten Jahren Hunderte Millionen Euro für Heizkesseltausch, für thermische Sanierung, für Althaussanierung zur Verfügung, um eben diesen Weg aus dieser Wärmekrise, aus der Energiekrise zu gehen. Deshalb gibt es die Klimamilliarde jedes Jahr, um die Energiewende hin zu den Erneuerbaren zu schaffen.


Vizepräsident Günther Novak: Bitte, Herr Kollege, kommen Sie zum Ende!


Bundesrat Andreas Lackner (fortsetzend): Ja, danke.

Damit packen wir das Problem an der Wurzel und erreichen Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Unabhängigkeit und schaffen regionale Wertschöpfung, anstatt Jahr für Jahr zig Milliarden Euro ins Ausland zu überweisen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.00


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.



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12.00.28

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! (Vize­präsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.) Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gestern in den Nachrichten ge­hört: Die Inflationsrate erreicht mittlerweile 5 Prozent. Steigende Energiepreise, der An­gebotsschock nach der Pandemie und viele Milliarden Euro an Hilfsgeldern bei gleich­zeitig extrem lockerer Geldpolitik sind der Maßnahmenmix, der die Teuerungsrate seit 2021 stark steigen ließ.

Nun haben die hohen Energiekosten in erster Linie geopolitische Ursachen – wir haben es schon gehört –, sodass die Politik da nur Schadensbegrenzung betreiben kann. Die steigenden Kosten für Heizen und Produkte des täglichen Lebens sollten kurzfristig durch zielgerichtete Maßnahmen für jene Bürgerinnen und Bürger, die besonders unter der Teuerung leiden, abgefangen werden. Wir halten es tatsächlich für eine gute Mög­lichkeit, eine einmalige Erhöhung von Heizkostenzuschüssen vorzunehmen, da diese gezielt Haushalte mit geringerem Einkommen unterstützen.

Ein allgemeiner Teuerungsbonus, wie er von der Bundesregierung angekündigt wurde und auch von den Regierungsparteien heute schon erwähnt wurde, ist aus unserer Sicht aber nicht zielführend, weil damit nach Gutsherrenart Geld ohne Lenkungswirkung oder Bedürftigkeit verteilt wird, der Bonus also auch an Bezieherinnen und Bezieher von ho­hen Einkommen verteilt wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass auch gruppenspezifische Infla­tionsraten wichtig sind, die die Betroffenheit durch die Inflation zum Beispiel nach Alter, Geschlecht und Region erfassen und somit zielgerichtete Maßnahmen erleichtern. So hat das NEOS Lab – das ist die Parteiakademie der NEOS – auf Basis der Verbrauchs­ausgaben nach Altersgruppen analysiert, dass die Inflation bei den unter Dreißigjährigen am höchsten war.

Gerade in Zeiten hoher Inflationsraten ist es wichtig, dass die Inflationssteuer, die kalte Progression – das ist das inflationsbedingte Ansteigen der Steuerbelastung –, abge­schafft wird, weil ansonsten jede Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler innerhalb von nur wenigen Jahren wieder zurück in die Taschen des Finanzministers fließt.

Gleichzeitig sind in den letzten zwei Jahren die Einnahmen des Staates durch Gebühren um über 12 Prozent gewachsen. Das wäre der Punkt, an dem die Politik ansetzen kann und zumindest temporär durch den Verzicht auf weitere Gebührenerhöhungen eine wirk­same Maßnahme für die Teuerungsbekämpfung setzen könnte. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.03


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke schön.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

12.03.21Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebe­antwortungen,

der Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalte von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,

eines Schreibens des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmit­gliedes des Bundesrates,


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eines Schreibens des Generalsekretärs des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgestz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung der Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Weiterhin verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und de­ren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 7)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesminis­terin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler am 3. und 4. Februar 2022 in Bul­garien, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat Frau Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck wahrnehmen wird (Anlage 2)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner am 3. Februar 2022 in Frankreich, wobei seine Ange­legenheiten im Bundesrat Frau Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner wahrnehmen wird (Anlage 3)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesminis­terin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. am 3. Februar 2022 (mittags) und 4. Februar 2022 in Frankreich, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat Herr Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein wahrneh­men wird (Anlage 4)

3. Schreiben der Landtage

Schreiben des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates (Anlage 5)

Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates (Anlage 6)

4. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Schreiben des Generalsekretärs betreffend die Vollmacht zur Aufnahme von Verhand­lungen über ein Internationales Übereinkommen über die Bekämpfung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zu kriminellen Zwecken (Anlage 7)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Nationaler Bildungsbericht Österreich 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (III-765-BR/2022)

zugewiesen dem Unterrichtsausschuss


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Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betref­fend Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2019 bis 2021, Ak­tualisierung 2021 (III-766-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten

Bericht der Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Jahresvorschau 2022 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie des Programmes des Rates (III-767-BR/2022)

zugewiesen dem Landesverteidigungsausschuss

Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2022 (III-768-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2019, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-769-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr

Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-770-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Bericht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2022 (III-771-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung

Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2022 (III-772-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur

Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2021 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des franzö­sischen, tschechischen und schwedischen Ratsvorsitzes (III-773-BR/2022)

zugewiesen dem Justizausschuss

Bericht des Bundesministers für Arbeit betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023 (III-774-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Bericht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend EU Vorhaben 2022 (III-775-BR/2022)

zugewiesen dem Wirtschaftsausschuss

Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Acht­zehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023 (III-776-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft


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Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 sowie dem Achtzehnmonats-Programm des franzö­sischen, tschechischen und schwedischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-777-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten

Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Ar­beitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2022/2023 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-778-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Familie und Jugend

Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-779-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanz­leramtes betreffend Aufenthalt von Herrn Bundesminister für europäische und inter­nationale Angelegenheiten, Mag. Alexander Schallenberg, LL.M., von 1. bis 3. Februar 2022 in Jerewan, Armenien, bei gleichzeitiger Beauftragung von Bundesminister für Bil­dung, Wissenschaft und Forschung, ao. Prof. Dr. Martin Polaschek, mit seiner Vertre­tung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates sowie jener Entschließungsantrag 301/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Wolfgang Beer, Markus Leinfellner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Reform des Österreichischen Bundesheers – Auswir­kungen auf die Länder, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Entschließungsan­trag 301/A(E)-BR/2021 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 sowie 6 bis 8 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

So gehen wir in die Tagesordnung ein.

12.06.011. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Elektrizitäts­abgabegesetz, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Investmentfondsge­setz 2011 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden sowie das Na­tionale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022 erlassen wird (Ökosoziales Steu­erreformgesetz 2022 Teil I – ÖkoStRefG 2022 Teil I) (1293 d.B. und 1306 d.B. sowie 10860/BR d.B. und 10866/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus (Klimabonusgesetz – KliBG) (1292 d.B. und 1307 d.B. sowie 10867/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz geändert werden (Ökosoziales Steuerreformgesetz 2022 Teil III – ÖkoStRefG) (1294 d.B. und 1308 d.B. sowie 10861/BR d.B. und 10868/BR d.B.)



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Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Als Berichterstatter zu den Punkten 1 und 3 ist Herr Bundesrat Otto Auer genannt wor­den, als Berichterstatterin zu Punkt 2 Frau Mag. Elisabeth Kittl. – Ich bitte um die Be­richte.

Vor der Berichterstattung begrüße ich recht herzlich unsere Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Frau Leonore Gewess­ler, und unseren Bundesminister für Finanzen, Herrn Dr. Magnus Brunner. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)


12.07.19

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrte Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Januar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Transparenzdatenbank­gesetz 2012, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden sowie das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022 erlassen wird (Ökosoziales Steuerreformgesetz 2022 Teil I).

Die Unterlagen dazu haben Sie erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke.


12.08.34

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Liebe Frau Präsidentin! Liebe Frau Mi­nisterin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Finanz­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1.2.2022 mit Stimmenmehr­heit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke schön.


12.09.21

Berichterstatter Otto Auer: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz geändert werden.

Die Unterlagen dazu haben wir erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile es ihr.


12.10.01

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin, zunächst herzliche Gratulation und alles Gute in Ihrem neuen Amt! Sehr geehrte Frau


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 80

Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Steuerreform, die irreführenderweise den Titel ökosoziale Steuerreform trägt, verdient diesen Namen und auch unsere Zustimmung – aus vielerlei Gründen, die ich im Einzel­nen gerne erläutern werde – leider nicht.

Erstens: Die Einkommensschere zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Wer mehr hat, bekommt mehr, dieses Prinzip scheint sich wie ein türkis-grüner Faden durch die gesamte Steuerreform zu ziehen. Das zeigt sich beispielsweise im Geschlechterver­hältnis, was auch Kollegin Schumann heute schon angesprochen hat: Frauen haben das Nachsehen und können nur zu rund 31 Prozent vom Gesamtentlastungsvolumen profi­tieren.

Zweitens: Die Schieflage, dass der Staat großteils durch die arbeitenden Menschen finanziert wird, wird weiter verstärkt. Lohn-, Einkommen- und Konsumsteuern speisen den Großteil des Staatshaushaltes, während Kapital und Vermögen noch mehr ver­schont werden. Ein großes Problem ist die Tatsache, dass die Gegenfinanzierung fehlt. Für die Entlastung von Konzernen werden Riesenvolumina bewegt, einnahmenseitig holt man sich aber sehr viel von den kleinen Leuten, deren tägliches Leben sich massiv verteuern wird, was ja auch schon Thema in der Debatte zum letzten Tagesordnungs­punkt war. Es fehlt eine nachhaltige Finanzierung des Staatshaushaltes, etwa über ver­mögensbezogene Steuern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen noch nicht, wie die Kosten der Krise gestemmt werden. Wir wissen aber, dass 2023 die europäischen Fiskalregeln wieder in Kraft gesetzt werden. Das heißt, es ist damit zu rechnen, dass dann eine Budgetsanie­rung ins Haus stehen wird, die für all jene, die einen starken Staat brauchen – und das sind viele, eigentlich sind es wir alle –, Schlimmes erahnen lässt. Wir haben ja gesehen, dass es ein starker Sozialstaat war, der uns durch schwere Zeiten geholfen hat, zunächst durch die Finanzkrise und dann durch die Gesundheitskrise. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Star war – davon hat man auch gesprochen – der starke Sozialstaat, er hat uns stark gemacht und stark gehalten. Und gerade unser Sozial- und Gesundheitssystem müsste jetzt noch einmal gestärkt und resilient gestaltet werden. Die Frage der Finanzierung der Pflege wird aber offengelassen, und die Pflege wird mit einem Minimalbetrag ausge­stattet. Jetzt wäre wirklich die Chance, und es besteht auch die akute Notwendigkeit – der Herr Landeshauptmann von Vorarlberg hat es auch schon eindrücklich angespro­chen –, für eine nachhaltige Finanzierung der Pflege zu sorgen.

Ein Ansatzpunkt wäre da eine Vermögensteuer, natürlich nur auf große Vermögen oder Erbschaften von über 1 Million Euro. Sie wäre jetzt möglich und auch dringend notwen­dig, weil bei der Pflege alle am Limit sind: das Personal, die Angehörigen und auch die Gemeinden, wie heute schon mehrfach und von mehreren Fraktionen angesprochen wurde. Der Pensionistenverband weist darauf und auch auf den Umstand, dass die Pen­sionsanpassungen und die Erleichterungen für Pensionistinnen und Pensionisten abso­lut unzureichend sind, schon jahrelang hin, weil diese unglaublich unter den Teuerungen leiden und das wirklich nur unzureichend berücksichtigt wird. Es wurde auch darauf hin­gewiesen, dass bei den Bemessungsgrundlagen der PVA wirklich rasch darauf zu drän­gen ist, dass der aktuelle Stand herangezogen wird und dass Pensionistinnen und Pen­sionisten schnellstmöglich eine Nachzahlung bekommen. Das wollte ich Ihnen auch mit auf den Weg geben.

Zum Familienbonus: Die Regierungsfraktionen haben sich bereits ausgiebig dafür ge­rühmt und werden das auch weiterhin tun. Dazu gehört aber schon gesagt, dass 180 000 Kinder in Österreich von diesem gar nichts haben, weil ihre Eltern, oftmals al­leinerziehende Mütter, einfach zu wenig verdienen, um ihn in Anspruch zu nehmen. Das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben werden!, gilt also traurigerweise auch bei den Fa­milien, bei den Kindern. (Beifall bei der SPÖ.) Darüber, meine sehr geehrten Damen und


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Herren, helfen auch einige Korrekturen, die auf Druck dann noch vorgenommen wurden und auf welche die Rednerinnen und Redner der Regierungsparteien wahrscheinlich noch ausgiebig hinweisen werden, nicht hinweg.

Besser, einfacher zu administrieren und gerechter wären generell eine Anhebung der Familienbeihilfe, aber auch mehr Sachleistungen für Familien, wie beispielsweise ein kostenfreier Kindergarten, gewesen. Wir warten ja auch noch auf das zweite Gratiskin­dergartenjahr, das schon unmittelbar vor der Umsetzung war, das umsetzungsreif gewe­sen wäre, aber dann wieder fallen gelassen wurde; die Rahmenbedingungen und Um­stände kennen wir mittlerweile. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Ich möchte auch an die grüne Fraktion appellieren, da mehr Druck hineinzulegen.

Von einer Anhebung der Familienbeihilfe hätten auch die Studierenden und natürlich die Kinder von Geringverdienenden, die jetzt billig abgespeist werden, mehr. Die gestiege­nen Preise treffen diejenigen, die einen Großteil ihres Einkommens für das tägliche Le­ben aufwenden müssen, besonders hart. Lebensmittel, Wohnen, Energie, die Dinge des täglichen Bedarfs werden immens teurer, und zwar dauerhaft. Dafür braucht es nach­haltige, dauerhafte Unterstützungen zur Stärkung der Kaufkraft. Einmalzahlungen und Pauschalbeträge wie der Familienbonus oder der Klimabonus –wir werden davon heute noch ausgiebig hören – reichen nicht aus, um die Mehrbelastungen wettzumachen, ganz egal welche Postleitzahl man hat.

Zur Senkung der Tarifstufen für mittlere und höhere Einkommen sage ich: Diese ist posi­tiv, man hätte sie natürlich noch ausweiten und die BezieherInnen von niedrigeren Ein­kommen stärker entlasten können. Auch diese Tarifsenkung ist aber nur eine kurzfristige Entlastung, weil die Effekte durch die kalte Progression, sprich Inflation und allgemeine Lohnerhöhungen, schon 2026 aufgefressen sein werden, wie uns viele Institute vorge­rechnet haben.

Bei den Konzernen ist man großzügiger, indem man die Körperschaftsteuer senkt. Dazu ist aber auch zu sagen, dass 80 Prozent des Senkungsvolumens nur 2 Prozent der Betriebe zugutekommen. Auch da gilt also das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben wer­den!, denn die Großen bekommen das größte Stück des Kuchens und die Kleinen, die in der Pandemie besonders gelitten haben, werden wieder mit Bröseln abgespeist. Eine Senkung der Mindestkörperschaftsteuer wäre gerechter gewesen, sie hätte bei Betriebs­gründungen geholfen und natürlich auch Start-ups mehr unterstützt.

Die Großen, die ja auch bei den Coronahilfen am meisten abgesahnt haben, reiben sich die Hände. Da hat sich anscheinend so manche freundliche Zuwendung an die ÖVP mehr als ausgezahlt. (Beifall bei der SPÖ.) Eine solche Lobby haben die Menschen, die jetzt voll zur Kasse gebeten werden, um ihre Wohnungen zu heizen oder in die Arbeit zu kommen, nicht.

Der Vorarlberger Landeshauptmann hat heute schon warnende Worte an die Bundesre­gierung gerichtet: Klimaschutz darf nicht nur etwas für Privilegierte sein, sondern – das ergänze ich jetzt – muss für alle lebbar und leistbar sein! Diese Anforderung erfüllt die sogenannte ökosoziale Steuerreform nicht, denn Mieterinnen und Mieter können sich ihr Heizsystem nicht aussuchen, aber auch viele Eigentumswohnungsbesitzer und -besit­zerinnen nicht, wenn sie in Mehrparteienhäusern wohnen. Auch das Transportmittel kön­nen sich nicht alle aussuchen, selbst wenn sie in Städten wohnen.

Die Maßnahmen sind also in vielen Bereichen nicht treffsicher. Wie Sie wissen, haben wir ja kein Teileinspruchsrecht, sondern können nur in der Gesamtheit abstimmen, und da spricht leider zu viel dagegen, weil es letztendlich ein großes Belastungspaket und leider auch eine Mogelpackung ist. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.20


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Karl Bader. – Bitte.



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12.20.51

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Eine Mogelpackung ist diese Steuerreform keinesfalls. Sie ist etwas, mit dem wir, die Regierungsparteien, einen gewaltigen Meilenstein im Regierungsprogramm zur Umsetzung bringen. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Sozialdemokratie nicht für die Entlastung der Menschen ist. (Heiter­keit der Bundesrätin Schumann. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Menschen entlasten, den Standort sichern und, zum Dritten, die Nachhaltigkeit stärken: Das sind die drei Säulen, auf denen diese ökosoziale Steuerreform aufgebaut ist. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht darum, dass wir – wie heute schon in der Aktuellen Stunde diskutiert wurde – mit den sozialen Maßnahmen und den Sofort­maßnahmen gegen die Teuerung die Menschen entlasten wollen. Wir haben eine Ver­antwortung und nehmen diese auch wahr. Gerade in Zeiten, in denen wir uns wirtschaft­lich im Aufschwung befinden – die Wirtschaftswachstumsprognosen sind sehr, sehr positiv –, ist es notwendig, entsprechend Stabilität zu geben. Es geht um die Sicherung von Arbeitsplätzen, es geht um die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich und es geht keinesfalls um Klassenkampf, wie er jetzt gerade hier von Kollegin Grossmann angepriesen wurde.

Die Lohnsteuersenkung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der zweite Schritt, der in dieser Steuerreform gesetzt wird. Voriges Jahr schon wurde der Eingangssteuer­satz von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Im Jahr 2022, im heurigen Jahr, wird die zweite Steuerstufe von 35 auf 30 Prozent gesenkt, nächstes Jahr dann die nächste Steuerstufe von 42 auf 40 Prozent. Das Weitere: Der Familienbonus – ein sehr, sehr zentrales Pro­jekt, das wir mit Schwarz-Blau auf den Weg gebracht haben – wird um ein Drittel erhöht. Der Klimabonus beträgt bis zu 200 Euro. Das sind Entlastungsmaßnahmen, die ganz einfach die Kaufkraft der Menschen in unserem Land stärken werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der BundesrätInnen Kittl und Schreuder.)

Daher können wir betreffend das Volumen von 18 Milliarden Euro in jedem Fall auch getrost von der größten Steuerreform der Zweiten Republik sprechen. Der Vergleich macht mich in diesem Punkt einfach sicher: Die neue deutsche Bundesregierung hat sich auch zum Ziel gesetzt, eine Steuerreform auf den Weg zu bringen, und sie spricht von einem Volumen von 30 Milliarden Euro. Da muss man nur den Vergleich Österreich-Deutschland hernehmen, um klar zu sehen, dass das, was wir hier vorlegen, wirklich ein breites Paket ist.

Es geht um die breite Entlastung auf der einen Seite und es geht natürlich auch um das Thema Klimaschutz. Wir wollen die Entlastung der arbeitenden Menschen und der Fa­milien – wir gehen da wirklich in die Breite –, eine Entlastung der Wirtschaft, womit na­türlich auch eine Sicherheit für die Arbeitsplätze in unserem Land verbunden ist, die wir ganz dringend brauchen. Wir haben heute auch vom Herrn Landeshauptmann gehört, dass für eine qualitative Region die Arbeitsplätze eine wesentliche Grundlage sind. Es geht um den Standort, es geht um die Landwirtschaft und es geht natürlich auch um unsere Senioren. Wir haben die Verantwortung, den Aufschwung auch entsprechend abzusichern.

Wesentlich ist natürlich auch der Bereich der Umweltmaßnahmen. Das ist etwas, das wir unseren nächsten Generationen ganz einfach schuldig sind. Wir haben das Erneu­erbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen, haben es heute auch noch einmal auf der Tages­ordnung. Wir wollen natürlich auch Klimaziele erreichen, aber da haben wir noch einiges zu tun, und daher wird im Zuge dieser Steuerreform die CO2-Bepreisung eingeführt. Die Einnahmen aus dieser werden mit dem Klimabonus an die Menschen zurückgegeben.


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Weil es zu diesem Klimabonus auch Diskussionen gab und gibt, eine klare Botschaft: Es ist ganz einfach ein Unterschied, wenn man im ländlichen Raum zu Hause ist und auf das Auto angewiesen ist, weil die Angebote im öffentlichen Verkehr trotz vieler Initiativen der Bundesländer noch nicht so perfekt sind und es doch einen Unterschied zur Stadt gibt. Es ist daher auch gerecht, dass es den Klimabonus eben in abgestufter Form geben wird.

Experten bescheinigen uns auch, dass mit dieser Steuerreform zu erwarten ist, dass das Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren mit in etwa 1 Prozent gestützt wird, und das ist eine für uns alle auch ganz, ganz wichtige wirtschaftspolitische Maßnahme. Es gibt eine sehr breite Unterstützung.

Weil heute von der Sozialdemokratie schon zweimal die Gemeinden angesprochen wur­den: Ja, die Gemeinden stehen unter einer großen Belastung, aber gerade jetzt im Hin­blick auf die Steuerreform, durch die ja weniger an Bundessteuern hereinkommt und dadurch auch im Finanzausgleich weniger aufgeteilt werden kann, ist den Gemeinden zugesichert, dass der Entfall von 840 Millionen Euro ausgeglichen wird und den Gemein­den nicht angelastet wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Das ist jetzt nur ein Beispiel, was die Gemeinden betrifft. Um die Dimension dieser Re­form entsprechend noch sichtbarer zu machen: Es sind weit mehr als zehn Entlastungen und Förderungen, die in dieser Steuerreform beinhaltet sind, um diese Ziele zu errei­chen, und ich glaube, dass wir uns heute hier im Plenum wirklich mit einem Paket prä­sentieren, das getrost auch Ihre Zustimmung erhalten soll. Dazu lade ich auch sehr, sehr herzlich ein und bedanke mich für die guten Verhandlungen, die geführt wurden, um zu diesem Ergebnis zu kommen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätinnen Hau­schildt-Buschberger und Kittl.)

12.27


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Johannes Hübner. – Bitte schön.


12.27.21

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Zuschauergalerie und vor den Fernsehern! Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Frau Minister! Kollege Bader, ich werde Ihnen ganz kurz erklären, warum dieses Paket nicht annähernd so gut ist, wie Sie sagen, und warum Sie unsere Zustimmung dazu nicht finden werden.

Das liegt in erster Linie einmal daran, dass dieses Paket – und vor allem der erste Teil, Punkt eins, den wir verhandeln, das Ökosoziale Steuerreformgesetz – uns zeigt, wie man Gesetze nicht macht, wie man das nicht machen soll. Wenn Sie davon reden, dass damit Arbeitsplätze gesichert werden, dann gebe ich Ihnen in einem Punkt recht: Gesi­chert und geschaffen werden Arbeitsplätze in der Zunft der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, weil das, was da gemacht wird, alleine niemand mehr verstehen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen Sie sich nur, bevor Sie das Gesetz loben, den neuen § 11 im Einkommensteu­ergesetz an! Das zeigt Ihnen, wie steuerliche Bestimmungen, Abgabenbestimmungen dazu missbraucht werden, durch Unlesbarkeit und Unexekutierbarkeit ohne Beiziehung von Experten eine sogenannte lenkende Maßnahme, die in der Steuerpolitik nichts zu suchen hat, zu kreieren. Ich will aber darauf gar nicht eingehen, das ist so komplex, die Hunderten Seiten, die das Einkommensteuergesetz jetzt schon umfasst (Bundesrat Steiner: Die der Bader eh nicht versteht!), werden durch Dutzende Seiten allein im Rah­men dieser Gesetzesnovelle ausgeweitet.


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Ich werde aber ein Beispiel nennen, das sehr typisch ist. Es gibt ja auch Steuererhöhun­gen, wie Sie gesagt haben, weil das Ganze ja zumindest zum Teil ein Umverteilungspa­ket ist. Nehmen wir zum Beispiel die Besteuerung von Kryptowährungen: Zur Gewinnbe­steuerung aus Kryptowährungen kann man ja beziehungsweise würde Hons Pe­tutschnig, der berühmte Blogger aus Schlatzing, sagen: Na ja, das kann man ja lassen! – Jetzt aber kommt es: Was ist eine Kryptowährung? – Jeder weiß, was es ist. Wenn es jemand definieren müsste, würde er sagen: Eine Kryptowährung ist eine digital geschaf­fene und handelbare Einheit, deren Wert in Geld ausgedrückt werden kann. – So irgend­wie würde man es sagen, das würde jeder verstehen. So denkt, versteht und handelt aber der Gesetzgeber und auch die Bundesregierung natürlich nicht. Ich werde Ihnen vorlesen, was alleine aus dieser Definition geworden ist, und dann werden wir fragen – auch den Herrn Minister –, was Ihnen dabei auffällt.

Was ist jetzt eine Kryptowährung im Deutsch der Bundesregierung und ihrer Legisten? – Also: „Eine Kryptowährung ist eine digitale Darstellung eines Werts, die von keiner Zen­tralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht zwangs­läufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden ist und die nicht den gesetz­lichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert wird und die auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann.“ (Ruf bei der ÖVP: Na ja, versteht ja jeder! – Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Brunner. – Zwischenruf des Bundesrates Prein­eder.) – Das versteht jeder.

Jetzt frage ich Sie, Herr Minister – wenn Sie sich schon einmischen, muss ich Sie das fragen –: Was fällt Ihnen dabei auf? Fällt Ihnen bei diesem Text etwas auf? (Bundesmi­nister Brunner: Sie sagen es mir ...!) – Ja, dann werde ich es Ihnen sagen: Das sind ja lauter Unds, also kumulativ, es muss alles zutreffen, damit man von einer Kryptowährung sprechen kann – da werden Sie mir recht geben.

Nehmen wir einmal diesen einen Halbsatz, das ist, glaube ich, der vierte Halbsatz von diesen insgesamt neun, heraus, der heißt: „und die nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt“. – Was fällt Ihnen bei diesem Halbsatz auf? Noch immer nichts? Dann sage ich Ihnen etwas: Seit September 2021 zum Beispiel ist die Krypto­währung Bitcoin in El Salvador neben dem Dollar gesetzliche Währung. Es gibt sogar einen staatlichen Garantiefonds, der das Kursrisiko abdeckt. Was heißt das also? – Bit­coin, die Kryptowährung, die in Österreich über 60 Prozent aller Umsätze mit sogenann­ten Kryptogeldern oder Kryptowährungen ausmacht, ist von dieser Regelung überhaupt nicht umfasst.

Sie machen eine Regelung, die alle kleinen, unbedeutenden – vielleicht auch die NFTs – umfasst, aber nicht die einzig wichtige Kryptowährung, nämlich den Bitcoin. Jetzt frage ich mich: Was soll denn das? Das ist ja keine Neuigkeit, dass Sie sagen könnten: Ah, das habe ich gestern erst in der Zeitung gelesen, dass das eingeführt wurde! – Ich habe es mir angeschaut: Bereits am 11. Juni 2021 wurde dieses Gesetz in El Salvador vom dortigen Kongress verabschiedet, und niemandem ist das aufgefallen.

Was kann ich dazu sagen? – Vielleicht eines noch – es ist ja lustig –: Die Bestimmungen über das Inkrafttreten sind auch interessant, sie sind in § 124b geregelt. Wissen Sie, wie viele Ziffern in diesem § 124b – ich spreche vom Einkommensteuergesetz – bereits exis­tieren? – Da muss ich selbst schauen: Es sind 382. Also allein der eingeschobene § 124b hat schon 382 Ziffern. Und damit es nicht zu einfach wird, werden diesen 382 Ziffern jetzt die Ziffern 383 bis 394 hinzugefügt.

Jetzt kann man sagen: Na ja, die Besteuerung von Kryptowährungen – abgesehen da­von, dass sie aufgrund der Formulierung, die Sie gewählt haben, ohnehin ein Witz ist – muss ja irgendwann beginnen und die könnte man ja einfach regeln. Man könnte sagen,


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sie betrifft Erträge aus Kryptowährungen, die vor dem 1. März 2021 angeschafft und nach dem 28.2.2022 ertragswirksam veräußert wurden. Das könnte man so regeln, dann würden die Bürger das vielleicht verstehen und es wäre ein bisschen kürzer.

Wie aber haben Sie das geregelt? – Ich muss Ihnen das einfach vorlesen, damit Sie sehen, in welcher Weise da der Irrsinn in die Legistik eingezogen ist, also von El Salva­dor überhaupt abgesehen. Es heißt: „Werden Kryptowährungen, die vor dem 1. März 2021 angeschafft wurden, nach dem 28. Februar 2022 zur Erzielung laufender Einkünfte aus Kryptowährungen gemäß § 27b Abs. 2 oder zum Erwerb von Kryptowährungen ge­mäß § 27b Abs. 2 zweiter Satz verwendet, ist bereits § 27b Abs. 2 anzuwenden und die erworbenen Kryptowährungen gelten als nach dem 28. Februar 2021 angeschafft. [...] Wer­den Kryptowährungen nach dem 31. Dezember 2021 und vor dem 1. März 2022 steuer­pflichtig realisiert, können die Einkünfte auf Antrag des Steuerpflichtigen bereits als Ein­künfte im Sinne des § 27b behandelt werden.“

Alles verstanden? Ich glaube, ein Kommentar ist überflüssig. Zustimmung zu einer sol­chen Bestimmung wird es unsererseits sicher nicht geben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.34


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


12.34.39

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin, alles Gute für das nächste halbe Jahr – auch für Präsidentin Schwarz-Fuchs! Liebe Frau Minister! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen hier und vor den Bildschirmen! Vor allem liebe KollegInnen von der SPÖ und der FPÖ! Ich bitte Sie, hören Sie auf mit Ihrer Kritik, dass diese Steuerreform nicht sozial und nicht ökologisch ist. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Hübner: Mit der Kritik aufhören ...!) Sie wissen es ganz genau – und vielleicht schreien Sie deswegen so laut –: Es ist die erste Steuerreform, die genau das ist: ökologisch und sozial. (Beifall bei BundesrätInnen von Grünen und ÖVP. – BundesrätInnen Steiner-Wieser und Steiner: Asozial!)

Ich bin stolz darauf, dass ich heute darüber reden und diese Steuerreform auch mit in Umsetzung bringen kann, denn sie ist, Herr Bader hat es schon gesagt, nachhaltig, ver­teilungsgerecht und ökonomisch vernünftig, und es ist eine Steuerreform, die aufgrund der Klimakrise schon lange überfällig ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Weder unter blauer Regierungsbeteiligung noch in den unendlich vielen Jahren der Re­gierung mit der SPÖ oder im Rahmen der letzten großen Steuerreform 2015/16 (Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner) unter einem roten Bundeskanzler ist so etwas ge­lungen. Sie haben damals weder die kalte Progression abgeschafft noch mit dem ver­bleibenden Spielraum, den die Nichtabschaffung der kalten Progression zulässt, den Klimaschutz gefördert und gleichzeitig eine sozial tragfähige und verteilungsgerechte Steuerreform geschaffen; sie war auch nicht gendergerecht.

Noch zwei wichtige Punkte zur kalten Progression, erstens: Die heutigen Entlastungen machen weit mehr aus, als die Abschaffung der kalten Progression ausmachen wür­de. Und zweitens: Von der Abschaffung der kalten Progression haben die untersten Ein­kommen gar nichts, denn sie sind von ihr gar nicht betroffen. (Zwischenruf der Bundesrä­tin Hahn.)

Und noch ein Letztes: Genauso wenig hat die SPÖ in der Zeit ihrer Regierung einen Finger gerührt, ein wichtiges Umverteilungsinstrument auf gesetzlich einwandfreie Beine zu stellen, nämlich die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Ja, bis vor Kurzem haben


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Sie sich sogar gescheut, die Einführung einer Vermögenssteuer zu fördern – gar nicht zu reden von der FPÖ, die eine solche nie wollte.

Zurück zur ökosozialen Steuerreform – lassen Sie mich noch einmal erklären, warum sie die ökologische Wende einläutet und warum sie für alle Menschen in Österreich gerecht ist –: Mit dieser Steuerreform schlagen wir einen Weg ein, der den Klimaschutz ernst nimmt und ihn als Prämisse in der Budgetpolitik einführt. Kollegin Schwarz-Fuchs hat es in ihrer Eingangsrede schon treffend gesagt, die Bekämpfung der Klimakrise ist der poli­tische Imperativ. Wir fangen also endlich an, den Klima- und Umweltschutz als Basis unseres politischen Handelns zu sehen. Endlich integrieren wir umweltfreundliches Ver­halten in das Alltagsleben und in das wirtschaftliche Handeln – schrittweise und damit leichter akzeptierbar und vorhersehbar und damit besser einplanbar.

Mein Kollege Adi Gross wird später noch über das Ökologische reden, ich konzentriere mich auf die sozialen Aspekte, denn ein wesentlicher Punkt der Steuerreform ist die An­regung zu klimafreundlichem Verhalten, ohne soziale Benachteiligung zu schaffen, ganz im Gegenteil.

Immer wieder wird betont, es profitiere vor allem die Mittelschicht. – Ja, sie erhält große Entlastungen durch die Senkung der Einkommensteuer, einen erhöhten steuerlichen Ab­setzbetrag, den Familienbonus für Menschen mit Kindern. Die sogenannte Mittelschicht sind aber auch EinzelunternehmerInnen, und sie werden zum Beispiel mit einem erhöh­ten Gewinnfreibetrag und einem Freibetrag für ökologische Investitionen sowie anderen steuerlichen Maßnahmen entlastet.

Die Mittelschicht wird deswegen auch entlastet, weil sie den größten Beitrag zum Steuer­aufkommen leistet, genauso wie die Unternehmen, die mit der Senkung der Körper­schaftsteuer entlastet werden, die – nebenbei – keinen großen Anteil an den Gesamtent­lastungen ausmacht.

Beide, Mittelschicht und Unternehmen, sind, wir haben es schon gehört, ein großer Kauf­kraft- und Investitionsfaktor und wichtig für die Wirtschaft. Wir wissen: Geht es den Be­trieben und Unternehmen gut, schaffen sie auch Arbeitsplätze, und so haben auch diese Steuerentlastungen für die Mittelschicht Auswirkungen auf alle Einkommensverhältnisse.

Diese Steuerreform legt aber zusätzlich großes Augenmerk auf Menschen mit niedrigem Einkommen, egal ob diese angestellt oder selbstständig sind, auf Menschen, die oft ar­mutsgefährdet sind, die so wenig verdienen, dass sie keine Einkommensteuer bezahlen und daher auch nicht von einer Verringerung der Einkommensteuer durch geringere Ta­rifsätze oder durch Absetzbeträge profitieren können, und auf Menschen, die hauptsäch­lich von Transferleistungen leben.

Für sie wurden zusätzliche eigene Steuerinstrumente geschaffen: die Erhöhung des So­zialversicherungsbonus, also geringere Sozialversicherungsbeiträge für Angestellte, die Reduzierung des Krankenversicherungsbeitrags mittels Gutschrift für eine halbe Million Selbstständige, der Kindermehrbetrag, vor allem für Alleinerziehende, und eben die Rückverteilung der CO2-Bepreisung durch den Klimabonus an alle Menschen in Öster­reich, auch an Kinder.

Gerade der Klimabonus trägt zu einer starken Entlastung der einkommensschwachen Haushalte bei. Frau Kollegin Grossmann, hören Sie auf den Budgetdienst: Bei einkom­mensschwachen Haushalten macht der Klimabonus durchschnittlich immer mehr als die Belastung durch die CO2-Bepreisung aus. Genau umgekehrt ist es bei den höheren Einkommen: Je reicher ein Haushalt ist, desto mehr CO2 verbraucht er durchschnittlich, und damit ist auch seine CO2-Preisbelastung höher, aber nicht der Klimabonus.

Noch ein paar Feststellungen vom Budgetdienst: Die relative Entlastung durch die Steu­erreform führt zu einem Anstieg des verfügbaren Haushaltseinkommens im untersten


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Einkommensdezil und bis zum siebenten Dezil um durchschnittlich 3 Prozent. Damit gelingt es, die bisher übliche und wie auch von der EZB prognostizierte zukünftige Teue­rungsrate abzufedern. Auch der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit misst, sinkt um ein halbes bis 1 Prozent, was einen Rückgang in der Ungleichheit bedeutet.

Ich komme anschließend noch zu den Teuerungen im Energiebereich. Auch die Steuer­reform selbst hat Preisschwankungen nach oben und unten bei den Energiepreisen mit­bedacht, indem sie die CO2-Bepreisung eben entlang solcher Schwankungen ausrichtet: Steigen die Energiepreise, wird die CO2-Bepreisung nicht so stark angehoben, und um­gekehrt.

Was aber ebenso wichtig ist: Die ökosoziale Steuerreform muss immer in Verbindung mit anderen Maßnahmen gesehen werden, einerseits natürlich mit einer erhöhten Flug­abgabe, der Ökologisierung der Nova oder steuerlichen Anreizen zur Nutzung des öf­fentlichen Verkehrs, aber auch nicht steuerlichen Maßnahmen wie dem Umstieg auf Energiegewinnung aus Erneuerbaren mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen wird langfristig gedacht, um die Abhängig­keit von fossilen Energieträgern zu beenden, die nicht nur unserer Umwelt, unserem Klima und unserer Gesundheit schaden, sondern auch unserem Frieden, wie wir gerade sehen. Und sie beeinflussen aus geopolitischen Überlegungen unsere Preise. Mit der Energiewende – wie Kollege Lackner es sagte: erneuerbare Energie made in Austria – können wir uns von diesen Drohszenarien befreien.

Weitere Maßnahmen, die in Verbindung mitgedacht werden müssen, sind die Förderung von thermischer Sanierung und des Heizkesseltausches. Auch da wurde wieder nach ökosozialen Maßstäben geregelt: Der Tausch wird für das unterste Einkommensfünftel zu 100 Prozent gefördert, und für die, die einen Teil selbst zahlen, ist das steuerlich absetzbar. Ja, es braucht auch noch Anreize für VermieterInnen, damit auch sie Heizsys­teme und Häuser energieeffizient und im Verbrauch günstiger machen. Das ist in Arbeit.

Wir hören ja nicht auf, an einer ökosozialen Systemänderung zu arbeiten, „nur“ – unter Anführungszeichen – weil wir heute diese einmalige Steuerreform beschließen, die einen großen, ja den wichtigsten Schritt dazu setzt. Wir hören auch nicht auf, an einer Pflegereform zu arbeiten.

Weitere Maßnahmen, die das Ökologische in den Mittelpunkt stellen und Lenkungseffek­te erzeugen, sind natürlich das Öffiticket und der Öffi- und Bahnausbau. Das Öffiticket bleibt bis 2025 zum gleichen Preis erhältlich.

Die Steuerreform steht nicht allein und nicht im regelfreien Raum, sondern ist immer auch mit allen anderen Maßnahmen zusammen zu denken. Genau das macht umsichti­ge Politik aus. Dass SPÖ und FPÖ dieser Steuerreform nicht zustimmen, ist für mich nicht nachvollziehbar, vor allem, weil sie beide behaupten, sie verträten Menschen mit geringem Einkommen. Dass sie das aber nicht tun, dass sie nicht verstehen, dass Kli­mapolitik eigentlich Sozialpolitik schlechthin ist, zeigt sich wohl am besten in Wien, auch in den vergangenen Tagen, wo sie täglich eine Politik des Autofahrens machen, wo kein Parkplatz für einen Baum oder für FußgängerInnen oder RadfahrerInnen geopfert wer­den darf, wo Straßen wichtiger sind als ein radikaler Rückbau des Autoverkehrs, als ein radikaler Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Forcierung smarter und geteilter Mo­bilität. Würden Sie diese fehlgeleitete Politik, die keine Sozialpolitik ist, endlich erkennen und umschwenken, würden Sie hier und heute zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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12.44


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte schön.


12.44.40

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben drei Tagesordnungspunkte in einer Debatte zusammengefasst. Ich werde mich von hinten vorarbeiten.

TOP 3 betrifft eine Reduktion des Beitragssatzes in der Krankenversicherung für selbst­ständig Erwerbstätige und Bauern mit niedrigen und mittleren Einkommen. Wir NEOS sind bereits im Nationalrat dagegen gewesen, weil das dem Versicherungsprinzip wider­spricht. Die Krankenversicherungsbeiträge richten sich nach dem Einkommen bezie­hungsweise Gehalt, wodurch bereits ein sozialer Ausgleich stattfindet, da Besserverdie­ner ja nicht ungesünder sind und damit keine höheren Pro-Kopf-Ausgaben für das Ge­sundheitssystem verursachen würden.

Es wurden die Sozialversicherungsbeiträge der Bauern und Selbstständigen bereits bis­her subventioniert: in der Pensionsversicherung aufgrund des niedrigeren Beitragssat­zes im Vergleich mit dem ASVG mit ungefähr 700 Millionen Euro im Jahr, in der Kran­kenversicherung, wiederum aufgrund bereits niedriger Beitragssätze gegenüber dem ASVG, mit 100 Millionen Euro im Jahr. Nun sollen die Krankenversicherungsbeiträge für Bauern und Selbstständige nochmals reduziert werden. Das ist ungerecht. Ein sozialer Ausgleich würde über Transferleistungen beziehungsweise eine Negativsteuer besser gelingen. Weiters führt diese Beitragssenkung zu einem Teilzeitanreiz, was wiederum abzulehnen ist.

Jetzt zu TOP 2, dem Klimabonusgesetz: Es kommt dann wieder teilweise in TOP 1 vor, beim Steuerreformgesetz, im Detail jedoch in TOP 2. Der in dieser Form eingeführte Klimabonus reduziert leider die Lenkungswirkung der CO2-Bepreisung. Die Staffelung, die nach der Postleitzahl erfolgt, ist sachlich nicht gerechtfertigt, weil ausschließlich eine Berücksichtigung der Anbindung an den öffentlichen Verkehr bei fehlender Berücksich­tigung von Heizkosten stattfindet. Das ist auch im Begutachtungsverfahren vom KDZ kritisiert worden. Die Organisation der Abwicklung, die über das BMK neu aufgesetzt wird, schafft ineffiziente und teure Doppelstrukturen, anstatt dass eine ökonomische Ab­wicklung über die Finanzverwaltung oder zumindest über eine bestehende Struktur im Sozialministerium gewählt worden ist. Es gibt ein weiteres Problem beim Datenschutz: Die Daten von Meldebehörden, Finanzministerium und Pensionsversicherungen müs­sen zusammengetragen und verknüpft werden.

Was wir NEOS stattdessen vorschlagen, um die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung rückzuverteilen, wären eine Abschaffung der Mineralölsteuer, der MBV-Abgabe, der Nova, eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine Reduktion der Mehrwertsteuer. Das wäre treffsicherer.

Schließlich zum großen Sammelgesetz, zum Steuerreformgesetz, TOP 1: Da keine ge­trennte Abstimmung möglich ist, werde ich die einzelnen Punkte einzeln ansprechen. Die im Einkommensteuergesetz vorgesehene steuerliche Begünstigung der Gewinnbe­teiligung bis zu 3 000 Euro im Jahr begrüßen wir. Es ist gut, wenn den Unternehme­rinnen und Unternehmern Instrumente zur Verfügung gestellt werden, um zusätzliche Anreize für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzuführen. Was es aber auch noch brauchen würde, wäre ein System der Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmen und nicht nur am Gewinn, wie von der österreichischen Start-up-Szene schon seit Jahren gefordert. Wir NEOS haben hier schon mehrfach auf rasche Reformen gedrängt und werden das angekündigte Gründerpaket der Regierung diesbezüglich genau prüfen.

Die Erhöhung des Gewinnfreibetrags begrüßen wir, die Entlastung von Unternehmerin­nen und Unternehmern ist dringend nötig. In diesem Fall passiert das für alle natürlichen Personen mit betrieblichen Einkunftsarten, was grundsätzlich positiv ist. Die Einführung


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des Beteiligungsfreibetrages von 50 Prozent bis zu einer Höhe von 100 000 Euro bei Beteiligungen von Privaten und Unternehmen begrüßen wir ebenfalls. Die Anhebung der Sofortabschreibung von GWG von 800 auf 1 000 Euro begrüßen wir. Die pauschale Abzugsfähigkeit der Ausgaben für den Heizkesseltausch begrüßen wir. Das ist eine ver­gleichsweise kostengünstige Maßnahme, die viel Wirkung zeigen kann.

Zum Thema Besteuerung von Einkünften aus Kryptowährungen beziehungsweise – in Wirklichkeit – Kryptoassets: Notwendig wäre, wenn es schon eine Angleichung der steu­erlichen Regeln für Kryptoassets an jene für Wertpapiere gibt, zum Beispiel die gleich­zeitige Einführung einer Behaltefrist. Das wurde bisher versprochen, ist aber noch nicht gekommen; die Diskussion führen wir schon länger. Wer längerfristig anlegen will, dem sollten Sie als Finanzminister, sollte die Gesetzgebung nicht ständig das Ersparte weg­nehmen. Das gilt für Kryptoassets genauso wie für konventionelle Anlagen, um die Pen­sion aufzubessern.

Die Senkung der zweiten und der dritten Tarifstufe begrüßen wir. Die Erhöhung des Fa­milienbonus Plus begrüßen wir. Die Ausweitung des Bezugs des Kindermehrbetrags auf alle Bezieher von Niedrigeinkommen begrüßen wir. Was die Entlastung der Geringver­diener betrifft: Die Erhöhung des Zuschlags zum Verkehrsabsetzbetrag begrüßen wir. Wir sprechen uns aber gegen die Erhöhung des Sozialversicherungsbonus in diesem Zusammenhang aus, weil das wiederum ein Teilzeitanreiz ist, sowie gegen die Erhöhung des Pensionistenabsetzbetrags.

Die degressive Abschreibung wird verlängert, das ist wieder ein positiver Punkt. Die Sen­kung des Körperschaftsteuersatzes begrüßen wir ebenfalls, das geht uns nur ein biss­chen zu langsam. Die Neuregelung im Umsatzsteuergesetz betreffend das Mietkaufmo­dell im gemeinnützigen Wohnbau begrüßen wir ebenfalls, genauso wie die Ausweitung der steuerlichen Begünstigung für Eigenstrom im Elektrizitätsabgabegesetz; das ist auch tatsächlich ein ökologischer Aspekt in diesem Gesetzespaket. Zum Finanzausgleichs­gesetz: Die notwendige Überführung der Bepreisung der Treibhausgasemissionen in den Katalog der ausschließlichen Bundesabgaben ist sehr formal, aber ein notwendiger Punkt.

Jetzt noch einmal zum CO2-Preis, der im Zusammenhang mit dem Klimabonusgesetz schon kurz angesprochen wurde: Wir sind gegen das gewählte Modell, und zwar aus folgendem Grund: Die Einführung des CO2-Preises ist zwar grundsätzlich notwendig, aber der im Gesetz angesetzte Preis ist viel zu niedrig, um einen signifikanten und ra­schen Lenkungseffekt zu entfalten. Zudem wird seine Lenkungswirkung durch die Ein­führung des Klimabonus in der gewählten Form, die Nichtökologisierung des Pendler­pauschales sowie die Nichtabschaffung des Dieselprivilegs plus Carbonleakage und Härtefallregelung für die Industrie noch weiter abgeschwächt. Unterm Strich bleibt daher nichts mehr von der Wirkung dieser CO2-Bepreisung übrig, außer dass man sagen kann, dass man eine eingeführt hat. Das ist leider Etikettenschwindel.

Wie schon gesagt, das NEOS-CO2-Konzept sähe einen deutlich höheren CO2-Preis vor – bis zu 350 Euro pro Tonne –, aber gleichzeitig würden viele andere Abgaben, ver­kehrs- und energiebezogene Abgaben abgeschafft. Die Rückverteilung erfolgt auf die­sem Weg und über eine Senkung der Lohnnebenkosten sowie eine Reduktion der Mehrwertsteuer.

Weil wir vorhin von Regierungsseite Kritik daran gehört haben, dass die Opposition diese Steuerreform als nicht ökologisch kritisiert: Das ist der wesentliche Punkt. Warum ist sie auch nicht nachhaltig entlastend? – Weil die kalte Progression noch immer nicht abge­schafft worden ist. Durch die anziehende Inflation, die mittlerweile um die 5 Prozent be­trägt, wird die geplante Entlastung der Einkommensteuerzahlerinnen und Einkommen­steuerzahler innerhalb von wenigen Jahren wieder aufgefressen werden; deswegen


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können wir der Gesetzesvorlage als Ganzes nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

12.53


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Mir liegt eine Wortmeldung von Herrn Bundesminister Dr. Magnus Brunner zu einer Stellungnahme vor. – Bitte schön.


12.54.06

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Präsidentin, herzli­chen Glückwunsch auch noch von meiner Seite! Liebe Damen und Herren Bundesräte und Bundesrätinnen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, diese ökosoziale Steuerreform ist natürlich eines der zentralen Projekte die­ser Bundesregierung, und ich bin wirklich froh und dankbar, dass wir diesen Meilenstein heute auch im Bundesrat beschließen können. Landläufig wird immer gesagt: Es wurde eh im Nationalrat schon beschlossen und daher ist es durch! Ich bestehe immer darauf, darauf zu verweisen, dass es erst durch ist, wenn es im Bundesrat durch ist, und nicht vorher. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ich möchte mich zu Beginn wirklich auch bei den Expertinnen und Experten bedanken, sowohl bei jenen im Finanzministerium, die sich in den letzten Monaten intensiv damit beschäftigt, eingesetzt haben, Unglaubliches geleistet haben, als auch bei jenen in den Ressorts unseres Koalitionspartners, die ebenfalls ihre Expertise eingebracht und die­sem riesigen Projekt auch zur Umsetzung verholfen haben.

In der Politik spricht man natürlich immer gern über Superlative. Ich bin normalerweise ein trockener Alemanne, aber ich glaube, das kann man wirklich als Superlativ betrach­ten und diese ökosoziale Steuerreform verdient diese Superlative sicher zu Recht. (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.) – Lassen Sie mich aber über die Fakten reden, Frau Kollegin, das tue ich lieber, und ich komme dabei natürlich gerne auch auf ein paar Punkte, die Sie erwähnt haben, zurück!

Fakt ist auf der einen Seite, dass diese Reform mitsamt den ökologischen Anreizen die Österreicherinnen und Österreicher mit über 18 Milliarden Euro bis 2025 entlasten wird. Das ist Fakt, das sagen uns natürlich auch alle Expertinnen und Experten, auch der Budgetdienst des Parlaments übrigens. Das bestätigen uns aber auch Wirtschaftsfor­scher, die Expertinnen und Experten sowohl national als auch international, Wifo, IHS, Währungsfonds, OECD – also wenn man denen keinen Glauben schenkt, weiß ich auch nicht mehr.

Auch der internationale Vergleich macht uns sicher. Das ist auch Fakt: Andere Staaten in Europa erhöhen die Steuern, wir senken sie; dafür sind wir auch angetreten. Wir senken die Steuern. Und es gibt auch vereinzelt Staaten, die auf Österreich schauen, intensiv auf diese Steuerreform schauen und sich an diesem Beispiel Österreich, gerade was das Ökologische und Soziale betrifft – und darauf komme ich auch noch zu spre­chen –, orientieren wollen.

In Deutschland – Faktor zehn – ist eine Steuerreform mit 30 Milliarden Euro geplant; Kollege Bader hat das erwähnt. Das ist wirklich beeindruckend. Ich konnte vorletzte Wo­che Christian Lindner aus Deutschland treffen, der eigentlich sorgenvoll nach Österreich blickt, sorgenvoll aus seiner Sicht, weil ihn das natürlich auch unter Druck setzt (Heiter­keit der Bundesrätin Schumann) und auch viele Unternehmen aus Deutschland überle­gen lässt, ihre unternehmerische Tätigkeit nach Österreich zu verlegen. Das ist also schon etwas, und das wird natürlich auch international so gesehen.

Fakt ist aber auch, dass Österreich wesentlich besser durch die Krise kommt als viele vergleichbare Staaten. Wir haben im vergangenen Jahr trotz der Pandemie einen wirt­schaftlichen Aufschwung erlebt, eine wirtschaftliche Erholung erlebt und wollen unter


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anderem mit dieser ökosozialen Steuerreform diesen Aufschwung nützen und nachhaltig festigen. Darum geht es natürlich auch.

Deshalb bieten wir auf der einen Seite unseren Unternehmen zusätzliche Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu schaffen, Wohlstand in unserem Land zu erhalten. Wenn ich wieder die Expertinnen und Experten des Wifo zitieren darf: Die Wirtschaft wächst in diesem Jahr um über 5 Prozent, und ein 1 Prozent davon – 1 Prozent davon, das ist gewaltig! – ist auf die ökosoziale Steuerreform zurückzuführen. Das sind Zahlen, die man einfach auch nicht negieren kann, und das sind auch sehr erfreuliche Aussichten.

Auch da ist zu sagen: Das behaupte nicht ich. Der Politik wird immer vorgeworfen, Selbstlob zu betreiben, aber das behaupten nicht nur wir, sondern das sagen uns eben sämtliche renommierte Wirtschaftsforschungsinstitute national und auch international: 1 Prozent von diesen 5 Prozent Wachstum aufgrund der Steuerreform – das sind 30 000 Personen zusätzlich, die aufgrund dieser ökosozialen Steuerreform Arbeit finden werden.

Weil auch immer von der kalten Progression gesprochen wird – dieses Thema ist natür­lich ein interessantes; es wurde eh schon erwähnt –: Die Abschaffung der kalten Pro­gression nützt natürlich hauptsächlich den Besserverdienern – darum verstehe ich gera­de bei der Sozialdemokratie dieses Argument eigentlich nicht –, und wir haben uns eben dazu entschlossen, Geringverdiener als Erstes zu entlasten. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Das ist ja der Sinn dieser Steuerreform, deswegen nicht die Abschaffung der kalten Progression in diesem Zusammenhang, sondern ein viel größeres Volumen, mit dem wir eben die niederste Einkommensstufe bereits entlastet haben; mit der zweiten und der dritten Stufe gehen wir noch einen Schritt.

Da können eben auch Schwerpunkte gesetzt werden. Das tun wir mit dieser Steuerre­form, das könnte man mit der Abschaffung der kalten Progression eben nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) – Danke. Wir setzen diese Schwerpunkte, indem wir ökologische Maßnahmen unterstützen, anreizen, indem wir die Geringverdiener am meisten entlas­ten. Das sind die Anreize, die wir setzen, das sind die Maßnahmen, die wir setzen, das sind die Schwerpunkte, die wir setzen. Das könnte man mit der Abschaffung der kalten Progression in diesem Ausmaß nicht tun.

Wir haben uns in der jetzigen Situation entschieden, Schwerpunkte zu setzen. Was sind die Schwerpunkte in dieser Steuerreform? – Das ist zum einen, dass wir arbeitende Menschen und Familien entlasten wollen; das ist zum Zweiten, dass wir den Standort Österreich, den Wirtschaftsstandort Österreich auch nachhaltig stärken wollen; und das sind eben auch Anreize für umweltfreundliches Verhalten, die wir mit dieser Steuerre­form setzen.

Über die CO2-Bepreisung wird viel diskutiert: Ist der Preis zu hoch? Ist er zu nieder? – Darüber kann man natürlich diskutieren. Was die CO2-Bepreisung betrifft, behauptet ja auch niemand, dass die Steuerreform das Allheilmittel für die Ökologisierung insgesamt ist. Das ist ein wichtiger Teil, aber es wird natürlich andere Teile geben und hat schon andere Teile gegeben, die für diese Transformation auch sehr, sehr notwendig sind. Mit der CO2-Bepreisung verändern wir aber das Steuersystem von Grund auf, belohnen also umweltfreundliches Verhalten und auch Investitionen in die Ökologisierung.

Wie gesagt, man kann über die Höhe des Preises trefflich diskutieren. Warum haben wir 30 Euro gewählt? – Auf der einen Seite leben wir in der Mitte Europas. Die deutschen Nachbarn haben 30 Euro, sind niedriger eingestiegen, sind jetzt bei 30 Euro gelandet – das ist einmal ein wesentlicher Punkt. Zum Zweiten müssen wir auch die Lebensrealitä­ten der Menschen berücksichtigen, das Soziale berücksichtigen – das ist ja genau das Ökologische und Soziale dieser Steuerreform.


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Klar ist auch, dass jeder Preis einen Lenkungseffekt hat, wenn die Begleitmaßnahmen entsprechend stimmen, also der Ausbau der Infrastruktur im öffentlichen Verkehr – da wird extrem viel investiert, so viel wie noch nie in dieser Zweiten Republik – und natürlich auch das Schaffen von Angeboten für jeden Einzelnen, um umsteigen zu können, Stich­wort Klimaticket. Darauf wird die Frau Bundesministerin sicher noch eingehen. Also wenn die Begleitmaßnahmen stimmen, wenn man umsteigen kann, dann hat jeder Preis einen Lenkungseffekt, und dieser Preis ist ein realistischer, ein fairer, und deswegen sind wir diesen Weg gegangen.

Wir müssen ja, wenn wir die grüne Transformation, die ökologische Transformation schaffen wollen, die Menschen mitnehmen, die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Wir können doch nicht über die Köpfe der Menschen hinweg irgendwelche Maßnahmen setzen. Wir müssen sie mitnehmen, weil diese Transformation nur gemeinsam gelingen kann, mit den Bürgern, mit den Unternehmen. Nur dann haben wir eine Chance. Wir wollen keine Gelbwestenzustände wie in Frankreich, wir wollen keine negative Abstim­mung wie in der Schweiz. Nein, wir wollen die Bürgerinnen und Bürger auf diesem Weg mitnehmen, und deswegen ist dieser soziale Bereich auch so wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auf die einzelnen Maßnahmen erlaube ich mir, jetzt nicht mehr so im Detail einzugehen, diese wurden von den Vorrednerinnen und Vorrednern bereits erwähnt, auch vom Kollegen von den NEOS, der die einzelnen Maßnahmen ja durchgegangen ist. – Vielen Dank, danke auch für die sachliche Auseinandersetzung, denn man kann bei manchen Maßnahmen dafür oder dagegen sein, man muss fairerweise aber auch dazusagen, wenn etwas positiv ist, also danke für diesen sachlichen Zugang.

Es ist uns wichtig, die Lohn- und Einkommensbereiche zu entlasten. Da ist – und da sieht man auch, wie ernst wir den Begutachtungsprozess genommen haben – vonseiten der Sozialpartner, auch vonseiten der Sozialdemokratie gekommen, dass die Entlastung mit erst Mitte des Jahres zu spät ist. Darauf haben wir reagiert und haben einen Misch­steuersatz eingeführt, damit die Entlastung rückwirkend bereits mit 1.1. dieses Jahres in Kraft tritt und die Menschen in Österreich das auch sofort spüren. Danke für diesen Hin­weis, den wir sehr gerne aufgenommen haben.

Weil es mir auch wichtig ist, diesen sozialen Teil noch einmal herauszustreichen: Wir haben natürlich die kleinen Einkommen und die Pensionen entlastet. Das ist auch ganz entscheidend, darauf haben wir einen Fokus gelegt. Der Zuschlag zum Verkehrsabsetz­betrag wurde bereits inhaltlich erwähnt, auch der Pensionistenabsetzbetrag, der erhöht worden ist. Diese erhöhten Absetzbeträge für Geringverdiener werden auch sofort spür­bar, auch das werden wir rückwirkend mit 1.1. machen, das wird in der Veranla­gung 2021 berücksichtigt. Das, liebe Frau Kollegin (in Richtung Bundesrätin Gross­mann), das ist sozial! Genau das ist eben sozial und darauf sind wir auch stolz.

Auch die Familien profitieren: Die Familien profitieren auf der einen Seite durch den Fa­milienbonus Plus, aber – und das wurde ein bisschen falsch dargestellt (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) – es profitieren natürlich auch Eltern, die wenig oder gar keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, indem wir den Kindermehrbetrag erhöhen und die­ser nicht mehr nur für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher gilt, sondern auch für Fami­lien. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Also wenn das nicht sozial und familienfreundlich ist, dann weiß ich auch nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir schaffen den Ausgleich schon, auch den sozialen Ausgleich. Diese Steuerreform ist sowohl ökologisch als auch sozial.

Vielleicht darf ich auch noch auf zwei Kritikpunkte eingehen. Dr. Hübner, danke für die Vorlesung und auch für die Einblicke, wie es in El Salvador so zugeht. Erstens einmal ist jeder Experte, jede Expertin sehr froh über diese Regelung, weil es endlich auch eine


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Regelung gibt, weil es auch Klarheit in diesem Bereich schafft. Bei den Kryptowährungen geht es ja nicht darum, ob sie ein Staat akzeptiert oder nicht – um das geht es nicht –, sondern es geht darum, dass sie von einer Zentralbank emittiert werden. Das ist eigent­lich das Entscheidende. Unsere Formulierung entspricht auch den geldwäscherechtli­chen Vorgaben, darauf muss man natürlich auch Rücksicht nehmen, und deswegen ist, glaube ich, auch diese Regelung eine sehr, sehr gute. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich noch kurz auf die Diskussion über die Körperschaftsteuer eingehen darf, liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem von der Sozialdemokratie. Es wird natürlich immer wieder kritisiert: Wir gehen von 25 Prozent um 2 Prozent runter. Jetzt muss man aber wissen: Diese 25 Prozent gelten seit 2005. Seit 2005 gelten diese 25 Prozent, und die Welt, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich verändert, hat sich weiterentwickelt, und darauf müssen wir natürlich auch reagieren. Und ich sage Ihnen auch, warum wir re­agieren müssen: Fast alle unsere Nachbarländer haben die Körperschaftsteuersätze ge­senkt. Der durchschnittliche Körperschaftsteuersatz in der EU liegt bei 21,5 Prozent – bei 21,5 Prozent! Wir senken die Körperschaftsteuer auf 23 Prozent, und das ist für aus­ländische Investoren, für den Wirtschaftsstandort Österreich natürlich ganz entschei­dend. Das ist ein sehr wichtiger Faktor für die Standortwahl und dadurch auch für zu­sätzliche Arbeitsplätze, die in Österreich geschaffen werden.

Also es überrascht ein wenig aus meiner Sicht (Bundesrätin Schumann: Nein, es über­rascht nicht!), wenn gerade diese Maßnahmen hier kritisiert werden, und es überrascht weniger, dass unsere deutschen Nachbarn mit Sorgenfalten nach Österreich blicken (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann), weil sie befürchten, dass deutsche Unterneh­men nach Österreich abwandern könnten, und viele Unternehmen überlegen sich das natürlich auch tatsächlich. Das bringt eben Arbeitsplätze, das bringt übrigens auch Steu­ereinnahmen. Interessanterweise sind die Steuereinnahmen über die Körperschaftsteu­er extrem gestiegen, um 55 Prozent in den letzten Jahren, und trotz der Senkung rech­nen unsere Expertinnen und Experten in Österreich damit, dass die Einnahmen sogar noch steigen werden.

Damit komme ich zur Finanzierung einer Steuerreform: Eine intelligente Steuerreform sollte sich von selbst tragen, und das mit genau solchen Maßnahmen. Mit dann schluss­endlich höheren Steuereinnahmen wird sich diese Steuerreform auch finanzieren und auch mit dem Wachstum, zu dem die Steuerreform 1 Prozent von diesen über 5 Prozent beitragen wird.

Zusammengefasst: Die Fakten sprechen, glaube ich, eine sehr eindeutige Sprache, ein Volumen von über 18 Milliarden Euro – netto übrigens, trotz der CO2-Bepreisung –, mas­sive Entlastung in allen Bereichen – Familien, arbeitende Menschen und Unternehmen –, und wir leisten mit dieser ökosozialen Steuerreform auch einen wesentlichen Beitrag für die ökologische Wende und stärken dadurch auch den Standort Österreich. Das ist uns wichtig und ich bedanke mich jetzt schon für die Unterstützung und für hoffentlich eine breite Mehrheit im Bundesrat. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.09


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Ich bitte darum.


13.09.11

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Lieber Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass ich heute mit Ihnen über dieses Projekt, die ökosoziale Steuerreform, sprechen darf, dass ich über den Klimabonus sprechen darf.


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Wir haben im Oktober als Bundesregierung gemeinsam die Grundlagen dafür geschaf­fen, dass diese ökosoziale Steuerreform heute auch im Bundesrat beschlussfertig ist und dass wir nach 30 Jahren des Redens – ja, nach 30 Jahren des Redens – über eine CO2-Bepreisung, über eine ökosoziale Steuerreform in Österreich diese nun auf den Weg bringen. Mit der CO2-Bepreisung, mit dem Klimabonus schaffen wir einen ganz wichtigen Baustein für den Klimaschutz in unserem Land. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wir machen das Steuersystem damit zu einem Hebel für den Klimaschutz. In Zukunft wird der Klimaschutz auch im Steuersystem eine Rolle spielen. Das ist nicht der einzige Ort, wo der Klimaschutz eine große Rolle spielen muss – nein, er spielt auch in unserer Verkehrspolitik, in der Mobilitätspolitik, in der Transportpolitik, in der Energiepolitik, aber eben auch in der Steuerpolitik eine Rolle. Klimaschädliches CO2 bekommt einen gerech­ten Preis, und mit dem Klimabonus sorgen wir gleichzeitig dafür, dass sich Klimaschutz auszahlt. Diese zwei Dinge hängen zusammen, sie verstärken sich auch. – Herr Kollege Arlamovsky, ich werde nachher noch darauf eingehen.

Sie wirken zusammen und zeigen, dass sich Klimaschutz auszahlt, und zwar für unsere Gesundheit, aber auch im Börsl. Den Menschen, die sich klimafreundlich verhalten, bleibt nämlich vom Klimabonus viel übrig und sie zahlen weniger CO2-Bepreisung. Um­gekehrt: Wer sich weiterhin bewusst dafür entscheidet, mehr CO2 auszustoßen, mit dem SUV durch die Innenstadt zu fahren, der wird einen fairen Beitrag dafür leisten, weil wir uns bewusst machen müssen, dass wir alle die Konsequenzen von klimaschädlichem Verhalten tragen: die schlechte Luft, den wenigen Platz, die extreme Hitze, die Zerstö­rung der Lebensgrundlagen. Genau deswegen leistet diese Steuerreform mit der Kom­bination Bepreisung und Klimabonus einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn.)

Sie haben es sicher in den Unterlagen gelesen: Allein im Jahr 2025 wird sich mit diesem Preispfad eine Einsparung von 1,5 Millionen Tonnen CO2 allein aus der Steuerreform ergeben – der Herr Finanzminister hat es auch schon angesprochen –, die mit den un­zähligen Maßnahmen zusammenwirkt, die wir im Hinblick auf den Klimaschutz auf den Weg gebracht haben. Das führt zu mehr Geld im Börsl und weniger Dreck in der Luft – genau dafür braucht es diese ökosoziale Steuerreform.

Wie wir vom Herrn Finanzminister schon gehört haben, ist der Preispfad planbar, er steigt stetig auf 55 Euro im Jahr 2025, geht dann über in ein Marktsystem, das den Len­kungseffekt über eine Begrenzung der CO2-Emissionszertifikate regeln wird. Das haben wir uns gut überlegt, das macht so auch Sinn. Es braucht Planbarkeit, es braucht Vor­hersehbarkeit für die Menschen in unserem Land, für die Unternehmen, die umsteigen können und so Zeit haben, auf bessere, auf klimafreundlichere Alternativen zu setzen.

Gerechtigkeit heißt aber auch – und das hat Frau Kollegin Kittl schon ausgeführt, das hat der Herr Finanzminister vorhin ausgeführt –, dass jemand, der unser Klima schont, auch finanziell belohnt wird. Dazu gibt es den Klimabonus, den wir für alle Menschen in Österreich einführen. Das ist die erste Leistung in Österreich, die alle Menschen in unse­rem Land bekommen, unabhängig davon (Bundesrätin Grimling: Nur die Wiener nicht!) – auch die Wiener bekommen einen Klimabonus (Zwischenrufe bei der SPÖ), wie Sie wissen –, ob sie gerade in Beschäftigung sind, unabhängig davon, ob sie Unterneh­merInnen sind, ob sie arbeitslos sind, studieren, Pensionistin oder Pensionist sind, ob sie unter 18 oder über 18 sind. Jede und jeder in diesem Land bekommt den Klimabonus. Das ist eines der stärksten, auch progressiven Elemente dieser Steuerreform – der Verweis auf den Budgetdienst ist schon gefallen –, und deswegen ist es ein Teil davon. Viele Länder schauen auf uns, dass wir das so, mit einer Rückerstattung an alle, ma­chen, und darauf können wir, glaube ich, wirklich stolz sein. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Alle, die in unserem Land leben, und zwar zumindest 183 Tage des Jahres hier hauptge­meldet sind – das ist das Kriterium –, bekommen daher ab nächstem Jahr 100 Euro fix, Kinder, Sie wissen es, bekommen die Hälfte, den halben Klimabonus, also 50 Euro. Das ist ein Sockelbetrag, den alle in unserem Land bekommen. Zusätzlich gibt es einen Ausgleich je nach Infrastruktur – ich komme gleich dazu, was das heißt; das betrifft nicht nur die Verfügbarkeit von öffentlichem Verkehr –, wo dann gestaffelt noch bis zu 100 Eu­ro dazukommen.

Wie erfolgt die Zuordnung zu diesen Kategorien? – Ich weiß, sie ist intensiv diskutiert worden und sie wird auch noch intensiv diskutiert, wie ich höre. Die Zuordnung zu den Kategorien erfolgt auf Grundlage der Datensätze zur Wohnbevölkerung (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), der Urban-Rural-Typologie der Statistik Austria sowie der Güteklassen im öffentlichen Verkehr, die die Österreichische Raumordnungskonferenz mit dem Klimaschutzministerium macht. Die Verschneidung dieser Datensätze hat die Statistik Austria nach wissenschaftlichen Methoden durchgeführt.

Die regionale Differenzierung ist eine Ergänzung zum Klimabonus, und ich denke, eine sachgerechte Ergänzung, da die Verfügbarkeit von Infrastruktur sich eben unterschei­det – da der Herr Finanzminister hier sitzt –: Wie weit habe ich es zum Finanzamt? (Bun­desrätin Grimling: Weit!) Wie weit habe ich es zur Bezirksverwaltungsbehörde? Wie weit habe ich es zur Schule? Wie weit ist der durchschnittliche Pendelweg? Und natürlich auch: Wie gut ausgebaut ist der öffentliche Verkehr? Genau darauf, auf die unterschiedli­chen Lebensvoraussetzungen, wollen wir Rücksicht nehmen. Herr Bundesrat Bader hat das vorhin schon ausgeführt und auch noch einmal erklärt.

Wir wissen aber auch, dass Infrastruktur in Veränderung ist, und da baue ich auch auf Ihre Unterstützung in der Länderkammer. Infrastruktur ist in Veränderung und wir haben die gemeinsame Aufgabe, auch in den regionalen Zentren, im ruralen Raum dafür zu sorgen, dass es eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr gibt. Damit uns das gelingt, baue ich auf Ihre Unterstützung in den Bundesländern. Wir werden diese Typolo­gien spätestens alle fünf Jahre evaluieren, überarbeiten und anpassen. (Bundesrat Stei­ner: In fünf Jahren sind Sie nicht mehr in der Regierung!) Ich hoffe, dass wir beim Aus­bau des öffentlichen Verkehrs gemeinsam gut weiterkommen.

Vielleicht noch ganz kurz, weil es erwähnt wurde: Wie läuft der Klimabonus ab? – Die Auszahlung des Klimabonus wird antragslos funktionieren. Wir wollen, dass die Men­schen so einfach wie möglich zum Klimabonus kommen. Wir arbeiten gerade die Details aus, bereiten auch die notwendigen Verordnungen vor. Sie wissen, es gibt dafür eine Verordnungsermächtigung im Gesetz. Dort werden alle Details zur Abwicklung geregelt. Sie wird ab 1. Juli 2022 anwendbar sein.

Ich habe vorhin erwähnt, notwendig ist der Hauptwohnsitz in Österreich für 183 Tage im Jahr – das ist die Voraussetzung dafür. Wir wollen einen möglichst niederschwelligen Zugang, deswegen gibt es auch eine Schlichtungsstelle, die im BMK eingerichtet wird und alle Anfragen entsprechend bearbeiten wird. Um die Abwicklung zu ermöglichen, werden dem Klimaschutzministerium die notwendigen Daten nach dem Grundsatz der Datenminimierung zur Verfügung gestellt, damit wir in Zusammenarbeit mit dem Innen­ministerium, dem Finanzministerium und dem Sozialministeriumservice die notwendigen Daten haben, um den Klimabonus abzuwickeln.

Der Klimabonus ist ein wichtiger Bestandteil dieser Steuerreform. Er sorgt dafür, dass die Klimaschützerinnen und Klimaschützer in unserem Land profitieren, dass ihnen am Ende des Jahres automatisch mehr übrig bleibt. Mir ist eines wichtig, und auch das hat Bundesrätin Kittl schon gesagt, ich möchte es aber wiederholen: Es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wer weniger verdient, hat einen kleineren ökologischen Fußabdruck, ei­nen geringeren CO2-Fußabdruck. Gerade Bezieher niedriger Einkommen profitieren


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vom Klimabonus am meisten. Das ist ein wichtiges und großes, progressives Element dieser Steuerreform. Wir wollen beim Einstieg alle an Bord haben. Das habe ich gesagt und dazu stehe ich. Aus diesem Grund wird der Klimabonus im Jahr 2022 in der vollen Höhe ausgezahlt, auch wenn die CO2-Bepreisung erst zum Halbjahr startet. Wir zahlen das.

Ein Element, das ich noch erwähnen möchte, betrifft Menschen, die Mobilitätseinschrän­kungen haben: Menschen mit Behinderung bekommen den vollen Sockelbetrag, den vollen Regionalausgleich, die vollen 200 Euro. Wir vergessen aber auch nicht auf die regionalen Unterschiede, weswegen die Regionalisierung als Zusatzausgleich fungiert.

Am Ende gewinnen wir alle mit dieser Steuerreform, und zwar finanziell, weil sich der Klimaschutz lohnt, an Lebensqualität, weil wir den Klimaschutz voranbringen, weil Kli­maschutz eben saubere Luft, eine intakte Umwelt, ein gutes Lebensumfeld bedeutet, und zwar nicht nur heute hier für uns, sondern vor allem auch für die zukünftigen Ge­nerationen, für die jungen Menschen, die sich in ganz Österreich mit so viel Energie und so viel Kraft für den Klimaschutz und für ihre Zukunft einsetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.19


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Martin Preineder. – Bitte, Martin.


13.19.52

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau und Herr Bundesminister! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Werte Da­men und Herren! Wir diskutieren und beschließen heute im Bundesrat die größte Steu­erreform der Zweiten Republik, eine ökologische Steuerreform und eine Steuerreform, die laut Wirtschaftsforschung 1 Prozent Wirtschaftswachstum bringen soll.

Es war Vizekanzler Josef Riegler, der vor 30 Jahren die Idee und die Vision hatte, ökoso­ziale Marktwirtschaft und damit eigentlich ein Erfolgsmodell der Zweiten Republik zu denken, nämlich die von den Sozialpartnern getragene soziale Marktwirtschaft um den Aspekt der Ökologie, also den Schutz der Lebensgrundlagen, zu erweitern.

Diesem Grundsatz wird durch diese Steuerreform in einem großen Umfang Rechnung getragen. Daher glaube ich, dass sich diese Steuerreform auch eine breite Mehrheit verdienen würde. Kollege Hübner hat die Kryptowährung kritisiert – zu Recht vielleicht in einigen Punkten –, wenn das aber der einzige Kritikpunkt ist, dann würde ich sagen: Die ökologische Steuerreform besteht aus mehr als der Besteuerung der Kryptowährung.

Die Besteuerung von Energie, von CO2 ist ein langfristiges Ziel, das mich auch schon in meinen jungen politischen Jahren bewegt hat. Es kann eine wirklich große Lenkungs­maßnahme darstellen, Energie beziehungsweise in diesem Fall besser noch CO2 zu be­steuern, weil es ja ein Schadstoff ist und unsere Atmosphäre belastet, und im Gegenzug Arbeit zu entlasten, weil das Arbeitsplätze schafft und der Umwelt zugutekommt. Damit belasten wir die Verursachung negativer Auswirkungen auf die Umwelt und entlasten die Arbeitskraft, und damit kommt es durch diese Steuerreform auch zu einer entsprechen­den Lohnsteuersenkung. Ich habe mir das für meinen Bezirk Wiener Neustadt ange­schaut: Es werden 94 000 Lohn- und Einkommensteuerzahler entlastet, im Durchschnitt mit 500 Euro im Jahr. Das ist etwas, was man herzeigen kann!

Es ist aber auch eine Steuerreform, die ein soziales Gesicht hat – ein soziales Gesicht deswegen, weil für Menschen, die keine Lohnsteuer zahlen, über die Beiträge zu So­zialversicherung und Krankenversicherung eine Entlastung herbeigeführt wird.

Auch im bäuerlichen Bereich – das ist ein Sektor, der mir persönlich wichtig ist – wird es zu einer Senkung im Bereich des fiktiven Ausgedinges kommen. Um das zu erklären:


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Es gibt in der Landwirtschaft für die Pensionsberechnung eine theoretische Betriebs­pension, die vom Ansatz her nur theoretisch gewährt wird, und diese theoretische Be­triebspension, dieses fiktive Ausgedinge, wird gesenkt. Damit wird es zu einer Erhöhung der Mindestpensionen in der Landwirtschaft kommen, die meistens niedriger sind als die Mindestsicherung.

Es ist aber auch eine Steuerreform mit Hausverstand – mit Hausverstand deswegen, weil es auch eine Entlastung für den Diesel, den die Landwirtschaft verwendet, geben wird. Wenn wir eine regionale, nachhaltige, ökologische Produktion haben wollen, es aber keine Alternative zu einem dieselbetriebenen Traktor gibt, muss auch da entspre­chend gegengesteuert werden – dafür ein herzliches Dankeschön, auch im Sinne einer regionalen Nahrungsmittelproduktion.

Diese Steuerreform hat aber auch deswegen einen regional ausgewogenen Ansatz, weil klar differenziert wurde. Die Frau Bundesminister und der Herr Bundesminister haben bereits darauf hingewiesen, dass jene, die Öffis verwenden können, einen anderen – geringeren – Ausgleichsbetrag erhalten werden, und jene, die weniger Möglichkeiten ha­ben, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, zum Beispiel in den ländlichen, in den de­zentralen Räumen, und die auf individuelle Mobilität angewiesen sind – und diese gehört durchaus auch in Richtung ökologische Mobilität weitergeleitet –, einen größeren Klima­bonus.

Es wird eine Steuerbefreiung für die eigene ökologische Stromproduktion geben. Das ist auch eine Chance für den ländlichen Raum. Es wird 25 Millionen Euro für energieautarke Bauernhöfe geben, und es wird auch, gemeinsam mit der Europäischen Union, entspre­chend überlegt – das ist geplant –, ob man Lebensmittel, die längere Transportwege hinter sich haben, höher besteuert.

Somit Gratulation, Glückwunsch an die beiden Minister (Bundesrat Steiner: Danke musst du noch sagen! – Zwischenrufe bei der SPÖ) – Frau Bundesminister, Herr Bun­desminister! Es ist eines der größten Projekte dieser gemeinsamen Bundesregierung; es ist eine ökologische, eine soziale und eine dynamische Steuerreform. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Danke!)

13.25


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mi­chael Bernard. – Ich bitte darum.


13.25.38

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsiden­tin! Frau Minister! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Als vor mittlerweile zwei Jahren der öster­reichischen Bevölkerung im Zuge der Angelobung der Bundesregierung vonseiten des türkis-schwarzen Koalitionsschwenkkanzlers namens Kurz und des in Grün gehaltenen Vizekanzlers namens Kogler erklärt wurde, dass das, was sie jetzt vereinbart hätten, das Beste aus zwei Welten sei, hatte ich bei dem Gedanken schon schwere Bauchkrämpfe, und ich bin mir sicher, dass es sehr vielen Österreichern auch so ergangen ist. Dass es aber so schlimm werden würde! Was wir in den letzten zwei Jahren mit dieser schlech­testen und anscheinend korruptesten Bundesregierung aller Zeiten erleben mussten, übertrifft alles. (Beifall bei der FPÖ.) Es geht schon in Richtung ...


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege, ich bitte Sie, wir sind im Hohen Haus und nicht in der Arena; korrupt, das passt nicht hierher. (Bundesrat Steiner: Ja, logisch ist das eine korrupte Regierung!)


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Es war für mich bisher unvorstellbar, dass es einer Bundesregierung in einem Zeitraum von zwei Jahren gelingt, unser wunder­schönes Heimatland wirtschaftlich und menschlich an die Wand zu fahren und zu spalten.


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Anstatt für das Wohl der Bevölkerung zu arbeiten, duellieren sich diese zwei Parteien mittlerweile fast täglich, um zu beweisen, wer Dreck auf der Koalitionssauberkeits­zwangsjacke hat.

Sie als gewählte Vertreter sowie alle Mitglieder dieser Bundesregierung haben anschei­nend vergessen, dass Ihnen Österreich nicht gehört. Sie sind Angestellte der österreichi­schen Bevölkerung. Sie sind die Angestellten der österreichischen Steuerzahler. Jeder Angestellte, der am laufenden Band nur noch Fehler macht, der das hart verdiente Geld – freundlich ausgedrückt – bewusst mit zwei Händen beim Fenster rausschmeißt, hätte schon die fristlose Kündigung erhalten, mit anschließendem Prozess, bei dem er sich verantworten müsste. (Beifall bei der FPÖ.) Eines sei dieser Bundesregierung und ihren Mithelfern ins Stammbuch geschrieben: Dieser Tag kommt auch für Sie mit großen Schritten näher.

Meine Bundesratsfraktionskollegen werden Ihnen, Herr Minister, Frau Minister, sowie Ihren Kollegen, aber auch allen anderen Bundesräten im Zuge der heutigen Sitzung bei den Abstimmungen den sogenannten Spiegel mehrmals vorhalten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Schauen Sie in den Spiegel der Verantwortung! Dann bin ich mir sicher, dass Sie sich heute zum Beispiel beim Tagesordnungspunkt 6, Impfpflichtgesetz, für die Einhal­tung der Verfassungsgesetze, für die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte und gegen die Impfpflicht entscheiden. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: Ruf zur Sache!)

Zu Kollegin Kittl: Für die österreichische Bevölkerung, die teilweise nicht weiß, ob sie das Geld für Essen oder für Heizen ausgeben soll, ist die Frage, ob die Steuerreform gendergerecht ist, auf der Wichtigkeitsskala mit dem Faktor von 0,1 Prozent auszuwei­sen. (Bundesrätin Schumann: Das ist nicht richtig!)

Ich gebe Ihnen aber auch die Möglichkeit, sich für das Wohl und gegen die von Ihnen für mich teilweise mutwillig herbeigeführte  zum Beispiel durch unverhältnismäßige Maßnahmen im Zuge von Covid-19  weitere Vernichtung des österreichischen Mittel­standes einzusetzen. Sie als österreichische Bundesregierung haben es zu verantwor­ten, dass eine große Zahl von Arbeitnehmern sich noch immer in Kurzarbeit befindet oder beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos gemeldet ist und Hunderttausende kleine und mittlere Unternehmer in ihrer Existenz massiv bedroht sind.

In dieser für die österreichische Bevölkerung angespannten, von Ihnen als Bundesregie­rung zusätzlich angeheizten wirtschaftlichen Situation werden Sie, Frau Minister, mit Ihren übrig gebliebenen und neu zugeführten, nicht gewählten Amtskollegen nicht müde (Zwischenruf des Bundesrates Preineder), durch die gelebte Klimahysterie dieser Bun­desregierung zusätzlich gleich eine Art Klimapandemie herbeizuführen, anstatt Klima­politik mit Hausverstand für und mit der österreichischen Bevölkerung umzusetzen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche sind auch der Meinung, dass einige der Punkte, die heute zum Be­schluss anstehen, wie zum Beispiel die Senkung der zweiten Tarifstufe der Lohn- und Einkommensteuer von 35 auf 30 Prozent und die Senkung der dritten von 42 auf 40 Pro­zent, welche schon von der FPÖ-ÖVP-Regierung ausverhandelt wurde, nicht erst mit dem 1.7.2022, sondern bereits rückwirkend mit 1.1.2022 umgesetzt werden sollten. Ebenfalls sollte die Erhöhung des Familienbonus Plus sowie die Erhöhung des Kinder­mehrbetrages nicht mit 1.7.2022, sondern bereits mit dem 1.1.2022 ungesetzt werden. Dies würde die österreichische Bevölkerung entlasten.

Kurz noch zusammengefasst: Wir Freiheitliche werden dem heute zur Abstimmung vor­gelegten Klimabonusgesetz, das radikal gegen die Bevölkerung ist, die auf einen eige­nen Pkw angewiesen ist, nicht die Zustimmung geben. Dieses Gesetz benachteiligt einen ganz großen Teil der Bevölkerung im ländlichen Raum, wie ich bereits in vielen


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meiner Reden im Detail begründet habe. Der neuen gesetzlichen Regelung zur Reduzie­rung des Beitragssatzes in der Krankenversicherung für selbstständige Erwerbstätige mit niedrigen und mittleren Einkommen werden wir Freiheitliche die Zustimmung geben.

Wir Freiheitliche sind der Meinung, dass es keine Aktuelle Stunde, sondern einen Maß­nahmenmix benötigt, um die grüne Teuerung zu stoppen. Der Ausschuss für Konsu­mentenschutz des Nationalrates sollte dazu mittels Beschluss die Preise ausgewählter Güter für einen bestimmten Zeitraum festlegen beziehungsweise deren Erhöhung aus­schließen können.

Im Fokus dieser Maßnahmen soll ein abzubildender Warenkorb sein, der die Preise für Waren und Dienstleistungen, wie etwa Lebensmittelpreise, Hygieneartikel, Mietpreise, Heizkostenpreise, Spritpreise, Fahrtkostenpreise im öffentlichen Verkehr und so weiter, beinhaltet. Zugrunde liegen sollen dem Warenkorb Daten der Statistik Austria, die mo­natlich aktuell bereitzustellen sind. Ergeben sich deutliche Abweichungen bei einzelnen Endverbraucherpreisen, bei einzelnen Waren oder Dienstleistungen hat der zuständige Konsumentenschutzminister den Konsumentenschutzausschuss damit zu befassen. Dieser hat in Folge mittels Beschluss den Konsumentenschutzminister mit der Erlassung eines Preisstopps zu beauftragen.

Während befristeter Preisstopps sollen Maßnahmen, die in Österreich, aber auch im Verhältnis zu anderen relevanten Handels- und Wirtschaftspartnern zur Inflation geführt haben, nach Maßgabe ausgesetzt beziehungsweise gänzlich abgeschafft werden.

Da die asoziale Steuerreform der Grundrechtsvernichtungs-, Freiheitsrechtebeschnei­dungs- und Belastungsregierung keinerlei Schritte setzt, um die oben angeführten Maß­nahmen umzusetzen, sowie auch nicht geeignet ist, der Inflation beziehungsweise zum Beispiel den steigenden Treibstoffpreisen entgegenzusteuern, stelle ich folgenden An­trag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitli­ches Maßnahmenpaket gegen die grüne Inflation“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die ein Maßnahmenpaket gegen die grüne Inflation‘ beinhaltet:

- Schaffung eines Warenkorbs, der die Preise für Waren und Dienstleistungen wie etwa Lebensmittelpreise, Hygieneartikelpreise, Mietpreise, Heizkostenpreise, Spritpreise, Fahrt­kostenpreise im öffentlichen Verkehr usw. beinhaltet.

- Bereitstellung der Daten zu den vom Warenkorb umfassten Kategorien durch die Sta­tistik Austria.

- Schaffung eines Preisbandes, welches beim Abweichen einzelner Endverbraucherprei­se, d. h. mehr als zehn Prozent, beim zuständigen Konsumentenschutzminister eine In­formationspflicht an den Konsumentenschutzausschuss des Nationalrates auslöst.

- Verpflichtung des Konsumentenschutzministers befristete Preisstopps (30, 60, 90 bzw. 120 Tage) für einzelne Waren und Dienstleistungen umzusetzen.

- Einführung einer Treibstoff-Preisdeckelung in Form einer Abgabenreduktion auf Treib­stoff.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

13.34



BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 100

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „freiheitliches Maßnahmen­paket gegen die grüne Inflation“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

13.34.46*****

Herr Kollege Bernard, für Ihre Wortwahl „korrupte Bundesregierung“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist nur eine Tatsache! Die Wahr­heit muss man vertragen können! – Ruf bei der FPÖ: Die Wahrheit ist schon zumutbar! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das ist ganz einfach eine Unterstellung. (Bundes­rat Spanring: Wir können gerne über Korruption diskutieren, Frau Vorsitzende! – Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

*****


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zur Geschäftsbehandlung, bitte.

*****


13.35.11

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsiden­tin! Sie haben vorhin meinen Kollegen Michael Bernard in der Rede unterbrochen und haben gesagt: Korrupte Regierung gehört nicht in das Hohe Haus. – Dann müssen wir uns überlegen, wie wir zukünftig mit dem Einlass der Regierung in das Hohe Haus um­gehen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.35

*****


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege Steiner, dass ich Herrn Kollegen Bernard unterbrochen habe, war nicht richtig, das muss man am Ende machen, das gebe ich zu. Der Ordnungsruf aber steht ihm zu. (Bundesrat Steiner: Und jetzt? Wie geht es weiter?)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (den Vorsitz übernehmend): Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


13.36.14

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte MinisterInnen! Vielleicht einleitend: Ich kann nur sagen, zum Glück tickt unser Hausverstand im Klimaschutz anders als der der FPÖ (Heiterkeit bei der SPÖ), denn der Ihre scheint ja ganz offensichtlich der Verhinderung von Klimaschutz zu dienen.

Nun aber zur Sache: Erstmals gibt es ökologische und klimapolitische Komponenten im Steuersystem. Das ist wirklich eine grundlegende Veränderung im System und nicht nur eine kleine Anpassung. Ganz ehrlich: Wer hätte geglaubt, dass das überhaupt gelingt? Es ist aber immerhin schon gelungen, es im Regierungsprogramm entsprechend promi­nent zu verankern. Wie die Frau Ministerin gesagt hat: Seit Jahrzehnten wird darüber geredet, aber man hat es nie geschafft, das einzuführen.

Bekannterweise ist der erste Schritt der schwierigste, bei dem es eben darum geht, ein­mal die Grundstruktur zu verankern. Das Wichtige daran ist, dass die Systemänderung, die jetzt implementiert wird, die Bepreisung des Klimagiftes CO2, bleiben wird; nicht nur


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das: Sie unterliegt einer planbaren Dynamik. Das ist besonders wichtig, erstens einmal, um eine entsprechende Lenkungswirkung zu erzielen, und zweitens, damit sich Unter­nehmen und BürgerInnen auch darauf einstellen können. Sie wissen, was auf sie zu­kommt, und sie können Maßnahmen, die sie setzen können, um Energie einzusparen, auch wirklich über Jahre hinaus planen.

Neben der dynamischen Wirkung und Planbarkeit der CO2-Bepreisung ist für die sozial­politische Wirkung, für die Akzeptanz ganz entscheidend, was mit den Einnahmen da­nach passiert. Diese fließen eben nicht ins Budget, sondern zu 100 Prozent direkt zu­rück. Das sind für Haushalte in den nächsten Jahren bis 2025 5,45 Milliarden Euro, die direkt zurückfließen. Nehmen wir als Beispiel eine Standardfamilie, Eltern, zwei Kinder, irgendwo abseits von ganz urbanen Räumen: Für so eine Familie sind das bereits heuer immerhin schon 600 Euro. Das ist schon richtig viel Geld.

Genau dieser Ansatz der sozialpolitisch so wichtigen Rückvergütung ist ein Kernele­ment, und das unterscheidet unser Modell ganz wesentlich von anderen. Darum ver­stehe ich auch Kollegen Arlamovsky überhaupt nicht, wenn er genau das beklagt, denn genau ohne das würde es nicht funktionieren. Das sagen reihenweise Steuerexperten in Europa. Diese sagen, dass die Rückvergütung zu den Haushalten, zu den Bürgerinnen und Bürgern das Entscheidende ist, um Gerechtigkeit herzustellen, um die nötige Ak­zeptanz auch generieren zu können.

Man muss noch einmal ganz klar und deutlich formulieren: Der Klimabonus ist eine Ver­teilung von oben nach unten, und das war uns besonders wichtig. Kleine Einkommen bekommen überproportional Mittel zurück, und das ist nun wirklich definitiv neu und richtungsweisend. Haushalten mit geringem Einkommen bleibt mehr, weil sie geringere Emissionen haben als solche mit hohem Einkommen, und diejenigen, die weniger fossile Energie verbrauchen, haben automatisch mehr davon – das ist ein ganz simpler Mecha­nismus, der auch unbestritten ist.

Das heißt auch, man kann den Ertrag selber steuern, also weniger zahlen und den Bo­nus erhalten, und das ist ein wichtiger Unterschied zu anderen Besteuerungen: Ich kann die Last selber beeinflussen, und zwar indem ich Maßnahmen zur Energieeinsparung setze, oder anders formuliert: Es besteht ein Anreiz, Klimaschutzmaßnahmen zu setzen, nämlich ein doppelter Anreiz, und genau so soll es ja sein. (Beifall bei den Grünen.)

Selbstverständlich ist es so, das hat die Ministerin schon ausgeführt, dass die CO2-Be­steuerung allein nicht ausreicht, um die Klimaschutzziele zu erreichen, jedenfalls mittel­fristig noch nicht – wir werden sehen, welche Dynamik dann die CO2-Bepreisung ent­wickelt und ob das reichen wird –, daher ist jedenfalls bis auf Weiteres einmal ein ganzes Maßnahmenbündel im Klimaschutz erforderlich, das zusammen gedacht werden muss. Dazu gehören Rahmenbedingungen wie das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – darüber reden wir heute noch –, das in Arbeit befindliche Klimaschutzgesetz oder das Erneuer­bare-Wärme-Gesetz, das einen Rechtsrahmen zum Ausstieg aus Öl und Gas in der Raumwärme formulieren soll.

Natürlich kostet Klimaschutz im ersten Moment Geld. Deshalb ist es so wichtig, einer­seits Investitionsanreize zu setzen und andererseits darauf zu achten, dass Menschen mit geringem Einkommen nicht überfordert werden beziehungsweise dass sie in die Lage versetzt werden, solche Maßnahmen auch zu finanzieren. Dazu kommt noch, dass es in vielen Fällen – das betrifft gerade die Raumwärme respektive das Heizen – so ist, dass sich die Investitionen mittelfristig über die eingesparten Energiekosten sogar rück­bezahlen – also eine doppelt sinnvolle Maßnahme.

Natürlich betrifft die Frage, wo Investitionen zu setzen sind, nicht nur private Haushalte und Unternehmen und die öffentliche Hand, sondern ein entscheidender Hebel dabei ist das Mobilitätssystem, denn immerhin ist der Verkehr einer der Hauptverursacher der


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Klimagifte. (Bundesrätin Schartel: Deswegen haben wir ja ...! Damit wir mehr ...!) – Ja, das können Sie nachlesen im Emissionsbericht des Umweltbundesamtes.

Vor allem im Klimaministerium werden in allen Segmenten, also in der Verbrauchsre­duktion, in der Produktion von erneuerbarer Energie und in der Mobilität so viele Mittel bereitgestellt wie noch nie. Ich habe es heute schon einmal erwähnt: mit Abstand so viele Mittel wie noch nie.

Einige Beispiele der Dinge, die zu diesem Steuerreformpaket mit dazugehören: Es hat noch nie eine so umfangreiche Förderung für die thermische Sanierung gegeben, auch für einen Kesseltausch. Im Zuge der Steuerreform werden diese Mittel noch einmal um 150 Millionen Euro aufgestockt. Somit haben wir alleine für das vergangene Jahr und heuer ein Volumen von 800 Millionen Euro – bereit für diese Förderungen. (Bundesrätin Schumann: Die, die es richtig machen!) Der Bund fördert den Kesseltausch in Einfami­lienhäusern mit 7 500 Euro pro Fall. Dazu kommen dann noch die Landesförderungen, und aktuell wird auch an entsprechenden Verbesserungen im mehrgeschoßigen Wohn­bau gearbeitet.

Im Zuge der Steuerreform ist eine steuerliche Absetzmöglichkeit für die thermische Sa­nierung und für einen Kesseltausch geschaffen worden, und das sind immerhin noch einmal 4 000 Euro zusätzlich zu den Förderungen bei der thermischen Sanierung und noch einmal 2 000 Euro Absetzmöglichkeit bei einem Kesseltausch. 100 Millionen Euro waren es schon, jetzt kommen im Zuge der Steuerreform noch einmal 40 Millionen Euro dazu, bereitgestellt für den Kesseltausch für einkommensschwache Haushalte. Seit 3. Jänner ist diese Regelung in Kraft, gemeinsam mit den Bundesländern – das habe ich schon erwähnt –, wodurch es möglich ist, Förderhöhen von bis zu 100 Prozent für den Tausch abzuholen.

Noch nie waren die Förderungen für Elektrofahrzeuge so hoch. Gemeinsam mit den Im­porteuren sind das 5 000 Euro – natürlich auch eine wichtige Maßnahme, um CO2-Emis­sionen und somit auch entsprechende Abgaben zu reduzieren. Viele Studien – auch im Auftrag des ADAC – zeigen übrigens, dass Elektroautos heute schon günstiger sind als Fahrzeuge, die fossile Kraftstoffe verbrauchen.

Kernelement im Mobilitätssystem ist natürlich der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Nur so kann man auch für alle verfügbare und leistbare Mobilität zur Verfügung stellen. 18 Milliarden Euro werden im jetzigen Rahmenprogramm zum Ausbau der Schienenin­frastruktur investiert, 100 Millionen Euro zusätzlich fließen in die Länder zum Ausbau des Angebotes. Mit dem Klimaticket wird ein attraktives Angebot geschaffen, in ganz Österreich mit allen Verkehrsbetrieben kostengünstig unterwegs zu sein.

Noch ein Punkt: Das EAG, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, ermöglicht durch die Konstruktion von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, den Strom selber zu erzeugen, inklusive Investitionszuschüsse, die sie erhalten können, um damit günstig eigenen Strom bereitzustellen und auch zu verbrauchen.

Da muss ich jetzt schon in Richtung SPÖ eines sagen (Bundesrätin Schumann: Na klar! Na sicher!): Zu sagen, dieses Paket wäre nicht ökosozial, also das ist so etwas von an der Realität vorbei, das ist wirklich erstaunlich! (Bundesrätin Schumann: Ja, genau!) Sie wollten über viele Jahre hinweg keine ökosoziale Steuerreform, haben sie abgelehnt. (Bundesrätin Schumann: ... bei den Treibstoffen!) Jetzt fordern Sie eine, stimmen aber nicht zu. – Ich kann mir nicht helfen, ich habe wirklich sehr stark den Eindruck, dass sich die SPÖ hinter dem Sozialargument versteckt, um keinen Klimaschutz machen zu müs­sen. (Bundesrätin Schumann: Na also geh bitte! Also jetzt sind wir doch am End’ der Möglichkeiten! – Bundesrätin Grimling – erheitert –: Das ist typisch der Herr Gross!) Das ist sehr schade.


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Zusammengefasst ließe sich die Gesamtstrategie - - (Bundesrätin Schumann: Der Herr Gross ist der Höhepunkt der ...! Der regt sich mehr über die Roten auf als ...!) – Ja, es würde Ihnen nicht schaden, Ihre eigenen Strategien in dem Feld ein bisschen kritisch zu reflektieren. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Ja, natürlich! – Bundesrätin Schumann: Ja, genau!)

Wohlgemerkt, es ist ja auch schade: Es ist schade, weil wir hier wirklich gemeinsam an einem Strick ziehen könnten betreffend den Klimaschutz (Bundesrätin Grimling: Ja, jetzt ... gemeinsam! – Bundesrätin Schumann: Darum kriegen wir in Wien beim Ökobo­nus ...!), um das halbwegs zusammenzuführen.

Zusammengefasst ließe sich die Gesamtstrategie so formulieren: sozial und ökologisch, weil es zusammengehört. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.46


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Da­niela Gruber-Pruner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


13.46.40

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin, auch von meiner Seite herzliche Gratulation zur Präsidentschaft! Ich freue mich auch sehr über die Schwerpunkte im Bereich Elementarbildung, Frauen, Pensionen und Pfle­ge, die Sie genannt haben. Herzlichen Dank dafür.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zu­seher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich jetzt doch auch noch zu diesem Tagesordnungspunkt melden, und zwar als Wienerin. Ich bin Wiener Bundesrä­tin, und wir haben als BundesrätInnen den Auftrag, alle Gesetzesvorhaben, die wir hier in diesem Haus beschließen sollen, durch die Brille unseres Bundeslandes zu bewerten und deren Nutzen und Auswirkungen für unser Heimatbundesland und die Bevölke­rung – in diesem Fall von Wien – zu prüfen. Und da ist mir jetzt leider nichts anderes übrig geblieben, als hier herauszukommen und das von dieser Seite noch einmal zu bewerten.

Vorneweg, damit kein Missverständnis entsteht: Natürlich ist es absolut an der Zeit und notwendig, Maßnahmen für das Klima zu setzen, natürlich ist es absolut notwendig, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, und zwar nicht nur bei Privatverbrauchern, sondern genau­so bei den großen Verursachern, den großen Unternehmen, den großen Schiffstankern, der Luftfahrt und so weiter, und natürlich ist es dringend notwendig, im ganzen Land den Ausbau des öffentlichen Verkehrs voranzutreiben.

Nun schlägt uns die Bundesregierung heute im Zuge dieser ökosozialen Steuerreform unter anderem einen Klimabonus vor, der die Mehrbelastung durch die CO2-Steuer für die Bevölkerung mit ebendiesem Klimabonus abmildern soll. Sprich: Höhere Verkehrs­kosten, ein höheres Verkehrsaufkommen in ländlichen Regionen, die durch mehr Auto­fahrten entstehen, weil dort der öffentliche Verkehr, die Infrastruktur schlechter ausge­baut sind und man eher ein Auto braucht, sollen abgemildert werden. Und es stimmt: In ländlichen Regionen gibt es, gerade was den öffentlichen Verkehr betrifft, großen Aufhol­bedarf.

Man teilt die Bevölkerung, abhängig eben von dieser Infrastruktur und dem öffentlichen Verkehr, in vier Bonusstufen ein. Dabei orientiert man sich an der Postleitzahl der Men­schen. Die Bundesregierung meint weiters – und das ist für mich ein entscheidender Punkt –, dass man entsprechend der Postleitzahl von Menschen ganz pauschal alle Wie­nerInnen – und das in dem Fall als einziges Bundesland – in die niedrigste Bonusstufe einordnen kann. Es gibt weitere Städte in unserem Land, deren Bewohner aber in die zweite Stufe eingeordnet werden, und Menschen im ländlichen Raum rangieren in der höchsten Stufe.


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Mein Kollege Arlamovsky hat es bereits ausgeführt: Es gibt erste Verfassungsexperten, die bezweifeln, dass diese Pauschalisierung verfassungskonform ist, weil das sachlich so nicht begründbar ist. Eine Postleitzahl alleine kann kein Argument sein und kann nicht als Merkmal herangezogen werden. Vielmehr dürfte es unterschiedliche Klimasteuern nur für Gruppen geben, die ein unterschiedliches Verhalten in Bezug auf die Klimabelas­tung aufweisen, also beispielsweise wenn man Autofahrer im Vergleich zu Autolosen, Ölheizer zu Solarheizern, Vielflieger zu Fußgängern abwägt.

Jetzt kommt noch dazu, dass wir in Wien, und darauf sind wir sehr stolz, ein exzellentes Öffinetz haben. Es muss ja eigentlich das Ziel in ganz Österreich sein, dass Menschen auf ein Öffinetz zugreifen können (Bundesrätin Schumann: Sollte man glauben, ge­nau!), aber das behaupten natürlich auch andere Städte: Graz, Linz, Innsbruck, Salzburg haben auch ein Öffinetz und dennoch werden sie anders behandelt als Wien. Wir haben heute immer wieder von der Frau Ministerin, vom Herrn Minister, von einigen Kollegen gehört, es sei Ziel, die Bevölkerung zu entlasten und klimafreundliches Verhalten zu be­lohnen. Jetzt frage ich mich als Wienerin: Was sollen wir davon halten? (Bundesrätin Schumann: Ja, genau! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir fahren Öffis, wir fahren weniger mit dem Auto und werden tatsächlich dafür bestraft, indem nämlich alle Wiener pauschal nur 100 Euro bekommen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich meine, dass wir Wiener immer wieder in der Geschichte durch Maßnahmen der Bun­desregierung benachteiligt werden (Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner), sind wir schon ein bisschen gewohnt (Heiterkeit bei der ÖVP – Bundesrätin Schumann: Also die Tourismusministerin ist da ein bestes Beispiel! Tourismus, Frau Köstinger, dan­ke!), muss man auch in diesem Fall akzeptieren. Sie werden aber verstehen, dass wir Wiener das so nicht stehen lassen können, dass wir in Bausch und Bogen benachteiligt werden und dass wir auch diesen Lenkungseffekt nicht verstehen, der da mitverbreitet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt bin ich aber natürlich nicht nur wehleidig, sondern möchte hier auch stolz einbrin­gen, dass die Wiener Stadtregierung vor wenigen Tagen, und daran können sich gerne auch die Bundesregierung und andere Bundesländer ein Beispiel nehmen, ein sehr um­fassendes Klimapaket, einen Klimafahrplan mit 100 einzelnen Maßnahmen mit dem Ziel ausgearbeitet hat: Wien wird bis 2040 klimaneutral. Das stimmt, das klingt ambitioniert, das ist ambitioniert, aber wir wissen auch, dass wir uns dieser Herausforderung stellen müssen, das eint uns wahrscheinlich auch hier.

Ich werde hier nicht alle 100 Maßnahmen auflisten, keine Sorge, man kann das nachle­sen, aber es geht zum Beispiel darum, dass wir den Strombedarf in Wien zur Gänze durch erneuerbare Energieträger decken wollen, dass wir bei jedem Neubau in Wien verpflichtend Fotovoltaikanlagen installieren werden und dass wir 1 Milliarde Euro für Gebäudesanierung im Jahr einsetzen werden, was wiederum Jobs bringt und vieles mehr. Darauf sind wir stolz und daran werden wir arbeiten.

Was man bei dieser ganzen Debatte nie aus den Augen verlieren darf – die Frau Minis­terin hat auch vom ökologischen Fußabdruck gesprochen –, ist nämlich die Frage: Wer verursacht die meisten Abgase? – Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass es natürlich einen Unterschied macht, welches Einkommen man hat, und dass Reiche durch ihren Lebenswandel und ihren Ressourcenverbrauch zigmal mehr CO2-Austoß verursachen als normale BürgerInnen. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von Grünen und SPÖ.) Daher müssen sie auch zur Verantwortung gezogen werden. Das ist offen­sichtlich (Heiterkeit der Rednerin) ein emotionales Thema. (Bundesrat Raggl: Das sind aber die eigenen Leute! – Bundesrat Bader: Das sind die Eigenen! – Ruf bei der SPÖ: Ist ja wurst! Ihr macht ja nichts!)

Ich möchte noch einen Aspekt aus der Armutskonferenz einbringen. Sie fordert nämlich einen einkommensabhängigen Ökobonus, der die soziale Belastung ausgleichen könnte,


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denn man weiß auch, dass Reichere nicht nur mehr CO2 produzieren, sondern dass ärmere Menschen zusätzlich unter den Folgen des Klimawandels mehr leiden und des­halb auch mehr entlastet werden müssen.

Diese bestehende Ungerechtigkeit im Bereich des Klimawandels wird jetzt natürlich durch diese dramatische Teuerungswelle verstärkt, die heute schon mehrfach Thema war, die auch Landeshauptmann Wallner angesprochen hat. Was die Teuerung und die ökosoziale Steuerreform betrifft, die so sozial zu sein scheint, wie behauptet wird, werden wir diese sehr genau beobachten und in ein paar Monaten die Regierung daran messen, wie Armut dadurch auch reduziert werden wird. Wir sind zugegebenermaßen skeptisch, da uns alle, die in diesem Bereich tätig sind, aufzeigen, wie die Armut von Tag zu Tag steigt. Wir hoffen, wir würden uns wünschen, dass diese Maßnahmen wirken.

Wir als SPÖ haben schon seit Monaten gefordert, auf diese drohende Inflation, die jetzt da ist, und diese Energiekostensteigerung, Lebensmittelpreissteigerung, Mietkostenstei­gerung zu reagieren, hier ein großes Paket vorzulegen und diese Teuerung abzufangen. Wir haben verschiedenste Vorschläge wie die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas, einen Winterzuschuss von 300 Euro und so weiter gemacht. Es ist dringend an der Zeit, hier massiv gegenzusteuern. Ich denke, Sie haben jetzt auch verstanden, dass wir aus Wiener Sicht diesem Entwurf nicht zustimmen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.56


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Martin Preineder zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.56.38

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Gruber-Pruner hat gerade gesagt, dass sie, wenn sie die öffentli­chen Verkehrsmittel, das gut ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz in Wien benützt, mit einem geringeren Klimabonus bestraft wird.

Ich berichtige tatsächlich: Der Klimabonus ist ein Ersatz für die CO2-Abgabe (Bundesrä­tin Schumann: Genau, aber die Leute können sich die Heizung nicht aussuchen!), die jene leisten müssen, die im ländlichen Raum auf Mobilität durch Treibstoffe angewiesen sind und dadurch auch höhere Steuern zahlen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.57


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Alexandra Platzer. Ich erteile ihr dieses.


13.57.25

Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin, herzlichen Glückwunsch auch von mir! Geschätzter Herr Minis­ter! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Wir haben jetzt schon viel von der ökosozialen Steuerreform gehört, aber eine Reform mit einem Umfang von 18 Milliarden Euro und einer wirklich breiten Entlastung verdient sich das auch. Es werden arbeitende Menschen entlastet, Anreize für umweltfreundliches Verhal­ten geschaffen und wir können den Standort Österreich mit dieser ökosozialen Steuerre­form weiter stärken.

Die letzten beiden Jahre waren für uns alle nicht leicht, für den einen mehr, für den an­deren weniger. Für mich als Unternehmerin und Touristikerin war es manchmal sogar kritisch, aber diese Regierung hat uns nicht im Stich gelassen. Darum freut es mich schon, wenn ich höre, dass die Beschäftigung in Österreich beinahe wieder auf Vorkri­senniveau ist, wir gesamtwirtschaftlich besser durch die Krise gekommen sind als andere


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europäische Länder und uns heuer ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 5,2 Pro­zent erwartet. Im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz sind wir da Spitzenreiter und die heute zur Abstimmung stehende Reform trägt laut Prognosen mit 1 Prozent zum BIP-Wachstum bei, wie unser Herr Finanzminister schon erwähnt hat. Das findet natür­lich auch in ganz Europa große Bewunderung. Somit kann man sich die Steuerreform auch leisten und das generiert doch bitte auch Hoffnung! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir entlasten auf allen Ebenen, zum Beispiel beim Familienbonus, bei der Entlastung von Arbeit und Pensionen, der Entlastung von Land- und Forstwirtschaft und der Entlas­tung der Wirtschaft, da haben ja wirklich alle etwas davon. Alleine durch die Erhöhung des Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro, des Kindermehrbetrags von 250 auf 450 Euro und den regionalen Klimabonus für Kinder entlasten wir mit diesem Paket um 665 Millionen Euro. Es profitieren somit 1,75 Millionen Kinder davon. Unsere Regierung zeigt hier eindeutig, dass sie es verstanden hat, dass man in unsere Kinder und deren Zukunft investieren muss.

Ich würde jetzt gerne noch ein paar wichtige Meilensteine besonders für uns Unterneh­mer herausheben, die wir heute beschließen können. Es betrifft nämlich erstmals alle Steuerzahler – wie zum Beispiel die Tarifreform und die Absenkung der Lohn- und Ein­kommensteuersätze von 35 Prozent auf 30 Prozent, von 42 Prozent auf 40 Prozent. Auch durch die Anhebung des Gewinnfreibetrages von 13 Prozent auf 15 Prozent profi­tieren nicht nur kleine und Einpersonenunternehmen, die, wie wir alle wissen, auch das Rückgrat der Gesellschaft sind.

Die Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge für Selbstständige und Landwirte oder auch die Erhöhung der Grenze auf geringwertige Wirtschaftsgüter von 800 auf 1 000 Euro ist ein wichtiger Impuls. Gerade im Tourismus haben wir viele kleine Investi­tionen und Anschaffungen und brauchen diese administrative Entlastung, um auch wie­der die Liquidität zu steigern. Natürlich profitieren von der Senkung der Körperschaft­steuer auch größere Unternehmen, aber genau da wurde mitgedacht und unser schöner Standort Österreich durch die 2-Prozent-Senkung im Vergleich wieder international at­traktiviert, damit die Unternehmen hierbleiben und nicht ins Ausland abwandern. Ganz im Gegenteil, das bedeutet, dass wir somit auch wieder unzählige Arbeitsplätze absi­chern können und mit dieser Steuerreform eine Beschäftigungserhöhung um bis zu 30 000 Personen erwarten.

Diese Reform beinhaltet auch eine Mitarbeitererfolgsbeteiligung, von der die Arbeitneh­mer profitieren können, wenn sie sich zum Beispiel im eigenen Unternehmen gut ein­bringen und deren Chefs sie am Gewinn beteiligen.

Sie sehen also, es wird überall entlastet, damit sich auch Leistung wieder lohnt. Ich bitte daher um große Zustimmung, damit unsere Österreicher und Österreicherinnen wieder ein bisschen mehr im Geldbörserl haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

14.02


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. Ich erteile ihm dieses.


14.02.27

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir beschließen heute die ökosoziale Steuerreform, eine Reform im Gesamtausmaß von 18 Milliarden Euro und eine Reform, die den Namen ökosozial auch wirklich verdient. Warum? – Soziale Verantwortung heißt,


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niemanden zurückzulassen, und ökologische Verantwortung heißt, bei unseren Ent­scheidungen an unsere nachkommenden Generationen zu denken. Genau das bildet die ökosoziale Steuerreform ab, und zudem muss Leistung auch belohnt werden und darf nicht bestraft werden. Es geht uns dabei darum, die Menschen zu entlasten, es geht uns aber auch darum, durch aktive Steuerung Klimaschutzmaßnahmen zu forcieren, und zwar Klimaschutz mit Hausverstand.

Einige Maßnahmen der Steuerreform möchte ich noch einmal kurz herausgreifen. Die Senkung der zweiten Einkommensteuerstufe von 35 auf 30 Prozent ab Juli dieses Jah­res bedeutet eine Entlastung für den Einzelnen von bis zu 650 Euro pro Jahr. Der erste Schritt – das wurde schon gesagt –, die Senkung der ersten Einkommensteuerstufe von 25 auf 20 Prozent, wurde ja bereits gemacht. Es ist mir in diesem Gesamtpaket aber wichtig, das noch einmal zu erwähnen. Und die Senkung der dritten Einkommensteuer­stufe von 42 auf 40 Prozent ab Juli 2023 bedeutet eine Entlastung für den Einzelnen von bis zu 580 Euro pro Jahr. Davon profitieren alle Menschen, die Einkommensteuer bezah­len, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch Pensionistinnen und Pensionisten.

Es wird aber – und das ist mir besonders wichtig – auch nicht auf jene vergessen, die niedrigere Einkommen haben. Der Sozialversicherungsbonus, das ist die sogenannte Negativsteuer, steigt für alle, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens ohnehin keine Einkommensteuer bezahlen, von 300 auf 550 Euro an – und das bereits rückwirkend für 2021. Ebenso wird der Pensionistenabsetzbetrag erhöht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir erleben aktuell eine starke Teuerung – das haben wir heute auch schon diskutiert –, insbesondere bei Energie, und davon sind Haushalte mit niedrigem Einkommen, zum Beispiel viele Seniorinnen und Senioren, be­sonders betroffen, weil die Teuerung da verhältnismäßig stark durchschlägt. Die Regie­rung hat rasch reagiert und ein Sofortmaßnahmenpaket zur Abfederung der Teuerung beschlossen. (Bundesrätin Schumann: Ja genau! Im April kriegen sie es!) Das ist des­halb wichtig, weil es schnell wirkt und – das ist mir wichtig, auch noch einmal zu erwäh­nen – weil die Entlastungsmaßnahmen in Kombination gesehen werden müssen.

Ich möchte das am Beispiel einer Mindestpensionistin aus Oberösterreich unterstrei­chen. Zählt man die Steuererleichterungen, das Entlastungspaket gegen die Teuerung, die Pensionsanpassung, auch den Heizkostenzuschuss zusammen, bekommt eine Se­niorin mit einer Ausgleichszulage im Laufe dieses Jahres rund 1 000 Euro zusätzlich. (Bundesrätin Schumann: Das ist ein Vermischen von Bundesleistung und Landesleis­tung!)

Wie setzen sich diese 1 000 Euro zusammen? – 250 Euro zusätzlich durch den Sozial­versicherungsbonus, 150 Euro Inflationsausgleich, der bereits im Vorjahr für heuer be­schlossen wurde, 150 Euro Einmalzahlung durch den Teuerungsausgleich, 150 Euro Energiekostenausgleich, 100 Euro aufgrund der Aussetzung der Ökostrompauschale und des Ökostromförderbeitrags und zusätzlich 168 Euro durch die 3-prozentige Pen­sionsanpassung. (Bundesrätin Schumann: Und dazu eine Heizkostensteigerung von 500 Euro! Geh, das ist ja alles nicht wahr!) Dazu kann noch der Heizkostenzuschuss beantragt werden. Das entspricht in Summe fast einer 15. Pensionsauszahlung. (Bun­desrätin Grimling: Also der muss mit der Korosec nicht geredet haben, gell?)

Der ehemalige deutsche Bundespräsident Gustav Heinemann hat einmal gesagt: „Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den schwächsten ihrer Glieder verfährt.“ (Bundesrätin Schumann: Darum haben wir so eine große Armut!) Die ökoso­ziale Steuerreform und die Sofortmaßnahmen gegen die Teuerung sind wirkungsvolle, sozial ausgewogene und treffsichere Maßnahmen, die rasch wirken. (Nein-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Na geh! Das glaubst du ja selber nicht!) Das ist eine so­zial ausgewogene Politik. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Wahnsinn! Schauen wir im Juli, ob noch was da ist! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Zusammenfassend stelle ich fest, dass wir mit der ökosozialen Steuerreform eine breite Entlastung für alle Menschen in Österreich schaf­fen, dass wir insbesondere auch unsere soziale Verantwortung wahrnehmen und nie­manden zurücklassen (Bundesrätin Schumann: Genau! Genau! Bis jetzt war es mir wurscht, jetzt sind wir wieder sozial!), dass wir unsere ökologische Verantwortung beachten und für die nächsten Generationen, für unsere Nachkommen Klimaschutz mit Hausverstand machen (Bundesrätin Grimling: Hausverstand?) und dass wir darauf schauen, dass Leistung nicht bestraft wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bun­desrätin Grimling: Von der Pensionistin und vom Pensionisten! – Bundesrätin Schu­mann: Unfassbar! Es ist wirklich unfassbar!)

14.08


14.08.51

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Ökosoziales Steuerreformgesetz 2022 Teil I.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Klimabonusgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies wiederum die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „freiheitliches Maßnahmenpaket gegen die grü­ne Inflation“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Ökosoziales Steuerreformgesetz 2022 Teil III.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.11.234. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Umweltförderungsgesetz, das Pflegefondsgesetz, das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz und das Bundesge­setz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert werden (1295 d.B. und 1309 d.B. sowie 10862/BR d.B. und 10869/BR d.B.)



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Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


14.11.48

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Umweltförderungsge­setz, das Pflegefondsgesetz, das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz und das Bundes­gesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert werden.

Die Bekämpfung der Coronapandemie stellt alle Gebietskörperschaften vor große He­rausforderungen und bindet deren personelle Ressourcen. Die Finanzausgleichspartner sind daher übereingekommen, den bestehenden Finanzausgleich für vorerst zwei Jahre zu verlängern. Eine unveränderte Verlängerung wird es Bund, Ländern und Gemeinden ermöglichen, weiterhin alle Kräfte für die Krisenbewältigung zu bündeln.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben. – Ich bitte um Ihre Zustimmung.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile dieses.


14.13.23

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Herr Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuseher! – (In Richtung Galerie blickend:) Es sind gerade keine da. Die Coronakrise in Österreich ist auch eine Krise unseres Gesundheitssystems sowie unseres Pflegesystems und hat auch massive Aus­wirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Schon vor der Coronapandemie stieß der Gesundheitssektor, vor allem aber der unterfi­nanzierte Pflegesektor an seine Grenzen. Jetzt steht er kurz vor dem Kollaps. Leider haben Sie, liebe Regierungsfraktionen von Türkis/Schwarz und Grün, das nicht erkannt und schreiben die Finanzierung in den nächsten Jahren einfach fort. Mit diesem Be­schluss wird das Gesundheitssystem selbst zum chronischen Patienten, wenn nicht zum Intensivpatienten. (Beifall bei der FPÖ.)

In den kommenden Jahren fehlen in Österreich unglaubliche 75 000 Menschen in der Pflege. In Österreich kommen nur sieben Pflegekräfte auf 1 000 Einwohner. Zudem ist das Pflegepersonal in Österreich schlecht bezahlt. Spricht man mit den zukünftigen Pfle­gekräften, erhält man die Aussage, dass der Pflegestand in den Krankenhäusern oder Seniorenwohnhäusern, wo diese ihr Praktikum gemacht haben, noch nie gepasst hat. Da müssten bei Ihnen eigentlich die Alarmglocken läuten. Was aber machen Sie? – Sie schreiben die Finanzierung für die nächsten Jahre einfach fort! Das ist der falsche Weg. Daher kann die FPÖ-Bundesratsfraktion dieser Regierungsvorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich komme aber noch zu einem weiteren Aspekt der Sparpolitik. Das Kaputtsparen unse­res Gesundheitssystems führt zwangsläufig zu einer Zweiklassenmedizin mit Versor­gungslücken. Lange Wartezeiten auf Termine, lange Wartezeiten in überfüllten Ordina­tionen und Selbstbehalte müssen der Vergangenheit angehören. (Beifall bei der FPÖ.) Leider wird das von der Bundesregierung nicht ernst genommen.


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Abschließend darf ich als Oberösterreich-Vertreter im Bundesrat noch über die ange­spannte Situation in den Krankenhäusern berichten. (Ruf bei der SPÖ: In Oberöster­reich!) Derzeit haben wir in den oberösterreichischen Krankenanstalten 270 Intensivbet­ten. Die Gespag hätte laut Dr. Harald Schöffl die Kapazität, auf 320 Betten aufzustocken. Dies geht leider nicht, da die Gespag bereits bei einer Belegung ab 140 Intensivbetten ärgste Personalprobleme hat. Mit einem linearen Fortschreiben der Finanzierung wird sich das Problem in den nächsten Jahren verschärfen. Da kann man nur hoffen, dass noch ein weiterer Sideletter auftaucht, der weitere Finanzierungsmöglichkeiten für das Gesundheits- und Pflegesystem vorsieht. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Fangen Sie bitte rasch an, zu suchen, die Zeit drängt! – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo Markus! Bravo!)

14.17


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile dieses.


14.17.22

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­her! Sehr geehrter Herr Kollege von der FPÖ, man kann das Problem natürlich auch anders lösen und Maßnahmen ergreifen, damit die Intensivbetten nicht so stark ge­braucht werden, dann hat man dieses Problem schneller gelöst. (Bundesrat Spanring: Das habt aber ihr verschlafen! Das habt ihr leider versäumt!) Dazu hat es ja von unserer Seite sehr viele Vorschläge gegeben, leider aber nicht von Ihnen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ausgerechnet der Zauberer!)

Wir diskutieren hier heute ein Gesetz, mit dem vor allem den Gemeinden unter die Arme gegriffen wird, was auch notwendig ist. Ich darf nur daran erinnern: Es ist ja schon die dritte Maßnahme, die hier gesetzt wird. Die erste Maßnahme war das kommunale Inves­titionsprogramm mit 1 Milliarde Euro, davon sind 800 Millionen Euro schon ausge­schöpft. Es wurden 3,5 Milliarden Euro an Investitionen angestoßen, und ich denke, das hat sehr, sehr gut gegriffen. Es folgte das zweite Paket, das eine Erhöhung der Er­tragsanteile um 400 Millionen Euro, 100 Millionen Euro im Strukturfonds und gleichzeitig auch die Absicherung, dass die Ertragsanteile um mindestens 12,5 Prozent steigen wer­den, gebracht hat.

Damit kommen wir heute zum dritten Paket. Auf diese 12,5 Prozent wurden Vorschüsse in der Höhe von 500 Millionen Euro geleistet. Nun sind aber die Ertragsanteile tatsächlich um 13,8 Prozent gestiegen – das zeigt ja schon, dass die Wirtschaft viel besser ange­sprungen ist, als ursprünglich angenommen wurde. Da diese Steigerung höher ist als die Garantiezahlungen, die getätigt worden sind, wäre eine Rückzahlung notwendig ge­wesen. Das wurde eben jetzt durch die Bundesregierung gestoppt: Die restlichen 275 Mil­lionen Euro müssen nicht zurückgezahlt werden und verbleiben bei den Gemeinden. – Das ist der erste Teil.

Der zweite Teil ist – und das ist einmalig –, dass den Gemeinden die Mindereinnahmen von jährlich 180 bis 220 Millionen Euro, die ihnen durch die Steuerreform, die jetzt kommt, entstehen, vom Bund erlassen werden. Das hat es überhaupt noch nie gegeben. Es hat immer die Vereinbarung gegeben, dass eine Steuerreform über alle Ebenen hin­weg finanziert wird. Sogar auch den Ländern wird das erstattet, und das wird natürlich auch unseren Finanzlandesrat freuen. Das ist eine sehr gute Finanzpolitik, die hier ge­leistet wird.

Des Weiteren werden für die Krankenanstalten 750 Millionen Euro zur Verfügung ge­stellt – Herr Kollege, 750 Millionen Euro! Auch das würde ja letzten Endes auf die Ge­meinden und die Länder zukommen, und damit ist eine gute Krankenhausausstattung


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gesichert. Insgesamt reden wir von fast 2 Milliarden Euro, die den Gemeinden in den Jahren 2022 bis 2025 zur Verfügung gestellt werden, das ist wirklich eine gute und tolle Hilfe für die Gemeinden, zum richtigen Zeitpunkt genau richtig angesetzt. Wir spüren das in den Gemeinden. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich kann nur sagen, in meinem Bezirk gibt es keine Gemeinde mit einem Abgang. Es haben alle Gemeinden, sogar die SPÖ-geführten, ein positives Haushaltspotenzial. (Bundesrat Spanring: In Wien nicht!) Wenn das also irgendwo anders ist, dann kann es nicht daran liegen, wie die Gelder vom Bund verteilt werden und wie die Gemeinden unterstützt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten reden wir auch vom Finanzausgleich, der für zwei Jahre verlängert wurde, was natürlich eine gewisse Stabilität gibt. Als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde muss ich aber natürlich auch über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel reden (Hei­terkeit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann), das ist ein Muss, das würden mir meine Bürgermeister sonst nicht verzeihen.

Vielleicht zur Erklärung für die Zuseher, die das nicht verstehen: Die Ertragsanteile wer­den ja nicht pro Kopf gleich aufgeteilt, sondern nach einem abgestuften Bevölkerungs­schlüssel. Das heißt, Gemeinden bis 10 000 Einwohner bekommen beispielsweise 700 Euro, zwischen 10 000 und 20 000 Einwohnern bekommen sie dann 1 000 Euro, zwischen 20 000 und 50 000 Einwohnern 1 200 Euro und bei über 50 000 Einwohnern 1 400 Euro, also doppelt so viel wie die kleinen Gemeinden. Das rührt von der Nach­kriegszeit her, als man gesagt hat, die großen Städte haben mehr Bedarf an Finanzmit­teln, um den Wiederaufbau bewältigen zu können.

Jetzt haben wir 70 Jahre Wiederaufbau, ich hoffe, der Wiederaufbau hat funktioniert und man könnte auch einmal über diesen Schlüssel sprechen. Ich kenne aber die politischen Realitäten in den Gremien, in den Landtagen, in den Nationalräten und in den Bundes­räten, in denen die meisten Volksvertreter aus größeren Städten sind oder solche in ihrem Wahlkreis haben, und ich weiß daher, dass sich daran nicht viel ändern wird. Un­fair ist es aber trotzdem. (Bundesrat Spanring: Ihr habt immer die Mehrheit, gell!) Ja, das ist aber nie gegangen, das geht über Parteigrenzen hinweg und hat mit Parteien nichts zu tun.

Was aber mit dieser Verteilung auch immer wieder über Hauptwohnsitzer kommt, gerade von Wien weil wir da vorhin Krokodilstränen am Rednerpult gesehen haben (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling), sind Zwangsmaßnahmen, um die Bürger mit Zwang dazu zu bringen, ihren Hauptwohnsitz nach Wien zu verlegen. (Bundesrat Span­ring: Zwangsmaßnahmen sind nie gut! Impfung!) Gerade jetzt haben wir wieder so ein Beispiel mit dem Ausweiten des Parkpickerls. Alle, die in Wien parken wollen in Zukunft in allen Bezirken, nicht nur in den inneren Bezirken , müssen Hauptwohnsitzer in Wien sein. (Rufe bei der SPÖ: Mah!)

Ich muss ehrlich sagen, das ist wirklich ein unrühmliches Schauspiel, was da immer wie­der auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird. Wir müssen uns ja dann auch wieder Maßnahmen überlegen, wie wir das Ganze zurückhalten können. Ich erinnere nur, dass beim Einführen des Parkpickerls meiner kleinen Gemeinde, die doch sehr weit von Wien weg ist, 30 Hauptwohnsitzer abhandengekommen sind. Natürlich wollen wir uns das nicht gefallen lassen und müssen uns dann auch wieder Maßnahmen überlegen. (Bun­desrätin Grimling: Na dann gebt ihnen Arbeit bei euch! Ihr braucht ihnen nur Arbeit dort bei euch geben!) Das alles wird immer wieder auf dem Rücken der Bürger ausgetragen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... die Impfpflicht!) Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ Wien, Sie brauchen sich nicht hierherzustellen und Krokodilstränen zu weinen (Bundes­rat Steiner: Vielleicht ist die Gemeindeinfrastruktur ...!), weil Sie immer benachteiligt werden! (Bundesrätin Grimling: Ich frag’ mich nur, warum sie dann in Wien arbeiten!


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Habt ihr keine Arbeit? ... lieber Herr Kollege! Dann gebt ihnen Arbeit!) Das ist wirklich nicht der Fall.

Zur Arbeit der Gemeinden und auch zur Finanzierung: Es ist doch so, dass die Gemein­den jene sind, die am nächsten zum Bürger arbeiten. Daher ist eine gute Finanzierung dieser Gemeinden sehr, sehr gut, da sie gerade in den ländlichen Regionen oft die größ­ten Akteure sind, die Investitionen tätigen und damit auch den Unternehmen Aufträge geben und letzten Endes auch ihren Bürgern Arbeitsplätze verschaffen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling: Wien?! Sie geben Wien einen Auftrag? Ja, natürlich, ja!) Des­halb ist es auch wichtig, dass die Finanzierung gesichert ist. Um all das, was Gemeinden machen müssen, in einem Wort zusammenzufassen, kann man das tschechische Wort für Bürgermeister nehmen, das heißt starosta. Ein tschechischer Kollege hat mir einmal gesagt, man kann das auch mit Sorgenmeister übersetzen, und das bringt, glaube ich, ganz gut auf den Punkt, wofür Gemeinden zuständig sind.

Zuletzt möchte ich allen Gemeindemitarbeitern  da meine ich jetzt natürlich auch jene in Wien (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling für die Arbeit der letzten zwei Jahre danken, für diese vielen Zusatztätigkeiten, die Sie letzten Endes mit Teststraßenaufbau, mit Impfstraßenaufbau, mit der Organisation der Impfbusse, mit der Umsetzung des grünen Passes, mit der Bürgerkarte, mit allen erklärenden Maßnahmen, wie Regelungen auszulegen sind, gehabt haben. Sie haben wirklich sehr gute Arbeit geleistet, wir können uns auf unsere Mitarbeiter sehr gut verlassen. Deshalb auch von dieser Stelle: Sehr herzlichen Dank für diese Arbeit in den letzten zwei Jahren! An den Bundesminister für Finanzen: Einen sehr herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit mit den Gemeinden, wo man wirklich auf schnellem Wege immer auf die Dringlichkeiten reagiert, damit man vor Ort beim Bürger finanziell sehr gut unterwegs ist. Danke sehr herzlich! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

14.26


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Lancaster. Ich erteile dieses.


14.26.26

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Kurz eine Reflexion auf den Vorredner: Lieber Kollege Köck, ich lade Sie gerne ein, die Realität in den oberösterreichischen Gemeinden kennenzulernen. Die Finanzlage ist angespannt, unsere Ausgaben übersteigen unsere Einnahmen. Wenn man sich die ein­zelnen Bereiche, die eine Gemeinde zu erledigen hat, anschaut, dann muss man sagen: Es ist kritisch, welche Gefahren oder welche Bedrohungen für uns da dahinterstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zudem möchte ich sagen: Als dritter Redner hat man den Vorteil, dass vieles gesagt wurde. Kollege Steinmaurer aus meiner Nachbargemeinde hat bereits Punkte aus die­sem Vorhaben erläutert, und auch Sie haben die Punkte dargestellt. Als dritte Rednerin habe ich es in dem Sinn einfacher, denn es ist genug gelobt worden (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann. – Beifall bei der SPÖ.) Es ist der Regierung und Ihnen, Herr Minister, genug gedankt worden. Ich schließe mich dem jetzt nicht an, Sie haben aber schon sehr viel Lob eingeholt, ich glaube, das reicht für einen Tagesordnungspunkt. (Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Wie gehört geht es ja um die Verlängerung des Finanzausgleichs. Da die Finanzaus­gleichsperiode mit Ende 2021 ausgelaufen ist, wird der Beschluss wohl auch rückwir­kend ab dem 1. Jänner 2022 wirksam sein. Die Verlängerung ist notwendig, denn ohne Verhandlungen gibt es eben keine neuen Vereinbarungen für die nächste Periode. Corona


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hat sicher seinen Teil zur Säumigkeit beigetragen, keine Frage. Wir von der Sozialde­mokratie werden, wie schon im Nationalrat, der Verlängerung um zwei Jahre zustimmen.

Gleichzeitig werden auch fast alle 15a-Vereinbarungen fortgeschrieben beziehungswei­se etwas erhöht – Details dazu haben wir auch schon von den Vorrednern gehört. Eine Ausnahme bildet die Kinderbetreuung, da werden Verhandlungen geführt. Es ist auch richtig so, denn da liegt vieles im Argen. In meiner Gemeinde wird zum Beispiel von meinem politischen Mitbewerber, der Ihrer Gesinnungsgemeinschaft angehört, Herr Mi­nister, in regelmäßigen Abständen gefordert, ich solle für jedes Kind, dessen Eltern es wollen, einen Kindergartenplatz zur Verfügung stellen. (Heiterkeit der Bundesrätin Schu­mann.) Auch Landeshauptmann Wallner und unsere Präsidentin haben heute in ihren Reden die hohe Bedeutung der Elementarpädagogik hervorgehoben – eine zutiefst so­zialdemokratische Forderung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Gemeinde ist an der Spitze beim Kinderbetreuungsangebot im Bezirk. Seit mei­nem Amtsantritt sind wir von einem halbtägigen Angebot für Drei- bis Sechsjährige zu einem Ganztagesangebot für Ein- bis Sechsjährige gekommen. Dennoch gibt es nicht für jedes Kind einen Platz. Wir sind mit einer massiven Personalnot konfrontiert, die nicht coronabedingt ist, sondern ein strukturelles Problem darstellt.

Herr Minister, gehen wir es an! Arbeiten wir die Rahmenbedingungen aus, damit ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für die Gemeinden leistbar und machbar ist! Die Eltern werden es Ihnen danken. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt hole ich etwas weiter aus: Die freiwilligen Feuerwehren sind ein unverzichtbarer Partner in den Gemeinden. Sie erbringen für uns Leistungen des öffentlichen Brand­schutzes und Gefahrenschutzes und spielen auch eine zentrale Rolle beim Katastro­phenschutz und technischen Hilfsdienst. Wir Gemeinden sind verpflichtet, die Einsatzbe­reitschaft der freiwilligen Feuerwehren zu sichern. Dazu braucht es weiche Faktoren wie Qualifizierungsmaßnahmen und Teambildung, aber auch harte Faktoren wie Einsatz­zentralen, Löschwasserversorgungsanlagen und technische Ausrüstung.

Hätten wir die vielen Freiwilligen in den Gemeinden nicht, müssten wir Gemeinden für die Erbringung der Aufgaben ein Vielfaches ausgeben, und es wäre unter den jetzigen Bedingungen überhaupt nicht leistbar, auch nur in die Nähe dieser Ausgaben zu kommen.

Auch ich spreche jetzt einen Dank aus und bedanke mich bei den freiwilligen Feuerwehr­leuten – Frauen und Männern – in den Gemeinden, die enorm Wichtiges für uns und für die Gemeinschaft leisten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Bader und Raggl. – Ruf bei der SPÖ: ... Einsatzbereitschaft! Verantwortlichkeit!)

Verantwortlich für die Finanzierung sind bei uns in Oberösterreich der Landesfeuerwehr­verband, die Gemeinden und die Feuerwehren selbst. Soweit mir bekannt ist, ist die Finanzierung der freiwilligen Feuerwehren länderspezifisch und sehr unterschiedlich. Corona hat aber – egal, in welchem Bundesland – die Einnahmen der Feuerwehren ten­denziell stark einbrechen lassen. Einnahmequellen sind versiegt oder waren rückläufig  Feuerwehrfeste sowie traditionelle Frühschoppen wurden großteils abgesagt, Haus­sammlungen wurden durch unpersönliches Versenden von Zahlscheinen ersetzt. Die anderen Finanzierungspartner, die Gemeinden, haben ihre Rücklagen – das ist nämlich die Realität, Kollege Köck! – oftmals aufgebraucht, um das Tagesgeschäft in den schwie­rigen Zeiten halbwegs über die Runden zu bringen.

Was wird jetzt aus den Anschaffungen von technischen Ausrüstungen? – Leere Kassen der Gemeinden und Feuerwehren einerseits und Sicherung der Einsatzbereitschaft an­dererseits: Das geht sich nicht mehr aus! Seit Jahren fordern die Gemeinden und die österreichischen Feuerwehrverbände eine umsatzsteuerrechtliche Lösung für die Finan­zierung von Feuerwehrgerätschaften.


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Aus EU-rechtlichen Gründen ist für die Anschaffung Umsatzsteuer zu entrichten. Das Problem wurde bislang nicht gelöst. Weder liegen uns österreichische Vorschläge an die EU für eine Ausnahmebestimmung in der Richtlinie vor, noch wurden Maßnahmen im Inland gesetzt, um die Finanzierungssituation in den Gemeinden zu erleichtern. Aus Ge­meindesicht kann ein bundesweit einheitlicher Zweckzuschuss die steuerlichen Rah­menbedingungen, die real zu einer Kürzung der jährlichen Investitionen führen, ausglei­chen und einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierungssicherheit schaffen.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bun­desweit einheitliche finanzielle Unterstützung für Gemeinden bei der Anschaffung von Gerätschaften der Feuerwehr“

Der Bundesrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert dem Nationalrat sowie dem Bundesrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit welcher den Gemeinden auf Antrag ein Anspruch auf einen europarechtskonformen, direkten, bundesweit einheitlich geregelten Zweckzuschuss für die Anschaffung oder Reparatur von Feuerwehrgerätschaften in Höhe von einem Sechstel der rechnungsmäßig nachge­wiesenen Finanzierungskosten gewährt wird.“

*****

Ich ersuche Sie eindringlich, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen, das ist wichtig für die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr in unseren Gemeinden! – Danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

14.35


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Mag.a Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „bundesweit einheitliche finanzielle Unterstützung für Gemeinden bei der Anschaffung von Gerätschaften der Feuerwehr“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl. Ich erteile dieses.


14.35.46

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschir­men! Ja, wir wissen gerade hier im Parlament, wie viel Regelungsbedarf die Pandemie­bekämpfung hatte und immer noch hat und wie sie die gesamte Verwaltung und Ge­setzgebung seit Beginn 2020 in Anspruch nimmt.

Finanzausgleichsverhandlungen zur Verteilung der Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden brauchen aber Zeit und brauchen Ressourcen. Daher sind die Finanz­ausgleichspartnerInnen übereingekommen, den bisher geltenden Finanzausgleich und die daran anknüpfenden Forderungen und 15a-Vereinbarungen bis 2023 zu verlängern. Das ist gut so, denn es gibt ausreichend Zeit, um notwendige Reformen vorzubereiten, die ja nicht nur von uns, sondern auch von vielen anderen gefordert werden.

Was alles gefordert wird, kann zum Beispiel im Regierungsprogramm nachgelesen wer­den. (Bundesrat Steiner: In den Sideletters, oder was?) Es geht um die Entwirrung der


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Transferströme, die Schaffung von klaren Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkei­ten, die Stärkung der Steuerautonomie der Länder und Gemeinden, die Koppelung der Zahlung aus dem Finanzausgleichsgesetz an die Klimaziele und auch das Erreichen der Klimaziele als gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden. Da sind auch Sie gefordert, liebe LändervertreterInnen. Unterstützen Sie diese Reformen, dann sind wir schneller bei einem neuen und besseren Finanzausgleich!

Auf die erhöhten und verlängerten Förderungen ist Herr Kollege Köck schon eingegan­gen. – Vielen Dank.

Nur eine kleine Replik auf den Kollegen der FPÖ, der von der angespannten Lage in den Krankenhäusern gesprochen hat: Stimmen Sie für die Impfpflicht, dann werden die Kran­kenhäuser auch entlastet! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Ofner: So ein Blöd­sinn!)

Was allerdings nicht auf 2023 verschoben werden kann – Kollegin Lancaster ist auch schon darauf eingegangen –, ist die 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik. Es freut mich, dass wir alle uns da so einig sind – Kollege Arlamovsky und Herr Landeshaupt­mann Wallner sind am Vormittag auch schon darauf eingegangen –, denn es braucht dringend – das wissen wir alle – eine ganzjährige, ganztägige und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in ganz Österreich. (Bundesrätin Schumann: Unbedingt!) Es braucht einen Ausbau, eine Verbesserung, es braucht einheitliche Standards, und selbstver­ständlich braucht es auch mehr Mittel in der Elementarpädagogik. Das kann nicht warten und wird daher gerade zwischen Bund und Ländern verhandelt, um möglichst schnell umgesetzt zu werden.

Ja, wir haben es gehört, natürlich stehen die Gemeinden aufgrund der Coronakrise vor großen Herausforderungen. Es gibt höhere Ausgaben und weniger Einnahmen, und da­her wurde schon zu Beginn der Pandemie 2020 das erste Gemeindepaket mit 1 Milliarde Euro und Anfang 2021 das zweite Gemeindepaket mit 1,5 Milliarden Euro beschlossen, wovon ein großer Teil für strukturschwache Gemeinden ausgegeben wurde. Auch darauf ist Kollege Köck ja schon eingegangen, und daher ist es nicht nötig, noch einmal darauf einzugehen.

Was dabei aber wichtig ist: Die Bundesregierung beobachtet permanent, wie es den Gemeinden geht, und ist dazu mit dem Gemeindebund in regem Austausch. Sie analy­sieren laufend, wie hoch die Investitionen und der Verschuldungsgrad der Gemeinden sind. Daher – auch das hat Herr Kollege Köck schon gesagt, deswegen wird meine Rede etwas kürzer – werden die bereits ausbezahlten Vorschüsse aus dem zweiten Gemein­depaket nicht zurückgezahlt werden müssen.

In dem Zusammenhang nicht zu vergessen sind auch die Zuschüsse an die Gemeinden, die sie für kommunale Impfkampagnen ausgeben müssen, aber genauso – und das ist ein Anreiz und kein Ausspielen oder Wettbewerb – mehr als 500 Millionen Euro für die Gemeinden je nach Durchimpfungsrate. Das sind bis zu 70 Euro pro Person mit Haupt­wohnsitz. Das alles sind wertvolle Hilfen zur Sicherung der Gemeindefinanzen für Rad­wege, Gehsteige, Straßen, fürs Klima, für klimaschützende Energiegewinnung, für den öffentlichen Nahverkehr, für Bildung und für alltägliche Infrastruktur.

Ich vertraue darauf, dass die Regierung und in manchen Bereichen natürlich auch die Länder wieder rasch reagieren werden, wenn zusätzliche Hilfen notwendig sind – auch für die freiwilligen Feuerwehren. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 116

14.40


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Magnus Brunner. – Bitte sehr.


14.40.58

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Werte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es geht um die Verlängerung des Finanzausgleichs.

Zunächst: Der bestehende Finanzausgleich wäre ausgelaufen. Die Länder sind schon in einer Frühphase der Pandemie an uns, den Bund, herangetreten und haben eben den Vorschlag unterbreitet, den bestehenden Finanzausgleich zu verlängern. In, salopp ge­sagt, normalen Zeiten wäre es natürlich erforderlich gewesen, intensiv zwischen Bund, Ländern und natürlich auch Gemeinden zu verhandeln, ich glaube aber, es hat jeder Verständnis dafür, dass wir jetzt diesen Weg gegangen sind.

Es hat Herausforderungen gegeben, die auch die Länder ganz stark betreffen, vor allem im Gesundheitswesen und da natürlich vor allem im Zusammenhang mit finanziellen Angelegenheiten, natürlich insbesondere für die Bundesländer, die die Kompetenz für den Mehraufwand für die Krankenanstalten haben, den diese gerade in Pandemiezeiten zu tragen hatten.

Wir haben uns daher mit allen neun Bundesländern darauf geeinigt, dass der Bund den Ländern den Mehraufwand für die Jahre 2020 und 2021 pauschal mit diesen 750 Millio­nen Euro ersetzt. Das ist, glaube ich, ein guter Weg, der auch notwendig ist, damit das Gesundheitssystem in den Ländern aufrechterhalten werden kann.

Wir haben aufgrund der geringeren gesamtstaatlichen Steuereinnahmen die Situation, dass die Gebietskörperschaften natürlich zusätzlich belastet werden, insbesondere wer­den die Gemeinden zusätzlich belastet. Wir haben deswegen bereits im Frühjahr 2020 das erste Gemeindepaket geschnürt, im Zuge dessen der Bund die Kosten für Projekte der Gemeinden zur Hälfte übernimmt. Übrigens ist diese Gemeindemilliarde, wie sie ge­nannt wird, sehr gut angenommen worden: 800 Millionen Euro sind bereits abgerufen worden. Dadurch sind in den Gemeinden Investitionen von insgesamt über 3,1 Milliarden Euro unterstützt worden.

Wir haben dann zu Beginn des Jahres 2021 das zweite Gemeindepaket aufgestellt. Zum einen wurden die Ertragsanteile der Gemeinden um 400 Millionen Euro erhöht, zum an­deren wurde für finanziell schwächer aufgestellte Gemeinden eben auch der Struktur­fonds um 100 Millionen Euro aufgestockt.

Im Nachhinein betrachtet wäre der Sondervorschuss, der dadurch gewährt worden ist, nicht notwendig gewesen. Aufgrund der Steigerung der Ertragsanteile wäre eine Rück­zahlung erforderlich gewesen. Wir brauchen in den Gemeinden und insgesamt in ganz Österreich aber ein nachhaltiges Wachstum, und da wir diese positive Entwicklung för­dern wollen, die wir dank des Wachstums in Österreich Gott sei Dank haben, greift der Bund den Gemeinden da noch einmal unter die Arme. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. Wie schon erwähnt wurde, verzichtet der Bund somit auf die weitere Aufrollung und die Rückzahlung des Sondervorschusses. Da geht es um 275 Millionen Euro zusätzlich für die Gemeinden, die diese sicher sehr gut brauchen können.

Auch die Steuerreform bringt natürlich Mindereinnahmen, insbesondere bei einem klei­nen Einkommen. Die erhöhten Absetzbeträge für die kleinen Einkommen und die kleinen Pensionen bedeuten Mindereinnahmen für den Staat, in weiterer Folge aber natürlich auch Mindereinnahmen für die Länder und Gemeinden. Damit diese zusätzlichen Ent­lastungsmaßnahmen im Bereich der Einkommensteuer eben nicht zulasten der Ertrags­anteile der Länder und Gemeinden gehen, wird der Bund auch diese Mindereinnahmen zur Gänze übernehmen. Das sind 180 Millionen Euro im Jahr 2022 und jeweils 220 Mil­lionen Euro für die kommenden Jahre bis 2025. Zusätzlich zu den 750 Millionen Euro und den 275 Millionen Euro sind das also noch einmal insgesamt 840 Millionen Euro. Das ist notwendig. Das ist eine Unterstützung für die Gemeinden und für die Länder, die, glaube ich, geboten ist.


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Es sind also riesige Summen, die da zur Unterstützung der Länder und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Wir tun das aber natürlich nicht aus Selbstzweck, sondern weil wir mithelfen wollen, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie zu lindern. Selbstverständlich stehen wir dauerhaft mit den Ländern und Gemeinden im Austausch, um flexibel reagieren zu können, wenn zusätzlicher Handlungsbedarf beste­hen sollte. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Novak.)

14.46


14.46.10

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „bundesweit einheitliche finanzielle Unter­stützung für Gemeinden bei der Anschaffung von Gerätschaften der Feuerwehr“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

14.47.175. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (EIWOG 2010) und das Energie-Control-Gesetz
(E-ControlG) geändert werden (2184/A und 1304 d.B. sowie 10865/BR d.B. und 10870/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


14.47.41

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das Elektrizitätswirtschafts-
und -organisationsgesetz 2010 (EIWOG 2010) und das Energie-Control-Gesetz (E-ControlG) geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile dieses.



BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 118

14.48.42

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Ga­lerie und vor den Bildschirmen! Ich habe die Worte der Abgeordneten der türkis-grünen Bundesregierung noch im Ohr: Mit dem Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes ist der große Wurf gelungen.

So wie wir vermuteten, wurde uns das Gesetz von der EU wieder zurückgeworfen. Die Gewissheit, dass bestimmte Gesetzesinhalte sicher nicht EU-konform wären, war auch damals schon einer der Gründe, warum wir unsere Zustimmung verwehrten. Unter anderem begründete ich die Ablehnung wie folgt: Wir Freiheitliche stellen uns schützend vor die österreichische Bevölkerung. Wir werden nicht zulassen, dass Sie über die Hin­tertür und unter dem Deckmantel eines verringerten CO2-Ausstoßes Atomkraftwerke etablieren, da Sie es nicht schaffen, mit Windrädern und Fotovoltaik und ohne weiteren Ausbau von Wasserkraft, den Sie natürlich auch nicht wollen, den kompletten Strombe­darf ganzjährig sicherzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu meiner damaligen Aussage kamen von einigen Kollegen – auch hier im Bundesrat, gefangen in der türkis/schwarz-grünen Energiezwangsjacke – abwertende Bemerkun­gen. Interessant ist, dass nicht einmal ein halbes Jahr später der EU-weite Ausbau von Atomkraftwerken nicht nur in der gestern stattgefundenen EU-Ausschusssitzung zum Thema wurde, sondern mit dem gestrigen Tage von der EU offiziell in ihre Taxonomie aufgenommen wurde. – Interessant, Frau Minister, dass die gleichen Personen jetzt die Empörten spielen!

Wir Freiheitlichen stehen für Umweltschutz und Umweltpolitik mit Hausverstand. (Beifall bei der FPÖ.) Das beinhaltet natürlich die Absicherung des Wirtschaftsstandorts Öster­reich, das aber, was uns ganz wichtig ist, ist die Leistbarkeit für die Bevölkerung und der Erhalt unseres Lebensraums. Aufgrund dessen werden wir auch heute gegen die Än­derung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes stimmen.

Wie weltfremd und haarstäubend – bei manchem, wie bei mir, wirkt es sich als Ausfall der Haare aus – diese türkis/schwarz-grüne Umweltpolitik ist, könnte man stundenlang an Beispielen zelebrieren, aber zum Thema Straßenbau: Aus Umweltgründen – Luftver­schmutzung, Bodenversiegelung – lehnt man zum Beispiel den Lobautunnel, der unterir­disch geführt werden soll – Bodenversiegelung –, ab. Die Abgase könnten ordnungsge­mäß abgesaugt, gereinigt und gefiltert werden, und die Staus auf den derzeit stark be­lasteten Hauptstrecken wären Geschichte.

Stattdessen – und dieses Bedenken kommt mittlerweile nicht nur von uns Freiheitli­chen – müssen aufgrund der gesetzlichen Maßnahmen dieser Bundesregierung Zigtau­sende Hektar Fläche zubetoniert werden – das widerspricht wieder dem Vermeiden von Bodenverbrauch –, um die gesetzliche Verankerung, die Elektronutzfahrzeuge laden zu können, umzusetzen – anstatt auf die Produktion von Biofuels zu setzen, bei denen man die bestehende Tankinfrastruktur und den bestehenden Fuhrpark der Unternehmer und die vielen PKWs aller Österreicherinnen und Österreicher weiter nutzen könnte. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Nebensatz sei aber noch erwähnt – wie gestern wieder durch den Fraktionsobmann der Grünen Schreuder im EU-Ausschuss bewiesen, nachdem von der Wirtschaftskam­mer, wohlgemerkt, und auch vom Städtebund die Umsetzbarkeit der gesetzten Maßnah­men massiv angezweifelt wurden –, dass anscheinend die Grünen noch immer daran glauben, dass in jeder Ortschaft der Zug oder die U-Bahn fährt und die Nahversorger dann mit dem Elektrolastenfahrrad die Waren vom Bahnhof holen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitlichen haben damals beim Beschluss zum EAG unter anderem auch vor den bevorstehenden Preissteigerungen gewarnt, die mittlerweile nach und nach eintreten.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 119

Auch „Die Presse“ vom 8.1.2022 berichtet, dass die E-Control „mit weiteren Steigerun­gen der österreichischen Strompreise um ein Fünftel auf rund 240 Euro je Megawattstun­de im heurigen Jahr“ rechnet.

In den vergangenen zwölf Monaten hat sich zum Beispiel der Gaspreis vervielfacht, und es gibt, wie wir alle wissen, wenige Anzeichen, dass sich daran in den nächsten Wochen auch etwas ändern wird. Anstatt Maßnahmen zu setzen, um diese enorme Belastung der Bürgerinnen und Bürger – insbesondere durch stark gestiegene Energiekosten – einzudämmen, versucht diese Bundesregierung mit kosmetischen Korrekturen den An­schein zu erwecken, Maßnahmen gegen die Energiearmut zu setzen, beziehungsweise macht sie meiner Meinung nach geradezu das Gegenteil.

So ist der Wegfall der Erneuerbaren-Förderpauschale von circa 35,97 Euro sowie des Erneuerbaren-Förderbeitrags von im Schnitt 67 Euro im Jahr 2022 angesichts der enorm gestiegenen und wohl weiter steigenden Energiekosten, die den Endverbraucher mit mehreren 100 Euro jährlich zusätzlich belasten, als glatter Hohn zu bezeichnen. Dazu kommt, dass zeitgleich die Erhöhung der Netzentgelte Mehrkosten von bis zu 21 Euro pro Jahr für Strom und 12 Euro für Gas zusätzlich zu den gestiegenen Energiepreisen Mehrbelastungen von bis zu 33 Euro verursacht, womit der einmalige Wegfall der Erneu­erbaren-Förderpauschale wieder kompensiert wird. Dazu kommt weiters, dass Wenig­verdiener diese Beiträge ohnehin nicht zahlen und damit von dieser Regelung überhaupt nichts haben, aber dennoch durch die enormen Energiepreissteigerungen massiv be­lastet sind.

Als ob damit die heimische Bevölkerung nicht schon genug belastet wäre, hat die türkis-grüne Bundesregierung mit der sogenannten ökosozialen Steuerreform bewiesen, dass sie vor weiteren enormen Belastungen für die Österreicherinnen und Österreicher nicht zurückschreckt. So werden sich die Kosten für das Heizen weiter massiv erhöhen, denn alleine die CO2-Steuer, die ab Mitte des Jahres 2022 Treibstoffe, Öl und Gas massiv verteuern wird, wird in weiterer Folge das Heizen für viele Menschen unleistbar machen. So rechnet zum Beispiel Herbert Lechner von der Energieagentur damit, dass Bewohner von Einfamilienhäusern, die beispielsweise mit Gas heizen, dann mit Mehrkosten von circa 220 Euro zu rechnen haben, und jene, die mit Öl heizen, müssen sogar 290 Euro zusätzlich bezahlen.

Der in diesem Zusammenhang in Aussicht gestellte Klimabonus in Höhe von jährlich 100 bis 200 Euro kann vor dem Hintergrund dieser auf Österreicherinnen und Österrei­cher zukommenden Teuerung wohl nur – so wie heute schon einmal erwähnt – als blanker Hohn bezeichnet werden und deckt die von der türkis-grünen Bundesregierung zusätzlich verursachten Mehrkosten für Energie, Heizen und vor allem Treibstoffe bei Weitem nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade Haushalte mit geringem Einkommen werden in der bevorstehenden kalten Jah­reszeit durch die steigenden Energiekosten und die die Teuerung anfeuernden Maßnah­men durch die Bundesregierung am stärksten belastet. Dazu kommt, dass mit jeder Preiserhöhung von Strom und Gas die Einnahmen aus der Umsatzsteuer entsprechend ansteigen. Daher ist es dringend an der Zeit, dass diese Bundesregierung nicht nur end­lich von weiteren Belastungsmaßnahmen, die das Leben der Österreicherinnen und Ös­terreicher weiter verteuern, Abstand nimmt, sondern umgehend effektive Maßnahmen setzt, um Energiearmut in Österreich wirksam zu verhindern.

Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass Haushalte, Familien, Alleinerzieher, Pensionisten, Arbeitslose mit geringem Einkommen Gefahr laufen, aufgrund der gestie­genen Energiepreise ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr zahlen zu können und in der Folge vielleicht sogar in ungeheizten Wohnungen sitzen.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 120

Aus meiner Sicht und aus Sicht der unterfertigenden Bundesräte ist daher als eine Maß­nahme sicherzustellen, dass Umsätze mit Strom und Gas – zuerst einmal befristet – gänzlich von der Umsatzsteuer befreit werden. In diesem Zusammenhang stellen wir daher den nachstehenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Energiear­mut verhindern – keine Umsatzsteuer auf Strom und Gas“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der sichergestellt wird, dass auf Umsätze mit Strom und Gas bis zumindest 31.03.2023 keine Umsatzsteuer eingehoben wird.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

14.58


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Michael Ber­nard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Energie­armut verhindern – keine Umsatzsteuer auf Strom und Gas“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. Ich erteile dieses.


14.58.54

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Wir haben im letzten Sommer ein sehr gutes und umfassendes EAG beschlossen. Aufgrund des EU-Notifikationsverfahrens mussten einige Änderungen vorgenommen werden. Neben redaktionellen Anpassungen gab es auch inhaltliche Änderungen, und auf ein paar Beispiele möchte ich jetzt eingehen.

Ursprünglich war geplant, dass Ausschreibungen für Windenergieanlagen erst mit 2023 starten. Das kann jetzt fakultativ auch schon 2022 sein. Es wird zusätzlich zu den tech­nologiebezogenen Fördertöpfen einen gemeinsamen Fördertopf für Wind und Wasser geben, und dieser ist mit 20 MW bemessen.

Ein wichtiges Thema, das nicht unmittelbar von der EU kommt, ist die Frage, wie man mit den restlichen Mitteln aus dem Ökostromgesetz umgeht. Das Ökostromgesetz geht in das EAG über, und auch diese Mittel – es sind 15,5 Millionen Euro – werden im EAG wieder für die Wasserkraft genutzt.

In der Novelle ist auch die Aussetzung der Ökostrompauschale für das Jahr 2022 enthal­ten. Dadurch und durch den Entfall des Erneuerbaren-Förderbeitrags in der diesbezüg­lichen Verordnung werden die Ökostromkosten für Betriebe und Haushalte auf null ge­setzt  das ist ein wesentlicher Beitrag, um den steigenden Energiekosten entgegenzu­wirken und den Haushalten und den Betrieben zu helfen. Für mich ist eine Entlastung von 110 Euro pro Haushalt kein Hohn, bei den Betrieben sind es Entlastungen von 1 000 Euro aufwärts.

Positiv erwähnen möchte ich, dass es gelungen ist, die Laufzeit des Gesetzes bis 2030 beizubehalten. Brüssel wollte diese Laufzeit verkürzen, das hätte aber die Planungssi­cherheit massiv gefährdet. Dazu noch ein aus persönlicher Sicht wesentlicher Punkt:


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 121

Sehr viele von uns stehen für die erneuerbare Energie. Und wenn wir wirklich diese 29 Terawatt ausbauen wollen, brauchen wir die notwendige Netzinfrastruktur. Ich möch­te da wirklich an alle appellieren: Wir können nicht auf der einen Seite in unseren Sonn­tagsreden eine Lanze für die erneuerbare Energie brechen, auf der anderen Seite aber den nächsten Schritt nicht gehen, indem wir bei der Netzinfrastruktur auf die Bremse steigen. Wir alle wissen, dass Wind- und Wasserkraft nicht immer dort entsteht, wo die Energie wirklich gebraucht wird.

Das kann ich auch ganz gut aus meiner Gemeinde berichten, in der wir so viel Alterna­tivenergie haben. In der Gemeinde Gaal waren wir früh so fortschrittlich, dass wir die Alternativenergie gar nicht mehr aus unserem Graben hinausbekommen. Es musste schon eine Bypassleitung gebaut werden, und auch diese ist wieder überlastet.

Wer also Alternativenergie wirklich ernst nimmt, muss auch zum zweiten Schritt, nämlich dem Ausbau der Netze, stehen. Wer für Strom aus erneuerbaren Energien ist, der muss sich auch bewusst sein, dass es dort und da PV-Flächen gibt, dass es Windräder gibt und dass es auch Querbauwerke in Bächen gibt. Wer für Strom aus erneuerbarer Ener­gie ist, der muss sich auch bewusst sein, dass es dafür Stromnetze braucht. Die ländli­chen Regionen sollen ja auch nicht wieder benachteiligt sein.

Wenn wir unser gutes und ambitioniertes Ziel von 100 Prozent Ökostrom bis 2030 errei­chen wollen, dann müssen wir auch schauen, dass sämtliche Genehmigungsverfahren effizienter und schneller möglich sind. Das wäre mein Wunsch, und ich glaube, mit die­sen Ansätzen ist das auch gut zu erreichen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.02


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte sehr. (Bundesministerin Gewess­ler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Novak –: Nur kurz, Herr Bundesrat!)


15.03.01

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abge­ordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich wirklich, dass wir diesen Be­schluss heute hier im Bundesrat haben, dass die Europäische Kommission – das war ja die Voraussetzung oder der Grund für diesen Beschluss – das im Erneuerbaren-Aus­bau-Gesetz vorgesehene Marktprämiensystem noch vor Ende des letzten Jahres ge­nehmigt hat. Ein besonderer Erfolg – Frau Bundesrätin Kaltenegger hat gerade darauf hingewiesen – ist, dass die Kommission diese Genehmigung für die gesamte geplante Laufzeit des EAG erteilt hat. Das heißt, dass wir mit diesem Gesetz Planungssicherheit bis 2030 haben. Es ist ein riesiger Schritt auf unserem Weg zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 und ein großartiger Beschluss, den wir heute hier hoffentlich mit breiter Mehrheit fassen werden.

Um diesen an die europarechtlichen Vorgaben anzupassen, sind im Zuge des Notifika­tionsverfahrens einige Änderungen notwendig geworden. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, haben wir nicht nur die Verhandlungen mit der Kommission in Rekordzeit auf den Weg gebracht, sondern auch – und an dieser Stelle möchte ich mich auch bei Ihnen allen hier im Hohen Haus bedanken – die notwendigen Änderungen in einer wirklich großartigen gemeinsamen Anstrengung rasch auf den Legislativweg gebracht. Dafür, dass wir dieses große Gesetzespaket heute abschließen können, geht ein Dank nicht nur an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, sondern an alle Abgeordne­ten des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates. Da haben die unterschiedli­chen Bausteine unserer Republik im Sinne der Zielerreichung, im Sinne der Energiewen­de wirklich großartig zusammengearbeitet.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 122

Es gibt im Beschluss ein paar Punkte, auf die ich gerne eingehen möchte. Was sind die Veränderungen zum ursprünglichen Gesetzesbeschluss? – Eine wesentliche Anforde­rung der Kommission war es, bei den Ausschreibungen nachzujustieren. Der Kommis­sion war enorm wichtig, dass wir die ausgeschriebenen Volumina nicht unterschreiten, also dass es zu keiner Unterzeichnung von Ausschreibungen kommt. Uns war wichtig, dass eine Reduktion der Ausschreibungsvolumina nicht die Zielerreichung gefährdet, deswegen werden reduzierte Mengen immer in den Folgejahren nachgeholt. Auch das gibt Planungssicherheit, Investitionssicherheit.

Es gibt neue gemeinsame Ausschreibungen für Wasser- und Windkraft. Wir konnten sicherstellen, dass wir weiterhin jede Technologie zielgerichtet und so effizient wie mög­lich, so gut wie möglich im notwendigen Maß fördern können, damit wir die erneuerbaren Energien zeitgleich und günstig aufbauen, was auch für die Versorgungssicherheit und die Systemstabilität notwendig ist. Auch hier gilt wieder: Es gibt mehr Planungssicherheit für alle, die an dem großen Projekt Energiewende mitarbeiten.

Eine große Änderung ist, dass Windkraft ab 2023 auktioniert wird. Wir werden da 2022 noch ein geteiltes Kontingent haben, also auch administrativ Marktprämien vergeben können, ab 2023 gibt es dann aber die Förderung für die Windenergie per Auktionsme­chanismus.

Unabhängig von den Anforderungen der Kommission ist ein weiterer Punkt, dass wir in den Verhandlungen auch die soziale Seite sehr stark verankert haben. Dafür bedanke ich mich bei den Verhandlungspartnern und -partnerinnen aus jenen drei Fraktionen, die diesen Beschluss auf den Weg gebracht haben. Wir haben mit der Aussetzung der Er­neuerbaren-Förderpauschale für 2022 gemeinsam mit der Aussetzung des Erneu­erbaren-Förderbeitrags eine Entlastung von rund 100 Euro pro Haushalt und auf der Un­ternehmensseite, je nach Größe der Unternehmen, von mehreren 1 000 bis 10 000 Euro. Das schafft einen Ausgleich, eine Kompensation für die gestiegenen Strompreise auf­grund der höheren Gaspreise.

Jetzt komme ich zu dem Punkt, der vorhin schon diskutiert wurde und bei dem wir genau hinschauen müssen: Was sehen wir jetzt gerade bei den Energiepreisen? Was sehen wir in der jetzigen Situation gerade? – Wir sehen, dass Erdgas nicht nur ein klimapoli­tisches Problem ist, sondern dass Erdgas uns wirklich teuer zu stehen kommt. Die ge­stiegenen Preise sind nichts anderes als gestiegene Erdgaspreise – gestiegene Erdgas­preise! (Bundesrat Spanring: Das ist nichts Politisches, gell?!)

Alle, die die Menschen vor der Kostenfalle Erdgas, der wir gerade ausgesetzt werden, schützen wollen, lade ich also wirklich herzlich ein, dieses Gesetzespaket zu unterstüt­zen, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien der Weg heraus aus dieser Falle ist. (Bundesrat Spanring – singend –: Ich mach’ mir dir Welt, widdewidde wie sie mir gefällt!) Es ist der Weg rein in die Unabhängigkeit von Profitinteressen russischer Gaskonzerne, der Weg rein in die Sicherheit der Energieversorgung, in die Eigenständigkeit in der Energieversorgung und in eine langfristig günstige Energieversorgung. Dafür steht das Erneuerbaren-Ausbau-Paket. Ich hoffe auf breite Unterstützung. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.08


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile dieses.


15.08.25

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Werte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Ganz nachvollziehen konnte ich das, was Herr Bernard vorhin gesagt hat, nicht, aber es


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ist jetzt eh aufgeklärt worden, andernfalls hätte ich das noch gemacht. In diesem Notifi­kationsverfahren bei der EU ist nichts zurückgeworfen worden, sondern es gab Anpas­sungen, wie das bei vielen Gesetzen dieser Größenordnung der Fall ist.

Wer mich aber schon ein bisschen ärgert, ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Gross, der uns Sozialde­mokraten immer so darstellt, als wären wir gegen den Klimaschutz. Ich brauche, glaube ich, nicht extra zu betonen, dass die SPÖ die Pläne zum Ausbau erneuerbarer Energie­quellen voll unterstützt und zu 100 Prozent hinter den Initiativen zur Transformation im Klima- und Energiebereich steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ hat daher dem EAG, dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, bereits voriges Jahr im Juli hier im Hohen Haus nicht nur ihre Zustimmung erteilt, sondern war ganz maß­geblich daran beteiligt – und zwar mit dem Nationalratsausschuss, mit Nationalrat Schroll und seinem Team –, dass dieses Gesetz umgesetzt worden ist. Es geht da um nichts weniger als den Ausbau von zusätzlichen 27 Terawattstunden im Bereich der erneuerbaren Energie. Das ist ein absoluter Meilenstein in der Energiepolitik unseres Landes, und wir haben das mitgetragen und zum großen Teil auch mitverantwortet!

Wir alle wissen, dass an der Energiewende kein Weg vorbeiführt. Wir sind sie den kom­menden Generationen schuldig, dürfen jedoch auch nicht auf die gegenwärtigen Gene­rationen vergessen. Daher ist der Standpunkt unserer Partei unverrückbar, was die faire und gerechte Ausgestaltung dieser Maßnahmen betrifft. Die Energiewende darf nicht zu einer Zweiklassenenergiewende werden. Bei all den umweltrelevanten Aspekten darf niemals die soziale Komponente aus den Augen verloren werden. Daher war und ist es so wichtig, dass man das in diesem Gesetz verankert hat.

Die wichtigsten Punkte sind: die Begrenzung der jährlichen Ökostrombeiträge durch den Deckel von 1 Milliarde Euro, die Befreiung von der Ökostrompauschale für einkommens­schwache Haushalte, die auch von der GIS befreit sind, und die Erweiterung auf die armutsgefährdeten Haushalte – das sind rund 1,2 Millionen Personen, deren Ökostrom­pauschale mit 75 Euro im Jahr gedeckelt wurde – sowie die Beibehaltung der Fernwär­meförderung.

Ein ganz wesentlicher Punkt betrifft die Fördermittel für den Ausbau von erneuerbaren Energien, diese sollten tatsächlich ausschließlich über ökosoziale Kriterien festgesetzt werden: Das ist die Chancengleichheit, das ist die Gleichstellung, das ist die Gesundheit und das ist die Sicherheit am Arbeitsplatz – das sind die wesentlichen Aspekte. Und man muss auch dazusagen, dass wir von der SPÖ versucht haben, das in harten Verhand­lungen, wie es halt immer ist, bevor es zu einem Gesetz kommt, hineinzuverhandeln.

Die nun anstehenden Änderungen im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sind im Wesentli­chen auf Anforderungen zurückzuführen, die sich, wie schon von der Frau Bundesminis­terin erklärt worden ist, durch das Notifikationsverfahren bei der Europäischen Kommis­sion ergeben haben. Wie gesagt, es ist ja dann in weiterer Folge auch dazu gekommen, dass man das alles so ausverhandelt hat, wie wir uns das vorgestellt haben.

Dabei ist ganz wesentlich, dass die Erneuerbaren-Förderpauschale für 2022 nicht einge­hoben wird und sich somit die Stromkundinnen und Stromkunden 350 Millionen Euro ersparen. Es gibt auch eine Verbesserung der Grundversorgung für KundInnen, und es wurde ein Rechtsanspruch auf Ratenzahlungen von 18 Monaten bei Energienachzah­lungsforderungen geschaffen. In Zeiten der ständigen Verteuerung von Energie  und das ist ja heute schon den ganzen Tag Thema  sind diese Punkte für die Konsumen­tInnen von besonderer Bedeutung.

Ja, die Regierung ist jetzt natürlich gefordert, die noch ausständigen Verordnungen zu erlassen, um die Förderung von Strom aus Wasser, Wind, Fotovoltaik, Biomassekraft­werken und Biogasanlagen zu ermöglichen, um dieses Gesetz dann in weiterer Folge umzusetzen.


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Man muss aber auch die positiven Dinge im Leben sehen. Ich bin ja Bürgermeister in einer Nationalparkgemeinde, in Mallnitz. Wir haben nicht nur schon Fotovoltaikanlagen auf unserem Tauernbad montiert und ersparen uns ein Drittel der Stromkosten, liefern natürlich den überschüssigen Strom auch weiter, sondern wir denken auch über Micro­grids nach, also darüber, mehrere größere Betriebe in diesem Bereich für die Zukunft zusammenzufassen, um den Strom dann umzuverteilen.

Ein Thema, das vielleicht Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die auch hier anwe­send sind, interessiert, ist das Thema klimafit und ölkesselfrei, und das kann ich nur immer wieder erwähnen und kann zum Abschluss versuchen, Ihnen das mit ein paar Zahlen noch einmal näherzubringen.

Wenn man bei uns in Mallnitz einen Ölkessel tauscht und auf Pellets umsteigt, bekommt man bei Kosten von 18 000 Euro über die Bundesförderung Raus aus dem Öl 30 Pro­zent der Kosten, das sind 5 000 Euro. Über die Wohnbauförderung des Landes Kärnten erhält man 35 Prozent, das sind 6 000 Euro. Und gemeinsam mit unserer Umweltrefe­rentin haben wir ein Paket geschnürt, durch das man noch einmal 1 500 Euro über die Förderung der Gemeinde erhält. Dann liegt man bei Eigenmitteln von 5 500 Euro bei einer Investition von 18 000 Euro. Und weitere 500 Euro gibt es, wenn das alles erledigt ist und der Ölkessel herausgenommen wird, also demontiert wird, auch wieder von der Gemeinde. Es gibt also mehr als zwei Drittel an Unterstützung. Ich denke, das ist sehr attraktiv, und das Geld, das da in die Hand genommen wird, ist sehr, sehr gut für die Zukunft angelegt.

Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Meine Damen und Herren hier im Hohen Haus! Wir, die SPÖ, sind der Meinung, dass die Energiewende ganz wesentlich und vor allem alternativlos ist. Ebenso unumstößlich sind jedoch auch unsere diesbezüglichen Forderungen nach sozialer Ausgewogenheit – wenn nicht von uns, von wem sonst? Die harten und zähen Verhandlungen haben sich letztendlich für alle KonsumentInnen gelohnt, deshalb werden wir heute diesem Gesetzentwurf zustim­men. (Beifall bei der SPÖ.)

15.15


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.


15.16.05

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Das EAG, so wie es jetzt vorliegt, ist eine richtig große Sache, das hat auch mein Kollege Novak erwähnt. – Günther, das möchte ich hier schon erwähnen und bewusst sagen: An deiner Unterstützung für das EAG habe ich nie gezweifelt, auch nicht im Hinblick auf deine Arbeit in deiner Gemeinde Mallnitz. Ich plä­diere nur dafür, dass das ein Muster für den Wärmebereich oder den Verkehrsbereich sein könnte, denn da geht es jetzt wirklich ans Eingemachte. (Vizepräsident Novak über­nimmt den Vorsitz.)

Zum EAG: Wir hatten noch nie so viel Planbarkeit, wir hatten noch nie solch ein Ziel, 100 Prozent Ökostrom bis 2030, mit ganz konkreten Ausbauzielen für jede Technolo­gie – wir haben ein Ziel von 27 Terawattstunden, das ist schon eine riesige Herausforde­rung, das ist schon angesprochen worden. Alle Technologien haben fix 20 Jahre lang gesicherte Unterstützung, nicht mehr 13 Jahre oder 15 Jahre. Es gibt geregelte Nachfol­getarife bis zum 30. Betriebsjahr für Bestandsanlagen, vor allem im Biomassebereich, und damit Sicherheit für die Betreiber, die da viel Geld investiert haben. Es gibt eine gesicherte Finanzierung von 1 Milliarde Euro pro Jahr, budgetunabhängig. Es gibt einen Rechtsrahmen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften und damit für Beteiligungen von Bürgerinnen und Bürger, ihren Strom selbst zu produzieren und zu verbrauchen. Es


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gibt, das ist vom Kollegen Novak auch erwähnt worden, umfangreiche soziale Abfangre­gelungen für einkommensschwache Haushalte, die keinen Ökostromförderbeitrag und keine Pauschale entrichten müssen.

Mit dem Beschluss im Juli 2021 – da hatten wir schon einmal eine große Debatte – sind jene Teile in Kraft getreten, die nicht notifiziert werden mussten; das ist der gesamte Investitionsförderbereich. Allerdings war alles andere, die ganze Marktprämienregelung, notifizierungspflichtig. Im Dezember des vergangenen Jahres ist die Notifizierung abge­schlossen worden, und zwar – ich möchte das noch einmal herausheben – über den gesamten Zeitraum. Das ist völlig unüblich. Die Erwartungshaltung war ja zuerst, das mindestens ein Mal dazwischen zu evaluieren, noch einmal zu notifizieren, und das hätte sehr große Unsicherheit mit sich gebracht.

Man kann – und das sollte man tun – den Verhandlerinnen und Verhandlern mit der Kommission nur gratulieren, denn es ist ja nicht so, dass das eine Verhandlung auf Augenhöhe ist, nein, die EU-Kommission ist ja die Behörde, sie wacht über das Beihilfen­recht und sitzt natürlich am längeren Ast.

Herr Kollege Bernard, ich weiß nicht, woher Sie das haben, ich muss Sie enttäuschen und Ihnen sagen: Die EU-Kommission hat dieses Paket mitnichten zurückgeworfen! Die gesamte Substanz des EAG, so wie es im Juli beschlossen wurde, ist beibehalten wor­den. Die einzige wirklich relevante Veränderung ist, dass wir jetzt ein eigenes Segment für gemeinsame Ausschreibungen von Wasserkraft- und Windkraftanlagen im Ausmaß von 20 Megawatt haben werden. Das ist also keine relevante Dimension und keine relevante Änderung des gesamten Paketes. Alles andere ist in der Grundsubstanz so geblieben und konnte so verhandelt werden, wie es beschlossen wurde.

Was es jetzt auch noch gibt – das hat Frau Kaltenegger erwähnt –, ist die Förderung von, sagen wir einmal, mittlerer Wasserkraft. Lassen wir es einmal dabei bewenden.

Sehr erfreulich ist eine Verbesserung, die für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften er­zielt werden konnte. Das sind jetzt Windanlagen mit bis zu 20 Megawatt, also doch ein kleiner Windpark, die auch innerhalb der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften betrie­ben werden. Diese werden automatisch quasi mit dem höchsten bezuschlagten Gebot bepreist, bekommen also automatisch den höchsten Tarif, der in der ganzen Ausschrei­bung erzielt werden konnte. Auch das ist noch einmal eine gute und wichtige Unterstüt­zung für Energiegemeinschaften.

Was die KonsumentInnen freuen wird, ist die Auf-null-Setzung der Zählpunktpauschale. Ich sage das deswegen noch einmal, weil das ja im Unterschied zum Förderbeitrag nicht hätte sein müssen. Dieser hat einen Automatismus, die Pauschale aber nicht. Da gibt es jetzt eine gesetzliche Änderung, um die Menschen und auch Betriebe davon zumin­dest heuer einmal zu entlasten.

Ein wichtiger Punkt ist auch noch, es gibt beim ElWOG, das gehört ja auch mit dazu, Anpassungen bei den Geschäftsbedingungen. Da ist es hinkünftig so, dass Stromhänd­ler zwar Preise, also auch Preiserhöhungen, angemessen weitergeben können, aller­dings – und das war uns wichtig, dass das dazukommt – müssen sie jetzt, wenn der Grund für diese Preiserhöhung wegfällt, auch wieder zurückfahren. Da braucht es also auch eine gewisse Proportionalität bei der Preisentwicklung.

Es gibt ein Kündigungsrecht für Kunden. Diese müssen die Änderung der Preise nicht akzeptieren, können sich dann aufgrund solcher Preisänderungen einen anderen Liefe­ranten suchen. Eingeführt wurde auch ein Recht auf Ratenzahlung. Auch das ist gerade jetzt wichtig, da sich viele Haushalte bei der Bezahlung der Energierechnungen und Stromrechnungen leider schwertun.


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Was jetzt zugegebenermaßen noch fehlt (Bundesrat Steiner: Ja, passt schon, Adi!), ist eine Reihe von Verordnungen. Wir hoffen sehr, dass das jetzt sehr zügig vonstattengeht. Der Rechtsrahmen ist damit auch im Wesentlichen da.

Was es jetzt noch braucht, damit die Stromwende gelingen kann, ist das Mittun – das kann man nicht genug betonen – von Ländern und Gemeinden, denn dort liegen jetzt ganz, ganz wichtige Kompetenzen hinsichtlich der Raumplanung, des Baurechts, wenn es um den Ausbau von Windkraft, von Fotovoltaik, von Bioenergie und auch von Was­serkraft geht. Dort ist jetzt wirklich ein großer und nicht immer ganz leichter Job zu ma­chen. Im Sinne des Vorarlberger Mottos „Gemeinsam in Verantwortung“ werden wir auch das hinkriegen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.22


15.22.55

Vizepräsident Günther Novak: Ich darf Frau Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Weiters begrüße ich Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Energiearmut verhindern – keine Umsatzsteuer auf Strom und Gas“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


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15.26.016. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG) (2173/A und 1312 d.B. sowie 10863/BR d.B. und 10871/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Impfschadengesetz geändert wird (1314 d.B. sowie 10872/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (1313 d.B. sowie 10864/BR d.B. und 10873/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Tagesordnungspunkten 6 bis 8 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich bitte um die Berichte.


15.26.53

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Januar 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2022 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 20. Januar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Impfscha­dengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2022 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Januar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2022 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm das Wort.



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15.28.38

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatsse­kretärin! Herr Gesundheitsminister! Herr Bildungsminister! Hohes Haus! Geschätzte Zu­seherinnen und Zuseher! Mit den jetzt zur Diskussion stehenden Tagesordnungspunk­ten 6 bis 8 stehen wir sicher am Anfang einer sehr emotionalen Debatte.

Ich möchte aber zu Beginn die Gelegenheit nutzen, mich beim Herrn Gesundheits­minister persönlich für sein nettes Schreiben zu bedanken, das ich kürzlich anlässlich meiner Pensionierung und meiner 40-jährigen Tätigkeit im Gesundheitsministerium und in der Ages erhalten habe. Damit habe ich mit der Ages aber noch nicht ganz abge­schlossen.

Herr Bundesminister, ich habe es zuerst eigentlich für ein Fake gehalten, als ich die Nachricht gehört habe, wie die Chefin der Medizinmarktaufsicht nachbesetzt werden soll. Die Leiterin der Medizinmarktaufsicht geht mit Ende März in Pension, sie ist eine aus­gewiesene Biochemikerin mit hoher Reputation. Für die, die es nicht wissen: Die Medi­zinmarktaufsicht gehört zur Ages und untersteht somit dem Gesundheitsministerium respektive dem Gesundheitsminister, sie ist zuständig für Arzneimittelzulassung und klinische Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Dieser sehr sensible Job soll nun mit einer Pharmalobbyistin besetzt werden. (Bundesrat Schennach: Sideletter!)

Eine Publizistin ist somit künftig für die Medikamentenzulassung in Österreich verant­wortlich. Laut „Salzburger Nachrichten“ wurden in der Ausschreibung „ein abgeschlos­senes Studium der Humanmedizin oder naturwissenschaftliches Studium“ verlangt, ebenso mehrjährige Führungserfahrung an einem „einschlägigen nationalen oder inter­nationalen Institut, Ministerium oder öffentlichkeitsnahen Betrieb“.

Doch nicht nur ein medizinisches Studium fehlt der designierten Leiterin für die Medizin­marktaufsicht. Sie arbeitet seit 18 Jahren bei der Pharmalobbyingorganisation Pharmig als Director Regulatory Affair, Supply & Innovation. Das klingt auf den ersten Blick nach Führungserfahrung, doch handelt es sich bei dieser Abteilung um eine Miniabteilung. Die gesamte Lobbyingorganisation kommt gerade einmal auf 20 Mitarbeiter und -innen. Dafür gibt es aber gleich 17 Präsidenten, Vizepräsidenten und Vorstandsmitglieder, alle­samt VertreterInnen der Pharmabranchen von Pfizer bis Novartis.

„Wenn die großen Pharmafirmen, die in der Pharmig das Sagen haben, eine Lobbyistin in diese Position bringen, können die sogar auf Gesetze Einfluss nehmen“, schreiben die „Salzburger Nachrichten“. Wenn das kein Interessenkonflikt ist, dann fragen wir uns: Was dann?

Herr Bundesminister! Das ist in einer Zeit wie dieser Wasser auf die Mühlen von Ver­schwörungstheoretikern (Bundesrat Hübner: Nicht nur Theoretikern, auch Praktikern!), die hinter Corona eine Verschwörung der Pharmaindustrie sehen. Jetzt eine solche Per­son in so ein Kontrollorgan hineinzusetzen – also Gespür bei der Nachbesetzung in Zei­ten wie diesen sieht anders aus. Was soll das, Herr Bundesminister?! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Aber zurück zum Tagesordnungspunkt 6: Schon im Vorfeld der Entscheidung im Natio­nalrat gab es eine riesige Anzahl von Einwendungen. Es ist leider Tatsache, dass gerade das Thema Impfen und die nunmehr zur Abstimmung stehende Impfpflicht die Gesell­schaft in Österreich vor eine große Herausforderung stellen. War Österreich in der Ver­gangenheit dafür bekannt, acht Millionen Fußballteamchefs zu haben, so befinden wir uns jetzt in der Situation, acht Millionen Mediziner und Infektiologen zu haben, jedoch einhergehend mit einem gefährlichen Werteverlust bei vielen, nämlich dem, dass das Vertrauen in die Wissenschaft und in die Medizin verloren gegangen ist.

Gerade in den letzten Tagen sind organisierte Mailversandaktionen, gerichtet an uns alle, an Abgeordnete des Nationalrates und Mitglieder des Bundesrates, initiiert worden.


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Ich habe zurzeit ungefähr 2 000 von diesen erhalten und möchte an die Absender an dieser Stelle die Botschaft senden, dass es in dieser Zeit unmöglich ist, diese Menge von Mails zu beantworten. Zum großen Teil sind diese Mails von verunsicherten, ver­ängstigten, aber auch nicht ausreichend informierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern ge­kommen. (Bundesrat Leinfellner: So wie bei euch!) Leider ist eine große Anzahl der eingegangenen Mails aber auch inhaltlich mit sehr besorgniserregenden Worten verse­hen gewesen. Bei einigen waren wir gezwungen, diese an die zuständigen Behörden weiterzuleiten, sie enthielten Morddrohungen und Hassbotschaften gegen uns Manda­tare. Das ist nicht der Stil, den wir hier in diesem Haus ertragen können. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Diese Mails legen auch Zeugnis darüber ab, wie sehr das Thema Impfen und in Folge die zur Diskussion stehende Impfpflicht einen großen Teil unserer Mitbürger und Mitbür­gerinnen verängstigen und beunruhigen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: No na net!)

Eines kann sich jeder sicher sein: dass wir uns in diesem Haus die Entscheidungen nicht leicht machen und uns sehr genau im Vorfeld, bevor wir Beschlüsse fassen, informieren. Wir sind nicht willfährige Aufzeiger von irgendwelchen Apparaten und wir sind auch Menschen. Diese Mails gehen nicht nur gegen uns als Mandatare, sondern auch gegen die Familien, und da ist eine Linie überschritten worden, die wir sicher so nicht dulden werden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Ich werde am Ende meiner Rede noch näher darauf eingehen.

In den Jahren 2020 und 2021, der Zeit der Pandemie, ereignete sich ein bemerkenswer­tes Schauspiel: Während der weitaus größte Teil der Menschen Empathie für die Schwa­chen und besonders Gefährdeten zeigte, entpflichtete sich ein Teil davon und rebelliert gegen die staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bürger. Anscheinend ist es so, dass Abwehrreflex, Rebellionsbedürfnis und vor allem Entsolidarisierung, wie wir sie gerade jetzt bei Corona erleben, nicht an bestimmte Ereignisse und Phänomene gebunden sind, sondern mutmaßlich Ausdruck eines befremdlichen Verhältnisses nicht weniger Menschen zum Thema Rechte und Pflichten sind.

Diesen sei zunächst erklärt, was auf Coronademos und in manchen Echokammern des Internets völlig unbekannt zu sein scheint, inwiefern der moderne, liberal-demokratische Staat nicht nur das Recht hat, Regeln und Maßnahmen zum Schutz von Millionen Ös­terreicherinnen und Österreichern sowie Schwacher und Gefährdeter zu verordnen, sondern die Pflicht. Um seiner Vorsorge- und Fürsorgepflicht nachzukommen, ist der Staat, der kein alles kontrollierender Polizeistaat ist, allerdings auf die Mithilfe des Ein­zelnen und das Einsehen seiner Bürger angewiesen. Dass sich diese an die Maßnah­men gegen die Covid-Pandemie zu halten hätten, steht juristisch außer Zweifel. Das, was man sagen kann, ist, dass jeder Staat darauf angewiesen ist, dass seine Bürger im Rahmen ihrer bürgerlichen Pflichten diese auch leben.

Wichtiger ist aber: Es muss das Gemeinwesen im Grundsatz respektiert werden, es sei denn, der liberal-demokratische Staat bricht mit seinen eigenen Grundsätzen, setzt die Verfassung außer Kraft und begeht Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch dies sind alles Punkte, die, wie gezeigt wurde, bei den Gesundheitsmaßnahmen gegen Co­vid-19 definitiv nicht zutreffen. (Bundesrat Steiner: Sicher!)

Nichts zu tun, um die Gesundheit seiner Bürger zu schützen, wäre mit dem modernen Selbstverständnis des Staates unvereinbar, das rechtlich Mögliche zu tun dagegen nicht. Auch unser Staat lebt davon, dass nicht jeder seine Rechte nach Belieben interpretiert, aber seine Pflichten vernachlässigt.

Aber nun zum Thema Impfpflicht: Warum sind wir überhaupt in die Lage gekommen, uns mit der Pflicht einer Impfung hier auseinanderzusetzen? – Weil diese Regierung – und darauf habe ich in den letzten zwei Jahren hier an dieser Stelle laufend hingewiesen –


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in ihrer Arbeit, auch was die Bekämpfung der Pandemie anbelangt, alles versemmelt und vermasselt hat (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Die Regierung ist schon fähig, aber die Bürger müssen es büßen, und ihr stimmt zu!) und weil die politischen Kräfte in diesem Land nicht geeint dazu gestanden sind, die Menschen in unserem Land aufzuklären und das Vertrauen aufzubauen.

Missmanagement auf der einen Seite und Spaltung der Gesellschaft auf der anderen Seite haben dazu beigetragen, dass wir in Österreich eben jene Durchimpfungsrate ha­ben, wie wir sie jetzt haben und die nach Meinung der Experten aus gesundheitspoliti­scher Sicht nicht ausreicht, um Maßnahmen einleiten zu können, wie es andere euro­päische Länder aufgrund der hohen Impfquote durchaus machen können, um schritt­weise wieder langsam zur Normalität zurückkehren zu können. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Was ist mit Leuten, die Antikörper haben? Antikörper!)

Was sagt zum Beispiel die Bioethikkommission zu einer gesetzlichen Impfpflicht? – „Maßgeblich für die Impfpflicht ist die Verhältnismäßigkeit: Je harmloser der Eingriff für die einzelne Person ist, je ‚gefährlicher‘ die Krankheit für die Gesundheit der Bevölkerung ist und je größer der Nutzen einer Impfpflicht insgesamt ist, desto eher erscheint der Eingriff in die körperliche Integrität des Einzelnen gerechtfertigt.“ (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist doch mit Omikron überholt!)

Jede Impfpflicht bedeutet nicht nur einen gravierenden Eingriff in die verbrieften Grund­rechte des Einzelnen, sondern hat auch immer eine gesellschaftliche Dimension. Eine Abwägung der Rechte und Interessen des Einzelnen gegenüber den Ansprüchen und Interessen der Gemeinschaft kann nur verhältnismäßig und keineswegs polarisierend sein. Das jeder Ethik innewohnende Handlungsziel der Realisierung des Guten lässt sich nicht in einen individuellen und einen sozialen Anteil spalten.

Die Bioethikkommission fordert daher, breite Maßnahmen für die eigene Urteilsbildung – von Aufklärung bis Anreizen – auszuschöpfen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Menschen die Impfung nicht primär als extern auferlegten Zwang wahrnehmen, sondern als interne Pflicht, sich dies zu eigen zu machen. Die Kommission kommt zum Schluss, dass eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht in der derzeitigen Situation eine wichtige und verhältnismäßige Maßnahme zur Bekämpfung und Überwindung der Pan­demie darstellt. Da sich die Datenlage allerdings ständig ändern kann, wird empfohlen, das Gesetz mit einem Mechanismus zu erlassen, welcher die Berücksichtigung der je­weils aktuellen Datenlage ermöglicht, um das Verhältnismäßigkeitsprinzip zuverlässig und dauerhaft zu wahren und zu überprüfen. Diese gesetzliche Impfpflicht muss zeitlich mit der Dauer der Pandemie begrenzt sein beziehungsweise nach Wegfall der Verhält­nismäßigkeit zurückgenommen werden.

Eine klare, umsetzbare Regelung betrifft jeden Einzelnen und jede Einzelne gleicherma­ßen und trägt dazu bei, das Gesundheitssystem nachhaltig zu entlasten und die wieder­holt notwendigen Einschränkungen der Freiheit aller in Zukunft zu begrenzen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Fakt ist: Die Impfung wirkt. Ich spreche da nicht von einer hundertprozentigen Immunität. Fakt ist: Die Impfung schützt auch bei Omikron vor schweren Verläufen. (Bundesrat Steiner: Woher wissen Sie das?) Fakt ist: Es geht uns alle an, denn der Schutz vor schweren Verläufen schützt auch die Spitäler vor einer Überlastung der Normal- und Intensivkapazitäten. Fakt ist, dass die natürliche Immunität viele Risiken birgt und der Schutz geringer ist als durch eine Impfung. (Bundesrat Stei­ner – erheitert –: Ja, sicher!) Fakt ist, dass die Verfassungsmäßigkeit der Impfpflicht über die gesamte Dauer immer wieder überprüft werden muss; dieses Ausstiegsszenario muss gewährleistet sein. Fakt ist: Die Impfpflicht muss auch umsetzbar sein – Stichwort Elga.


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege, ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass Sie 4 Minuten über der Zeit sind.



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Bundesrat Ingo Appé (fortsetzend): Danke.

Die Regierung ist gefordert, die Umsetzung ordnungsgemäß zu ermöglichen. Fakt ist: Es ist völlig unabhängig von Omikron wichtig, bis zum kommenden Herbst eine Durch­impfungsrate zu erreichen, um einen drohenden weiteren Lockdown zu verhindern.

Ich möchte jetzt noch einmal auf die eingangs erwähnten Mails zu sprechen kommen und hier ein paar auszugsweise zitieren:

Bitte bedenken Sie vor Ihrer Stimmabgabe, dass Sie mit Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zustimmen, und viele Tausend in Österreich Wohnende werden nicht ruhen, bis die Täter und Mittäter dieser psychischen und physischen Unterdrückung bestraft sind! Solche Verbrechen verjähren nicht. (Bun­desrat Hübner: Was ist da so eine gefährliche Drohung? – Zwischenruf der Bundesrä­tin Steiner-Wieser.)

Genozid am österreichischen Bürger: Ihr werdet alle, die an diesem Genozidexperiment Impfzwang mitmachen, hinter Gitter landen. Ihr könnt sicher sein, dass wir österreichi­sche Bürger jeden dort hinter Gitter bringen werden. Ihr werdet in die Geschichte ein­gehen als größte Schande (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr seid ja auch die größte Schande!), und seid versichert: Ihr werdet kein öffentliches Amt mehr bekleiden.

Endkampf ist ab heute eröffnet: Der Endkampf in euren Herzen ist heute eröffnet. Wer Zwang sät, erntet Widerstand. Wer Diktatur sät, erntet Gewalt. Wer Spaltung sät, erntet Zerstörung. Heute haben Sie es in der Hand, zu entscheiden, was wir morgen ernten werden. Der Tag danach kommt, und jeder wird für seine Taten gerichtet. (Bundesrat Hübner: Was ist da überall so schlimm?)

Bitte kommen Sie nicht mit der Ausrede, dass wir uns sozial verhalten sollen, da gerade ihr Politiker sicher nicht mit dem Impfstoff geimpft wurdet wie das normale Volk. Außer­dem: Wäre der Virus so gefährlich, würde kein Politiker mehr am normalen Leben teil­nehmen, sondern irgendwo in einem Bunker warten, bis die Gefahr vorbei ist. (Bundes­rat Spanring: Da hat er aber recht! – Bundesrat Steiner: Was ist da so schlimm? – Bundesrat Hübner: Jetzt wollen wir aber ein arges hören! – Zwischenruf der Bundesrä­tin Steiner-Wieser.)

Der letzte Dreck in unserer Gesellschaft, dazu gehören Neofaschisten wie die ganze Regierung, einige angebliche Sozialdemokraten, die meisten auf dem Niveau von Stali­nisten, ein paar korrupte Pseudoexperten, Häufung an der gekauften Med-Uni Wien, und die üblichen Verdächtigen, Sklaven in Medien, ORF-Trottel und andere Arschlöcher. Ihr macht Österreich kaputt wegen mehr oder weniger böser Erkältungswellen. Ihr seid Schädlinge, ihr seid Neonazis, totales faschistisches Gesindel.

Zum Schluss noch: Dieses Blut klebt an euren Händen. (Die BundesrätInnen Steiner und Steiner-Wieser: Edtstadler!) Sie werden sich verantworten müssen. Demonstra­tionen sind bis jetzt nur die kleinsten Unannehmlichkeiten. Der Mob bleibt nicht auf der Straße, er kommt zu euch ins Büro, er kommt zu euch nach Hause. Dämmert es euch langsam? Ich weiß, Maskentragen versorgt das Hirn nicht gut – jetzt wissen Sie, wie Millionen von Kindern sich fühlen. Das Spiel ist so gut wie vorbei. Die nächsten zehn Jahre wird es zu einem Aufarbeitungsprozess kommen, und Ihre Namen sind dokumen­tiert und werden in allen Prozessen – nach dem internationalen Kriegsverbrechen eben­falls –, die schon im Laufen sind - -, und ihr werdet zur Rechenschaft gezogen ...


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege, 8 Minuten über der Zeit. (Bundesrätin Schartel: Einfach Mikrofon abdrehen!)


Bundesrat Ingo Appé (fortsetzend): Gewöhnen Sie sich schon daran, das ist die un­missverständliche Ihrige. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Sie werden ihn brau­chen. – Zitatende.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 132

Ja, geschätzte Kolleginnen und Kollegen (Bundesrat Steiner: Wo sind jetzt die Morddro­hungen?), diese Mails sind sehr wohl ausschlaggebend für mein heutiges Stimmverhal­ten. Ich stehe diesem Entwurf sehr skeptisch und mit Unbehagen gegenüber, aber in einer Demokratie haben diese Drohungen keinen Platz. Wenn wir hier aufgrund dieser Drohungen unser Stimmverhalten ändern, dann befinden wir uns in einer Diktatur – und fernab des Parlamentarismus –, vor der sich gerade die Verfasser dieser Mails angeblich so fürchten.

Ja, ich bin im Zuge meiner Rede schon kurz auf Werte und Änderungen in der Gesell­schaft eingegangen. Es wird nach der Pandemie notwendig sein, der Gesellschaft zu helfen, wieder Werte und Gemeinschaft zu ermöglichen. Vom Kleinkind bis zu den Senioren: Alle leiden unter dieser Zeit und den gegebenen Umständen. Wenn hiernach nichts unternommen wird, werden große gesellschaftliche Probleme auf uns zukommen. Das Vereinswesen, die Freiwilligkeit, Feuerwehr, Rettungsdienste leiden schon jetzt un­ter dem Egoismus der Gesellschaft.

In weiterer Folge ist der Umgang mit Covid-Erkrankungen ebenfalls sehr wichtig und bedarf dringend einer Regelung, daher darf ich folgenden Entschließungsantrag einbrin­gen (Bundesrat Steiner: Jetzt bringt er einen Antrag auch noch ein!):

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Erarbeitung geeigneter Strategien für Long-Covid-Patient*innen, die an Ihren angestammten Arbeits­platz so rasch als möglich zurückkehren wollen“

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Arbeit werden aufgefordert, in enger Zusammenarbeit mit der österreichischen Gesundheitskasse und den Sozialpart­nern die Rückkehr für Long-Covid Patient*innen an ihren angestammten Arbeitsplatz zu optimieren.

Deshalb sollen

- geeignete Studien beauftragt werden, die generell die wissenschaftliche Situation rund um Long-Covid Patient*innen in Österreich besser erforschen

- geeignete Studien beauftragt werden, die vor allem der Erforschung der Rückkehr von Long-Covid Patient*innen an den angestammten Arbeitsplatz dienen,

um daraus resultierend

- Verbesserungen für die Rückkehr von Long-Covid Patient*innen an den angestammten Arbeitsplatz herbeizuführen zu können

- Covid-19-Erkrankungen als Berufskrankheit bei Vorlage einer nachweislichen Anste­ckung mit COVID-19 während der Berufsausübung anzuerkennen

- einen besseren Schutz von Arbeitnehmer*innen vor Kündigung bei Vorlage einer Be­rufskrankheit in Zusammenhang mit Covid-19 sicherzustellen.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 133

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der Grünen sowie der BundesrätInnen Mattersberger und Preineder.)

15.49


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „die Erarbeitung geeigneter Strategien für Long-Covid-Patient*innen, die an Ihren angestammten Arbeitsplatz so rasch als möglich zurückkehren wollen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Begrüßen bei uns hier im Parlament darf ich Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Susanne Raab. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Weiters begrüßen möchte ich Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und For­schung Dr. Martin Polaschek. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir fahren in der Debatte fort.

Zu Wort gemeldet ist Frau Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.


15.50.46

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Sehr geehrte Minister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Seit nun tatsächlich schon fast zwei Jahren bestimmt die Pandemie unser Leben. Sie fing mit dem näher rückenden Infektionsgeschehen und dem Horten von Lebensmitteln und Klopapier an, bis dann im März 2020 der erste Lockdown folgte. Begleitet wurde das alles mit einem Gefühl der starken Verunsicherung. Noch niemand hatte gesicherte Informationen zur Übertragbarkeit, zum Krankheitsverlauf oder zur Behandlung. Dass die Impfung der Schlüssel zur Durchbrechung des Pandemiegeschehens sein würde, wurde aber schnell klar.

WissenschaftlerInnen arbeiteten weltweit an der Entwicklung von Impfstoffen, Hand in Hand arbeiteten diese Wissenschaftler, sodass es tatsächlich möglich war, im Dezem­ber 2020 erste Personen in Österreich zu impfen. Heute stehen wir hier, um ein Gesetz für eine Impfpflicht gegen Sars-Cov-2 zu beschließen, weil nach vier Lockdowns und gravierenden Auswirkungen auf alle gesellschaftlichen Lebensbereiche – Bildung, Wirt­schaft, Gesundheit – wir immer noch Getriebene dieses Virus sind und das Heft des Handelns noch nicht wirklich zurückgewonnen haben. Das Virus ist uns immer noch einen Schritt voraus.

Im Vorfeld dieser heutigen Sitzung erreichten mich so wie viele andere hier im Plenum zahlreiche Nachrichten von Menschen, die ihre Bedenken und ihre Sorgen gegenüber diesem Gesetzesvorhaben äußerten, und einige davon, die sich auch deutlich von jenen unterscheiden, die Kollege Appé vorgelesen hat, sind für mich gut nachvollziehbar. Ich habe lange mit mir gerungen, ob es wirklich eine allgemeine Impfpflicht braucht, und wir alle hier haben uns sehr intensiv mit dem Thema und der Notwendigkeit auseinanderge­setzt. Letztlich haben wir diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet, denn das vorlie­gende Gesetz bietet die notwendige Flexibilität, um auf das Pandemiegeschehen einzu­gehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dazu möchte ich nun kurz ausführen, für wen die Impfpflicht gilt: für alle Menschen mit Wohnsitz in Österreich inklusive der 24-Stunden-BetreuerInnen und der Wochenend­pendlerInnen. Ausgenommen von der Impfpflicht sind Schwangere, Personen mit be­stimmten, sehr schweren Krankheiten und Genesene für sechs Monate. Die Umsetzung der Impfpflicht erfolgt in mehreren Phasen.


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In Phase eins von Anfang Februar bis Mitte März wird ein Informationsschreiben erstellt. In dieser Phase haben alle noch genug Zeit, der Impfpflicht nachzukommen oder ge­gebenenfalls eben einen Ausnahmegrund zu beantragen. Alle Haushalte bekommen dieses Informationsschreiben.

Phase zwei, die ab Mitte März bis zum sogenannten ersten Impfstichtag geht: Ab dann ist der Impfausweis außerhalb der Wohnung mitzuführen und die Polizei kann im Rah­men von Covid-Schutzmaßnahmenkontrollen oder Verkehrskontrollen Impfnachweise kontrollieren.

In der möglichen Phase drei ab dem ersten Impfstichtag, von der wir bis heute natürlich noch nicht wissen, ob sie eintreten wird, erfolgt dann das automatisierte Strafverfahren. Um zu wissen, wer in Österreich wohnhaft ist und noch nicht geimpft oder genesen ist, werden Daten aus dem Melderegister, dem zentralen Impfregister und dem Epidemio­logischen Meldesystem miteinander abgeglichen. Die Personen, die nicht geimpft sind, bekommen ein weiteres Erinnerungsschreiben. Ist bis zu einem noch festzusetzenden Zeitpunkt keine Impfung erfolgt, wird ein Strafbescheid ausgestellt.

Im ersten Schritt werden diese Strafen im Rahmen eines sogenannten abgekürzten Verfahrens in der Höhe von 600 Euro verhängt. Wird dann Einspruch erhoben und wer­den Milderungsgründe angeführt, startet das sogenannte ordentliche Verfahren mit ei­nem potenziellen Strafrahmen von bis zu 3 600 Euro.

Die Herausforderung, im Rahmen des Gesetzes flexibel auf Änderungen – neue Virus­varianten, neue Impfstoffe und auch neue Medikamente – der Pandemie eingehen zu können, wird über die Verankerung von zahlreichen Verordnungsermächtigungen si­chergestellt. Je nachdem, wie weitreichend der festzulegende Inhalt ist, kann sie der Minister alleine, nach Konsultation des Nationalen Impfgremiums oder gemeinsam hier im Parlament mit dem Hauptausschuss erlassen.

Nicht zuletzt, um genau die Verfassungs- und Grundrechtskonformität zu garantieren, wurde auch ein laufendes Evaluierungsverfahren etabliert. Für ganz wichtig erachte ich auch: Wenn die Impfpflicht nicht mehr notwendig ist beziehungsweise die grundrecht­lichen Voraussetzungen nicht mehr oder nicht mehr in demselben Ausmaß gegeben sind (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die sind ja jetzt schon nicht gegeben!), kann der Bun­desminister für Gesundheit gemeinsam mit dem Hauptausschuss Teile des Gesetzes oder das gesamte Gesetz aussetzen. Das Enddatum des Gesetzes ist mit 31.1.2024 festgelegt.

Obwohl uns Omikron derzeit ein neues Bild der Pandemie bietet, sollten wir doch sehen, dass die derzeitige Veränderung – und damit meine ich die steigenden Infektionszahlen – und die nur geringe Steigerung der Bettenbelegung im Krankenhaus auf die verabreich­ten Impfungen und auf den damit bestehenden Schutz bei 74 Prozent der Bevölkerung zurückzuführen sind. (Bundesrat Steiner: Ich habe gemeint, es sind nur Ungeimpfte im Krankenhaus! So ein Schwachsinn! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Bei diesem vorsichtig optimistischen Blick in die nahe Zukunft aus heutiger Sicht dürfen wir nicht vergessen: Die Pandemie ist keineswegs vorüber. (Bundesrätin Steiner-Wie­ser: Sicher ...!) Wir hören bereits vom nächsten Virussubtyp BA.2, der die Omikronwelle noch verlängern könnte (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), und auch einer mög­lichen Rückkehr der Deltavariante. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auch der nächste Herbst wird in einigen Monaten wieder vor der Türe stehen, und dieses Mal müssen wir vorbe­reitet sein, um dann nämlich genau nicht mit den Vorwürfen konfrontiert zu sein, nichts getan zu haben, als die Zeit dafür da gewesen ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Zeiten, in denen wir uns von Lockdown zu Lockdown quälen, müssen ein Ende haben. Es gibt eine gut erforschte und erprobte Antwort auf das Virus, und das ist die Impfung. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein, die ist nicht ...!) Diese wird stetig weiterentwickelt


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und angepasst. Die Risiken dieser Impfung stehen in keinem Verhältnis zu den Risiken einer Coronainfektion bis zu den bis jetzt bekannten Spätfolgen durch Long Covid.

An dieser Stelle zwei Worte zum Antrag des Kollegen Appé: Ich bin sehr froh, dass das im Gesundheitsministerium erkannt worden ist und dass dort schon zahlreiche Schritte eingeleitet worden sind, um genau diesen Menschen, die unter Long Covid leiden – und das ist ein wirkliches Leiden –, zu helfen und sie zu einer Gesundung zu führen.

Insbesondere wenn man sich die bekannten Risikogruppen ansieht, die ungeschützt schwerste Verläufe bei einer Infektion zu erwarten haben und dann möglicherweise ver­sterben – als ich heute Morgen schon hier im Plenum gesessen bin, hat mich eine SMS erreicht, dass eine Nachbarin gestern an Covid-19 verstorben ist (Bundesrätin Steiner-Wieser: Mit oder an Covid?) –, erkennt man, dass das leider sehr häufig bei Menschen in Alten- und Pflegeheimen passiert ist. Um diese zu schützen, sind sie – und da gehe ich jetzt ein bisschen auf Oberösterreich ein – seit März 2020 massiven Freiheitsbe­schränkungen unterworfen. Zuerst durften sie damals die Heime nicht mehr verlassen und dann nur unter sehr restriktiven Bedingungen Besuch empfangen, und je nach Pan­demiegeschehen wurden diese Maßnahmen mal enger und mal lockerer gestaltet. Von den Heimbewohnern sind jetzt Gott sei Dank viele bereits dreifach geimpft.

So sehen die Infektionszahlen in den oberösterreichischen Alten- und Pflegeheimen mit Stand Dienstag aus: In 104 Heimen wurden 314 MitarbeiterInnen und 137 BewohnerIn­nen zwar positiv auf Corona getestet, diese Menschen kommen aber wahrscheinlich – Gott sei Dank – mit einem milden Verlauf davon. Das zeigt einmal mehr, dass die Imp­fung schützt, und daher ist die heute zu beschließende Impfpflicht eine verhältnismäßige Maßnahme, um derart – wie von mir soeben beschrieben – einschneidende Eingriffe in die Grundrechte hintanzuhalten und Versorgungssicherheit im Gesundheitssystem zu gewährleisten.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass wir diese Pandemie als Chance nutzen sollten, um die Gesundheit der Menschen nachhaltig und präventiv zu stärken und das Erhalten der Gesundheit noch wesentlicher in den Fokus zu rücken, denn schlussendlich werden wir dadurch alle gewinnen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.00


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile dieses.


16.01.18

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Regierungsmitglieder! Werte Kollegen! Vor allem aber zu Recht besorgte Bürger vor den Bildschirmen zu Hause und hier auf der Galerie! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impf­zwang – FPÖ – www.impfzwang.at“ auf das Rednerpult, die wieder hinunterfällt. – Hei­terkeit und Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen. – Sodann stellt er sie auf den Tisch ne­ben dem Rednerpult.) Ich möchte mit Kollegen Appé beginnen, den ich als Kollegen aus Kärnten und auch als Mensch sehr schätze: Du hast, glaube ich, recht, dass wir alle hier herinnen – und das ist hoffentlich der Fall – Gewalt ablehnen. Was wir hier herinnen aber nicht zulassen können, ist, dass es jetzt zu einer Täter-Opfer-Umkehr im Hinblick auf die besorgten Bürger kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines darf man nicht vergessen – das muss man schon sagen –: Wer hat denn mit den Drohungen begonnen? Da fällt mir unter anderen eine Frau Köstinger ein, die gesagt hat: Herbert Kickl hat Blut an den Händen! Da fällt mir eine Frau Köstinger ein, die gesagt hat: Es wird für die Ungeimpften keine Solidarität mehr geben! Da fällt mir ein Herr Schal­lenberg ein, der gesagt hat: Weihnachten wird für Ungeimpfte ungemütlich! Man muss also schon wissen, wer damit begonnen hat. Dann die Resonanz nicht auszuhalten, es


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nicht auszuhalten, dass es natürlich auch zornige Bürger gibt, weil diese Regierung, ge­paart mit SPÖ und NEOS, ihnen einen Impfzwang auferlegt und sie tagtäglich drangsa­liert, das geht nicht. Man kann nicht eine Abrüstung der Worte fordern und selbst immer das Gegenteil machen! (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Vor zwei Jahren hat Vizekanzler Kogler ein paar Worte in den Mund genommen – falls sich noch jemand erinnern kann –, er hat damals ge­meint, man werde Österreich in ein paar Jahren nicht wiedererkennen. Ich habe das damals schon als Drohung seinerseits aufgefasst. Wo stehen wir heute? – Heute sind wir leider dort. Wir haben seit zwei Jahren eine türkis-grüne Chaosregierung, die über­haupt nichts Positives zusammengebracht hat. Eines ist ihr aber eindrucksvoll „gelun­gen“ – unter Anführungszeichen –: Sie hat es tatsächlich geschafft, dass man Österreich im Jahr 2022 nicht wiedererkennt. Das Ansehen unseres Staates nach außen hin gleicht jenem einer Bananenrepublik, es herrscht Korruption, wohin das Auge reicht. Herr Ne­hammer hat zwar gemeint, die ÖVP habe kein Korruptionsproblem, ich glaube aber, dass er sich da versprochen hat und sagen wollte: Die ÖVP hat kein Problem mit Korruption! (Beifall bei der FPÖ.)

Mittlerweile zählen ja die Grünen auch schon dazu. Bei den Grünen ist es ja so, dass aus dem Anstand mittlerweile nur mehr ein unerträglicher Zustand geworden ist. Sie haben ein Land geschaffen, in dem Sie die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung tagtäglich mit Füßen treten, Sie drangsalieren, schikanieren und vor allem spalten die Menschen in unserem Land, und das ist etwas, das wirklich verwerflich ist. Während­dessen haben Sie das Land auch wirtschaftlich und finanziell an die Wand gefahren. Aufgrund der Situation in den letzten zwei Jahren und angesichts dieser Chaostruppe auf der Regierungsbank – ich muss dazusagen, das ist für mich die Bank des Versa­gens – muss man sich eigentlich tagtäglich die Frage stellen: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Unfähigste in diesem Land? (Beifall bei der FPÖ.)

Da Sie, was die Unfähigkeit anbelangt, zu den Topfavoriten zählen, Herr Minister – nicht nur, weil Sie eine besondere Affinität zum Märchenerzählen haben –, darf ich gleich zu Ihnen überleiten: Sie sind ja einer, der bei der Regierungshymne des Spalterchors – wir haben eine Pandemie der Ungeimpften – bekanntlich immer eine Hauptstimme gesun­gen hat, wenn Sie sich nicht gerade darin geübt haben, immer die gleichen Floskeln herunterzubeten: Impfen schützt!, oder: Lassen Sie sich impfen! – Wir werden das ja heute bestimmt auch wieder hören. Das ist eigentlich ein Armutszeugnis für einen Minis­ter, aber angesichts dieser Fehlbesetzung leider das Einzige, was man sich erwarten kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Nichts davon hat es in der realen Welt gegeben: Es hat weder eine Pandemie der Un­geimpften gegeben, noch waren die Maßnahmen – und schon gar nicht der Impfzwang, den Sie heute hier beschließen wollen – alternativlos. All das wurde von der Schwurb­lerregierungsmannschaft tagtäglich propagiert, und Ihre gekauften Lakaien aus der Me­dienlandschaft haben es völlig unrecherchiert und unreflektiert nach draußen zur Bevöl­kerung getragen.

Was aber in diesem Zusammenhang heute hier passiert, ist wirklich verantwortungslos und eigentlich brandgefährlich: Man gibt einem Ungesundheitsminister – das möchte ich so sagen, da viele Menschen seit zwei Jahren psychisch und physisch unter Ihren Maß­nahmen leiden – ein Ermächtigungsgesetz in die Hand, mit dem Sie per Verordnung die Möglichkeit haben, die Anzahl der Spritzen und Stiche völlig willkürlich festzulegen und noch dazu auch deren Gültigkeitsdauer.

Was ist passiert? – Der Wahnsinn findet ja seine Fortsetzung: Wir haben heute gese­hen – die ersten Inhalte der Verordnung wurden bekannt –, dass betreffend Impfpflicht genesen und zweimal geimpft zählt, aber zweimal geimpft und genesen nicht zählt. Da


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muss man sich wirklich fragen: Was fällt einem dabei ein, wenn man so eine Verordnung unterschreibt und diese auch noch in die Öffentlichkeit trägt? (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sehen seit zwei Jahren, dass der Wahnsinn bei allem, was beim Thema Corona passiert, in dieser Regierungsmannschaft völlig um sich greift. Einer, der jetzt Bundes­kanzler ist, hat früher gesagt: Einer, der Generalsekretär war, darf nicht mehr Minister sein! Herr Kickl war ja unter dem damaligen Vizekanzler Strache Generalsekretär, falls Sie sich noch erinnern können. Aber der, der ÖVP‑Generalsekretär war, während sie im Korruptionssumpf versunken ist, darf natürlich Bundeskanzler werden.

Dieser Bundeskanzler hat von sich gegeben, er ist so froh, dass er geimpft ist – doppelt geimpft und geboostert –, denn dadurch hat er diese Krankheit zu Jahresbeginn ertragen können. Das ist völlig evidenzbefreit! Er sagt unter anderem auch: Wir sollten endlich aufhören, die Anzahl der Stiche zu zählen! – Ja, klar, weil wir auf beiden Händen gar nicht so viele Finger haben, dass wir, wenn es zu diesem Ermächtigungsgesetz kommt, in einem halben Jahr die Stiche noch abzählen werden können. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines sieht man aber: Ihnen laufen mittlerweile die eigenen Experten davon. Die sagen mittlerweile auch schon das Gegenteil, die halten von einem Impfzwang auch nichts mehr, die sagen, die Impfpflicht ist völlig daneben und eigentlich ist es der völlig falsche Zeitpunkt. Aber vor allem: Ihnen allen von Rot, Schwarz, Grün, Türkis – und wie sie alle heißen – laufen die eigenen Funktionäre in Scharen davon, weil sie es satt haben, was Sie in Österreich zustande bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Während alle anderen Länder die Maßnahmen wegen Sinnlosigkeit einstampfen, geht man in Österreich wahnsinnigerweise mit dem heutigen Gesetz, mit dem der Impfzwang eingeführt wird, her – eigentlich muss man sagen, dieser Impfzwang ist ja auch eine verfassungsrechtliche Missgeburt, das kommt noch dazu – und macht einen weiteren Anschlag auf die Bevölkerung, auf die Menschen in unserem Land. Man rückt keines­wegs von diesem himmelschreienden Irrweg ab – es sind mittlerweile alle dabei: Rot, NEOS, Grün, Türkis und Schwarz – und geht in trauter Unrühmlichkeit einen weiteren Schritt der Demokratieentfernung in unserem Land. Man will keine Freiheit und man will schon gar keine Freiwilligkeit.

Und die Roten spielen ja bei diesem Spiel mittlerweile auch schon eine Hauptrolle. Ihr seid ja nicht nur bei jedem irrsinnigen Beschluss dabei, sondern ihr schreckt mittlerweile nicht einmal mehr davor zurück, Kinder dafür zu missbrauchen, wie wir vor zwei Tagen in Oberösterreich gesehen haben. Also das ist ja nur mehr erbärmlich, und da muss man dann auch einmal über Pietät reden! (Beifall bei der FPÖ.)

Anscheinend frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!, suhlt man sich jetzt mit autoritären Staaten wie Tadschikistan und Turkmenistan im to­talitären Dreck, die angesichts der Situation in unserem Land, wenn sie mitbekommen, wie unbeschwert die Korruption hier derzeit fröhliche Urständ feiert, ja mittlerweile vor Neid erblassen. Man hat das ja auch in der Pandemiebekämpfung gesehen, ich bin mir sicher, diese Maskenbeschaffung ist nur die Spitze des Korruptionseisberges. Da wird es in den nächsten Monaten noch vieles geben, was sich auftut, denn ansonsten würden sich hier herinnen nicht so viele anstatt als Volksvertreter und Mandatare als Pharmalob­byisten darstellen: Alles, was die Pharmalobby aufoktroyiert, wird hier bereitwillig mitge­tragen.

Dann gibt es noch die letzten Scheingefechte von sogenannten politisch Ertrinkenden à la Nationalratspräsident, der dann durchaus nachvollziehbar frei gewählte Mandatare aus dem Plenum verbannen will, um damit einfach eine Blendgranate in den Sumpf hier zu werfen, weil er halt selbst möglicherweise – möglicherweise! – in Kürze bis zum Haar­ansatz im Korruptionssumpf versinken wird. Der ehemalige Messias ist ja das beste Bei­spiel dafür: Er wird zu den Top Five der korruptesten Politiker weltweit gezählt. Das ist


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ja wohl ein weiteres Indiz der moralischen Verwahrlosung in dieser Einheitsparteienland­schaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Da muss man sich wirklich einmal fragen: Geschätzte Damen und Herren, ja, spürt ihr euch hier herinnen überhaupt noch? Da müsste ja jeder, der noch einen letzten Funken Anstand besitzt, heute seine ganze Redezeit hier verwenden, um sich bei den Menschen in unserem Land endlich einmal zu entschuldigen (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner) – sich dafür zu entschuldigen, dass man die Menschen, un­abhängig von ihrem Impfstatus, durch sinnlose Lockdowns ihrer Freiheit beraubt hat – das wird mittlerweile nämlich auch von den Experten bestätigt –; sich dafür zu entschul­digen, dass man ein Verbrechen an den Kindern begangen hat, indem man sie heute in den Schulen noch immer mit Masken herumlaufen lässt und ihnen vor allem zwei Jahre ihrer Kindheit gestohlen hat; sich dafür zu entschuldigen, dass Sie den Studenten mit einer willkürlichen 2G-Maßnahme das Recht auf Bildung und den freien Zugang zu den Universitäten verwehren – der Herr Minister findet es überhaupt nicht der Rede wert, dass er die entsprechenden Rektoren einmal zur Ordnung ruft –; sich dafür zu entschul­digen, dass ihr die ältere Bevölkerung – die Kollegin hat vorhin davon geredet – abseits ihrer Familien in den Pflegeheimen und Krankenhäusern in Isolation gelassen habt, und sich dafür zu entschuldigen, dass ihr eine bewusste Spaltung der Gesellschaft bis hinein in die Familien forciert habt sowie unzählige Existenzen vernichtet habt! (Beifall bei der FPÖ.)

All jene, die sich in diesem Zusammenhang tagtäglich mitschuldig machen, vom Bundes­präsidenten abwärts bis hin zu den höchsten Kirchenvertretern, die Andersdenkende ihrer Aufgaben entbinden und sie mundtot machen wollen, zu bezahlten Experten à la Ärztekammerpräsident, der zwar selbst im Fadenkreuz von Plagiatsjägern steht, medizi­nischen Wissenschaftlern und Akademikern aber ihre Kompetenz absprechen will, diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit verunglimpft und versucht, sie ihrer Profession zu berauben, und letzten Endes auch zu zahlreichen Medienvertretern, die aufgrund ihrer Käuflichkeit seit zwei Jahren völlig unreflektiert und ohne eigene Recherchen die Regie­rungspropaganda wiedergeben, nur weil sie nach den Inseratenmillionen lechzen und sich dadurch im Auspuff des Geilomobils wiederfinden, all jene haben sich diesen Ent­schuldigungen eigentlich anzuschließen, sollten sie noch einen Funken Anstand besit­zen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines nämlich ist seit vergangenem Samstag ja wohl klar, Herr Minister: Am vergange­nen Samstag haben wir in ganz Österreich das Eingeständnis des Totalversagens, vor allem die Kapitulation, ja eigentlich die vollkommene Bankrotterklärung dieser Chaosre­gierung gehört. Sie haben sich ja eingestehen müssen, dass sämtliche Ihrer freiheitsrau­benden Maßnahmen sinnlos sind, und deswegen üben Sie sich jetzt in einem stufenwei­sen Rückzugsgefecht, wo man im Wochenrhythmus die eine Maßnahme zurücknimmt, die andere Maßnahme beendet. Da sage ich Ihnen eines: Diese Maßnahmen gehören per sofort, mit heute beendet! (Beifall bei der FPÖ.)

Unsere Haltung ist daher ganz klar: Weg mit dem Impfzwang! Weg mit 2G! Weg mit 3G am Arbeitsplatz, weg mit den Masken für die Kinder – das ist das Allerwichtigste – und her mit der Freiheit für die Menschen in unserem Land! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn heute Landeshauptleute so tun, als wären sie jetzt die Heilsbringer für das Ein­stampfen der Maßnahmen gewesen, dann muss ich schon sagen: Die Einzigen, die ein Einstampfen der Maßnahmen von Beginn an gefordert haben, waren wir Freiheitliche. Wir vergessen aber nicht die Landeshauptleute, von einem Impfpflichtvater Platter aus Tirol bis zum Spritzenkaiser aus Kärnten, die hergegangen sind und am Achensee die Wegbereiter und Geburtshelfer des leidigen Impfzwangs waren. Die haben ihn ja dort entsprechend lautstark gefordert.



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Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege, 15 Minuten, nur zur Information. (Bundes­rat Hübner: Der Appé hat 20 Minuten überzogen!)


Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, ich denke aber, dass heu­te hier leider von diesen Leuten eine Maßnahme beschlossen werden wird, die uns de­mokratiepolitisch Lichtjahre zurückwerfen wird; daher sind ein paar Minuten der Warnun­gen angebracht. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, diese Landeshauptleute haben etwas, was sie mit vielen von Ihnen, vor allem aber mit der Regierungsmannschaft verbindet: Sie haben mitt­lerweile Angst vor dem Druck aus der eigenen Bevölkerung, die sich zu Tausenden auf den Straßen friedlich versammelt und für die Freiheit auf- und einsteht, und sie haben Angst vor den bevorstehenden Landtagswahlen in ihren Ländern. Ja, es ist die Angst vor dem Machtverlust, der ihnen nämlich bevorsteht, denn eines kann ich Ihnen sagen: Diesmal brauchen Sie nicht darauf zu hoffen, dass die Menschen Ihnen das vergessen, nach zwei Jahren Drangsalierung. Die Menschen in unserem Land haben dieses perfide Spiel schon lange durchschaut, und sie werden die Aussagen einer Frau Köstinger, einer Frau Edtstadler, eines Herrn Schallenberg, eines Herrn Nehammer und wie Sie alle hei­ßen bis zur nächsten Wahl nicht vergessen haben. Sie werden auch die Steigbügel­halterrolle der SPÖ nicht vergessen haben – das ist ja nur mehr eine Scheinopposition. Sie werden auch nicht vergessen haben, wie die SPÖ argumentiert hat, warum sie die­sem leidigen Impfzwang zustimmt: weil die Regierung zu unfähig ist. – Ja bitte, diese Argumentation ist ja noch schwachsinniger als die Maßnahmen selbst! (Beifall bei der FPÖ.)

Mir ist schon bewusst, dass Sie heute zu großen Teilen diesen schandhaften Beschluss des Impfzwangs für Österreich, gepaart mit allen an Dämlichkeit nicht zu überbietenden Begleiterscheinungen wie einer Impflotterie oder Impfanreizen für Gemeinden zur Erfül­lung der Impfquote, hier wahrscheinlich abnicken werden. Vielleicht sollten Sie sich aber vorher noch ein paar wesentliche Fragen stellen:

Sind mir 200 000 Stellungnahmen und die Zigtausenden E-Mails der letzten Tage von besorgten Bürgern unseres Landes ebenso egal wie die Meinungen von Rechtsexperten und Wissenschaftlern? Ist mir das wirklich schnurzegal? Ist der Spritzengang beispiels­weise in einer Impfstraße im Supermarkt, zwischen Salatblättern und Wurstvitrine, dem heutigen medizinischen Standard wirklich entsprechend? Sollte die Gewinnmöglichkeit bei einer Impflotterie wirklich der ausschlaggebende Grund für eine Impfung mit einer Notzulassung sein, deren Wirksamkeit nicht nur mehr als hinterfragenswert ist, sondern die vor allem keine sterile Immunität bietet? Sollten die Gemeinden auf Kosten der kör­perlichen Integrität ihrer Gemeindebürger tatsächlich Geld für die Erhöhung der Impf­quote erhalten, wenn noch dazu – und das sagt ja keiner dazu – das Impfen von Kindern ab fünf Jahren vorgesehen ist und die meisten Bürgermeister es verständlicherweise und zu Recht ablehnen, sich für oder gegen eine Impfung auszusprechen, weil sie eben keine Mediziner sind? (Beifall bei der FPÖ.) Und: Sollten weiterhin staatliche Impf­kampagnen geschaltet und Medien gekauft werden, in denen dann zum Beispiel eine säuselnde Frauenstimme suggeriert: Lassen Sie Ihre Kinder impfen, damit sie geschützt sind!? Auch das ist an Blödheit nicht zu überbieten.

Wenn Sie all diese Fragen trotzdem mit Ihrem Gewissen vereinbaren und mit Ja beant­worten können, ja, dann ist Ihnen mit Ihrer Parteiräson und Ihren indoktrinierten Verblen­dungen wahrscheinlich nicht mehr zu helfen.

Wir Freiheitlichen können diese Fragen getrost mit einem klaren Nein beantworten, da­her werden wir dieses verachtenswerte Gesetz auch ablehnen. Wir tun das aber vor allem aus einem Grund, und das ist derselbe Grund, warum Zigtausende Menschen auf die Straße gehen: weil sie kein Impfabo bei einem Herrn Mückstein haben wollen, der


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uns in der Folge verordnen kann, was er möchte. Daher werden wir heute auch eine namentliche Abstimmung einfordern, denn es geht auch um die politische Verantwortung aller Mandatare, denn glauben Sie mir: Ignoranz, den Anschlag auf die Freiheit und das wissentliche Einführen einer völlig faktenbefreiten Zwangsmaßnahme werden Sie poli­tisch verantworten müssen.

Wir werden daher auch weiterhin mit den Menschen auf die Straße gehen und werden friedlich dafür eintreten – wenn es sein muss, Tag für Tag –, dass wir nicht nur dieses Gesetz zu Fall bringen, sondern dass wir auch die Verwaltung mit allen entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten und auch mit den parlamentarischen Möglichkeiten zum Er­lahmen bringen (Oh-Rufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann), denn es ist notwendig, so lange dafür einzutreten, bis der Impfzwang fällt und bis endlich auch diese unsägliche Regierung fällt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin davon überzeugt, dass das in Kürze passieren wird, und meine große Hoffnung ist sogar, dass es gleichzeitig passiert, denn dieser Tag wird dann ein Tag der Freiheit für Österreich werden, und auf diesen Tag freue ich mich schon heute. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

16.21


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm das Wort. (Rufe: Das Taferl! – Bundesrat Bader deutet auf die Tafel, die noch neben dem Rednerpult steht. – Bundesrat Kornhäusl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ah, wart, das Taferl muss ich noch wegtun! – Ruf bei der ÖVP: Das glaub ich! – Bundes­rat Schreuder – neben das Rednerpult deutend –: Da ist ein Mistkübel! – Bundesrat Kornhäusl legt die Tafel auf dem Tisch neben dem Rednerpult ab. – Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Nicht in den Mistkübel! – Bundesrat Kornhäusl: Nein, das würde ich nicht machen! Mir gehört sie ja nicht, um Gottes willen! Die könnt ihr dann schon wieder nach Hause mitnehmen!)


16.22.19

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber liebe Damen und Herren, die über das Fernsehen zugeschaltet sind! Ich glaube, das hat jetzt jeder mitbekommen: Wir debattieren heute über das Impfpflichtge­setz, ich befürchte aber, dass, ganz egal wie viel Unvernünftiges oder Vernünftiges heute hier gesagt werden wird, das vermutlich am Standpunkt, mit dem jeder und jede hier hereingekommen ist, wenig ändern wird.

Wenn ich jetzt zynisch wäre, dann könnte ich sagen: Na gut, dann stimmen wir einfach darüber ab und ersparen uns so manche Beschimpfung hier!, ich bin aber nicht zynisch und es entspräche auch nicht dem Wesen der Demokratie, und deshalb möchte ich ein paar Worte und Gedanken äußern, auch deshalb, weil sicherlich einige Menschen vor den Bildschirmen sitzen und Argumente und eine ehrliche, offene, sachliche Diskussion hören wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ja, ich bin für dieses Gesetz. Ich bin aber nicht für dieses Gesetz, weil ich für Pflichten in allen Bereichen des Lebens bin, ich bin auch nicht dafür, weil sich irgendjemand dieses Gesetz jemals gewünscht hätte – das ist nämlich nicht so (Bundesrat Hübner: Aber weil Sie auf eine Liste kommen wollen!) –, sondern ich bin dafür, weil ich der festen Überzeugung bin, dass es die Impfung ist, die uns zur Normalität, die wir uns alle so sehr wünschen, zurückbringt.

Wie Sie vielleicht wissen, arbeite ich als Arzt in einem großen Grazer Krankenhaus. Dort retten wir Menschen – Gott sei Dank viele Menschen –, dort sterben aber auch Men­schen, und da sterben auch Menschen, weil sie nicht geimpft sind. Das ist etwas, was eigentlich nicht passieren müsste, es geschieht aber. (Bundesrat Steiner: Es sterben


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geimpfte Menschen auch!) Ich weiß – ich habe auf den Zwischenruf des Herrn Kollegen Steiner schon gewartet –, dass Sie das als persönliche Anekdote abtun (Bundesrat Stei­ner: Es sterben aber geimpfte Menschen auch!), aber kommen wir zu den Fakten zu­rück, vor allem nach den Ausführungen des Kollegen Ofner, und lassen wir bitte die Zahlen sprechen!

Die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, ist für einen Ungeimpften fünfmal höher als für einen Geimpften. (Bundesrat Steiner hält zwei Tafeln mit Diagrammen in die Höhe.) Das sind Zahlen, die Our World in Data errechnet hat – fünfmal so hoch! Das bedeutet, auf zehn geimpfte Menschen, die wir nicht retten können, kommen 50 Unge­impfte. Das sind 50 unnötige Todesfälle, die wir zu beklagen haben.

Weil immer wieder die Aussage kommt und auch heute schon gefallen ist: Na ja, aber Omikron tut eh nichts!, und: Omikron ist harmlos!, und: Die Impfung hilft gegen Omikron nicht!, sage ich: Das ist Unsinn! Es tut mir leid, aber das ist Unsinn! Auch wenn Omikron vielfach milder verläuft, haben wir trotzdem schwere Verläufe bei uns auf der Intensiv­station liegen, wir wissen wenig über die Langzeitwirkungen wie Long Covid, auch was Omikron betrifft (Bundesrat Spanring: Über die Impfung aber auch nicht! Blöd, oder?), und der Booster hilft ganz klar auch bei Omikron vor einem schweren Verlauf. (Bundesrat Steiner: Zu wie viel Prozent?)

Wenn Sie es mir nicht glauben: Das sind nicht meine Zahlen, sondern die der Gesund­heitssicherheitsagentur Großbritanniens, der UK Health Security Agency: Die Booster­impfung schützt zu 92 Prozent vor dem schweren, intensivpflichtigen Verlauf. Das sind die Daten, das sind die Fakten, und die sind unwiderruflich. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Was mich aber als Arzt, als Internist, ganz besonders – ich möchte fast sagen – schmerzt, ist, wenn Impfgegner glauben, möglichen Nebenwirkungen mehr Aufmerksamkeit wid­men zu können als der realen positiven Wirkung. Ich habe auch diesbezüglich ein paar recht eindrückliche Zahlen: Es gab im Jahr 2021 genau 16 471 273 Covid-Impfungen in Österreich, und diesen fast 16,5 Millionen Impfungen stehen genau 366 offene Anträge nach dem Impfschadengesetz gegenüber – 366 offene Anträge! (Bundesrat Steiner: Weil die Ärzte das nicht eingeben! Wir wissen das aus den Chats!) Jetzt wird Herr Kol­lege Steiner mit seinen Geschichten und Gerüchten und seiner Fama kommen, die Ärzte würden unterdrückt. Die Fakten schauen so aus: Es gibt 366 offene Anträge – und am Ende der Begutachtung dieser Anträge werden auch da sicherlich deutlich weniger übrig bleiben (Bundesrat Steiner: Das wissen wir jetzt schon!?), im Gegensatz zu den 16,5 Millionen Impfungen.

Zusammengefasst kann man sagen: Die Impfung ist gut, die Impfung ist sehr gut. Sie schützt nicht nur einzelne Menschen, sie schützt die gesamte Gesellschaft, vor allem bei entsprechender Impfbeteiligung, und sie schützt die Spitäler vor einer Überlastung, die wir nicht haben wollen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Jetzt kann man die Frage stellen: Brauchen wir deswegen eine Impfpflicht? – Nun ja, wenn wir uns die derzeitige Situation anschauen, ist es so: Drei Viertel der impfbaren erwachsenen Bevölkerung, die ja das Impfpflichtgesetz auch betrifft, bräuchten sie ei­gentlich nicht. Warum? – Weil sie bereits aus Überzeugung einen Impfschutz haben. Warum wir sie aber brauchen, ist, weil wir jene schützen wollen, die sich nicht impfen lassen können, und die gibt es, weil wir jene schützen wollen, die an einer Immunkrank­heit leiden, weil wir die Kleinsten in unserer Gesellschaft, die Kinder unter fünf Jahren, schützen wollen. Deshalb brauchen wir eine höhere Impfbeteiligung (Bundesrat Steiner: So ein Schwachsinn!), und es tut mir leid, dass wir es trotz aller Maßnahmen nicht ge­schafft haben. Das geht offenbar ohne die Impfpflicht leider nicht.

Das Paradoxon an der ganzen Sache ist – und jetzt schaue ich bewusst auch in Ihre Richtung (in Richtung FPÖ) –, dass wir die Impfpflicht, wenn man es ganz genau nimmt,


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denjenigen – unter Anführungszeichen – „verdanken“, die am lautesten gegen sie schreien und polemisieren (Bundesrat Steiner macht die sogenannte Scheibenwischer­bewegung), genauso, wie Sie wider jegliches Wissen und wider die wissenschaftlichen Fakten gegen die Impfung an sich sind (Bundesrat Ofner: Nein! Das ist die typische Heuchelei!), gegen die Masken, gegen das Abstandhalten, gegen alle Maßnahmen, die jemals getroffen wurden, um die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher zu schützen. Sie waren bisher gegen alles und haben nichts Konstruktives beigetragen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Im Gegensatz zu Ihnen gibt es aber auch diejenigen, die die Covid-19-Impfung im Ein­klang und in der Zusammenschau der wissenschaftlichen Fakten für hilfreich halten, die aber ein Problem mit der Pflicht haben. Mit deren Bedenken müssen wir uns auseinan­dersetzen. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Da gibt es zum einen das Freiheitsargument. Ja, das ist heute schon gesagt worden: Die Pflicht zur Impfung ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit. Sie ist gleichzeitig aber auch die Grundlage dafür, dass uns die Freiheit der Nähe, die Freiheit der Begegnung, die Freiheit der Bewegung vollständig zurückgegeben wird. (Bundesrätin Schartel: Die Lüge glaubt euch keiner mehr, weil das habt ihr vor einem halben Jahr schon gesagt!) Denn eines dürfen wir nicht vergessen, Frau Kollegin Schartel: Auch ein Lockdown ist ein Eingriff in die Grundrechte, und niemand hier in diesem Saal kann weitere Lock­downs, ein weiteres Auf- und Zusperren der Republik wollen. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Dieses Impfpflichtgesetz erfüllt die notwendigen Voraussetzungen dafür. Erstens: Es dient einem Ziel, nämlich dem Gesundheitsschutz. (Bundesrätin Schartel: Nein, der pharmazeutischen ...!) Zweitens: Wir haben ein Mittel, das wirkt. Da können Sie noch so laut schreien, das ist durch eine Vielzahl von Studien bewiesen. (Bundesrätin Schartel: Ja, aber nur von regierungstreuen Studien!) Und drittens, ein Punkt, der heute schon gefallen ist und der mir persönlich sehr wichtig ist: Es muss verhältnismäßig sein. Vor allem die Tatsache, dass diese Verhältnismäßigkeit permanent überprüft und evaluiert wird, ist wichtig, weil wir dadurch flexibel auf neue Entwicklungen reagieren können. Die­ses Gesetz ist damit, wenn man so will, mittel- und langfristig eine Notbremse auf Zeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte noch zu einem Punkt kommen, für den ich keinerlei Verständnis habe und der mich mitunter sogar zornig werden lässt (Bundesrätin Schartel: Warte, was mich zornig werden lässt!), und das ist etwas, was ich wirklich selten bin, nämlich dass Lehrerinnen und Lehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege, Ärztinnen und Ärzte von teils extremistischen Impfgegnern an ihren Arbeitsplät­zen dermaßen bedroht werden, dass sie um ihre eigene Gesundheit und sogar um ihr Leben fürchten müssen. Und wenn Mitglieder dieses Hauses, wie es der von mir hochge­schätzte Kollege Appé geschildert hat (Bundesrat Spanring: Jetzt auf einmal ist er hoch­geschätzt!), Morddrohungen bekommt, wenn meine beiden Töchter Angst haben, weil ihr Papa nach Wien fährt und im Vorfeld Drohanrufe bekommen hat (Bundesrat Ofner: Mah! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ), dann werden da Grenzen überschritten. Und das ist auf das Allerschärfste zurückzuweisen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Sie lachen! (Bundesrat Spanring: Unglaublich! Heuchler!) Kollege Spanring findet es noch komisch, wenn Morddrohungen gegen Kollegen ausgesprochen werden. Das ist erschütternd! Sie sollten sich schämen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Ich sage Ihnen eines: Ich bin nicht nur Arzt, ich bin auch Politiker, ich halte das aus. (Bundesrat Span­ring: Ja, ja!) Ich halte harte Bandagen aus. Ich halte auch aus, wenn Sie permanent unter die Gürtellinie schlagen (Bundesrätin Schartel: Ah geh!), aber die Assistenzärztin und der Pfleger, die einfach ein Leben retten wollen, die Mitarbeiterin im Handel oder in


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der Gastronomie, die einfach nur höflich nach dem 2G-Nachweis fragt (Bundesrat Ofner: Ja, warum muss sie das? Weil ihr ihr sagt, dass sie das muss!), die dürfen niemals um ihre Gesundheit fürchten müssen. Niemals! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Leute sekkieren! Die Menschen sekkieren!)

Werte Kolleginnen und Kollegen, wenn dieses Gesetz heute den Bundesrat passiert, entbindet uns das natürlich nicht von der Pflicht, weiter und mehr und noch besser über die Vorteile der Impfung zu informieren und generell über die Sinnhaftigkeit von Imp­fungen zu informieren. Ich frage immer: Wo wären wir heute als Menschheit, wenn wir in der Vergangenheit nicht immer auf die großen Errungenschaften von Wissenschaft und Medizin vertraut hätten? Jeder Mensch in Österreich, der sich aus Überzeugung impfen lässt, muss uns lieber sein als einer, der es nur aus einer Pflicht heraus tut.

Einen herzlichen Dank möchte ich aussprechen – und bald zum Ende kommen – unse­rem Regierungspartner einerseits, den Grünen, vor allem aber auch den Oppositions­parteien SPÖ und NEOS. Ich weiß, das ist eine Entscheidung, die sich hier und heute niemand leicht gemacht hat. Mein Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat aber unlängst einmal in einem Interview gesagt: Politik hat die Aufgabe, immer das Richtige populär zu machen. Wenn uns das nicht gelingt, und das ist leider manchmal so, dann müssen wir noch immer das Richtige tun. Und dafür sind wir gewählt. (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Ja keinen Fehler zugeben!)

Jetzt stellt sich die Frage: Ist dieses Impfpflichtgesetz zu streng oder ist es nicht streng genug? Die einen sagen so, die anderen so; da gehen die Meinungen auseinander. Für mich persönlich zeigt es sehr schön, dass wir gemeinsam den richtigen, den goldenen Mittelweg gefunden haben. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich auch für die vielen Stellungnahmen, die eingegangen sind und die in der Folge auch in den Geset­zestext eingearbeitet wurden.

Sehr geehrte Damen und Herren, mein abschließender Appell: Vergessen wir bitte nie, dass das Miteinander dieses Österreich zu einem großartigen und wunderbaren Land gemacht hat und dass das Gegeneinander immer zerstörerisch wirkt! Ich bin Steirer, ich glaube, das hört man zwischendurch raus, und als solcher darf ich von ihm erzählen, nämlich vom viel zitierten steirischen Weg des Miteinanders (Bundesrat Spanring: Ist der auch so gut wie der restliche Weg des Miteinanders der ÖVP?), dem steirischen Weg des Miteinanders über alle Parteigrenzen und sämtliche Ideologien hinweg. (Bun­desrätin Schartel: Moment!) Ich bin der tiefen Überzeugung, dass der steirische Weg des Miteinanders auch ein Wiener, ein Tiroler und ein Vorarlberger Weg sein kann. Bleiben wir auf diesem Weg des Miteinanders, des Respekts voreinander, auch wenn wir manchmal völlig unterschiedlicher Meinung sind! – Herzlichen Dank und bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.35


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Kollege Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.35.56

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich melde mich zu einer tatsächlichen Berichtigung in aller Kürze. Nach solch einer Rede hätte man sehr viel zu berichtigen, ich berichtige zwei Dinge. Das Erste ist: Herr Kollege Kornhäusl hat in seiner Rede behauptet, dass Ungeimpfte fünfmal häufi­ger an Covid-19 sterben als Geimpfte. – Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: Die Wahrheit ist: Diese Statistik stimmt nur bei alten Menschen und bei Vorerkrankten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Das Zweite ist: Herr Kollege Kornhäusl hat in seiner Rede behauptet, dass der Booster vor Omikron schützt; laut einer aktuellen Studie aus Großbritannien. – Das ist falsch.

Ich berichtige tatsächlich: Geboosterte in allen Altersgruppen ab 18 plus sind häufiger infiziert als Ungeimpfte. Deshalb wurde dort die Impfpflicht für das Pflegepersonal zu­rückgenommen. Großbritannien ist eben der Schutz der Alten wichtiger als Österreich die Pharmaindustrie. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.37


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Günter Kovacs. Ich erteile es ihm. – Bitte.


16.37.14

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Ja, meine Damen und Herren, das ist ein sehr, sehr ernstes Thema. Ich möchte auf Kollegen Ofner reflektieren. Lieber Josef, ich schätze dich sehr als Kolle­gen, aber deine heutige Rede war meiner Meinung nach schon ein bisschen sehr verrä­terisch. Wenn es nicht so ernst wäre, dann hätte ich ja schon fast geglaubt, das ist eine Faschingsdienstags- oder eine Faschingsrede in Kärnten, die so lustig wirkt, aber die Ernsthaftigkeit überhaupt nicht beleuchtet, um was es nämlich heute wirklich geht. (Bun­desrat Ofner: Ja, um was geht es denn?)

Es geht um ein Gesetz, ein Impfpflichtgesetz (Bundesrat Ofner: Um ein Ermächtigungs­gesetz) – du hast ja das mit dem Zwang vermittelt –, das ist eine Impfpflicht, genauso wie ihr damals bei der Gurtenpflicht dabei wart. (Bundesrat Ofner: Nein, bitte! Ich bitte dich!) Ich glaube, da wart ihr dabei. Ihr wart bei der Helmpflicht dabei, da wart ihr noch zum Schutz der Bevölkerung dabei, das muss ich schon offen sagen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diesen Weg habt ihr verlassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas dazu, lieber Josef, das ist heute noch nicht gefallen: Wir sprechen von 40 000 neuen Fällen am Tag, gestern waren es 40 000 Menschen, die erkrankt sind. Von gestern auf heute sind wieder 20 Personen verstorben. 20 Personen sind verstor­ben! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Mit oder an Corona?) Wir sollten uns schon ein biss­chen in Erinnerung rufen, was das bedeutet für die Menschen, für die Familien, wenn der Papa nicht mehr auf der Welt ist, wenn die Oma stirbt, weil keiner mehr helfen kann (Zwischenrufe bei der FPÖ), weil vielleicht jene Prozente fehlen, jene Prozente an Ge­impften fehlen, die uns vielleicht die Möglichkeit geben würden, das Impfziel zu errei­chen. (Bundesrat Ofner: Kinder mit Impfanreizen zu ...!)

Stichwort Dänemark; ich habe mir das gestern ganz genau angesehen. Auf Oe24.TV hat gestern eine Moderatorin die Frage gestellt: Warum können diese Länder aufsperren? – Dänemark hat 81 Prozent der Bevölkerung bereits durchgeimpft. Wir liegen eben 10, 15 Prozent darunter. Da einige den Impfstatus wieder verloren haben, sind wir nur noch bei 68 Prozent. Gestern habe ich mir das angesehen.

Ich appelliere jetzt sehr eindringlich an die FPÖ, das wirklich positiv zu sehen, dass man sagt, man möchte, dass die Menschen mitmachen, und nicht noch mehr einen Keil in dieser Lage reinzutreiben. (Bundesrat Ofner: Freiwillig! Aber nicht mit Zwang!) Das möchte ich heute ganz offen hier an dieser Stelle sagen.

Ich möchte eines aber auch nicht verhehlen: Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass wir heute so weit sind, dass wir eine Impfpflicht brauchen? – Da habt ihr schon recht. Warum stehen wir heute hier? – Ingo Appé hat es auch kurz angesprochen: Da sind schon zwei Parteien entscheidend, da ist die Regierung entscheidend. Es sind die ÖVP und die Grünen, die uns in dieses Desaster geführt haben. Ich möchte dabei die Grünen ein bissel mehr in Schutz nehmen, denn die ÖVP war in den letzten Monaten doch sehr, sehr viel mit diesen Korruptionsvorwürfen beschäftigt.


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Als es im vorigen Jahr geheißen hat, die Pandemie sei beendet – ich glaube, Sie wissen, wer im Sommer gesagt hat, die Pandemie sei beendet –, ist damals der Bürgermeister von Wien – wie soll ich sagen? – unter Druck gekommen, weil er diese Maßnahmen noch weiter halten musste. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist wegen der Impf­lotterie belächelt worden. Dann haben Gott sei Dank Medien – das habe ich heute auch schon erwähnt –, Oe24.TV zum Beispiel, nachgezogen, die gesagt haben: Machen wir eine Impflotterie!

Und was hat die Bundesregierung in dieser Zeit gemacht? – Nichts habt ihr in dieser Zeit gemacht! Damit hätten wir es vielleicht wirklich geschafft, dass wir diese prozentuale Steigerung bei der Durchimpfungsrate gehabt hätten, damit wir jetzt nicht diese Impf­pflicht einführen müssen. Das muss man ganz klar sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrätin Steiner-Wieser: Jeder tut, wie er will!)

Das ist nachweislich so. Das ist nicht irgendwie so, dass ich sage, ich kann mit den Zahlen herumjonglieren, wie es mir einfällt, das ist nachweislich so. Das Burgenland hat bis gestern schon 90 Prozent der Erststiche bei der Gesamtbevölkerung durchgeführt. 90 Prozent! Das heißt, diese Impfpflicht würde uns als Burgenland gar nicht so betreffen. Ich sage es, wie es ist: Hätten wir das flächendeckend, also wäre ganz Österreich das Burgenland, dann würden wir heute auch nicht hier stehen und über eine Impfpflicht reden.

Da frage ich mich schon auch: Was war das Zutun der westlichen Länder? War es zu einem gewissen Zeitpunkt mehr Wirtschaftsinteresse? Ist das im Vordergrund gestan­den? (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Sie erinnern sich an Herrn Nationalratsab­geordneten Hörl, der alles aufsperren wollte und ein Trara gemacht hat. Oder haben es andere richtiger gemacht, wie der Bürgermeister von Wien, unser Bürgermeister Dr. Lud­wig, oder Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, die gesagt haben: Wir müssen Maß­nahmen setzen, um eben besser über die Runden zu kommen!? (Beifall bei der SPÖ.)

Und jetzt sind wir in dieser schwierigen Situation, dass wir eine Impfpflicht einführen müssen. Ich sehe schon, dass ÖVP und Grüne relativ betroffen schauen, weil sie wissen, dass da schon Wahres dabei ist. (Heiterkeit des Bundesrates Bader.) Und die Sozial­demokratie ist eigentlich – ich habe mir vorhin die Daten und Fakten ein bissel genauer durchgesehen – die Konstante. Wir haben immer darauf geachtet, dass die Menschen, dass die Gesundheit im Vordergrund steht, dass der Arbeitsmarkt weiterlaufen muss, dass die Wirtschaft weiterlaufen muss.

Und was haben die anderen gemacht? – Die Bundesregierung hat, Herr Bader, die letz­ten Monate geschlafen, hat sich nicht durchsetzen können. (Zwischenruf des Bundes­rates Bader.) Und die FPÖ, das muss ich auch sagen, hat zu wenig getan, das heißt nichts dazu getan, damit wir eben diese höhere Impfquote haben. (Widerspruch bei der FPÖ.)

Mich würde – an die Adresse der FPÖ – auch einmal Folgendes interessieren: Wie viele bei euch sind geimpft? Hätte nicht einmal einer hier stehen und sagen können: Ich bin auch geimpft, ich habe mich impfen lassen, und ich bewerbe diese Impfung? (Bundesrat Ofner: Es soll ja jeder freiwillig entscheiden!) Anstatt in einer Tour zu hetzen, wäre es vielleicht klug gewesen, die Impfung einmal positiv zu sehen und das auch auszuspre­chen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie können mir wirklich eines glauben: Ich war neun Jahre im Landtag im Burgenland, ich bin jetzt einige Jahre im Bundesrat hier in Wien, und das heute ist für mich wirklich eine der schwierigsten Entscheidungen, die ich jemals bei einer Abstimmung im Parla­ment oder im Landtag treffen musste. Wir haben uns dazu entschlossen. Das Burgen­land ist immer diesen Weg gegangen, und wir haben gesagt, wir sehen das jetzt nicht eigensinnig, wir sehen das jetzt nicht so, dass das Burgenland abgekapselt ist, weil wir


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so gut dastehen, sondern wir werden diesen harten Weg und diese Impfpflicht unter­stützen.

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, Sie wissen es, hat ganz andere Vorschläge gemacht, nämlich zum Beispiel diese PCR-Tests schon in den letzten Monaten kosten­pflichtig zu machen, um damit eben vielleicht die Impfquote steigern zu können und jetzt gar nicht vor dieser Situation zu stehen.

Meine Damen und Herren, wir als Burgenländer werden das heute also wie gesagt natür­lich mittragen – schweren Herzens mittragen. Ich hoffe, Sie erkennen diesen Bonus an. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile es ihm. – Bitte schön.


16.44.53

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme an, uns alle eint das Ziel, dass wir die Pandemie endlich voll­ständig überwinden, dass wir alle Freiheiten wiederbekommen. Unternehmerinnen und Unternehmer müssen wieder uneingeschränkt ihrer Tätigkeit nachgehen können, wir müssen Kindern und Jugendlichen wieder ein normales Leben ermöglichen. Insgesamt dürfen wir keine Sorgen mehr haben, dass das Gesundheitssystem an die Überlastungs­grenze stößt.

Das schaffen wir nur mit der Impfung. Ausreichender Impfschutz ist der Schlüssel zu unserer Freiheit, und das Ziel von Politik muss immer die Freiheit aller Menschen sein. Wir NEOS haben immer betont, dass eine Impfpflicht für jeden liberal denkenden Men­schen eine Zumutung ist. Es gibt sowohl gute Argumente dafür als auch dagegen, wobei aber auf der einen Seite zwischen juristischen und verhaltensökonomischen Argumen­ten betreffend Impfpflicht und auf der anderen Seite medizinischen Argumenten betref­fend die Impfung an sich differenziert werden muss. Am Ausmaß der Wirksamkeit und der Erforschtheit der Impfstoffe besteht nämlich kein Zweifel.

Jeder nüchterne Standpunkt hat seine Berechtigung, darf nicht verachtet werden und muss generell in einer liberalen Gesellschaft und in einer liberalen Partei seinen Platz haben. Jetzt gilt es für alle Seiten, einen intensiven faktenorientierten Dialog zu führen und die jeweils andere Seite auch zu hören. Es gilt, die emotionalen Gräben zuzuschüt­ten und die Polarisierung zu überwinden, denn aus dieser Krise kommen wir nur ge­meinsam.

Klar ist, dass die jetzt vorliegende Version besser ist als vorherige, auch und vor allem wegen uns NEOS. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Wir haben uns immer konstruk­tiv gezeigt und konnten wichtige Punkte einbringen, was einen schlechten Gesetzent­wurf zu einem besseren Gesetzesbeschluss gemacht hat. Insbesondere dass die Impf­pflicht doch erst ab 18 Jahren gilt, ist eine Verbesserung. Ich persönlich war immer überzeugt davon, dass Kinder und Jugendliche von einer Impfpflicht ausgenommen wer­den müssen.

Auch dass der Grundsatz Informieren vor Strafen gilt und die automatisierte Bestrafung, die sogenannte Phase drei, sogar nur auf Vorrat, lediglich als zukünftige Möglichkeit vorgesehen wird, ist eine wesentliche Verbesserung. Dazu kommt die Evaluierung längstens alle drei Monate, das heißt zum ersten Mal spätestens Anfang Mai.

Wir NEOS haben viele kritische Gespräche mit Gesundheits- und Verfassungsexperten geführt und haben genau geprüft, inwieweit sich die Omikronvariante auf die Impfpflicht auswirken kann, denn dass eine Impfpflicht nicht mehr vor den aktuellen hohen Infek­tionszahlen der Omikronwelle schützt, war bald klar. Allerdings kamen auch alle Experten


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zum Schluss, dass wir jetzt schon einer allfälligen Welle im nächsten Winterhalbjahr vorbauen müssen, denn einen weiteren Sommer zu verschlafen ist ebenso wenig eine Option.

Ja, diese Bundesregierung hat viel verabsäumt, was diesen drastischen Schritt erst not­wendig macht. NEOS und auch ich persönlich haben Dutzende Vorschläge gemacht, um mit positiver Stimmung und positiven Anreizen mehr Menschen von der Impfung zu überzeugen. Seit der Ankündigung der Impfpflicht Ende November sind die bescheide­nen Anstrengungen der Bundesregierung aber noch weiter reduziert worden.

Auch die jetzt zum Schluss präsentierte Impflotterie lehnen wir ab. Diese sendet ein völlig falsches Signal, auch dass eine Impfpflicht die Ultima Ratio sei. Es ist nicht verständlich, warum 1 Milliarde Euro Steuergeld dafür bereitgestellt wird. Wir haben uns immer für positive Impfanreize ausgesprochen, diese Spendierpolitik mit der Gießkanne kann aber allein schon im Sinn der nächsten Generation nicht die Lösung sein.

Klar ist auch, dass die Bundesregierung jetzt rasch einen Fahrplan auf den Tisch legen muss, um alle anderen massiven Einschränkungen unseres täglichen Lebens zurückzu­fahren. Jetzt gilt es, die Gräben in unserer Gesellschaft zuzuschütten und die Polarisie­rung zu überwinden, denn aus dieser Krise kommen wir nur gemeinsam. Spätestens mit Inkrafttreten der heute zu beschließenden Impfpflicht am 15. März muss eine 2G-Regel überall ein Ende haben, und zwar nicht indem sie auf eine 3G-Regel verändert wird, sondern dass die Kontrollen an sich wegfallen. Unternehmerinnen und Unternehmer müssen wieder uneingeschränkt ihrer Tätigkeit nachgehen können; Kindern und Ju­gendlichen müssen wir wieder ein normales Leben ermöglichen.

Warum gibt es noch immer Beschränkungen für Veranstaltungen? Wieso dürfen ab 15. Februar Ungeimpfte außer in Wien zwar in ein Lokal, aber zu einem Bundesligaspiel dürfen nur maximal 2 000 Leute, die alle geboostert und getestet sind? Diese Regelun­gen machen keinen Sinn, und so verlieren wir die Menschen.

Anstatt unlogische Regelungen zu fabrizieren, muss sich die Regierung jetzt wieder dem Regieren widmen. In dieser Bundesregierung fehlen die großen Visionen, das Anpacken der großen Themen. Von einem Aufstiegsversprechen etwa ist nichts zu sehen. Die Menschen müssen dringend entlastet werden. Trotz mehrmaliger Versprechen wird in dieser Steuerreform die kalte Progression wieder nicht abgeschafft. Auch der Wirt­schaftsstandort Österreich muss gesichert und der Arbeitskräftemangel in den Griff ge­bracht werden.

Abschließend ist bei all der Diskussion um die Impfpflicht eines klar: Die Impfung ist der Weg, damit wir die Freiheit für uns alle wiedererlangen. Die Impfung wirkt wie designt, jedenfalls als Schutz vor schweren Verläufen und damit als Schutz des Gesundheitssys­tems vor einer Überlastung. Als Bonus schützt eine Boosterimpfung auch gegen Omi­kron sogar zu 70 Prozent vor symptomatischer Erkrankung und zu 60 Prozent vor In­fektion und Weitergabe.

Nur mit der Impfung verhindern wir unnötige Spitalsaufenthalte und damit die Überlas­tung des Gesundheitssystems, daher wünsche ich mir von möglichst vielen, die zuhören: Lassen Sie sich impfen! – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.51


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Bevor Herr Dr. Mückstein seine Stellungnahme abgibt, begrüße ich recht herzlich unseren Bundesminister für Arbeit Dr. Martin Kocher. – Herz­lich willkommen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen der Grünen.)

Bitte schön, Herr Bundesminister.



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16.51.32

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich darf mich als Gesundheitsminister über eine Woche der Meilensteine freuen. Wir haben diese Woche bei den Boosterimpfungen in Österreich die 50-Prozent-Marke überschritten: Wir halten jetzt bei knapp 53 Prozent dreifach ge­impften, also geboosterten, Menschen in Österreich. (Bundesrat Spanring: Und nichts hat sich geändert!) Das lässt mich als Gesundheitsminister etwas ruhiger schlafen (Ruf bei der FPÖ: Ja, wenn man die Infektionszahlen anschaut!), aber ich sage Ihnen eines: Das wird nicht genug sein, um eventuelle zukünftige Wellen zu brechen. Das wird nicht genug sein, um uns auf eventuelle neue Varianten vorzubereiten.

69 Prozent der Gesamtbevölkerung verfügen über ein aufrechtes Impfzertifikat. Das ist gut, das ist ein Erfolg, aber ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage: Auch das – und das ist ebenfalls einhellige ExpertInnenmeinung – wird nicht ausreichen. Das wird nicht ausreichen, um dem Kreislauf des Auf- und Zusperrens, der Lockdowns, der Schulschließungen, der immensen psychosozialen Schäden, die in der Bevölkerung ent­standen sind, aber natürlich auch der wirtschaftlichen Schäden vorzubeugen. Sie kön­nen mir eines glauben: Darauf habe ich auch keine Lust mehr.

Wir können es aber gemeinsam schaffen. Wir können es aus der Pandemie hinausschaf­fen, wir können es aus dieser mühsamen Zeit hinausschaffen. Damit komme ich zum zweiten Meilenstein dieser Woche, der Behandlung des Impfpflichtgesetzes im Bundes­rat. (Die BundesrätInnen der FPÖ halten jeweils eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – Gegen Impfzwang – Für die Freiheit“ in die Höhe.)

Heute ist ein wichtiger Tag. Ich darf Sie, hochgeschätzte Mitglieder des Bundesrates, um breite Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetz ersuchen. Wir brauchen diese Perspektive in der Bevölkerung, wir brauchen diese Perspektive für uns alle, damit wir einen sicheren Sommer, einen sicheren Herbst haben. Wir wollen heute gemeinsam ei­nen essenziellen Schritt in der österreichischen Coronapolitik gehen. Es liegt eine vo­rausschauende Maßnahme auf dem Tisch, wie wir sie in den letzten zwei Jahren im Kampf gegen die Pandemie noch nicht hatten.

Wir haben mit diesem Gesetzentwurf zur Impfpflicht eine vorausschauende Maßnahme, aber vor allem auch eine besonders nachhaltige Maßnahme im Kampf gegen die Pan­demie. (Bundesrat Leinfellner: Raus aus der Demokratie!) Die Impfpflicht wird uns zwar nicht sofort dabei helfen, die Omikronwelle zu brechen, aber das war auch gar nicht Ziel dieses Gesetzes, vielmehr soll uns die Impfpflicht vor den nächsten Wellen und vor allem vor nächsten Virusvarianten schützen. Wir reagieren damit nicht einfach, sondern wir setzen vorausschauend und aktiv einen wichtigen Schritt für künftige Entwicklungen.

Nicht nur deswegen bin ich über diesen Gesetzentwurf froh, sondern vor allem auch wegen seiner Entstehung. Es hat viele ExpertInnenrunden mit VerfassungsjuristInnen, EpidemiologInnen und KommunikationsexpertInnen gegeben. Wir haben mit den Reli­gions- und Glaubensgemeinschaften geredet, mit den Senioren- und JugendvertreterIn­nen, und wir haben mit vier Parlamentsparteien gesprochen, die alle gemeinsam an diesem Gesetz zusammengearbeitet haben. (Eine Bedienstete der Parlamentsdirektion begibt sich vom Präsidium zu Klubobmann Steiner und spricht mit diesem. – Bundesrat Steiner: Wenn es die Präsidentin sagt, tun wir sie herunter!)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, Herr Minister, aber die Fraktion besteht darauf, dass ich sage, sie sollen die Tafeln herunternehmen. Mein Zeichen hat nicht gereicht. – Ich bitte euch, die Tafeln herunterzunehmen (Bundes­rätin Schartel: Haben Sie es zur Kenntnis genommen?), dass der Herr Bundesminister mit seiner Stellungnahme fortfahren kann. – Bitte schön.



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Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Dr. Wolfgang Mückstein
(fortsetzend): Dieser Gesetzentwurf steht also trotz der heiklen Materie auf einem so breiten Fundament wie kaum eine andere Regelung. Wir haben zahlreiche konstruktive Stellungnahmen im Rahmen des Begutachtungsprozes­ses bekommen. Viele davon haben auch Eingang in diesen Gesetzentwurf gefunden.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich konstruktiv in diesen Gesetzgebungspro­zess eingebracht haben, wie auch die Zivilbevölkerung mit vielen, vielen Eingaben. Ich möchte mich auch bei der SPÖ und den NEOS herzlich für die konstruktive Zusammen­arbeit an diesem Gesetzentwurf bedanken. (Bundesrätin Schartel: Die nächste Regie­rung ...!)

Eines stand für uns beim Impfpflichtgesetz nämlich immer im Vordergrund: Die Covid-Schutzimpfung wirkt sehr gut. (Bundesrätin Schartel: ... nicht gegen Omikron!) Sie wirkt sehr gut gegen schwere Verläufe und gegen Todesfälle, die Boosterimpfung noch einmal mehr. Das zeigen auch jüngst veröffentlichte Zahlen.

Wir haben eine aktuelle Auswertung der Statistik Austria zu den Todesfällen in Öster­reich, die zeigt, dass Personen, die mindestens einmal gegen Covid-19 geimpft sind, unabhängig von Alter und Geschlecht ein deutlich niedrigeres Sterberisiko haben als ungeimpfte Menschen. Auch eine Analyse der Gesundheit Österreich GmbH, die vergangene Woche veröffentlicht worden ist, zeigt: Drei Impfdosen bieten im Vergleich zu Ungeimpften eine Effektivität von 99,2 Prozent bezüglich Todesfällen, aber auch be­reits nach zwei Teilimpfungen ergibt sich eine Effektivität von 92,6 Prozent bezüglich Todesfällen. Das ist beeindruckend und zeigt, welche Kraft die Impfung hat, wir müssen sie nur nutzen.

Eine hohe Durchimpfungsrate schützt nicht nur unsere eigene Gesundheit, sie schützt auch unser Gesundheitssystem. (Bundesrat Steiner: Bist bald fertig mit dem Stottern?) Die Impfpflicht ist eine Entscheidung für uns als Gesellschaft und für eine Rückkehr zu einem Zusammenleben, wie wir es vor der Pandemie kannten und das wir alle schmerz­lich vermissen. Was also hinter der Impfpflicht steht, sind der Solidaritätsgedanke und das Zusammenhaltprinzip. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Meine Damen und Herren, die Covid-19-Pandemie ist für uns immer noch eine beson­dere Ausnahmesituation. Mit der Impfpflicht, davon bin ich überzeugt, wird es uns ge­lingen, die so wichtigen zusätzlichen Prozente bei der Durchimpfungsrate zu erzielen. Bitte vergessen wir nicht, welchem Umstand wir die für die kommenden Wochen in Aussicht gestellten Lockerungen zu verdanken haben: Die Basis dafür ist der Impferfolg.

Ich möchte mich auch gegen die Behauptung verwahren, dass die Omikronvariante einen milden Verlauf hat. Sie verläuft deswegen gesamtgesellschaftlich milder, weil es so viele geimpfte Menschen in Österreich gibt. (Bundesrat Spanring: Das ist ja ein Blöd­sinn! Das ist so ein Blödsinn! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Gemeinsam können wir eine neue und klare Perspektive im Umgang mit der Pandemie schaffen. Es ist ein Weg zurück zur Normalität, wie wir sie uns alle wünschen. Genau deswegen brauchen wir dieses Gesetz, und daher ersuche ich Sie, hochgeschätzte Mit­glieder des Bundesrates, heute um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.59


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke, Herr Minister.

Zu Wort gemeldet ist Dr. Johannes Hübner. Ich erteile es ihm.


16.59.25

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Ich mache eine Balanceübung. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – FPÖ – www.impfzwang.at“


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verkehrt auf das Rednerpult.) Ist es nicht schön? (Rufe bei der FPÖ: Umdrehen! Ver­kehrt! Dreh das Schild um! – Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.) – Na bitte (die Tafel umdrehend), das ist einmal ein erster Erfolg an diesem Tag, Frau Präsi­dentin.

Ob es bei der Diskussion weitere Erfolge geben wird, ist die Frage, nachdem ich unseren Herrn Minister gehört habe (Ruf bei der FPÖ: Der ist schon weg!) ach, der ist schon weg; ja, macht nichts, ich habe ihn trotzdem gehört, auch wenn er schon weg ist –, dem wir ja heute, wenn nicht ein Wunder geschieht, mit diesem Gesetz eine Generalvollmacht geben werden, hinsichtlich Impfungen alles zu beschließen, festzulegen, zu verordnen, was er will: monatliche Impfung, wöchentliche Impfung, Impfung alle drei Monate, Imp­fung bis zum Alter von fünf Jahren, Impfung der Risikogruppen. Der Minister kann mit diesem Gesetz, das wir machen, alles tun, da in diesem Fall der Gesetzgeber  der Nationalrat hat es getan und wir werden es, fürchte ich, heute auch tun  seine Aufsicht und seine Gesetzgebung durch ein hohles Gesetz mit einem weitgehenden Ermessens­spielraum des Ministers aus der Hand gibt. Das ist einmal die erste Katastrophe, würde ich sagen, für die Demokratie und für die Bürger. (Beifall bei der FPÖ.)

Die zweite Katastrophe, die mindestens gleich groß ist, ist, dass wir auf einmal  das ist ganz selten, denn Österreich ist weltweit immer ein Musterknabe gescheiter sind als der Rest der Welt. Auf einmal findet sich Österreich in einer exklusiven Gemeinschaft mit Turkmenistan, Tadschikistan, Tonga, Indonesien und dem Vatikanstaat. Das ist ja, glaube ich, die absolute Creme der Welt, der Demokratie und des rationalen Denkens unter den Ländern, die es für notwendig halten, eine Impfpflicht zu verantworten, die es für notwendig halten, sich über bisher unbestrittene Grundsätze nämlich jene der per­sönlichen Verfügung des Menschen über den eigenen Körper und über seine Gesund­heit  hinwegzusetzen, die es für notwendig erachten, von bisherigen Grundsätzen, wie, dass man zu einer Heilbehandlung erstens aufgeklärt sein muss, zweitens über die Risiken realistisch wissen muss, wie sie sind, und drittens seine Zustimmung geben muss, abzuweichen. Es ist ja bezeichnend, dass da nur die vorhin genannten Ländern mit uns in einem Boot sind.

Die dritte Katastrophe ist, dass wir es zu einem Zeitpunkt tun, über den man ja, wenn es nicht so traurig wäre, lachen müsste. Die ganze Welt ich nehme wiederum diese Län­der aus, die ich jetzt genannt habe, aber ich sage trotzdem einmal so salopp: die ganze Welt ist dabei, zu erkennen, dass die Pandemie zu Ende ist. Selbst die Hohepriester dieser Pandemie  die Herren Prof. Drosten in Deutschland, Herr Prof. Fauci in den USA  haben gesagt, die Pandemie endet, wir gehen in eine Endemie über. Das haben sie gesagt!

Herr Drosten hat das natürlich aufgrund wütender Proteste der gleichgeschalteten Me­dien, der Impflobbys und einiger Parteien zu relativeren versucht. Wenn Sie aber, das ist hochinteressant, sein letztes Interview mit der Deutsche Welle genauer lesen, dann sehen Sie, was wirklich Faktum ist. Da sagt er nämlich, die neue Welle, also das ist die Omikronwelle, sei durch Afrika durchgezogen. Dort hat man festgestellt, dass die Bevöl­kerung fast vollständig immunisiert ist und dass es deshalb kaum Schäden gegeben hat. Jetzt sagt er Folgendes: Dieser Weg ist zwar erfolgreich, aber für Europa nicht gangbar, weil wir so viele Alte haben, viel mehr als in Afrika – in Afrika sind übrigens die Alten auch nicht gestorben, aber gut –; wir haben sehr, sehr viel Alte, deswegen ist der Weg nicht gangbar und deswegen können wir die Seuche nicht durchlaufen lassen, sondern deswegen müssen wir impfen.

Wenn man jetzt sozusagen zur Logik zurückkehrt: Hätten wir das Problem, dass wir nur deshalb die Dinge nicht laufen lassen können, weil wir eine vulnerable Gruppe haben, nämlich die Alten die die Afrikaner auch haben, aber nicht in so einem hohen Pro­zentsatz , dann muss man diese alte Gruppe schützen. (Bundesrat Spanring: Richtig!)


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Jetzt gibt es aber nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa bei dieser vulnerablen Gruppe Impfquoten  je nach Land  zwischen 92, in Österreich bei 95, und 99 Prozent, das heißt, da hat man einen kompletten Impfschutz.

Wenn man jetzt vulnerable Gruppen schützen muss, obwohl sie alle geimpft sind, dann wirkt die Impfung nicht  das hoffen wir ja alle nicht. Wenn aber die Impfung, so wie wird das gebetsmühlenartig hören, vulnerable Gruppen vor schweren Verläufen schützt, Todesfälle und so weiter verhindert, dann haben wir in ganz Europa längst eine Situation, in der wir die Seuche – unter Anführungszeichen – „durchlaufen“ lassen können. Aus Gründen, die ich aufgrund der, wie soll ich sagen, Sprechblasen des Herrn Ministers und einiger meiner Vorredner nicht erschließen kann, meinen wir, das ist alles nicht so. Wir sind ganz gescheit, wir denken nicht darüber nach.

Uns fällt übrigens auch nicht auf, dass wir ja seit November des vergangenen Jahres einen Lockdown für Ungeimpfte verhängt haben und dass die hohen Inzidenzen, die wir haben, kaum von den Ungeimpften stammen können, das ist ja kaum denkbar. Die sind seit November ausgeschlossen, und seit Ende Dezember explodieren die Zahlen. Inzi­denz 2 500 in den letzten Tagen in Österreich: Wo kommt die her?

Es gibt daher, wenn man den Dingen faktenorientiert und realistisch ins Auge sieht, nur zwei Erklärungen: Erstens einmal: Die derzeit verabreichten Impfungen schützen gegen die Weitergabe der derzeit kursierenden Omikronvarianten ob das jetzt BA.1 oder BA.2 und so weiter ist  nicht. Die vulnerablen Gruppen sind durch Impfungen geschützt, mehr kann man nicht machen. Einen speziellen Impfschutz, der wie auch immer die Omi­kronvarianten auf null reduzieren und dazu führen würde, dass das überhaupt nicht mehr weitergegeben wird, gibt es nicht, die bisherigen, die alten müssen weitergeimpft wer­den. Das heißt, wir beschließen eine Impfpflicht, haben kein Serum, das vernünftiger­weise verimpft werden kann, und haben keine Situation, die eine Impfung notwendig macht. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wir aber haben, ist ein Einkauf von 48 Millionen Impfdosen durch Österreich bei einer Bevölkerung von acht Millionen Menschen. Wenn man sagt, wir impfen ab zwölf Jahren, dann sind ungefähr sieben Millionen, sechseinhalb Millionen Menschen zu imp­fen. Wenn ich jetzt 48 durch sechs, sechseinhalb teile, dann komme ich ungefähr dahin, was man offensichtlich verimpfen muss (Bundesrätin Schartel: Acht Mal!) und wozu man die Bevölkerung kriegen muss, sei es durch Impflotterien oder durch Impfzwang.

Europa hat übrigens für 500 Millionen Menschen neun Milliarden Impfdosen gekauft, das muss man wissen, die sind vorhanden. Das sind rechtsverbindliche Aufträge. Teilweise wurde ausgeliefert. Teilweise sind es Impfstoffe, die schon wieder abgelaufen sind, weil man sie so schnell gar nicht verimpfen kann, teilweise Impfstoffe, die man in den nächs­ten Monaten erst abnehmen muss. Das muss man alles verstehen, um die Dynamik, die hinter der heutigen Diskussion und Beschlussfassung steht, richtig erfassen zu können.

Ja, was sagen wir dazu, wenn Länder wie Großbritannien, dort sind immerhin auch 68 Millionen Leute, durch ihre Gesundheitsbehörden erklären lassen, dass sich die bis­herigen Maßnahmen gegen die Ausbreitung, insbesondere Isolationen, Sperrstunden und Maskentragen, bei den grassierenden Varianten als völlig wirkungslos erwiesen ha­ben? Auch Impfungen schützen gegen die Ausbreitung  zumindest der derzeitigen Va­rianten  nicht, deswegen hat die Gesundheitsbehörde empfohlen, alle Maßnahmen auf­zuheben, was vor zwei Wochen geschehen ist.

Was ist seither geschehen? Die Inzidenz in Großbritannien, die ja nach allen wissen­schaftlichen Erkenntnissen von Gecko und Co, Mücksteinen und so weiter (Heiterkeit des Bundesrates Ofner) sofort wieder explodieren müsste, ist von 2 400 auf heute 780 gesunken. Welches Land außer Österreich hat die höchste Inzidenz in Europa? Öster­reich hat 2 400, aber es gibt ein Land, das hat 3 500, und Sie werden es nicht glauben,


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es ist der Impfweltmeister Portugal, der als einziges Land eine Impfquote von 91 Prozent hat. (Bundesrat Spanring: Ja, die Impfung wirkt und schützt!) Die Impfung wirkt, in welche Richtung wissen wir nicht. Glauben Sie aber, dass wir diese Fakten, diese Über­legungen, von den Sprechautomaten im Ministeramt irgendwann einmal zu hören be­kommen? Glauben Sie, das wird in den gleichgeschalteten Medien diskutiert? Nein.

Dann ist die Verwunderung groß, dass es 240 000 Stellungnahmen von Bürgern gibt, die sich massiv gegen die Impfpflicht aussprechen, Stellungnahmen, die – Kollege Appé hat uns einige vorgelesen – teilweise hoch emotional sind, die laut Minister Mückstein wie alle Bürger  bei der Entscheidung berücksichtigt wurden.

Wie sind die berücksichtigt worden?  Indem man sie rücksichtslos in den Mistkorb ge­geben hat, ja? (Beifall bei der FPÖ.) Ich kann mir schwer vorstellen, dass es bei 260 000 Stellungnahmen, bei denen es natürlich nicht klar ist, wie viele positiv und wie viele negativ waren das erfährt man nicht, es heißt nur, sie sind überwiegend negativ ‑, eine Mehrheit für die positiven gegeben hat, obwohl sie überwiegend negativ sein sollen.

Ich habe mir erlaubt, ein bisschen bei den Leuten – ich will jetzt keine Namen nennen ‑, die das im Parlament verwalten, nachzufragen, und die haben mir gesagt: Na ja, positive gibt es schon. – Wie viele sind das? – Na ja, ungefähr 1 bis 2 Prozent. So viel also zur Einbindung der Bürger und des Wollens der Bürger in die Entscheidungsprozesse. (Ruf bei der SPÖ: Der Rest ...!)

Ja, beeindruckend, Herr Minister Mückstein, sind die Erfolge, die Sie allenfalls darin er­zielt haben, alles auszublenden, was Ihren Plänen widerspricht, sich von internationalen Statistiken, Fakten und Erfahrungen zu verabschieden, Österreich als eine Insel der Cle­veren darzustellen, über die Dinge, die im Ausland erkannt worden sind, gar nicht nach­zudenken.

Dass Sie den schwedischen Weg ausblenden, ist mir ja klar. Da mache ich Ihnen nicht einmal einen Vorwurf, denn selbst Drosten hat es bisher in zwei Jahren nicht geschafft, sich mit dem schwedischen Weg auseinanderzusetzen. Ein einziges Mal hat er dazu etwas gesagt – ich habe zumindest nur eine einzige Aussage gefunden –: Das kann ich bei meinem derzeitigen Wissensstand nicht analysieren. (Ruf bei der ÖVP: Wer hat das gesagt?)

Das habe ich aber von Ihnen nicht einmal gehört. Sagen Sie wenigstens, was in Schweden los ist, wo es nie Maßnahmen gab und an eine Impfpflicht gar nicht gedacht wurde! Dort sind die Todeszahlen trotzdem insgesamt geringer als in Österreich, trotz­dem ist die Inzidenz maximal gleich hoch wie in Österreich – es gab nie einen Lockdown, es gab keine Einschränkungen, keine Versammlungsverbote, keine Veranstaltungsver­bote, nichts (Zwischenruf bei der ÖVP), trotzdem gibt es nicht mehr Probleme.

Sagen Sie wenigstens: Das kann ich mir nicht erklären, das ist ein Wunder, das ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt (Ruf bei der FPÖ: Impfpflicht ...!), in Schweden ist es so kalt oder vielleicht haben die Leute Angst, dass die Eisbären kommen, und deswegen treffen sie sich nicht im Freien – weiß ich nicht! Sagen Sie irgendetwas davon! Das tun Sie aber nicht, wie alle internationalen Experten, wozu ich nicht die Gecko-Mitglieder zähle. Alle internationalen Experten schweigen sich zu diesem Thema aus oder sagen bestenfalls, sie können dazu nichts sagen.

In dieser Situation, die ich kurz skizziert habe, stehen wir heute und fassen einen Be­schluss, mit dem wir diesen Minister, der uns als Sprechautomat in vielen Fernsehsen­dungen – sagen wir es einmal positiv – aufgefallen ist (Heiterkeit des Redners sowie des Bundesrates Steiner), ermächtigen, über die Gesundheit der Leute, über ihre körper­liche Versehrtheit oder Unversehrtheit zu verfügen, ohne dass wir in dieses Gesetz auch zumindest das Hemmnis eingebaut haben, dass über alle Nebenwirkungen und mögli­chen Nebenwirkungen der Impfung rückhaltlos und wahrheitsgemäß zu informieren ist. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich hätte noch vieles zu sagen, ich beende meine Rede aber nun, weil ich glaube, dass das an Informationen, an Denkanstößen, die ich gegeben habe, reicht. Ich glaube trotz­dem, dass es nicht zu einem Nachdenken kommt (Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach), sei es aufgrund der Fraktionsdisziplin, sei es aufgrund der Drohung mit vielleicht nicht so gesicherten Plätzen beim nächsten Wahlgang, sei es aufgrund anderer Dinge, die dazu führen werden, dass brav entlang der Parteilinien abgestimmt wird und Öster­reich flugs in eine Reihe mit Tadschikistan, Turkmenistan und Co eingereiht wird. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder.)

Wir werden dagegen wie angekündigt Widerstand leisten – nicht nur heute – und versu­chen, so rasch wie möglich dafür zu sorgen, dass in Österreich wieder grundwertkon­forme Zustände einkehren (Beifall bei der FPÖ) – nicht rechtskonforme, aber grundwert­konforme Zustände –, dass die Leute die Verfügung über den eigenen Körper und die eigene Gesundheit zurückerhalten und dass nicht die Maxime unserer Entscheidung ist: Was machen wir mit den 48 Millionen Impfdosen, die wir gekauft haben? – Wegschmei­ßen ist irgendwie peinlich. – Solche Maximen sollten und werden uns in Zukunft nicht leiten, da bin ich mir sicher. – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Kann der Mückstein ...?)

17.14


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Das waren fast 15 Minuten. Ich bitte: Haltet euch ein bisschen – wir sind heute eh sehr moderat – an die 10 Minuten, die wir uns selbst gege­ben haben! – Danke schön. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Kollege Appé hat 21 ge­habt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Nächster Redner: Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


17.14.52

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten, via Stream! Ich weiß, heute sind es bestimmt mehr als sonst. Bevor ich jetzt aber in meine Rede eintauche – weil immer die Gefahr besteht, dass ich es dann vergesse –, bringe ich einen Antrag ein, weil ja in den Ländern durch­aus ein Mehraufwand droht:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollzug des Impfpflichtgesetzes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Ländern und Gemeinden sowie den Ver­waltungsgerichten in jeder Phase der Umsetzung des COVID-19-Impfpflichtsgesetzes, insbesondere aber für die Phase der automationsunterstützten Ermittlung der Daten und ebensolcher Ausfolgung der Impfstrafverfügungen, ausreichend Ressourcen zur Verfü­gung zu stellen, um den zu erwartenden Verwaltungsaufwand bei der Umsetzung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes bewältigen und insbesondere die notwendigen Personal­ressourcen sicherstellen zu können.“

*****

(Bundesrat Spanring: Sehr gut, Datenschutz! Eine Schande!)

So, da ich diesen Antrag eingebracht habe, kann ich jetzt in meine eigentliche Rede eintauchen.


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Ich weiß natürlich, das habe ich schon gesagt, dass heute sehr, sehr viele Menschen zuschauen, dass sehr viele Menschen heute Angst haben, in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt zu werden. Natürlich habe auch ich wie so viele andere diese Briefe und E-Mails bekommen. Es waren auch nicht alle gehässig – die gehässigen waren wirklich furchtbar, das muss man auch sagen –, sondern es waren viele Menschen, denen offen­sichtlich auch nur sehr eingeschränkt Informationskanäle zur Verfügung stehen, wirklich besorgt und das ist auch bedauerlich.

Andererseits weiß ich aber auch, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, die heute große Hoffnung in das setzen, was wir heute beschließen, dass es sehr, sehr viele Men­schen gibt – eigentlich sogar eine Mehrheit –, die sich über jede Maßnahme freuen, die uns ermöglicht, bald wieder ein normales Leben zu führen, die uns ermöglicht, aus die­sem Kreislauf der Lockdowns herauszukommen und in Richtung Freiheit zu gehen, die darauf vertrauen, dass der Staat funktioniert, die darauf vertrauen, dass die Wissen­schaft es genau und besser weiß, was sie tut, als diejenigen, die keine PharmazeutIn­nen, VirologInnen oder MathematikerInnen sind. Diese Mehrheit ist nicht in Telegram-Gruppen organisiert, aber es sind viele, es sind sehr viele, die heute große Hoffnung haben.

In Österreich wurden mehr als 17,5 Millionen Impfungen erfasst. Es wurden allein ges­tern rund 26 500 Boosterimpfungen verabreicht. 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben mindestens eine Dosis erhalten, mehr als die Hälfte erfreulicher­weise jetzt eine dritte und es werden tagtäglich mehr. Auch Realität und eine richtige Zahl ist, dass aktuell – Stichtag heute – von denen, die eine symptomatische Erkrankung haben – also mit Symptomen –, 77 Prozent nicht geschützt sind, weil sie keine Impfung haben.

Die stille Mehrheit, von der ich soeben gesprochen habe, sollte uns auch Mut machen. Das sind nämlich jene Menschen, die bereit sind, sich selbst vor einem schweren Covid-Verlauf zu schützen, die aber vor allem einen Beitrag leisten wollen, um unsere medizi­nische Infrastruktur zu schützen, damit alle notwendige medizinische Maßnahmen erhal­ten können, nämlich auch diejenigen, die sich nicht schützen lassen. Wir sind solidarisch!

Meine Damen und Herren, das ist keine Spaltung der Gesellschaft, das ist eigentlich genau das Gegenteil davon. Das zeigt, dass eine überwältigende Mehrheit in diesem Land bereit ist, Rücksicht auf andere zu nehmen. Das heißt, dass eine absolute Mehrheit in diesem Land das Wir vor das Ich stellt. Es ist nicht einfach in einer solch schwierigen Zeit. Diese Pandemie dauert schon furchtbar lange, und wir sind alle schon von ihr zer­mürbt – ich auch, wir alle sind es.

Wir brauchen diese Rücksicht aber vor allem dann, wenn wieder gefährliche Varianten auftauchen sollten. Ich hoffe ja auch, dass eine Endemie kommt, das hoffen wir alle, aber wir wissen es nicht. (Bundesrat Spanring: Aber ihr wisst, dass ihr eine Impfpflicht braucht!) Wenn aber eine gefährliche Variante kommt und wir dieses Rüstzeug nicht in der Hand haben, dann kommen wir aus diesem unerträglichen Kreislauf der Lockdowns nicht mehr heraus. Wir müssen uns jetzt wappnen, damit wir durch den Herbst und den Winter 2022 und 2023 kommen, und das machen wir jetzt mit diesem Beschluss. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Als die Covid-Krise Anfang 2020 begann und ich hier im Haus war, dachte ich ja eigent­lich, dass in einem solchen Extremfall, in so einem Ausnahmefall wie einer Pandemie, das grundsätzliche Zusammenhalten in der Politik zum Wohle aller Menschen in diesem Land eine Selbstverständlichkeit wäre; dass man natürlich Maßnahmen kritisiert, dass man andere Vorschläge bringt, ist ja in einer Demokratie sogar sehr wichtig. Leider ist allerdings – und das hat mich in dieser Wucht schon überrascht – in der politischen Dis­kussion der Ton sehr brutal verschärft worden, wahrscheinlich auch, weil man sich einen


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politischen Vorteil für sich selbst versprach und das Wohl Österreichs aus den Augen verloren hat und weil leider auch viele in Verschwörungserzählungen hineingekippt und nicht mehr herausgekommen sind.

Man muss aber schon auch sagen: Es gibt eine politische Kraft, die wirklich jeden Schritt, jede noch so vernünftige Maßnahme abgelehnt hat: das Tragen von Masken – eigentlich eines der schönsten Symbole, dass man Rücksicht auf den anderen nimmt, weil es den anderen fast noch mehr beschützt als einen selbst –, die Lockdowns, die wirklich nie­mand von uns wollte, die aber notwendig waren, um Menschenleben zu retten (Bundes­rat Spanring: So ein Blödsinn!), um vor allem dem Pflegepersonal in den Spitälern in diesem Land das Arbeiten überhaupt zu ermöglichen, und da ging es – nochmal – auch um die Menschen, die sich aus mir nicht verständlichen Gründen nicht haben schützen lassen. Wir sind mit diesen Menschen solidarisch gewesen, wir sind auch noch im De­zember in einen Lockdown gegangen, damit sie, wenn sie medizinische Versorgung brauchen, diese auch erhalten. (Bundesrat Spanring: Deswegen haben wir das machen müssen? Das ist sinnlos!)

Klar, die Frage, ob man eine Pflicht einführt, ist keine einfache. Da gibt es kein Schwarz-Weiß, es gibt Argumente dafür und es gibt natürlich auch Argumente dagegen. Da muss man behutsam zwischen individueller Freiheit und einem solidarischen Gemeinwohl ab­wägen. Im Grunde ist es eine Frage, die wir uns ja eh bei jedem Gesetz stellen müssen. Ja, als dieses Gesetz vorgeschlagen wurde, dominierte noch die Deltavariante und wir steckten vor Weihnachten in einem Lockdown. Omikron hat vieles geändert. Natürlich müssen die Maßnahmen wie auch die Pflicht, die wir heute beschließen, immer wieder überprüft und nötigenfalls auch adaptiert werden – und das ermöglichen wir ja auch.

Es gab viele Stellungnahmen – es wurde schon erwähnt –, viele Stakeholder, viele Inter­essengruppen waren involviert, und genau deshalb haben sich auch alle vier Parteien geeinigt. Man liest in diesem Zusammenhang oft das Wort autokratisch oder Diktatur – demokratischer als das geht es gar nicht. Das ist Demokratie, das ist parlamentarische Demokratie.

Ich habe auch die Bedenken gelesen. Ja, den einen oder anderen Aspekt verstehe ich, manche Bedenken teile ich sogar. Ich habe aber auch über gute Gründe für eine Impf­pflicht gelesen, mich ausgetauscht und mich auch lieber auf Wissenschaftsseiten von Medien, die der journalistischen Sorgfalt verpflichtet sind, informiert. (Bundesrat Span­ring: Ja, die „Krone“!) Was wir alle lernen müssen und was uns sicher auch noch in der Zukunft beschäftigen wird: Wir haben aktuell nicht nur eine akute Klimakrise und eine akute Gesundheitskrise, sondern wir haben auch eine Informations- und Vertrauenskri­se, auch gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat und vor allem auch gegenüber der Wissenschaft. (Bundesrat Spanring: Auf das werde ich noch eingehen!)

Wenn ich allerdings sehe, welche Chancen die MRNA-basierten Impfstoffe auch in an­deren Bereichen bieten, muss ich sagen, dass es durchaus Anlass zur Hoffnung gibt, ohne dass ich es jetzt natürlich versprechen kann. Das kann – zum Beispiel betreffend Impfstoffe gegen HIV, eine andere Pandemie, die noch sehr, sehr viele Länder dieser Welt belastet, und auch hinsichtlich anderer Formen von Therapie – eine wirklich große Chance sein. Diese Technologie, die Menschenleben retten kann, jetzt schon zu ver­teufeln ist so gefährlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist die beste Methode, um sich vor einer todbringenden Krankheit – und sie bringt immer noch viele Menschen nahe an den Tod oder ihnen sogar den Tod, ich selbst habe das auch gerade wieder erlebt – zu schützen. Mir persönlich fehlt daher das Verständnis, weswegen man gegen die Impfung sein kann, wenn sie die beste Möglichkeit ist, um Menschenleben zu retten, und wenn sie eine Möglichkeit ist, dass wir für alle in unserem Land eine medizinische Versorgung und Behandlung auch bei all den anderen Krank­heiten und Unfällen, die uns treffen können, garantieren können.


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Zustimmen ist für mich heute ein solidarischer Akt zum Verhindern von möglicherweise brandgefährlicheren Wellen. Ich hoffe, sie kommen nicht, aber sie könnten morgen, übermorgen oder später kommen. Wenn man beim Abwägen von Pros und Kontras das in die Waagschale legt, ist es für mich das ausschlaggebendste Argument, dass ich heute dafür stimme, und ich bitte Sie, das auch zu tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.25


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Karl Ba­der, Marco Schreuder, Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen ein­gebrachte Entschließungsantrag betreffend „Vollzug des Impfpflichtgesetzes“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Unser nächster Redner ist Stefan Schennach. – Bitte schön.


17.26.27

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Herren Minister und Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ja, niemand hätte sich gedacht, dass wir heute etwas beschließen und mittragen, das nicht wir verbockt haben, sondern das eine Regierung verbockt hat. (Bundesrat Leinfellner: Ist das jetzt eine Entschuldigung?)

Wenn wir in die Geschichte der Pflichtimpfungen zurückschauen, stellen wir fest – das ist interessant –, dass es immer riesige Wellen und Missverständnisse bis zu Erhebun­gen gab. Einen der berühmtesten Irrtümer gab es 1809 bei der zweiten Bergiselschlacht. Warum kam es zur zweiten Bergiselschlacht, Herr Präsident aus Tirol? – Weil die Fran­zosen gemeinsam mit den Bayern erkannt haben, dass die schwarzen Pocken die Tiroler Bevölkerung dermaßen geschwächt hatten, dass man sie impfen lassen musste. Die Franzosen haben ein Impfprogramm zur Hebung der Gesundheit und zum Kampf gegen die Pocken eingeläutet. Daraus wurde die Mär: Die wollen uns die Ideale der Französi­schen Revolution einimpfen.

Wir wissen mittlerweile – ich schaue gerade eine Oberösterreicherin an –, warum dieses Denken so stark in Oberösterreich verhaftet ist: weil das Impfen ein Thema bei den pro­testantischen Bauernaufständen und Bauernkriegen in Oberösterreich war und weil sich das bis heute in diese Geschichte hineinzieht. Bitte, wir haben die Aufklärung hinter uns, wir haben Geschichten hinter uns!

Ich stehe heute hier – und das sage ich jetzt an jene gerichtet, die zusehen –, weil in ungefähr 1 000 dieser Briefe stand, wir würden eine Empfehlung des Europarates miss­achten. Liebe Briefschreiber und Briefschreiberinnen, diese Empfehlung des Europara­tes stammt von mir. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Ich habe im Herbst 2020, als die Wissenschaft noch nicht so klar war und es noch nicht so sicher war, dass wir einen wunderbaren Impfstoff bekommen, gesagt: Vorsicht, wir versuchen es mit der Freiwilligkeit! Damals im Jänner 2021 ist dem die Mehrheit gefolgt.

Mittlerweile haben wir aber gesehen, wie das missbraucht wurde, und der Europarat hat letzte Woche beschlossen, eine Dringlichkeitsdebatte durchzuführen, und hat mich be­auftragt, einen neuen Kodex zu Covid vorzulegen. Dieser „Beating Covid-19 with public health measures“ – so lautet der Name – musste teilweise mit Zweidrittelmehrheiten von 47 Mitgliedstaaten abgestimmt werden, weil – anders als 2021 – nun dieses neue Werk, das ich im Europarat verfasst habe, Handlungsanleitungen an den Ministerrat inkludiert, und dafür braucht man Zweidrittelmehrheiten.

Nun, nach zwei Jahren der Pandemie, haben wir gelernt, was funktioniert. Wir wissen besser, was funktioniert und was nicht. Es ist erstaunlich, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Rekordzeit einen modernen, neuen Impfstoff, der auch noch effektiv ist, entwickelt haben, der vor Krankheit und vor allem vor Tod schützt. Nur haben wir


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eine etwas perverse Situation: Während man in den reichen Industrieländern die Men­schen mit Geldgeschenken und weiß ich was alles überzeugen muss, diese Impfung zu nehmen, gibt es in sehr armen Ländern eine katastrophale Situation.

Wenn wir 100 Menschen in Afrika nehmen, haben davon nur sieben Menschen die Chance auf einen Impfstoff. Wenn wir 100 Menschen aus Europa nehmen, haben davon über 60 Menschen die Chance auf einen kostenlosen Impfstoff. (Zwischenruf des Bun­desrates Spanring.) Deshalb hat der Europarat, der auch einen ganz wichtigen Preis – das ist der Nord-Süd-Preis – verleiht, das Covax-Programm der WHO – das Hilfspro­gramm, das die Impfstoffe betrifft – mit diesem Preis ausgezeichnet und appelliert an alle reicheren Länder, da mitzumachen und diesen Weg zu unterstützen, denn solange wir diese Pandemie nicht weltweit bekämpft haben, wird das Virus immer und immer weiter mutieren, und man kann nicht sagen: Was in Afrika ist, interessiert uns nicht; was in Südamerika ist, interessiert uns nicht!

Das heißt, wir haben jetzt einige Schritte zu machen: Zum Ersten müssen wir zeitlimitiert die Patentrechte aussetzen. Warum müssen wir das tun? – Weil diese Impfstoffe mit unheimlich viel öffentlichen Mitteln entwickelt wurden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.) Da haben Staaten Millionen von Euro und Dollar zur Verfü­gung gestellt, damit diese Impfstoffe entwickelt werden können, und nun besteht eine verdammte Pflicht, dass wir diese Patente zeitweise aussetzen, damit zum Beispiel In­dien, das die Kapazität hat, diese Medikamente herzustellen, diese auch produzieren kann. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Das ist eine Botschaft der WHO, die wir weitertragen sollen, wobei Österreich im Konzert mit den anderen europäischen Ländern – und ich hoffe, dass das auch in Deutschland langsam zur Kenntnis genommen wird – klarmacht: Das geht nicht! Wir können nicht alles hier in den Norden aufkaufen. Ich erinnere daran: Wir hatten einmal einen Kanzler, der hat die Regierungschefs des Westbalkans nach Wien eingeladen und hat denen gesagt: Wenn ihr verhindert, dass Flüchtlinge bis nach Österreich kommen, dann schen­ken wir euch Impfdosen! – Das ist unanständig. Das ist im höchsten Maße unanständig, weil die Welt – 194 Länder, das ist die Mitgliederzahl der WHO – sich entschieden hat, ein System zu machen – nämlich das Covax-System –, das nicht politische Geschäfte macht, sondern das hilft. Die frühere deutsche Bundeskanzlerin hat selbstverständlich Geld und auch Millionen von Dosen an Covax weitergegeben.

Nun, liebe Damen und Herren, diese neue Resolution des Europarates ist jetzt 14 Tage alt. Sie sagt im § 9 – und der war von links und von rechts, politisch gesehen, heftig umkämpft –, dass jeder Staat, jedes Mitgliedsland des Europarates, zu dem seit 1955 auch Österreich zählt, das Recht hat, über eine Impfpflicht nachzudenken, und zwar steht eine berufliche Impfpflicht – in bestimmten Pflegeberufen, in medizinischen Beru­fen – oder eine die Bevölkerung generell betreffende Impfpflicht drinnen, dass es dafür notwendig ist, eine breite politische Debatte zu führen, und dass alles durch Parlamente geprüft und zeitlich limitiert sein muss.

Das heißt jetzt, dass immerhin das Haus der Menschenrechte, das Haus der Rechts­staatlichkeit, dass 47 Länder mit einer sehr, sehr großen Mehrheit entschieden haben, dass eine Pflichtimpfung sehr wohl möglich ist und sehr wohl unter bestimmten Parame­tern durchgeführt werden kann. Insofern, liebe Damen und Herren und liebe Briefschrei­ber: Es ist keine Missachtung einer Empfehlung des Europarates mehr, wenn wir heute und hier eine Pflichtimpfung vorsehen und beschließen, denn sie ist demokratisch be­schlossen.

Diese Resolution beinhaltet auch, dass enorm viele Mittel und Möglichkeiten, auch so­zialrechtlich, im Bereich von Long Covid eingesetzt werden müssen und dass die Medien mehr denn je aufgefordert werden, gerade in Krisenzeiten eine objektive und breite In­formation zu bieten. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)


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In diesem Sinne bringe ich heute auch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Impfpflicht und Arbeitswelt“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bestehende arbeits- oder sozialversicherungs­rechtliche Regelungen und Ansprüche durch das COVID-19-Impfpflichtgesetz unberührt bleiben.

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird da­her ersucht, dass die aktuell (am 3. Februar 2022) in der 4. Covid-19-Maßnahmenver­ordnung geltende 3G-Regelung für Arbeitsorte bzw. 2,5G- Regelung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Alten- und Pflegeheime, stationären Wohneinrichtungen der Behin­dertenhilfe, Krankenanstalten und Kuranstalten und sonstigen Orten an denen Gesund­heitsdienstleistungen erbracht werden, beibehalten werden und die allenfalls dafür er­forderlichen Tests unentgeltlich bleiben.“

*****

Dieser Dreiparteienentschließungsantrag soll Sicherheit, Klarheit und eine Perspektive geben.

Vielleicht zum Schluss noch einmal: Albert Einstein, glaube ich, war es, der einmal ge­sagt hat: Irrsinn ist, dieselbe Handlung zu wiederholen und ein anderes Ergebnis zu erwarten. (Bundesrat Spanring: Impfen! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Warum tut ihr es dann?) Genau deswegen ist es wichtig, dass wir nach zwei Jahren Pandemie nicht mehr dieselben Fehler machen, dass es nach zwei Jahren Pandemie, da alle Menschen Lockdowns leid sind, für Politiker und Politikerinnen nicht unbedingt das Ziel sein sollte, Beliebtheitswerte zu erlangen, sondern zu zeigen, dass sie während einer sowohl gesell­schaftlichen als auch wirtschaftlichen und gesundheitlichen Krise, ja, wahrscheinlich ei­ner gesamten Sinneskrise, im Sinne der Gesundheit arbeiten.

Wir werden deshalb heute dieser Impfpflicht zustimmen. Sie ist eine demokratische par­lamentarische Entscheidung, und wir wissen auch, wann diese heute beschlossene Pflicht wieder zu Ende ist, das beschließen wir heute nämlich mit. (Bundesrat Steiner: In zwei Jahren!) Somit fußen wir ganz genau auf der Resolution des Europarates. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.40


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Impfpflicht und Arbeitswelt“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile ihr das Wort.


17.40.53

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Warum darf nicht wahr sein, was offen­sichtlich ist? – Impfen schützt! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Gross­mann.) Es schützt einen selbst und auch die anderen. Alle Länder, die jetzt Öffnungs­schritte setzen, haben ganz einfach eine höhere Impfquote, nämlich über 80 Prozent,


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und da wollen wir auch hin. (Bundesrat Steiner: Schweden?!) Hätten wir das auch, könn­ten wir uns die Diskussion ersparen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

In Österreich haben wir eine erstklassige medizinische Betreuung. Wir haben national und international renommierte, anerkannte Mediziner und Wissenschaftler. Unser Kolle­ge Kornhäusl hat schon auf die Errungenschaften der Medizin hingewiesen. Denkt doch nur daran, dass heutzutage ein neues Knie, eine neue Hüfte ein Klacks sind, das ist ganz einfach Routine! Oder denken wir an die Krebsforschung! (Bundesrat Spanring: Da entscheide ich aber selbst, ob ich das will oder nicht!) Ich bin überzeugt davon, dass kein Mediziner seine Familie impfen würde, wenn er Bedenken hätte. (Bundesrat Span­ring: Es gibt eh genug, die es nicht machen!) Ich bin ganz einfach glücklich und froh, dass ich in der heutigen Zeit lebe, in der es möglich war, so rasch einen Impfstoff gegen Corona zu entwickeln.

Corona, das wissen wir alle, ist über uns hereingebrochen wie ein Tsunami, und wir waren völlig unvorbereitet. Wir haben keine Erfahrungswerte. Entscheidungen werden getroffen, müssen getroffen werden, und zwar aufgrund von Beobachtungen, von Exper­tenmeinungen und von Wissen. Laufende Beobachtung und Erfahrung bringen es ganz einfach mit sich, dass diese Entscheidungen halt angepasst werden müssen. Dass je­mand stur bei seiner Meinung bleibt, Entwicklungen und Veränderungen negiert und jeden, der eine andere Meinung hat, niederzuringen und am Boden zu fixieren versucht, das bringt es ganz einfach nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. – Bundesrat Ofner: Ist das jetzt eine Selbstanzeige?)

Wir müssen inhaltliche Diskussionen auf Augenhöhe führen, uns miteinander auseinan­dersetzen, nicht auseinanderdividieren und eine Spaltung der Gesellschaft betreiben. Wir alle, auch ich, wollen keinen neuerlichen Lockdown. Die wirtschaftlichen Auswirkun­gen sind enorm und wir werden noch lange daran zu kiefeln haben.

Ich begrüße es, dass mit der Impflotterie für uns alle, für die Konsumenten, aber auch für unsere regionalen Betriebe, eine Möglichkeit besteht, ein bisschen etwas von den finanziellen Einbußen wieder aufzuholen. (Bundesrat Steiner: Ha, ha, ha!) Und ich er­warte und erhoffe, dass sie uns auch eine höhere Impfquote beschert. (Bundesrat Span­ring: So eine Möglichkeit ist das normale Lotto auch, wenn ich da gewinne, kann ich mir auch was aufbessern! Auch gut! ) – Aber keine Impfung. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die hohe Impfquote ist neben den Einhaltungen der Schutzmaßnahmen nun einmal die beste und einzige Möglichkeit, dass wir unser normales Leben wieder zurückbekommen, und wir schützen damit auch Menschen, die sich vielleicht aus ge­sundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.

Ich denke, dass es ganz einfach auch wichtig ist, Menschen, die Angst haben, aufzu­klären, mit ihnen zu reden, aber nicht noch weiter Ängste zu schüren. Wir sind derzeit in einer noch nie gehabten und nie gekannten schwierigen Situation, wirtschaftlich wie ge­sundheitlich. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ich habe heute immer wie­der gelesen, dass es um Zwang geht. – Nein, es geht um Pflicht. Wir müssen auch beim Wording aufpassen, denn es ist genau das, was ich so arg finde. Ich akzeptiere und verstehe, dass es Menschen gibt, die wirklich Angst haben. Mit denen will ich reden, ich will aufzeigen, ich will informieren (Bundesrat Ofner: Zwingen! Ihr wollt sie zwingen!), aber ich will sie mit meinem Wording nicht noch mehr in ihre Angst hineintreiben.

Was brauchen wir jetzt? Was braucht unsere Gesellschaft? – Ich bin total davon über­zeugt: Unsere Gesellschaft braucht Baumeister und keine Sprengmeister. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


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17.45


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm das Wort.


17.45.45

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – FPÖ – www.impfzwang.at“ auf das Rednerpult.) Meine Damen und Herren – nein, es sind nur mehr Herren – auf der Regierungsbank! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Im Unterschied zu den anderen bedanke ich mich zuallererst für die unzähligen Zusen­dungen mit Zahlen, Fakten und Daten zu Corona und auch zur verfehlten, evidenzlosen und tyrannischen Politik dieser Regierung, teils auch mit persönlichen Schicksalen und herzzerreißenden Erzählungen, wie es Menschen ergangen ist und wie es Menschen ergeht, die unter dieser schwarz-grünen Politik zu leiden haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe – so gut es ging – versucht, alle Mails zu beantworten. Heute sind wieder 196 neue Mails in meinem Posteingang. Ich verspreche, ich werde auch diese noch ab­arbeiten. Es kamen auch Hunderte Briefe. Ich entschuldige mich dafür, dass ich nicht jeden Brief beantwortet habe, das war zeitlich ganz einfach nicht mehr möglich. Ich habe aber jeden Brief und jedes Schreiben gelesen. Ich kann Ihnen sagen: Ihre Schreiben, Ihre Mails motivieren mich in meiner Arbeit – vielen Dank dafür. (Beifall bei der FPÖ.)

Genauso wichtig wie diese Schreiben waren auch die unzähligen Eingaben zu den Ge­setzentwürfen zur Impfpflicht. Genauso wichtig sind auch die lauten Proteste auf den Straßen. Letzten Endes haben genau diese Kritik der Bürger, der Menschen in Öster­reich, natürlich die Arbeit der Freiheitlichen Partei und auch – so ehrlich muss man sein – die Unfähigkeit der wohl schlechtesten und menschenverachtendsten Regierung der Zweiten Republik, die in Wahrheit jetzt mitten in einem Rückzugsgefecht steckt, dazu geführt, dass das Impfpflichtgesetz jetzt in dieser Form beschlossen wird.

Es wird auch genau diese Unfähigkeit der Regierung sein, die das Impfpflichtgesetz wieder zu Fall bringen wird. Wir Freiheitliche werden sowohl parlamentarisch, juristisch, als auch auf den Demos weiterhin alles tun, um diese Unrechtspolitik und diese verfas­sungs- und grundrechtsfeindlichen Gesetze und Verordnungen zu Fall zu bringen. – Ver­sprochen! (Beifall bei der FPÖ.)

Bisher haben die Regierenden, allen voran Herr Nehammer, immer von den Expertinnen und Experten, auf die man sich angeblich berufen hat, gesprochen. Erstens sind Ihnen da mittlerweile schon einige Experten abhandengekommen, weil sie diesen Corona­wahnsinn ganz einfach nicht mehr mittragen wollten – die gelten jetzt wahrscheinlich auch alle als Schwurbler –, und zweitens sollte man sich einmal genau anschauen, wer unter diesen Experten ist und auf wen die Regierung sich immer wieder beruft. Von mindestens acht dieser Experten, die die Coronapolitik mitgestalten, weiß man, dass sie auf den Payrolls, sprich auf den Gehaltslisten, von Pharmaunternehmen stehen. Ein Na­me, der sehr oft vorkommt, ist Pfizer – welch Zufall! Es gibt auch einige, die gleich von mehreren Geld kassieren. Einer war zum Beispiel bei Pfizer, und googelt man jetzt seine Homepage, dann sieht man dort als Sponsor Valneva. Unabhängigkeit schaut für mich anders aus, meine Damen und Herren.

Stellt man sich also die Frage, ob das wirklich Experten sind, könnte man vielleicht auch dahinkommen, zu sagen: Vielleicht sind es viel eher Impflobbyisten, die doppelt kassie­ren, nämlich einmal vom Staat und einmal von der Pharmaindustrie; oder ist es vielleicht so, dass man von der Pharmalobby beschäftigt sein muss und von ihr bezahlt werden muss, damit man in Österreich ein Experte sein kann? (Beifall bei der FPÖ.)

Für mich eine ganz zentrale Figur dieser Regierungsimpfpropaganda ist einer, der glaubt, sich immer zu Wort melden zu müssen, er ist ein bisschen verhaltensauffällig, um ehrlich zu sein, der Leider-noch-immer-Ärztekammerpräsident Szekeres. Der wagt es, unzähli­gen Ärzten die Fachkenntnis ab- und das Misstrauen auszusprechen, und das nur, weil


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diese ihre Bedenken gegenüber der aktuellen Coronapolitik und der Impfstrategie samt Impfpflicht offen aussprechen.

Dieser Herr Szekeres hat jetzt ein ähnliches Problem, wie es sonst immer die ÖVP hat: Er stolpert gerade über veröffentlichte Chats beziehungsweise Postings in einer ge­schlossenen Facebook-Gruppe.

Wer sich allen Ernstes noch fragt, warum Bürger der Politik oder auch den sogenannten Experten und der Wissenschaft nicht mehr vertrauen, der bekommt jetzt die Antwort von mir auf dem Silbertablett serviert: Betreffend den Bereich Politik ist die Antwort einfach, da sind es ganz einfach die anhaltenden ÖVP-Korruptionsskandale, der ÖVP-Sumpf, wogegen die Mafia in Italien wie eine schlecht organisierte Pfandfindergruppe aus­schaut, eine ÖVP-Korruption, die über Jahrzehnte vorbereitet, aufgebaut und perfektio­niert wurde – von Strasser über Schmid, Brandstetter, Kloibmüller, Kurz, Pilnacek bis hin zu Sobotka, Mikl-Leitner und vielen, vielen mehr. (Beifall bei der FPÖ.) Da wird noch einiges kommen. – Meine Damen und Herren, ich hätte mir nie gedacht, dass ich das einmal an dieser Stelle sagen werde, aber ich werde es jetzt sagen: Danke, Peter Pilz! (Beifall bei der FPÖ.)

Bei den Ärzten tut mir das persönlich besonders weh, weil ich es da nicht so schlimm vermutet hätte. Da gibt es eine Facebook-Seite mit dem Namen „Ärzte vs Covid-19“. In dieser Gruppe ist auch der Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres dabei. Im vermeint­lichen Schutz einer geschlossenen Gruppe wird dort darüber diskutiert, was diese Ärzte in der Öffentlichkeit dann wieder als Verschwörungstheorien bestreiten; ein Beispiel: dass ein PCR-Test eine Covid-Erkrankung nicht nachweisen kann. Eine Kollegin, die sich vehement dafür einsetzte, die Bevölkerung über dieses Faktum aufzuklären und zu informieren, um Angst und Panik zu vermeiden, wurde daraufhin aus der Gruppe ent­fernt. – Das sind die Experten der Regierung!

Es wurde auch darüber geschrieben, dass die Meldung von Impfnebenwirkungen ein­fach zu aufwendig sei: Eine Wiener Ärztin postete in der Gruppe wörtlich: Prinzipiell müssten wir ja jede Nebenwirkung melden, doch wenn ich das mit der Covid-Impfung getan hätte, wäre ich wohl jede Woche mindestens zwei Stunden extra mit Fragebogen­ausfüllen beschäftigt gewesen. Das hätte ich nicht gepackt, ganz ehrlich. – Zitatende. – Das sind die Experten dieser Regierung!

Für mich stellt sich aber die Frage, inwieweit das mit dem Ärztegelöbnis oder auch der ärztlichen Ethik zu vereinbaren ist. – Nämlich gar nicht.

Ein weiterer Arzt dieser geschlossenen Facebook-Gruppe, der gleichzeitig auch Mitglied im NIG, nämlich im Nationalen Impfgremium, ist, schreibt: Ich halte es für vollkommen unmöglich, die Bevölkerung als Ganzes über alle Details der Coronapandemie informiert zu halten. – Zitatende. Übrigens ist dieser Arzt auch zufällig einer jener, die auf der Ge­haltsliste der Pharmaindustrie stehen – welch Zufall! Das sind die Experten dieser Re­gierung, aufgrund deren Expertisen Sie heute dieses Impfpflichtgesetz einführen – um jeden Preis, wie es scheint.

Genau das passt aber zur ÖVP-Politik, ganz nach dem Motto: Manipulation statt Infor­mation!, denn solange das Volk Angst hat, kann man das Volk leicht führen und ist es leicht steuerbar. Das ist dieses Teile-und-Herrsche à la ÖVP in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Auf dieser Facebook-Seite „Ärzte vs Covid-19“ findet man viele weitere wichtige Informa­tionen, die man aber der Bevölkerung absichtlich vorenthalten hat. Im April 2021 – hören Sie jetzt zu! – informierte der Leider-noch-immer-Ärztekammerpräsident Szekeres näm­lich selbst die Ärzteschaft darüber, dass der Nasenspray Coldamaris – übrigens rezept­frei um 9 Euro erhältlich – vor einer Infektion schützt. Bekannten wurde dazu geraten, den Spray zu verwenden, aber die Öffentlichkeit hat man darüber nicht informiert.


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Meine Damen und Herren, das empfinde ich als Verbrechen! Da werden millionenteure Werbekampagnen für diese Impfungen in allen Medien geschalten und gleichzeitig wird dem dummen Volk, dem Pöbel, verschwiegen, dass ein rezeptfreier Nasenspray um 9 Euro – rechtzeitig angewendet – vor einer Infektion schützt. Das ist ein Verbrechen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das ist eine Schande, meine Damen und Herren! Und das sind Ihre Experten, mit denen Sie heute die Impf­pflicht durchsetzen. Da können Sie den Kopf schütteln, aber das ist leider die Wahrheit. Es gibt noch viele weitere solcher Ungeheuerlichkeiten auf dieser Facebook-Seite, ich kann hier gar nicht alles aufzählen. Lesen Sie ganz einfach den Artikel mit den Origi­nalscreenshots dazu nach, nämlich im „Wochenblick“! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da komme ich gleich zur nächsten Frage: Warum hat, obwohl der Artikel bereits seit 20. Jänner online ist und die Fakten auf dem Tisch liegen, noch kein weiteres Medium das aufgegriffen? „Krone“, „Kurier“, „ORF“, „Standard“, wo seid ihr da alle? Oder dürfen sie vielleicht nicht berichten, weil es gerade wieder ein paar Millionen von der Regierung gibt? Kann das der Fall sein? (Beifall bei der FPÖ.)

Eine letzte Grauslichkeit von dieser Facebook-Seite habe ich noch für Sie: Man findet dort ein Gedicht, in dem es unter anderem heißt: „Die Ungeimpften sind nicht schlechter, nur weil sie Ignoranten sind. Sie sind Immunsystemverfechter, für gute Argumente blind und mehrenteils verrückt geworden. Sie fallen allen nur zur Last. Und doch: Man soll sie nicht ermorden! Fürs erste reicht ja auch der Knast.“

74 Mitglieder aus dieser geschlossenen Ärztegruppe haben dieses grausliche und men­schenverachtende Gedicht mit einem Like, also einem Daumen-hoch-Zeichen gewür­digt. Der Moderator dieser Gruppe, auch Mitglied im Nationalen Impfgremium und ganz zufällig auch auf der Gehaltsliste eines Pharmakonzerns, hat darunter kommentiert: „Großartig.“ – Das sind Ihre großartigen Experten. Das sind die großartigen Expertinnen und Experten von Nehammer und Mückstein. Gratuliere! (Beifall bei der FPÖ.)

Da der Leider-noch-immer-Ärztekammerpräsident Szekeres selbst regelmäßig in dieser Gruppe gepostet hat, weiß er natürlich auch Bescheid, welch zynische und menschen­verachtende Postings in dieser Gruppe geschrieben wurden. Ganz offensichtlich toleriert er aber das alles, noch dazu, wo diese Facebook-Gruppe sogar von ganz offizieller Seite der Ärztekammer beworben wurde. Da frage ich mich: Warum ist dieser Herr, Herr Sze­keres, noch im Amt?

Sie schauen so betroffen, Herr Dr. Waldhäusl, ah, Kornhäusl. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Der sitzt auf der Anklagebank!) Herr Dr. Kornhäusl, sind Sie vielleicht Mitglied in dieser Facebook-Gruppe? Das würde zumindest einige Ihrer Postings aus der Vergangenheit oder einige Ihrer hier getätigten Aussagen aus der Vergangenheit erklären. Sind Sie Mitglied in dieser Facebook-Gruppe? Kennen Sie die? (Bundesrat Kornhäusl: Welche? Ärzte ...?) – Ja, „Ärzte vs Covid-19“. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Kornhäusl.) – Ja.

Ich bin ja froh, dass diese Ärzte nur einen kleinen Teil der Ärzteschaft in Österreich dar­stellen, aber leider sind es genau jene, auf die sich die Regierung beruft und die sich mit der Regierung verbrüdert haben.

Eines, meine Damen und Herren, ist für mich auch klar: Welchen Ärzten werde ich ver­trauen, Ärzten, die fürstlich entlohnt und medial verhätschelt werden, weil sie undifferen­ziert die Regierungsmeinung trommeln, oder vertraue ich Ärzten, die sich hinstellen und ihre Reputation, ihr wirtschaftliches Fortkommen, ja sogar ihre Existenz riskieren, um etwas an die Öffentlichkeit zu bringen, wovon sie überzeugt sind? – Die Antwort ist für mich eine ganz einfache: die zweite natürlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Impfpflicht, die heute hier von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS beschlossen wird, ist eine autoritäre und eine faschistoide Zwangsmaßnahme und ist mit unseren demo­kratischen Prinzipien in Österreich nicht vereinbar.


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Liebe Österreicher, es gibt trotz des heutigen Beschlusses absolut keinen Grund für Angst und Panik – genau das will diese Regierung ja. Wir Freiheitliche werden weiter an Ihrer Seite, an der Seite der Menschen stehen, die für Freiheit und für Selbstbestimmung eintreten. Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und unsere Landsleute aufklären, wie sie sich gegen drohende Strafen auch zur Wehr setzen können.

Auf der Internetseite www.impfzwang.at, das sehen Sie hier vorne (auf die Tafel wei­send), finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten. Diese Internetseite wird immer aktuell gehalten: www.impfzwang.at.

An die Regierenden gerichtet, möchte ich sagen - - – Jetzt ist keiner mehr da. Herr Mück­stein, sogar Ihre Kollegen haben Sie schon alleingelassen. Dass bei so einem wichtigen Thema niemand da ist, ist ja grotesk. Wo ist der Herr Kanzler, wo ist der Herr Vize­kanzler? Sie alle lassen Sie allein. Das sollte für Sie ein Zeichen sein. Vielleicht sind Sie gar nicht mehr so lange Minister, wie Sie glauben.

An die Regierenden gerichtet: Zeigen Sie wenigstens einmal Anstand! Entschuldigen Sie sich bei den Österreichern für zwei Jahre Unfähigkeit! Entschuldigen Sie sich bei den Österreichern für zwei Jahre Tyrannei, entschuldigen Sie sich allen voran bei den Kindern und treten Sie dann zurück und machen Sie Platz für Neuwahlen! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

18.00


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Ferdinand Tiefnig. Ich erteile es ihm.


18.01.11

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen hier im Hohen Haus! Werter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren, die vor den Fernsehschirmen und via Livestream zusehen! Ja, seit zwei Jahren leben wir mit großen Herausforderungen – wir in der Politik und Sie zu Hause. Große Herausforde­rungen finden in den Familien statt, wenn Kinder mit den Eltern nicht mehr sprechen, weil sie dreifach geimpft sind, wenn sich Freunde entzweien, wenn sich Familien ent­zweien. Ich glaube, wir sind uns alle einig: Diesen Weg können wir nicht weitergehen! (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin froh und habe es heute auch miterleben dürfen, dass vonseiten aller Fraktionen die Aussage, es gibt einen Virus, nicht angezweifelt wird. Das war ja nicht immer so. Den Virus gibt es von Argentinien bis Alaska, von Australien bis Sibirien, also rund um die Welt, und wir in Österreich sind nicht die Einzigen, die mit diesem Virus Probleme haben. Es hat sogar schon Präsidenten gegeben, die gesagt haben: Trinken Sie ein Desinfek­tionsmittel, dann sind Sie geheilt! – In Österreich gehen wir einen anderen Weg. Ich bin jetzt bei der Impfung und bedanke mich zuerst bei all denjenigen, die geimpft sind, die schon geboostert sind. Sie tragen dazu bei, dass die Intensivstationen nicht so stark belegt sind und dass der Omikronvirus nicht so stark Fuß fasst wie der vergangene Deltavirus. (Beifall bei der ÖVP sowie der BundesrätInnen Hauschildt-Buschberger und Schreuder.)

Der Deltavirus und die schlechte Impfquote waren es ja, die die Politik so weit getrieben haben, dass eine Impfpflicht ausgerufen wurde. Jetzt mit dieser neuen Variante, der Omikronvariante, ist Gott sei Dank eigentlich eine positive Aussicht für die Zukunft gegeben. Wir stellen fest, dass die Erkrankungsverläufe, ob geimpft oder genesen, bei den Menschen leichter sind. Eines aber ist wichtig, und das ist mir auch ein Anliegen: Ich bin schon öfter bei Seniorenversammlungen gewesen. Die älteren Menschen sind dreimal geimpft und glauben, sie bekommen den Virus nicht. Wir sehen aber, auch wenn man dreimal geimpft ist, kann man sich mit dem Virus anstecken. Deshalb wird es auch in Zukunft wichtig sein, Hygienemaßnahmen einzuhalten, Masken zu tragen, Abstand zu


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halten und vielleicht bei Besuchen einen Selbsttest oder einen PCR-Test zu machen. Das ist auch für die Zukunft wichtig.

Viele haben schon von den persönlichen Gesprächen, von den Telefonaten, von den
E-Mails und auch von den Briefen gesprochen. Ich verstehe viele von denen, die mir geschrieben haben. Es sind Schreiben von Kindern dabei gewesen mit Zeichnungen: Bitte keine Impfung an Kindern! Dazu sage ich, es wird erst ab 18 Jahren eine Impfpflicht geben – auch eine Errungenschaft, die durch die Bevölkerung, aber auch durch gemein­same Gespräche mit Politikern erreicht wurde.

Ich verstehe diejenigen, die wirklich Angst vor der Impfung haben, weil sie einfach vor jeder Spritze Angst haben und noch nie mit dem Arzt in Kontakt gewesen sind, weil sie auch von ihrer Lebensweise, ihrem Lebensstil dieses Vorgehen ablehnen. (Bundesrat Ofner: Ihr habt die Impfquote erhöht durch Impfungen an Fünfjährigen!) Aber eines ver­stehe ich nicht: Demonstrationen vor Kindergärten, vor Krankenhäusern, Angriffe auf Pflegepersonal, Angriffe auf Menschen, die im ärztlichen Bereich tätig sind. Dieses Vor­gehen verurteile ich aufs Schärfste. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Das verurteilen wir auch! – Weitere Rufe bei der FPÖ: Das verurteilen wir auch!) – Wieso fühlt ihr euch (in Richtung FPÖ) betroffen? Ich schaue ja gar nicht einmal hin zu euch, ich habe jetzt da (in Richtung ÖVP) hinaufgeschaut. Sehr interessant, dass da jetzt von der freiheitlichen Seite Zwischenrufe kommen. (Bundesrat Ofner: Du hast ... geschaut, weil du so einen Schmarrn redest!)

Es sind auch viele Fakenews im Umlauf, etwa dass die Lebensversicherung nicht zahlt, wenn man an Corona erkrankt, dass bei Folgeschäden die Lebensversicherung aus­steigt. Es werden sogar noch schrägere Gerüchte verbreitet. Ich habe mich erkundigt und entsprechende Informationen eingeholt: Die Lebensversicherung wird nicht ausstei­gen, und ich kann garantieren, dass - - (Bundesrat Ofner: Das stimmt nicht, es ist den Versicherungen freigestellt! – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – Ja, das sind Ge­rüchte, die herumerzählt werden. (Bundesrat Ofner: Das sind keine Gerüchte!)

Bei einem Thema muss ich schon ein bisschen Kritik äußern. Auf der einen Seite sind wir ja gewohnt gewesen, dass wir immer nur mehr Rechte bekommen haben. Es war schon damals bei Maria Theresia das Bildungsrecht, da wurde demonstriert, war man dagegen, dass man den Menschen mehr Bildung vermittelt. Man hat im Jahre 1918 das Frauenwahlrecht eingeführt. Die Männer und teilweise auch die konservativen Parteien waren damals ganz stark gegen das Frauenwahlrecht. Also man hat sogar gegen Rechte demonstriert und dagegengearbeitet. Da wundert es mich nicht, wenn man jetzt auch gegen Pflichten ist. Aber die Impfpflicht ist kein Impfzwang, und das zu unterscheiden ist ein wichtiger Punkt. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Was dann? Was ist es dann? – Bun­desrat Leinfellner: Die Leute gehen eh freiwillig hin! – Bundesrat Spanring: Die gehen alle freiwillig hin, genau!) Die Helmpflicht etwa ist auch ein Schutz für einen selbst, ebenso die Gurtenpflicht. In Bezug auf die Transportsicherheit aber – und das vergleiche ich jetzt mit dem Virus – muss man auch entsprechende Maßnahmen einhalten, dass mir das Ladegut nicht vom Fahrzeug fällt. (Bundesrat Spanring: Da muss ich mir irgend­was impfen lassen, was ich nicht will! Wirklich ein guter Vergleich!) Der Lkw-Fahrer will es vielleicht auch nicht machen. Wenn er es macht, bekommt er keine Strafe. Wenn er es nicht macht und ihm ein Ladegut herunterfällt, dann bekommt derjenige, der hinter ihm fährt, dementsprechend etwas ab. (Bundesrat Bernard: ... Ladegut mit Impfung ver­gleichen! Eine Ladegutsicherung vergleicht er mit einer Impfung! – Zwischenruf der Bun­desrätin Steiner-Wieser.)

Das kann man sehr wohl vergleichen, denn bei der Impfung ist es genau das Gleiche: Die Impfung gibt einem Schutz, aber sie schützt auch die anderen, das ist bewiesen, denn die Verbreitung des Virus ist bei geimpften Menschen um vieles geringer als bei ungeimpften Menschen. Das ist nachweisbar und wissenschaftlich erwiesen. (Beifall bei


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der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.) Und wenn Sie die Wissenschaft leugnen, dann kann ich Ihnen leider nicht helfen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn heute die Freiheitlichen schon wieder sagen, ja, auf Druck der Freiheitlichen wer­den die Maßnahmen entsprechend geändert: Nein, nicht auf Druck der Freiheitlichen oder der Bevölkerung, sondern aufgrund der Entwicklung des Virus. Der Omikronvirus ist nicht so stark (Zwischenrufe der BundesrätInnen Steiner und Steiner-Wieser), und daher wird auch die Umsetzung dieses Dreistufenmodells ein ganz wichtiger Punkt sein. Vielleicht ist der letzte Schritt wirklich nicht mehr notwendig, dass wir strafen müssen, vielleicht sind Verfolgungen der Ungeimpften dann im März gar nicht mehr notwendig (Bundesrätin Schartel: „Verfolgungen“, genau!), weil sich der Virus verflüchtigt hat. Aber wir müssen in die Zukunft denken: Wenn wirklich im Herbst, wie auch Kollege Schreuder gesagt hat, wieder eine neue Variante auftreten sollte, dann müssen wir gerüstet sein. Wir waren in den vergangenen Jahren nicht gerüstet, und daher stimme ich auch für die Impfpflicht, weil wir für die Zukunft gerüstet sein müssen. Für Omikron ist die Impfpflicht nicht mehr geeignet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreu­der. – Bundesrätin Steiner-Wieser: „Verfolgungen der Ungeimpften“!)

18.08


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile dieses.


18.09.04

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – FPÖ – www.impfzwang.at“ auf das Rednerpult.) Also nach manchen Rednern ist es wirklich schwer, die richtigen Worte zu finden. Und ich habe gerade ge­glaubt, ich habe mich verhört: Der Kollege von der ÖVP spricht von der Verfolgung von Ungeimpften. Ich bin als Steirer ja wirklich einiges gewohnt, hat ja unser Landeshaupt­mann bereits gemeint: Manche brauchen einen kleinen Schubser, oder: Manche muss man „zu ihrem Glück zwingen“. Aber das jetzt gerade, das schlägt dem Fass den Boden aus, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist die erste Bundesratssitzung im Jahr 2022, und wir können uns ja fast glücklich schätzen, dass gleich in der Früh, gleich nach dem Vorarlberger Landeshauptmann, das sogenannte Aushängeschild der Firma Pfizer den Weg zu uns gefunden hat und bei uns gewesen ist, dieses beste Beispiel dafür, dass die Impfung wirkt – er war gleich am An­fang dieser ersten Sitzung bei uns –, nämlich genau jener Bundeskanzler, der als drei­fach Geimpfter das Neujahrskonzert, das bis weit über die Grenzen Österreichs bekannt ist, aufgrund des hohen Risikos scheut, auf der anderen Seite aber als Partytiger in den Après-Ski-Lokalen (Bundesrat Bader: Na geh, geh, geh!) unterwegs ist und dann als positiv Getesteter zurückkommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Die Anste­ckungsgefahr wäre wahrscheinlich beim Neujahrskonzert um einiges geringer gewesen als in einer Skihütte beim Après-Ski auf irgendeiner Bierbank zu zehnt in feuchtfröhlicher Stimmung (Beifall bei der FPÖ) – aber dort ist die Ansteckung des Bundeskanzlers ja nicht passiert; dort ist sie ja nicht passiert, sondern es war ein Mitarbeiter. Ein Mitarbeiter hat unseren Bundeskanzler angesteckt, ein Mitarbeiter, der sich nicht wehren kann; auf den schieben wir die Schuld ab.

Das ist genau das, was die Österreicher vonseiten dieser ÖVP schön langsam sattha­ben: dieses permanente Abschieben von Schuld, das permanente Abschieben von Verantwortung. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Alle sind schuld, nur diese ÖVP ist nie und nimmer schuld. Dieses Mal war es eben ein Mitarbeiter, der sich nicht wehren kann, so wie es bisher schon die Ungeimpften gewesen sind, die seit November zu Hause eingesperrt sind – immer ist irgendjemand anderer schuld.


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Aber ja, genau das passt ja zu dieser Partytigerkoalition der Grünen und Schwarzen wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge: die Licht-ins-Dunkel-Gala – Arbeitsminister Kocher ist gerade hinausgegangen; er hat ja dort auch einige schöne Stunden verbracht, wie man in den sozialen Medien gesehen hat (Bundesrat Spanring: ... Erinnerungsfotos!) ‑; weitergegangen ist es mit der Coronaparty – es gibt da gerade wieder ein aktuelles Video von den Grünen; jetzt ist auf einmal der Gesundheitsminister auch weg, er möchte das auch nicht hören –; bis hin zur Après-Ski-Party des Bundeskanzlers. Und immer sind die anderen schuld, immer sind die anderen schuld, nur nicht die ÖVP oder die Grünen.

Ja, ich weiß nicht, ob unser dreifach geimpfter, geboosterter Bundeskanzler Karl – die Impfung wirkt – Nehammer wirklich das beste Beispiel dafür ist, dass diese Impfung wirkt. Aus meiner Sicht sollte er nach seiner Infektion eingesehen haben, dass diese Impfung eben nicht so wirkt, wie Sie es hier in diesem Haus immer vorgegaukelt haben. Aus meiner Sicht ist er der beste Beweis dafür, dass diese Impfung eben nicht diesen Schutz bietet, wie Sie es den Leuten tagtäglich vorgaukeln. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Köck.)

Liebe ÖVP und Grüne, wahrscheinlich bin ich aus Ihrer Sicht dann wohl eher die Aus­nahme. Rund zwei Jahre sind vergangen, rund zwei Jahre habe ich mich an viele Maß­nahmen gehalten, habe mir so, wie ich es als Kind einmal gelernt habe, die Hände ge­waschen, bevor ich zum Essen gegangen bin, habe Abstand gehalten und habe es ge­schafft, gesund zu bleiben. Vor zwei Wochen ist es dann so weit gewesen, ich bin in der Früh aufgestanden und habe gedacht: Boah, mein Puls ist etwas erhöht, entweder be­komme ich jetzt eine Fieberblase oder ich kriege eine Verkühlung! – Genau so war es dann: ein positiver PCR-Test.

Ich kann es euch sagen: Es war kein schwerer Verlauf, es war erhöhter Puls, leichtes Kopfweh für einen Nachmittag und leichtes Kratzen im Hals. (Zwischenrufe der Bundes­rätInnen Hahn und Raggl.) Nach dieser Coronaerkrankung kann ich Ihnen sagen: Es hat sich genau das bestätigt, was ich seit rund zwei Jahren hier prophezeie: Das Beste im Kampf gegen dieses Virus ist noch immer ein gesundes und intaktes Immunsystem, nämlich jenes Immunsystem, das Sie und diese Bundesregierung seit zwei Jahren nachweislich zerstören. Sie sperren Menschen zu Hause ein, verbieten ihnen ihren Sport und zerstören das Immunsystem von gesunden Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn, Kahofer und Köck.)

Ihre Maßnahmen – Ihre Maßnahmen! – schädigen die Gesundheit unserer Österreicher. Sie führen dieses Land nicht durch die Krise (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Kahofer und Gruber-Pruner), sondern die Krise durch dieses Land, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist genau das, was übrig bleibt. Das ist das, was von dieser schwarz-grünen Koalition übrig bleibt: Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, eine kaputte Wirtschaft, eine gespaltene Gesellschaft, Milliardenausga­ben für völlig überzogene Maßnahmen und ein Korruptionsskandal nach dem anderen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben uns mit dieser Bundesregierung bis weit über die Grenzen Österreichs hinaus lächerlich gemacht. Das Ganze gipfelt jetzt auch noch darin, dass wir uns heute hier bei diesem Tagesordnungspunkt über eine Impfpflicht unterhalten müssen. – Na, herzlichen Dank, liebe Kollegen von der ÖVP und von den Grünen – also denen, denen das Anse­hen Österreichs im Ausland so viel wert ist –, damit haben Sie es wirklich grandios hin­gebracht, unser Ansehen im Ausland zu wahren!

Man darf aber, weil ich da jetzt Stimmen von der SPÖ gehört habe, auf die SPÖ nicht ganz vergessen, und auch auf die NEOS sollte man nicht ganz vergessen, denn die Realitätsverweigerung der ÖVP und der Grünen hat sich auch auf die NEOS und auf die


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SPÖ übertragen, die seit rund zwei Jahren in diesem Coronawahnsinn mitschwimmen. (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.) Dieser ganze Wahnsinn beziehungswei­se dieser ganze Irrsinn der SPÖ gipfelt jetzt ja auch noch darin, dass man in Ober­österreich Kinder für eine Impfwerbekampagne missbraucht. Meine sehr geehrten Da­men und Herren, das ist widerlich, das ist letztklassig! Das kann ich Ihnen nur ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

All jenen, die das auch noch für gut und richtig befinden, darf ich einmal in Erinnerung rufen, dass wir hier in diesem Haus einen Kinderrechteausschuss gegründet haben. Je­der, der jetzt noch immer nichts Widerliches und Abartiges bei dieser Werbekampagne sieht, sollte sich fragen, ob er in diesem Ausschuss wirklich richtig aufgehoben ist. (Bei­fall bei der FPÖ.)

All diese Dinge gipfeln ja heute in einer völlig evidenzbefreiten, sinnlosen und sadisti­schen Impfpflicht, in der dieser ganze Coronawahnsinn seinen vorläufigen Höhepunkt findet. Sie waren es – Sie waren es! –, die diese Impfpflicht immer bestritten haben. Wir Freiheitliche sagen das schon seit vielen, vielen Monaten voraus – Aluhutträger waren wir, Verschwörungstheoretiker waren wir. Und wo sind wir heute? – Gemeinsam mit der SPÖ und den NEOS werden Sie genau diesen Impfzwang heute hier in diesem Haus durchpeitschen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Sie gemeinsam – die ÖVP, die Grünen, die SPÖ, die NEOS –, Sie verraten, Sie verkau­fen – möglicherweise verkaufen; schauen wir einmal, was bei diesem Pfizergate noch alles herauskommt – heute die Bevölkerung für ein Genexperiment an die Pharmain­dustrie. Eines steht fest: Heute hier in diesem Haus haben Sie Ihre Mehrheiten, aber schauen Sie hinaus vor die Tür! Dort schauen die Mehrheiten bereits anders aus. In der Bevölkerung hat weder diese Koalition noch diese Schwarz-Grün-Rot-NEOS-Einheits­partei eine Mehrheit, das kann ich Ihnen sagen. Diese Mehrheiten sind schon lange flö­ten gegangen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Raggl.)

In diesem Zusammenhang frage ich mich schon: Lesen Sie eigentlich Ihre E-Mails? Le­sen Sie eigentlich Ihre Briefe? Lesen Sie, was da drinnen steht? (Zwischenruf der Bun­desrätin Kahofer.) Sehen Sie die Ängste und Sorgen der Bevölkerung? Gestern lese ich auf einmal in der Zeitung, wir brauchen Polizeischutz, weil sich die Leute Sorgen ma­chen. Kollege Appé hat vorhin Briefe vorgelesen und spricht von Drohbriefen. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Hahn.)

Also die Drohbriefe habe ich nicht gesehen, aber was ich sehr wohl gesehen habe, sind Ängste und Sorgen von österreichischen Staatsbürgern. Das habe ich gesehen. Stimmt Sie das nicht traurig? Stimmt Sie das nicht nachdenklich, wie hier heute über die ös­terreichische Bevölkerung drübergefahren wird, anstatt die Sorgen und Ängste der Ös­terreicher einmal ernst zu nehmen? Sie agieren hier nicht mehr als Volksvertreter, die Sie ursprünglich sein sollten. Sie agieren hier als Vertreter der Pharmaindustrie. Sie sit­zen hier als Pharmalobbyisten anstatt als Volksvertreter, als die Sie ursprünglich gewählt worden sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Man darf sich wirklich nicht wundern, dass die Bevölkerung draußen inzwischen schon von Volksverrätern und nicht mehr von Volksvertretern spricht. Ich kann Ihnen nur sagen, ich schäme mich dafür. Ich schäme mich für Mandatare, die hier in diesem Haus sitzen und die Pharmalobby vertreten, anstatt das Volk zu vertreten und die Ängste und Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrä­tin Kahofer.)

Es ist wirklich schade, dass es hier in diesem Haus nur mehr eine Oppositionspartei gibt, nämlich uns Freiheitliche, die auf der Seite unserer Bürger steht. (Bundesrätin Schu­mann: Schande!)


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Eines kann ich Ihnen noch sagen, eines würde ich mir nämlich wirklich wünschen – eine langjährige freiheitliche Forderung, die uns in der Vergangenheit schon vor viel, viel Schaden in diesem Haus bewahrt hätte –: Das wäre die Anschaffung eines leistungsstar­ken Lügendetektors, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) Das würde ich mir wünschen: einen leistungsfähigen Lügendetektor.

Am besten fangen wir bei der Regierungsbank an. Ich erinnere nur an eine Aussage von eurem gefallenen Engel Kurz (Ruf bei der SPÖ: Geht’s noch?): Jeder wird jemanden kennen, der an Corona verstorben ist! – Biep, biep, biep hätte dieses Gerät gemacht, und es hätte es zu Recht gemacht; biep, biep, biep hätte es gemacht. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Biep, biep, biep!)

Die Ungeimpften – ich habe es heute wieder gehört – sind schuld an den hohen Infek­tionszahlen. – Biep, biep, biep hätte dieses Gerät gemacht, und es hätte es zu Recht gemacht. (Beifall bei der FPÖ.) Und auch bei der Aussage: Die Impfung wirkt!, hätte dieses Gerät biep, biep, biep gemacht, und es hätte es zu Recht gemacht. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Biep, biep, biep!)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Kollege Leinfellner, kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede!


Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Frau Präsident, die Bevölkerung muss sich seit zwei Jahren für diesen Regierungswahnsinn Zeit nehmen; ich werde mir Zeit nehmen, meine Gedanken zu Ende zu führen. Das Hohe Haus wird sich Zeit nehmen, meine Gedanken fertig anzuhören. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Biep, biep, biep!)

Auch bei meinen Vorrednern hätten wir so ein Gerät gebraucht, ein leistungsstarkes – das ist wichtig, leistungsstark muss dieses Gerät sein –, einen leistungsstarken Lügen­detektor. Ich erinnere nur an die Worte des Kollegen Kornhäusl: Die FPÖ ist schuld daran, dass wir heute eine Impfpflicht beschließen müssen! – Biep, biep, biep hätte die­ses Gerät gemacht (Rufe bei der SPÖ: Biep, biep, biep!), und es hätte es zu Recht ge­macht. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Präsident, vielleicht können Sie mit Ihrem Präsidentenkollegen im Nationalrat re­den: ein Gerät bei der Übersiedelung im Sommer ins neue Parlament, das Gerät ist kostengünstig, das würde uns in diesem Haus wirklich vor erheblichem Schaden be­wahren. Das wäre in der Vergangenheit so gewesen, und mit dieser Regierung wird es auch in Zukunft so sein. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Biep, biep, biep!)

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich abermals meine Kolle­gen aus der Steiermark auffordern, ein Zeichen für Demokratie zu setzen und hier diese sadistische Impfpflicht abzulehnen. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.) Die Bürger werden es euch danken. Wie wir gesehen haben (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), ist ja leider Gottes einer aus euren Reihen in Quarantäne, aber ich möchte auch diesem Herrn heute hier eine Stimme geben, nämlich unserem Bundesratskollegen Zaggl, der sich klar und deutlich gegen diese Impfpflicht ausspricht. (Beifall bei der FPÖ.) Ich finde es schade, dass er heute nicht hier sein kann, vielleicht gibt es den einen oder anderen, der sich auch auf die Seite der Bürger stellt und diese Impfpflicht gemeinsam mit uns Freiheitlichen ablehnt. Die Bürger würden es euch danken.

Eines kann ich euch versprechen, ganz egal wie dieser Beschluss heute ausgeht: Ich bleibe weiterhin ungeimpft, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Abschließend: Sollte dieser Beschluss dennoch gefasst werden, möchte ich Ihnen trotz­dem noch ein Ausstiegsszenario anbieten und möchte das auch in Form eines Entschlie­ßungsantrages hier einbringen (Rufe bei der SPÖ: Biep, biep, biep!):


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufhebung des Covid-19-Impfpflichtgesetzes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 (COVID-19-lmpfpflichtgesetz - COVID-19-IG) wie folgt gändert:

,§ 20 Abs. 1 lautet:

„Dieses Bundesgesetz tritt mit dem der Kundmachung zweitfolgenden Tag außer Kraft.“‘“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.26


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Christoph Stei­ner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Aufhe­bung des Covid-19-lmpfpflichtgesetzes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.


18.26.35

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Mi­nister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuhörer und Zuhörerinnen, die von zu Hause aus zuhören! Zu meinem Vorredner fällt mir eigentlich nur eines ein: Wir alle haben eine Neigung, das zu glauben, was wir allzu gerne glauben würden, und im Fach­jargon gibt es dazu auch einen Fachausdruck, der nennt sich Motivated Reasoning, auf Deutsch: Wunschdenken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Hübner. – Bun­desrat Hübner: Genau, bravo! Das haben Sie vollkommen richtig gesagt!)

Weil wir heute schon so viel über Studien und Experten, Expertinnen gehört haben: Ja, Studienergebnisse geben uns Sicherheit, und sie helfen uns auch, Entscheidungen zu treffen. 73 Prozent aller Österreicher und Österreicherinnen geben an, dass sie Wissen­schaft und Forschung vertrauen. Ich bin nun seit über 20 Jahren in Wissenschaft und Forschung tätig und habe auch schon selber sehr viel publiziert. Mir ist es wichtig, bei­spielsweise auch den Studierenden Anhaltspunkte mitzugeben, damit sie selber beur­teilen können: Was macht eigentlich eine gute und seriöse Studie aus?

Die Vielzahl der Zigtausenden Fachjournale, die es weltweit gibt, erlaubt es, fast alles irgendwo publiziert zu bekommen, allerdings mit erheblichen Qualitätsunterschieden. Wir in der Wissenschaft bezeichnen jene, die meistens ein rein kommerzielles Interesse verfolgen, ohne echten Peerreview so ziemlich jeden Unsinn veröffentlichen können, Hauptsache die Autoren bezahlen dafür hohe Publikationsgebühren, auch als soge­nannte Pseudofachjournale.

Wie kann ich also als Laie beurteilen, ob eine Studie dennoch wissenschaftlich ist? – Vermutlich ist es am leichtesten daran ersichtlich, wie häufig sie in anderen Studien zi­tiert wird (Bundesrat Hübner: Na ja, das hängt aber davon ab ...!), und dafür gibt es jede Menge Datenbanken – wissenschaftliche Datenbanken. Es reicht aber auch schon, den Namen gewisser Autoren in Google einzugeben. Ich nehme zum Beispiel den viel zi­tierten Experten Wolfgang Wodarg: Da komme ich zu Wikipedia, ich komme zu ver­schwörungstheorien.info. Oder andere Autoren wie zum Beispiel Andreas Sönnichsen,


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der um 20 Euro Internetatteste für Impfunfähigkeit ausstellt (Bundesrat Kornhäusl: Was? Große Ikone der Freiheitlichen!): Wenn ich in wissenschaftlichen Datenbanken genau diese Namen eingebe, dann komme ich zu keiner einzigen Forschungsarbeit, sondern ich stoße auf gefährliche Falschinformationen, die vielen Menschen das Leben kosten, beispielsweise wenn sie Wurmmittel einnehmen.

Probieren Sie es mit anderen Namen! Nehmen Sie zum Beispiel Christian Drosten, dann sehen Sie, dass seine Arbeiten in den Fachjournalen letztes Jahr 15 000 Mal zitiert wur­den, und ich denke, allein diese Zahl spricht für sich. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Wem also glauben? – Dem Virologen oder doch lieber dem selbst ernannten Social-Media-Experten? Wir haben, das habe ich zuvor schon erwähnt, eine Neigung zum so­genannten Wunschdenken. Man spricht in diesem Zusammenhang auch noch von einem anderen wissenschaftlichen Phänomen, nämlich von der sogenannten kognitiven Dissonanz. Das ist ein als unangenehm empfundener Gefühlszustand, den man mit Handlungen – meist sind es Trotzreaktionen – wieder ausgleichen kann.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel dafür: Wir alle wünschen uns eine Impfung gegen Krebs. Die gibt es, es gibt eine einzige, direkte und vor allem auch wirksame Impfung gegen Krebs, und zwar jene gegen Gebärmutterhalskrebs. Dennoch liegt die Impfquote bei circa 50 Prozent (Zwischenrufe bei der FPÖ), obwohl sich 80 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen im Laufe ihres Lebens zumindest einmal mit HPV-Viren infizieren. Nehmen wir die Zahlen aus Deutschland her: Dort sterben jährlich sogar 1 600 Frauen daran.

Genau da kommen wir wieder zur kognitiven Dissonanz: Es ist menschlich, dass wir Angst vor einer Impfung haben, dass wir Angst vor manchen Nebenwirkungen haben. Das ist menschlich und auch legitim, und deshalb suchen wir nach Argumenten. Wir werden fündig, wir werden auch im Netz fündig, weil es ein Leichtes ist, dort Studien zu finden; es ist aber auch ein Leichtes, wissenschaftliche Studien zu fälschen und in Um­lauf zu bringen.

Genau das schadet der seriösen Wissenschaft. (Zwischenruf des Bundesrates Span­ring.) Nehmen wir zum Beispiel den MRNA-Impfstoff her: Um die Vision vom MRNA-Impfstoff tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen, war in den vergangenen 30 Jahren die Arbeit von Hunderten Forschern und Forscherinnen nötig. Dadurch wurden Tausen­de Menschenleben gerettet.

Wir kommen noch zu einem anderen Thema, weil ich immer wieder gehört habe: valide Daten, evidenzbasierte Handlungen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ich zitiere hier einen der bekanntesten Pandemieerklärer Österreichs, Prof. Gartlehner von der Donau-Uni: Im Prinzip geht es bei der medizinischen Entscheidungsfindung um ein Zusammenspiel aus drei verschiedenen Säulen: zum Ersten das, was die Wissenschaft zeigt, zum Zweiten das, was die klinische Erfahrung des Arztes, der Ärztin zeigt, und die dritte Säule steht für die Werte und Präferenzen der Patienten. Wenn diese drei Säulen zusammenspielen, kann man eine gute, informierte Entscheidung treffen.

Evidenzbasierte Handlungen, in diesem Fall evidenzbasierte Medizin, bedeuten also nicht, dass man einfach nur Zahlen und Fakten nimmt und nach diesen handelt, sondern es braucht tatsächlich jede dieser drei Säulen. Daten haben wir genug, gerade im Fall der Covid-Impfung. Zum Impfstoff von Pfizer zum Beispiel gibt es eine Studie mit mehr als 40 000 Personen und zusätzlich Real-World-Data, weil die Impfstoffe mittlerweile mil­liardenfach verimpft wurden und ihre Wirksamkeit auch gezeigt haben.

Meine geschätzten Damen und Herren, ich komme auch schon zum Schluss. Nein, es wird niemand zur Impfung gezwungen (heftiger Widerspruch bei der FPÖ), denn wir be­schließen heute keinen Impfzwang, sondern eine Impfpflicht. Pflicht hat für mich etwas


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mit Gewissen, mit Verantwortung füreinander zu tun – egal ob Beta, Delta, Omikron –, um vorbereitet zu sein auf das, was noch kommen wird, auf Mutationen, die vielleicht im Herbst auf uns zukommen.

Deshalb mein Appell an Sie alle: Schenken Sie der Wissenschaft mehr Vertrauen (Bun­desrätin Schartel: Warum sollen wir nur Ihrer Wissenschaft vertrauen ...? – Ruf bei der ÖVP: Es gibt nicht unsere Wissenschaft, es gibt nur eine Wissenschaft!), sie hat es sich definitiv verdient, denn Wissenschaften haben nicht nur den Wohlstand Europas begrün­det, sondern auch wesentlich zur Entwicklung unserer Demokratie beigetragen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

18.34


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile dieses.


18.34.46

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher zu Hause! Ich fange mit einer kurzen Replik auf Kollegen Appé an – er hat heute Briefe, E-Mails vorgelesen –: Auch wir, jeder Einzelne von uns, hat unzählig viele E-Mails bekommen. Die meisten wurden sogar an dieselben Leute geschickt, wir waren im selben Verteiler drinnen; am Anfangs­buchstaben – A wie Appé – hat man gesehen, dass wir dieselben E-Mails bekommen haben dürften.

Anscheinend sind wir Freiheitlichen nicht ganz so wehleidig wie die Sozialdemokraten. (Oh-Rufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Ich kann mich erinnern: Als es um die Arbeits­zeitflexibilisierung gegangen ist, haben wir Zigtausende E-Mails bekommen. Es ist wei­tergegangen, aber keiner hat sich aufgeregt, dass wir bombardiert worden sind.

Es ist weitergegangen: Vor die Privathäuser von freiheitlichen Politikern sind Pflaster­steine und Grabkerzen gelegt worden (Zwischenruf des Bundesrates Bader), vor unse­ren Parteizentralen sind Grabkerzen und Pflastersteine abgelegt worden. Da gab es kein Wort von: Es waren die Jusos! Die Vida war es! Oder: Die Grünen waren es! (Zwischen­rufe der BundesrätInnen Bader und Schumann.) – Na vielen Dank, es geht noch weiter: Eine grüne Bundesrätin stand mit zwei Pflastersteinen in der Hand hier herinnen, weil eine freiheitliche Ministerin dagesessen ist. Was ist denn das für ein Symbol? – Das ist Gewaltbereitschaft, bitte! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn es einen Freiheitlichen betrifft, ist das alles gut und recht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Oder hat ein Hahn danach gekräht, als mir daheim vor der Haustür mein Motorrad angezündet wurde, als ich gerade von einer Wahlkampfveranstaltung gekommen bin? – Nein, das ist ganz wurscht! Wir Freiheitliche sind anscheinend Freiwild in dieser Re­publik. (Beifall bei der FPÖ. – Widerspruch bei ÖVP und SPÖ.)

Mit dem Hinnehmen, dem Dulden eines solchen Zustandes macht ihr euch mitschuldig. Und genieren solltet ihr euch (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ), genieren sollte sich jeder Einzelne hier herinnen, der diesem Impfzwanggesetz heute zustimmt! Es ist sehr wohl ein Zwang (Bundesrätin Zwazl: Nein! – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ), denn wenn ich mich nicht pflichtimpfen lasse, werde ich bestraft. Wir bieten jedem Hilfe an (eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – FPÖ – www.impfzwang.at“ auf das Rednerpult stellend): Unter www.impfzwang.at können sich die Bürger bei uns Hilfe holen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Wie kann man heute einem Gesetz zustimmen, das einen derartigen Eingriff in die kör­perliche Integrität legitimiert? Es war zwar ein Freud’scher Versprecher, aber er hat so viel Wahrheit beinhaltet, hat doch Frau Edtstadler gesagt: Impfpflicht ist der einzige Weg aus der Demokratie! (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Gratuliere! Und recht hat sie mit ihrem


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Freud’schen Versprecher gehabt. Wenn man bei Freud nachliest, was da gemeint ist, nämlich dass das doch einen Funken Wahrheit hat, dann muss ich sagen, wir sollten am heutigen Tag doch Trauerflor tragen (Zwischenrufe bei der SPÖ), weil spätestens heute mit diesem Gesetzesbeschluss die Demokratie in Österreich zu Grabe getragen wird. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Das Impfpflichtgesetz bedeutet einen massiven Eingriff in die Grund- und Freiheitsrech­te. (Widerspruch bei ÖVP und SPÖ.) Sie wissen das ja wohl hoffentlich. Wir haben da hinten einen Juristen, Dr. Arlamovsky, wir haben mit Mag. Grossmann eine Juristin hier herinnen, wir haben einen Rechtsanwalt hier herinnen (Zwischenrufe der BundesrätIn­nen Hahn und Schennach), die mir sicherlich bestätigen können, dass diese Impfpflicht bei einer theoretisch-abstrakten Gefährdung nicht gerechtfertigt ist und so nicht be­schlossen werden kann. Sie darf nicht bei einer theoretisch-abstrakten Gefährdung be­schlossen werden.

Jetzt hören wir aber schon – Kollege Appé hat es auch schon gesagt –, dass wir viel­leicht im Herbst wieder einen Lockdown kriegen. Nein, so eine Maßnahme darf nur bei einer konkreten Gefährdung beschlossen werden (Beifall bei der FPÖ), und mit Omikron haben wir diese konkrete Gefährdung nicht mehr. Diese konkrete Gefährdung, welche eine Impfpflicht zulassen würde, gibt es nicht mehr, spätestens mit Omikron wäre sie weg, und darum verstehe ich es nicht, Herr Minister. Das wäre so ein klassisches Aus­stiegsszenario für euch gewesen – für die Schwarzen und die Grünen –, ohne dass ihr euer Gesicht verliert.

Ich hätte freilich verlangt, dass ihr euch bei den Menschen draußen entschuldigt für das, was ihr ihnen in den letzten zwei Jahren mit eurer Murkspolitik angetan habt, aber ein Gesetz zu beschließen, das gegen die MRK verstößt, das gegen die Grund- und Freiheits- ‑ (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Rechte!) – Freiheitsrechte verstößt, ist aufgrund von Omikron nicht mehr argumentierbar. Mit Omikron hättet ihr, wie gesagt, ein Ausstiegsszenario gehabt. Was aber macht ihr? – Ihr pflanzt die Men­schen weiter (Zwischenrufe bei der SPÖ) mit den ganzen Maßnahmen. Es sind ja schon viele Gesetze beschlossen worden, die der Verfassungsgerichtshof wieder aufgehoben hat. Der Verfassungsgerichtshof wird auch die Impfpflicht aufheben, das sage ich euch!

Diese ganzen Maßnahmen haben ja nichts mehr mit Gesundheit zu tun! Das sind doch nur mehr reine Erziehungsmaßnahmen, mit denen man das Volk vielleicht ein bisschen konditionieren kann, sodass es brav folgt, das Volk. Der Lockdown für Ungeimpfte hat gar nichts gebracht, das haben wir ja gesehen. Brav sind sie ab November aufgrund des Lockdowns daheim gesessen. – Na, die Zahlen sind gestiegen im 2021er-Jahr, trotz Impfung. Trotz Impfung habt ihr eine Million Menschen ungerechtfertigterweise zu Hause eingesperrt! Die Studenten haben vielleicht lernen können – wenn Sie (in Richtung Bundesminister Kocher) schon so grinsen unter Ihrer Maske. (Beifall bei der FPÖ.) Aber wie gesagt, der Verfassungsgerichtshof wird das sicherlich aufheben.

Ihr kommt ja jetzt schon nicht zusammen. Wie stellt ihr euch das mit eurer komischen Impfpflicht vor? – Frühestens im April kann man das logistisch umsetzen, und ihr kommt schon jetzt mit eurem Zeug nicht zusammen. Ich habe einen Fall aus Salzburg – das ist völlig grotesk –, eine Frau, doppelt geimpft, aus Salzburg, fliegt über Weihnachten und Silvester zu ihrer Schwester nach Amerika (Zwischenruf bei der ÖVP), wird mit Corona infiziert, steckt sich an und möchte sich in Österreich ein Genesungszertifikat holen. Sie hat alle Unterlagen. PCR-Test, Genesungszertifikate, das hat sie alles, und sie bekommt von der ach so tollen Ages – ich meine, das ist ja ein Treppenwitz, was ich euch jetzt vorlese – Folgendes zur Antwort:

Sehr geehrte Frau Sowieso, es tut uns leid, aber es kann kein Genesungszertifikat aus­gestellt werden. Wäre die Erkrankung in einem EU-Mitgliedstaat gewesen, hätte man


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sich bei der dortigen Behörde ein EU-konformes Genesungszertifikat ausstellen lassen können. Dieses wäre dann in Österreich und in allen anderen EU-Ländern gültig. – Zi­tatende.

Ja sagt einmal, wollt ihr die Leute pflanzen? – Jetzt kriegen wir einen amerikanischen Impfstoff, keinen EU-Impfstoff, und dann darf man nur in Europa Corona haben! Wenn man in Amerika Corona hat, dann wird es nicht anerkannt. Das ist ja wohl ein Treppen­witz, was ihr mit den Menschen aufführt, bitte! (Bundesrätin Zwazl: Hast du die Antwort schon gekriegt?)

Statt dass ihr hergehen würdet und endlich einmal die Antikörper untersuchen würdet – ihr habt ja seit zwei Jahren die falsche Zählweise –, setzt ihr immer nur auf die Impf­pflicht, auf die Impfrate. Wenn ihr die Geimpften hernehmt, wenn ihr die Genesenen hernehmt und Menschen hernehmt, die Antikörper haben, dann haben wir in diesem Land doch schon lange die Herdenimmunität erreicht, und es ist völlig, völlig unnotwen­dig, diesen Zwang für die Menschen aufzubauen, einen Impfzwang zu beschließen! Völlig sinnbefreit ist das! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin mir da sicher, aber ihr weigert euch ja alle! Stattdessen haben wir einen grünen Gesundheitsminister, der behauptet, dass die Impfung nicht ins Blut geht. – Ja, Herr Mi­nister, sagen Sie einmal: Wo in Gottes Namen haben Sie studiert? Ich habe nicht Me­dizin studiert. Haben Sie Ihr Studium irgendwo in der Lotterie gewonnen (Ah-Rufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen – weitere Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen) oder haben Sie ein Fernstudium gemacht? – Ich habe keine Ahnung, wie Sie so etwas von sich ge­ben können! (Beifall bei der FPÖ.)

18.43.25*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungs­ruf. Das ist eine Beleidigung des Herrn Bundesministers.

*****

Bitte normal weiterreden!


18.43.32

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Ich bin ein wissbegieriger Mensch und möchte wissen, wo er studiert hat. An einer ordentlichen Universität kann man so einen Unsinn nicht lernen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Genauso bei den Grünen – ich habe es euch eh schon einmal gesagt –: Das ganze Jahr über futtert ihr Körndln, und dann ist es für die Ökopartei in Ordnung, wenn man den Leuten einen genmanipulierten Impfstoff spritzt (Zwischenrufe bei der SPÖ), einen MRNA-Impfstoff, mit dem keine sterile Immunität gegeben ist! Welche Posten werden euch Grünen versprochen, dafür, dass ihr da mitspielt? (Bundesrat Schreuder: Was ist das für eine Unterstellung?!) Welche Posten werden euch da versprochen? Stichwort Sideletter, Kopftuchverbot (Oh-Rufe bei der FPÖ – Bundesrätin Zwazl: Stichwort Impf­pflicht!) – was wird euch denn da versprochen, bitte gar schön? – Das ist ja ganz arg.

Zu den Roten: Euren Zickzackkurs verstehe ich ja auch nicht ganz, so richtig wirklich verstehe ich euren Zickzackkurs nicht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bin neugierig auf das Abstimmungsverhalten der Gewerkschafter bei euch in der Fraktion. Im Nationalrat habt ihr zumindest einen gehabt, der Muckis gehabt und dagegengestimmt hat. Ich bin auch neugierig auf das Abstimmungsverhalten meines roten Bundesratskollegen aus Salzburg, ich glaube, er hat den Mumm, dass er dagegenstimmen wird. (Bundesrat Raggl: Das ist jedem seine freie Entscheidung!) Seine rote Nationalratsabgeordnete hat leider für dieses Impfpflichtgesetz gestimmt.


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Ich kann mich nur noch einmal wiederholen: Mit dem heutigen Tag ist in Österreich ein Teil der Demokratie kaputtgegangen. Solche Gesetze, solche Gesetzesbeschlüsse kennt man eigentlich nur aus diktatorischen Ländern. Ich bin guter Hoffnung und ich freue mich schon – es wird ein Freudentag werden –, wenn der Verfassungsgerichtshof dieses Zwangsgesetz aufhebt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.45


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile dieses.


18.45.33

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Wir haben vorhin viel über psy­chologische Phänomene wie Wunschdenken gehört. Es gibt aber auch noch so etwas wie Anstand, und es gibt so etwas wie das psychologische Phänomen des Fremd­schämens. Es ist mir und meiner Fraktion ein ganz großes Anliegen, jetzt und hier, von dieser Stelle aus, allen Familien, allen Angehörigen, die jemanden an Corona, an Covid verloren haben, die Angehörige über Wochen durch eine ganz, ganz schwere Zeit und auch danach in einer Zeit der Rehabilitation begleitet haben, wirklich zu versichern, dass die Worte, die hier im Hohen Haus heute gesagt wurden, durch uns in keinster Weise Unterstützung finden. Es ist pietätlos, es ist wahrlich pietätlos, Menschen zu unterstellen, dass sie selbst schuld seien, wenn sie an diesem Virus schwer erkranken oder sterben! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Widerspruch bei der FPÖ.)

Ich darf Ihnen sagen, ich kenne - - (Ruf bei der FPÖ: Wer hat das gesagt?) – Ja, das hat Ihr Kollege, Herr Leinfellner, gesagt (Bundesrat Spanring: Geh bitte, ...!): Man erkrankt nicht, wenn man ein starkes Immunsystem hat, man stirbt nicht, das ist ein harmloser Virus! (Bundesrat Spanring: Was?! Das hat überhaupt keiner gesagt! Bundesrat Of­ner schüttelt den Kopf.) Schämen Sie sich! Ich kenne Menschen, die gestorben sind (Bundesrat Spanring: Ja, wir auch!), ich kenne Familien, die gelitten haben, ich habe Menschen begleitet. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es gibt genügend Leute, die ein starkes Immunsystem haben und die bis heute, nach wochenlangem Intensivauf­enthalt, noch leiden. (Bundesrat Leinfellner: Jetzt wundert mich die Abstimmung nicht mehr ... Wahrnehmungsstörung!) Das, was Sie heute gesagt haben, findet nicht unsere Zustimmung. Wir distanzieren uns ganz, ganz vehement! – Danke. (Anhaltender Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

18.47


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Karl Bader, bitte.


18.47.48

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, die die Debatte hier noch verfolgen! Die Diskussion zum Thema Impfen und Impfpflicht ist von einer Partei als sehr, sehr politische geführt wor­den, teilweise auch sehr emotional. Manchmal hat man schon den Eindruck, dass sie teilweise auch hasserfüllt geführt wird, was ich eigentlich schon als Zumutung empfinde. Ich möchte den Worten meiner Vorrednerin auch beipflichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz aller unterschiedlichen Meinungen und auch unterschiedlichen politischen Einstellungen haben wir hoffentlich als Gesellschaft und als Plenum hier herinnen ein Ziel: die Pandemie zu beenden und die Krankheit Co­vid-19 möglichst zurückzudrängen.


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Die Gesundheitspolitik in unserem Land orientiert sich am aktuellen Wissensstand, der laufend wächst – natürlich, weil wir diese Krankheit vorher nicht kannten. Das Gros der Wissenschaft ist sich einig: Die Impfung ist unser wirksamstes Mittel im Kampf gegen diese Pandemie. Ich, meine Damen und Herren, vertraue der Wissenschaft, und noch viel mehr vertraue ich jenen Ärztinnen und Ärzten, die mich schon vor der Pandemie über viele Jahre immer wieder begleitet, beraten und unterstützt haben. Auch in diesem Fall vertraue ich ihnen, wenn sie mir raten, dass ich mich impfen lassen soll. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Ja, kannst du ja eh! Impf dich, so viel du willst!)

Die Impfpflicht ist ein schwerer Eingriff, selbstverständlich, aber wegen der zu niedrigen Impfquote eben erforderlich.

Ich stehe auch nicht an, hier klar und deutlich zu sagen, dass die Entscheidung heute zu den schwierigsten Entscheidungen im Rahmen meiner politischen Tätigkeit gehört. Ich hoffe aber – und ich treffe diese Entscheidung, wie es Kollege Marco Schreuder vorhin gesagt hat, auch für jene, die dasselbe hoffen –, dass wir diese Entscheidung treffen und damit eine Grundlage schaffen, dass Corona nicht zur freiheitsraubenden Zukunft mit Lockdowns in und Lockdowns out wird.

Ich habe mit vielen Menschen über ihre Sorgen gesprochen, habe mit ihnen telefoniert, habe ihre Briefe gelesen, und ich habe mich auch mit vielen Behauptungen und Inhalten von Vorhaltungen auseinandergesetzt. Leider bin ich sehr häufig draufgekommen, dass diese nicht der Wahrheit entsprechen, und manchmal habe ich bei der Rückmeldung und bei der Entkräftung dieser Behauptungen auch merken müssen, dass es manchen in unserer Gesellschaft leider nur darum geht, recht zu haben und recht zu behalten.

Wir wollen mit Impfanreizen zusätzlich dazu beitragen, die Impfquote zu erhöhen. Wir wollen Anreize schaffen und diese vor Strafen stellen, das kann man in diesem Gesetz auch klar herauslesen.

Jeder von uns, meine Damen und Herren, ist dieser Pandemie überdrüssig – jeder Ar­beitnehmer, Unternehmer, Landwirt, Touristiker, auch wir Politikerinnen und Politiker –, und daher muss es unsere gemeinsame Verantwortung sein, alles zu unternehmen, um dieses Virus wegzubringen. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Impfquote durch positive Impfanreize“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, folgende Maßnahmen als positive Impfanreize auszuarbeiten und spätestens bis Ende Februar dem Nationalrat und dem Bundesrat zur weiteren Behandlung vorzulegen:

1. Impfgutscheinlotterie

Die Bundesregierung soll an den ORF herantreten, um eine Impfgutscheinlotterie mit wiederholten Lostagen – möglichst in Kooperation mit anderen Medienpartnern – zu organisieren. Jede in Österreich im elektronischen Impfregister eingetragene Person kann pro Teilimpfung an einer Impflotterie teilnehmen (opt-in). Jede 10. Teilimpfung ge­winnt (Gewinnquote 10%). Der Gewinn soll einheitlich ein Gutschein im Wert von 500 Eu­ro – einlösbar im Handel, in der Gastronomie und Beherbergung sowie im Kultur- und Dienstleistungsbereich – sein. Innerhalb der europa- und verfassungsrechtlichen Gren­zen soll darauf hingewirkt werden, dass die Gutscheine tunlichst nur bei der heimischen Wirtschaft einlösbar sind, also bei solchen Unternehmen, die ihren Sitz in Österreich


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haben und in Österreich Gewinnsteuern entrichten. Besonderes Augenmerk soll darauf gelegt werden, dass die Gutscheine auch bei regionalen Klein- und Mittel-Unternehmen einlösbar sind.

Die Auszahlung der steuer- und abgabenfreien Gewinne erfolgt mit Beginn 15. März fort­laufend.

2. Kommunale Impfkampagne

75 Millionen Euro sollen im Rahmen eines Zweckzuschussgesetzes den Gemeinden entsprechend dem Schlüssel des KIG 2020 für Aufwendungen in Zusammenhang mit einer kommunalen Impfkampagne ersetzt werden. Im Rahmen der Umsetzung ist tun­lichst auf einen Maßnahmenmix hinzuwirken.

3. Kommunale Impfprämie

Die Gemeinden erhalten im Rahmen eines Zweckzuschussgesetzes eine kommunale Impfprämie entsprechend dem Schlüssel des KIG 2020 für Investitionen in der Gemein­de bei Erreichen einer Durchimpfungsrate (Anteil der Bevölkerung über 5 Jahren mit aktivem Impfzertifikat). Der Basisbetrag in der Höhe von insgesamt 75 Millionen Euro soll beim erstmaligen Erreichen von 80%, beim erstmaligen Erreichen von 85% im Rah­men einer Zweitausschüttung in Höhe des doppelten Basisbetrags, beim erstmaligen Erreichen von 90% im Rahmen einer Drittausschüttung in Höhe des vierfachen Basis­betrags ausgeschüttet werden.

Die Laufzeit dieser Maßnahmen ist mit Ende Dezember 2022 begrenzt.

Die Auszahlung der oben genannten Maßnahmen erfolgt aus den Untergliederungen 44 Finanzausgleich und 45 Bundesvermögen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.54


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Korinna Schu­mann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschlie­ßungsantrag betreffend „Erhöhung der Impfquote durch positive Impfanreize“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. – Doch, es gibt noch eine Wortmeldung. – Herr Kollege Steiner, bitte. (Oh-Rufe bei ÖVP und SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das hat er sich jetzt überlegt!)


18.54.41

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsident! Herr Minister! (Bundesrat Schennach: Das Taferl fehlt!) Ohne Taferl geht es natürlich nicht, da haben Sie recht, Herr Kollege von den Sozialisten. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – FPÖ – www.impfzwang.at“ auf das Rednerpult.) Herr Bader hat jetzt gesagt, die Worte wurden zu scharf gewählt. Sie würden das niemals tun, aber die Frei­heitlichen sind so böse und wir sollten uns zurücknehmen.

Ich habe nur bei einigen Rednern Ihrer Fraktion, Herr Bader, bei Rednern der ÖVP, mit­geschrieben, aber ich glaube, ein Satz fasst euer Wording gegenüber den Bürgern da draußen sehr gut zusammen, und zwar hat Herr Kollege Tiefnig heute hier heraußen vom Rednerpult ohne Ordnungsruf Folgendes zum Besten gegeben: Ungeimpfte müs­sen verfolgt werden. – So viel zu eurem Wording. Schämt euch! Davon muss man sich distanzieren, Frau Kollegin Kahofer, von dieser gefährlichen ÖVP, und von niemand an­derem! (Beifall bei der FPÖ. – Widerspruch und Oh-Rufe bei der SPÖ.)


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Und dann kommt es wieder: Oh! – Zum Vergießen von Krokodilstränen lesen wir E-Mails vor, aber wenn Ungeimpfte verfolgt werden müssen, dann heißt es: Oh!, dann heißt es: Oh! (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schumann und Grimling.) Ihr von den So­zialisten seid solche Heuchler, Heuchler bis in die Zehenspitzen (Beifall bei der FPÖ – Zwischenrufe bei der SPÖ), Heuchler durch und durch!

Ich habe mir diese Debatte heute wirklich (Bundesrätin Hahn: Das ist pietätlos!) in Ruhe angehört, von mir gab es heute bei der Impfdebatte auch keinen Zwischenruf (Oh-Rufe bei der SPÖ – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), und ich muss sagen, das ist ein trauriger Tag: Es ist ein trauriger Tag für den österreichischen Bundesrat. Es ist ein trau­riger Tag für die vom Bürger ernannten und von den Landtagen entsandten Entschei­dungsträger hier, in der ehemals so stolzen Länderkammer. Es ist ein trauriger Tag für die österreichische Demokratie und für den Rechtsstaat. Es ist ein trauriger Tag für das ehemals so hohe Ansehen Österreichs im Ausland. Es ist ein trauriger Tag für das Zu­sammenleben der Bevölkerung, und es ist ein besonders trauriger Tag für die Politik in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist eigentlich erschreckend und ein Wahnsinn, wie die Bundesräte – teilweise Bun­desräte der SPÖ, weil zwei, habe ich gehört, dagegenstimmen (Zwischenrufe bei der SPÖ), sowie die Bundesräte der ÖVP, der Grünen und der NEOS – mit ihrem eigenen Gewissen umgehen. Wohl wissend, dass dieses Gesetz, das ihr heute alle in trauter Gemeinsamkeit durchpeitschen wollt, die Gesellschaft weiter spaltet, werdet ihr alle in völligem Parteigehorsam heute die Hand heben, um für diesen Irrsinn zu stimmen. Menschlich wie politisch ist das für mich unverständlich, aber ihr wollt halt weiterhin von eurer Partei auf einer Liste gereiht werden (Oh-Rufe bei der SPÖ), auf einem gut bezahl­ten Sessel sitzen – und das ist unser Problem. (Ruf bei der SPÖ: ... Schwachsinn!)

Auch wenn ihr wisst, dass das, was hier heute passiert, komplett falsch ist, ist euch doch das eigene Hemd näher als das Wohlergehen und das Wohl unserer Republik. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Genau deshalb haben wir als freiheitliche Fraktion heute das Verlangen eingebracht, eine namentliche Abstimmung durchzufüh­ren (Zwischenrufe bei der SPÖ), denn die Bürger draußen sollen wissen, wie Sie hier herinnen abgestimmt haben, und dann könnt ihr zu eurer Entscheidung stehen und könnt sie draußen verteidigen. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe es heute schon einmal gesagt: Ich bin heilfroh, dass ich mit euch rein gar nichts zu tun habe (Oh-Rufe bei der SPÖ), denn ich könnte mir das in keinster Weise jemals verzeihen. (Bundesrat Raggl: Da kann man aber nicht mehr schlafen!)

Bei all diesem Wahnsinn, den wir wegen dieser völlig unfähigen und abgehobenen Re­gierung durchmachen müssen, sollten wir, liebe Bürger, doch eines niemals vergessen: Unsere Verfassung wurde nicht geschrieben, um das Verhalten der Bürger einzuschrän­ken und zu kontrollieren. Sie wurde geschrieben, um das Verhalten der Regierenden einzuschränken und zu kontrollieren – und dorthin müssen wir so schnell wie möglich wieder zurück.

Eine derart große Ansammlung an Inkompetenz, an Fahrlässigkeit, an Ignoranz und auch an Wut aufgrund der eigenen Unfähigkeit in nur einer einzigen Regierung gab es in der Geschichte der Zweiten Republik noch nie, und Österreich musste wahrlich schon viele chaotische Regierungen durchleben. (Bundesrätin Schumann: Ja, aber wirklich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eine kurze Zwischenfrage: Ich verstehe ja wirklich nicht, warum sich die SPÖ immer so aufregt. Ihr seid schon so drin in dem Zustimmungswahn zur Regierung, dass ihr glaubt, wenn ich die Regierung kritisiere, kritisiere ich auch euch. (Bundesrätin Schumann: Herzliche Grüße an den ...!) Ich verstehe das nicht. Ihr regt euch andauernd auf. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich verstehe das nicht, Frau Schumann. Warum


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denn? Ihr Blutdruck (Bundesrat Schennach: Aber geh!), schauen Sie ein bissel drauf! Beruhigen Sie sich! Hüpfen Sie nicht immer so, ganz locker bleiben! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Gruber-Pruner zeigt mit den Händen das Zeichen für Time-out.) Sie sind nicht in der Regierung, auch wenn Sie es gerne wären und auch wenn es so ausschaut, weil Sie immer zustimmen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Beruhigen Sie sich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ihr stimmt heute ‑ ‑ (Ruf bei der SPÖ: Und immer persönlich werden, das ist ...!) –Un­glaublich, die quasselt und quasselt! Mir pressiert schon ganz das Ohrwaschel da links. Ihr stimmt heute für ein Gesetz, das diesem Gesundheitsminister, ja, diesem Herrn Mückstein, der fachlich sowie politisch eine völlige Nullnummer ist (Zwischenrufe bei der SPÖ), etwas gibt: Diesem Herrn gebt ihr jetzt eine Verordnungsermächtigung mit, was für einen Rechtsstaat bis dato eigentlich undenkbar war. Ihr gebt heute die Macht beider Kammern, des Nationalrates und des Bundesrates, in die Hand eines Ministers, der we­der vom Volk noch von irgendeinem Briefmarkensammelverein jemals für eine Funktion gewählt wurde.

Diesem Minister der völligen Unfähigkeit (Ruf bei der FPÖ: Ärztekammer!), der völligen Evidenzfreiheit, der völligen Gefühllosigkeit gebt ihr das, in die Hände eines Chaoten, eines Ministers, der in diesem Amt als völlig überforderter Geisterfahrer unterwegs ist, eines Herrn, der nicht in der Lage ist, nur einen Satz stolperfrei von einem Zettel abzu­stottern (Widerspruch bei der SPÖ), worüber wir ja intern oft reden, auch mit ÖVPlern und mit SPÖlern im Vieraugengespräch in den Gängen, und dann jeder sagt: Na, der Mückstein, furchtbar, schlimm! – Warum aber sagt das niemand einmal öffentlich, warum immer in den Hinterzimmern? Wäre es nicht eure Pflicht, wenn ihr das schon genauso seht, wie wir das sehen – eure Pflicht –, das hier herinnen als Bundesräte zum Schutz von Österreich auch einmal öffentlich auszusprechen? (Beifall bei der FPÖ.)

Jeder weiß es. Jeder hier herinnen weiß es. Jeder weiß, dass dieser Herr unfähig ist, und niemand spricht es aus: Ist eine wahre Gefahr für Österreich! (Ruf bei der ÖVP: ... dich an!), niemand von der ÖVP hat den Mumm und den Anstand, das auch öffentlich anzusprechen.

Ich habe aber gehört, dass so Mitte Februar die Zeit des Herrn Mückstein sowieso erle­digt sein wird, die ÖVP schon fleißig daran arbeitet. Es öffentlich zu sagen, trauen Sie sich ja nicht, das passiert dann wieder hintenrum. Dann kriegt er wieder irgendwelche Artikel und dann ist er plötzlich weg – so falsch, wie das die ÖVP halt immer macht. Es ihm aber öffentlich zu sagen, traut man sich nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Und diesem Herrn Mückstein, dem Sie die Verordnungsermächtigung geben und den Sie Mitte Februar vielleicht abschießen wollen, geben Sie heute die Macht, dass er dann entscheidet, wie oft man sich womit impfen lassen muss, wer sich wie oft mit wem treffen darf, wer wie lange und wie häufig hintereinander sein Lokal öffnen darf, welche Kinder brav und welche Kinder böse sind. Tut mir leid: So etwas ist fahrlässig. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil wir schon bei fahrlässig sind: Als Regierungsexperten habt ihr ja einen, zwei tolle, gut ausgesuchte, und eine davon ist diese Frau von Laer. Die lasst ihr ja immer im ORF ganz fleißig für euch auftreten, sie ist dann immer in unser aller Wohnzimmern. Ich darf kurz etwas zitieren, was Frau von Laer vor Kurzem zum Besten gab: Je schlechter eine Impfung ist, desto mehr Leute müssen geimpft werden. Frau von Laer, Regierungsexper­tin unserer tollen Bundesregierung: Je schlechter eine Impfung ist, desto mehr Leute müssen geimpft werden. Je schlechter eine Impfung ist, desto mehr Leute müssen ge­impft werden. – Da frage ich mich: Auf welcher Grundlage (Rufe bei der FPÖ: Wahn­sinn!), auf welcher Grundlage sollen wir mit euch und euren Experten noch ernsthaft diskutieren? (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schennach.) Dies ist eure Wissenschaft, von der ihr dauernd redet.


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Je schlechter eine Impfung ist, desto mehr Leute müssen geimpft werden: Verrückt ist so etwas, das hat mit Wissenschaft gleich viel am Hut wie ich mit den Grünen. (Beifall bei der FPÖ.) Genau deshalb ist es halt so schwierig, mit euch eine ordentliche fakten­basierte Debatte zu führen.

Mir kommt es ja persönlich so vor, als wäre diese Regierung vor zwei Jahren mit einem Lkw – ob dieselbetrieben oder für die Grünen mit Strom betrieben, das könnt ihr euch aussuchen, ist mir völlig wurscht  in einen Tunnel gefahren, der 5 Meter breit war, und ist mit Vollgas da hineingekracht. Der Tunnel wurde über die Jahre immer schmäler und schmäler, jetzt musste man schon die Seitenspiegel reinklappen und ist immer noch mit Vollgas unterwegs, aber wir sehen immer noch kein Licht am Ende dieses Tunnels. (Bundesrat Schennach: Ein Wahnsinn! Ein Wahnsinn!) Ich sage euch: Das Einzige, das uns rettet, ist eine Vollbremsung dieses Lkws und dann sofort in den Rückwärtsgang, denn sonst werdet ihr stecken bleiben und im Tunnel der Verbitterung enden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage es noch einmal, weil es eure ganze Impfpflichtdebatte so gut zusammenfasst: Je schlechter eine Impfung ist, desto mehr Menschen müssen geimpft werden.

Deshalb, Herr Mückstein (Bundesrätin Zwazl: Herr Dr. Mückstein!), bitte lassen Sie mit Ihren selbst ernannten Experten endlich von Österreich ab! Tretet allesamt mit sofortiger Wirkung zurück! Entschuldigt euch für euer Verhalten! Gebt Österreich die Chance auf einen Neustart, damit nicht noch mehr von unserem wunderschönen Land kaputt ge­macht wird! Herr Mückstein, the game is over! (Beifall bei der FPÖ.)

19.08

19.08.34*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Bundesrat Steiner, ich muss Ihnen jetzt ein paar Ordnungsrufe erteilen, und zwar das erste Mal für: Ihr seid alle Heuchler!, zu den Bundesräten.

Dann haben Sie Bundesminister Mückstein ein paar Mal beleidigt: Er sei eine „Nullnummer“, er sei „unfähig“, ein „überforderter Geisterfahrer“ und eine „Gefahr für Österreich“. (Bundes­rätin Schartel: Die Wahrheit! – Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Außerdem haben Sie gesagt: Die ÖVP ist immer falsch.

Das sind also drei Ordnungsrufe. (Bundesrat Spanring: Ja, bis aufs letzte - -! – Ruf bei der FPÖ: Stimmt! – Bundesrat Steiner: Dann waren es vier Ordnungsrufe! – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

*****

Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Marco Schreuder zu einer tatsächlichen Berichti­gung zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.09.18

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Herr Minister! Ich will nur eine tatsächliche Berichtigung machen: Es ist unrichtig, dass jetzt alles sozusagen in die diktatorische Hand des Ministers gegeben worden wäre, weil nämlich die wichtigsten Ermächtigungen gemeinsam mit dem Haupt­ausschuss des Nationalrates umgesetzt werden, in dem auch die Freiheitliche Partei Mit­glied ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

19.09


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Noch eine Wortmeldung: Herr Kollege Spanring, bitte. (Na-Rufe bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Der Herr Doktor kommt! – Ruf bei der ÖVP: Der Märchenonkel!)


19.10.09

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Ich merke, die Freude ist groß (eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – FPÖ – www.impfzwang.at“ verkehrt auf das Rednerpult stellend – Bundesrat Schennach: Das Wichtige ist das Taferl! – Bundesrat Schreuder: Das ist verkehrt!), wenn ich ans Rednerpult komme. (Rufe bei der SPÖ: Ja! Ja, sehr!) Aber ich sage Ihnen: Provozieren Sie mich lieber nicht, sonst werde ich die 12-Stunden-Rede von Kogler schlagen. (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Herr Vorsitzender! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Her­ren vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Es gibt so unglaublich viel zur Impfpflicht zu sagen – ich habe mir, während die anderen geredet haben, noch einmal ein bisschen etwas zusammengeschrieben –, sodass eine Rede allein nicht ausreicht.

In erster Linie ist es einmal die Ignoranz der Herrschenden, die offenbar ein Ziel oder mehrere Ziele verfolgen, weshalb Ihnen ganz einfach Zahlen, Daten und Fakten egal sind. Anders ist diese Politik, die Sie verfolgen, nämlich gar nicht zu erklären. Es gäbe eine ganz einfache Lösung: Schauen Sie einmal in andere Länder! Überall werden die Maßnahmen zurückgefahren, nur nicht in Österreich. In Österreich herrscht mit dieser Regierung ein Unrechtsregime der Sonderklasse, wobei man tatsächlich das Gefühl hat, es geht nur mehr darum, recht zu behalten. Aus Angst, zugeben zu müssen, dass so gut wie alle Ihre Maßnahmen in der Vergangenheit falsch, überzogen und unnötig waren, bleiben Sie jetzt um jeden Preis bei dieser Impfpflicht.

Es war heute auch Thema: Was ist diese Politik in Wahrheit noch? – Ablenkung, Ablen­kung und nochmals Ablenkung, nämlich Ablenkung von der ÖVP-Korruption. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist nämlich Ablenkung davon, was jetzt alles ans Tageslicht kommen wird. Ich kann Ihnen aber sagen: Egal was Sie jetzt machen, Sie werden es nicht verhindern können. Sie können es hinauszögern, aber die Wahrheit wird ans Licht kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es heißt jedes Mal: Corona ist an allem schuld. – Nein, ich sage Ihnen, diese Regierung ist viel gefährlicher als das Virus. Nicht Corona, sondern Ihre unverhältnismäßigen Maß­nahmen haben unserem Land, unseren Betrieben, unseren Menschen geschadet, und zwar nachhaltig geschadet. Ich sage Ihnen, was ich bereits zwei Mal hier gesagt habe, und ich wiederhole es noch einmal: Die Kollateralschäden Ihrer Maßnahmen fordern mehr Opfer als Corona, und weltweit gesehen ist das noch viel schlimmer.

Unzählige Menschen sind an Krankheiten verstorben, an denen sie nicht hätten verster­ben müssen, einfach weil es keine entsprechende Versorgung gab. Es gab zwei Jahre lang nur mehr Corona. Das war das einzige Thema. Ein Beispiel: Nehmen Sie Afrika und Malaria. Sogar bei uns aber wurden Vorsorgeuntersuchungen ausgesetzt, weil Sie von der Regierung in Angst und Panik verfallen sind. Deshalb wurden viele Krankheiten nicht rechtzeitig erkannt, und deshalb sind viele Menschen an Kollateralschäden Ihrer Coro­napolitik verstorben. Die Selbstmordrate ist gestiegen, bis hin zu Suizidversuchen bei Kindern – auch wegen Ihrer Coronapolitik, nicht wegen dem Virus.

Während bei uns die Menschen in die Armutsfalle rutschen, zumindest aber noch im Sozialsystem aufgefangen werden – es ist schlimm genug –, verhungern überall auf der Welt all jene, die bis jetzt noch kurz vorm Verhungern gestanden sind. Als Beispiel: Alle 13 Sekunden stirbt laut Unicef ein Kind an Hunger. Aber das war einmal, und Sie sind mitschuldig, dass diese Sterberate jetzt massiv angestiegen ist. (Rufe bei der SPÖ: Wir? Wir sollen schuld sein? Wieso sind wir schuld?)


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Arme Länder haben gezeigt, dass sie ohne Impfung sehr gut und teilweise sogar besser durch die Pandemie gekommen sind als jene Länder, die von, sagen wir, Impffetischisten regiert werden oder, wie im Falle von Österreich, wenn heute die Impfpflicht tatsächlich beschlossen wird, von Impffaschisten. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

In den armen Ländern sind die Menschen deshalb gestorben, weil sie die Kollateralschä­den der verfehlten Coronapolitik der Industriestaaten voll abbekommen haben. Das ist der Fall. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn Herr Schennach sagt, die ärmeren Länder bekommen keinen Impfstoff: Ja, bitte, wir haben so viel, dass unser Impfstoff abläuft. Ich sage Ihnen – das meine ich jetzt nicht sarkastisch –: Meinen Impfstoff stelle ich sofort aus Solidarität zur Verfügung. Ich bin mir sicher, da draußen sind 100 000 weitere Menschen, die genauso denken wie ich. Die können gerne unseren Impfstoff haben. Dann müssen wenigstens bei uns keine abge­laufenen Impfdosen verimpft oder weggeschmissen werden. Dann müssen wir nicht für die Familie Mückstein für die Container zahlen – eine Win-win-Situation für Österreich.

Wenn Sie sich aber die Zahlen dort anschauen, zum Beispiel in Afrika, dann gehe ich davon aus, dass sie den Impfstoff gar nicht mehr nehmen würden. Sie haben eine Her­denimmunität erreicht, die wir gerne gehabt hätten, was wir aber nicht geschafft haben – vielleicht auch wegen den Impfungen.

Es gibt Tausende Experten, die Ihre Vorgangsweise kritisieren und sogar verurteilen, aber diese renommierten Experten, die bis vor zwei Jahren noch angesehen und hoch­gelobt waren, sind jetzt Schwurbler und Verschwörungstheoretiker. (Rufe bei der SPÖ: Schwurbler!)

Frau Bundesrat Mag. Dr. Berger-Grabner sitzt jetzt hinter mir: Sie haben heute Herrn Gartlehner zitiert. Ich kann Ihnen auch ein Zitat, ganz aktuell, von Herrn Gartlehner sa­gen. Der Epidemiologe Gartlehner hat gesagt: „,Wir werden mit Ende der Omikron-Welle eine Immunität in der Bevölkerung haben‘ [...] Deshalb hätte man mit der Impfpflicht zu­warten und länger diskutieren können [...] man wisse noch nicht, ob die jetzige Impfung vor einer Welle im Herbst schützen wird. Österreich sei mittlerweile bei der Durchseu­chung angelangt“. (Beifall bei der FPÖ.)

Das haben Sie vergessen, Frau Magister Doktor! Und wenn Sie sich als Wissenschaftle­rin allen Ernstes hierherstellen und Wikipedia zitieren, dann schauen Sie am Abend noch einmal auf der Wikipediaseite, die Sie genannt haben, nach. Bis dorthin habe ich dann einiges umgeschrieben. – So viel zur Wissenschaftlichkeit. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Eines aber freut mich sehr, und zwar: Wenn Sie sagen, wir müssen mehr Vertrauen haben, mehr Vertrauen in die Wissenschaft, dann kann ich Ihnen sagen, Vertrauen ist keine wissenschaftliche Kategorie – das sollten Sie wissen –, und wenn ich an die ÖVP denke, dann ist Vertrauen schon gar keine politische Kategorie. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Das ist Ihnen aber alles egal. Was Sie jetzt machen, ist die Impfpflicht mit der Begrün­dung von Herrn Nowotny, nämlich dass die Impfung jetzt nicht schützt, aber bei kommen­den Varianten im Herbst kann es sein, dass sie schützt. Wir wissen alle nicht, was im Herbst sein wird, wir wissen alle nicht, ob überhaupt noch einmal eine so große (Bun­desrätin Zwazl: Wir haben ja keine Glaskugel!) Epidemie oder eine so große Durch­seuchung kommt. Was wir aber wissen, ist, dass wir jetzt nichts wissen. Wir wissen je­doch eines: Die Impfung schützt sicher nicht in dem Ausmaß, dass wir im Herbst ge­schützt sind. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Was Herr Nowotny gesagt hat, ist so, als würden Sie jetzt eine Helmpflicht für alle Ös­terreicher als Schutz vor einem Meteoriteneinschlag verordnen. Nicht jetzt, denn wir wis­sen ja noch nicht, ob ein Meteoriteneinschlag stattfindet, aber irgendwann kann einer


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sein, und dann schützt der Helm; also nur bedingt, denn er schützt nicht wirklich, aber er kann bedingt schützen. Ungefähr so ist es mit Ihrer Impfpflicht. Merken Sie etwas? Das passt alles nicht zusammen! (Beifall bei der FPÖ.)

Der größte Hohn bisher in Ihrer gesamten Coronapolitik ist jetzt die Impflotterie. Jetzt, nachdem Sie die Impfpflicht einführen, machen Sie eine Impflotterie. Hätten Sie das vor einem Jahr gemacht, wäre ich immer noch nicht dafür gewesen, aber da hätte ich ge­sagt, okay, es kann Sinn machen. Jetzt aber machen Sie eine Impfpflicht und trotzdem zusätzlich noch eine Impflotterie um 1 Milliarde Euro. Das ist der Hohn schlechthin! Sind das Wählerstimmen, die Sie kaufen wollen, oder was ist das? Meine Damen und Herren! 1 Milliarde Euro für eine Impflotterie – nehmen Sie das Geld und stecken Sie es in Kran­kenhäuser, in Pflegepersonal und in unser Gesundheitssystem, aber doch nicht in eine Impflotterie! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Zu Kollegen Tiefnig: Kollege Tiefnig hat heute die Impfpflicht mit der Ladegutsicherung verglichen. Also ich habe da einen besseren Vergleich für Sie gefunden: Wenn Sie die Impfpflicht mit der Ladegutsicherung vergleichen, dann fordere ich jetzt eine ganzjährige Schneekettenpflicht. Schneeketten helfen zwar auf Asphalt nicht viel, außer im Hoch­sommer, wenn der Asphalt ganz warm und weich ist, dann gibt es 10 Prozent mehr Haf­tung als auf kaltem Asphalt. Auch wenn man sich nicht selbst schützt, schützt man zu einem gewissen Teil andere. – Ihre Erklärungen sind also teilweise krude und an den Haaren herbeigezogen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Ich habe vorhin gesagt, wir werden parlamentarisch, juristisch und auf der Straße weiter­hin mit allen Österreichern gemeinsam gegen dieses Unrecht vorgehen. Genau das passiert jetzt auch auf EU-Ebene.

Ein großes Danke an unseren EU-Abgeordneten Roman Haider, der nun ganz offiziell eine Anfrage an die EU-Kommission richtet und damit wissen will, ob die geplante Impf­pflicht in Österreich überhaupt mit dem EU-Recht konform geht.

Zudem strengen wir eine Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Österreich an, weil das Impfpflichtgesetz einen unverhältnismäßigen Einschnitt in elementare Grund- und Freiheitsrechte der Österreicher darstellt. Danke, Roman Haider! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Raggl und Schennach.)

Abschließend möchte ich analog zu Kollegen Bundesrat Appé, der heute hier einige E-Mails verlesen hat, auch noch ein E-Mail verlesen, das ich heute erhalten habe. Ich denke, Sie haben es alle erhalten. Vielleicht hat es der eine oder andere noch nicht gelesen. Passen Sie gut auf:

Sehr geehrtes Mitglied des Bundesrates!

Bisher habe ich in der Causa Impfpflicht mit meinen allgemeinen rechtlichen Argumenten im Begutachtungsverfahren Stellung genommen. Ich habe gezögert, Ihnen einen kon­kreten Fall aus unserer Familie zu schildern.

Nach reiflicher Überlegung fühle ich mich verpflichtet, Ihnen die folgende Information zu übermitteln. Im Sommer 2021 hat sich ein junger Mensch, Mitte 20, sportlich, gesund, berufstätig, aus unserer Familie zum zweiten Mal impfen lassen. Wenige Tage später traten schwere Herzprobleme auf. Diagnose: Myokarditis.

Seither folgten mehrfache Krankenhausaufenthalte, Rettungseinsätze, Verordnung schwe­rer Medikamente.

– Besonders den Grünen würde ich raten, da aufzupassen! –

Bis heute ist dieser junge Mensch schwer krank, nicht arbeitsfähig. Die ganze Familie steht unter Schock. Wurde dieser Fall als Impfschaden anerkannt? – Nein, bis dato nicht.


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Der praktische Arzt wollte keine Meldung erstatten mit dem Argument, nicht zuständig zu sein. Der praktische Arzt verwies auf einen Facharzt. Der Kardiologe hat zwar die Behandlung übernommen, aber auch keine Meldung erstattet. Der erkrankte Mensch müsse das selbst tun – in dieser Situation der Angst, der Todesangst, in der jede Aufre­gung unbedingt vermieden werden muss.

Meine Recherchen ergaben, dass das kein Einzelfall ist.

Es bleibt jetzt nichts anderes übrig, als dass sich die Familie unter größtmöglicher Scho­nung des erkrankten Menschen um rechtliche Schritte kümmert. Welche Ungleichbe­handlung!

Zur Erfassung von Coronainfektionen beziehungsweise von Genesungen existiert ein umfassender Behördenapparat, die Personen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Schä­den erlitten haben, werden hingegen alleingelassen.

Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte scheinen Angst vor der Ärztekammer zu haben.

Dass bei der mehrheitlichen Beschlussfassung der Coronaimpfpflicht im Nationalrat nicht wenigstens für eine unbürokratische Regelung der Haftung mit Beweislastumkehr gesorgt wurde, erachte ich als ein schweres politisches Unrecht. Bitte lehnen Sie dieses Unrecht mit Ihrer Stimme ab!

Dass in diesen Kommissionen und Coronagremien Personen entscheiden, deren mögli­che Verflechtungen mit der Pharmaindustrie noch immer nicht offengelegt werden, dass Compliance dort ein Fremdwort bleibt, ist ein Unrecht, das so nicht fortbestehen darf. Bitte lehnen Sie die Impfpflichtvorlage daher ab!

Ich bitte Sie daher: Stimmen Sie gegen das Impfpflichtgesetz und die damit zusammen­hängenden Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes! Die Unterlagen zum konkreten Fall deponiere ich in einem Notariat, das ich ermächtige, über die Richtigkeit meines Berichts Auskunft zu erteilen.

Gezeichnet: MMag. Dr. Madeleine Petrovic. – Zitatende.

Meine Damen und Herren, und niemand von Ihnen sagt auch nur ein Wort.

Ich kann nur sagen: Frau Petrovic, vielen Dank für dieses Schreiben. Zumindest wir Frei­heitliche werden Ihrer Forderung nachkommen. Wir werden diesem Irrsinn nicht zustim­men. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

19.24

19.24.57*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Kollege Spanring, für den Aus­druck, Österreich wird „von Impffaschisten“ regiert, erhalten Sie einen Ordnungsruf.

*****

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig zu Wort gemeldet. (Bundesrat Schennach – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Tiefnig –: Aber tu das Taferl weg, Ferdinand! – Bundesrat Tiefnig legt die zuvor von Bundesrat Spanring aufgestellte Tafel auf dem Tisch neben dem Rednerpult ab.)


19.25.16

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Ganz kurz zu einer tatsächlichen Berichtigung der Aussage von Herrn Steiner: Das ist aus dem Zusammenhang gerissen. (Bundesrat Steiner: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Geschäftsordnung lernen!)


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Es geht darum, dass wahrscheinlich die im März auslaufende Omikronvariante dement­sprechend so weit beendet ist, dass es keine weiteren Maßnahmen für Geimpfte und Ungeimpfte mehr braucht. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Frau Präsidentin, das ist keine tatsächliche Berichtigung! Frau Präsidentin, wenn Sie schon so genau sind: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, das ist ja hinten und vorne falsch gewesen!)

19.25


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich muss ihn zuerst aussprechen lassen, bevor ich überhaupt weiß, was er sagen wird. (Bundesrat Steiner: Aber es hat ja am Anfang schon ...!)

Möchte sich noch jemand zu Wort melden? (Bundesrätin Schumann: ... so viel aufge­regt, das hältst du auch nicht aus den ganzen Tag! – Bundesrätin Grimling: Mit dem Blutdruck, nein!) – Herr Bundesrat Hübner, bitte sehr. (Bundesrat Schennach: Aber das ist schon die zweite Wortmeldung!) – Ja, zwei Wortmeldungen sind möglich. (Bundesrat Schennach: Ja, das weiß ich schon, aber es kann niemand endlos reden! – Bundesrat Hübner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich red’ nicht endlos! – Rufe bei der SPÖ: Oja! – Bundesrat Hübner: Alles hat ein Ende, sogar die Rede vom Hübner, Sie werden sehen! – Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit bei der SPÖ.)


19.26.31

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Ich musste mich noch einmal zu Wort melden und ich schaue zu Ihnen hinüber, Frau Kollegin Berger-Grabner, denn Sie sind der Anlass dafür, dass ich noch einmal komme.

Da geht es wieder um die Wissenschaftlichkeit. Kollegin Berger-Grabner hat ja die Wis­senschaftlichkeit, die hinter diesem gesamten Gesetzeswerk und der Politik steht, sehr, sehr gut auf den Punkt gebracht. Sie hat gesagt: Um zu erkennen, ob einer ein wirklicher Wissenschaftler ist, muss man nur schauen, ob er oft zitiert wird. Je öfter man zitiert wird – ich vereinfache es jetzt, Sie haben es ein bisschen komplexer gesagt –, desto mehr ist man Wissenschaftler. Das heißt, wenn einer vom anderen abschreibt und sich eine geschlossene Gesellschaft immer wieder selbst zitiert, dann wird das, was gesagt wird, unabhängig vom Wahrheitsgehalt zur wissenschaftlichen Wahrheit. (Ruf bei der ÖVP: Nein!)

Das Zweite, was Sie gesagt haben, ist auch interessant: Da muss man bei Wikipedia nachschauen, und wenn dort Begriffe wie Verschwörungstheoretiker unwissenschaftlich drinnen stehen, na dann kann man denjenigen ausscheiden. (Bundesrätin Berger-Grab­ner: Falsch interpretiert!) – So ungefähr haben Sie es gesagt. Das war nicht so falsch interpretiert. Sie können es ja dann noch tatsächlich berichtigen, aber ich habe es so verstanden. Das ist ja eine Argumentation, die nicht nur von Ihnen verwendet wird, son­dern von vielen.

Wie Wikipedia zustandekommt, wissen wir auch: Da gibt es natürlich auch – für uns nicht erkennbare und nicht sichtbare – sogenannte Redaktoren im Hintergrund, die entschei­den, was dort drinnen steht und zugelassen wird und was gelöscht wird.

Wenn man jetzt von denen, die entscheiden, wer wissenschaftlich etwas sagen darf, spricht, dann fällt einem Folgendes auf: Nehmen Sie zum Beispiel Prof. Sönnichsen. (Bun­desrat Schennach: Welchen Professor?) – Prof. Sönnichsen vom AKH, Medizinische Universität Wien. Der hat sich also den Studenten gegenüber einige Male kritisch über die Wirkung der Impfungen, über die Wirkung der sogenannten Maßnahmen und über die Wirkung der Isolation geäußert. Was passiert? – Er wird von der Universität dienstfrei gestellt und vom AKH entlassen.

Der Chef der Ärztekammer, dieser berühmte Szekeres oder sagen wir einmal Dr. phil. Sze­keres der Universität Trnava – mehr sage ich dazu nicht (Heiterkeit und Beifall bei der


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FPÖ), ich glaube, oft nennt er sich auch Phd. der Universität Trnava, nachgestellt, aber oft auch Dr. phil. –, dieser berühmte Dr. phil. et Dr. med. – das sage ich der Fairness halber dazu –, dieser Dr. phil. hat Ende letzten Jahres einen Brief verfasst, den uns die Medien, glaube ich, allen zumindest zur Kenntnis gebracht haben, und an alle Mitglieder der Ärztekammer geschickt, in dem er klarstellt, dass diejenigen, die einem Patienten gegenüber die Impfung nicht empfehlen oder gar von der Impfung abraten, mit Diszipli­narmaßnahmen der Kammer zu rechnen haben, die bis zum Entzug des Jus practicandi gehen können. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Diesen Brief habe ich in Kopie, den haben Tausende Ärzte. Wo ist denn unser Grazer Spitalsarzt? Ich sehe ihn jetzt nicht. Herr Kornhäusl wird diesen Brief sicher auch kennen.

In einer solchen Situation wundert man sich dann, dass sich Ärzte, die gegen den so­genannten wissenschaftlichen Grundkonsens also das, was einer vom anderen ab­schreibt sprechen, zurückhalten oder dass sie im Internet, in Wikipedia, dann nicht vorkommen. Ein Arzt, der als Verschwörungstheoretiker abgetan wird, der gekündigt wird, dem die Universität die Lehrbefugnis entzieht und so weiter, der wird in der wissen­schaftlichen Diskussion nicht allzu viel Gewicht haben.

Wenn selbst einem Nobelpreisträger, dessen Namen ich hier nicht nenne, von den ande­ren Kollegen weil er abweichende Meinungen zur Impfung, vor allem also zur gentech­nischen Impfung hat  unterstellt wird, er wäre nicht mehr auf der Höhe seiner Zeit, er wäre vielleicht geistig nicht mehr ganz gesund, er wäre Verschwörungstheorien aufge­sessen, er würde unwissenschaftlich arbeiten, er würde die Augen vor der Wahrheit ver­schließen und diese ganzen Sachen, dann darf es einen auch nicht wundern, dass die­ser im wissenschaftlichen Diskurs nicht mehr ganz oben vorkommt und von denen, die sich nur selber zitieren, nicht mehr zitiert wird.

Dasjenige, was man aber machen könnte, wenn man in der Wissenschaft nach wissen­schaftlicher Wahrheit sucht, das wird natürlich nicht getan. Es ist die Frage zu stellen, ich habe es schon einmal angedeutet, warum Länder wie Irland, Großbritannien, Däne­mark, Norwegen, Spanien  und ab 16.2. auch Frankreich  alle Maßnahmen oder prak­tisch alle Maßnahmen aufgehoben haben, obwohl die Wand des Omikronvirus dort wü­tet. – Ich muss mich übrigens berichtigen, ich habe vorhin gesagt, Portugal hat jetzt in Europa die höchsten Zahlen. Nein, das ist nicht richtig, mittlerweile ist Portugal von den zwei Impfkaisern Israel und Dänemark überholt worden. Die haben zusammen mit Slo­wenien noch höhere Zahlen als Portugal.

Da muss man sich fragen: Wenn diese Impfung die Pandemie beendet, wenn uns diese Impfung in die Freiheit zurückführt – ich zitiere Minister Mückstein –, wenn diese Impfung dazu führt, dass wir das Leben normal wie immer haben können, wie gibt es dann das, dass die Länder, die mit 90 Prozent plus die höchsten Impfquoten haben, die höchsten Inzidenzen dieser Omikronwelle aufweisen? Wie gibt es das? (Beifall bei der FPÖ.)

Da kann mir keiner sagen, dass ein Lesen in Wikipedia oder ein Zitieren von Zitaten und ein Sich-darüber-Freuen, dass sich immer die gleichen Wissenschaftler in den gleichen Publikationen selbst zitieren, solche Fakten aufhebt oder dass uns das berechtigt, die Augen vor diesen Fakten zu verschließen und das nachzuplappern, was uns die offizielle Propaganda vorschreibt.

Damit bin ich überraschenderweise auch schon am Ende. Ich wünsche allen einen schö­nen Abend und ich wünsche, dass alle, bevor sie heute die Stimme abgeben, noch ein­mal 2 Minuten über all das, was heute gesagt worden ist, nachdenken, nur nachdenken. Ob Sie Ihre Meinung dann dem Ergebnis Ihrer Gedanken entsprechend ändern, ist Ihre eigene Entscheidung. Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.33


19.33.13

Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort hat sich dazu niemand mehr gemeldet.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Covid-19-Impfpflichtgesetz.

Ich lasse über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben, abstimmen.

Hierzu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“, wenn kein Einspruch erfolgt, oder mit „Nein“ im Falle eines Einspruchs. Ich bitte um eine deutli­che Äußerung.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Spanring geben die BundesrätInnen ihr Stimm­verhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsident Günther Novak: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stim­me mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

19.39.34*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 19.39 Uhr unterbrochen und um 19.41 Uhr wieder aufgenommen.)

19.41.16*****


Vizepräsident Günther Novak: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe nun das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, bei 59 abgegebenen Stimmen 47 „Ja“-Stimmen beziehungsweise 12 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé, Arlamovsky, Auer;

Bader, Berger-Grabner, Buchmann;

Ebner, Eder, Eder-Gitschthaler;


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 187

Gerdenitsch, Gfrerer, Grimling, Gross, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn, Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy;

Kahofer, Kaltenegger, Kittl, Köck, Kolland, Kornhäusl, Kovacs, Krumböck;

Lackner, Lancaster;

Mattersberger, Miesenberger;

Novak;

Obrecht;

Platzer, Preineder;

Raggl, Reisinger, Riepl;

Schennach, Schreuder, Schumann, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl;

Tausch, Tiefnig;

Wolff;

Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Bernard;

Egger;

Hübner;

Leinfellner;

Ofner;

Pröller;

Schachner, Schartel, Spanring, Steiner, Steiner-Wieser, Steinmaurer.

*****


Vizepräsident Günther Novak: Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kollegin­nen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „die Erarbeitung geeigne­ter Strategien für Long-Covid-Patient*innen, die an Ihren angestammten Arbeitsplatz so rasch als möglich zurückkehren wollen“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Ent­schließung betreffend „Vollzug des Impfpflichtgesetzes“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (355/E-BR/2022)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Impfpflicht und Arbeitswelt“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (356/E-BR/2022)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Aufhebung des Covid-19-Impfpflichtgesetzes“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreu­der, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erhöhung der Impfquote durch positive Impfanreize“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (357/E-BR/2022)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jän­ner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Impfschadengesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jän­ner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.45.589. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Gentechnikgesetz geändert werden (1289 d.B. und 1317 d.B. sowie 10874/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


19.46.20

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jän­ner 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Gen­technikgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



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Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Sascha Obrecht. Ich erteile ihm das Wort.


19.47.00

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister in Abwesenheit! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die dankbare Aufgabe, nach dieser durchaus lebendigen Debatte jetzt über das Arzneimit­telgesetz und das Gentechnikgesetz zu sprechen. Ich hoffe, dass ich Sie bei den Dingen, die ich dazu sagen will, dennoch ein wenig mitnehmen kann.

Es wäre mir ganz recht, wenn der Minister dabei wäre, weil ich dem Minister Folgendes sagen will: Es gibt in der Demokratie schon auch die Aufgabe der Opposition, Fehler und Fehlentwicklungen aufzuzeigen, und in diesem Fall, glaube ich, gibt es tatsächlich welche.

Wichtig ist – und es ist mir wichtig, das auch in Richtung der FPÖ zu sagen –, dass man schon überlegen sollte, wie man Kritik artikuliert. Den Minister kann man für Handlungen kritisieren, die er setzt, man kann ihn für die Politik, die er macht, kritisieren, und man kann die ganze Bundesregierung kritisieren, wenn man das will. Ihm seine Ausbildung abzusprechen ist jedoch ein bisschen seicht. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Also das würde ich nicht machen, das ist kein guter Stil. Inhaltlich bietet nämlich die Politik der Bundesregierung durchaus Potenzial für Kritik, und das kann man dann auch sagen. Was ist es bei diesem Gesetz ganz konkret?

Ich habe mir den Ministerialentwurf angeschaut, das, was aus dem Haus des Bundes­ministers gekommen ist, bevor noch wirklich jemand drübergeschaut hat, außer die Leute intern. Da ist Folgendes dringestanden, was durchaus interessant ist – wobei ich nicht einmal sicher bin, ob er weiß, dass das dringestanden ist –: Da ist dringestanden, dass klinische Tests von Wissenschaftlern nicht publiziert werden dürfen, bevor eine öffentliche Behörde drübergeschaut hat und einen Stempel draufgegeben hat. Jetzt stumpft man in der politischen Debatte natürlich ein wenig ab, aber man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: WissenschaftlerInnen, die lege artis arbeiten, die nach wissenschaftlichen Standards arbeiten, dürfen nicht publizieren, so lange, bis ein Stem­pel von einer öffentlichen Stelle draufkommt. – Das Bundeskanzleramt, ganz konkret der Verfassungsdienst, hat dafür ein Wort gehabt: Zensur.

Im 21. Jahrhundert kommt aus einem Ministerium ein Gesetzesvorschlag, in dem eine Bestimmung drinnen war, die Zensur ist! Das ist tatsächlich die Meinung des Verfas­sungsdienstes gewesen. Diese Bestimmung ist dann auch herausgenommen worden. Ich glaube nur, so etwas darf gar nicht passieren, da muss man das Haus entsprechend im Griff haben. Das ist ein Missstand, der beseitigt gehört und in Zukunft nicht mehr sein darf.

Das Zweite, was nicht passieren darf – Kollege Appé hat es schon gesagt, und das, finde ich, ist die größte Geschichte, die bei vielen, glaube ich, unterm Radar gelaufen ist –, betrifft die Frage, wer die Medizin am Markt kontrolliert. Eine Sache, die man normaler­weise jetzt nicht machen würde, ist, dafür jemanden zu nehmen, der für die Pharmain­dustrie lobbyiert hat. Und da muss man tatsächlich sagen: 18 Jahre hat diese Person für die Pharmaindustrie lobbyiert – und genau diese Person soll jetzt die Behörde leiten, die schaut, ob die Pharmaindustrie alles in Ordnung hält?!Das ist eine Sache, die darf nicht passieren. Ich glaube, Herr Minister – jetzt sind Sie da und ich kann Sie auch direkt ansprechen –, die Motivation und die Intention dahinter waren durchaus aufrichtig. Sie wollten sich im Gegensatz zur ÖVP und im Gegensatz zu dem, was man in den letzten Monaten gesehen hat, nicht in Stellenbeschreibungen einmischen. Das kann ich nach­vollziehen, das kann ich Ihnen auch anrechnen. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass eine Pharmalobbyistin die Medizin und die Medikamente der Österreicherinnen und Österreicher prüft. Das ist ein Widerspruch, das müssen Sie aufhalten. Da schafft sich


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die politische Verantwortlichkeit ab, wenn Sie da nicht einschreiten, das will ich Ihnen wirklich mitgeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das haben Sie vorher nicht gehört: Mir geht es wirklich auch darum, konstruktive Kritik zu üben, und nicht darum, so wie andere Parteien einfach nur draufzuhauen, weil das, glaube ich, tatsächlich eine Sache ist, die keine gute Optik hat und die für das gesamte Land und auch für die politische Debatte schädlich ist.

Eine letzte Sache noch, das ist mehr ein allgemeiner Hinweis: Das Bundesministerium ist zuständig für Soziales, Konsumentenschutz, für Gesundheit und auch für die Pflege. Sie haben mehrfach angekündigt, dass Sie etwas in der Pflege voranbringen wollen. Ich weiß, mit der ÖVP ist das nicht einfach, aber Sie müssen ins Liefern kommen. Die Si­tuation wird nicht leichter, sie wird schwieriger. Long Covid ist ein Faktor. Eine Kollegin aus der grünen Bundesratsfraktion hat gemeint, es gebe schon so tolle Konzepte zu Long Covid und den betroffenen PatientInnen. Ich kenne diese nicht, auch die Gesund­heitsbehörden kennen sie nicht. Da muss man aktiv werden und das liegt in Ihrer Verant­wortung. Wenn das nicht passiert, werden Sie dieser Verantwortung nicht gerecht.

Daher mein konstruktiver Appell: Bitte tun Sie das! Österreich hat sich ein gutes, funktio­nierendes Pflegesystem verdient. Das ist nicht nur alleinig in Ihrer Verantwortung, aber Sie sind halt eben auch Pflegeminister, und da kann man Sie nicht aus der Verantwor­tung entlassen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

19.51


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat An­dreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


19.52.04

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Ja, die freiheitliche Fraktion zeigt, glaube ich, nach ihrem Marathon gewisse Ermüdungserscheinungen. Sie ist mehr oder weniger geschlossen – oder fast geschlossen – nicht mehr da. (Bundesrat Pröller: Wir sind eh da!)

Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um eine Anpassung an EU-Recht, im Kern um eine europakonforme Lösung für Genehmigungsverfahren von Humanarzneimitteln. Daher sind Anpassungen für Regelungen über klinische Prüfungen im Arzneimittelge­setz sowie einzelner dazugehöriger Bestimmungen im Gentechnikgesetz notwendig. Es geht darum, dass wir eine Art Mehrgleisigkeit im Arzneimittelgesetz im Zusammenhang mit Gentherapien oder mit klinischen Studien zur Gentechnik in dem Sinne beheben, dass Widersprüchlichkeiten zwischen Arzneimittelgesetz und Gentechnikgesetz aufge­löst werden.

Zu öffentlicher Kritik am Entwurf kam es erst durch Falschinformationen, aufgrund derer der Entwurf absolut missverstanden und davon ausgegangen wurde, dass klinische Prüfungen von Gentherapien nun überhaupt nicht mehr geregelt werden. Das ist aber nicht der Fall. Falschinformationen haben gerade jetzt – wie wir alle bemerken – Hoch­konjunktur.

In vielen Mails, die ich in den letzten Tagen erhalten habe, wird auch behauptet, dass es sich bei den Covid-Impfungen um Gentherapie handeln würde. Ich möchte hier an dieser Stelle noch einmal klarstellen, dass das natürlich nicht so ist. Die MRNA-Impfung oder genauer gesagt die Impfung mit MRNA-Wirkstoffen ist keine Gentherapie. Es handelt sich dabei auch nicht um einen gentechnisch veränderten Organismus.

Ebenso klar zurückweisen möchte ich die Behauptung, dass die Gesetzesnovellierung jetzt irgendetwas am hohen österreichischen Schutzniveau ändern würde. Es gibt natür­lich auch weiterhin das Vorsorgegebot, das eben in § 1 Abs. 1 des Gentechnikgesetzes verankert ist und dafür sorgt, dass das im Zusammenhang gilt. Es ist natürlich auch


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weiterhin das Sicherheitsniveau für die PrüfungsteilnehmerInnen enthalten. Es ist auch weiterhin geklärt, dass beispielsweise gemäß § 64 Gentechnikgesetz kein Eingriff in die menschliche Keimbahn vorgenommen werden darf.

All diese Dinge sind natürlich auch weiterhin gewährleistet. Es geht wirklich nur darum, dass wir drei Rechtsmaterien zueinander so abstimmen, dass sie schlüssig sind und einerseits für die Betroffenen und andererseits auch für die forschenden Unternehmen Sicherheit bieten.

Die Gesetzesmaterie war im Herbst in Begutachtung, und die Stellungnahmen wurden auch berücksichtigt und eingearbeitet. Es gibt jetzt also eine konsolidierte Novelle mit sehr hohen Sicherheitsstandards, und daher ersuche ich auch um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.55


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gün­ter Pröller. Ich erteile ihm das Wort.


19.55.44

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren hier im Haus und vor den Bildschirmen! Wir haben eine sehr emotionale Debatte geführt, und das zeigt mir, dass uns die Anliegen der Bürger wichtig sind. Es freut mich auch, dass ich dem freiheitlichen Klub angehöre, weil man da wirklich spürt, dass die Menschen in den Vordergrund gestellt werden, man weiterhin ein Sprachrohr sein und die Menschen weiterhin unterstützen wird. (Bundesrätin Zwazl: Aber es ist fast keiner mehr da!)

Nach dem Impfpflichtgesetz, welches wir jetzt heftig über 2, 3 Stunden diskutiert haben, stimmen wir jetzt über die Änderungen im Arzneimittel- und im Gentechnikgesetz ab. Wenn man sich das Gesetz anschaut – entweder den Entwurf oder die Stellungnah­men –, kommt einem wirklich vor, dass die Debatte und die Diskussion über das Impf­pflichtgesetz nur so eine Rahmengeschichte sind. In Wirklichkeit sind die Änderungen des Arzneimittel- und des Gentechnikgesetzes das Entscheidende.

Trotz der Eile, die die Bundesregierung durch die Kurzfristigkeit verursacht hat, sind über 41 400 Stellungnahmen eingegangen – und darunter sehr kritische, sei es von der Arge Daten, der Apothekerkammer oder auch – für die Grünen – von den Biobauern gegen Gentechnik. Auch die ehemalige Chefin der Grünen, Frau Petrovic, hat sich dazu geäu­ßert – wir haben es auch schon bei der Impfpflicht gehört – und meint, dass die EU-Richtlinien der Grund seien, dass die Änderungen notwendig wären, sie aber schon einen Zusammenhang mit der Covid-Impfkampagne und vor allem mit der Impfpflicht sehe. Das sollte gerade den Grünen zu denken geben.

Wenn man sich anschaut, wie viele besorgte Bürger geschrieben haben – ob das jetzt gerechtfertigt ist oder nicht, ob das eingearbeitet worden ist oder nicht –, spürt man, dass da etwas im Laufen ist. In einer Stellungnahme wurde geschrieben: Hätte man An­fang 2020 behauptet, dass eine Impfpflicht eingeführt wird, bei deren Nichtbefolgung ho­he Strafen folgen, dass die Ungeimpften seit über zwei Monaten weitgehend vom gesell­schaftlichen Leben ausgeschlossen werden – ja, Lockdown, jetzt immer noch 2G, und irgendwann hört sich das jetzt auf – und dass im Zusammenhang mit der Diskussion des Impfpflichtgesetzes jetzt das Gentechnikgesetz erweitert wird, dabei der Einsatz gen­technisch veränderter Organismen in der Humanmedizin ermöglicht wird und derzeit im Arzneimittelgesetz geregelte Schutzbestimmungen ersatzlos aufgehoben werden, dann wäre das in die Kategorie der Verschwörungstheorien oder Fakenews eingeordnet wor­den. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 192

Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Kollegen! Ja, es passiert jetzt. Wir haben es bei der Impfpflicht gesehen, wir haben es jetzt auch beim Arzneimittel- und Gentech­nikgesetz wieder, denn auch da wird die Mehrheit dafür sein.

Aus gutem Grund ist bisher der Einsatz von gentechnisch veränderten Lebensmitteln als sehr kritisch gesehen worden. Diese Vorbehalte werden nunmehr bei der Verwendung von Arzneimitteln ignoriert, das Löschungsrecht der Teilnahme an klinischen Prüfungen wurde nicht übernommen – und das alles passiert im Windschatten des Impfpflichtge­setzes.

Die Änderungen entsprechen aus meiner Sicht und auch aus der vieler Expertinnen und Experten – wie Sie immer sagen – nicht den verpflichtenden Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung. Dieses Gesetz enthält sehr viele fragwürdige und abzulehnende Pas­sagen. Diese Änderungen betreffen auch Verfassungsbestimmungen und zielen darauf ab, die Einschränkung bei der Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen als Humanarzneimittel aufzuheben.

Was bisher zu Recht verboten oder zumindest sehr eingeschränkt war, wird nun ohne besondere Vorschriften, Kontrollen und Überwachungen zugelassen, und dies unter dem Deckmantel des Wirtschaftsstandortes. Dies bedeutet de facto, der Staat überträgt die bisher vorgeschriebenen Regelungen zur behördlichen Überwachung von klinischen Prüfungen an die von den Arzneimittelherstellern einzurichtenden Ethikkommissionen – auch sehr spannend. Das ist eine wenig erfreuliche Vorstellung, wenn man bedenkt, wie die Bioethikkommission agiert, für deren Vorsitzende Christiane Druml sogar weitere Impfpflichten denkbar sind – also unvorstellbar.

Auch die Bestimmungen über Informationen von Patienten und informierte Zustimmun­gen werden bis zur Wirkungslosigkeit verwässert. Paragrafen über Meldungen von Ne­benwirkungen werden einfach gestrichen. Auch die Verlagerung zentraler hoheitlicher Aufgaben zu von wirtschaftlichen und sonstigen Interessen getriebenen privaten Einrich­tungen ist unglaublich.

Und jetzt – Bundesrat Appé hat es schon angesprochen, auch mein Vorredner jetzt – wird eine Lobbyistin aus der Pharmaindustrie neue Chefin des Geschäftsbereiches Me­dizinmarktaufsicht, die für die Zulassung von Medikamenten und Impfstoffen zuständig ist. Gibt es da auch einen Sideletter oder etwas in der Art, ist das also auch schon aus­gemacht worden, dass die das wird? Das ist unvorstellbar, unglaublich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich und viele andere sehen da einen klaren Interessenkonflikt, und ich ersuche alle Mit­glieder der Bioethikkommission, des Nationalen Impfgremiums, den Covid-Beraterstab sowie die sonstigen Berater und Experten der Regierung, auf ihre Naheverhältnisse zu schauen und dafür zu sorgen, dass eventuelle Bezüge von Pharmakonzernen offenge­legt werden.

Es ist schon angesprochen worden, dass die Amtszeit des Ministers vielleicht bald ein Ende hat, ich weiß es nicht. Ich bin gespannt, wenn er seine Karriere als Minister been­det, wo er dann aufschlägt, wo er dann seinen zukünftigen Arbeitsplatz haben wird. Wir werden uns wahrscheinlich wundern, wo er dann nach seiner Karriere als Minister tätig sein wird. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Immerhin hat er eine eigene Ordi­nation!)

Zusammenfassend: Es ist inakzeptabel, das Arzneimittelgesetz und das Gentechnikge­setz wie vorgeschlagen abzuändern, und ich appelliere an Ihre Vernunft, sich für die Gesundheit der Menschen einzusetzen und diese nicht mit fragwürdigen Gesetzen zu gefährden. Daher werden wir der Novelle unsere Zustimmung verweigern.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 193

Es steht für mich fest: Diese Regierung hat schon mehrmals die rote Linie überschritten. Wir brauchen eine neue Form der Politik: zurück zur Freiheit, zurück zu den Grundrech­ten! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.02


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich erteile ihr das Wort.


20.02.45

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Herr Vorsitzender! Ge­schätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher, die Sie vielleicht zur späten Stunde noch online sind! Ja, es wird in dieser digitalen, schnelllebigen Zeit zunehmend schwieriger für die Bürgerinnen und Bürger, Fakenews und Fakten auseinanderzuhalten. Das hat man zum Teil inhaltlich auch heute in dieser Debatte mitbekommen.

Wer von Ihnen in den vergangenen Wochen und Monaten in den sozialen Medien, Dis­kussionsforen zu diesem Thema unterwegs war, hat dort sicher auch einiges über die Änderungen des Arzneimittel- und des Gentechnikgesetzes gelesen oder gehört. Beson­ders in Beiträgen, Videos wurde zu diesem Thema ganz bewusst falsch informiert und wurden Fakten mit Fakes vermischt. Ganz gezielt werden damit Menschen verunsichert und verängstigt und die heute zur Beschlussfassung stehende Gesetzesnovelle auch mit der Coronaimpfung und der Impfpflicht in Verbindung gebracht. (Bundesrat Hübner: Ja, das stimmt, völlig richtig!)

Fakt ist aber, der Grund der Anpassungen im Arzneimittel- und im Gentechnikgesetz ist eine EU-Verordnung aus dem Jahre 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarznei­mitteln, also aus einer Zeit, in der von einer Coronapandemie noch keine Rede war. Und jetzt wird es ein bisschen technisch: Die EU-Verordnung wurde im Juli letzten Jahres im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, und genau ein halbes Jahr später tritt diese Verordnung in Kraft, das heißt also mit Februar dieses Jahres. Diese Anpassung an das EU-Recht muss also schlichtweg jetzt passieren, sonst würde Österreich ein Ver­tragsverletzungsverfahren riskieren.

Nochmals kurz zusammengefasst, worum es in der Novelle geht, auch um einigem von dem, was mein Vorredner, Herr Bundesrat Prüller, gesagt hat, zu entgegnen: Genehmi­gung, Durchführung und Überwachung klinischer Studien von Arzneimitteln werden künftig europaweit einheitlich geregelt. Daher werden die Regeln zu den klinischen Stu­dien im nationalen Arzneimittelgesetz und auch im Gentechnikgesetz aufgehoben, wenn sie bereits in EU-Recht, in der EU-Verordnung geltend sind, um eben Doppelgleisigkei­ten zu vermeiden.

Geschätzte Damen und Herren! Hochwertige klinische Arzneimittelstudien sind für Ös­terreich mehrfach bedeutsam. Sie sind enorm wichtig für unsere Gesundheitsversorgung und sichern auch den medizinischen Fortschritt in unserem Land. Andererseits sind sie ein wichtiger Beitrag unseres Forschungsstandortes, der wiederum bedeutsam für die forschende Pharmazie und die Ärzteschaft in Österreich ist. Für Prüfungsteilnehmer, sogenannte Probanden, sichert das einen raschen Zugang zu innovativen Arzneimitteln, verbessert Heilungschancen und bringt somit auch mehr Lebensqualität für Kranke.

Als Beispiel: In Österreich wurden 2020 insgesamt 273 klinische Prüfungen, in deren Rahmen Impfstoffe und Medikamente entwickelt werden, von der Behörde beantragt, darunter auch ein Impfstoff sowie zehn Therapeutika gegen Covid-19.

In dieser Gesetzesnovelle wird das Zusammenwirken der Arzneimittelbehörde und einer aus verschiedenen Fachbereichen breit zusammengesetzten Ethikkommission genau geregelt, um ein effektives und sicheres Genehmigungsverfahren zu etablieren.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 194

Ja, auch Schutzbestimmungen für besonders vulnerable Gruppen werden ausgeweitet. Entgegen Falschmeldungen bleiben auch die Sicherheitsbestimmungen, wie zum Bei­spiel für Schwangere, aufrecht, nur sind diese bereits im geltenden EU-Recht geregelt. Fälschlicherweise wird in Fakenews auch behauptet, die Anpassungen im Gentechnik­gesetz würden mit der Coronaimpfung zusammenhängen. Der Knackpunkt bei diesen Falschmeldungen ist, wie mein Kollege Lackner schon ausgeführt hat: Die Coronaimp­fung mit einem MRNA-Impfstoff ist keine Gentherapie und ist daher darin auch nicht geregelt und betroffen. Es ist klar zu unterscheiden: In der EU und somit auch in Ös­terreich sind somatische Gentherapien, mit denen wirklich schwere Erbkrankheiten be­handelt werden, schon bis dato im Gentechnikgesetz geregelt und daher nichts Neues.

Zum Kollegen Pröller, der auch die Landwirtschaft erwähnt hat: In diesem Gesetz geht es rein um die Rote Gentechnik, also um die Humanmedizin, und nicht um die Landwirt­schaft.

Auch die Vorsitzende der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt, die Juristin Chris­tiane Druml, sagte zu dieser Gesetzesnovelle, die Änderungen im Arzneimittel- und Gen­technikgesetz seien rein formeller und nicht inhaltlicher Natur.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere daher an Sie, die Fakten zu prüfen, die Inhalte bitte nicht emotional, sondern sachlich zu betrachten, und bitte daher um breite Zustimmung zu diesem Beschluss. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.08


20.08.49

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.09.2610. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Beer, Markus Leinfellner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Österreichischen Bundesheers – Auswirkungen auf die Länder (301/A(E)-BR/2021 sowie 10875/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Sandra Gerdenitsch. – Ich bitte um den Bericht.


20.09.55

Berichterstatterin Mag. Sandra Gerdenitsch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Lan­desverteidigungsausschusses des Bundesrates über den Entschließungsantrag der Bundesräte Beer, Leinfellner, Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Österreichischen Bundesheers – Auswirkungen auf die Länder zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem Antrag die Zustimmung zu erteilen. – Danke schön.


20.10.37

Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich niemand.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 195

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Entschlie­ßungsantrag der Bundesräte Wolfgang Beer, Markus Leinfellner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Österreichischen Bundes­heers – Auswirkungen auf die Länder ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit angenommen. (354/E-BR/2022)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.11.28Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Vizepräsident Günther Novak: Es liegt mir ein schriftliches Verlangen von fünf Mitglie­dern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungspunk­te 6 bis 8 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls.

„Tagesordnungspunkte 6 bis 8:

Es liegt zu TOP 6 ein ausreichend unterstütztes Verlangen auf namentliche Abstim­mung [...] vor [...].

Die Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 6 den Entschlie­ßungsantrag Beilage 6/1 EA ein.

Die Bundesräte Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Ar­thur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 6 den Entschließungsantrag Beilage 6/2 EA ein.

Die Bundesräte Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen bringen zu TOP 6 den Entschließungsantrag Beilage 6/3 EA ein.

Die Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 6 den Ent­schließungsantrag Beilage 6/4 EA ein.

Die Bundesräte Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen bringen zu TOP 6 den Entschließungsantrag Beilage 6/5 EA ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 6:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird in namentlicher Abstim­mung bei abgegebenen Stimmen: 59 mit Ja-Stimmen: 47 und Nein-Stimmen: 12 ange­nommen.

Sitzungsunterbrechung zur Stimmenauszählung von 19:40 Uhr bis 19:42 Uhr.

Der Entschließungsantrag Beilage 6/1 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 6/2 EA wird mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 6/3 EA wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 6/4 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 6/5 EA wird mit Stimmenmehrheit angenommen.

TO-Punkt 7:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll937. Sitzung, 937. Sitzung des Bundesrates am 3. Februar 2022 / Seite 196

TO-Punkt 8:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird mit Stimmenmehrheit an­genommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder gegen den Inhalt dieses Teils des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 6 bis 8 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als ge­nehmigt.

Einlauf und Zuweisung


Vizepräsident Günther Novak: Ich gebe nun bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt fünf Anfragen eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Erarbeitung geeigneter Strategien für Long-Covid-Patient*in­nen, die an Ihren angestammten Arbeitsplatz so rasch als möglich zurückkehren wollen“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg er­folgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, 9. März 2022, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, 7. März 2022, 14 Uhr, vorgesehen.

Kommen Sie gut nach Hause!

Die Sitzung ist geschlossen.

20.15.32Schluss der Sitzung: 20.15 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien