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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

938. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 9. März 2022

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

938. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 9. März 2022

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 9. März 2022: 9.00 – 22.52 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien be­treffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 und zum 18-Monats­programm des Rates für 2022/2023 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG

2. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern im Zusammenhang mit der Verlängerung der Finanzausgleichsperiode bis Ende des Jah­res 2023

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kur­anstalten geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (COVID-19-Compliance-Gesetz)

5. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Repu­blik zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tsche­chischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen

6. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Bul­garien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Est­land über die Förderung und den Schutz von Investitionen

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Li­tauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen

10. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort be­treffend EU Vorhaben 2022


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 2

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird

12. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, In­novation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2022 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahrespro­grammes des Rates

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Gelegen­heitsverkehrs-Gesetz 1996 und das Kraftfahrliniengesetz geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird

20. Punkt: Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hos­piz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Ar­beitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Bundesgesetz zur Bekämpfung pande­miebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert werden

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird

27. Punkt: Bericht des Bundesministers für Arbeit betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmonatspro­gramms des Rates für 2022/2023

28. Punkt: Wahl eines Mitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Natio­nalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 3

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Inhalt

Bundesrat

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................      32

Erklärung des Vizekanzlers Mag. Werner Kogler und der Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anläss­lich der Umbildung der Bundesregierung sowie zur aktuellen Lage in der Krise zwischen Russland und der Ukraine – Bekanntgabe ..............................................      32

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ................      32

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................      33

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................      40

Debatte:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      45

Sonja Zwazl .............................................................................................................      47

Korinna Schumann .................................................................................................      48

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      51

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      55

Marco Schreuder ....................................................................................................      57

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................      59

Stefan Schennach ...................................................................................................      62

Christoph Steiner ....................................................................................................      65

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................      69

Sebastian Kolland ...................................................................................................      71

Günter Kovacs ........................................................................................................      73

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      76

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................      79

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................      81

Josef Ofner ...................................................................................................  84, 96

Ingo Appé ................................................................................................................      87

Günter Pröller ..........................................................................................................      89

Markus Leinfellner .......................................................................................  91, 96

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................      95

Karl Bader (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................      96

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „weite­re Solidarität und Unterstützung der Ukraine“ – Annahme (358/E-BR/2022) ...  61, 97

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung des österreichischen Bundesheers“ – Ableh­nung ...............................................................................................................  75, 97

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bundesheer und Anhebung des Regelbudgets ,Militärische Angelegenheiten‘ auf 1 % des BIP zum Schutz der österreichischen Neutralität“ – Ablehnung .........................  92, 97

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinführung der 8 Monate Grundwehrdienst im Mo­del 6 + 2 Monate“ – Ablehnung .....................................................................  94, 97


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 4

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung:

Christoph Steiner ....................................................................................................      68

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundesmi­nisterium für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Teilnahme Österreichs an den Beratungen und Beschlussfassungen des INB (Intergouvernementales Verhand­lungsgremium) und zur Verhandlung einer „WHO-Konvention, eines Vertrages oder eines anderen internationalen Instruments zur Verhinderung von und zur Bereitschaft und Reaktion auf Pandemien“ durch den Herrn Bundespräsidenten        105

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundesmi­nisterium für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit im Bereich des Eisenbahnverkehrs durch den Herrn Bundespräsidenten ..................................................................................    109

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      14

Aktuelle Stunde (93.)

Thema: „Empowerment – Stärkung von Mädchen und Frauen in Österreich“        14

RednerInnen:

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................      14

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      16

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      19

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      20

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................      23

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................      25

Mag. Sandra Gerdenitsch ......................................................................................      26

Markus Leinfellner ..................................................................................................      28

Marco Schreuder ....................................................................................................      29

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      30

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc betreffend Amtsent­hebung des Bundesministers Dr. Wolfgang Mückstein gemäß Art. 74 Abs. 3 B-VG bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Johannes Rauch zum Bundesminis­ter für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß Art. 70 Abs. 1 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten ..................................................    102

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...  103, 104

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................    114

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  98, 2


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 5

28

28. Punkt: Wahl eines Mitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungs­gesetzes 1948 ...........................................................................................................    228

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Me­dien betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2022/2023 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-778-BR/2022 d.B. sowie 10900/BR d.B.) .....................................    114

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................    114

RednerInnen:

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    114

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................    116

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................  117, 125

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................    118

Marlies Steiner-Wieser (tatsächliche Berichtigung) ...............................................    122

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    123

Nicole Riepl .............................................................................................................    125

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förder­konzeptes nach dem Berndorfer Modell“ – Ablehnung ............................  115, 127

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbesserungen im Kindergarten- und Elementarbil­dungsbereich umsetzen“ – Ablehnung .....................................................  120, 127

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-778-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen ...........................................................................................    127

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern im Zusammenhang mit der Verlängerung der Finanzausgleichsperiode bis Ende des Jahres 2023 (1327 d.B. und 1344 d.B. sowie 10901/BR d.B.) ................................    127

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................    128

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (1345 d.B. sowie 10902/BR d.B.) ......................................................    127

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................    128

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (COVID-19-Compliance-Gesetz) (2180/A und 1346 d.B. sowie 10876/BR d.B. und 10903/BR d.B.) .........................................................................................................    127

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................    128

RednerInnen:

Günter Kovacs ........................................................................................................    128

Elisabeth Mattersberger .........................................................................................    130


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 6

Josef Ofner ..............................................................................................................    131

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    134

Otto Auer .................................................................................................................    135

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. .......................................................    136

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“ – Ablehnung  129, 138

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Kinderbetreuungs-Zweckzuschussgesetz des Bundes zur Umset­zung eines Gratis-Angebots in der Elementarpädagogik“ – Ablehnung ..  133, 138

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    138

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    138

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    138

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechi­schen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1239 d.B. und 1300 d.B. sowie 10894/BR d.B.) .........................    139

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................    139

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegensei­tige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (1240 d.B. und 1301 d.B. sowie 10895/BR d.B.) ..............................................................................    139

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................    139

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien zur Be­endigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von In­vestitionen (1284 d.B. und 1302 d.B. sowie 10896/BR d.B.) ...................................    139

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................    139

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Beendi­gung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1285 d.B. und 1303 d.B. sowie 10897/BR d.B.) ...............................................................................................    139

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................    139

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Been-


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 7

digung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Li­tauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1310 d.B. sowie 10898/BR d.B.) .........................................................................................................    139

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................    139

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    140

10. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstand­ort betreffend EU Vorhaben 2022 (III-775-BR/2022 d.B. sowie 10899/BR d.B.)           141

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .........................................................................    141

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    142

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................    143

Stefan Schennach ...................................................................................................    145

Marco Schreuder ....................................................................................................    146

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    147

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-775-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................    149

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (1328 d.B. und 1358 d.B. sowie 10891/BR d.B.) ..............................................................................    149

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................    149

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    149

Michael Bernard ......................................................................................................    151

Silvester Gfrerer ......................................................................................................    153

Günther Novak ........................................................................................................    155

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    157

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitliches Maßnahmenpaket gegen die grüne Inflation“ – Ablehnung .................................................................................................  152, 160

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    160


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 8

12. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobi­lität, Innovation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2022 auf der Grund­lage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates (III-780-BR/2022 d.B. sowie 10892/BR d.B.) .........    160

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................    160

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................  161, 171

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    163

Florian Krumböck, BA ............................................................................................    165

Stefan Schennach ...................................................................................................    167

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    168

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Energiearmut verhindern – keine Umsatzsteuer auf Strom und Gas“ – Ablehnung ..............................................................................  163, 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-780-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................    172

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Gelegenheitsver­kehrs-Gesetz 1996 und das Kraftfahrliniengesetz geändert werden (2224/A und 1347 d.B. sowie 10877/BR d.B. und 10893/BR d.B.) ..............................................    172

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    172

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................    172

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    173

Barbara Tausch .......................................................................................................    174

Dominik Reisinger ..................................................................................................    175

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Treffsichere und sozial gerechte Hilfe bei horrenden Spritprei­sen“ – Ablehnung ......................................................................................  176, 177

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    177

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1971/A und 1350 d.B. sowie 10885/BR d.B.) .......................................................................    177

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    177

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (2063/A und 1353 d.B. sowie 10878/BR d.B. und 10886/BR d.B.) ...............................................................    177

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    177

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................    178

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    180


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 9

Christoph Steiner ....................................................................................................    181

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    184

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „sofortige Maßnahmen gegen den Vormarsch der ,Zwei-Klassen-Medizin‘ insbesondere durch den Kinderärzt*innenmangel“ – Ablehnung ......  179, 185

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    185

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    185

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird (2215/A und 1351 d.B. sowie 10879/BR d.B. und 10887/BR d.B.) ..............................................    186

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    186

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 (2235/A und 1352 d.B. sowie 10880/BR d.B. und 10888/BR d.B.) .........................    186

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    186

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2172/A und 1354 d.B. sowie 10881/BR d.B. und 10889/BR d.B.) ..............................................    186

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    186

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (1355 d.B. sowie 10890/BR d.B.) .............................................................................    186

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    186

RednerInnen:

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................    187

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    188

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    189

Martin Preineder .....................................................................................................    194

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    195

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    196

Markus Leinfellner ..................................................................................................    197

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bericht an den Bundesrat über die Anzahl der Österreicher, die durch die COVID-19 Maßnahmenregelungen und ihren gesetzwidrigen Ver­ordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch fi­nanziell Schaden genommen haben“ – Ablehnung ..................................  193, 198

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    198


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 10

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    198

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    198

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    198

20. Punkt: Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-770-BR/2022 d.B. sowie 10904/BR d.B.) ....................    199

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................    199

RednerInnen:

Christoph Steiner ....................................................................................................    200

Andreas Lackner .....................................................................................................    200

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    201

Ingo Appé ................................................................................................................    203

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    203

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-770-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen ...........................................................................................    204

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Pal­liativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur fi­nanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bau­ern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz geändert werden (1290 d.B. und 1332 d.B. sowie 10882/BR d.B. und 10905/BR d.B.) .........................................................................................................    204

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................    204

RednerInnen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................    205

Andrea Kahofer .......................................................................................................    206

Günter Pröller ..........................................................................................................    207

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    208

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    209

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (2192/A und 1333 d.B. sowie 10906/BR d.B.) .........................................................    210


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 11

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................    210

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Be­amten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2214/A und 1334 d.B. sowie 10883/BR d.B. und 10907/BR d.B.) ..............................................    210

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................    210

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsge­setz geändert werden (2217/A und 1335 d.B. sowie 10908/BR d.B.) .....................    210

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................    210

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz und das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemie­bedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert werden (1336 d.B. sowie 10884/BR d.B. und 10909/BR d.B.) ...............................................................    210

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    211

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (2216/A und 1337 d.B. sowie 10910/BR d.B.) ..............................................................................    210

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    211

RednerInnen:

Eva Prischl ...............................................................................................................    211

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................    213

Korinna Schumann .................................................................................................    215

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    217

Andreas Lackner .....................................................................................................    218

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    220

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................    220

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „vorgezogene Pensionsanpassung zur Abfederung der Teue­rung“ – Ablehnung .....................................................................................  213, 222

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket gegen die Armuts- und Ausgren­zungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien“ – Ablehnung    216, 222

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    221

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 23, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    221

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 24, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    221

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 25, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    221

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 26, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    221

27. Punkt: Bericht des Bundesministers für Arbeit betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Acht­zehnmonatsprogramms des Rates für 2022/2023 (III-774-BR/2022 d.B. sowie 10911/BR d.B.) .........................................................................................................    222


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 12

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    223

RednerInnen:

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    223

Sebastian Kolland ...................................................................................................    224

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................    225

Andreas Lackner .....................................................................................................    226

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................    227

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-774-BR/2022 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................    228

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Maßnahmen gegen den Vor­marsch der ,Zwei-Klassen-Medizin‘ insbesondere durch den Kinderärzt*innenmangel (322/A(E)-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur Er­höhung der Väterbeteiligung (323/A(E)-BR/2022)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliches Verbot von Konversionstherapien endlich umsetzen (324/A(E)-BR/2022)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend diskriminierungsfreie Blutspende endlich umsetzen (325/A(E)-BR/2022)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht an den Bun­desrat über die Anzahl der Österreicher, die durch die COVID-19 Maßnahmenregelun­gen und ihren gesetzwidrigen Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psy­chisch, physisch sowie auch finanziell Schaden genommen haben (326/A(E)-BR/2022)

Anfragen der BundesrätInnen

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend willkürliche Personalfeststellung in Orth an der Donau? (3986/J-BR/2022)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auszahlungschaos beim Energiekostenausgleich (3987/J-BR/2022)

Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend explodierende Mietpreise (3988/J-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Altersstruktur steirischer Kas­senärzte (3989/J-BR/2022)

Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Mögliche Bundesmittel für öffentlichen Verkehr in Graz (3990/J-BR/2022)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Altersstruktur von Kassenärzten (3991/J-BR/2022)

Anfragebeantwortungen


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 13

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pro­bleme bei Schüler*innentransporten (3673/AB-BR/2022 zu 3964/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen An­dreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lieferung der Leonar­do AW169M (3674/AB-BR/2022 zu 3965/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beirat für Elementarpädagogik und Bund-Länder-Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG (3675/AB-BR/2022 zu 3972/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sachverhaltsdarstellung zum Wirt­schaftspark Sieghartskirchen (3676/AB-BR/2022 zu 3966/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Projekt Selbstwert- Mädchen und junge Frauen stärken! (3677/AB-BR/2022 zu 3969/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau von Breitbandverbindungen und die Breitbandstrategie 2030 (3678/AB-BR/2022 zu 3968/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau von Breitbandverbindungen und die Breitbandstrategie 2030 (3679/AB-BR/2022 zu 3967/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bildungszen­trum im Süden von Graz (3680/AB-BR/2022 zu 3971/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nachmittagsbe­treuung und Ausbau von Ganztagsschulen (3681/AB-BR/2022 zu 3973/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betref­fend 2G-Beschränkung für Hundeausbildung (3682/AB-BR/2022 zu 3976/J-BR/2021)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evakuierungen aus Afghanistan (3683/AB-BR/2022 zu 3975/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen be­treffend geimpfte und nicht ausreichend geimpfte Patienten in Spitälern (3684/AB-BR/2022 zu 3974/J-BR/2021)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Karl Bader, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gutach­ten, Studien und Umfragen (3685/AB-BR/2022 zu 3978/J-BR/2021)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der BundesrätInnen Karl Bader, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gutachten, Studien und Umfragen (3686/AB-BR/2022 zu 3980/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 2G-Regel an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (3687/AB-BR/2022 zu 3977/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Karl Bader, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Gutachten, Studien und Umfragen (3688/AB-BR/2022 zu 3979/J-BR/2021)


 


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 14

09.00.47Beginn der Sitzung: 9.00 Uhr

Vorsitzende: Vizepräsident Günther Novak, Vizepräsidentin Sonja Zwazl.

09.01.05*****


Vizepräsident Günther Novak: Ich eröffne die 938. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 937. Sitzung des Bundesrates vom 3. Februar 2022 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Präsidentin des Bundesrates Mag. Christine Schwarz-Fuchs sowie die Mitglieder des Bundesrates Mag. Franz Ebner, Ing.in Isabella Kalten­egger, Johanna Miesenberger, Dr. Peter Raggl, Ernest Schwindsackl, David Egger, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Mag. Bettina Lancaster, Horst Schachner, Stefan Zaggl-Kasztner und Markus Steinmaurer. Das sind zwölf Bundesrätinnen und Bundesräte.

09.02.01Aktuelle Stunde


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Empowerment – Stärkung von Mädchen und Frauen in Österreich“

mit der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanz­leramt MMag. Dr. Susanne Raab, die ich herzlich willkommen heißen darf. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiede­rum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


09.03.19

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuhörer zu Hause! Gestern, am 8. März, war Internationaler Frauentag, ein Tag, an dem auf Gleichberechtigung und Frauenrechte aufmerksam gemacht wurde; ein Tag, der heuer zum 111. Mal inszeniert wurde und in Berlin beispielsweise auch ein Feiertag ist. Und heuer ist er wichtiger denn je, weil er uns aufzeigen soll, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Es ist ein Tag, der uns aufzeigt, dass uns die Coronapan­demie wieder ein Stück weit zurückgeworfen hat.

Es ist aber auch ein Tag, der zeigt, wie nichtig manche Probleme werden, wenn man das Leid und die Sorgen der Menschen in der Ukraine sieht, insbesondere der Frauen und Kinder, die flüchten müssen, um zu überleben, Mütter, die Angst um ihre Söhne haben und hoffen, sie lebend wiederzusehen. Tun wir unser Möglichstes, um diesen Menschen zu helfen, nutzen wir diesen Moment, um unsere Solidarität mit den Menschen,


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 15

mit den Frauen und Kindern in der Ukraine zu zeigen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das Thema der Aktuellen Stunde heute lautet Stärkung von Mädchen und Frauen in Österreich, und darauf möchte ich jetzt auch wieder zurückkommen.

Meine Tochter hat mich gestern gefragt: Weshalb braucht es eigentlich einen Weltfrau­entag? Ich habe ihr dann zur Antwort gegeben: Weil wir im 21. Jahrhundert noch immer nicht dort sind, wo wir sein sollten. Und wir werden diesen Tag tatsächlich auch so lange brauchen, bis wir nicht mehr von Gleichberechtigung sprechen müssen, sondern Gleich­berechtigung eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Sie hat mich auch gefragt, ob es einen Internationalen Männertag gibt. Ja, den gibt es; viele von uns wissen das vielleicht gar nicht. Er findet am 19. November statt. Ich finde diesen genauso wichtig, weil ich generell kein Fan von Stereotypen bin und es wichtig ist, auch das soziale Engagement von Männern zu fördern und wertzuschätzen, denn Frauenpolitik braucht auch Männer; und ohne diese miteinzubeziehen, wird das mit ge­lebter Gleichberechtigung nicht funktionieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­tInnen der Grünen.)

Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel aus meiner Familie erzählen: Wir sind gemeinsam bei einem gemütlichen Familienessen beisammen gesessen und als wir mit dem Essen fertig waren, standen automatisch alle Frauen auf und begannen, den Tisch abzuräu­men, während aber die Männer sitzen blieben und weiter plauderten. Meine Tochter stand schließlich auch auf und meinte: Wieso stehen jetzt eigentlich alle Frauen auf, und die Männer bleiben sitzen? Das ist ja unfair. Wenn wir alle zusammenhelfen, dann sind wir auch schneller fertig.

Sie hat vollkommen recht, hier fängt für mich auch schon Empowerment an. Traditionelle Rollenbilder, die vielleicht für viele von uns mittlerweile zur Selbstverständlichkeit gewor­den sind, müssen aufgebrochen und verändert werden. Und dazu braucht es Vorbilder, dazu braucht es Rolemodels, die anderen Frauen und Mädchen Mut machen und als Vorbild dienen.

Genau deshalb wurde auch von unserer Bundesministerin ein Fonds ins Leben gerufen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen mit Männern in Österreich zu verbes­sern und aktuellen Herausforderungen in der Frauenpolitik wie beispielsweise dem Genderpaygap, dem Genderpensiongap und dem niedrigen Frauenanteil in Mint-Beru­fen entgegenzuwirken: LEA – Let’s Empower Austria mit Brigitte Bierlein als Ehrenpräsi­dentin und vielen weiteren erfolgreichen Frauen, die jungen Frauen und Mädchen ein stärkendes, ermutigendes Frauenbild vermitteln, das vor allem auf ökonomische Unab­hängigkeit, ein selbstbestimmtes Leben und Wahlfreiheit setzt.

Wie wichtig das den Österreichern und Österreicherinnen ist, zeigt eine ganz aktuelle repräsentative Umfrage von Marketagent: Jeder/jede Zweite denkt, dass Frauen in Ös­terreich benachteiligt sind. Die Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen ver­bindet mit dem Begriff etwas Positives und findet, dass es notwendig ist, sich für Gleichberechtigung einzusetzen. Frauen weisen diesem Thema einen höheren Stellen­wert zu. Acht von zehn Befragten sehen die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern als wichtig an. Sechs von zehn Österreichern und Österreicherinnen sind der Auffas­sung, dass Frauen hierzulande nicht gleichberechtigt sind.

Was sind also Maßnahmen? Auch diese Maßnahmen sind abgefragt worden, und auf diese möchte ich kurz hinweisen: An erster Stelle wurde eine bessere finanzielle Absi­cherung in der Pension genannt. An zweiter Stelle wurde der Ausbau von Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen genannt. Dann wurden der Ausbau der Kinderbetreuung, fle­xiblere Arbeitszeiten für Vereinbarkeit von Kind und Beruf und die Gehaltstransparenz als Mittel gegen Einkommensunterschiede genannt.


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Genau das sind auch die Punkte, bei denen wir ansetzen müssen, damit jede Frau die Chancen vorfindet, wie sie auch Männer haben, um das Lebensmodell zu wählen, wel­ches ihr persönlich wichtig ist.

Das fängt auch schon im privaten Umfeld an, wenn Mütter mit Kindern unter zwölf Jahren während der Coronapandemie ihre Arbeitszeit von durchschnittlich 31 auf 26 Stunden reduzieren mussten, was sich natürlich auch einmal auf ihre Pensionen auswirken wird. Die Gesamtarbeitszeit von diesen Frauen ist aber aufgrund unbezahlter Caretätigkeiten gestiegen, und zwar um 8 Stunden pro Woche.

Das geht aber auch über Führungs- und Entscheidungspositionen, wo Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind. Im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern ist es aber wichtig, dass auch Frauen genauso wie Männer in entscheidenden Positionen und Gremien vertreten sind und gleichberechtigt mitgestalten können – vor allem auch im technischen und im naturwissenschaftlichen Bereich, wo noch sehr viel ungenutztes Potenzial ist.

Erfreulich ist, dass die Bundesfrauenquote im Vorjahr mittlerweile über die 50-Prozent-Marke geklettert ist: 50,5 Prozent – das waren plus 5,2 Prozentpunkte – der vom Bund entsandten 239 Aufsichtsräte in den 55 staatsnahen Betrieben waren im Vorjahr weib­lich.

Empowerment hat für mich auch etwas mit Bildung zu tun, aber auch mit Information und Wissensvorsprung. In diesem Zusammenhang möchte ich auf zwei neue Online­plattformen hinweisen, die Informationen rund um finanzielle Unterstützungsleistungen und Serviceangebote für Familien und Frauen liefern. Das ist einerseits das Frauen­serviceportal und auf der anderen Seite das Familienportal. Kostenlos und vertraulich können diese genutzt werden, wie beispielsweise eine Frauenhelpline. Es gibt Infor­mationen zum Thema Kinderbetreuungsgeld, Familienbonus Plus, der ab Juli von 1 500 auf 2 000 Euro erhöht wird; auch der Kindermehrbetrag wird auf 450 Euro erhöht. Das ist Geld, welches direkt dort ankommt, wo es gebraucht wird, nämlich bei den Familien.

Frauen zu einer höheren Pension zu verhelfen, soll auch erreicht werden, und zwar durch das automatische Pensionssplitting. Es gibt bereits seit 2005 ein freiwilliges Pen­sionssplitting, doch dieses ist anscheinend viel zu wenig bekannt und wurde daher über die Jahre kaum in Anspruch genommen. Daran müssen wir noch dringend arbeiten, weil es auch ein ganz wichtiges Mittel gegen Altersarmut bei Frauen ist.

Meine geschätzten Damen und Herren, ich komme schon zum Schluss, auch wenn es zu diesem Thema ganz viel zu sagen gäbe. Wir sehen, wir haben noch viel zu tun, damit es irgendwann diesen Weltfrauentag vielleicht nicht mehr braucht, wenn wir hier stehen und sagen können: Wir haben unser Ziel erreicht, nämlich gleiche Chancen, gleiche Löhne, gewaltfreie Beziehungen, gerechte Strafen für Täter, faire Arbeitsbedingungen und vor allem ein selbstbestimmtes Leben.

Unser Tun macht einen Unterschied – und wir müssen entscheiden, welche Art von Un­terschied wir machen wollen. Gehen wir also mit gutem Beispiel voran, seien wir für andere Vorbilder. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.13


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.


9.13.22

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alles, was wir heute hier diskutieren und debattieren, wird vom schrecklichen Krieg in der Ukraine, von den unfassbaren


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 17

Menschenrechtsverletzungen überschattet. Das berührt uns alle, das kann niemanden kaltlassen.

Ich möchte auch allen danken, die ihre Solidarität bekunden und sich vor allem auch an Hilfsaktionen beteiligen. Es ist wirklich eine Welle der Hilfsbereitschaft durch unser Land gegangen. Das ist ein unglaublich wichtiges Signal: Ja, diese Menschen müssen wir stärken. Es sind sehr oft oder eigentlich immer die Frauen und Kinder, die am stärksten von solchen Kriegshandlungen betroffen sind, und diese brauchen unsere Hilfe dringend im Land und natürlich auch, wenn sie auf der Flucht sind. In diesem Sinne: Danke auch für die Solidaritätsbekundungen quer durch alle Fraktionen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Das heutige Thema der Aktuellen Stunde ist Empowerment von Mädchen und Frauen, zeitgerecht rund um den 8. März, den Internationalen Frauentag, der, wie meine Vorred­nerin Kollegin Berger-Grabner formuliert hat, „inszeniert“ wird. Das kann man sehen, wie man möchte. Jedenfalls hat dieser Internationale Frauentag unsere werte Frau Minis­terin wiederum an ihre Zuständigkeit in der Bundesregierung erinnert, denn da war ja noch etwas – ach ja, das Frauenressort, für das Sie auch zuständig sind. Dazu müssen wir halt etwas machen, denn mittlerweile ist dieser Tag ja mitten in der Bevölkerung angekommen.

Man schenkt sich mittlerweile an diesem Frauentag Blumen und Schokolade, vielleicht das, was halt am Valentinstag übrig geblieben ist. Die Geschäfte bieten Damenrabatte. Den Frauentag kann man also nicht mehr übersehen. Man hat es lange probiert, diesen Frauentag zu ignorieren und zu übersehen, denn es gibt ja eh den Muttertag, es gelingt aber nicht. Dieser Tag hat sich in der Bevölkerung durchgesetzt. Dafür haben wir ja auch – gerade die Feministinnen – intensiv gekämpft. Dieser Frauentag ist nicht mehr zu übersehen, und das ist auch gut so. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Also mussten sich auch Ihre Kabinettsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter und PR-Leute etwas einfallen lassen, um Ihnen an diesem Tag eine angemessene Bühne zu bieten, und es ward der glorreiche Titel für eine Aktuelle Stunde geboren: „Empowerment – Stärkung von Mädchen und Frauen in Österreich“.

Als ich diesen holprig übersetzten neudeutschen Titel das erste Mal gelesen habe, hat es mich schon zusammengezogen, muss ich ehrlich sagen. Denn was heißt das? – Mädchen und Frauen passen nicht so, wie sie sind. Sie müssen sich ändern, sie müssen empowert werden oder, schlimmer noch, man muss sie ändern, damit es ihnen endlich besser geht und sie gleichberechtigt und gleichwertig – immerhin geht es wohlgemerkt um 51 Prozent der Bevölkerung – am Leben, an den Chancen des Lebens teilhaben können.

Was so harmlos klingt, entlarvt eine sehr bedenkliche Grundhaltung, nämlich: Es liegt an den Mädchen und Frauen selbst, dass sie nicht gleich viel verdienen, dass sie nicht die gleichen Aufstiegschancen haben, dass sie öfter zum Opfer von Gewalt werden und auch öfter von Armut betroffen sind, weil sie eben nicht gut genug ausgebildet sind, weil sie eben nicht gut genug verhandeln und sich nicht wehren. Sie sind also eigentlich selbst schuld an allem.

Das ist diese Grundhaltung, die mir wirklich zutiefst widerstrebt und die eigentlich auch der völlig falsche Ansatz ist, denn es geht eben nicht darum, dass sich die Frauen einem System anpassen, das ihnen eben nicht entspricht, sondern es geht darum, dass das System frauengerecht wird, menschengerecht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Darum muss es uns gehen, und darum muss es vor allem Ihnen als Frauenministerin, werte Frau Ministerin, gehen, nämlich dass die Rahmenbedingungen geschaffen wer­den, dass 51 Prozent der Bevölkerung gleichberechtigt an den Chancen des Lebens teilhaben können und eben nicht benachteiligt werden. Frauen haben mittlerweile die


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 18

Männer bildungsmäßig überholt, haben höhere Bildungsabschlüsse, bilden sich weiter fort und machen alle möglichen Ausbildungen, um sich eben den sich immer ändernden Bedingungen anzupassen, und sie hinken einkommensmäßig trotzdem immer hinterher. Selbst dann, wenn man nur Vollzeitbeschäftigte und Vollzeitäquivalente vergleicht, be­trägt der Einkommensunterschied immer noch rund 20 Prozent.

Das setzt sich natürlich entsprechend fort, wenn die Frauen gezwungen sind – und sie sind tatsächlich durch die Strukturen gezwungen –, Teilzeit zu arbeiten. Wenn man sich die verschiedenen Einkommenssegmente ansieht, fällt auf: in den höheren Einkom­menssegmenten und Hierarchieebenen der Privatwirtschaft kommen Frauen in Öster­reich so gut wie überhaupt nicht vor, und Branchen mit einem höheren Frauenanteil wie Pflege, Handel, Dienstleistungen werden generell niedriger entlohnt, obwohl uns die Pandemie wirklich drastisch vor Augen geführt hat, wie dringend wir diese Menschen brauchen. Außer Klatschen am Balkon und lobende Worte haben sie aber keine Aner­kennung, keine monetäre Anerkennung gesehen. Nichts haben sie in Wahrheit nachhal­tig verbuchen können.

Was sagen wir denen? Ihr habt halt das Falsche gelernt? – Ich meine, man muss sich das vor Augen führen: Wenn diese Menschen ihre Berufe verlassen, was leider auch sehr viele tun, dann bricht unser System zusammen. Sie heißen ja nicht umsonst Sys­temerhalterInnen oder wurden so genannt – dieser Begriff wurde ja jetzt im Zuge der Pandemie fast neu geprägt, er ist aber leider sehr, sehr zutreffend –, und trotzdem wer­den sie wesentlich niedriger entlohnt. Mit dem oft zitierten Gesetz der Marktwirtschaft, dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, lässt sich das nicht erklären. Da braucht es also dringend eine Aufwertung dieser Branchen.

Generell braucht es eine Neubewertung von Arbeit, denn wir haben dabei eine immense Schieflage. Dienstleistungen am Menschen werden wesentlich niedriger entlohnt als Dienstleistungen – so pauschal gesagt – an der Maschine. Dabei braucht es also drin­gend eine Neubewertung von Arbeit und generell auch einen Mindestlohn von 1 700 Eu­ro auf Vollzeitbasis. So viel muss Arbeit jedenfalls wert sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich ist ein Teilzeitland. Bei berufstätigen Müttern mit Kindern unter 15 Jahren ist das eigentlich die gängige Beschäftigungsform, aber nicht freiwillig, sondern weil die Kinderbetreuungssituation sie dazu zwingt, denn außer in Wien sind die Öffnungszeiten von Kindergärten und Schulen mit Vollzeit quasi nicht vereinbar, und Krippen sind sowie­so Mangelware. Die Verantwortung kann man nicht nur den Gemeinden zuschieben, denn die sind schon jenseits ihrer Belastungsgrenze. Überhaupt in dünn besiedelten Gebieten können sie ihre Pflichtleistungen schon nicht mehr stemmen. Es braucht eine nationale Kraftanstrengung, wie sie schon einmal auf Schiene war, nämlich 2016/2017, bis ein gewisser Herr – wir erinnern uns nur mehr vage daran –, ein gewisser Herr Kurz die Umsetzung torpediert hat, um die Regierung Kern/Mitterlehner möglichst rasch zu Fall zu bringen, wie wir dann in den Chats ja nachlesen mussten.

Frau Ministerin, als Frauen- und Familienministerin hätten Sie spätestens beim Aufkom­men dieser Chats die Mittel, die den Kindern, die den Familien entzogen wurden, massiv einfordern müssen, denn damit hätte man diesen strukturellen Systemmangel schon längst beheben können. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben geschwiegen. Sie haben nichts dazu gesagt, und wir haben diese prekäre Situation noch immer, dass es abseits der Ballungsräume eben nicht möglich ist, Beruf und Familie vereinbaren zu können.

Österreich ist auch trauriger Rekordhalter bei Gewalt gegen Frauen. Da bräuchte es viel mehr an Mitteln. Die Frauenorganisationen haben es gestern einmal mehr formuliert, es bräuchte mindestens 228 Millionen Euro, um wirklich mit den Gewaltopfern arbeiten zu können, um Präventionsarbeit leisten zu können. Wir bräuchten auch eine umfassen­de - -


Vizepräsident Günther Novak: Frau Bundesrätin, kommen Sie bitte zum Ende!



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Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (fortsetzend): Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist schön, dass Sie sich anlässlich des Internationalen Frauentags an Ihre Kompetenz erinnert haben. Die Frauen brauchen dringend volles Engagement und volle Power für ihre Interessen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.24


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses.


9.24.21

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Starke Mädchen, starke Frauen – jawohl, das unter­stützen wir Freiheitliche sofort mit allen Kräften, aber mit Gendern, Frauenquoten und dem Binnen-I werden wir keinen Millimeter weiterkommen, das wird auch keine Vorteile für irgendeine Frau bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Gegenteil, ich finde es diskriminierend, wenn ich lediglich aufgrund meines Ge­schlechts beurteilt werde. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.) Frauen in Texten lapidar mit Binnen-I, mit Sternderl oder mit Unterstrich abzuspeisen, finde ich einfach nicht erforder­lich und auch nicht förderlich für uns Frauen. Wir wollen Frauen Mut machen, ihre na­turgegebenen Stärken in den Vordergrund zu stellen. Wir haben viele Stärken: Aus­dauer, Organisationstalent, Durchsetzungsvermögen, Einfühlungsvermögen, wir Frauen sind nicht das schwache Geschlecht – im Gegenteil, ganz im Gegenteil! Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wir brauchen uns nicht zu verstellen und wir brauchen schon gleich gar nicht die besseren Männer zu spielen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Frauen wollen Gleichberechtigung, wir wollen Gleichstellung, aber wir wollen sicher­lich keine Gleichmacherei haben. Es gehören einfach einmal die sozialen Unterschiede und strukturellen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen hinterfragt, sichtbar ge­macht und dann die jeweiligen Stärken gefördert. Es gehören aber auch kulturelle Un­terschiede auf österreichisches Niveau gebracht, und dazu gehört für mich zweifelsohne auch ein Kopftuchverbot. (Beifall bei der FPÖ.) Das Kopftuch ist ein Zeichen der Un­terdrückung von Mädchen und Frauen – und daher Schluss damit. Schluss mit Sym­bolen, die Frauen und Mädchen unterdrücken! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.) Ja zu einem Kopftuchverbot und Nein zur Genitalverstümmelung, die es leider Gottes nach wie vor illegal auch hier in Österreich gibt! Dazu bedarf es wirklich noch intensivster Aufklärung.

Für eine starke Zukunft unserer Heimat braucht es aber auch wieder Mut zur Familie mit Kindern. Gerade während Corona haben wir alle gesehen, wie wichtig Familien sind. Familien kann man ja durchaus als Systemerhalter bezeichnen, denn ging es um Kin­derbetreuung, Betreuung und Pflege der älteren Generation, Bildung und Lernen, Frei­zeitbeschäftigung, mussten das die Familien ohne staatliche Unterstützung zwei Jahre lang meistern.

Besonders schlimm hat es in der Situation die Kinder, die Mädchen, die Jugendlichen getroffen. Tausende von ihnen sind traumatisiert und landeten in ärztlicher Behandlung. Fast 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind suizidgefährdet, und es gab Triagen auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Und es wurde – da könnt ihr jetzt sagen, was ihr wollt – künstlich eine Coronageneration geschaffen: fehlende Bildungszeit, mangelnde Sozialkontakte, psychische Probleme, wenig bis gar kein Sport und einiges mehr. Zwei Jahre lang – und das kann ich Schwarz und Grün nicht ersparen – wurden durch eure Pandemiepolitik wirklich traurige Spuren hinterlassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Viele Familien sind am Limit, es geht ihnen die Kraft aus. Ich habe es schon einmal gesagt, es tut mir wirklich richtig weh, wenn ich junge Menschen sagen höre: Wir können


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uns ein Kind nicht leisten. Ja Himmel, Herrschaft noch einmal! Ich kann mir ein Paar Schuhe leisten, ich kann mir eine Handtasche leisten, aber hinterfragen zu müssen, ob ich mir ein Menschenleben leisten kann, ist doch krank in einer Gesellschaft.

Aber es wundert mich nicht. Durch diese schwarz-grüne Coronapolitik mit den völlig überzogenen Maßnahmen während der letzten zwei Jahre ist halt viel kaputt gemacht worden. Durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und eklatante Preissteigerungen haben die Menschen weniger Geld, und das Leben ist kaum mehr leistbar. Bei einer in die Höhe schießenden Inflationsrate, den unglaublichen Preisen bei Strom, Treibstoffen, Lebens­mitteln, Rohstoffen stöhnen alle Österreicher. Zigtausende Familien können sich jetzt schon das Leben oder die monatlichen Fixkosten nicht mehr leisten

Wie viele Familien gibt es schon in Österreich, die jeden Tag abwägen müssen: Heize ich ein oder gehe ich Lebensmittel einkaufen? Beides miteinander ist für viele Familien nicht mehr finanzierbar. Die Leidtragenden dieser Situation sind die Kinder. Diese müs­sen alles mittragen beziehungsweise sogar ausbaden. So entstehen die sogenannten Toastbrotkinder, wie sie schon in Studien und in einigen Aufsätzen bezeichnet werden. Wenn zu Hause kein Geld mehr da ist, bekommen die Kinder Toastbrot zu essen. Das hat die schwarz-grüne Bundesregierung zu verantworten, denn diese eklatanten Preis­steigerungen hat es schon vor dem Ukrainekonflikt gegeben und waren deutlich spürbar. Durch die momentane Situation verschärft sich das Ganze noch, und statt dass Öster­reich als neutrales Land deeskalierend einwirkt, mischt sich unsere Regierung auch noch ein und macht alles noch schlimmer, als es ohnehin schon ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist möglich, aber es müssen halt die Rahmenbe­dingungen dafür passen. Es wird sicherlich schwer werden, das zu stemmen.

Was den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen anbelangt, möchte ich schon sagen, dass wir Freiheitlichen die freie Wahlmöglichkeit gegeben sehen wollen. Das heißt, El­tern sollen frei entscheiden können, ob sie ihre Kinder zu Hause betreuen und dafür einen finanziellen Ersatz erhalten oder ob sie Kinder in einer institutionellen Betreuung unterbringen möchten. Daher gehört beim Thema Ausbau von Kinderbetreuung auch unbedingt das Berndorfer Modell eingebunden.

Frau Minister, zum Abschluss möchte ich noch einen ganz persönlichen Appell an Sie richten: Bitte setzen Sie alles daran, Sie können in dieser Regierung mitreden, dass die Neutralität Österreichs nicht aufgegeben wird, dass Österreich nicht der Nato beitritt! Ich traue der schwarz-grünen Bundesregierung nicht, vielleicht wachen wir irgendwann einmal auf, und es heißt: Es ist alternativlos. Was wurde uns schon alles versprochen und wie oft haben wir es schon gehört: Es ist alternativlos. (Zwischenruf des Bundesrates Bader. Herr Bader, Sie können gerne beten. Ich bete mit Ihnen ein Stoßgebet, dass wir unsere Neutralität beibehalten können, dass wir in diesem Land Frieden haben, dass wir sozialen Frieden haben (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bader) und un­sere Kinder nicht irgendwann einmal vielleicht für fremde Interessen an irgendeiner fremden Front stehen und Kanonenfutter spielen müssen. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

9.31


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. Ich erteile dieses.


9.31.52

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Frau Mi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Wir haben das heute schon öfters gehört: Power, also Stärke, aber auch Zuversicht und Selbstvertrauen braucht es in diesem Land, wenn man als Frau weiterkommen möchte, vielleicht sogar Karriere machen oder einfach nur gut verdienen und vielleicht auch noch Kinder haben


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möchte. Frauen haben es immer noch schwerer, in eine gute Stelle, zu gutem Verdienst und auch zu Vermögen zu kommen. Man könnte nach Hunderten Jahren, in denen Frauen nichts wert waren, sagen: Na ja, kein Wunder, dass es so lange dauert!, aber ich sage Ihnen, es liegt nicht an der Zeit, sondern am Willen, die Ungleichwertigkeit vom Frausein und Mannsein endlich hinter uns zu lassen. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

In einer modernen Gesellschaft, wie wir sie sind, in einer Gesellschaft, in der wir uns der Demokratie und Gerechtigkeit rühmen, darf Geschlecht keine Auswirkung auf Hand­lungsmöglichkeit oder gar Behandlung haben – aber das hat es! Von Geburt an werden Mädchen und Buben  und später Frauen und Männer  in Rollen gezwängt und in ihren Spielräumen definiert. Nun können wir darauf hoffen, dass sich die Einstellung der Menschen ändert und sich Gleichstellung von selbst einstellt. Sie hören natürlich den Sarkasmus, denn wir machen hier hoffentlich gerechte Politik und daher müssen wir für ausgeglichene Handlungschancen sorgen.

Auch in der Politik setzen sich aber vor allem die Frauen  wir haben es bisher gesehen, Gott sei Dank kommen aber nach uns noch Redner  für die Gleichstellung und gerechte Verteilung von Handlungs- und Definitionsmacht ein. Eine Ausnahme sind die Grünen ich bin sehr stolz darauf und das hat mich auch zu ihnen gebracht –, bei denen schon seit Jahrzehnten alle Positionen mit gleich vielen Frauen wie Männern besetzt werden  das ist der Punkt. Gleichstellung bedeutet Einschränkung von Macht und Verschiebung von Machtverhältnissen, und da liegt es auch an den Männern, diese Macht abzugeben.

Gleichstellung bedeutet, gleiche Handlungsmacht zu haben, das heißt, selbst darüber zu entscheiden, was man tun möchte. Handlungsmacht ist aber sehr unterschiedlich verteilt. Wie genau und aus welchen Gründen können Studien, wie zum Beispiel der Frauenbericht und die Zeitverwendungsstudie, aufzeigen. Mit solchen Informations­grundlagen, die die Ungleichheit im eigentlich Gleichen aufzeigen, können dann Gleich­stellung fördernde Maßnahmen gesetzt werden. Ja, es geht um Gleichstellung, denn wir wollen für die gleiche Arbeit dasselbe verdienen.

Warum rede ich nun so lange von Handlungsmacht? – Weil es im Titel der Aktuellen Stunde steckt, das englische Empowerment bedeutet auf Deutsch Handlungsmacht. Ich gebe Ihnen, Frau Ministerin, die Sie Frauen-, Familien-, Integrations- und Medienminis­terin sind, recht: Handlungsmacht ist ein essenzieller Punkt in der Gleichstellungspolitik. Wir haben das heute schon anders gehört, ich sehe das aber so.

Sie haben nun eine Initiative gestartet, sie nennt sich LEA, die Frauen und Mädchen in die sogenannten Mint-Fächer bringen soll. Mint bedeutet Mathematik, Informatik, Natur­wissenschaften und Technik, das sind Branchen, in denen Fachkräftemangel herrscht. Ich habe hier auch schon einmal unterstellt, dass dies der eigentliche Grund dafür ist, dass diese Initiativen ergriffen werden – eine Unterstellung. Jedenfalls sind es Branchen, in denen man gut verdient, daher ist es natürlich begrüßenswert.

Ginge es aber nur nach der formalen Ausbildung, auch das haben wir heute von Kollegin Grossmann schon gehört, müssten Frauen schon jetzt einen Gehaltsvorsprung von 1,2 Prozentpunkten gegenüber Männern haben. Das haben sie aber nicht! Frauen ver­dienen in Österreich noch immer um 20 Prozent weniger als Männer, und das liegt ein Drittel unter dem EU-Durchschnitt von 14 Prozent. Österreich findet sich in der Gleich­stellungspolitik wieder einmal unter den Schlusslichtern.

Solche Initiativen, wie die gestartete, sind gut. Hoffen wir, dass sie Mädchen wirklich Angebote machen. Diese Maßnahmen sind aber nur ein winziger Teil der Maßnahmen, die gesetzt werden müssen, um die Lohnschere, also den Genderpaygap, zu schließen. Viele Baustellen sind da noch offen und müssen bearbeitet werden. Lassen Sie mich auch ein paar Beispiele bringen.


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Erstens, die gläserne Decke: Frauen haben es noch immer sehr schwer, in die gut be­zahlten Ebenen eines Unternehmens aufzusteigen. Seit Einführung der verbindlichen Quote von 30 Prozent in Aufsichtsräten großer börsennotierter Unternehmen sind mehr Frauen in Aufsichtsräten. Ja, aber es sind immer noch nicht 30 Prozent und es sind 30 Prozent und nicht 50. Selten aber finden sich Frauen in den höchstbezahlten Posi­tionen der Unternehmensführung und auch nicht in Vorständen, und das sind die wirklich gut bezahlten Posten. Ja, da würde die Quote helfen, denn die Quote wirkt.

Zweitens, wir haben es auch schon gehört: Typische Frauenberufe, von Elementarpäda­gogInnen bis FrisörInnen, sind meistens sehr gering bezahlt. Da bedarf es höherer kollektivvertraglicher Mindestgehälter. Ich erinnere die SPÖ daran, dass da leider schon lange Handlungsbedarf gegeben ist und Sie auch einmal in Regierungsverantwortung waren.

Drittens: Frauen übernehmen die meiste unbezahlte Arbeit, sei es Kindererziehung, Alten- und Krankenpflege, Haushalt und die Familienorganisation. Durchschnittlich ar­beiten Frauen doppelt so viel wie Männer unbezahlt und sie arbeiten auch mehr. Sie haben daher weniger Freizeit, um sich weiterzubilden oder gar politisch zu engagieren; schauen wir in unsere Reihen. Es fehlt den Frauen also schlichtweg an Zeit für einen zeitaufwendigen und gut bezahlten Job. Das  auch das haben wir gehört zeigt sich bei der Teilzeitquote: 50 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit, das ist der dritthöchste Wert in der EU! Wir sind wieder eines der Schlusslichter, in der EU sind es durchschnitt­lich 30 Prozent.

Die Folgen des Geringverdienens sind Armut, auch Armut im Alter und Armut bei einem Großteil der Alleinerzieherinnen. Eine besonders schlimme Folge von dieser Armut im Erwerbsleben ist natürlich die Abhängigkeit von einem, im schlechtesten Fall gewalt­bereiten, Ehemann. Die Lösungen sind auch da vielfältig, sie reichen von einer Reduk­tion der Normalarbeitszeiten  im besten Fall auf eine 30-Stunden-Woche  und Min­destlöhnen über eine verpflichtende Väterkarenz und das Recht auf Betreuungseinrich­tungen für Kinder ab dem ersten Geburtstag bis zu leistbaren und qualitativen Pflege­einrichtungen. Solche Maßnahmen erweitern den Spielraum und die Handlungsmöglich­keiten von Frauen und sie schaffen Tatsachen.

Ein Beispiel: Wenn wir an neue Karenzmodelle denken, können wir auch an Island den­ken, das dabei mit sehr gutem Beispiel vorangeht. Dort gibt es eine verpflichtende Väter­karenz. Das bedeutet, wenn Männer nicht mindestens, ich glaube, in etwa ein halbes Jahr in Karenz gehen, dann bekommen sie kein Karenzgeld mehr, dann wird das Ka­renzgeld gestrichen. Es zeigt sich, dass mehr als 90 Prozent der Männer in Väterkarenz gehen. Dort zeigt sich ihnen auch, was es für eine Knochenarbeit ist, Haus- und Sor­gearbeit zu machen.

Erst gestern erzählte mir eine Freundin, die ein halbes Jahr zu Hause in Karenz war und nun wieder in die Arbeit geht, wie sie sich auf die Erholung Job freut. Das Wichtigste daran ist aber, dass es sorgende Männer schafft und zu einem Wandel in der Bewertung dieser jetzt meist auch noch unsichtbaren und eben minderbewerteten Arbeit führt. Es ist auch eine Minderwertigkeit, die natürlich Frauen und dem, was sie tun, zugeschrieben wird.

Sorge- und Sozialarbeit ist immer noch schlecht oder gar nicht bezahlt und wird vorwie­gend von Frauen gemacht, daher braucht es natürlich neben solchen Modellen wie Väterkarenz Gleichstellungsarbeit schon vom Kleinkindalter an. Es braucht Räume, in denen schon Buben soziale und sorgende Rollen ausprobieren und Mädchen technische oder leitende Positionen einnehmen.

Es braucht vor allem eine Werteverschiebung dahin gehend, dass Sanftheit und Sorge weit erstrebenswerter und, ja sagen wir, sogar auch cooler als Gewinnstreben und Ag­gression werden.


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Hier und heute von Frauen und Mädchen zu reden, ja, das lässt uns unweigerlich an die Bilder der Flüchtenden vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine denken, an einen Krieg der Männer, ausgelöst von einem einzigen, meines Erachtens größenwahnsinni­gen Mann, in dem Männer zum Kampf verpflichtet werden oder sogar freiwillig in den Kampf ziehen, ja, auch manche Frauen, aber in dem vor allem Frauen mit ihren Kindern alles hinter sich lassen müssen, in dem zig Millionen Menschen unsagbares Leid erfah­ren, ermordet werden und auch morden müssen.

Es ist kaum vorstellbar, was das mit den Menschen macht und auch nicht absehbar, was es mit der Gesellschaft macht, wir sehen es gerade an der Diskussion um die Friedens­politik und die Aufrüstung. Schon im Sinne des Friedens gilt es daher, diese falsche und gemeinschaftsverachtende Wertehaltung endlich umzudrehen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.41


Vizepräsident Günther Novak: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanz­leramt. Ich erteile es ihr.

Auch Ihre Redezeit sollte 10 Minuten nicht überschreiten. Bitte, Frau Bundesministerin.


9.41.26

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher! Gestern war der Weltfrauentag, der uns jährlich daran erinnert, welch weiten Weg wir einerseits auf der Welt, aber andererseits sicherlich auch in Österreich im Dienste der Gleichberechtigung, im Dienste der realen Gleichstellung von Frauen und Männern noch gehen müssen.

In diesem Jahr ist der Weltfrauentag natürlich besonders überschattet vom Krieg in der Ukraine – einem Krieg, der uns schmerzlich vor Augen führt, dass die Werte Freiheit und Sicherheit, die für uns in Europa alle so selbstverständlich sind, ganz zerbrechlich und nicht so selbstverständlich sind.

Aufgrund der Nähe dieses Krieges, der 600 Kilometer weit entfernt jetzt mitten in Europa stattfindet, haben wir eine Verpflichtung und eine Verantwortung, nämlich für Solidarität mit der Ukraine, humanitäre Hilfe vor Ort und selbstverständlich die Verpflichtung, jenen Schutz suchenden Frauen und Kindern, die flüchten müssen, Schutz zu geben, wenn sie diesen in Österreich brauchen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich durfte mich letzte Woche auch mit Frauen mit ukrainischen Wurzeln austauschen. Sie können sich vielleicht ansatzweise vorstellen, wie es denen derzeit geht. Sie sind oft die stillen Leidtragenden einer kriegerischen Situation, denn sie sind diejenigen, die alle Kraft zusammennehmen müssen, um für die Kinder da zu sein, um irgendwie für die Kinder stark zu sein, um den Kindern selbst auf der Flucht, in einer Situation, in der sie irre Ängste erleiden, weil sie nicht wissen, was mit ihrem Ehemann ist, weil sie nicht wissen, was mit dem Papa zu Hause ist, Kraft und Stärke zu zeigen, damit ihnen auch in dieser schwierigen Situation eine gewisse Normalität gegeben werden kann.

Ich habe den Frauen für diese Kraft und Stärke meinen allerhöchsten Respekt und auch die Solidarität Österreichs in dieser schwierigen Situation ausgedrückt. Damit allein ist es aber nicht getan. Selbstverständlich müssen wir das sage ich auch anlässlich des Weltfrauentags, da derzeit wirklich Frauen und Kinder unsere Unterstützung brauchen  auch Maßnahmen vorbereiten, um jene Frauen und Kinder in Österreich aufzunehmen und ihnen, sollte es die Kriegssituation notwendig machen, eine längerfristige Bleibe­perspektive zu geben.

Daher habe ich unter anderem gestern ein Frauenzentrum im Österreichischen Integra­tionsfonds eröffnet, in dem man speziell auf die Bedürfnisse der geflüchteten Frauen,


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die mit Kindern kommen, eingeht, in dem es eine Kinderbetreuung gibt, in dem man eben auch an Themen arbeitet, die primär Frauen betreffen. Ich sage jetzt nur Stichworte wie Frauengesundheit  wozu ich gestern ein Seminar besucht habe  und natürlich psychi­sche Gesundheit, wenn es darum geht, mit diesen schwierigen Situationen, in denen die Frauen derzeit sind, umzugehen.

Ja, wir sind solidarisch mit der Ukraine, ja, wir haben einen gemeinsamen Weg in der Europäischen Union. Selbstverständlich, das möchte ich an dieser Stelle noch einmal klarstellen und den Kanzler zitieren, der das auch unmissverständlich klargestellt hat, ist die Neutralität Österreichs, und sie wird es bleiben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Er hat auch gesagt, dass kein Lockdown kommt! Er hat auch gesagt, dass es keine Impflicht gibt!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich ist der Weltfrauentag jedenfalls der Tag, an dem wir unseren Blick, was die Gleichberechtigung, Gleichstellung der Frau in Öster­reich betrifft, in unser eigenes Land richten müssen. Der Befund zeigt uns ja, dass wir in der Vergangenheit sicherlich einige Schritte gegangen sind, aber er zeigt uns auch, dass noch viel zu tun ist. Ich glaube aber, und möchte mich auch ganz herzlich beim Koa­litionspartner bedanken, dass in den beiden letzten Jahren viel gelungen ist. Wir haben das Frauenbudget um über 80 Prozent erhöht. Es gab noch nie ein so hohes Frauen­budget, es gab noch nie so gute Beratungsstrukturen in den 170 Frauen- und Mädchen­beratungseinrichtungen, in den Gewaltschutzzentren, in den mehreren Hundert Fami­lienberatungsstellen, die wir finanziell gestärkt haben.

Wir haben das größte Gewaltschutzpaket mit fast 25 Millionen Euro verabschiedet. Wa­rum? Weil ein Leben frei von Gewalt das Wichtigste für die Unabhängigkeit, für die Selbstbestimmung ist. Was wollen wir? Wir wollen Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen, für jede Frau, für jedes Mädchen, das in Österreich lebt. Selbstverständlich ist es nicht die Aufgabe von Frauen und Mädchen, sich darum zu kümmern, dass sie selbst gestärkt werden, sondern das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist eine Auf­gabe, für die es die Politik braucht, eine Aufgabe, für die es die Gesellschaft und alle Einrichtungen braucht und für die es selbstverständlich auch die Männer braucht. Es ist daher auch das Thema dieser Aktuellen Stunde, da es zentral ganz oben auf der Agenda stehen muss, dass wir alles tun, damit jede Frau und jedes Mädchen in Österreich selbst­bestimmt leben kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dafür ist es ganz wichtig, dass wir echte Wahlfreiheit ermöglichen. Wir wollen doch, dass jede Frau und jede Familie das Lebensmodell wählen kann, das sie möchte. Dazu braucht es selbstverständlich gute Strukturen in der Kinderbetreuung, weil man als Mutter das weiß ich aus eigener Erfahrung, wobei mein Sohn erst acht Monate alt ist, aber das Thema kommt schon immer näher  eine Kinderbetreuungseinrichtung haben will und braucht, die qualitativ gut ist, bei der man ein gutes Gefühl hat, wenn man das Kind dorthin gibt. Das ist wichtig, damit man selbst entscheiden kann, dass man arbeiten gehen kann. Daher werden wir, so ist das gemeinsame Commitment in der Bundes­regierung, mehr in die Kinderbetreuung investieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Ah-Rufe bei der SPÖ.)

Ja, ich habe letzte Woche zusätzlich zu bestehenden Einrichtungen, die gute Angebote haben, eine neue Einrichtung gegründet, die sich speziell der Selbstbestimmung und der Stärkung von Mädchen widmet, da ich selbst aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig es ist, dass man die tollen Frauen, die wir in Österreich haben – von der ersten Bundes­kanzlerin der Republik über die Rektorin der Technischen Universität Wien, über die Teamchefin im Fußball, über tolle Journalistinnen, wie Corinna Milborn –, einfach vor den Vorhang holt (Bundesrätin Schumann: Genau!), damit sie inspirierend wirken. Mich hat es als junge Frau immer inspiriert, andere Frauen kennenzulernen, die stark sind,


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ihren Weg gegangen sind, und das möchte ich für viele Frauen und Mädchen in Öster­reich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das wird natürlich nicht das Einzige sein, was dieser Fonds tut, sondern wir werden Wissensvermittlung betreiben, denn es ist wichtig, dass Frauen informierte Entschei­dungen treffen, dass man weiß, was es für die Pension bedeutet, wenn man einige Jahre in Karenz geht. Man kann sich entscheiden, wie man will, aber man muss informiert sein. Ich möchte, dass die Politik diese Aufgabe wahrnimmt und auch diesen Beitrag zur Stär­kung und Gleichberechtigung leistet.

Ich möchte mich noch bei allen Abgeordneten bedanken. Wir haben zwar vielfach un­terschiedliche Zugänge, was die Frauenpolitik betrifft, aber uns eint sicher ein Gedanke, nämlich: dass wir noch nicht dort sind, wo wir sein müssen, wo es auch unsere liberale Demokratie gebietet, zu sein, und dass wir gemeinsam alles tun müssen, damit wir im­mer Schritte vorwärts kommen. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.49


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr das Wort und mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit 5 Minuten nicht überschreiten sollte.


9.49.24

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream! Hast du deinen Vorgesetzten zuvor gefragt, ob ihr noch ein zweites Kind haben dürft? Wie kannst du Job und Kinder unter einen Hut bringen? Wie soll es überhaupt möglich sein, eine Führungsfunktion innezuhaben und Kinder zu haben? Tja, manchem ist die Karriere halt offensichtlich wichtiger als die eigenen Kinder!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das sind keine erfundenen Fragen, das sind Fragen aus dem realen Leben. Das sind Fragen, die mir oder meinen Bekannten regel­mäßig gestellt werden, Fragen, die so vermutlich kaum einem Mann gestellt werden. Es sind aber auch Fragen, die nicht nur Männer, sondern gerade auch Frauen stellen.

Meine Erfahrung deckt sich auch mit wissenschaftlichen Studien. Laut dem Gender-So­cial-Norms-Index haben neun von zehn Menschen Vorurteile gegenüber Frauen. Welt­weit sind fast 50 Prozent der Männer und der Frauen der Meinung, dass Männer die besseren Politiker sind. Obwohl der Anteil an männlichen und weiblichen Wählern welt­weit gesehen nahezu identisch ist, sind nur 24 Prozent der parlamentarischen Sitze an Frauen vergeben.

Ähnliche Studien gibt es auch aus dem Arbeitsbereich. Demnach hätten 40 Prozent der Frauen lieber einen männlichen Chef und nur 10 Prozent der Frauen lieber eine Chefin. Was ich damit sagen möchte: Die gesellschaftliche Einstellung und die soziale Überzeu­gung jedes und jeder Einzelnen beeinflussen die Gleichstellung der Geschlechter maß­geblich. Empowerment beginnt also bereits im Kopf. Wenn von Female Empowerment die Rede ist, dann geht es immer darum, Frauen darin zu unterstützen, ein selbstbe­stimmtes Leben zu ermöglichen. Da ist natürlich die Politik ganz maßgeblich gefordert, gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

Einige wirklich sinnvolle Vorschläge und konkrete Maßnahmen, wie zum Beispiel LEA, zur Stärkung von Frauen und Mädchen haben wir bereits in den Reden zuvor schon gehört. Doch mindestens genauso wichtig wie die politischen Maßnahmen ist auch un­sere innere Geisteshaltung, da adressiere ich nicht nur Männer, sondern gerade auch uns Frauen. Es braucht auch ein gesellschaftliches Umdenken, eine ehrliche Akzeptanz gegenüber unterschiedlichen Lebenskonzepten. Wir müssen Entscheidungen der Frau­en, die sich dazu entschließen, eine Karriere zu verfolgen und keine Kinder zu bekommen,


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genauso respektieren wie die Entscheidung von Frauen, die zu Hause bleiben möchten, um für ihre Familie zu sorgen und natürlich erst recht die Entscheidung solcher Frauen, die Kinder haben und gleichzeitig ihre Karriere vorantreiben möchten.

Wir müssen uns dafür stark machen, dass dies eine freie und eine bewusste Entschei­dung jeder einzelnen Frau sein darf und muss. Soziale Überzeugungen beeinflussen die Gleichstellung der Geschlechter maßgeblich. Deshalb sind wir alle gefordert, uns in un­serem täglichen Leben mit unseren Denkmustern auseinanderzusetzen und uns auch unserer Vorurteile bewusst zu werden. Liebe Frauen! Wir müssen uns besser unterein­ander vernetzen, uns gegenseitig unterstützen, den Rücken stärken und uns Mut ma­chen, anstatt uns für unsere unterschiedlichsten Lebenskonzepte zu verurteilen.

Männer und Frauen sind nicht gleich, das ist heute schon gefallen, und das ist auch gut so. Diese Unterschiedlichkeit gehört in jeden Besprechungsraum, in jede Verhandlung, in die Politik, in die Wirtschaft und in jedes Feld der Gesellschaft. Um das zu erreichen, müssen wir nicht nur die passenden Rahmenbedingungen schaffen, sondern auch an unserer Einstellung arbeiten, denn Empowerment beginnt bereits im Kopf. Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.53


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch. Ich erteile ihr das Wort.


9.53.44

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher zu Hause! Ja, gestern war der 8. März, der Internationale Frauentag, ein Tag, an dem viele meinen, man muss das Frausein feiern, aber genau darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir Gleichstellung, Gleichberechtigung wollen.

Darauf kommen Sie von der ÖVP dann auch immer zu sprechen und setzen das immer medienwirksam um. Da fühlen sich dann auch die Männer bemüßigt, dazu etwas zu sagen, sonst hört man nicht sehr viel. Von Ihnen, Frau Ministerin, haben wir schon lange nichts mehr gehört. Wann waren Sie das letzte Mal im Bundesrat? – Ich glaube, das war im Rahmen einer Dringlichen Anfrage, als Sie den damaligen Herrn Bundeskanzler quasi als weibliche Schützenhilfe begleitet haben.

Sie haben zu den Frauenthemen, die gleichermaßen auch Gesellschaftsthemen sind, wie Sie vorhin selbst betont haben, nichts zu sagen. – Nein, vorige Woche war etwas, wir haben es schon gehört, Let’s Empower Austria. Dabei geht es darum, Rolemodels vor den Vorhang zu holen, da geht es darum, ein paar Onlineseminare zu machen, es geht darum, 800 000 Euro, weiß ich nicht, in den Sand zu setzen. Hoch dotiert scheint mir das ohnehin nicht, ja, das ist etwas ganz Nettes, aber wir wissen, wessen kleiner Bruder der Begriff nett ist. Es gibt für diesen Fonds auch keine gesetzlichen Regelungen, es ist ein sehr intransparenter Fonds, der sich der parlamentarischen Kontrolle entzieht. Offenbar sind die Begriffe ÖVP und Transparenz nicht wirklich vereinbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Steiner-Wieser! An Sie darf ich adressieren, dass Sprache Wirklichkeit schafft. Wir haben nicht nur das männliche und das weibliche Geschlecht, wir haben auch das dritte Geschlecht. Somit dürfen wir auf das Gendern sehr wohl nicht verzichten. Frau Kollegin Kittl! Dass Sie die SPÖ kritisieren, erscheint mir etwas anmaßend. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass Sie in dieser Bundesregierung der Steigbügelhalter für die ÖVP sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, es ist noch wirklich sehr viel zu tun. Unser Anspruch an Sie als Ministerin ist aber ein anderer, ein höherer, es reicht nicht aus, diesen intransparenten Fonds auf­zulegen. Empowerment, wir haben es gehört, ist gut und schön, aber es braucht gesetzlich


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verankerte Frauenpolitik. Dieser Fonds geht leider völlig an den Lebensrealitäten der Frauen vorbei, ein Fonds und Onlineseminare reichen eben nicht. Es reicht nicht, Role­models in die Schule zu schicken. Natürlich, es ist wichtig, aber es muss mehr dahinter­stecken. Es braucht gesetzliche Regelungen, an die sich alle halten müssen. Ein kleiner Tipp: Lesen Sie bei Johanna Dohnal nach, es kann nicht schaden! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine der wichtigsten Schrauben, die man in Richtung Gleichstellung drehen muss, ist die Gehaltstransparenz, wir haben es heute schon gehört: Bitte schauen Sie dafür nach Island! Dieser Frauenfonds ist reine Showpolitik. Gerade durch die Pandemie mussten wir in den vergangenen zwei Jahren feststellen, dass sich die alten Rollenbilder wieder komplett verfestigt haben und in den Vordergrund rücken. Durch Homeschooling und Homeoffice waren die Frauen wieder vergleichsweise mehr belastet. Das Bemerkens­werte dabei ist, Verbesserungen brauchen immer eine lange Zeit, aber das Zurückkippen in Verschlechterungen geht oft sehr schnell und über Nacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Zum Antrag, den Sie heute einbringen wollen: Also ich bin mir nicht sicher, ob Sie mit dieser Politik, die Sie vorhaben, nicht sogar die schlechtere ÖVP sind. Ich darf Ihnen auch sagen, dass sich besonders in den Siebzigerjahren für die Frauen vieles zum Besseren gewendet hat und wir von der SPÖ nicht leisertreten, um diese notwendigen Maßnahmen  wie eben die volle Lohntrans­parenz, die Förderung gerade von alleinerziehenden Müttern, die auf dem Vormarsch sind, den Ausbau der Väterkarenz oder den Kampf gegen die Altersarmut  voranzu­treiben.

Frau Ministerin, noch einmal: Bitte schauen Sie bei der Sozialdemokratie nach! (Bundes­rätin Schartel: Das ist nicht besonders optimal!) Ich darf Ihnen auch noch einmal die zentralen Forderungen der SPÖ aus der aktuellen Frauentagskampagne Wir sind Zukunft präsentieren: Lohntransparenz, ein Schwerpunkt auf Frauengesundheit und Gendermedizin, ein Frauenarbeitsmarktpaket mit einer Teuerungsbremse, Ausbau und Forcierung der Väterkarenz und die längst versprochene Unterhaltsgarantie. Schauen Sie bitte in das Burgenland! Wir sind zwar kein großes Land, aber wir sind ein großartiges Land. Wir sind sozialdemokratisch geführt und da merkt man, dass Projekte für die Men­schen in diesem Land forciert und vorangetrieben werden. Es gibt die erste burgenlän­dische Frauenstrategie. Ich darf Sie im Namen von Landeshauptmannstellvertreterin Eisenkopf, die unsere Landesfrauenvorsitzende der SPÖ-Frauen ist, herzlich ins Bur­genland einladen: Schauen wir uns gemeinsam diese Strategie an! Ich darf Ihnen per Mail auch den Link dazu schicken. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie sind ja selbst eine Frau und Sie stimmen sicher mit uns überein, wenn wir sagen, wir wollen keine Blumen, wir wollen das gleiche Gehalt, denn dann kaufen wir uns die Blumen selber. (Heiterkeit des Bundesrates Himmer.) Wir wollen auch keine Schokolade, wir wollen 50 Prozent der Aufsichtsrats- und Vorstandsposten für uns Frauen. Wir wollen keine Glückwünsche, wir wollen echte Gleichstellung. Wir wollen keine Feiern, wir wollen reale Vereinbarkeit. Wir wollen keine netten Worte, wir wollen gewaltfrei leben. Frauentag muss an jedem einzelnen Tag im Jahr sein.

Ich lade Sie ein: Kommen Sie zu uns, reden wir über die Dinge! Wir haben die Expertise. Wir sind jederzeit gesprächsbereit und stehen zur Verfügung.

Lassen Sie mich nun abschließend in einigen wenigen Worten zusammenfassen - -


Vizepräsident Günther Novak: Bitte kommen Sie zum Ende.


Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (fortsetzend): ... und Frauenrechte sind Men­schenrechte. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.59


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mar­kus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.



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9.59.24

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Frau Bundesminister, man könnte heute sagen: Lange nicht gesehen, sofort wiedererkannt. Ja, diese Aktuelle Stunde steht unter einem sehr, sehr starken Titel: Stärkung von Frauen und Mädchen in Österreich.

Sie haben es ja auch gesagt, Sie reden vom selbstbestimmten Leben von Frauen, von echter Wahlfreiheit für Frauen auch im Bereich der Kinderbetreuung.

Nach mehr als zwei Jahren Regierungstätigkeit hätte ich mir aber gerade in diesem Be­reich etwas mehr als Überschriften von Ihnen erwartet. Das Ganze ist ja ein inhaltsleeres Konzept. Ich werde gleich näher darauf eingehen.

Die wesentlichste Aufgabe der Familienpolitik ist es doch, den Familien die Grundlagen dafür zu schaffen, dass sie frei von wirtschaftlichen Zwängen entscheiden können, wie sie ihre Kinderbetreuung, ihre Haushaltsführung sicherstellen.

Zu meiner Vorrednerin – vielleicht sollte sie jetzt auch zuhören –: Ich glaube, dass dieser Antrag, der heute eingebracht wird, nicht ganz so schlecht ist, wie Sie es hier gerade vorhin verkaufen wollten. Ich glaube, es geht um eine echte Wahlfreiheit, um eine echte Wahlfreiheit für Mütter. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Dazu trägt das Kinderbe­treuungsgeld wesentlich bei, nämlich durch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zurzeit gibt es das pauschale Kinderbetreuungsgeld oder das einkommensabhängige für Besserverdienende. Wenn ich mir das pauschale Kinderbetreuungsgeld anschaue, dann muss ich schon sagen, dass noch immer mehr als zwei Drittel der Frauen weit weniger als 700 Euro im Monat und weit weniger als die Mindestsicherung für die Kin­derbetreuung zu Hause bekommen.

Ich glaube, die wichtigste Kinderbetreuungseinrichtung ist noch immer die eigene Mutter. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich weiß schon, dass da wieder ein großer Aufruhr ist. (Bundesrätin Schumann: Die Mutter als Kinderbetreuungseinrich­tung! Also da fällt einem nichts mehr ein!) Grundsätzlich kann man schon sagen, dass die wichtigste Kinderbetreuung die durch die eigene Mutter und die familieninterne Kin­dererziehung und Kinderbetreuung ist. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hahn: Ele­mentare Bildung ...! – Bundesrätin Schumann: Eine Mutter ist keine Einrichtung!) Ich weiß schon, dass es der SPÖ am liebsten wäre, das Kind bereits im Kleinkindalter in die Krabbelstube zu setzen, es irgendwo in einem System aufwachsen zu lassen und mög­lichst wenig damit zu tun zu haben. In den normalen Familien ist das Gott sei Dank anders, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hahn: Wo sind die Väter?)

Gerade in diesem Bereich braucht es eine freie Entscheidungsmöglichkeit, aber diese Bundesregierung nimmt den Frauen diese Wahlmöglichkeit, indem sie es sich gar nicht mehr leisten können. Sie können es sich gar nicht mehr leisten, zu Hause zu bleiben und in den ersten Jahren ihr Kind zu Hause zu betreuen. Dieser Bundesregierung ist nämlich die Kinderbetreuung zu Hause – eine wertvolle Aufgabe – weniger wert als die Mindestsicherung und irgendwelche Sozialprojekte für Wirtschaftsflüchtlinge, die über die Grenze zu uns kommen. Da braucht es eine echte Gleichstellung und eine echte Anerkennung für diese wertvolle Arbeit, die unsere Mütter zu Hause leisten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Anstatt sich um diese Themen zu kümmern, die den Frauen wirklich unter den Nägeln brennen, kümmert sich diese Bundesregierung um irgendwelche Placebo- und Alibidin­ge, wie eine Verhunzung unserer Bundeshymne. Das ist schon in der Vergangenheit passiert, aber wir haben heute wieder davon gehört. Auch dieser sprachliche Gender­wahn rückt ja immer mehr in den Mittelpunkt der Tätigkeit dieser Regierung. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Hahn.)


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Frau Bundesminister, ich kann Ihnen nur sagen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das ist ganz schön. Da kann ich auch in Richtung der Sozialdemokraten etwas sagen: Na, wer sind denn die Kollektivvertragspartner? Wer verhandelt denn das Ganze? – Ja, wir sind es nicht, sondern da sitzt schon ihr drinnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Volle Anrechnung der Kinderbetreuungszeiten! Ein Einkommen zum Auskommen! Ein Einkommen zum Auskommen nämlich auch beim Kinderbetreuungsgeld! – Die Realität sieht aber leider ganz anders aus. Viele schöne, aber inhaltsleere Überschriften: Da steht nichts drunter. Ich sage, in diese Richtung sollte man einmal etwas tun. Es braucht ein Einkommen zum Auskommen für Mütter, für Frauen, die zu Hause die Kinderbe­treuung leisten. Gerade in diesem Bereich sind Sie aber leider auf beiden Ohren taub.

10.04


Vizepräsident Günther Novak: Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege. (Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Bundesrat Leinfellner.)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


10.04.52

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Österreicherinnen und Ös­terreicher und alle, die in Österreich leben! Mir war es wichtig, mich bei einem Thema, das Frauen betrifft, auch als Mann zu Wort zu melden. Als ich in der Liste sah, dass sich doch immerhin ein paar Männer zu Wort gemeldet haben, habe ich mich sehr gefreut. Mit der Rede meines Vorredners habe ich jetzt allerdings nicht gerechnet, obwohl, ja, man es befürchten konnte. Dass aber – das möchte ich schon deutlich sagen – Mütter als Einrichtung bezeichnet werden, ist etwas, das ich wirklich nach einem Weltfrauentag hier nicht hören will. Das geht einfach nicht! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Dann auch noch so zu tun, als ob es ausschließlich Aufgabe der Mütter wäre, Kinder zu betreuen, als ob es keine Väter gäbe – auch das möchte ich nach einem Weltfrauentag hier nicht hören. Das ist immer noch eine gemeinschaftliche Aufgabe. (Beifall bei Grü­nen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Mir war es tatsächlich – das habe ich auch innerhalb meines Klubs gesagt – ein Be­dürfnis, zu diesem Thema zu sprechen. Als ich damals ganz neu in die Politik kam, war es sehr oft so – das war in der früheren Zeit sogar noch viel schlimmer als heute –: Gab es ein Frauenthema, dann sprachen die Frauen. Die Männer schwiegen. Kam dann der nächste Tagesordnungspunkt, kamen wieder die – unter Anführungszeichen – „wirk­lich wichtigen“ Punkte, so haben sich die Männer wieder zu Wort gemeldet. Das ist et­was, das hoffentlich der Vergangenheit angehört, weil – und das muss ich hier schon deutlich sagen – Frauenpolitik eine Politik ist, die wir alle machen müssen und nicht nur Frauen.  (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Warum ist das so wichtig? – Weil eines der Hauptprobleme in unserer Gesellschaft ja tatsächlich ist: Feminismus und Frauenpolitik sind natürlich vor allem eine soziale Frage und eine ökonomische Frage, das ist keine Frage. Es ist aber allem voran auch eine kulturelle Frage, eine Kulturfrage, wie wir mit diesen Themen umgehen.

Stärkung von Frauen und Mädchen kann ja nicht nur bedeuten, dass sie sich selbst stärken müssen, sondern es braucht auch Männer, denen bewusst ist, dass sie manch­mal einen Schritt zurückgehen müssen, um Frauen zu stärken, um dieses Empowerment zu ermöglichen. Männer sind natürlich sehr stark – und das ist diese kulturelle Frage – kulturell auf Machtfragen konzentriert, sind sich sehr oft ihrer Privilegien nicht bewusst. Dann gibt es auch dieses klassische Bündedenken. Männerbünde sind eine sehr gut


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funktionierende kulturelle Erfahrung, sage ich einmal, die seit Jahrhunderten tatsächlich dieses Empowerment erschwert.

Ich möchte jetzt nur ein paar Beispiele bringen, um das und auch, wie wir vielleicht in der Politik mitunter agieren können, einmal sehr praktisch zu veranschaulichen. Ich wer­de zum Beispiel sehr oft – und das werden wir ja alle – zu diversen Podiumsdiskussionen oder zu TV-Diskussionen eingeladen. Sehr oft sitzt man dann dort und schaut, und da sitzen nur Männer um einen herum. Ich habe mir jetzt angewöhnt, zu fragen: Wer ist noch eingeladen?, und zuzusagen, wenn die Hälfte des Podiums aus Frauen besteht. Das – und manchmal auch abzusagen, nämlich dann, wenn es nicht passt – ist eine ganz kleine Maßnahme, die man als Mann treffen kann, um ein Empowerment zu er­möglichen.

In der Wirtschaft kann man ja auch immer wieder beobachten, wie Männer sich gerne unter sich – ich sage das jetzt bewusst, aber unter Anführungszeichen – „vermehren“. Es gab eine Analyse eines Soziologen, der Einteilungen in die Performer, die Domi­nanten und die Sozialen, also eine Einteilungen in Sinusgruppen – so heißt das – ge­macht hat. Der hat ganz klar festgestellt: Die Finanzkrise 2008 war darauf zurückzu­führen, dass in gewissen Sektoren von Banken Männer, genau solche Leute, sich selbst engagiert haben und nur noch eine gewisse Gruppe an Männern verantwortlich war und jegliche andere Perspektive eliminiert wurde. Das ist schlecht für die Wirtschaft, das wissen wir jetzt.

Selbstverständlich gilt auch für die Arbeit zu Hause, dass es Gerechtigkeit braucht, Herr Kollege Leinfellner! 32 Stunden pro Woche arbeiten Frauen unbezahlt, und 16 Stunden pro Woche arbeiten Männer unbezahlt. In der Aufteilung klingt das noch dramatischer: Frauen leisten rund 37 Prozent bezahlte Arbeit und 63 Prozent unbezahlte Arbeit, Män­ner 63 Prozent - -


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überschritten.


Bundesrat Marco Schreuder (fortsetzend): Da hilft es kulturell, wenn wir Männer unse­ren Beitrag leisten, diese unbezahlte Arbeit überhaupt einmal sehen und bereit sind, die Hälfte davon zu übernehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.10


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Bundesrat.


10.10.33

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die österreichische Frauenpolitik ist über lange Jahre gekennzeichnet von Stillstand, konservativen Struk­turen und Denkweisen und schlichtweg mangelndem Interesse an Veränderung. Auf Bundesebene wird Frauenpolitik als Querschnittsmaterie nur stiefmütterlich behandelt, auf Landes- und vor allem Gemeindeebene kommt es immer noch zu den abstrusesten politischen Auswüchsen wie zum Beispiel Herdprämien, die eher an die Politik von vor 100 Jahren erinnern.

Vom verfassungsrechtlich verankerten Genderbudgeting sind wir meilenweit entfernt. Im Gesundheitsbereich scheint man sich im Rahmen der Gendermedizin der Tatsache ge­rade erst bewusst zu werden, dass Frauen und Männer durchaus unterschiedliche medi­zinische Bedürfnisse haben. In Österreich verdienten Frauen im Jahr 2019 laut Eurostat im Durchschnitt immer noch um 19,9 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, womit der sogenannte Genderpaygap in Österreich um mehr als 5 Prozent über dem EU-Durschnitt von 14,1 Prozent liegt.


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Dabei zeigen Studien wie die der Agenda Austria aus 2019, dass es sich hierbei eher um einen Motherhoodpaygap als einen Genderpaygap handelt. In Österreich werden nämlich noch über 70 Prozent der unter Dreijährigen vor allem von ihren Müttern zu Hause betreut. Dieser Anteil ist im Vergleich zu Dänemark, wo es 34 Prozent sind, und zu Deutschland, wo es 35 Prozent sind, mehr als doppelt so hoch.

Sieht man sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Österreich an, so zeigt sich, dass sie innerhalb der letzten zehn Jahre zwar von 65,7 auf 68,3 Prozent im Jahr 2020 ange­stiegen ist. Sieht man jedoch genauer hin, so merkt man, dass es sich dabei vor allem um Teilzeitarbeit handelt, die auf lange Sicht wiederum zu massiven Gehaltseinbußen und in letzter Folge zu Altersarmut führt. Alleinerziehende Eltern sind außerdem zu über 90 Prozent Frauen. Davon zählen gleichzeitig 31 Prozent zu den am höchsten armuts­gefährdeten Haushalten in Österreich.

Corona hat die Lage noch verschlimmert. Viele sprechen von einem feministischen Backlash. Es hat sich gezeigt, dass die Mehrbelastung durch Kinderbetreuung, Helfen bei den Hausaufgaben und den Haushalt bei gleichzeitiger Berufstätigkeit eher den Frauen beziehungsweise Müttern zugefallen ist. Dabei ist die ungleiche Verteilung unbe­zahlter Carearbeit aber nicht neu.

Starre konservative Karenzmodelle sowie mangelnde Kinderbetreuung vor allem im ländlichen Raum sind nicht nur Chancenvernichter für Frauen, sondern bremsen auch den Fortschritt. Die Regierung muss sich endlich zu einer Zeitenwende in der Frauen­politik bekennen und Familie und Beruf neu denken. (Beifall bei der SPÖ.)

Jede zweite erwerbstätige Frau in Österreich arbeitet Teilzeit, die meisten davon aber nicht, weil sie nicht Vollzeit arbeiten möchten: 70 Prozent der Frauen zwischen 30 und 44 Jahren arbeiten in Teilzeit, weil sie sich um Kinder kümmern oder Angehörige pflegen müssen. Das hat gravierende Folgen: Altersarmut, Abhängigkeiten, volkswirtschaftliche Verluste et cetera.

Die Politik muss die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, damit das Fami­lienleben einem erfüllten Arbeitsleben nicht diametral gegenübersteht. Die Entscheidung zwischen Beruf und Familie, die Frauen täglich treffen müssen, darf es im Jahr 2022 nicht mehr geben. Karenzmodelle müssen so vielfältig und individuell sein wie die Fa­milien selbst. Die Angebote von Karenz und Kinderbetreuung dürfen nicht mehr die limi­tierenden Rahmenbedingungen dafür sein, wie sich Beruf und Alltag gestalten. Regel­mäßig stehen unflexible Karenzmodelle sowie viel zu kurze Öffnungszeiten von Kin­dergärten einer Vollzeittätigkeit beider Eltern im Weg. Das muss sich ändern.

Wir NEOS fordern daher als ersten Schritt flexiblere Regelungen für Karenzzeiten. An­sprüche müssen individuell geregelt werden, Karenzzeiten beider Elternteile sich über­lappen können, und die Zeit mit den Kindern muss unterschiedlich genutzt werden kön­nen.

Von Frauen wird immer noch erwartet, bis zu zwei Jahre in Karenz zu gehen, in dieser Zeit im Job komplett auszufallen, danach schlechtere Wiedereinstiegschancen vorzufin­den, Gehaltseinbußen zu akzeptieren und in Teilzeit zu arbeiten. Wir wollen aber einen grundlegenden Paradigmenwechsel, eine Normalisierung von Väterkarenzen, mehr Fle­xibilität im Hinblick darauf, wer wann in Karenz geht, und auch die Möglichkeit, Karenz­zeiten gleichzeitig zu nutzen.

Ebenso muss das Kinderbetreuungsgeld einfacher und einheitlicher geregelt werden. Jeder Elternteil soll einen Anspruch auf sechs bis zwölf Monate individuelles, einkom­mensabhängiges Kindergeld haben. Keine verschiedenen Finanzierungsmodelle, die für verschiedene Personen einen finanziellen Vorteil oder Nachteil in dieser Karenz bedeu­ten: Jede und jeder soll diesen Anspruch haben und selbst den Zeitraum festlegen kön­nen, in dem dieses Geld ausbezahlt wird.


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Als zweiter Schritt muss die Kinderbetreuung nach der Karenz rasch und flächende­ckend ausgebaut werden. Dies betrifft vor allem den ländlichen Raum. Außerhalb der größeren Städte ist die Kinderbetreuung in Österreich immer noch komplett unzurei­chend und fernab jeglicher Lebensrealität. Dass das Barcelonaziel – ein Drittel Kinderbe­treuungsplätze für Kleinkinder – immer noch nicht erreicht ist, ist vor allem der ÖVP zu­zuschreiben. Da hat die Volkspartei in der Vergangenheit absichtlich gebremst, um ein unzeitgemäßes Frauen- und Familienbild einzuzementieren.

Mit dieser rückständigen Einstellung kommen wir nicht weiter (Beifall bei der SPÖ) – ich komme zum Schluss –, deswegen setzen wir uns für einen verbindlichen Stufenplan ein, der die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung und Elementarbildung ab dem ersten Geburtstag des Kindes zum Ziel hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.16


Vizepräsident Günther Novak: Das war der letzte Redner in der Aktuellen Stunde. Da­mit ist die Aktuelle Stunde beendet.

10.16.40

Erklärung des Vizekanzlers und der Bundesministerin für EU und Verfassung ge­mäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates anlässlich der Umbildung der Bundesregierung sowie zur aktuellen Lage in der Krise zwischen Russland und der Ukraine


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zur Erklärung des Vizekanzlers und der Bundesministerin für EU und Verfassung gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates anlässlich der Umbildung der Bundesregierung sowie zur aktuellen Lage in der Krise zwischen Russland und der Ukraine.

Der Herr Vizekanzler ist noch nicht anwesend, daher unterbrechen wir, bis er eintrifft.

10.17.28*****

(Die Sitzung wird um 10.17 Uhr unterbrochen und um 10.20 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Vizepräsident Günther Novak: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich begrüße Herrn Vizekanzler Mag. Werner Kogler und Frau Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler sowie alle weiteren anwesenden Mitglieder der Bundesregierung recht herzlich bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen.)

Weiters begrüße ich zum ersten Mal hier bei uns im Bundesrat Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Bevor ich dem Herrn Vizekanzler und der Frau Bundesministerin für EU und Verfassung das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bun­desräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Vizekanzler und von der Frau Bundesministerin abge­gebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unter­stützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe einer Erklärung das Wort.



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10.21.57

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Vizepräsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesrä­te! Ich habe zwei wichtige aktuelle Themen in dieser Erklärung zu behandeln, nämlich die Regierungsumbildung und die globale Situation, letztlich ausgelöst durch einen An­griffskrieg Putins auf die Ukraine. Jedenfalls ist mir mitgeteilt worden, dass das in Ab­stimmung mit den Fraktionen des Bundesrates gewünscht werde. – Sehr gerne.

Sorry für die Unterbrechung, die notwendig wurde, aber von meinem Büro kam die Mit­teilung, dass wir hier um 10.30 Uhr starten sollten. Jetzt haben wir es geschafft, und ich darf mit der Umbildung der Bundesregierung beginnen.

Ich möchte einmal Wolfgang Mückstein für die ihm sicher nicht leicht gefallene, also schwere, schwerwiegende und verantwortungsvolle Entscheidung danken, ebenso sei­nem Team im Kabinett und auch im Haus, all jenen, die ihn tatkräftig unterstützt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesrätin Grossmann.)

Ich möchte, so wie gestern schon im Nationalrat, auch erwähnen, dass ich auch an den Bundeskanzler und an den Bundespräsidenten einen Dank zu richten habe, weil es trotz der schwierigen Situation gemeinsam gelungen ist, einen reibungslosen und raschen Übergang in diesem in Zeiten wie diesen so bedeutenden Ressort zustande zu bringen. Auch das soll nicht unerwähnt bleiben. Danke an den Herrn Bundeskanzler und an die Fraktion der ÖVP, in diesem Fall.

Ich möchte auch die Gelegenheit nützen, ein Licht darauf zu werfen, was in den letzten elf Monaten alles geschehen ist, auch wenn das vielleicht in der Debatte dazu herausfor­dert, Gegendarstellungen abzugeben. Dazu diskutieren wir ja hier in bester parlamenta­rischer Tradition. Ich meine aber, es waren im Gesundheits- und Sozialressort gerade auch in den letzten elf Monaten erkennbare und keine kleinen Erfolge vorzuweisen.

Wir alle wissen, dass es betreffend Pflegesystem große Herausforderungen gibt, auf die man gar nicht genug schauen kann und bei denen man gar nicht genug tun kann. Gerade im Bundesrat ist, glaube ich, das Bewusstsein dafür besonders ausgeprägt, weil es sich ja gerade bei der Pflege – im Übrigen auch bei Gesundheitsmaterien – um ausgespro­chene Mischkompetenzen im Sinne des Föderalismus handelt.

Die berühmte Pflegereform wird aber nicht so passieren, dass wir quasi mit einem Ur­knall rechnen dürfen, und auf einmal lichten sich die Nebel und ein neues Gebäude steht da. So wird es nicht sein, sondern es wird Schritte brauchen, wir werden Bausteine aufs Fundament legen müssen. Das ist eine große Aufgabe, das ist richtig.

Ich möchte trotzdem zwei Bausteine erwähnen, die durchaus wichtig sind und in die richtige Richtung gehen, etwa dass im Ausbildungssystem jetzt einmal mit 50 Millionen Euro gestartet wird, wo doch eine beträchtliche Zahl zu denen, die schon in Ausbildung sind, hinzukommt und so entsprechend unterstützt wird. Ich glaube, das ist in Zeiten wie diesen sehr wichtig. Es wird da noch viel mehr brauchen, das ist allen bewusst. Es wird ja auch innerhalb der Koalitionsfraktionen und dann natürlich auch mit den Bundeslän­dern um wesentlich höhere Beträge verhandelt. Das ist, glaube ich, für Sie interessant, weil wir diese Summen ja zielgerichtet auf den Boden bringen müssen, und das ist ge­rade in der Pflege nicht immer so leicht, wie vielen von Ihnen bewusst sein wird. Immer­hin ist das aber einmal ein guter Start.

Ich glaube, die, die sich auskennen, werden es gut verstehen können: Alle, denen ich zuhöre, die im Pflegesystem immer etwas weiterbringen wollten, haben die Einsetzung von jetzt einmal knapp 200 Communitynurses besonders hervorgehoben. Gerade in ländlichen Regionen ist es wichtig, genau darauf hinzuweisen: Wo gibt es wie die besten Angebote?, weil sie ja auch nicht überall gleich sind. Also auch da gibt es den Einstieg in den Umstieg, und auch da wird man noch weiter aufbauen müssen.


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Die Pandemie hat natürlich gerade für Kinder und Jugendliche große Folgen gehabt, nämlich auch im psychischen Bereich. Da wurde mit der psychosozialen Unterstützung, glaube ich, auch von den Millionenbeträgen her ein ganz starker Einstieg gesucht, ge­wagt und gefunden. Das wird auch fortgesetzt. Auch das wollten wir nicht unerwähnt lassen.

Zum sozialen Bereich: Wir wissen, dass die Teuerung große Probleme macht, das ist allen bewusst. Ich glaube, einzelne Fraktionen hier, speziell die Sozialdemokratie, haben darauf in Bundesratssitzungen schon zu Recht hingewiesen, soweit ich das in Erinne­rung habe. Da möchte ich festhalten, dass der Teuerungsausgleich von diesen zweimal 150 Euro für die, die es am schnellsten und am dringendsten brauchen, doch einen Betrag erzeugt, der fürs Erste – nicht auf die Dauer und im Durchschnitt – hilft. (Bun­desrat Ofner: Für zwei Wochen, ja!) – Na schon ein bisschen länger. Das wurde ange­gangen und es wurde schon die zweite Tranche ausgezahlt. Dass es da noch mehr brauchen wird, ist völlig klar, aber das Sozialministerium ist ein Ministerium, das an die­sen Vorgängen und Problemlösungen mitbeteiligt ist. Alles wird man eh nicht immer lö­sen können.

Was auch, glaube ich, sehr, sehr wichtig ist: Ich habe die Gelegenheit gehabt, hier im Haus mit Frau Klasnic zu sprechen. Sie lobt sehr, was im Bereich der Palliativ- und Hos­pizversorgung gelungen ist. Kollegin Edtstadler weiß auch, wovon wir da reden: dass verschiedene Verhandlungspakete da zu sehr guten Ergebnissen geführt haben. Frau Klasnic hat gesagt: Na ja, dass das in dieser Zeit noch kommt und sie – unter Anfüh­rungszeichen – „das noch erleben darf“ – das ist ein wörtliches Zitat; sonst würde ich mich das nicht zu sagen trauen –, das habe sie selber sehr, sehr positiv überrascht. Ich war von dem Gespräch und dem Eindruck, den ich dabei gewinnen konnte, geradezu gerührt. Das hat auch – nicht nur, aber auch – etwas mit der Arbeit des Sozialministe­riums zu tun.

Letzter Punkt: Gestern war der 111. Internationale Frauentag, und es gibt nicht nur die Kampagnen, die gerade im Zuge der Pakete gegen Gewalt gegen Frauen gemacht werden – auch da ist das Sozialministerium federführend; auch die sind wichtig und rich­tig –, sondern auch die Maßnahmen selbst, mit denen ganz bewusst und zielgerichtet auch auf die Verantwortung – und die ist ja wohl herausragend – der Männer eingewirkt wird. Da, glaube ich, gebührt dem Sozialministerium besonderes Augenmerk, ich möchte fast sagen: besonderes Lob. Da möchte ich einen Tag nach dem Internationalen Frau­entag erwähnen, dass es gerade auch Aufgabe von uns Männern ist, hinzuschauen, hinzuhören und einzuschreiten. Das ist ganz, ganz wesentlich.

Gewalt gegen Frauen ist in Österreich leider ein sehr, sehr prominentes Thema. Dage­gen muss wirklich vorgegangen werden, und ich finde, es gibt wirklich gute Ansätze. Ich habe gestern auch die weiteren Elemente dieses Pakets noch einmal mit Ministerkollegin Raab besprechen dürfen, aber der Anteil, der im Sozialministerium geleistet wird, ist kein geringer – vielen Dank also für diese Initiativen, ich glaube, da sind viele gute Beiträge geleistet worden. Und an der Stelle noch einmal: Danke, Wolfgang Mückstein! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was uns aber zu denken geben sollte, ist – das war nicht die einzige, aber doch die Hauptbegründung, Wolfgang Mückstein hat es ja auch öffentlich angedeutet, ich möchte es noch präziser sagen –: Mit ausschlaggebend für seinen Rückzug waren die ständigen und massiven Bedrohungen gegen ihn selbst. Er hat auch um die Sicherheit seiner Fa­milie und seiner Kinder gefürchtet. Er sagte es selbst und uns hat er es noch deutlicher gesagt – und ich darf es auch wiedergeben, ich habe ihn gefragt –: Es ist schwer auszu­halten, wenn man nur mehr mit kugelsicherer Weste im Auto herumfahren darf. (Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring.) – Und ich meine, das sollte kein Anlass zu Zwi­schenrufen sein, auch wenn mich das jetzt von Ihrer Fraktion nicht überraschen sollte.


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Ich glaube, das sollte ein Anlass sein, um nachzudenken, innezuhalten und zu schauen, wie wir miteinander weitertun, auch in unserer Vorbildwirkung. Wir dürfen nicht bloß da­rüber hinweggehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Ich mache hier eh keine Zuweisun­gen, das ist gar nicht meine Absicht, aber ich glaube, diesen Konsens sollten wir doch zustande bringen. Danke, für Ihr Verständnis. Da müssen wir wirklich etwas tun, so kann es ja nicht weitergehen! – So viel dazu.

Ich denke, die Nachfolgefrage ist mit Johannes Rauch hervorragend gelöst. Eigentlich muss ich das dem föderalen Gremium hier gar nicht lange erklären, Sie werden ihn kennen und auch seine Eigenschaften, die ihn, wie ich meine, besonders für dieses Amt qualifizieren. Erstens ist er ein Profi. Wofür alles ist er ein Profi? – Er hat viel Erfahrung in Bereichen, die jetzt ganz wichtig sind, und es freut mich, das auch im Bundesrat re­ferieren zu dürfen: Er kennt die Entscheidungsstrukturen und die politische Landschaft in Österreich von den Kommunen weg – Gemeinden, Städte –, vor allem die Bundeslän­derstrukturen, völlig logisch, aber auch, und das halte ich jetzt für das Wichtigste, die nicht immer einfach zu durchschauenden Verflechtungen zwischen Landes- und Bun­despolitik. Wenn wir Föderalismus leben wollen, müssen wir froh sein, wenn es Leute gibt, die in der Lage sind, mit diesen Umständen, die nicht immer einfach zu handeln sind, einen guten Umgang zu finden, sowohl vom Verständnis her, von der Kompetenz her, als auch von der politischen Lösungsfähigkeit her. Er hat sich von Widerständen nie groß aufhalten lassen, und das ist, glaube ich, einmal eine gute Voraussetzung.

Persönlich werden wir schätzen lernen, dass Johannes Rauch alles, was ich gesagt habe, mit einem ausreichenden Tiefgang angehen wird, mit Weitblick, weit über den Tel­lerrand hinaus, was im Übrigen auch das Geografische beinhaltet. Ich weiß ja aus vielen Konferenzen am Bodensee und auch aus anderen Zusammenhängen, wie intensiv der Austausch Vorarlbergs mit Baden-Württemberg immer war, auch mit dem Ministerprä­sidenten dort, mit der Nachbarregion Schweiz, teilweise sogar mit Liechtenstein – das ist nicht immer einfach, wie wir wissen – und jedenfalls auch dem bayerischen Raum. Das ist auch eine wichtige Eigenschaft, gerade in diesen Zeiten, in denen wir leben.

Also willkommen, Johannes Rauch! Die Vorschusslorbeeren sind mit Sicherheit berech­tigt. Wir vertrauen darauf, dass wir alle gemeinsam in eine gute Zusammenarbeit kom­men, und ich glaube, das ist in derart turbulenten Zeiten wie diesen wichtiger denn je.

Zur Gesundheitspolitik muss ich nichts sagen, das wird er selbst machen. Nur so viel: Er ist sicher von der Einsicht geprägt, dass die Pandemie nicht so schnell vorbei ist, das habe ich selbst schon von ihm gehört. Wir wissen, warum diese ganz einfachen Aussa­gen zwischendurch aber trotzdem so wichtig sind. Und ja, es ist ihm, es ist uns bewusst, dass es beim Bekämpfen der Folgen der Pandemie immer darum geht, zwischen den da und dort immer wieder und hoffentlich immer weniger notwendigen Einschränkungen auf der einen Seite und dem andererseits so notwendigen Gesundheitsschutz, für den der Gesundheitsminister nun einmal in erster Linie zuständig ist, abzuwägen. Es ist eine Abwägung, das wird es auch bleiben, und ich glaube, dafür bringt er viele politische Fähigkeiten und Gespür mit.

Zur aktuellen Entscheidung rund um die Impfpflicht, das Impfpflichtrahmengesetz und was daraus erwachsen ist – ich finde es ein sehr schlaues Gesetz – werden wir sicher­lich von Kollegin Edtstadler und von Kollegen Rauch noch einiges hören, da sind Sie dann besonders aktuell informiert und in der Debatte drinnen.

Ich möchte zum zweiten großen Thema kommen, das ja mit ein Grund war, warum die Fraktionen des Bundesrates – so wurde es mir überbracht – gerne diese Erklärung un­sererseits hätten, und wir kommen dem auch gerne nach. Das betrifft jetzt ein völlig anderes Feld. Ich glaube, man sollte aus seiner Betroffenheit auch kein Hehl machen. Ich kann es immer noch nicht vollständig erfassen, was, gar nicht so weit weg von der


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österreichischen Grenze, vorgeht. Ich beglückwünsche jeden, der immer schon genau gewusst hat, was kommt (Heiterkeit der Bundesräte Preineder und Himmer), aber das ist natürlich schon sehr, sehr heftig.

Ich komme zu den Einschätzungen, die sich ja über die Regierungsfraktionen hinweg gemeinsam ausmachen lassen. Es handelt sich dabei um einen völkerrechtswidrigen Angriff der Russischen Föderation beziehungsweise und vor allem – und das möchte ich gleich einmal als Erstes betonen – von Staatspräsident Putin und einer ganz engen Ka­marilla – ich scheue mich nicht, diese Worte zu gebrauchen. Es ist aber nicht nur ein völkerrechtswidriger Angriff, es ist ja viel dramatischer; es ist mithin ein Angriff auf das Völkerrecht selbst, weil da alles verschoben wird, was unsere Vorgängergenerationen nach 1945 mit der Gründung der UNO, mit der Charta der Vereinten Nationen aufgebaut haben. Es handelt sich um den ersten Angriffskrieg in dieser Art auf europäischem Bo­den seit 1939. Das sollten wir uns immer wieder vergegenwärtigen. Der Hintergrund ist ja, dass das neben dem Angriff auf das Völkerrecht auch ein Angriff auf Freiheit, Demo­kratie und Rechtsstaatlichkeit ist; das steckt ja ganz stark dahinter, finde ich.

Es ist ja offenkundig, dass – ich traue mich das zu sagen – der Feind aus Putins Sicht weniger in der Ukraine als Staatengebilde zu vermuten wäre, oder gar in der Nato – nicht einmal das –, sondern in der Nachbarschaft, da sich die Bevölkerung der Nachbarschaft spätestens seit Jahresbeginn 2014, mit den Demonstrationen am Majdan, ganz klar er­kennbar Richtung Westen orientieren will, zu einem bestimmten Lebensmodell hin, nämlich in Richtung Freiheit und Demokratie. Wir wissen schon, dass bei uns nicht alles perfekt ist. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Sie können sich dann eh zu Wort melden, davon gehen wir eh aus, dass Sie das tun werden. (Bundesrat Steiner: Ich red schon noch was!) – Ja, darauf freuen wir uns schon alle. Es ist trotzdem ein ernstes Thema, blödeln können wir dann eh noch. (Bundesrat Steiner: Das tust du eh genug!)

Das ist ja, glaube ich, eine ganz wesentliche Erkenntnis, dass Putin das in Wahrheit am allermeisten in seinen Nachbarregionen fürchtet, und deshalb werden ja auch Weißruss­land, Lukaschenka in dieser Art und Weise unterstützt und dort alle Öffnungsbewe­gungen drastisch niedergeworfen. Das ist ja in Wahrheit alles nicht zum Anschauen und Hinnehmen, aber es ist auch nicht so leicht, dagegen zu arbeiten. Zu den Sanktionen werden wir noch kommen, aber ich finde, wenn man diese Erkenntnis einmal hat, dann lichten sich viele Antworten auf Fragen, die so unlösbar verquickt scheinen. Es ist eben ein Angriff auf das Lebensmodell, wie wir es hier haben wollen, auch wenn es nicht per­fekt ist. Und ich glaube, dazu haben wir hier im Haus einen weiten Konsens.

Was allerdings schon geschehen ist, ist, dass mehrere Dinge nicht so eingetreten sind, wie Putin das kalkuliert hat. Mithin hat er sich auch verkalkuliert, erstens, was die Einig­keit der Unionsstaaten betrifft. Diese ist so groß wie selten zuvor, jedenfalls seit wir die EU 27 formiert haben. Und auch mit Blick auf die Generalversammlung der UNO soll man nicht unterschätzen, dass sich über 140 Staaten hinter einem Beschluss versam­meln, der die Angriffe als solche massiv ausschildert, die Völkerrechtswidrigkeit, und die klare Feststellung trifft, wer der völkerrechtswidrige Aggressor ist, und diesen auch auf­fordert, sich zurückzuziehen.

Jetzt kann man sagen, das wird nichts helfen, gerade bei Putin nicht. Das steht leider zu befürchten, aber wir müssen ja auch an die Monate und Jahre danach denken, und da ist es schon ein starkes Zeichen, dass sich jetzt über 140 Staaten hinter diesem Be­schluss versammelt haben. Stellen wir uns vor, es wäre anders, es wäre halbe-halbe ausgegangen: ganz schlecht. Diese Verständigung der über 140 ist eine tragfähige Vo­raussetzung, eine Basis, auf der man zukünftig operieren kann, da wir natürlich alle di­plomatischen und Verhandlungswege offenhalten wollen.

Ein Zweites, wo sich Putin getäuscht hat: Er hat zwar mit Sanktionen gerechnet, aber nicht mit welchen genau, und er hat unterschätzt, dass sie auch zu wirken beginnen.


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Jetzt wird es Leute geben, und ich kann nicht einmal hundertprozentig widersprechen, die sagen, die Sanktionen werden den Verlauf der Geschichte der nächsten Tage gar nicht beeinflussen beziehungsweise wird er vielleicht noch rabiater – diese Thesen gibt es ja, ich will das jetzt gar nicht werten –, aber er hat es unterschätzt. Er hat es unter­schätzt, weil die Geschlossenheit so groß ist, und zweitens, weil Sanktionen gezogen wurden, die weit über das hinausgehen, was er sich vorgestellt hat.

Was wir mit Swift und den Banken machen – welche ja und welche nein –, das bleibt schwierig, das kennen wir, aber: Der russischen Zentralbank einige Wege abzuschnei­den, das greift wirklich. Und auch andere Sanktionen greifen  zumindest in den nächs­ten Wochen und Monaten, wenn schon nicht in den ersten Tagen , wenn etwa im Hoch­technologiesektor bestimmte Zulieferteile ausbleiben, die die russische Ökonomie gar nicht in der Lage ist, selbst zu produzieren. Man muss es einmal benennen: Russland ist militärisch ein Riese, aber ökonomisch ein Zwerg – das ist so ‑, was Know-how und was die Fähigkeiten, selbst Entwicklungen voranzutreiben, betrifft. Es gibt in einzelnen Bereichen natürlich eine große Kompetenz in der Produktion, aber nicht in der ganzen Kette. Raumfahrt, Luftfahrt, Schiffsfahrt, das ist alles da, aber es geht nicht ohne west­liche Bestandteile. Das muss man sich einfach vergegenwärtigen, und das trifft! Selbst das Raffinieren von Erdölprodukten schaffen sie nicht ohne westliche Bestandteile. Man könnte meinen, das sei ja gar keine Hochtechnologie, wenn man da in Schwechat vor­beifährt. – Na ja, ist es einerseits schon, aber Raketenwissenschaft ist es auch keine. Nicht einmal das bringen sie zustande.

Also ich glaube, das trifft. Und jetzt kann man der Meinung sein, das soll man gar nicht machen, denn man soll ihn nicht weiter reizen. Ich bin ja schon gespannt auf die De­battenbeiträge, und man darf ja unterschiedlicher Meinung sein. Die These lautet nur: Es sitzt, es trifft, und das hat er unterschätzt. Und auch das hat einerseits mit der Analy­sefähigkeit des Westens oder der Staaten der Union zu tun und auch mit der Ge­schlossenheit. Das wollte ich sagen, und ich stimme in diesen Bereichen mit dem Bun­deskanzler, der auch deshalb nicht hier sein kann, weil er gerade den polnischen Minis­terpräsidenten trifft, völlig überein.

Zu Österreich: Wir dürfen die Neutralitätsfrage natürlich nicht ausklammern, die Debatte darüber hat eine Zukunftsbedeutung; manche wollen sie führen, wie auch immer. Wichtig ist aber, dass wir am Beispielfall der Ukraine sehen: Neutralität heißt nicht, unbeteiligt, teilnahmslos abseitszustehen, wenn ein derart völkerrechtswidriger Angriff passiert, überhaupt nicht, sondern sich an allem Möglichen zu beteiligen, jedenfalls einmal an den Sanktionen.

Ich glaube, mittlerweile gibt es auch keine Fraktion mehr, die der Meinung ist – das hat am Anfang anders geklungen –, dass das nicht mit den Neutralitätsbestimmungen ver­einbar wäre. Wir werden es ja noch einmal hören. Aber es ist schon klar, das ist auch die – unter Anführungszeichen – „Waffe“, die wir haben, wenn wir nicht ein militärisches Einschreiten der Nato riskieren wollen, da wir alle wissen, dass wir nicht wissen, was für Konsequenzen das hat. Ich will in diesem Plenum des Bundesrates jetzt gar nicht das Schlimmste an die Wand malen. Weil das aber eben alles so ist, sind diese Maßnahmen umso wichtiger, und wir halten das mit der Neutralität für völlig vereinbar. Möglicherweise kann man da auch noch diskutieren, ob nicht ohnehin schon Artikel 51 der besagten UNO-Charta ausreichen würde, dass sich bei so einem Angriffskrieg die Neutralitäts­verpflichtungen zu verschieben beginnen. Das sehen nicht alle so, aber ich finde, es würde schon Hinweise geben.

Richtig bleibt, und da schauen wir in die Zukunft, dass Österreich zwar militärisch im klassischen Sinne jedenfalls neutral bleiben soll und wird – ich glaube, die Klarstellung hat es gegeben, selbst dann, wenn militärische Maßnahmen durch UNO-Beschlüsse oder auch da oder dort durch Unionsbeschlüsse getragen werden; das hatten wir im


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Übrigen schon –, aber dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, an friedenserhaltenden Maßnahmen teilzunehmen oder in anderen Zusammenhängen aufzutreten. Und in eini­gen Bereichen ist es so – das war von vornherein beim Beitritt zur Europäischen Union klar –, dass Österreich sich da oder dort auch wie wenige andere Unionsmitglieder kons­truktiv enthalten kann – so eben geschehen. Und das ist auch ein Beitrag.

So bleibt tatsächlich am Schluss eine besondere Rolle Österreichs, auf die viele von Ihnen ja so stolz sind. Wir müssen sie halt nur wieder mit Leben erfüllen, denn das ist nicht irgendeine Restlneutralität. Wenn man es ein bisschen aktiver angeht, könnte man darin auch noch eine Chance  die vielleicht auch besser genützt werden sollte , ent­sprechend aufzutreten erblicken, da man in Vermittlungsfragen dann mehr Spielraum als andere hat  aber immer, und darauf legen wir Wert, im Rahmen der Vorgaben oder der Bereiche der Europäischen Union, die wir ja mit beeinflussen können , und nicht absichtlich weit außerhalb zu tanzen. Ich glaube, das ist ungefähr die politische Ver­messung des Feldes, wo wir mit der Neutralität dann wieder die Landezone finden, und das ist einmal eine ganz gute Voraussetzung.

Flüchtlingsfrage: Ich glaube, auch da sieht man: Die Europäische Union ist in einer Art und Weise geeint wie schon lange nicht. Das hat es überhaupt noch nie gegeben, dass es da derartige Geschlossenheit gibt. Es wurde auch das erste Mal die entsprechende Richtlinie für den temporären Schutz herangezogen. Das hat auch Konsequenzen für Österreich, und ich finde diese gut. Abgesehen davon, dass wir schon ein Assoziierungs­abkommen mit der Ukraine haben, geht es aber genau nicht um Quotierungen oder sonst etwas zwischen den EU-Staaten, sondern darum, die sicherlich große Hilfe, die hier geleistet werden muss, einmal vorzubereiten, beziehungsweise wird sie auch schon angegangen. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass die Staaten Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien da allein schon aufgrund der Geografie, aber auch der sonstigen Verbindungen Herausragendes leisten. Wann hätten wir uns das gedacht, dass wir das von Österreich von dieser Stelle einmal dorthin adressieren müssen, sollen, dürfen? – All das passt.

Was die Vorbereitungen in Österreich betrifft, habe ich ein gutes Gefühl. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Das Innenministerium ist ja mit den Gemeinden, mit den Bundesländern, aber auch mit den großen Hilfsorganisationen dabei, einmal die großen Dinge zu ordnen und vorzubereiten. Auch die vielen hilfsbereiten Privaten – das ist auch wieder einmal beeindruckend in Österreich, das muss man sagen, nicht das erste Mal – gehören natürlich koordiniert, und auch diese Anlaufstellen gibt es. Auf diese Art und Weise können wir, Stand jetzt, sehr zuversichtlich darauf schauen, was die Herausforde­rungen sind, diese gleichzeitig aber auch in der besten humanitären Tradition Öster­reichs bewältigen. Ich halte das für ganz wichtig.

Ich durfte mich gestern am Hauptbahnhof selbst überzeugen. Danke auch an die ÖBB, die da sehr viel tun; da meine ich nicht die Züge und dass die Vertriebenen quasi kos­tenfrei einreisen und weiterreisen dürfen. Die meisten reisen im Übrigen ja weiter  der­zeit ist die Quote immer noch bei circa 70, 75 Prozent, das kann sich aber auch verän­dern, davon gehe ich jedenfalls aus  und dann geht es eben um die Quartiere; das habe ich vorhin beschrieben. Dass das aber auch am Hauptbahnhof – und damit noch einmal ein Danke an die ÖBB – so organisiert wird, dass es da für die, die noch kein Quartier haben, die Möglichkeit gibt, kurzfristig Unterkunft zu finden, das finde ich beeindruckend, wie das geschehen ist.

Dennoch kann es in den nächsten Wochen schon sehr herausfordernd werden, wenn am Tag mehrere Sonderzüge mit vielen Hunderten Menschen aus der Ukraine ankom­men. Momentan ist es ja noch ein bisschen überschaubarer, aber die Vorkehrungen werden getroffen – insofern einmal Dank dorthin. Am Hauptbahnhof betreibt das die Ca­ritas, aber sie ist für mich jetzt nur stellvertretend für die großen Hilfsorganisationen, die


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da wieder voll im Einsatz und eben im Austausch und Kontakt mit dem Innenministerium sind.

Letzter Punkt: Die dadurch mit ausgelöste Energiekrise – das ist eine, da brauchen wir gar nicht lange herumzureden – betrifft ja auch die anderen Länder, auch diejenigen, die die Sanktionen aussprechen. Das ist uns völlig bewusst, aber eines sollte uns auch be­wusst sein: dass das ein letzter Alarmruf ist, alles zu beschleunigen, was die Möglichkei­ten und Methoden betrifft, rascher vor allem aus Gas, aber natürlich auch aus Öl und Kohle herauszukommen. Insoweit decken sich ja einige Interessen der Unionsländer, aber speziell Österreichs, denn wir haben es ja im Regierungsprogramm verankert, dass wir möglichst rasch CO2-neutral werden wollen. Das ist im Prinzip völlig die gleiche Agenda, und insofern wird das jetzt noch einmal beschleunigt.

Auf der anderen Seite muss völlig klar sein: In der Kurzkurzfrist ist das nicht möglich, das sage ich auch als Grüner. Das ist nicht möglich! Daher geht es um Diversifikation, geht es um Gasbevorratung über den Sommer. Auch dieses Gas wird aber bezahlt wer­den und eingekauft werden müssen. Da darf man sich keine Illusionen machen, das wird auf Höchstpreisniveau dahingaloppieren und da oder dort vielleicht sogar noch einmal vorübergehend weiter steigen. Das muss uns völlig bewusst sein, dass das eine teure Angelegenheit wird. Und was die Preisseite betrifft und ob wir mit der Menge durchkom­men, ist gar nicht hundertprozentig sicher. Das ist so, und jeder, der etwas anderes be­hauptet, ist ein Scharlatan.

Das sehen ja auch viele europäische Länder so. Es sind halt manche davon besonders abhängig, das muss man halt auch dazusagen. Das betrifft immerhin noch den großen Nachbarn, die Bundesrepublik, erst recht Polen und ähnliche Länder, die auch mit Kohle arbeiten. Kohle haben wir weniger, aber dafür haben wir über 50 Prozent Abhängigkeit. Ich hätte immer geglaubt, die schaffen das selbst, aber es ist nicht so. Sowohl Deutsch­land als auch Polen sind, auch was die Kohle betrifft, ganz schön abhängig, und da sieht man schon, wie eng das alles werden kann. Möchte man dann vielleicht substituieren, sagt man: Das Gas nehmen wir für die Industrie, das werden wir dort, solange es ir­gendwie geht, brauchen, und mit der Kohle machen wir wieder Strom. Das sind lauter Überlegungen, die sinnvoll sind, die auch Grüne anstellen, nämlich, um kurzfristig durch­zukommen. Aber auch da kann es eng werden.

Und was Österreich speziell betrifft: 80 Prozent Gasabhängigkeit von Russland ist na­türlich keine gute Nachricht. Insofern sind alle Bemühungen zu unterstützen, die schon in den nächsten Monaten einmal diese von mir angesprochene Diversifikation anzielen und auch erreichen können.

Wir können uns nicht ewig damit aufhalten, in die Geschichte zurückzublicken. Ich weiß, dass wir da auch öffentlich wahrnehmbar die eine oder andere Dissonanz haben, nur, so viel muss schon gesagt sein: Hätten wir die letzten 13, 14, 15 Jahre das gemacht, was wir für die nächsten 13, 14, 15 Jahre vorhaben und dann hoffentlich positiv zu Ende gebacken kriegen, dann würden wir heute nicht so dasitzen, wie wir dasitzen. Das ist doch völlig klar. Deshalb fehlt mir wirklich das Verständnis dafür, dass man einfach da­rüber hinweggeht und sagt, in Zukunft müssen wir das und das und das machen. Das kommt genau von jenen, die nicht willens sind, einmal einzubekennen, dass sie jahre­lang auf das falsche Pferd gesetzt haben – und zwar doppelt: erstens auf den Energie­träger und zweitens auf Putin. Spätestens seit der Annexion der Krim muss doch klar sein, dass man mit Putin nicht einfach spazieren gehen und Freundschaftsverträge schließen oder glauben kann, dass das irgendwie ein gutes, friedliches Ende nimmt.

Wandel durch Handel – na ja, jetzt sehen wir die Wandlung, die fällt uns gerade ein bisschen auf den Schädel. Das ist nicht völlig unerwartet. Jetzt will ich gar nicht darauf herumreiten und sagen: Auch das hätten wir immer schon alle wissen können oder sonst


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etwas. Das werden wir nicht machen; aber eine Spur innezuhalten und daraus abzulei­ten, wie wir zukünftig vorgehen  diese Erwartungshaltung darf ich schon zum Ausdruck bringen, denn für die Zukunft werden nur jene die besten Entscheidungen treffen, die die vergangenen Entwicklungen überhaupt verstehen.

Richtig ist natürlich auch  ich nehme das ja selbst zur Kenntnis , dass es für Österreich viele gute Gründe gegeben hat, mit Russland in einem guten Einvernehmen zu sein, politisch, geopolitisch, alles richtig. Sich aber in dieser Art und Weise in eine Gasab­hängigkeit reinzureiten, das wäre nicht notwendig gewesen. Deshalb ist alles zu tun, dass wir das umso schneller begradigen, so gut es geht. Und dann Schwamm darüber, arbeiten wir in die Zukunft!

Wir haben ohnehin die Teuerungen in dem ganzen Sektor zu bekämpfen, da müssen wir etwas tun, das ist mir völlig klar. Welche Maßnahmen das sein werden, können wir gemeinsam besprechen. Der Herr Bundeskanzler und ich sind in Übereinstimmung, dass wir in diesen industriepolitisch wichtigen Fragen auch auf die Opposition zugehen. Das ist eine ähnliche Situation wie vor zwei Jahren, das ist wirtschaftspolitisch jetzt ex­trem herausfordernd. Wir wissen nicht, ob wir wieder einen Wirtschaftseinbruch haben werden, die Teuerung wird weitergehen, daher auch das Angebot, in diesen Gruppen, die hier eingerichtet werden, mitzuarbeiten. Nehmen Sie das als ausgestreckte Hand!

Unterm Strich ist es doch so, dass das Zusammenarbeiten dazu führen kann, dass wir schneller aus diesen Abhängigkeiten herauskommen. Plötzlich ist Umweltschutzpolitik – eh schon länger in Wahrheit, aber jetzt sollten es halt alle sehen – auch Geopolitik und Sicherheitspolitik, da Unabhängigkeit wesentlich mehr Spielräume für Österreich und die anderen europäischen Länder erzeugt. Das sollte unser Ziel sein, wir könnten mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, und das ist dann doch wieder ein bisschen Hoffnung und Zuversicht.

Politisch glaube und hoffe ich – und ich weiß mich da mit der Mehrheit eins, auch wenn es nur eine Hoffnung ist, ich halte sie trotzdem für wichtig, um diese Zuversicht aufrecht­zuerhalten, auch angesichts des Mutes, den Leute in Russland haben, das sind die Hel­dinnen und Helden, die dort noch demonstrieren gehen und weggesperrt werden (Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring), oder wie sich in der Ukraine viele Menschen ge­gen diese Aggression stellen, –, ich glaube, dass wir schon die Hoffnung haben dürfen, dass am Schluss – da wird es dazwischen noch viel Leid geben, aber am Schluss! – der Freiheitswille, die Freiheit selbst, die Demokratie stärker sind als Diktatur und Tyrannei. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der BundesrätInnen Kahofer und Arlamovsky.)

10.55


Vizepräsident Günther Novak: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausfüh­rungen.

Nunmehr erteile ich Frau Bundesministerin für EU und Verfassung zur Abgabe einer Erklärung das Wort. – Bitte, Frau Bundesministerin.


10.56.08

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Als Verfassungsministerin bin ich normalerweise nicht diejenige, die sich als Erste zur Regierungsumbildung zu Wort meldet. Aus gegebenem Anlass möchte ich das aber tun, nicht nur, weil es der Herr Vizekanzler im Zusammenhang mit der aktuellen Situation erbeten hat, sondern vor allem auch, weil sich die Zusammenarbeit zwischen Verfas­sungsministerium, meiner Person und auch den jeweiligen Gesundheitsministern mittler­weile als eine sehr, sehr gute und stabile herausetabliert hat und wir heute, nachdem


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Johannes Rauch erst gestern angelobt worden ist, schon die Gelegenheit hatten, nach dem Ministerrat eine gemeinsame Presseerklärung abzugeben.

Bevor ich auf die Details zur Impfpflicht eingehe, darf ich auch an dieser Stelle sagen, dass ich mit Wolfgang Mückstein sehr, sehr gut zusammengearbeitet habe; der Herr Vizekanzler hat es bereits ausgeführt. Wir haben im Bereich der Sterbeverfügung gut zusammengearbeitet und, glaube ich, eine Lösung auf den Weg gebracht, die sich wirklich sehen lassen kann – bei all den Schwierigkeiten, die gesellschaftspolitisch beim Thema Recht auf Leben dahinterstecken, ohne da jetzt näher darauf einzugehen, haben wir das miteinander gut bewältigt –, und dann auch in der sehr, sehr schwierigen Situa­tion, kurz vor einem Lockdown, was die Impfpflicht betrifft. Ich möchte von dieser Stelle aus Wolfgang Mückstein alles, alles Gute wünschen, möge er sozusagen jetzt sein Le­ben wieder so gestalten können, wie er sich das für sich, seine Kinder und seine Familie wünscht. Danke jedenfalls auch an dieser Stelle für sein Engagement. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Johannes Rauch – wir kennen uns persönlich tatsächlich erst seit gestern – hat hier einen – ich würde fast Raketenstart sagen, aber das passt in der heutigen Zeit vielleicht nicht – raschen Start hinlegen müssen. Wer gestern die „ZIB 2“ gesehen hat, hat spätes­tens dann bemerkt, dass es keine Schonfrist gibt, dass es keine 100 Tage gibt, in man­chen Fällen offenbar nicht einmal einen Tag nach der Angelobung, dass man sich mit den Dingen beschäftigt und dass man manche Dinge, die halt noch nicht spruchreif sind, auch nicht kommentiert. Ich möchte an dieser Stelle dir, lieber Johannes, auch dafür danken, dass du dich zur Verfügung gestellt hast, dich diesem doch sehr schwierigen Interview perfekt gestellt (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) und dich auch da an das gehalten hast, was wir in der kurzen Zusammenarbeit ausgemacht haben, nämlich, dass wir heute nach dem Ministerrat gemeinsam verkünden, was im Bereich der Impf­pflicht Sache ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte das deshalb in aller Deutlichkeit sagen, da viele auch hier auf diese Entscheidung gewartet haben und ich als Verfas­sungsministerin betonen möchte, dass es aus meiner Sicht keine andere Möglichkeit gab, als diese Entscheidung zu treffen. Wir haben mit dem Impfpflichtgesetz eine Kom­mission eingerichtet, diese hat getagt, und sie hat uns ganz klare Empfehlungen ge­geben, die wir auch – vorher gesagt, jetzt eingehalten – mit der Entscheidung jetzt nach­vollziehen! Wir sind heute in einer ganz anderen Situation, als wir es damals im Dezem­ber, kurz vor dem Lockdown, waren, als die Deltavariante um sich gegriffen hat, als viele Menschen im Krankenhaus waren, die Intensivstationen massiv belastet waren (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schartel) und wir einfach gesehen haben, dass es eine Not­wendigkeit gibt, die Menschen zum Impfen zu bringen. Und das haben wir mit der Impf­pflicht auch umgesetzt.

In aller Deutlichkeit noch zwei Dinge zum Gesetz: Es ist keine Schwäche, dass wir die Impfpflicht jetzt aussetzen, sondern das ist eine Stärke dieses Gesetzes. Dieses Gesetz hat nämlich die maximale Flexibilität an den Tag gelegt, die wir in einer Situation brau­chen, in der wir mit einem Virus konfrontiert sind, das flexibel reagiert. (Bundesrat Stei­ner: Super Interpretation!) Und diese Flexibilität – man kann ein Gesetz nicht von heute auf morgen beschließen, Gott sei Dank nicht, dafür gibt es ja Parlamente, es gibt einen Nationalrat und einen Bundesrat, die mitzureden haben – nützen wir jetzt aus.

Wir brauchen keine Gesetzesänderung dafür, sondern das geht mit Verordnung des Ge­sundheitsministers und mit Beschluss des Hauptausschusses – um auch die parlamen­tarische Kontrolle beziehungsweise die Einbindung des Souveräns zu haben, wenn Sie das so ausdrücken wollen. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Die Experten sa­gen ganz konkret: Es gibt gute Argumente, dass man dieses Gesetz jetzt nicht in Um­setzung bringt. Das bedeutet, dass es keine Pflicht und damit auch keine Kontrolle gibt.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, seien wir uns aber dessen gewahr, dass wir nicht wissen, was das Virus noch mit uns vorhat. Wir können gegebenenfalls die Impf­pflicht, die Kontrollen und auch die weiteren Stufen, die das Gesetz vorsieht, wieder in Geltung setzen. Wir werden dann natürlich – darüber haben wir, der Gesundheitsminis­ter und ich, uns auch verständigt – im Rahmen der gesamten Bundesregierung die mit den Experten abgesprochenen Schritte setzen, die notwendig sind, um unsere Bevölke­rung zu schützen und um auch die Systeme der Gesundheitsbehörden aufrechtzuerhal­ten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Lassen Sie mich jetzt aber zu dem Thema kommen, von dem wir alle nicht gedacht haben, es einmal behandeln zu müssen: Krieg in der Ukraine. Ich habe nicht erwartet, dass zu meinen Lebzeiten in Europa Krieg ausbrechen könnte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir Sirenenalarm erleben, dass wir Menschen sehen, die aus Angst vor Bombenangriffen tagelang in den U-Bahn-Stationen ausharren, dass Spitäler in Keller verlegt werden und dort Mütter ihre Kinder unter Umständen gebären, die ich mir nicht vorstellen möchte.

Ich habe seinerzeit viele Diskussionen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf zum Eu­ropäischen Parlament geführt, und ich habe viele Erinnerungen daran, dass alle auf dem Podium jeweils ausgeschlossen haben, dass es auf europäischem Boden noch jemals eine Panzerschlacht geben würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit 24.2. dieses Jahres erleben wir genau das. Alles ist anders. Das ist eine wahre Zäsur in der europäischen Politik und im europäi­schen Gefüge. Das sage ich im vollen Bewusstsein auch als jemand, der beim Europarat am Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg tätig war. Wir haben dort gelernt, die Dinge auszudiskutieren, aber nicht mit der Waffe in der Hand.

Jetzt erleben wir jedoch genau das. Es war ein Überfall Putins auf einen souveränen Staat, der nicht provoziert war, sondern unter vorgeschobenen Argumenten passiert ist. Es ist dies ein Wendepunkt in der Geschichte. Wir müssen forthin damit umgehen, dass Putin Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte über Bord geworfen hat und fortan mit Füßen tritt – und nicht einmal das trifft das, was wir jetzt in der Ukraine erleben, denn das ist noch sehr viel schrecklicher. Einem souveränen Staat wird die Existenz­berechtigung abgesprochen. Männer, Frauen und Kinder sterben, weil jemand – ich bezeichne ihn jetzt bewusst als Despoten – glaubt, im 21. Jahrhundert Grenzen eines souveränen Staates verschieben zu müssen. – Das werden wir nicht dulden! Das lassen wir nicht zu! Dabei werden wir aus der Europäischen Union heraus nicht zuschauen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Unser friedliches Zusammenleben in Europa – das geht über die Europäische Union hinaus; ich sage es nochmals, dass auch der Europarat mit 47 Mitgliedstaaten betroffen ist – basiert auf einem Wertekanon, auf Regeln, an die wir uns alle halten und im Hinblick auf welche wir uns aufeinander verlassen können. Dieses friedliche Zusammenleben ist jetzt nicht nur in Frage gestellt, sondern es ist tatsächlich Krieg ausgebrochen. Ich hätte mir nicht gedacht, dass wir jemals aus der Europäischen Union heraus Waffen liefern. Das ist aber notwendig, weil wir nur so unsere Solidarität mit einem souveränen Staat zeigen können, der jetzt versucht, sich zu verteidigen, und dabei wirklich Willensstärke beweist. Es ist unsere Pflicht, unsere Solidarität so zu zeigen.

Sie wissen, dass in der Zwischenzeit in der Europäischen Union sehr viel geschehen ist. Es gab Waffenlieferungen im Ausmaß von 450 Millionen Euro und die Lieferung von sonstigen Gütern im Wert von 50 Millionen Euro. Vizekanzler Werner Kogler hat es an­gesprochen: Österreich beteiligt sich nicht an den Waffenlieferungen. Das zu betonen ist ganz wichtig, denn wir sind ein neutraler Staat und wir werden auch ein neutraler Staat bleiben. Wir haben uns diesbezüglich konstruktiv enthalten, wie das in der Diplo­matensprache heißt. Wir stehen aber dazu, dass dieses Land jede Unterstützung


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braucht, und in einem Krieg sind das nun einmal – so leid es mir tut, das sagen zu müs­sen – auch Waffen, letale Waffen, weil sich die Ukraine ansonsten nicht verteidigen kann.

Das ist aber nicht das Einzige, was wir getan haben. Innerhalb nur weniger Tage wurden drei Sanktionspakete beschlossen, die sich gegen das dortige Finanzsystem richten, die sich gegen die Elite und auch gegen Hightechindustrie und -waren richten, womit wir gemeinsam erreichen wollen, dass der Druck auf Putin, diesen Krieg zu beenden oder zumindest endlich eine Waffenruhe einkehren zu lassen, auch in dieser Hinsicht steigt, damit wir an den Verhandlungstisch zurückkehren können. Österreich wird sich als neu­traler Staat auch anbieten, um Vermittlungsraum zu geben.

Es gibt aber auch mit den internationalen Partnern eine ganz enge Abstimmung, und zwar im Rahmen der OSZE, die ihren Sitz hier in Wien hat, und auch innerhalb der UNO, in der Resolutionen beschlossen wurden. – Ja, im Sicherheitsrat gab es keinen Be­schluss, weil Russland als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates dort ein Vetorecht hat, es gibt aber eine Resolution, die in der Generalversammlung mit überwältigender Mehrheit beschlossen worden ist.

Ich darf das so ausdrücken: Die Welt steht in diesem Fall zusammen und die Welt wird jede Unterstützung für die Ukraine geben, die notwendig ist, damit dieser Krieg so rasch wie möglich beendet werden kann. Das tun wir jetzt. Die Europäische Union ist auch bereit, weiter zu gehen, auch wenn uns diese Sanktionen und diese Maßnahmen treffen werden. Auch das hat der Vizekanzler schon angesprochen: Ja, wir spüren die Sank­tionen und wir werden deren Auswirkungen noch mehr spüren, aber das ist alternativlos, denn wir können das im 21. Jahrhundert nicht geschehen lassen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich glaube, es ist auch ganz deutlich geworden, dass weder das russische Volk kriegs­willig und in dieser Hinsicht bereit ist noch die ukrainische Bevölkerung in die Zeiten der Sowjetunion zurück will – schon gar nicht. Niemand will das! Im Gegenteil: Die Ukraine hat zum jetzigen Zeitpunkt – und ich kann das emotional sehr, sehr gut nachvollziehen – einen Antrag gestellt, Mitglied der Europäischen Union zu werden.

Ich sage in aller Deutlichkeit: Das verstehe ich und das ist nach Artikel 49 der EU-Ver­träge rechtlich auch möglich. Jeder europäische Staat kann das machen und kann sa­gen: Wir wollen Mitglied der Europäischen Union werden! – Das wird auch geprüft, nicht zuletzt anhand der Kopenhagener Kriterien, um einen Beitrittsstatus zu erreichen.

Ich sage aber auch dazu – ich habe das auch gegenüber dem ukrainischen Botschafter deutlich gemacht –: Das ist kein leichter Weg, das kann nicht von heute auf morgen geschehen. Vergessen wir nicht, auch sechs Staaten auf dem Westbalkan warten teil­weise seit Jahrzehnten darauf, dass sie den nächsten Schritt in den Beitrittsverhand­lungen machen dürfen. Daher sind auch bei Solidarität gegenüber der Ukraine klarer­weise ein Prüfen dieses Antrages und ein weiteres Vertiefen der Beziehungen zur Euro­päischen Union notwendig, um den Menschen und der Bevölkerung eine Annäherung an europäische Werte zu ermöglichen. Es darf kein Schnellverfahren geben – auch das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen.

Unsere vorrangigen Ziele müssen jetzt sein: Waffenruhe, Verhandlungen, humanitäre Korridore und Hilfe für die Menschen, die ohne Wasser in einer Situation eingeschlossen sind, in der wir jetzt offenbar wieder mit dem Ausbruch von Seuchen zu rechnen haben, die keine Medikamente haben und auch das Land nicht verlassen können. À la longue müssen wir als Friedensunion den Frieden wieder herstellen. Nur das kann unser ge­meinsames Ziel sein, mit allem, was dafür benötigt wird. Wir sind bereit, die Maßnahmen, die sicherlich auch uns treffen werden, hinzunehmen, um die Ukraine zu unterstützen.

Was hat uns diese Krise noch gezeigt? – Sie hat uns gezeigt, dass wir abhängig sind, dass wir nämlich eine enorme Energieabhängigkeit von Russland haben. Das war schon


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vor diesem Kriegsausbruch klar, aber jetzt ist natürlich die Dramatik eine ganz andere. Auch aus diesem Grund ist der Bundeskanzler erst Ende voriger Woche mit den Bun­desministerinnen Köstinger und Gewessler aufgebrochen, um in Katar und in den Ver­einigten Arabischen Emiraten nach Alternativen zu suchen, denn wir brauchen diese Energie, um unsere Industrie und die Wirtschaft am Laufen zu halten, um Arbeitsplätze zu sichern und um die Wohnungen zu heizen. Selbst wenn wir jetzt im ausklingenden Winter sind: Der nächste Winter kommt bestimmt, und ohne diese Energie wird es nicht gehen. Es ist also alternativlos, nach Alternativen zu suchen.

Ich höre schon die Argumente von manchen, die sagen werden: Das sind aber auch keine Staaten, die mit demokratischen Werten und mit Menschenrechten sorgsam um­gehen! – Es ist aber eben auf der Welt so, dass wir nicht in allen Staaten Demokratien haben. Wir hatten das Privileg, über viele Jahrzehnte in Europa in Frieden zu leben. Erst jetzt sehen wir, dass das keine Selbstverständlichkeit ist.

Russland ist jetzt das Land, das in den Krieg gezogen ist, eine Invasion gestartet, vom Zaun gebrochen hat. Den anderen Ländern muss man auch Unterstützung bieten, dass sie menschenrechtlich weiterkommen, in erster Linie braucht es jetzt aber die klare Kan­te gegenüber Russland sowie Energie für Österreich, und ich bin dem Bundeskanzler sehr dankbar für diese rasche Initiative, dass er sofort diese Reise gemacht hat, um Alternativen aufzuzeigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss und möchte darzu­stellen versuchen, was diese Zäsur beziehungsweise dieser Wendepunkt in der euro­päischen Geschichte für Österreich bedeuten. Das bedeutet, dass wir unsere Sicher­heits- und Verteidigungsstruktur überdenken müssen. Das bedeutet, dass wir darüber diskutieren müssen, wie die Verteidigungspolitik in Zukunft in Österreich aufgestellt sein soll, vom Budget angefangen über die Instrumentarien, die zur Verfügung stehen, bis hin zur Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. (Bundesrat Steiner: Seit Platter ha­ben Sie das sehr kaputtgemacht!)

Das bedeutet aber nicht, die österreichische Neutralität in Frage zu stellen. Die österrei­chische Neutralität ist in einem Bundesverfassungsgesetz festgelegt, und sie war die Voraussetzung, dass Österreich ein unabhängiger Staat werden konnte. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Vieles hat sich klarerweise seit dem 26. Oktober 1955 geändert, und zwar auch durch den Beitritt zur Europäischen Union, dem übrigens eine Volksabstimmung vorausgegangen ist. Jetzt gilt es, im Rahmen dieser Neutralität auch die Sicherheitsarchitektur Europas neu zu überdenken.

Ich selbst war immer der Überzeugung, dass wir es mit hybriden Bedrohungen, etwa mit Cyberattacken, zu tun haben werden. Jetzt sehen wir, dass in einem Krieg des 21. Jahr­hunderts alle verfügbaren Mittel eingesetzt werden, konventionelle, hybride und Cyber­attacken, und darauf müssen wir jetzt unser Hauptaugenmerk richten.

Daher sage ich Ihnen: Ja, es braucht eine Diskussion ohne Tabus. Es braucht aber auch eine Wertschätzung gegenüber den Dingen – und da ist die Neutralität ganz oben anzu­siedeln –, die uns hier in Österreich in den letzten Jahrzehnten Frieden und Wohlstand ermöglicht haben, die uns überhaupt die Unabhängigkeit ermöglicht haben und die uns auch ermöglicht haben, im internationalen Ranking sehr weit oben zu stehen.

Wir sind nämlich nicht nur Verhandlungsort für viele Abkommen, sondern Österreich ist auch Sitz vieler internationaler Organisationen, und das sollte auch weiter so bleiben. Analysieren wir daher mit kühlem Kopf die Situation und nehmen wir unsere verfas­sungsrechtlichen Aufgaben wahr! Dazu gehört nun einmal auch die Landesverteidigung, das ist unsere Aufgabe.

Wenn sich jetzt viele überlegen, wie es weitergeht und was als Nächstes passieren wird, dann muss ich Ihnen leider sagen: Ich kann es Ihnen nicht sagen. Keiner von uns kann


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in den Kopf Putins schauen. Keiner weiß, wie weit er gehen wird. Ich kann Ihnen aber sagen, dass für uns in Österreich und in der Europäischen Union eine rote Linie über­schritten ist, und zwar im Hinblick auf das Völkerrecht. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir alle Parteien des Krieges und auch sonst alle an den Verhandlungstisch zurückbringen, um den Frieden wiederherzustellen – durch Verhandlungen und nicht mit der Waffe in der Hand. Ich möchte daher mit Bertha von Suttner schließen: „Die Waffen nieder!“ (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

11.13


Vizepräsident Günther Novak: Ich danke der Frau Bundesministerin für ihre Ausfüh­rungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.14.07

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Vizekanz­ler! Werte Regierungsmitglieder! Es ist schwer erträglich, dass wir in unserer Nähe, dass wir in Europa wieder Krieg haben. Damit wird leider ein neues trauriges Kapitel der Welt­ordnung aufgeschlagen, dessen Folgen noch gar nicht abschätzbar sind.

Ein unabhängiges Land wird militärisch überfallen. Ziel Putins ist offensichtlich, die Ukrai­ne politisch als unabhängigen Staat auszulöschen und zumindest Teile des Landes sich selbst einzuverleiben. Dafür scheint seitens der Führungselite in Russland jedes Leid und jedes Unrecht in Kauf genommen zu werden.

Ich meine, deshalb ist es wichtig, ein weiteres Mal festzuhalten und zu unterstreichen, was die Bundesregierung schon klarstellte, und zwar auch deshalb, weil es auch hier im Haus viele Leute gibt, die aus meiner Sicht ein seltsames Verständnis von Neutralität haben. Es gibt keine Neutralität, wenn es um einen Bruch des Völkerrechts geht! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Es darf keine Neutra­lität geben, wenn es darum geht, Aggressoren als solche anzusprechen. Es darf keine Neutralität geben, wenn es darum geht, für die Leidtragenden einzutreten.

Eine andere Debatte ist selbstverständlich die militärische Neutralität. Doch sogar von der Schweiz, sozusagen den Chefneutralen der Welt, werden die Sanktionen mitgetra­gen. Das will etwas heißen, denn in der Schweiz ist die Neutralität das politisch Aller­heiligste! Ich weiß das gut, denn ich lebe an der Grenze zur Schweiz. Auch dort erkennt man aber, dass es das nicht geben kann, in einer solchen Situation keine Position zu haben.

Niemand hätte dieses Ausmaß an Eskalation für real gehalten. Da darf man auch niemandem einen Vorwurf machen. Was mich jedoch seit Jahren beschäftigt und ärgert, ist dieses offensichtliche Nicht-sehen-Wollen der Ziele russischer Politik und Putins Poli­tik. Seit 20 Jahren wäre es nicht schwierig zu beobachten gewesen, wie Putin Russland systematisch in eine antiliberale, autoritäre Autokratie umbaut. Systematisch wurden Bürgerrechte abgebaut, Opposition wurde ausgeschaltet, die freie Presse wurde einge­schränkt, und jetzt gibt es sie gar nicht mehr, NGOs und Menschenrechtsgruppen wur­den eliminiert. Systematisch betreibt Putin seit Langem eine Ausweitung und Festigung der russischen Einflusssphäre, siehe Weißrussland, siehe Gebietsnamen in Georgien, siehe Krim, siehe Ostukraine, siehe sein Einschreiten in Kasachstan und so weiter. Sys­tematisch schürt Putin in Europa Auseinandersetzungen auf regionaler Ebene, syste­matisch unterstützt Putin radikal rechtsnationale Strömungen in Europa, die sich das gerne gefallen lassen, auch hier in Österreich. Das wird es in den nächsten Monaten aufzuarbeiten gelten.


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Nein, man wollte das einfach nicht wahrhaben: Man pflegte öffentlichkeitswirksam Freundschaften mit Putin und bildete sich noch etwas darauf ein. Der Rubel und so manche Aufsichtsratsposten waren halt wichtiger. Und genau diese Praxis – der Herr Vizekanzler hat es angesprochen – hat zu extremen Abhängigkeiten von russischem Gas geführt. Es sind 80 Prozent, und leider muss man festhalten: Diese Abhängigkeit Österreichs ist selbst verschuldet. Ich empfehle Ihnen, als Beispiel dafür das „Profil“-Interview mit Herrn Roiss, dem ehemaligen OMV-Chef, zu lesen, der schildert, was eigentlich unfassbar ist, wie nämlich Entscheidungen in Richtung Abhängigkeit getroffen wurden, wobei einem die Akteure sehr bekannt vorkommen.

Europa reagiert, und Europa hat in den letzten zwei Wochen hervorragend funktioniert. Die erlassenen Sanktionen sind umfangreich, sie werden ihre katastrophale Wirkung wohl nicht verfehlen und sie sind – davon können wir ausgehen – noch nicht an ihrem Höhepunkt angelangt. Das ist richtig, und wir unterstützen das auch, ein Grund zur Freu­de ist das jedoch nicht, denn der dahinterstehende Mechanismus ist letztlich ein grau­samer. Spüren wird das am Ende der Wirkungskette die Bevölkerung. Zuallerletzt wer­den das leider die Entscheidungsträger verspüren, die den Krieg zu verantworten haben. Es besteht allerdings die Hoffnung, dass sich das die Bevölkerung in Russland bald nicht mehr gefallen lassen wird und nicht mehr bereit sein wird, Entbehrungen hinzunehmen, die die eigene Regierung mit ihrer Aggression den Menschen eingebrockt hat.

Ausbaden müssen diese Katastrophe also die Menschen, die am wenigsten dafür kön­nen, und zwar zuallererst die Bevölkerung der Ukraine. Es ist einfach nicht vorstellbar, dass Menschen von einem Tag auf den anderen bis auf einen Koffer alles zurücklassen müssen und Familien getrennt werden. Die Schmerzen dieser Menschen sind wohl kaum zu ermessen.

Ein großer Respekt gehört den Bürgerinnen und Bürgern in Russland, die gegen den Krieg auf die Straße gehen und damit ihre Freiheit, ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen riskieren. Sehr wichtig wäre es, Wege zu finden, aus Europa und Österreich heraus die­se Menschen, Widerstandsgruppen, Menschenrechtsgruppen, JournalistInnen, kritische KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, zu unterstützen.

Eine Konsequenz ist in Europa und insbesondere in Österreich nun zu ziehen, nämlich die ohnehin anstehende Energiewende schnellstens, und zwar – wie ich betone – im Krisenmodus, zu vollziehen, also einen systematischen Ausstieg aus Öl und vor allem Gas vorzunehmen. Es geht jetzt wirklich darum, die Weichen im Sinne von Unabhän­gigkeit und Handlungsfähigkeit und im Sinne des Klimaschutzes zu stellen. Ich appelliere eindringlich – und ich weiß, wovon ich rede –, jetzt den Mut zu haben, diese Wende einzuleiten, beziehungsweise appelliere ich an so manche, sie nicht mehr zu blockieren. Nur wenn wir das konsequent und schnell machen, hat es die nötige Wirkung. Etwas möchte ich in dieser Hinsicht sehr klar sagen: Hören wir bitte nicht weiter auf die ewigen Bremser! Hören wir bitte nicht weiter auf diejenigen, die uns diese Misere maßgeblich eingebrockt haben und jetzt die falschen Ratschläge erteilen, was zu tun sei!

Das Hotel, in dem ich als Stammgast immer logiere, wenn ich in Wien bin – und das ist oft –, hat 65 Flüchtlinge aus der Ukraine auf Kosten des Eigentümers aufgenommen. Und ich sage Ihnen: Es macht schon betroffen, in die Augen verzweifelter Menschen zu schauen! – Es geht jetzt eben vorrangig genau darum, das zu tun, was dieser Hotelbe­treiber tut, nämlich zu helfen und nicht lange zu fragen. Viele Initiativen, BürgerInnen und UnternehmerInnen in Österreich sind dazu bereit, und diesen gebührt Dank. Auch die Regierung hat klar bekundet, die Menschen aus der Ukraine nicht hängenzulassen. Es ist als unsere Pflicht zu betrachten, jetzt da zu sein.

Ich hoffe sehr, dass diese Stimmung und Bereitschaft halten werden. Es muss nämlich klar sein: Wir werden noch gefordert sein. Solidarisch und vor allem solidarisch in der


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Europäischen Union können wir das aber schaffen. Wohlstand ist auch Verantwortung, und das können wir jetzt zeigen.

Wir haben jetzt ja zwei Themen, und es ist mir ein besonderes Anliegen, noch ein paar Worte zu Johannes Rauch zu sagen: Wir waren über Jahre politische Weggefährten, wir kennen einander, glaube ich, ganz gut und haben für unsere Ziele gekämpft, du als Lan­desrat und ich als Klubobmann. Ihr habt mich 2014 auch in die Politik geholt.

Ich werde jetzt öfter als sonst gefragt, was ich von Johannes Rauch halte, und ich ant­worte dann Folgendes: Johannes ist einer der strategisch und politisch brillantesten Köpfe in Österreich. Davon bin ich überzeugt. Ich kenne kaum jemanden, der so konflikt- und durchsetzungsfähig, so zielorientiert und auch pragmatisch ist. Ich sage dann noch etwas dazu, abhängig davon, wer mich fragt, aber ich sage das auch jetzt: Niemandem würde ich raten, zu versuchen, Johannes für dumm zu verkaufen. Das geht nämlich nicht gut aus!

Alles Gute, Johannes, ich bin mir sicher, du wirst das packen. Volle Kanne ran – dafür sind wir da! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.23


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile ihr das Wort.


11.23.56

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Geschätzte Mitglieder unserer Regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wenn die Pandemie nicht gereicht hätte: Jetzt haben wir auch noch die Kampfhand­lungen in der Ukraine und das damit verbundene Leid. Zur Ukraine wird unser Kollege Buchmann Stellung nehmen und auch den Antrag einbringen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Würden wir jetzt den Posten des Gesundheits- und Sozialministers ausschreiben, dann würde sich, wie ich glaube, der Run in Grenzen halten. Laut Peter Filzmaier ist das derzeit das „undankbarste Regierungsamt“. Deshalb ein herzliches Dankeschön, Herr Minister Johannes Rauch, dass Sie dieses Amt über­nommen haben, und zwar so rasch übernommen haben! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie haben gesagt, dass es Zeit ist, in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen, und wenn Sie Ja sagen, dann handeln Sie mit ganzem Herzen und mit voller Kraft. Des­halb sind Sie diesmal dem Ruf auf das bundespolitische Parkett nach Wien gefolgt, ei­nem Ruf, den Sie bisher überhört haben. Die Aufgaben und die Herausforderungen, die auf Sie warten, sind enorm. Ich meine aber, Sie haben Lebenserfahrung durch Ihre Sozialarbeit mit Menschen in schwierigen Lebenslagen, und unsere derzeitige Situation ist mehr als schwierig: Im Hinblick auf die Pandemie und die Ukraine liegen unsere Ner­ven blank.

Die Pandemie hat uns überrollt wie ein Tsunami, ein böser Traum, aus dem es kein Aufwachen gibt. Es gibt keine Erfahrungswerte. Wir sind täglich Lernende und Beobach­tende, und was heute richtig zu sein scheint, ist morgen überholt. Wir haben heute auch vom neuen Zugang zur Impfpflicht gehört. Die Impfpflicht ist ausgesetzt, und es wird in drei Monaten darüber entschieden. Es ist wichtig, hier immer beweglich zu sein, auf Ex­perten zu hören und entsprechende Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese anders sind, als man noch vor einiger Zeit gedacht hat.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr beunruhigend ist allerdings, dass der Um­gangston in unserer Gesellschaft immer rauer und untergriffiger wird, und zwar leider auch hier bei uns, was auch Ihre beiden Vorgänger, Herr Minister, zu spüren bekommen haben. Ich zolle beiden meinen Respekt, dass sie eingestanden haben: Ich kann nicht mehr. – Dazu gehören Mut und Respekt vor dem Amt.


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Es ist unschön, verletzend und zutiefst traurig, wenn ein Amtsträger um seine persön­liche Sicherheit und die seiner Familie bangen muss, wenn Kinder nicht ungetrübt auf ihren Vater stolz sein können. – Sie, Herr Minister, sind ein Politprofi. Sie wissen: Es gibt keine Schonfrist, die 100 Tage gehören der Vergangenheit an. Von Ihren politischen Wegbegleitern aus allen politischen Lagern erhalten Sie Vorschusslorbeeren, was Ihren Arbeitsstil betrifft. Sie werden beschrieben als hartnäckig, kreativ, konstruktiv und lö­sungsorientiert.

Wir, Herr Minister, wünschen uns, gemeinsam mit Ihnen die Pandemie zu besiegen, damit wir wieder in unser Leben zurückkehren können, damit wir unser Leben wieder zurückbekommen. Auch ein wesentlicher und wichtiger Punkt ist, dass Sie auch als So­zialminister Ihre Arbeit machen können. Politische Arbeit muss immer auch soziale Arbeit sein. Das sagen Sie, und wir wünschen Ihnen und uns, dass Sie viel Kraft dafür haben, eine dicke Haut und Erfolg beim Umsetzen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.28


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Vizepräsidentin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


11.28.38

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf mit dem Thema Ukraine beginnen, weil dieses das drängende und das schmerzlichste ist. Der russische Angriffskrieg und die Kriegsverbrechen, die seit dem 24. Februar geschehen sind und die gerade jetzt geschehen, sind aufs Schärfste zu verurteilen. Unsere Gedanken sind bei der Bevölkerung der Ukraine, bei den Opfern und jenen, die zurzeit unter größter Not, unter den Auswirkungen dieses verheerenden Krieges leiden. Wir sehen täglich schreckliche Bilder der menschenverachtenden Kri­sensituation, von Bomben, Zerstörung, von Opfern vor Ort, nur wenige Hundert Kilome­ter von Österreich entfernt. Die Masse der Menschen vor Ort erfährt unerträgliches Leid.

Unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker ist es, in Zeiten der unerträglichen Unmenschlichkeit Menschlichkeit zu zeigen und Hilfe zu leisten, wo immer es möglich ist. Und gerade wir sind aus der Sicht unseres Landes dem eindringlichen Aufruf nach Frieden und den Bemühungen um Frieden verpflichtet.

Ich darf den ehemaligen deutschen Kanzler Willy Brandt zitieren: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Es ist jetzt immens wichtig, zu handeln und für die fliehenden Menschen einen so sicheren Weg wie möglich zu finden. Sie brauchen drin­gend die internationalen Anstrengungen, um Fluchtkorridore zu finden, die ihnen ein si­cheres Verlassen des Landes ermöglichen, wenn sie es verlassen wollen. Noch immer sitzen Betroffene in der Ukraine fest, die gehen wollen; sie halten sich in Kellern und in U-Bahnstationen auf, um sich vor Bomben zu schützen – und täglich sterben immer mehr Zivilistinnen und Zivilisten.

Hoffnung macht, dass die Österreicherinnen und Österreicher gezeigt haben, zu welcher unglaublichen Hilfsbereitschaft sie fähig sind – Spenden, Hilfskonvois, Quartierangebo­te –, und das ist wirklich beeindruckend. In dieser Hinsicht ist vor allen Dingen auch die rasche Hilfeleistung der Bundesländer zu unterstreichen, die in kürzester Zeit Unglaubli­ches auf die Beine gestellt haben: Ankunftszentren wurden errichtet, Netzwerke aktiviert, Betten hergerichtet. Ich möchte das Burgenland, das die Nova-Rock-Halle für Flüchtlin­ge hergerichtet hat, und Wien mit dem Happel-Stadion erwähnen. Allerdings wurden auch alle anderen Bundesländer von einer unglaublichen Welle der Hilfsbereitschaft er­fasst. Wir brauchen aber nun auch viele Maßnahmen zur guten Integration dieser


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Menschen, die ihr Land verlassen haben. Es sind derzeit hauptsächlich Frauen und Kinder, traumatisierte Menschen, die alles zurückgelassen haben und nun einen guten Platz finden sollen und müssen. Wir brauchen Sprachkurse, ein Angebot von Kinder­bildungseinrichtungen sowie gute und starke Maßnahmen zur Integration.

Für uns ist der wichtigste Punkt, in diesem furchtbaren Krieg die Bedeutung der Neu­tralität für Österreich hervorzuheben. (Beifall bei der SPÖ.) Natürlich hat sich durch den Beitritt zur EU für Österreich in Hinblick auf die Neutralität einiges verändert. Der Grundwert der Neutralität, der für die Menschen unseres Landes einen immens hohen Wert darstellt, muss aber geschützt werden – und man sollte gerade in der derzeitigen Situation nicht sinnlose Diskussionen über die Neutralität entfachen, die ja selbst aus den Reihen der ÖVP kamen, wo man nun halt wieder zurückrudert. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es ist in Ordnung! Neutralität ist ein hoher Wert – und der muss geschützt werden.

Wir waren immer ein Land des Dialogs. Internationaler Dialog auf dem Boden Öster­reichs hat eine ganz lange Tradition. Leider hat sich unsere internationale Reputation in diesem Dialog in den letzten Jahren in vielen Aspekten verschlechtert.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass die Wortmeldungen von Regierungsmitgliedern, sei es des Außenministers oder auch des Nationalratspräsidenten, zu Themen der Ge­schichte schmerzhaft und absolut verzichtbar waren. So ein Geschichtsverständnis ist für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht akzeptabel. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere Rolle ist nun, auf die Diplomatie zu setzen und sowohl für die neu angekom­menen Ukrainerinnen und Ukrainer als auch hinsichtlich der Auswirkungen des Krieges Menschlichkeit zu zeigen.

Herr Vizekanzler, Sie haben völlig richtig gesagt, die Sanktionen, die Europa geschlos­sen gesetzt hat, sind momentan extrem wichtig und unausweichlich. Das ist angesichts dieses Akts kriegerischer Aggression keine Frage. Die Bedeutung einer geeinten euro­päischen Staatengemeinschaft zeigt sich gerade derzeit. Das ist wichtig, richtig und gut. Dieser Krieg wird aber auch auf unsere Wirtschaft, unsere Industrie und unsere Landwirt­schaft immense Auswirkungen haben.

Ich darf nur ein Beispiel nennen: Die Ukraine ist einer der größten Produzenten für Kabel. Die gesamte Kabelproduktion, bis auf einen kleinen Teil, der in Marokko liegt, befindet sich in der Ukraine. Das heißt, das hat extreme Auswirkungen auf die Automobilindustrie. Wir sehen derzeit schon, dass Werke einfach aufgrund von Mangel an Kabeln in Kurzar­beit gehen mussten. Das ist ein Beispiel von vielen Beispielen. Österreichische Unter­nehmen sind in der Ukraine, aber noch mehr in Russland in Handelsbeziehungen ver­strickt; und die Gasknappheit kann ganz, ganz schwere Auswirkungen auf die Privat­haushalte – darauf darf ich dann noch zu sprechen kommen –, aber auch für die In­dustrie haben. Es geht um die Stahlproduktion, um die Aluminiumproduktion, um die Produktion von Beton und Zement und letztlich auch um die Produktion von Düngemit­teln. All das wird Auswirkungen auf unser Land und auf den Arbeitsmarkt haben.

Wir verfügen über eine große Produktion – die Teile in den Lieferketten fehlen. Wir ha­ben Just-in-time-Produktion, das heißt keine Lagerkapazitäten. All das wird Auswirkun­gen haben, und uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten geht es darum: Wie können wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich vor dieser Situation schützen?

Die Ukraine ist die Kornkammer Europas und besonders für den nordafrikanischen Raum ein ganz, ganz wesentlicher Weizenexporteur. Auch unsere Landwirtschaft ist, was die Futtermittel betrifft, abhängig von der Ukraine.

Da ist also vieles in Bewegung, und wir werden sehen, dass vieles Auswirkungen hat – und die müssen abgefedert werden. Schließlich haben wir derzeit schon, auch das haben


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Sie völlig richtig gesagt, Herr Vizekanzler, eine seit Oktober andauernde Teuerung, die die Menschen ganz stark trifft – besonders jene, die eh nicht viel im Geldbörsel haben. Da muss gehandelt werden. Und nun geht noch einmal ein Turbo los, ein Turbo bei den Treibstoffkosten. Ich kann nur sagen, die Pendlerinnen und Pendler sind derzeit von diesen hohen Spritpreisen unglaublich stark betroffen – und sie brauchen die Autos, weil der öffentliche Verkehr noch nicht in dem Maß ausgebaut ist, dass sie darauf verzichten könnten. Es gibt Preissteigerungen beim Heizen, bei den Mieten, bei den Lebensmitteln. All das muss abgefedert werden. Bonusgutscheine und Teuerungsausgleiche sind eh gut, keine Frage – aber das wird nicht reichen, das ist zu wenig. Es wird den Menschen nicht helfen, wenn man nicht wirklich ganz starke und ganz drastische Maßnahmen setzt, um sie über den Sommer und natürlich dann auch über den Winter zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir als Sozialdemokratie fordern, dass man befristet die Mehrwertsteuer auf Gas und Strom aussetzt. Wir wollen besonders für belastete Haushalte eine Einmalzahlung von 300 Euro. Das ist alles ein Gebot der Stunde – auf vielen Ebenen. Natürlich muss man derzeit auch die erneuerbare Energie vorantreiben. Setzen Sie das Erneuerbaren-Aus­bau-Gesetz rasch um! Wir sehen, durch diese Teuerung hat natürlich auch der Finanz­minister Mehreinnahmen – und auch diese Mehreinnahmen müssen bitte wieder der Bevölkerung zur Abfederung zugutekommen. Wir sehen auch, dass die Energieanbieter gegenwärtig sehr, sehr hohe Gewinne haben. Auch diese Gewinne gilt es – zum Schutz der Menschen, die derzeit so schwer von dieser Teuerung belastet sind – umzuverteilen.

Lassen Sie mich noch zur Pandemiebekämpfung sagen: Resümierend kann man fest­halten, die Regierung ist auf sehr vielen Ebenen an der Pandemiebekämpfung ge­scheitert. Das ist eindeutig und ganz klar. Die Werbung mit den drei Musketieren ist als Abgesang einer Pandemiebekämpfung zu verstehen, und ich weiß nicht: Wer wäre denn die Zielgruppe gewesen, die man damit hätte erreichen wollen? Nun wird die Impfpflicht ausgesetzt. Das ist die Entscheidung der Bundesregierung – und die Verantwortung für diese Entscheidung hat die Bundesregierung zu tragen. Wir haben gesehen, was die Kommission in ihrem Bericht geschrieben hat, das ist eine Doppelbotschaft. Das ist auf der einen Seite: Jetzt kann man aussetzen!, aber auf der anderen Seite: Es kommt der Herbst – und das ist mehr als gefährlich. Wir hätten die Impfpflicht zur Vorbereitung ge­braucht, da sind wir uns sicher, aber, wie gesagt, die Bundesregierung trägt diese Ver­antwortung für das Aussetzen der Impfpflicht. Wir bedauern es im höchsten Ausmaß, dass es zu keinen Maßnahmen gekommen ist, die die Umsetzung der Impfpflicht ge­fördert hätten – einen Booster in der Information, einen Booster in der Werbung für die Impfpflicht. Nichts ist passiert, außer drei Musketiere, die aus dem Fernsehen herausla­chen. Das ist eindeutig zu wenig. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf noch sagen: Die psychischen Belastungen für die Menschen sind groß. Wir ha­ben lange Zeit die Pandemiebelastungen gehabt. Nun kommt die Belastung durch den Krieg, die Ängste und Sorgen macht – keine Frage –, und darauf ist einzugehen. Ich darf besonders auf die Situation der jungen Menschen hinweisen. Wenn Sie mit jungen Men­schen reden, sagen sie: Wir sind die Krisengeneration. Wir haben so viele Krisen erlebt. Wir haben die Finanzkrise erlebt. Wir haben die Pandemie erlebt. Wir haben die Klima­krise so stark im Raum stehen. Wir haben gegenwärtig einen Krieg. Sie sehen sich als Krisengeneration – und auch diesen jungen Menschen sind Antworten, Perspektiven und Visionen anzubieten.

Ich darf mich auch noch an den neuen Gesundheitsminister wenden. Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion: Herzlich willkommen im Bundesrat! Ihre Aufgabe wird auch aus Sicht der Sozialdemokratie eine der herausforderndsten sein – was den Ge­sundheitsschutz angeht, aber natürlich auch was die Fragen der sozialen Sicherheit an­geht. Das Ressort ist einer der Dreh- und Angelpunkte für die soziale Sicherheit und für den Sozialstaat in Österreich, und jetzt ist es ganz wichtig, dorthin zu schauen.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 51

Die Themen der Pflege sind unbedingt anzugehen, sowohl aus Sicht der Betroffenen als auch aus Sicht der Beschäftigten, die einfach nicht mehr können. Es ist die Armuts­bekämpfung voranzutreiben. Die Teuerung schafft Armut. In Ihrem Regierungspro­gramm haben Sie versprochen, das Ausmaß der Armutsgefährdung zu halbieren. Das ist nicht passiert, und nun ist es notwendig, an diesen Schrauben zu drehen – und bitte, bitte, denken Sie an die Menschen mit Behinderung! Sie sind kein Thema gewesen und waren dabei so stark von der Pandemie betroffen. Das liegt in Ihrem Haus. Diesbezüg­lich Maßnahmen zu setzen, um diesen Menschen nun auch beim Aussetzen der Impfpflicht und allen anderen Themen Antworten zu geben, das ist Ihre Aufgabe, Herr Bundesminister. Sie springen gerade voll ins kalte Wasser, das ist schon klar, aber trotz­dem sind die Probleme so dringend und so drängend, dass man leider keine Zeit zum Einarbeiten gewähren kann. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass Sie Profi sind. Auch das Thema Pensionen ist ein ganz großes, das dieses Haus betrifft.

Über all diese Themen wird natürlich auch unser Gesundheitssprecher noch reden, weil es für uns ganz, ganz wichtig ist: Wie geht es mit all diesen Themen weiter? Die Bitte an diese Bundesregierung wäre: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsformen und Handlungsweisen der Bundesregierung ist nicht groß – auch das wissen wir aus vielen, vielen Umfragen. Es entsteht eher der Eindruck, dass mehr die Angst vor Neu­wahlen diese Regierung in der Koalition aneinanderfesselt als wirklich der Wunsch, ge­meinsam etwas zu schaffen. Das ist in dieser Krisensituation besonders schwierig.

Bitte schauen Sie, dass Sie nicht in diesen Strudel geraten: Wir wollen jetzt alles zude­cken und mit irgendwelchen Themen überlagern, weil die Situation für uns so schwierig ist, besonders für die ÖVP. Die Menschen brauchen jetzt klare Antworten und Perspek­tiven, und die Menschen haben ein Recht auch darauf, zu erfahren, wie es weitergeht und wie ihre Situation unter diesen großen Belastungen verbessert werden kann. – Vie­len Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.42


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Jo­hannes Hübner. Ich erteile ihm das Wort.


11.42.52

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Da­men und Herren! Sehr geehrte Herren und Frau Minister, um es einmal gleichberechtigt umzudrehen! (Vizekanzler Kogler: Ja, ich wollte gerade sagen - -!) Ja sicher, am Tag der Frau muss man Gleichberechtigung in jede Richtung üben – da kommen einmal die Herren zuerst. (Beifall bei der FPÖ.)

Bevor ich auf die Ukraine eingehe, die sicherlich ein zentrales Thema ist und zu der meine Vorrednerin, Frau Kollegin Schumann, einiges sehr Richtiges gesagt hat, noch einmal zur Impfpflicht: Die Frau Europaministerin hat uns heute gesagt, dass die Impf­pflicht nun ausgesetzt werden kann, obwohl man sie vor weniger als einem Monat ein­geführt hat, weil derzeit eine andere Situation wäre, weil bei Einführung der Impfpflicht die Experten und Expertinnen noch etwas ganz anderes gesagt hätten.

Ja, wann ist denn diese Impfpflicht eingeführt worden? Ich glaube, es kann sich fast jeder hier noch erinnern: Es war am 9. Februar 2022, da haben wir hier im Bundesrat (Rufe bei der ÖVP: Am 3.!) den Beschluss gefasst. Bitte? (Bundesrat Bader: Am 3.!) Wann war es? Am 3.? Entschuldigen Sie, dann war es am 3. Februar, also vor etwas mehr als einem Monat (Bundesministerin Edtstadler: Am 4. ist sie in Kraft getreten!), und da war ja die Lage nicht anders. Da wussten wir ja seit Wochen, dass es keine Impfungen gegen die Omikronvariante gibt, die vorhandenen Impfungen sinnlos sind und Boostern nichts nützt. Da haben die Länder rund um uns die Maßnahmen aufgehoben, da hat der Impf­pionier Israel den grünen Pass abgeschafft, weil man gesagt, aufgrund der Wirkungslo­sigkeit der Impfungen werden die Leute in falscher Sicherheit gewogen.


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Bei dieser Erkenntnis und wissenschaftlichen Sachlage haben wir die Impfpflicht einge­führt. Dass wir sie heute „aussetzen“ – unter Anführungszeichen –, ist zwar erfreulich, diesbezüglich bin ich mit Kollegin Schumann natürlich nicht einer Meinung, aber das ändert ja nichts daran, dass die Einführung an sich absolut durch nichts gerechtfertigt und ein reiner Willkürakt gewesen ist. (Beifall bei der FPÖ.) Wir sind mit dieser Maßnah­me auch neben Tadschikistan, Kirgistan, dem Vatikan und Tonga – andere Staaten fal­len mir jetzt gar nicht mehr ein – weltweit alleine geblieben.

Nun kann man doch heute einmal zugeben: Das war ein Fehler, da haben wir vielleicht nicht auf die richtigen Experten und Expertinnen gehört. Da muss ich nicht sagen: Na, das war wichtig und richtig und wir setzen es halt aus, weil wir sehen, dieses Gesetz zu exekutieren wäre ein Wahnsinn. Über eine Million Österreicher würden diesbezüglich in Rechtswidrigkeit sein, über eine Million Menschen müssten bestraft werden. (Bundesrat Steiner: Dürfen nicht mehr in Österreich wohnen!) Wir müssten eine Impfung durchset­zen, während kein vernünftiger Wissenschaftler mehr behauptet, dass sie wirksam ist. Wir müssten nun eine Impfung für eine Variante, die vielleicht im Herbst droht, durch­setzen (Bundesrat Steiner – in Richtung Regierungsbank weisend –: Das waren eh Sie! Eine ganz tolle Aussage!) – eine Impfung, die nicht einmal gegen die derzeitige Variante wirksam ist, die gegen eine Variante, die wir überhaupt nicht kennen, dann angeblich wirksam ist.

Ich bitte Sie also schon, auf den Boden der Realität und den Boden der Ehrlichkeit ge­genüber unseren Staatsbürgern zurückzukehren (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner) und zu sagen: Das war ein Unfug und ein schwerer Fehler und wir werden uns aus der Gefolgschaft der sonst ehrwürdigen Staaten Tadschikistan, Tonga und Co wieder entfernen. – Das wäre mein Vorschlag. Ja, die Frau Ministerin nickt nicht zustimmend; der Vorschlag wird also kein Gehör finden.

Kehren wir aber zur Neutralität und zum derzeit tobenden Konflikt zurück. Wir haben hier mehrfach von der Frau Ministerin und mit anderen Worten – mit genau den Worten, die ich jetzt sagen werde – von Kollegen Gross gehört, dass dort, wo es einen Angriffskrieg und völkerrechtswidrige Handlungen gibt, die Neutralität aufhört. Na bitte, wo fängt denn dann die Neutralität an? Sagen Sie mir einen Krieg in den letzten 100 Jahren, der nicht mit einem Angriff begonnen hat!

Krieg ist ja – leider, muss ich sagen – kein sportliches Event, wo man in der Mitte steht und der Schiedsrichter dann sagt: So, nun schlagt euch die Köpfe ein! Krieg zeichnet sich im Gegenteil dadurch aus, dass eine Macht eine andere angreift. So wie die USA 2001 Afghanistan und 2003 den Irak angegriffen haben, hat Österreich-Ungarn im Jahr 1914 Serbien angegriffen und den Ersten Weltkrieg ausgelöst. Frankreich hat im Jahr 1871 das Saarland angegriffen und den preußisch-französischen Krieg ausgelöst, und so weiter. Jeder Krieg beginnt mit einem Angriff und jeder Angriff ist im Kern völker­rechtswidrig.

Völkerrechtswidrig hat auch die Nato im Jahr 1999 gehandelt, als sie Serbien angegriffen hat. (Beifall bei der FPÖ.) Ja, das ist so! Es kann uns gefallen oder nicht. Völkerrechts­widrig ist es natürlich auch, einen Angriff zu führen, um ein Staatsgebiet aus einem an­deren Staat gewaltsam herauszulösen. Nichts anderes war die Intervention von 1999. Das kann uns moralisch gefallen, wenn wir sagen: Ja, das war trotzdem gut, weil die Albaner von den Serben so mies behandelt worden sind – das stimmt ja –, und sie haben sich die Unabhängigkeit verdient. Trotzdem war es ein völkerrechtswidriger Angriffs­krieg – und trotzdem sind wir neutral geblieben.

1999 hat Österreich in 61 Fällen – ich habe das noch einmal nachgelesen – sogar gegen Überflüge der Nato für Aktionen gegen Serbien protestiert, weil man richtig erkannt hat: Ein Überflug zu einem militärischen Einsatz oder im Rahmen eines militärischen Einsat­zes ist bereits eine Verletzung der Neutralität.


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Was heißt denn Neutralität? – Das heißt ja nicht nur, keine Truppen in einen Konflikt zu schicken, sondern es heißt nach allgemeinen Definitionen, eine kriegsführende Partei weder direkt noch indirekt, weder militärisch noch wirtschaftlich zu unterstützen. Das ist Neutralität nach allgemeiner Definition und nach allgemeiner Auffassung – und immer­währende Neutralität, die wir, Frau Verfassungsministerin, ja verfassungsmäßig haben, heißt: für alle Zeiten und alle Konflikte, und wir suchen es uns nicht je nach Konflikt aus, ob es uns passt, neutral zu sein, oder nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun kann man natürlich wie Herr Bundeskanzler Nehammer sagen: Na ja, die Neutralität haben wir uns nicht selber ausgesucht, die haben uns die Sowjetkommunisten aufge­zwungen. – Zuallererst ist das historisch so nicht richtig. Es gibt zwar das Moskauer Me­morandum aus dem Jahr 1955, das den Abschluss des Staatsvertrages erheblich er­leichtert hat – da haben wir in Aussicht gestellt, wenn die Besatzungsmächte abziehen, dann werden wir uns militärisch nach Schweizer Vorbild für neutral erklären, es hat den Abschluss des Staatsvertrages erleichtert –, aber trotzdem haben wir einen Tag nach dem Abzug des letzten Besatzungssoldaten im Vollbesitz unserer Souveränität diesen Beschluss gefasst, in der Verfassung verankert zur Grundlage unseres Selbstverständ­nisses gemacht und sogar unseren Nationalfeiertag an der Entscheidung zur immerwäh­renden Neutralität festgemacht.

Das haben wir auch gelebt – auch in vielen bösen Fällen gelebt, bei denen es Aggres­sionen und Angriffe gegeben hat und Menschenrechte mit Füßen getreten wurden. Das haben wir beim sowjetischen Überfall auf Ungarn 1956 und bei der Besetzung der Tschechoslowakei 1968 gelebt; das haben wir bei den amerikanischen Angriffskriegen auf den Irak und Afghanistan, beim Nato-Krieg gegen Serbien und auch beim restju­goslawischen Angriffskrieg auf das kürzlich selbstständig gewordene Slowenien im Jahr 1991 gelebt. Das haben wir immer gelebt. Jetzt, auf einmal können wir das nicht mehr leben?

Dieser Krieg, so schlimm, so verurteilenswürdig und so verheerend in den Auswirkungen er auch ist, ist ein Krieg zwischen zwei souveränen Drittstaaten. – Zwei souveränen Dritt­staaten! Wie auch immer die Gründe sind und wie auch immer hier moralisch zu ge­wichten sein mag, es ist ein klassischer Neutralitätsfall! Wenn wir nun in einem solchen klassischen Neutralitätsfall Splitterwesten und Helme an eine kriegsführende Partei liefern, dann verletzen wir selbstverständlich unsere verfassungsmäßig auferlegte Neu­tralität fundamental. (Beifall bei der FPÖ.)

Man kann schließlich nicht damit argumentieren, dass das ja keine Waffen sind, dass das ja nur Schutz ist. Ja, wenn alles, was nur Schutz ist, keine Waffe darstellt, dann kann man ja auch Panzer liefern, Panzer dienen ja zum Schutz des Infanteristen vor Be­schuss, sie sind eine Schutzvorrichtung; dann kann man auch Flugabwehrraketen lie­fern, selbstverständlich, weil Flugabwehrraketen dienen ja zum Schutz der Soldaten, Zi­vilisten, der Einrichtungen der Industrie vor Flugzeugen und ihren Angriffen. Dann kann man alles liefern. Da liegt also eine flagrante Verletzung unserer Neutralität vor, das muss man einfach zugeben.

Man kann ja den Mut haben, zu sagen: Diese Neutralität ist überholt, wir wollen nun der Nato beitreten. Das sagen ja manche, wie Herr Khol, dann muss man aber den Mut haben, es zu tun – und kann nicht wie Herr Nehammer sagen: Ja, die Neutralität ist ja eh etwas Aufgezwungenes, die ist nicht so wichtig, die haben uns die Sowjetkommunis­ten auferlegt, um am nächsten Tag, nachdem er die Meinungsumfragen liest und diese Meinungsumfragen ausnahmsweise nicht vom Institut Karmasin gewesen sind, sondern realistisch, zu sagen: Nein, nein, die Neutralität bleibt jetzt!, oder, wie die Frau Ministerin gesagt hat, morgen und auch in Zukunft. Der Glaube an diese Aussagen jetzt, morgen und auch in Zukunft ist natürlich ein sehr geringer, wenn ich mir die Aussagen der letzten zwölf bis 24 Monate in Bezug auf die administrativen Coronawirren ansehe, wie oft da


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die Epidemien oder Pandemien an- und abgesagt wurden, wie lange eine Impfpflicht ausgeschlossen wurde, die dann eingeführt wurde. Da kann ich mir vorstellen, was die Aussage, die Neutralität bleibt jetzt, heute und morgen, wert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zur Frage der auch angesprochenen europäischen Werte – Waffen nieder, Er­satzbeschaffungen: Ja, man will sich jetzt unabhängig vom russischen Gas machen. Die Frau Ministerin hat es ja angekündigt und hat auch schon vermutet, was ich dazu sagen werde: Man macht sich nun vom russischen Gas unabhängig und macht sich zugleich abhängig von den großen demokratischen Staaten Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Saudi-Arabien, nur zur Erinnerung, ist dieser Staat, dessen De-facto-Kö­nig – in Wirklichkeit Thronfolger, Verteidigungsminister, Innenminister und so weiter – politische Gegner in die Botschaft locken und dort zerstückeln und beseitigen lässt. Bei­de Staaten führen seit über vier Jahren einen Vernichtungskrieg mit Zehntausenden To­ten im Jemen. Das sind jetzt unsere neuen, sicheren Versorger mit Energie, das ist die neue nachhaltige Politik. Frau Ministerin, das glauben Sie ja selbst nicht – aber das müssten Sie auch den Leuten fairerweise erklären, wer unsere nachhaltigen, sicheren, offenbar mit unseren demokratischen Werten geschulten neuen Lieferanten sind.

Nun zu den europäischen Werten: Gehen wir einmal zur Zensur. In einem Krieg ist es zwar üblich, dass kriegsführende Staaten eine gewisse Zensur auferlegen, um dem Geg­ner die Möglichkeit zu nehmen, durch Desinformation, Gräuelpropaganda und derglei­chen die sogenannte Wehrmoral zu untergraben – das ist richtig –, wir sind aber, Frau Minister, in der ganzen EU keine kriegsführenden Staaten, auch wenn wir so tun und auch wenn unsere Zeitungen und der ORF so berichten und schreiben, als ob, sondern Österreich ist derzeit neutral und die Europäische Union befindet sich in keinem Krieg.

Meiner Ansicht nach ist es daher nicht erforderlich, die 500 Millionen EU-Bürger von jeder Information, die die russische Seite der Ereignisse wiedergibt, abzuschneiden – meiner Ansicht nach, weil ich uns nicht als kriegsführende und bedrohte Einheit ansehe. Trotzdem geschieht das, zum Jubel aller politischen oder zumindest systempolitischen Akteure und zum Jubel unserer in dieser Frage – ich verwende nicht das Wort gleichge­schaltet, sondern – synchronisierten Presse. (Zwischenruf des Bundesrates Krum­böck.) Es wird bejubelt, dass Webseiten blockiert werden (Zwischenrufe der Bundesrä­tInnen Schreuder und Schumann), dass russische Sender blockiert werden, dass Inter­netdiensteanbieter Videos löschen, die nicht kritiklos die Position der Ukraine, der Euro­päischen Union und der USA wiedergeben. (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.) Das kann man, wie ich sage, bejubeln, aber man muss zugeben, dass wir damit Zensur üben und die eigene Bevölkerung von einem wesentlichen Element einer faktenorien­tierten Information abschneiden, wenn nur noch den amerikanisch-europäischen Stand­punkt und den Standpunkt der Ukraine wiedergebende Medien hier erscheinen dürfen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Das kann man so machen, man muss es aber sagen.

Genauso ist es mit den Sanktionen. Natürlich kann man sagen: Das Vermögen von Leu­ten, die irgendwie pro Putin sind oder die den russischen Standpunkt nicht scharf genug verurteilen, ziehen wir ein oder frieren wir ein. Diesen Oligarchen, der gesagt hat, der Putin ist ein klasser Bursch, haben wir schon dreimal aufgefordert, er soll die Invasion verurtei­len, was er nicht gemacht hat – Vermögen wird eingefroren. Oder Leute, die in der russi­schen Staatsduma – ich glaube, 342 sind es – für die Anerkennung der Republiken Do­nezk und Luhansk gestimmt haben, wurden alle von der EU mit Sanktionen, mit Reise...


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege, 15 Minuten reden Sie schon.


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ich erlaube mir aber trotzdem, das aus­zuführen, weil ich es für relevant halte und die Leute das wissen müssen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Diese Leute sehen sich einer Enteignung ihres Vermögens ausgesetzt, wie wir das in Europa, wie es die Frau Ministerin auch gesagt hat, seit, sagen wir einmal, 1948 nicht mehr gesehen haben. 1948 war die große kommunistische Enteignungswelle in den öst­lichen Staaten, von den Arisierungen in den Jahren 1938 und 1936 rede ich gar nicht. Solche Maßnahmen haben wir in der europäischen Tradition aber nicht gekannt und nicht gesetzt.

Das Gleiche trifft auf Künstler zu. In der europäischen Nachkriegstradition haben wir es nicht gekannt und nicht erlebt, dass Künstler gekündigt, entlassen, gemobbt und am Auftreten gehindert werden, weil sie Russland nicht scharf genug verurteilen. Ich brau­che nur das Schicksal von Anna Netrebko, einem russischen Supersuperstar, dem alle zu Füßen gelegen sind, zu nennen: Sie wurde an der Münchner Oper gekündigt, weil sie sich geweigert hat, Russland zu verurteilen, oder ein verurteilendes Posting, das sie veröffentlicht hat, wieder gelöscht hat, nachdem sie sich das über Nacht überlegt hat. Mit dem weltbekannten Dirigenten Gergijew darf kein Orchester mehr spielen, weil er sich nicht klar genug von Russland distanziert hat. Da können Sie eine lange, lange Liste machen, in jedem Orchester finden Sie Russen, die nicht mehr spielen dürfen, die nicht mehr auftreten dürfen, Sie finden russische Ensembles, die nicht mehr ins Land gelas­sen werden, und so weiter. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Das sind nicht die europäischen Werte, von denen ich spreche, das sind nicht die euro­päischen Werte, die die Freiheitliche Partei Österreichs verwirklicht sehen will, sondern das sind die Werte einer gewissen Gruppe, die sich proeuropäisch, fanatisch europäisch, pro EU nennt, die europäische Werte ständig im Mund führt, aber das, was wir als unsere Werte sehen – nämlich die Achtung vor künstlerischer Freiheit, die Achtung vor dem Eigentum von Menschen und die Achtung vor der Erlaubnis, seine Meinung zu äußern – mit Füßen tritt.

Das bitte ich ein bisschen nach Hause mitzunehmen. – Ich bedanke mich für die Auf­merksamkeit. Auf Wiedersehen! (Beifall bei der FPÖ.)

12.00


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist unser Kollege MMag. Dr. Arthur Arlamovsky. Ich erteile es ihm.


12.00.42

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! An der Rede mei­nes Vorredners hat sich wieder manifestiert: FPÖ steht für Freunde Putins in Österreich. (Bundesrat Steiner: Da hast du wieder einmal nicht zugehört!) Der Kontext zu Kollegen Hübner: Er war ja selbst im Dezember 2016 Mitglied der Delegation, die in Moskau den Freundschaftsvertrag mit der Partei Putins unterschrieben hat – mit Putin, dem Aggres­sor in diesem Angriffskrieg. Es ist keine Aggression der Ukraine oder der Nato oder der EU, sondern einzig die Aggression von Putin. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wer noch Zweifel an dessen Intention hat, den möchte ich erinnern, dass auch sein Außenminister und Sprachrohr Lawrow letzte Woche gesagt hat: Es geht um nichts Ge­ringeres als die Begründung einer neuen Weltordnung!

Der Aggressor heißt Putin, aber nicht das russische Volk, da muss man unterscheiden, das wäre sonst das falsche Signal. Auch Russinnen und Russen setzen ihre Freiheit, ihre Sicherheit und vielleicht sogar ihr Leben aufs Spiel, wenn sie im eigenen Land gegen diesen Angriffskrieg demonstrieren. Es wurden in den letzten eineinhalb Wochen Tau­sende verhaftet. Es drohen ihnen bis zu 15 Jahre Haft. Die Medienfreiheit und andere Grundrechte wurden beseitigt. Putin macht Russland zu einem zweiten Nordkorea.


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Es spielt für Europa eine entscheidende Rolle, was in der Ukraine passiert. Die Sicher­heit Europas wird in der Ukraine von tapferen Ukrainerinnen und Ukrainern, denen mein tiefer Respekt gilt, verteidigt. Die Freiheit Europas steht auf dem Spiel. Was bedeutet dieser Angriffskrieg auch für das Baltikum, für Moldau, für den Westbalkan? Österreich und Europa müssen da klar Stellung beziehen, nicht nur Hilfe leisten.

Wir müssen uns als Politikerinnen und Politiker und als Gesellschaft die Frage stellen: Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte die Friedens- und Sicherheitsordnung, die für uns so selbstverständlich war, plötzlich so brüchig werden? Wie konnten wir im Umgang mit Putin so blind sein? Auch hoch- und höchstrangige Vertreterinnen und Ver­treter Österreichs haben sich an einer Appeasementpolitik beteiligt, sich mit Putin und Lukaschenka gerne ablichten lassen und mit ihnen gescherzt – auch, als die Aggression Putins schon auf dem Tisch lag: Georgien 2008, Krim und Donbass 2014. Wir brauchen ein Ende dieser Naivität.

Mittelfristig müssen wir uns die Frage stellen: Was bedeutet das für Europa und für Ös­terreich? Ein Kalkül Putins ist nämlich nicht aufgegangen. Europa agiert – zumindest in den Fragen der Wirtschaftshilfen und der Sanktionen – geschlossen. Das war nicht im­mer zu erwarten. Das war auch in der Vergangenheit nicht immer so. Die Wirtschafts­sanktionen sind massiv. Die werden auch wir, die werden alle Bürgerinnen und Bürger in Europa massiv spüren. Einige Unternehmen in Österreich sind bereits in Kurzarbeit. Das ist erst der Anfang. Das ist aber auch notwendig, das ist der Preis der Freiheit.

Jetzt stellen sich einige die Frage: Was wären mögliche weitere Eskalationsschritte? Was passiert, wenn die Gaslieferungen gestoppt werden – egal, von welcher Seite das ausgeht? – Dann muss die strategische Unabhängigkeit Europas von Gasimporten das Ziel sein. Dann braucht es einen Plan. Umweltministerin Gewessler hat zwar gesagt, dass die Abhängigkeit reduziert werden muss. Das ist aber eine mittelfristige Frage, so viel Zeit wird die Industrie nicht haben. Wir erwarten uns von der gesamten Bundesre­gierung, gemeinsam mit den europäischen Partnern einen Plan auf den Tisch zu legen, was passiert, wenn die Gasimporte kurzfristig zu Ende sind. Was bedeutet das einerseits für die Haushalte? – Wobei man da ein bisschen die Panik besänftigen muss: Die Haus­halte verbrauchen 20 Prozent des Erdgases, 10 Prozent des in Österreich verbrauchten Erdgases werden sowieso innerhalb Österreichs gefördert. 50 Prozent verbraucht die Industrie, aber 25 bis 30 Prozent Gasverbrauch dienen – insbesondere im Winterhalb­jahr – der Stromerzeugung in Österreich.

Europa ist wirtschaftlich stark genug, ein Gegengewicht zu bilden, aber nur dann, wenn wir endlich souverän agieren. Das kann man auch als Strategiefähigkeit bezeichnen. Diese Strategiefähigkeit fehlt Europa in verschiedener Hinsicht. Österreich muss dazu sowohl in wirtschaftlicher, aber auch in militärischer Hinsicht einen Beitrag leisten. Wir NEOS begrüßen es, wenn das Budget des Bundesheeres erhöht wird. Die Frage der äußeren Sicherheit gehört genauso wie die innere Sicherheit und die Justiz zu den Kern­aufgaben des Staates – aber nicht bedingungslos. Eine wichtige Bedingung wäre ein gemeinsames Vorgehen mit unseren europäischen Partnerinnen und Partnern.

Die Erhöhung des Heeresbudgets begrüßen wir dann, wenn es in einem europäischen Verbund der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik passiert: mit der Idee einer gemeinsamen Beschaffung, einer gemeinsamen Luftraumüberwa­chung, mit der Idee und Perspektive einer Wehrfähigkeit auf europäischer Ebene im Sinne eines europäischen Heeres. Es gibt das spätantike Sprichwort: Si vis pacem, para bellum! – auf Englisch: Speak softly and carry a big stick! – Annegret Kramp-Karrenbau­er von der CDU hat vor eineinhalb Wochen gesagt – Zitat –: „Wir haben die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann.“


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Deswegen muss der Weg der einer diplomatischen Lösung sein, aber dafür braucht es auch eine Souveränität und Handlungsfähigkeit Europas mit einer gemeinsamen Außen­politik und einer gemeinsamen Russlandpolitik, einer strategischen Russlandpolitik, die unabhängig davon ist, wer gerade US-Präsident ist. Das ist eine Zeitenwende, die ent­weder dazu führt, dass Europa zersplittert, oder dazu, dass wir uns auf die Füße stellen und zu einem souveränen, vereinten, handlungsfähigen Europa kommen: in Verteidi­gungsfragen, in Sicherheitsfragen, in außenpolitischen Fragen, in Außenwirtschaftsfra­gen, in diplomatischen und in strategischen Fragen. Wir bevorzugen den Weg der klaren Perspektive, nämlich der Vereinigten Staaten von Europa. – Danke.

12.07


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Marco Schreuder. – Bitte.


12.07.45

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestern – man sieht es zwar nicht mehr, weil die Maske das ein bisschen drückt – war ich bei meinem Barbier. Er ist ein Flüchtling aus dem Irak und er hat mich gefragt: Marco, du bist doch im Parlament, warum können wir nicht einfach in Frieden leben? Die Pandemie war doch wirklich schon schlimm genug für uns. Warum kann ich mich nicht einfach nur über schlechte Noten meines Kindes und über das Wetter ärgern? – Das ist natürlich ein be­rechtigtes Anliegen.

Es gibt derzeit berechtigterweise eine Sehnsucht nach einer – ich würde es einmal so nennen – langweiligen Zeit, und ich muss gestehen, wahrscheinlich hätten wir in unserer Regierungsarbeit auch lieber eine andere Konzentration auf wichtige Themen und auch hier im Parlament eine andere Form von Debatten, aber man sucht sich das nicht aus, man muss sich diesen Herausforderungen stellen und man muss auch die Verantwor­tung übernehmen, und das ist dringend notwendig.

Einer, der jetzt diese Verantwortung übernimmt, ist unser neuer Sozial- und Gesund­heitsminister Johannes Rauch. – Herzlich willkommen im Bundesrat! – Ich finde das ge­rade hier im Bundesrat oder aus Bundesratsperspektive ja ganz spannend, weil gerade die Gesundheitsthemen, die Sozialthemen ja so oft im Föderalismus in Österreich ver­schränkt sind – manchmal gedeihlich und (erheitert) manchmal auch ein bisschen schwierig. Da ist, glaube ich, gerade die Erfahrung aus dem Bundesland, die aus Vor­arlberg da hineinkommt, enorm wichtig, und ich wünsche natürlich alles erdenklich Gute für diese schwierige Aufgabe.

Als Wiener möchte ich mich aber natürlich auch noch einmal ganz, ganz herzlich bei Wolfgang Mückstein bedanken. Er hat sicher in einer der schwierigsten Phasen, in der man überhaupt Gesundheitsminister sein kann, seine Aufgabe in diesen zehn Monaten in einem Dauerausnahmezustand meistern müssen, und dafür zolle ich ihm ganz, ganz hohen Respekt. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Obrecht.)

Er hat auch die schlimmsten sozialen Auswirkungen der Pandemie meistern müssen. Wir haben das mit Einmalzahlungen, mit Teuerungsausgleichen, mit psychotherapeuti­scher Betreuung für Jugendliche, mit Erhöhungen der Sozialhilfe, mit den neuen, we­sentlichen Schritten in der Pflegereform gemacht. Wir haben schon von den Community­nurses gehört, und vor allem das Gewaltschutzpaket gegen Frauen war sicher ein ganz großes Paket, das er auch mit auf den Weg gebracht hat.

Ich möchte aber doch schon auch – so wie der Vizekanzler – ein paar Worte dazu ver­lieren, warum er aufgehört hat. Er wollte nicht mehr, das hat er auch gesagt. Er wollte nicht mit kugelsicherer Weste leben und er wollte nicht Leib und Leben seiner Familie


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gefährden. Wir leben in einer Republik. Ich kann mich noch erinnern, als ich in den Acht­zigerjahren nach Wien kam, war man hier wirklich stolz darauf, dass man den Bundes­präsidenten im Kaffeehaus oder auf den Straßen spazierend getroffen hat. Ich habe ein­mal in einem Baumarkt einen Bundeskanzler getroffen und den einfach angesprochen: Ja, wie geht’s? (Heiterkeit des Redners.) – Ich kann mich da wirklich noch gut erinnern, ich war noch ein junger Student. Das ging in Österreich. Und jetzt brauchen wir kugel­sichere Westen? Wie konnte es so weit kommen? – Das ist schon eine wesentliche Frage.

Wenn man sich an die Debatten, auch an die, die wir in den letzten Monaten hier im Bundesrat hatten, zurückerinnert, dann muss man schon sagen, dass wir uns auch selbst fragen müssen: Welchen Beitrag leiste ich als Politiker in diesem Land in meiner Verantwortung, dass es – bei allem notwendigen Parlamentarismus und bei aller not­wendigen Kritik – nicht so persönlich wird, dass ein Minister eine kugelsichere Weste tragen muss, dass man Hass nicht derartig schürt und auch bewusst schürt, dass sich jemand um das Leben seiner Familie sorgen muss? Da würde ich wirklich bitten, alle Abgeordneten, aber vor allem die von der Freiheitlichen Partei, darüber nachzudenken, inwieweit man das auch verantworten möchte.

Wir haben schon öfter darüber gesprochen. Wenn man dann draußen spricht, sagt man: Ja, du weißt eh, wir müssen ja irgendwie mit unseren Reden durchkommen; es ist ja in unserer Zeit eh so schwierig, überhaupt durchzukommen, Aufmerksamkeit zu erregen! – Das verstehe ich, gerade hier im Bundesrat, das wissen Sie alle ohnehin – aber zu wel­chem Preis? Diese Frage muss man sich schon stellen. (Bundesrat Steiner: Wenn’s Scheißpolitik machts ...!) – Ja, es hat niemand etwas gegen Kritik, aber Hass zu schüren ist noch einmal eine andere Kategorie, und persönlich zu werden ist eine andere Kate­gorie. (Bundesrat Steiner: Das machts ihr mit ...!)

Einen Spalt in unsere freie, plurale, vielfältige und demokratische Gesellschaft treiben wollte und will auch ein anderer Politiker in Europa, und dieser Politiker heißt Wladimir Putin. (Bundesrat Steiner: Ja, spinnst du? ... von was redest du? ... Abgeordnete ... auf die gleiche Stufe mit Putin ... !) Er macht dies seit mehreren Jahren systematisch, hat Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit in seinem eigenen Land sukzessive abge­schafft und eine Alleinherrschaft aufgebaut, die erschreckend ist. (Bundesrat Steiner: Frau Präsidentin! Er stellt ... auf die gleiche Stufe mit Putin! Ja, hat der an Huscher?)  Nein, ich habe ein neues Kapitel aufgeschlagen. (Bundesrat Steiner: ... das Stenogra­phische Protokoll ...!) Dann noch einmal gut zuhören, ich habe gesagt: Einen Spalt in unsere freie, plurale Gesellschaft will ein Politiker treiben – er heißt Wladimir Putin. (Bun­desrat Steiner: ... auch!) Ich hatte nie einen Freundschaftsvertrag mit seiner Partei. (Bundesrat Steiner: Ich auch nicht!)

Er hat bereits seit Langem eine blutige Spur gezogen – weil wir so tun, als ob das jetzt alles neu wäre. Er hat in Tschetschenien, in Georgien, in Aleppo und in vielen anderen syrischen Städten, in Libyen bereits Städte vernichtet. Er hat das Völkerrecht nicht erst jetzt mit Füßen getreten, er hat 2014 mit der Invasion der Krim das allererste Mal Völker­recht gebrochen und das Völkerrecht angegriffen. Er hat den Donbass wissentlich und absichtlich destabilisiert und er ist zu einem erheblichen Teil daran beteiligt gewesen, in Europa auch Spaltung hervorzurufen, Fakenews, Lügen und dergleichen zu verbreiten, und genau diese Medien sind es auch, die diesen schrecklichen, sprachlos machenden Überfall auf ein Land jetzt relativieren – nicht einmal Krieg darf man es noch nennen.

Es waren die Ukrainerinnen und die Ukrainer – und das muss man ihnen hoch anrech­nen –, die sich entschieden haben, in einem freien, in einem freundlichen, in einem welt­offenen, in einem friedlichen Europa leben zu wollen, und das ist ihr gutes Recht. Putin hat aber auch etwas unterschätzt. Er hat unterschätzt, dass es sich für diese Ukraine­rinnen und Ukrainer lohnt, für diese Freiheit auch einzutreten. Er hat wahrscheinlich den


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letzten Rest, der noch gezweifelt hat, ob nicht eine russlandfreundliche Perspektive für die Region klug ist, eigentlich gegen sich aufgebracht.

Es wird wahrscheinlich irgendwann einmal Aufgabe von HistorikerInnen, Politologen und anderen Experten sein, sich die Frage zu stellen, wie es passieren konnte, dass das ab diesem Moment 1989, ab diesem Momentum, als zum Beispiel Helmut Kohl und Gor­batschow noch von einem gemeinsamen Haus Europa und davon, wie man dieses ge­meinsam bauen könnte, gesprochen haben, so in die Brüche gehen konnte. Da sind sicher Fehler von mehreren Seiten gemacht worden, worauf zum Beispiel auch der Ex­perte Gerhard Mangott, den ich sehr schätze, manchmal aufmerksam macht. Gar nichts rechtfertigt aber diesen brutalen Krieg und einen Angriff Putins. Das ist sein Krieg. Nichts rechtfertigt das Bombardement von Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Wohnhäu­sern, Dörfern oder gar Bussen von Flüchtlingen.

Ich möchte mich hier, weil wir auch die Länderkammer sind, schon auch bei all den Menschen in den Gemeinden, in den Ländern, in den Regionen, in den Städten Ös­terreichs bedanken, die jetzt bereit sind, zu helfen, die die Ärmel hockrempeln und die­sen vielen Menschen, die zu uns kommen, helfen wollen. Zwei Millionen Menschen sind derzeit unterwegs – das ist eine ungeheure Anzahl von Menschen, das ist die Einwoh­nerzahl Wiens –, und wir werden helfen. Dieser Zusammenhalt gibt überdies Kraft und Hoffnung und ist vielleicht die beste Antwort auf Putin.

Zur Neutralitätsfrage – weil sie auch hier schon einmal gestellt wurde –: Ich finde, es ist alles gesagt worden, ich möchte aber einen Aspekt noch hinzufügen. Nichts zu tun ist nicht neutral. Nichts zu tun bedeutet, weiterhin Geldflüsse zu ermöglichen, die Kriegsver­brechen finanzieren, die Bomben finanzieren und diesen Völkerrechtsbruch finanzieren. Das ist keine Neutralität, das ist Parteiergreifung.

Russland hat ein großes Problem. Ich kenne es, weil man es in der Volkswirtschaft die Holländische Krankheit nennt: Das ist, wenn ein Land sich von Rohstoffexporten ab­hängig macht und – das wurde schon gesagt – die Erzeugung von industrialisierten Pro­dukten im eigenen Land schrumpft, und Exporte auch teurer werden. Russland hat sich selbst vom Export von Gas und Öl abhängig gemacht. Wir haben uns auch abhängig gemacht, und wir haben sehr oft das „raus aus Öl und Gas“ als eine Klimaschutznot­wendigkeit genannt. Es ist vielmehr auch eine sicherheitspolitische Notwendigkeit – und da würden mir mehr Länder und mehr Diktatoren und Despoten als nur Putin einfallen, von denen ich nicht abhängig sein möchte –, aber „raus aus Öl und Gas“ ist sicher eine der wichtigsten, zentralen Möglichkeiten, um dieser Krise Herr zu werden.

Ich möchte allen Ukrainerinnen und Ukrainern, die jetzt bei uns im Land sind – es fällt einem eh auf, wenn man von der U-Bahn hier herkommt, man sieht auch in der Stadt jetzt sehr, sehr viele ukrainische Autos, wir sind ja wirklich so nah –, einfach auch unser Mitgefühl mitgeben. Ich war ja selbst öfter in der Ukraine – wunderbare Menschen. Ihr seid nicht alleine – ich finde das auch wichtig, dass das hier im Parlament gesagt wird ‑, und wir sind auf eurer Seite. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bun­desrätin Kahofer.)

12.19


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Kollege Steiner, deinen Zuruf habe ich mitgekriegt. Ich schaue mir das Protokoll an, und dann reden wir weiter.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist unser Kollege Mag. Christian Buchmann. – Bitte schön.


12.19.23

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Vizekanzler! Meine


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sehr geehrten Damen und Herren! Vor zehn Jahren wurde die Europäische Union vom Nobelpreiskomitee mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – und zwar dafür, dass sie sich besonders für Frieden, für die Versöhnung, für die Demokratie und für die Men­schenrechte einsetzt.

Ich habe mich damals sehr über diese Auszeichnung gefreut, weil ich mir gedacht habe, damit ist in Europa und vielleicht auch in angrenzenden Regionen der Welt eine Ge­sellschaftsphilosophie, eine Sicherheitsarchitektur durchsetzbar, die es allen Menschen ermöglicht, in Frieden und in Freiheit zu leben. Ich betone in Frieden und in Freiheit, weil – so wie wir es verstehen – Friede immer auch Freiheit bedingt. Friede in Unfreiheit ist relativ einfach erzielbar, Friede in Freiheit bedeutet, täglich daran arbeiten zu müssen.

Seit 14 Tagen wissen wir, dass dieser Traum oder diese Vision auf dem Prüfstand steht, dass sie durch Putins Intervention, durch Putins Angriffskrieg in der Ukraine mit Füßen getreten wurde. Wenn wir, beginnend mit dem Frühstücksfernsehen, jeden Tag Bilder ins Haus geliefert bekommen, in denen wir zerbombte Häuser sehen, in denen wir zer­bombte Wohnungen sehen, in denen wir Menschen auf der Flucht miterleben, in denen wir Familien sehen, die um die gefallenen Soldaten trauern, und wenn wir Bilder von Menschen sehen, die in Tiefgaragen oder in U-Bahn-Stationen Schutz suchen, dann sind auch viele Menschen in Österreich sehr betroffen von diesen Bildern, weil gerade die ältere Generation das auch selbst noch miterlebt hat. Es gibt nicht wenige, aus Graz etwa – da waren der Grazer Schloßberg und seine Stollen Schutzgeber für viele Men­schen in der damaligen Situation –, die diese Bilder in den letzten Tagen mit Betroffen­heit verfolgen und bereit sind, auch große humanitäre Leistungen für die Menschen auf der Flucht – mein Vorredner hat es angesprochen: die Vereinten Nationen berichten von mittlerweile fast zwei Millionen Flüchtlingen, überwiegend Frauen, Mädchen, junge Fa­milien mit ihren Kindern – zu erbringen.

Wir haben uns daher gestern in der Ausschusssitzung des Bundesrates, im EU-Aus­schuss, auch mit dieser Lage auseinandergesetzt. Wir haben diesen russischen An­griffskrieg auf die Ukraine, der eine eklatante Verletzung des Völkerrechts und der ter­ritorialen Integrität und Souveränität der Ukraine darstellt, scharf verurteilt. Wir sind uns, glaube ich, alle gemeinsam einig – auch wenn es in Nuancen unterschiedliche Zugänge gibt –, dass alles zu unternehmen ist, dass dieser Krieg rasch zumindest in einen Waf­fenstillstand mündet und dass diese kriegerische Auseinandersetzung nicht weiteres Leid mit sich bringt.

Realistischerweise muss man leider sagen: Die Chancen dafür, diese Hoffnungen – wenn man gestern den Ausführungen des Vertreters des Außenministeriums gelauscht hat, wenn man auch Kontakte zu Botschaftern anderer Länder hat – stehen auf schwa­chen Beinen. Der russische Angriff wird mit unverminderter militärischer Härte durchge­führt. Die Frau Bundesministerin hat auch von der lancierten Desinformation und den Cyberattacken gesprochen. Alles das beschäftigt die Menschen vor Ort, aber es be­schäftigt auch uns, die diese Entwicklungen mitverfolgen. Die Aggression Russlands ge­gen die Ukraine ist derzeit mit Abstand eine der schwersten Bedrohungen für die euro­päische Sicherheitsarchitektur und die demokratischen Werte in Europa.

Wir sind eine Länderkammer, und viele Bundesländer in Österreich haben Partner­schaftsverträge und Partnerschaftsabkommen mit Regionen in Europa und darüber hi­naus – so auch mein Heimatbundesland, die Steiermark. Ich bin sehr dankbar, dass die steirische Landesregierung unter Vorsitz unseres Landeshauptmanns Hermann Schüt­zenhöfer unmittelbar nach Beginn dieser kriegerischen Auseinandersetzung, auch was diese Partnerschaften betrifft, ganz klare Kante gezeigt hat.

Die Steiermark hat mit zwei Regionen in der Ukraine eine langjährige Partnerschaft. Es ist dies eine Partnerschaft mit Lemberg und es ist dies eine Partnerschaft mit Kiro­wohrad, und selbstverständlich ist der Versuch unternommen worden, da auch in Kontakt


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zu treten und Unterstützung – natürlich humanitärer Art – anzubieten. Wir haben seit vielen, vielen Jahren Partnerschaften mit Woiwodschaften in Polen. Zwei dieser Woi­wodschaften, Karpatenvorland und Lublin, sind auch von den Flüchtlingsströmen betrof­fen, und auch da wurde Solidarität bekundet und zugesagt, im Bedarfsfall auch Unter­stützung – natürlich humanitärer Art – zu geben.

Die Steiermark hat aber auch seit vielen Jahren Partnerschaften mit russischen Regio­nen – mit Altai, mit Jaroslawl, mit Wologda und mit Tomsk –, und da hat die steiermärki­sche Landesregierung sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass diese Partnerschaften, auch auf Basis der UNO-Resolutionen, sistiert sind und derzeit nicht an eine Fortsetzung gedacht ist. Ich füge allerdings hinzu, dass ich die Kontakte auf menschlicher Ebene immer für wesentlich und für sinnvoll erachte, und wir, sollte es die Lage erlauben, un­mittelbar auch wieder den persönlichen Kontakt, auch den institutionellen persönlichen Kontakt, aufnehmen sollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Energie­abhängigkeit wurde viel gesagt, ich brauche es nicht auszuführen. Ich sage nur dazu, dass diese Energieabhängigkeit natürlich nicht nur für die privaten Haushalte, sondern auch für die Industrie und für die Wirtschaftsunternehmen ein ganz wesentliches Thema ist, und wenn es für diese Betriebe ein Thema ist, dann ist es für Arbeitsplätze ein The­ma. Wir müssen daher sehr sorgsam mit den Entscheidungen umgehen, weil es einen doppelten Effekt – auf der einen Seite Auswirkungen aus der Ukrainekrise, auf der an­deren Seite natürlich der Transformationsprozess, den wir alle im Rahmen eines Green Deal wollen – geben kann, und die Balance wahren, weil es ansonsten zu großen Ver­werfungen auf den Arbeitsmärkten kommt und letztendlich damit auch unserer Wirtschaft schwerer Schaden zugefügt wird.

Angesichts all dieser Maßnahmen darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „weitere Solidarität und Unterstützung der Ukraine“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische Angelegenhei­ten, wird ersucht,

- sich weiterhin mit Nachdruck für die sofortige Einstellung der Angriffe Russlands und den unverzüglichen und vollständigen Abzug der russischen Truppen, die sich illegal in der Ukraine aufhalten, sowie die Wiederherstellung der Achtung der vollen Souveränität und territorialen Integrität in der Ukraine einzusetzen;

- Die Bereitstellung weiterer bilateraler humanitärer Unterstützung für die Ukraine und die von den humanitären Auswirkungen des Krieges unmittelbar am stärksten betroffe­nen Nachbarstaaten zu prüfen [...];

- die Situation und die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen sowie Kin­dern, die sich auf der Flucht befinden in den Fokus zu nehmen [...];

- alle multilateralen und bilateralen Initiativen zu unterstützen, die zu einer militärischen Deeskalation und zur Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen der Ukraine und Moskau führen können [...];

- die Verhängung weiterer geeigneter Maßnahmen politischer, wirtschaftlicher und finan­zieller Natur auf EU-Ebene – in enger Abstimmung mit internationalen Partnern – mitzu­tragen [...]“ – und ich füge aus aktuellen Anlässen hinzu: Europa hat ja heute, was han­delnde Akteure in Belarus betrifft, auch weitere Maßnahmen beschlossen –


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„- Maßnahmen auf EU-Ebene, welche auf eine schrittweise Reduktion der Energieab­hängigkeit von Russland und einer Diversifizierung der Energieversorgung sowie einer Stärkung der strategischen wirtschaftlichen Autonomie Europas sowie langfristig den Umstieg auf erneuerbare Energien abzielen, mitzutragen;“

*****

Ich darf bitten, diesen Entschließungsantrag im gemeinsamen Interesse zu unterstützen und füge abschließend hinzu: Friede in Freiheit ist nicht selbstverständlich. Für Frieden in Freiheit müssen wir gemeinsam eintreten. Wir tun das in vielerlei Hinsicht: auf parla­mentarischer Ebene – Kollege Schennach wird sich noch zu Wort melden –, auch in der Cosac, in der parlamentarischen Dimension der Ratspräsidentschaften. Wir tun das im Europarat, wir tun das als Standort vieler internationaler Organisationen – von den Ver­einten Nationen bis zur OECD – und durch andere friedensstiftende Maßnahmen.

Wir setzen natürlich auf unsere Neutralität, auf unsere militärische Neutralität, aber es wurde heute vielfach gesagt: Eine militärische Neutralität bedeutet nicht eine politische Neutralität oder eine humanitäre Neutralität. Das sollten wir jedenfalls immer im Hinter­kopf haben.

Wenn wir unsere Neutralität wertschätzen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ist auch die umfassende Landesverteidigung ein Thema, und wenn die umfassende Landesver­teidigung ein Thema ist, dann reicht es nicht, sich nur mit Lippenbekenntnissen zur um­fassenden Landesverteidigung und damit auch zur militärischen Landesverteidigung und zum österreichische Bundesheer zu bekennen. Es bedeutet, den Worten Taten folgen zu lassen und nicht politisches Kleingeld zu münzen, sondern unser Bundesheer zum Beispiel auch mit dem entsprechenden Treibstoff auszustatten. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.30


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschlie­ßungsantrag betreffend „weitere Solidarität und Unterstützung der Ukraine“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Unser nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.


12.31.16

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrter Johannes Rauch! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! Wir alle sind Zeitzeugen: Wir alle erleben gerade, wie eine Friedens­ordnung in Europa, auf die wir uns in den letzten Jahrzehnten so verlassen haben, völlig auf den Kopf gestellt wird.

Wir stehen jetzt vor der Tür, durch die wir eigentlich nicht mehr gehen wollten, wir stehen vor der Aufrüstung der nationalen Armeen. Das ist eigentlich ein schrecklicher Befund. Die Schlussakte von Helsinki, die zum Beispiel zur OSZE geführt hat, hat klargemacht: Kein Land überfällt ein anderes Land zwecks Gebietserweiterung oder Machtausdeh­nung, das alles gibt es nicht mehr.

Gleichzeitig haben wir das Völkerrecht, wir haben die Menschenrechte, und all das ist durch diesen barbarischen Angriffskrieg auf den Kopf gestellt worden. Es ist ein Krieg, der von beiden Seiten nicht gewonnen werden kann. Er kann nicht von Russland gewon­nen werden, denn – auch wenn es seltsam klingt – sie haben viel zu wenige Soldaten in Marsch gesetzt – um zum Beispiel 1945 Berlin zu erobern, haben sie 1,4 Millionen Sol­daten in Gang gesetzt; jetzt stehen sie mit 200 000 oder weniger Mann in der Ukraine,


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das ist eine ganz andere Dimension –, gleichzeitig kann die Ukraine die schwächere militärische Ausstattung durch den größeren Willen und das Bewusstsein, wofür man kämpft – nämlich für Frieden, Freiheit und Selbstständigkeit –, wettmachen, was aber einen ungleich höheren Blutzoll fordert.

Betrachten wir die Anzahl der Toten auf beiden Seiten: Es sind ungefähr 14 000 Leichen­säcke bereits zurück in Russland (Bundesrat Himmer: Wirklich?), und das allein ist eine schreckliche Zahl, zumal es vor allem junge Soldaten waren, die gar nicht wussten, wo sie eingesetzt werden, wohin sie geschickt werden. Die meisten glaubten, sie wären zu irgendeinem Manöver unterwegs. Das ist die Tragödie. Und jetzt das Beschießen der Städte, der Zivilisten: Das passiert, weil die russischen Truppen nicht die entsprechende Stärke haben, sodass sie aus immer größerer Distanz schießen. Und je größer die Dis­tanz beim Beschuss einer Stadt, desto weniger Zielgenauigkeit ist möglich, sodass im­mer mehr Zivilisten betroffen sind.

Gut war die Schnelligkeit und die Geschlossenheit der Europäischen Union. Das war erstaunlich, wenn wir daran denken, wie lang die Europäische Union oft für Entscheidun­gen braucht.

Natürlich geht es jetzt nicht darum, aufzurechnen. Von wem wurde das Minsker Abkom­men ernst genommen? – Von beiden Seiten kaum, weder von der ukrainischen Seite – die hat gleich den zweiten Punkt des Minsker Abkommens völlig gestrichen – noch von der russischer Seite. Das nützt uns jetzt aber nichts! Wir haben einen barbarischen Krieg, der so nicht enden wird. Er wird irgendwann zu einem Guerillakrieg, zu einem Zermürbungskrieg werden und dann noch zehn Jahre lang Blutzoll fordern, und das meistens von Menschen, die eigentlich - -

Ich kann nur sagen, ich habe in den letzten Wochen viel damit zu tun gehabt. Ich kenne viele Menschen sowohl aus Russland als auch aus der Ukraine, ich habe ja noch ganz viele Verbindungen über den Europarat. Ich telefoniere jeden Tag mit Charkiw oder mit Mariupol. Auch dort sind überall Abgeordnete, mit denen wir in einem engen Kontakt sind, und es macht einen einfach betroffen, wie die Situation ist.

Was wir jetzt tun müssen, ist, alle diplomatischen Kanäle offen zu lassen. Lieber Kollege Buchmann, ich finde es zum Beispiel gar nicht gut, jetzt Städtepartnerschaften zu be­enden. Das sind nämlich genau die Möglichkeiten, auch andere Informationen in ein Land zu bringen, wo es keine Informationen gibt.

Nehmen wir zum Beispiel den Fall der Marina Dawydowa: Marina Dawydowa war vor vier Jahren Schauspielleiterin der Wiener Festwochen. Sie hat in Russland einen Aufruf erlassen, der zu einem weißen Z – das bedeutet Verräterin – an Ihrer Haustür geführt hat. Sie ist vogelfrei, und die Finnen haben nichts anderes zu tun, als sie als künstleri­sche Leiterin auszuladen. Das ist unerhört!

Der größte Respekt – bis Nowosibirsk – gilt all jenen Menschen, die jetzt auf die Straße gehen und protestieren, wohl wissend, dass sie für zwölf oder 15 Jahre in Haft müssen. Da müssen wir sagen: Unsere Kritik und all unsere Maßnahmen müssen das Regime und die Clique um Putin treffen, aber sie richten sich doch nicht gegen die Russen! (Beifall bei der SPÖ.)

Gestern nach dem EU-Ausschuss gehe ich über den Hof, und beim Schweizertor treffe ich eine russische Dirigentin mit Tränen in den Augen. Sie versteht die Welt nicht mehr. Ich bedaure sehr, dass sie zum Beispiel in Niederösterreich ihre Position verloren hat, weil sie Russin ist, obwohl sie gegen diesen Krieg und gegen dieses Regime ist, und hier nichts anderes tut, als zu dirigieren und Kindern Musik näherzubringen. Das geht nicht! Wir müssen uns solcher Personen in einer besonderen Weise annehmen.


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Ich bin aber auch gegen falsche Symbolpolitik. Ich habe bei der Cosac – das ist die Konferenz der europäischen EU-Ausschüsse gemeinsam mit dem Europäischen Parla­ment – in den letzten drei Tagen in Paris miterleben müssen, dass dieser versprochene Fast Track der Ursula Von der Leyen völlig falsch aufgefasst wird. Da sagt der West­balkan: Wir warten seit über zehn Jahren, und Macron knallt uns die Türen zu! Nord­mazedonien und Albanien sagen: Wir sind so weit und man hat es uns versprochen! – Gerade Nordmazedonien hat man es im Zusammenhang mit der Volksabstimmung über die Namensänderung versprochen. Jetzt steht ein Land nach dem anderen auf – Geor­gien, Moldawien – und sagt: Wir alle fordern jetzt Fast Track!

Das bringt uns um! – Entschuldigung, wir sind die Europäische Union! Wir bemühen uns um Frieden, wir versuchen, solidarisch zu helfen – man denke nur daran, wie viel die Europäische Union an die Ukraine bezahlt hat und noch immer bezahlt und wie sie sie damit stützt –, aber wir können nicht plötzlich anfangen zu schwimmen, indem wir Sym­bolpolitik machen. Der Ukraine nützt es nämlich genau null, wenn man jetzt sagt: Ihr werdet EU-Mitglied! Was hat das für eine Auswirkung? – Gar keine, null.

Wenn man dann noch sagt, wir nehmen Georgien und das mit Transnistrien ganz schwer belastete Moldawien dazu, dann sind wir in jedem Konflikt drin. Die Nato war einmal sehr weise, als sie gesagt hat: Die Ukraine und Georgien können nicht Mitglied werden, sonst stecken wir mitten in einem Konflikt!

Wir haben ein paar Probleme. Es wird sich zum Beispiel in Österreich, Deutschland und so weiter im Hinblick auf die Energieversorgung irgendwann die Frage stellen: Drehen wir den Hahn zu oder nicht? Damit, muss ich ganz ehrlich sagen, riskieren wir etwas. Wir kämpfen um den Frieden in der Ukraine, aber verlieren den sozialen Frieden in unse­ren Ländern, nämlich dann, wenn die Gesellschaft in eine soziale Schieflage kommt, wenn die Arbeitslosigkeit steigt, wenn die Firmen zusperren müssen. Da müssen wir vorsichtig sein.

Ja, derzeit bezahlt Europa jeden Tag 1 Milliarde Euro an Russland. Das ist ein Bomben­geschäft, ja. Wir können aber nicht einfach sagen, wir sperren die Leitung zu, denn wir haben auch eine Verantwortung für den sozialen Frieden hier, wir haben die Pflicht, ge­gen die Teuerung, gegen diese Teuerungslawine anzukämpfen. Auch haben wir die Ver­antwortung, behutsam mit der Psyche unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen umzuge­hen, die von zwei Jahren Pandemie völlig ermattet sind – und jetzt diese Angst.

Ich finde es ja rührend, wenn Landeshauptmann Platter, der einmal Verteidigungsminis­ter war, in Tirol großartig verkündet: Tirol ist derzeit sicherheitsmäßig nicht bedroht! – So ein Quatsch, und das von einem Ex-Verteidigungsminister! (Bundesrat Steiner – erhei­tert –: Ja, ein Wahnsinn! Der war eine Katastrophe als Verteidigungsminister! – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Bitte? Was sagst du? (Ruf bei der SPÖ: ... Innenminister!) – Nein, Verteidigungsminister war er auch. Der Bundesrat hatte sogar einen kleinen Unter­suchungsausschuss wegen der Abfangjäger mit Herrn Platter. Darum kennt er sich bei uns im Bundesrat sehr gut aus, weil er permanent in den Verteidigungsausschuss des Bundesrates musste.

Frau Bundesministerin, Sie wissen ja, dass ich Sie schätze, weil wir ein ähnliches Betä­tigungsfeld in Straßburg haben, aber eines muss ich schon sagen: Welcher Blödsinn hat die ÖVP geritten, dass heute jeder einzelne Minister und jede Ministerin hier herausge­hen muss und ein Mantra aufsagen muss: Die Neutralität steht nicht infrage! – Wir haben sie nicht infrage gestellt. Das ist von euch selber gekommen. Und wenn Frau Ministerin Raab, dann Frau Ministerin Edtstadler und dann alle anderen ÖVP-Minister sagen, dass die Neutralität nicht infrage steht, dann wissen wir, dass sie infrage gestanden ist. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwischenrufe bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Deshalb noch einmal: Die Neutralität Österreichs ist der österreichische, unverwechsel­bare „Beitrag zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in Europa“. Wo steht


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dieser Satz? – Der steht im Beitrittsansuchen Österreichs an die Europäische Gemein­schaft, das heißt, er ist von der Europäischen Union anerkannt.

Wir brauchen auch nicht darüber zu diskutieren, ob wir – Entschuldigung, Herr Arla­movsky, er ist ja jetzt nicht da – einer europäischen Armee beitreten. Wir haben unsere Aufgabe als neutrales Land zu erfüllen. Neutralität heißt aber nicht meinungslos zu sein, Neutralität heißt nicht positionslos zu sein! Beim Thema Menschenrechte und beim Thema Völkerrecht haben wir klar Flagge zu zeigen!


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Bitte an die Zeit denken!

Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Ich denke eh an die Zeit, aber man muss doch unserem neuen Minister auch noch ein paar Minuten geben, oder? Ich meine, das wäre ja sehr unhöflich, Frau Präsidentin. Das wäre unhöflich, und Sie wissen, dass ich nicht unhöflich bin.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: ... mehr Sensibilität bei der Wortwahl! (Bundesrat Stei­ner: Mikro! Das kriegt ja niemand mit!)

Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Ich bin ziemlich sensibel, ich bin schwer sensibel. Nein, nein. Ich darf noch ganz kurz Folgendes sagen: Viel Glück für diese Auf­gabe! Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet die zwei wichtigen Führungsfunktionen in Zeiten einer Pandemie, jene des Gesundheitsministers und jene des Bundeskanzlers, zu einer Art Schleudersessel werden. Ich hoffe, dass Sie bis zum Ende der Legislatur­periode Gesundheitsminister sind, weil wir nach wie vor inmitten einer Pandemie ste­cken.

Dieser Bericht der Kommission ist widersprüchlich und doppeldeutig, würde ich sagen, denn wenn man sagt: Im Herbst kommt’s dicke!, dann muss ich einmal ein paar Monate nach vorne rechnen, um mittels Impfungen die entsprechende Sicherheit im Herbst zu erreichen. Das heißt, so viel Spielraum haben wir nicht. Da stellt sich die Frage: Wie erreiche ich die Leute im Mai und im Juni, wie bringe ich sie dazu, sich impfen zu lassen, wenn ich sie bisher nicht erreicht habe?

Trotzdem alles Gute! Ich glaube, Frau Schumann hat das für unsere Seite schon gesagt. Und vergessen Sie nicht, dass Sie nicht nur Gesundheitsminister sind, sondern dass das große Feld des Sozialen und der Pflege ziemlich brach liegt. Da muss etwas kommen! – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Platzer.)

12.46


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie auf­merksam machen: Wir haben an und für sich beschlossen, dass unsere Redezeit ma­ximal 10 Minuten betragen soll. Ich weiß, es ist heute von Anfang an überzogen worden, aber ich bitte Sie wirklich, sich daran zu halten. Wir haben noch eine sehr volle und ausgiebige Tagesordnung.

Ich bitte auch, ein bisschen sensibler bei der Wortwahl zu sein. Ich denke, das Wort Blödsinn ist hier nicht angebracht.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist unser Kollege Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte schön.


12.47.33

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsidentin! Kollegen Bundesräte! Frau Minister! Herr Minister! Zuerst einmal möchte ich schon sagen, dass ich ein biss­chen verwundert bin, dass – auch wenn es im Nationalrat so gehandhabt wurde – es eine Regierungserklärung zu zwei wichtigen Themen gibt. Das muss man jetzt alles irgendwie vermanschen, alles zusammen hinkriegen. Ich finde, dass die zigste Umbil­dung der Regierung doch eine eigene Erklärung benötigt hätte, und ich finde, dass auch


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die Krise in der Ukraine eine eigene Regierungserklärung benötigt hätte. (Beifall bei der FPÖ.) Aber das muss die ÖVP mit sich selber ausmachen, dass sie die Wichtigkeiten anscheinend vermischt und vermanscht.

Ich darf als Gesundheitssprecher der Bundesratsfraktion der Freiheitlichen natürlich zum neuen Herrn Gesundheitsminister sprechen, einen kleinen Rückblick und eine Vorschau machen und auch ein bisschen dazusagen, was wir uns von Ihnen, Herr Minister, er­warten und hoffentlich auch nicht erwarten müssen.

Vorerst muss ich noch etwas zu Herrn Mückstein sagen. Ich bin ja zutiefst erschüttert über den Rücktritt – ihr wisst es – meines ganz besonderen Freundes Dr. Wolfgang Mückstein. Zugleich ist meine Enttäuschung aber riesengroß, denn ich habe mich in meiner letzten Rede mit meiner Prophezeiung über den Zeitpunkt seines Rücktritts glatt um einen Monat vertan – ich werde mich aber bemühen, mich da wesentlich zu bessern.

Somit haben wir mit Stand gestern satte zwölf von 19 Regierungsmitgliedern ausge­tauscht – eine wahrlich tolle Leistung dieser Regierung. Das zeugt ja wirklich – Frau Mi­nister, wenn Sie vom Handy aufschauen – von Ihrer Qualität als Regierung und auch von Ihrem Fachwissen, wie man heute bei Ihrem Redebeitrag wieder gesehen hat. Eine wirklich tolle Leistung! Es ist auch wirklich beruhigend, dass wir solche Ministerinnen wie auch Sie, Frau Edtstadler, haben, die Österreich in Zeiten wie diesen äußerst kompetent durch die Krisen führen.

Jetzt muss man ja schon froh sein, dass ein Herr Nehammer und ein Herr Schallenberg nicht Kanzler und Außenminister von Deutschland sind, denn dann wäre es wirklich schwierig. Wer hätte denn gedacht, dass eine Frau Annalena Baerbock – wohlgemerkt, von den Grünen – in Deutschland einen diplomatisch wirklich brauchbaren Weg ein­schlägt und unseren Oberdiplomaten Schallenberg ins diplomatische Out verweist. Man muss schon sagen, da ist es mit der Diplomatie nicht weit her – aber wir haben ja diesen Herrn Schallenberg als Kurzzeitkanzler kennengelernt, und da war er wirklich fürchter­lich. (Beifall bei der FPÖ. – Vizekanzler Kogler betritt den Saal.) Aber das zeigt halt wieder einmal die jeweilige Kompetenz dieser Regierungsmitglieder.

Jetzt ist der Herr Vizekanzler auch wieder hier – wie passend. Herr Kogler, wenn Sie heute die Chuzpe besitzen, sich hier herzustellen und von Freiheit und Demokratie zu reden und andere zu rügen, nach dem, was Sie alles mit den Österreichern aufgeführt haben, muss man sich das erst einmal trauen, Herr Vizekanzler. Unglaublich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Dann bin ich schon bei den Grünen: Wo ist denn jetzt der Fraktionsvorsitzende der Grü­nen Herr Kollege Schreuder, der sich hier herausstellt, die moralische Keule schwingt und fast zu weinen anfängt? Jetzt darf man schon einmal sagen: Wenn ÖVP-Politiker oder FPÖ-Politiker angefeindet werden, bedroht werden, Schutz brauchen, wenn Kinder von ÖVP-Politikern und von FPÖ-Politikern in den Schulen gemobbt werden, ist das den Grünen wurscht. Da hört man kein einziges Wort von Ihnen. Wenn es dann aber einmal um jemand von einem selbst geht, schwingt man die moralische Keule und dann ist man sich auch nicht zu blöd, Mitglieder dieses Hauses auf eine Ebene mit Putin zu stellen. Schämt euch! Das könnt ihr eurem grünen Fraktionsvorsitzenden ausrichten. Unglaub­lich so etwas! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Es ist jetzt Herr Kogler gekommen, und wir sprechen von Kompetenz. Herr Rauch, ich hoffe ja wirklich, dass Sie jetzt nicht die gleiche politische Kompetenz wie ein Herr An­schober und ein Herr Mückstein mitbringen, denn dann schwant mir ja wirklich Böses für unser Österreich und seine Bürger. Leider, Herr Rauch, ist das aber zu befürchten, und mir graut jetzt schon ein wenig davor.

Aber ich will Sie auch warnen, Herr Rauch: Die ÖVP in Vorarlberg ist nicht die Bundes-ÖVP. Wenn Sie heute von der Bundes-ÖVP so übermäßig gelobt wurden, Herr Rauch,


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ist das sehr gefährlich. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Bitte reden Sie noch einmal mit Herrn Kollegen Mückstein, wie es ihm ergangen ist, als hier herinnen die Lobeshymnen der ÖVP auf ihn eingeprallt sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sind wir eh schon wieder bei der ÖVP: Dann kommen wir zur täglichen Regierungs­arbeit, die ja der Bürger draußen mitkriegt, eure professionelle tägliche Regierungsar­beit, die man immer auch in Umfragen – ob gekauft oder getürkt oder nicht gekauft – ganz gut sieht. Ob das nun eine – wie hat sie geheißen? – Aschbacher, ein Kurz, ein Blümel, ein Anschober, ein Mückstein – und wie sie jetzt alle geheißen haben – sind und waren: All diese teilweise gescheiterten oder aber auch noch im Amt und links und rechts neben mir auf der Regierungsbank befindlichen Minister sind mit ihren Aufgaben völlig überfordert. Das muss man auch einmal ganz klar und offen ansprechen. Man hat es heute bei den Stellungnahmen von der Regierungsbank gesehen, dass ihr wirklich über­fordert seid. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines muss man vielleicht auch noch sagen: Auch wenn man jetzt gefühlt wöchentlich einen Minister oder eine Ministerin austauscht, ist das in Wahrheit völlig egal, denn es ändert sich ja überhaupt nicht das Geringste an eurer Politik.

Da stellen sich die Bürger zu Recht die Frage, ob es eigentlich nicht völlig egal und völlig wurscht ist, wer in dieser Regierung Minister ist oder wird. Eure Regierung erinnert mich ein wenig – ich glaube, es kennen alle das Spiel – an Monopoly. Manche Minister dürfen nicht über das „Los“-Feld, manche Minister werden darüber geschubst, andere kaufen sich statt Häuser Umfragen, wieder andere sind im Gefängnis, andere – die Frau Staatsse­kretärin ist auch wieder hier – kaufen sich ohne Genierer ein Teeservice für über 2 000 Euro Steuergeld, ein äußerst teures Teeservice. Ich freue mich dann einmal über eine Einla­dung, Frau Staatssekretärin, damit auch ich einmal aus Ihrem wunderbar schönen Tee­service trinken kann.

Es klingt jetzt zwar lustig, nur ist das nicht lustig, denn bei Ihrem Spiel, diesem Regie­rungsmonopoly, gibt es zwei Würfel von der ÖVP, zwei getürkte Würfel von der ÖVP, und die Grünen dürfen es mit einem Würfel, Herr Kogler, der nur zwei Zahlen aufweist, spielen. Das Schlimme an diesem Spiel mit Österreich, das diese Regierung aufführt, ist aber, dass ihr dieses Spiel nicht mit Monopolygeld spielt. Ihr spielt dieses Spiel mit dem hart verdienten österreichischen Steuergeld! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist völlig wurscht, wer in dieser Regierung Minister ist, denn alle Minister beherrschen eines sehr gut, nämlich das Bedienen der eigenen Klientel. Minister sein ist für euch und eure Freunderl und die Partei ein Geschäft. Ich erinnere an Containerfirmen von ehema­ligen Gesundheitsministern im Familienumfeld. Ich erinnere an die ÖVP-nahe Hygiene Austria, Frau Ministerin Edtstadler – Sie werden sich erinnern. Ich erinnere an die Test­vergaben im Unterrichtsministerium. Der Unterrichtsminister ist nicht mehr hier, aber die haben jetzt schon die zweite Strafe bekommen, weil sie falsche Auftragsvergaben ge­macht haben. Ich erinnere an eure Impfstraßen, wo die tollen grünen Ärzte und die ÖVP-Ärzte gut verdient haben. Die Liste wäre ewig fortzusetzen, aber es blinkt ja schon wieder.

Frau Präsidentin! Ich weiß ja nicht, ich glaube, bei mir stellen Sie immer absichtlich die Zeit schneller.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nein, nein, nein! Also Entschuldigung?!


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Mir kommt vor - -


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Die stimmt schon, die Uhr. (Bundesrat Köck: Uns kommt es länger vor!)


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Und alle Profiteure dieser Pandemie finden wir halt leider Gottes – das muss man so sagen, und ihr wisst das auch – im Dunstkreis


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der ÖVP und im Dunstkreis der Grünen und in Wien im Dunstkreis der SPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

Egal ob es die Coronapolitik oder die Umweltpolitik ist, eigentlich egal, was ihr in dieser Regierung angreift: Wer nicht von eurer Regierungsarbeit profitiert, ist der Bürger, denn alles wird teurer: Strom wird teurer, Gas wird teurer, der Sprit wird jetzt noch teurer mit der super Ökosteuer (Vizekanzler Kogler: Die gibt es ja gar nicht!), die Lebensmittel werden teurer. Wissen Sie, was billiger wird, Herr Kogler? Das Einzige, was billiger wird, sind eure Ausreden. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Euer Schmäh! – Bun­desrat Kornhäusl: Dein Witz!)

Somit bleibt eigentlich gar nicht mehr viel zu sagen. Man tauscht halt wieder einmal einen Minister aus, und alles bleibt beim Alten. Es ist ein trauriger Zusammenschluss von un­fähigen und leider Gottes auch ignoranten Personen. Dazu ist mir auf Facebook heute noch ein guter Spruch reingerutscht. Den habe ich mir aufgeschrieben, den sage ich euch noch, und der passt zu euch wie die Faust aufs Auge: Bei manchen Menschen fängst du mit einem Kopfschütteln an, und am Ende kriegst du ein Schleudertrauma. – Danke schön. Auf Wiedersehen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.59


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege Steiner! Du hast heute am Anfang sehr viel Sensibilität gezeigt. Du hast gesagt, ich soll Marco Schreuder einen Ordnungsruf geben. Ich habe mir jetzt das Protokoll geholt, und daraus geht das nicht hervor. Er hat nämlich gesagt, dass wir uns im Ton ein bisschen mäßigen sollen. Ich lese das vor: „Da würde ich wirklich bitten, alle Abgeordneten, aber vor allem die von der Freiheitlichen Partei, darüber nachzudenken, inwieweit man das auch verantworten möchte.“ Dann hat er „auch ein anderer Politiker“ gesagt. Ich habe aber keinen Politiker, den er direkt ange­sprochen hat.

Ich habe dir jetzt wirklich sehr aufmerksam zugehört. Ich meine, unfähig, ignorant, ge­scheitert, „völlig überfordert“: Aus dem Bauch heraus müsste ich dir an und für sich für das alles einen Ordnungsruf geben. (Bundesrat Steiner: Aber darum geht es ja nicht!) Ich weiß nicht, ob es dir passiert oder ob das so gesetzt wird. Ich bitte dich, wie du bei anderen sensibel bist, das auch bei deinen Reden anzuwenden. Wir haben eine schwie­rige Zeit, und da ist es auch wichtig, dass wir miteinander gut umgehen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung!)

Weiters zu Wort gemeldet (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung!) hat sich unser Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte schön. (Bundesrat Steiner: Zur Ge­schäftsordnung!) – Bitte? (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung!) Dann sage es dazu: zur Geschäftsordnung. (Bundesrat Steiner: Wie oft soll ich es noch sagen?) Ent­schuldigung, nur auf das Mikro zu zeigen, ist mir zu wenig. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Drei Mal hat er es gesagt!) Also bitte schön. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Und Mikro einschalten!)

*****


13.01.19

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Vizepräsi­dentin, Sie können sich das Stenographische Protokoll von Herrn Schreuder kommen lassen, dann müssen Sie aber auch das vorlesen, was ich kritisiert habe und nicht irgendetwas anderes aus dem Stenographischen Protokoll. Es ging darum – und ich habe das in meiner Rede wieder erwähnt –: Er hat Politiker dieses Bundesrates auf eine Stufe mit Putin gestellt. Da ging es nicht um das Mäßigen der Worte, was er zu Beginn gesagt hat, sondern es ging um diesen Passus. Sie können gerne irgendetwas aus


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seiner Rede vorlesen und dann sagen, das ist nicht ordnungsrufwürdig. Ich habe explizit gesagt: zu diesem Punkt. Jetzt haben Sie halt irgendetwas aus seiner Rede zitiert – ist gut so.

Die Ordnungsrufpraxis hier ist sowieso oft einmal fraglich, wenn man bei solchen Sa­chen, wenn Politiker auf eine Stufe mit Putin gestellt werden, zu keinem Ordnungsruf findet, mich dann aber kritisiert, wenn ich unfähig sage. – Also Tatsachen wird man in diesem Hohen Haus doch wohl noch ansprechen dürfen, und es wird mir keiner wider­sprechen, wenn ich sage, dass Herr Mückstein einfach überfordert und unfähig war. (Beifall bei der FPÖ.)

13.02

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Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege Steiner, wir können weiter diskutieren. Fakt ist, dass ich das vorgelesen habe, was im Protokoll steht, nicht fantasiert habe (Bundes­rat Steiner: Das habe ich auch nie gesagt!) und ganz konkret das gesagt habe. Du hast gesagt, ich habe etwas anderes gesagt. Ich habe das vorgelesen (Bundesrat Steiner: Die falsche Passage!), und da steht das nicht drinnen. Ich bitte, das einmal zur Kenntnis zu nehmen. (Bundesrat Steiner: Na geh, was soll man da reden?!)

Ich darf jetzt unseren Herrn Bundesminister bitten.


13.03.02

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Vizepräsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Vielleicht kann ich als Gesundheitsminister etwas zur Senkung des Blutdruckes beitragen, indem ich jetzt versuche, ruhig und sachlich zu bleiben.

Ich habe die Debatte übrigens interessiert verfolgt und möchte Ihnen auch sagen, dass ich dieser Länderkammer gegenüber eine hohe Wertschätzung habe, nicht nur weil ich Vertreter eines Bundeslandes bin, sondern weil ich es für einen Vorteil halte, in politi­schen Systemen ein Zweikammernsystem zu haben. Ich beobachte das in Deutschland, in der benachbarten Schweiz und auch in Österreich. Meine Wertschätzung gegenüber dem Haus sei also ausdrücklich an den Beginn gestellt. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich bin jetzt als Gesundheitsminister 24 Stunden im Amt. Das waren mitunter sicher die intensivsten 24 Stunden meines doch schon etwas längeren Lebens, das können Sie mir glauben, weil man da von null auf hundert gehen muss. Die Entscheidung heute mit der Impfpflicht war eine ganz wesentliche, darum komme ich darauf zurück, was das auch bedeutet.

Lassen Sie mich eines aber gleich vorweg sagen: Ich bin nicht nur Gesundheitsminister, ich bin auch Sozialminister. Das ist schon eingemahnt und angesprochen worden, und dem möchte ich auch gerecht werden. Sie haben die Themen genannt: Es ist bei der Pflege schon seit vielen Jahren (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nichts weitergegangen!) die Notwendigkeit da, in Ausbildung, in die Finanzierung, in die Unterstützung zu inves­tieren.

Ich kenne aus meinem eigenen Bundesland die Situation, dass Stellen in Alten- und Pflegeheimen nicht nachbesetzt werden können. Ich kenne die Situation der Abhän­gigkeit in der 24-Stunden-Betreuung von Arbeitskräften, die weitgehend aus dem Osten kommen und sehr schlechte Arbeitsbedingungen haben. Ich kenne all das und weiß um die Notwendigkeiten.

Jetzt stelle ich mich nicht her und verspreche Ihnen, dass das in den nächsten drei Wo­chen erledigt wird. Was ich Ihnen versprechen kann, ist, dass die Pflege, die Sicherung


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der Pflege, die Verbesserung der Ausbildung, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ganz oben auf meiner Agenda steht. Das ist jedenfalls klar.

Es ist auch mit Recht darauf hingewiesen worden, dass die Menschen mit Behinderung nicht vergessen werden sollen. – Ja, das stimmt, die kommen immer zu kurz, immer am Ende. Ich habe das wahrgenommen, ich weiß das auch und werde – da können Sie sicher sein, weil ich auch in der sozialen Arbeit tätig war und dort auch mit Behinderten gearbeitet habe – darauf großes Augenmerk legen.

Noch ein Satz zur Sozialpolitik: Mir ist klar, dass die Pandemie in diesem Land nicht nur gesundheitliche, nicht nur wirtschaftliche Folgen verursacht hat, sondern auch soziale. Die werden sich erst in der Langzeitwirkung zeigen, nichtsdestotrotz wird es notwendig sein, dort hinzuschauen und verstärkt entstehende Armut zu bekämpfen und Hilfen zu geben.

Wir können nicht zulassen, dass wir aufgrund der Pandemie beispielsweise Kinder, Jugendliche aus Familien, die jetzt mit Homeschooling konfrontiert waren, bei denen es nicht möglich war, private Nachhilfe zu finanzieren und die deswegen Schulabschlüsse nicht mehr in der Zeit machen können, wie sie vorgesehen sind, verlieren. Dort wird es notwendig sein, Unterstützung zu bieten. Dafür sind schon Maßnahmen in Vorbereitung.

Jetzt wird Sie aber naturgemäß natürlich der Bericht der Impfkommission interessieren, und auf diesen möchte ich nun doch etwas näher und detaillierter eingehen. Er steht online zur Verfügung, er ist allen Fraktionen, meine ich, auch zugeleitet worden, und ich kann Sie nur bitten, diesen Bericht auch zu lesen, weil er über die Kurzzusammenfas­sung hinaus in meinen Augen schon Erkenntnisse bietet, die beachtenswert und le­senswert sind. Immerhin ist da nicht nur die Expertise in medizinischer Hinsicht, sondern auch in juristischer Hinsicht abgebildet.

Genau diese beiden Leitplanken sind es, die uns den Rahmen abstecken, wie wir damit umgehen: Auf der einen Seite steht die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die persön­lichen Entscheidungen – und das ist einer, wenn eine Impfpflicht angeschafft und verord­net wird –, auf der anderen die Prognosesicherheit, die epidemiologische Lage, wie sie sich darstellt.

Die Prognose für den Herbst – das ist jetzt unschwer zusammenzufassen – ist unsicher. Auch die Kommission sagt: Wir können nicht ausschließen, dass wir September/Okto­ber, zu Beginn der kalten Jahreszeit möglicherweise wieder mit einer anderen Variante konfrontiert sein werden, die auftaucht, mit möglicherweise Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem, auf die Spitäler, und die damit Situationen schafft, wie wir sie schon hatten und die uns dann genötigt haben, einen Lockdown auszurufen. Das ist im Übrigen auch ein Eingriff, und zwar für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, der in seiner Dramatik beim ersten Mal vielleicht noch überschaubar war, beim zweiten Mal aber dann schon schwieriger zu bewältigen war. Sie kennen alle die Geschichten.

Die zweite Aussage, die die Kommission getroffen hat, ist: Impfen wirkt. Und das möchte ich festhalten, weil man jetzt nicht so tun kann, als wäre mit der Aussetzung der Impf­pflicht die Botschaft verknüpft: Lasst es mit dem Impfen sein! – Das Gegenteil ist der Fall. Die klare Aussage ist: Wenn Sie sich impfen lassen, genießen Sie einen weitaus höheren Schutz davor, ins Spital zu kommen, schwer zu erkranken, an Long-Covid-Fol­gen zu leiden, als wenn Sie es nicht tun. (Bundesrätin Grimling: Das kommt nicht an!)

Der nächste Punkt, der festgehalten wird, ist, dass jetzt im Augenblick – und das sagt die Kommission im Wortlaut so – derzeit das Abwägen von Verhältnismäßigkeit auf der einen und die Notwendigkeit, Vorsorge zu treffen, auf der anderen Seite es derzeit noch nicht erforderlich macht, die Impfpflicht umzusetzen. Das ist die Botschaft – die können Sie als doppelbödig bezeichnen, aber es sind die Eckpunkte, um die es jetzt geht.


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Klar ist auch, dass die Kommission sagt, sie wird den Auftrag natürlich weiter so ausfüh­ren, dass sie in drei Monaten den nächsten Bericht vorlegt. Das wird in meiner Welt spätestens Ende Mai sein. Und Sie können sich sicher sein, dass auf jeden Fall für beide Szenarien Vorkehrungen getroffen werden und Vorbereitungen in Angriff genommen werden. Es wird sicher nicht so sein, dass bis Ende Mai abgewartet und geschaut wird, was die Kommission sagt, um dann die weiteren Maßnahmen zu treffen.

Klar ist auch – das habe ich heute schon gesagt –, dass wir eine höhere Impfquote brauchen, weil es notwendig sein wird, auch offensiv in Kampagnen einzutreten, die die Leute wieder animieren, impfen zu gehen und dieses Angebot in Anspruch zu nehmen.

Ein Satz noch zur Gesamtgemengelage: Mir ist vollkommen klar – und das hat jeder Mensch mitbekommen –, dass es total unterschiedliche Zugänge gibt – auf der einen Seite Leute, die sagen: Lasst mich in Ruhe, ich will von dem nichts wissen!, bis hin zur Botschaft: Ich lasse mich sicher nicht impfen, denn damit sind sozusagen Geheimopera­tionen verbunden!, das Implantat von einem Chip oder ähnliche Dinge mehr, und auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Maßnahmen das Wort reden, die sehr, sehr radikal und sehr dauerhaft in das Leben von Menschen eingreifen.

Diese Balance zu halten und zu wahren, ist eine Schwierigkeit; das haben alle erfahren, aber es ist notwendig. In diesen Dialog einzutreten – im Übrigen auch mit den Parla­mentsparteien, auch mit dem Bundesrat –, ist jedenfalls meine Zielsetzung. Was ich gestern als Erstes gemacht habe, nachdem ich diesen Bericht zwei Stunden hatte, war, die Klubobleute im Nationalrat – auch von den Oppositionsparteien – anzurufen. Ich ha­be eine noch gestern Abend in der Nacht um 11 Uhr erreicht, zwei heute Früh um halb sieben. Auch Herrn Kickl habe ich angerufen – weil schon die Rede davon war, mit de­nen redet man gar nicht. Es ist jedenfalls mein Zugang, in einen Dialog einzutreten, und es wird notwendig sein, die Entscheidungen, soweit es möglich ist, auch gemeinsam zu treffen.

Jetzt weiß ich schon – ich habe das schon mehrfach gesagt –: Die Pandemie hat auch demokratische Zumutungen mit sich gebracht, weil natürlich Regierungen, Landesregie­rungen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aufgrund der Situation, die wir hatten, Entscheidungsbefugnisse eingeräumt worden sind, die sehr weitreichend sind und die ein Stück weit den parlamentarischen Betrieb auch ausgehebelt haben. Auch da wird es notwendig sein, hinzuschauen, wie wir wieder in einen Normalzustand kommen.

Schlusssatz von meiner Seite: Ich kann Ihnen nur Folgendes anbieten: Ich nehme dieses Haus ernst, ich nehme die Anliegen der Bundesländer ernst. Ich stehe für Dialog und Austausch jederzeit zur Verfügung und freue mich auf die Zusammenarbeit auch mit diesem Haus. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

13.12


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke, Herr Minister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist unser Kollege Sebastian Kolland. – Bitte.


13.13.12

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Sozialminister! Herzlich willkommen hier im Bundesrat und alles, alles Gute für Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Es sind ohne Frage dunkle und fast surreale Stunden, die wir in Europa gerade erleben, und uns alle erschüttern die Bilder und die Berichte, die wir sehen und hören.

Wohl kaum einer von uns hätte vor ein paar Wochen geglaubt, dass Wladimir Putin wirklich bis zum Äußersten geht und am 24. Februar den Befehl zum Angriff auf die Ukraine gibt. Dieser Krieg wird Europa verändern und dieser Krieg hat Europa bereits


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verändert, vor allem deshalb, weil uns auf schmerzliche Art und Weise bewusst gewor­den ist, dass Frieden auch in Europa eben keine Selbstverständlichkeit ist, auch wenn wir alle das wohl zu lange und zu gerne glauben wollten.

Bei diesem Krieg in der Ukraine gibt es nichts zu rechtfertigen, es gibt auch nichts zu relativieren. Es ist ein mit aller Brutalität geführter Angriffskrieg der Russischen Föde­ration auf einen souveränen Staat in Europa, ein Krieg, der minutiös geplant worden ist und zu dessen Vorbereitung die Weltöffentlichkeit über Wochen hinweg belogen wurde.

Warum ist es mir wichtig, das in aller Klarheit herauszustreichen? – Es gibt nach wie vor Menschen und leider auch politische Kräfte, die versuchen, jemand anderem eine Mitschuld für diesen Krieg zu geben, die sogar so weit gehen, dass sie den Eindruck erwecken wollen, als wäre Russland zu diesem Schritt geradezu gezwungen worden. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, in aller Klarheit: Bei einem Überfall auf ein friedli­ches Nachbarland trägt niemand Verantwortung außer derjenige, der das Nachbarland überfällt. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Die Folgen dieses Angriffskriegs sind tausendfacher Tod, unermessliches menschliches Leid und eine sich anbahnende humanitäre Katastrophe, wie sie Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erleben musste. Mehr als zwei Millionen Menschen sind bereits aus ihrer Heimat geflohen, bis zu zehn Millionen könnten es werden. Vor allem Frauen und Kinder verlassen ihre Heimat, um oftmals nichts anderes als ihr blankes Leben zu retten. Es ist ein Drama, das sich vor unseren Augen und vor unserer Haustür abspielt, das betroffen und auch sehr traurig macht.

Zugleich – und das macht Hoffnung – erleben wir aber auch eine Europäische Union und eine transatlantische Gemeinschaft, die einiger und geschlossener zusammensteht als je zuvor. Noch nie in der Geschichte der Europäischen Union ist es gelungen, in so kurzer Zeit so massive Sanktionen auf den Weg zu bringen. Drei Pakete wurden bereits beschlossen und umgesetzt, ein viertes ist in der finalen Phase.

Diese Geschlossenheit macht Mut – und es braucht sie auch, um den zivilen und den wirtschaftlichen Druck auf Russland zu erhöhen. Denn seien wir nicht blauäugig: Erst wenn der Preis dieses Angriffskrieges für die Russische Föderation unverhältnismäßig hoch wird, erst wenn der zivile Widerstand aufgrund der Sanktionen auch in Russland selbst steigt, erst dann gibt es eine realistische Chance auf eine Verhandlungslösung, und zwar eine Verhandlungslösung, die die Ukraine nicht zu einem Vasallenstaat Russ­lands macht, sondern wieder zu einem souveränen und mit völliger Handlungsfreiheit nach innen und außen ausgestatteten souveränen Staat.

Deshalb ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass sich auch Österreich an diesen Sanktionen beteiligt und diese mitträgt, genauso wie es das bündnisfreie Schweden und die neutrale Schweiz machten. Denn militärische Neutralität heißt eben nicht, dass man politisch nicht Stellung beziehen darf oder dass man nicht sagen darf, auf welcher Seite man steht.

Der Friedensnobelpreisträger und Holocaustüberlebende Elie Wiesel hat einmal gesagt, wir müssen uns immer für eine Seite entscheiden: Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen stärkt den Folterer, niemals den Gefolterten. – Zitat­ende.

Und wenn Völkerrecht gebrochen wird, dann darf Österreich nicht zuschauen. Das war in der Vergangenheit so, das ist jetzt so, und das darf auch in Zukunft niemals der Fall sein. Wir können und dürfen nicht schweigen, wenn derartiges Unrecht geschieht.

Ich darf jetzt auch noch ein Wort zu Kollegen Hübner verlieren – er ist jetzt nicht im Saal ‑, der uns ja erklären wollte, wie denn die Neutralität auszulegen sei. Ich möchte schon aufzeigen, dass offenbar auch die Freiheitliche Partei das relativ flexibel auslegt.


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Es gibt nämlich ein Interview vom freiheitlichen Klubobmann und Parteiobmann Herbert Kickl von vor zwei Jahren auf Oe24.TV, und da sagt Herr Kickl: „Ich glaube, das Dümms­te, was man machen könnte, ist [...], dass man dem Herrn Erdogan weitere Milliarden“ überweist, „wo er gleichzeitig einen Angriffskrieg führt, der die Situation noch einmal ver­schärft. Also, ich glaube, es ist jetzt höchst an der Zeit, alles zu unternehmen, um das Treiben des Herrn Erdogan zu stoppen.“ Herr Fellner fragt ihn daraufhin: „Auch Sank­tionen?“ Und Herr Kickl antwortet: „Ja!“ Herr Fellner sagt: „Also Wirtschaftssanktionen beispielsweise?“ Herr Kickl sagt: „Alles, was dazu angetan ist, einen Beitrag dafür zu leisten, dass er zur Besinnung kommt und nicht durch seine militärischen Expansionsge­lüste [...] dass man das unterbindet, weil das natürlich die ganze Problematik anheizt.“ (Bundesrat Bader: Das ist eine Doppelbödigkeit!)

Wie gesagt, so viel zur Glaubwürdigkeit der Freiheitlichen Partei in der Neutralitätsfrage. (Bundesrat Himmer: Das ist lange her!) Das ist keine zwei Jahre her, keine zwei Jahre! (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Was habt ihr gemacht?)

Werte Kolleginnen und Kollegen, abschließend: Wir alle müssen uns wohl darauf einstel­len, dass die Brutalität des Krieges in den nächsten Tagen weiter zunehmen wird. Alle Militärexperten sind sich einig, dass der Großangriff auf Kiew unmittelbar bevorsteht, und es ist zu erwarten, dass dieser Angriff von den russischen Kräften auch unter In­kaufnahme von zivilen Opfern geführt werden wird.

Die Ohnmacht, dass wir kurzfristig keine Möglichkeit haben, diese Tragödie abzuwen­den, schmerzt, aber umso wichtiger ist es, dass wir jetzt alles tun, um das Leid der Zivil­bevölkerung zu lindern, dass wir Hilfskonvois auf den Weg bringen, dass wir uns dafür einsetzen, dass es sichere Korridore für Schutzsuchende gibt und dass wir auch Flücht­lingen Schutz und Unterkunft gewähren.

Die Welle der Hilfsbereitschaft für und die große Solidarität mit der Ukraine sind beein­druckend, und das ist es auch, was mich trotz dieser schrecklichen Ereignisse wieder zuversichtlich stimmt; zuversichtlich, dass dieser Angriff Russlands auf die Ukraine letzt­endlich keinen Erfolg haben wird, sondern dass das Streben nach Demokratie, nach Freiheit, nach Selbstbestimmung am Ende des Tages stärker sein wird als Gewalt, als Unterdrückung und Diktatur. Das ist auch die Seite, auf der wir politisch zu stehen haben, weil es nämlich auch unsere Werte sind, die hier verteidigt werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.20


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist unser Kollege Günter Kovacs. – Bitte.


13.20.49

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Vor allem Herr Minister, Herr Gesundheitsminister Rauch, auch an dieser Stelle noch einmal alles Gute für Ihre Arbeit, für die kommende Zeit! Es wurde schon mehrmals gesagt, auch von der Vorsitzenden der Fraktion der SPÖ: Das ist eine sehr herausfordernde Arbeit, wir werden Sie unterstützen und wünschen Ihnen alles Gute für die kommende Zeit.

Liebe Frau Präsidentin, lassen Sie mich aber jetzt gleich zu Beginn schon etwas erwäh­nen: Wenn wir heute hier zu Themen sprechen, die essenziell sind, über einen Krieg, wie er in den letzten 50, 60 Jahren nicht da war, und das Gesundheitsthema mit der Pandemie, zwei Krisen, dann erlaube ich mir schon zu sagen, dass wir natürlich so lange reden, wie wir wollen, denn selbst wenn wir bis um 3 Uhr in der Früh hier wären, wäre das nichts im Vergleich zu dem, was die Menschen dort erleiden müssen; und wenn wir nur ansatzweise Ideen einbringen, wie wir dieses Leid mildern können, sind diese paar Minuten relativ egal. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)



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Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege, die Redezeitbeschränkungen obliegen nicht mir allein, sondern das ist im Vorfeld ausgemacht – ich habe es hier –, und es ist so, dass die Redezeiten heute stark überschritten werden, und ich habe bis 15 Minuten gar nichts gesagt, nur darauf hingewiesen. (Bundesrat Ofner: Hätts lei müssen zwei Regierungserklärungen machen, dann wäre es kein Problem!)


Bundesrat Günter Kovacs (fortsetzend): Ich wollte es nur sagen, weil es ein bisschen oberlehrerhaft rüberkommt und wir natürlich alle zu Wort kommen wollen, überhaupt in dieser extrem wichtigen Phase, in der wir uns befinden.

Herr Vizekanzler, Sie haben heute sehr global über die Situation gesprochen. Was mir abgegangen ist, war eigentlich die Empathie für die Menschen, die es jetzt direkt betrifft, für die Menschen, die man jetzt unterstützen muss, und dafür, wie man ihnen helfen kann.

Ich habe mir gestern den „Report“ angesehen. Herr Innenminister Karner ist leider jetzt nicht mehr hier, er war im „Report“ und konnte auf viele Fragen von Moderatorin Schnabl nicht einmal eine klare Antwort geben, Stichwort: Wie viele Menschen haben jetzt Platz, wie viele sind schon da?

Ich sage das deshalb, weil andere Bundesländer – und da spreche ich für mein Heimat­land, das Burgenland – diese drei Buchstaben: tun – nämlich zu handeln – schnell um­gesetzt haben. Wir haben vorige Woche am Samstag bereits 1 277 Paletten direkt an die ukrainische Grenze gebracht, 1 277 Paletten Hygieneartikel, Lebensmittel, um die Menschen vor Ort rasch zu unterstützen. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist mit Diözesanbischof Dr. Ägidius Zsifkovics direkt an die Grenze gefahren und hat das dort gemeinsam mit der Caritas vor Ort schon verteilt.

Also das sind schnelle Maßnahmen, die auch notwendig sind; ebenso wie medizinische Transporte. Heute wird schon Medizin vom Burgenland weg ins Krisengebiet, in die Ukraine, transportiert, um diesen Menschen, einem Teil der Menschen zumindest, rasch zu helfen. Wir haben Bilder gesehen: viele Mütter, viele Kinder. Warum sage ich das? – Weil das ja eigentlich das ist, was wir jetzt machen können, wo wir schnell unterstützen können: humanitäre Hilfe rasch umzusetzen.

Es nützt uns jetzt nichts, über einen EU-Beitritt, wie die Verfassungsministerin das vorhin erwähnt hat, zu philosophieren – ja, nein, hin, her. Das sind jahrelange Prozesse, und das, was jetzt benötigt wird, ist rasche Hilfe, und wie ich gerade gesagt habe, hat das Burgenland das eben schon getan, und wir werden das auch weiter tun. 500 Menschen werden heute von der ukrainischen Grenze direkt abgeholt, mit zig Bussen, die schon organisiert worden sind; 500 Menschen, die direkt in das Burgenland kommen, und nicht nur in die Nova-Rock-Halle, sondern auch schon zu vielen, vielen privaten Anbietern, Hoteliers, die gesagt haben: Wir nehmen Flüchtlinge auf! – So geht rasche Hilfe. (Beifall bei der SPÖ.)

Verfassungsministerin Edtstadler hat vorhin erwähnt, dass sich der neue Gesundheits­minister gestern ins „ZIB 2“-Studio gewagt und dort schon das erste Interview gegeben hat, also so ungefähr, welch großartige Leistung das nicht ist, wenn man Rede und Ant­wort steht. Ganz ehrlich: Wohin soll das führen, wenn man sich als Politiker nicht mehr traut, Antworten zu geben auf die Fragen, die uns jetzt drängen, wenn man dazu nicht mehr imstande ist, wenn man quasi schon sagt, welch große Leistung und er hat das souverän gemacht? Vor dem eigenen Volk Angst zu haben, das ist, glaube ich, nicht notwendig.

Wie gesagt, Herr Gesundheitsminister Rauch, wir werden Sie natürlich an Ihren Taten messen, aber wir werden Sie auch unterstützen. Wir werden Sie sicherlich unterstützen, und Adi Gross hat ja vorhin gesagt, wie begeistert er von Ihnen als Landesrat schon


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damals in der Vorarlberger Landesregierung war. Ich darf hier anmerken: Vielleicht hat es einen großen Einfluss, dass Sie mit einer sozialdemokratischen Frau verheiratet sind, dass das so gut läuft. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, die Situation vor Ort macht uns sehr, sehr betroffen, insbe­sondere deshalb, da bereits Schlepperorganisationen aktiv werden. Das Burgenland wird daher eine aktive Rolle einnehmen, um diese Menschen in eine sichere Umgebung zu bringen und vor Ausbeutung zu schützen. Das wollen wir machen: auf der einen Seite die Menschen rasch schützen, die Menschen herbringen, um sie vor dieser Kriegsaus­einandersetzung zu schützen; aber man darf auf der anderen Seite auch nicht verges­sen, das möchte ich auch erwähnen: Die eigene Bevölkerung spürt die hohen Ener­giepreise und wie das alles schon ansteigt.

Ich bin heute auf der Triester Straße gefahren, und halten Sie sich fest: 2,27 Euro kostet heute schon 1 Liter Sprit. Was heißt das jetzt für uns? Was heißt das? – Wir müssen unsere Leute jetzt schnell entlasten. Wir müssen – und da mache ich auch direkt einen Vorschlag – vielleicht die Steuer senken, eine Art Benzinpreisbremse.

Sie (in Richtung Vizekanzler Kogler) sind vor einigen Tagen im „ZIB 2“-Studio gesessen und haben gesagt, nein, das kommt auf keinen Fall infrage, diese CO2-Steuer wird wei­terhin bestehen müssen. Da bin ja ich als Sozialdemokrat nicht der Erste gewesen, der das jetzt kritisiert, sondern Dr. Mahrer als Wirtschaftskammerpräsident, der Ihnen heute über Ö1 ausrichten lässt, dass Sie sich bei der ÖVP entschuldigen sollen. Sie sollen sich praktisch bei der ÖVP entschuldigen für das, was Sie gesagt haben. Es ist eines Vizekanzlers nicht würdig, hat er heute gesagt. Also dieser interne Streit zwischen Grün und ÖVP ist ja auch nicht zu vernachlässigen, das muss man auch einmal festhalten.

Was werden wir heute noch einbringen? – Einen Entschließungsantrag werden wir ein­bringen, der auch die Stärkung des Inneren, des österreichischen Bundesheeres betrifft, denn nur ein funktionierender Rechtsstaat kann der Bevölkerung einen umfassenden Schutz und Sicherheit vor Bedrohungen innerhalb und außerhalb unserer Grenzen bieten. Das erklärte Ziel sozialdemokratischer Sicherheitspolitik ist es, dass Österreich ein souveränes, neutrales Land bleibt, in dem alle Menschen ohne Angst, ohne Repres­sion und ohne Gewalt in Frieden leben können. Durch die aktuelle Lage in der Ukraine, einen Krieg in Europa, stehen diese zentralen Punkte aber einmal mehr infrage.

Unsere pluralistische, demokratische Gesellschaftsordnung basiert auf Toleranz und Respekt. Damit wir alle die Rechte und die Freiheiten sowie die Errungenschaften des Sozialstaats in Anspruch nehmen können, müssen wir uns vor Bedrohungen aller Art schützen; wir, das sind alle Menschen, die in Österreich leben und das österreichische Gesellschaftsmodell anerkennen. Wir können Freiheitsrechte nur wahren, indem wir Sicherheit gewährleisten. Eines ist klar: Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung des österreichischen Bundesheers“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und die Bundesministerin für Landesverteidigung, werde aufgefordert, sicherzustellen, dass das österreichische Bun­desheer seinen in der Verfassung vorgegebenen Aufgaben nachkommen kann und dementsprechend für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen. Insbesondere durch


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die milizartige Strukturierung des Bundesheeres ist die Einsatzfähigkeit und Einsatzbe­reitschaft jederzeit sicherzustellen. Zudem soll die allgemeine Wehrpflicht und somit ein in Friedenszeiten zivil geführtes Militär beibehalten und die Miliz- sowie Berufskompo­nenten maßgeblich gestärkt werden.“

*****

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.30


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Kollegen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Stärkung des österreichi­schen Bundesheers“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Nächster Redner ist Andreas Arthur Spanring. – Bitte schön.


13.30.27

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Um eines klarzustellen: Wir Freiheitliche lehnen jeden Krieg und auch jede Form von Krieg ab, egal, wo auf der Welt, und wir verurteilen das Vorgehen Putins in der Ukraine auf das Schärfste. (Beifall bei der FPÖ.)

Nach dem, was ich gestern in der Nationalratssitzung gehört habe, ist es aber ziemlich egal, was wir hier heraußen sagen, weil insbesondere die Regierungsparteien bereits ein gemeinsames Wording ausgerufen haben, nämlich die FPÖ sei pro Putin und würde ihn verteidigen. Ich sage Ihnen: Das ist falsch, das ist niveaulos, und das ist auch ganz typisch für Sie!

Wenn Sie Putin kritisieren, dass er die Medien zensiert, dann sage ich Ihnen: Ja, das ist schlimm, und das ist zu verurteilen. Was machen aber Sie von der Regierung in Öster­reich? – Sie kaufen bei uns die Medien mit Inseraten, Steuermillionen aus Ministerien. (Beifall bei der FPÖ.) Das Ergebnis ist unter dem Strich dasselbe: Jeder von Ihnen be­kommt die Berichterstattung, die er haben will und die er braucht. (Zwischenruf der Bun­desrätin Hahn.)

Und Sie finden es auch in Ordnung – diese Diskussion hat es heute auch schon gege­ben –, dass prorussische Sender bei uns gesperrt werden, aber gleichzeitig verurteilen Sie es, wenn andere das machen. Also heiligt für Sie der Zweck alle Mittel, ganz nach dem Motto: Ich bin für Meinungsfreiheit, aber nur dann, wenn es meine Meinung ist. (Beifall bei der FPÖ.) – Sie messen da immer mit zweierlei Maß, und das, meine Damen und Herren, ist heuchlerisch!

Wir, und das ist unsere Aufgabe, müssen klug sein und dürfen keinesfalls in diese bereits bestehende Eskalationsstrategie einsteigen. Wir, und da meine ich nicht nur Österreich, sondern da meine ich ganz Europa, müssen versuchen, den Krieg in der Ukraine zu beenden, generell, aber auch im Besonderen, bevor der Krieg sich zu uns ausweitet, und ich sage Ihnen, diese Gefahr sehe ich, denn unter dem Strich könnte es ein Krieg zwischen den beiden Supermächten USA und Russland werden, der auf europäischem Boden ausgetragen wird, und wir reden da von zwei Atommächten.

Da ist es auch nicht förderlich, wenn sich Nehammer und Schallenberg hinstellen und Drohungen aussprechen. So nebenbei: Wenn Sie von der ÖVP schon den starken Mann markieren, wann haben Sie sich das letzte Mal bei uns in Österreich den Zustand unse­res Bundesheeres angeschaut? Unser Heer haben Sie von der ÖVP im Alleingang zu Tode gespart. Warum Sie? – Weil Sie, Ihre Finanzminister, es in Ihrer Finanzverantwor­tung hatten, das Budget nicht ausreichend zu dotieren.


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Ich hatte gehofft, Ihre Ankündigung, jetzt unser Bundesheer endlich ordentlich zu bud­getieren, wäre mehr als nur ein Lippenbekenntnis. Aber nach dem, was gestern wieder bekannt wurde, ist Ihre geplante Reform nichts anderes als ein Beweis dafür, dass Sie das sind, was Sie in der Vergangenheit schon waren, nämlich ein Totengräber des öster­reichischen Bundesheeres, und das ist traurig. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, ganz eindeutig, die Neutralität Österreichs ist wichtig, aber Neutralität ist keine Ein­bahnstraße und muss auch von der Gegenseite akzeptiert werden. (Bundesrat Ofner: Richtig!) Die Ausritte der letzten Tage der ÖVP haben unsere Neutralität nachhaltig ge­schädigt, und der Bundeskanzler braucht sich hier auch nicht rauszureden und zu sagen, irgendjemand habe das angesprochen. Nein, nein, der Herr Bundeskanzler ist ein Op­portunist, und als er gemerkt hat, dass seine Aussagen in der österreichischen Bevölke­rung schlecht ankommen, ist er zurückgerudert, und jetzt tut er so, als wäre das irgendwo anders ausgebrochen. Nein, er war es und seine ÖVP-Leute! (Beifall bei der FPÖ.) Er hat ja sogar mit der ÖVP einen Nato-Beitritt in den Raum gestellt!

Ich sage Ihnen noch etwas: Nehammer würde alles machen – alles! –, nur um an der Macht zu bleiben, und so jemand ist immer die schlechteste Wahl, um ein Land gut zu führen. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau darum, meine Damen und Herren, haben wir heute hier die zwölfte Regierungs­umbildung, den dritten Gesundheitsminister. Nein, ich werde mich bei Ex-Minister Mück­stein sicher nicht bedanken. (Bundesrat Steiner: Richtig!) Er war kein Guter, das meine ich so, wie ich es sage. Zu all dem, was unter seiner Führung schiefgelaufen ist, kommt noch, was er der österreichischen Bevölkerung – und ich sage: mit Vorsatz – als ge­treuer ÖVP-Erfüllungsgehilfe angetan hat. Die von Mückstein angeführten Gründe für seinen Rücktritt sind für mich nicht glaubhaft, die waren vielleicht ein kleiner Teil oder das Tüpfelchen auf dem I. Das war einerseits sein Unvermögen, ein Ministerium zu füh­ren, Konzepte auszuarbeiten, das Unvermögen, valide Zahlen zur Pandemie zu erhe­ben, sowie fehlerfreie Verordnungen zu erlassen, die in Wahrheit seinen Rücktritt unaus­weichlich gemacht haben; und andererseits war es die ÖVP, die es so wollte und in Wahrheit immer wieder an Mücksteins Sessel gesägt hat, so wie es in der Vergangenheit auch schon bei Minister Anschober der Fall war.

Fakt ist auch: Die Anfragebeantwortung Mücksteins an den VfGH beweist ja den Blind­flug durch diese Pandemie. 2,8 Milliarden Euro für großteils sinnlose Testungen von Symptomlosen, aber kein einziger Euro mehr in der Pflege oder im Gesundheitssystem.

Bundesrat Christoph Steiner und ich haben Herrn Mückstein in der Sitzung am 3. Fe­bruar bereits angekündigt, dass er zurücktreten wird; nicht weil wir beide Hellseher sind, sondern weil wir das bereits an diesem Tag aus ÖVP-Kreisen gesagt bekommen haben, und da hat Herr Mückstein das vielleicht noch nicht gewusst, aber wir beide haben es da schon gewusst. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesräte Ofner und Steiner.)

Interessant ist auch, welche Rolle Mückstein in dieser ominösen, geheimen Ärzte-Face­book-Gruppe gespielt hat. Letztens habe ich Herrn Bundesrat Kornhäusl hier gefragt, ob er vielleicht auch in dieser Gruppe war, und da drüben, fünf Meter neben mir, ist Herr Ex-Minister Mückstein unter seiner Maske vor lauter schlechtem Gewissen rot angelau­fen. Er hat natürlich kein Wort gesagt. Da wusste ich leider noch nicht, dass auch Herr Mückstein in dieser unsäglichen Gruppe dabei war, mit seinem guten Freund Herrn Sze­keres. Entschuldigt hat er sich dafür bis heute nicht, aber vielleicht kommt da auch noch einiges zutage, wir dürfen gespannt sein.

Spannend ist auch noch, ob nicht aus dem Gesundheitsministerium ebenfalls Umfragen zum Beispiel an Frau Beinschab und Frau Karmasin in Auftrag gegeben wurden. Wie wir seit gestern wissen, hat ja Karmasin auch zahlreiche Studien für das Land Niederös­terreich im Auftrag der ÖVP gemacht. Mit Steuergeldern wurden dann Umfragen finan­ziert zum Thema: Woraus besteht Ketchup?, oder: Wann ist es am längsten hell? Da bin


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ich jetzt schon gespannt, wie Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner und Landeshauptfrau-Stellvertreter Pernkopf das dann erklären wollen.

Landeshauptfrau-Stellvertreter Pernkopf hat ja auch gesagt, die Studien ergaben einzig­artige Erkenntnisse. (Heiterkeit bei der FPÖ.) So etwas ist einfach nur unfassbar.

Da schließt sich aber dann wieder der Kreis zur heutigen Regierungserklärung. (Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner.) Vermeintliche ÖVP-Korruption so weit das Auge reicht, und so wie es jetzt ausschaut, meine Damen und Herren, brechen ja gerade alle Dämme. Und so schlimm die politische Lage jetzt auch international ist, keine Frage, ist es diese ÖVP, die gerade sehr dankbar dafür ist, dass die Scheinwerfer nicht auf die ÖVP-Korruption leuchten, sondern überall anders verteilt sind. Nicht nur die Unfähigkeit einzelner Minister, sondern vor allem die Korruption hat dazu geführt, dass wir heute die zwölfte Regierungsumbildung haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sebastian Kurz sagt, er sieht sich nach den Aussagen von Beinschab entlastet. (Heiter­keit des Bundesrates Steiner.) Ja, genau, weil die Buberlpartie um Kurz herum alles für ihn, wahrscheinlich ohne sein Wissen, gemacht hat, auch vermeintlich strafrechtlich re­levante Dinge, ganz sicher alles hinter dem Rücken von Kurz, der hat davon gar nichts gewusst und ist quasi unwissentlich im Projekt Ballhausplatz an die Spitze der ÖVP und dann ins Bundeskanzleramt gehoben worden.

Ich hoffe, Sie hören den Sarkasmus in meiner Stimme. Das ist nicht glaubwürdig, na­türlich muss er das gewusst haben! Ich finde es ja witzig, wie devot sich gestern Herr Vizekanzler Kogler gegenüber der ÖVP gegeben hat und auch noch Danke, Danke, Danke dafür sagt, dass die ÖVP in Wahrheit den zweiten grünen Gesundheitsminister mit abgesägt hat. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ich hätte dem neuen Gesundheitsminister heute Vorschusslorbeeren gegeben, aber lei­der hat er bei seiner gestrigen Erklärung im Nationalrat bereits angekündigt, dass er den Freiheitlichen nicht die Hand reichen wird. Er hat es heute wieder relativiert und gesagt, er wird den Dialog suchen. Das finde ich wiederum sehr positiv. Er hat aber gesagt, er wird uns deshalb nicht die Hand reichen, weil wir gegen die Impfpflicht sind. Ich sage: Ja, wir sind gegen die Impfpflicht, und das wird auch so bleiben! Sie können – leider ist der Herr Minister genau bei meiner Rede jetzt hinausgegangen (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ) – jetzt ruhig für die Impfpflicht sein, Herr Minister Rauch, aber auch Sie werden noch bemerken, dass Sie nur so lange für die Impfpflicht sein werden, solange die ÖVP Ihnen das vorgibt. Mit Zahlen, Daten und Fakten hat diese Entscheidung nämlich über­haupt gar nichts zu tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Spätestens dann, wenn die nächsten Wahlen vor der Tür stehen und die ÖVP sieht, dass der Kurs ein fettes Minus bringen könnte, wird die ÖVP wieder einen Kurswechsel einschlagen und uns dann wieder vollmundig erklären, warum jetzt wieder alles anders ist. Es steht ja auch eine wichtige Wahl in Niederösterreich bevor, besonders auch für die ÖVP. Spätestens dann, meine Damen und Herren, wird man einen Sündenbock brauchen, und ich glaube, ich weiß auch, wer dieser Sündenbock sein wird, liebe Grüne.

Egal, wie sehr sich Vizekanzler Kogler heute bemüht und auch gestern bemüht hat, nach außen den Schein zu wahren, wissen wir doch schon lange aus Gesprächen insbeson­dere mit der ÖVP, dass sich in dieser Koalition gar nichts mehr harmonisch abbildet, sondern dass Sie einander da drinnen in Wahrheit mehr hassen als alles andere. Das ist jetzt zwar gut für uns als Oppositionsparteien, aber das ist ganz, ganz schlecht für Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, ich nehme jetzt einmal an, was Herr Minister Rauch gesagt hat, und zwar, er will in den Dialog treten, er will da wirklich schauen, dass er eine Balance zwischen den beiden Extremen schafft. Wenn ihm das gelingt, muss ich sagen, dann werde ich


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meine Einstellung zu ihm ändern. Aber im Endeffekt werden wir alle gemeinsam sehen, und auch die Grünen werden das sehen, wie lange dieser Minister im Amt bleiben wird, oder ob die ÖVP dann eines Tages sagen wird: Ohne Rauch geht’s auch. (Beifall bei der FPÖ.)

13.43


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Ing. Eduard Köck. – Bitte, Edi.


13.43.35

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Ein Journalist betitelt seinen Kommentar in einer Ta­geszeitung heute mit den Worten „Die Party ist vorbei“. Wenn wir die Themen, die heute auf der Tagesordnung stehen, betrachten, sehen wir, dass wir in Österreich und in Eu­ropa schon sehr viel bessere Zeiten hatten. Wir sind gerade dabei, eine Pandemie zu überwinden, und stehen am Beginn eines Krieges, von dem wir nicht wissen, wohin er führt. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Zur Pandemiebewältigung darf ich auf der einen Seite Minister Mückstein für sein Wirken danken, der ja aus privaten Gründen das Ministeramt zurückgelegt hat, und auf der an­deren Seite dem neuen Minister Rauch, diese Aufgabe übernommen zu haben. Wir werden ihn natürlich bestmöglich unterstützen, dieses Amt in diesen schwierigen Zeiten so gut wie möglich auszuüben.

Zum Krieg in der Ukraine wurde heute schon viel gesagt. Es ist natürlich schlimm für die Betroffenen, was dort passiert. Auch bei uns sind schon Flüchtlinge angekommen, und auch wir haben sehr viele Hilfspakete zusammengestellt, Hilfsladungen vorbereitet, schon Flüchtlinge aufgenommen. Man muss da schon der Bevölkerung danken. Wenn Herr Kollege Kovacs es so darstellt, als hätte Landeshauptmann Doskozil allein diese Hilfe getätigt, muss ich eigentlich sagen, das würde ich mir nicht anmaßen. Bei uns hat schon die Bevölkerung sehr viel zusammengetragen. Da sind sehr viele Hilfslieferungen in die Ukraine gegangen, und ich hätte mir nicht angemaßt, da mitzufahren, um mich für ein Foto hinzustellen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wie gesagt, ein großes Danke an die gesamte Bevölkerung für diese Unterstützung, und wir werden sie auch in Zukunft noch brauchen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hahn.)

Ausgelöst wurde dieses Leid durch eine Entscheidung einer kleinen Gruppe in Russland, ihre Aggression fortzusetzen. Denn man muss schon sagen, es hat ja eine gewisse Strategie. Ich war als Mitglied des Migrationsausschusses im Jahr 2018 in Georgien, auch dort gibt es zwei von Russland besetzte Gebiete. Dort ist es so: Die Menschen in diesen besetzten Gebieten müssen russische Staatsbürger werden oder dieses Gebiet verlassen.

Wir sind am Grenzzaun, den die Russen dort aufgestellt haben, gestanden und haben die Sache eine Viertelstunde lang betrachtet. Dann haben sich im besetzten Gebiet Mi­litärfahrzeuge in unsere Richtung in Bewegung gesetzt, und dann sind wir natürlich so schnell wie möglich von dannen gegangen.

Es gibt aber viele solche Gebiete, etwa Südossetien und Abchasien in Georgien. Es gibt Transnistrien in Moldawien. In Afghanistan hat Russland es versucht und sich ausgeblu­tet. Dann kamen die Krim und Donezk und jetzt die ganze Ukraine. Nach der Besetzung der Krim gab es schon einen großen Aufschrei und auch Sanktionen, aber wir sehen, es hat nichts gefruchtet.

Umso wichtiger ist es, dass dieser Zusammenhalt jetzt so stark ist und dass diese Maß­nahmen so umfangreich und so stark sind, weil man auch einmal Einhalt gebieten muss,


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denn wie soll es weitergehen, wenn wir eine Außenpolitik machen, wie die FPÖ meint, dass wir sie machen sollen? Wenn die Ukraine eingenommen ist, kommen dann die baltischen Staaten dran? Kommt dann Polen dran? Kommen dann Rumänien, Bulga­rien, Tschechien, Ungarn dran, und werden wir dann erst wach? Das ist eine Außenpoli­tik, wie die FPÖ sie offensichtlich machen will. Man kann sie an einem Namen und einem Bild festmachen, so wie auch die Frauenpolitik, die heute auch schon Thema war, und der Name ist Karin Kneissl, und das Bild ist der Kniefall vor Putin. Das ist eure Außen­politik! – Genau das brauchen wir nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wichtig ist hier die Entschlossenheit, die gemeinsame Entschlossenheit Europas, und diese haben wir im Europarat gesehen. Schon am 25. Februar gab es den Beschluss im Ministerkomitee, Russland von der Parlamentarischen Versammlung und vom Minister­komitee zu suspendieren. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird aller­dings weiterhin für russische Bürger offen bleiben. Da gab es doch eine sehr große Ge­schlossenheit. Gegen diesen Ausschluss haben nur Russland und Armenien gestimmt, und enthalten haben sich die Türkei und Aserbaidschan. Man sieht da schon, dass die Geschlossenheit über die EU hinaus geht.

Man sieht das auch am Beispiel der Schweiz, deren Neutralität ja heute immer wieder erwähnt wird, als wäre sie eine bessere als jene Österreichs. Die Schweiz trägt alle Sanktionen, die die EU beschlossen hat, als Nichtmitglied mit. (Zwischenruf des Bundes­rates Ofner.) Also die haben nicht diese Solidaritätspflicht, die es in der Gemeinschaft der EU gibt, und tragen diese Maßnahmen vollinhaltlich mit. Heute habe ich gelesen, es gibt sogar Schweizer Soldaten, die in die Ukraine gefahren sind, um dort mitzuhelfen, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden.

Ich glaube, daran sieht man schon, dass wir durchaus ein Neutralitätsverständnis haben, das den internationalen Standards gerecht wird, so wie das auch in der Schweiz gese­hen wird.

Ich denke, so müssen wir auch handeln, denn wir können nicht einem Aggressor in die Hände spielen und zusehen, wie er handelt. Wir müssen im Rahmen unserer neutralen Möglichkeiten ganz einfach auch Handlungen setzen, um dem ganzen Treiben dort ein Ende zu setzen, damit es für die Bürgerinnen und Bürger wieder ein besseres Leben gibt.

Was wir auch erkennen müssen, dem Thema möchte ich mich jetzt etwas mehr widmen, ist, dass wir in dieser Lage doch sehen, dass wir es uns in den letzten Jahren vielleicht ein bisschen zu leicht gemacht haben. Wir sehen jetzt, dass wir nicht mehr in allen Berei­chen eine Selbstversorgung haben, vor allem nicht im Energiebereich, in Europa zum Teil auch nicht im Nahrungsmittelbereich und im Medikamentenbereich. Ich denke, wir müssen da schnell und umfangreich reagieren, denn Selbstversorgung in diesen wichti­gen Bereichen ist eigentlich strategische Landesverteidigung.

Wir müssen auch einige Dinge überdenken. Wir haben jetzt zum Beispiel in der Landwirt­schaft ein neues Programm vor uns, bei dem wir in der Brache von 5 auf 7 Prozent gehen sollen, was meiner Meinung nach ehrlich gesagt unverständlich ist. Wir können jeden Hektar gebrauchen, um dort Energiepflanzen anzubauen, um uns zum Beispiel am Ener­giesektor unabhängiger zu machen.

Es steht in diesem Programm, wir sollen weniger Pflanzenschutzmittel verwenden. Das ist für mich in dieser Situation auch unverständlich, da es unsere Ertragsfähigkeit ganz einfach mindern wird. Russland macht genau diese Dinge nicht, produziert so gut es geht, beliefert uns, wir nehmen diese Lieferungen von Energie und Nahrungsmittel ab und denken, wir können in unserem eigenen Bereich vielleicht sogar noch besser sein.

Ich muss auch an die Bevölkerung appellieren, in allen Bereichen umzudenken, im eige­nen Bereich mit einer PV-Anlage anzufangen, nicht mehr gegen jedes Wasserkraftwerk


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und gegen jedes Windrad zu demonstrieren, denn eines muss uns klar sein: Wenn wir in Zukunft am Energiesektor unabhängig sein wollen, dann wird das in der Landschaft auch sichtbar sein. Das muss uns allen klar werden. Ich verstehe auch die Anträge, die heute gestellt werden wie einer gegen die grüne Inflation , nicht. Also wenn man aus einem Land wie Österreich kommt, in dem es fast kein Öl gibt, kein Gas gibt, keine Kohle gibt, in dem wir keine Atomkraft wollen, dann muss es doch gerade in dieser Situation das allerdringlichste Ziel sein, so schnell wie möglich auf ökologische Energie umzu­stellen, denn nur die haben wir zur Verfügung.

Ich denke, das ist das Ziel, das wir jetzt angehen müssen, damit wir strategisch unsere Landesverteidigung, unsere Neutralität aufrechterhalten können, denn das können wir nur, wenn wir tatsächlich unabhängig sind. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

13.53


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist jetzt unsere Kollegin Doris Hahn. – Bitte.


13.53.35

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Vizekanzler! Es gibt die sechste Regierungserklärung, aber die Regierung ist nicht da. Vielen Dank, dass sich zumindest Sie (in Richtung Vizekanzler Kogler) zu fortgeschrittener Stunde noch die Zeit nehmen und dem Bundesrat die entsprechende Würdigung und den Respekt verleihen und noch anwesend sind.

Schade, dass die Frau Staatssekretärin und der Herr Gesundheitsminister jetzt draußen sind, denn ich hätte ihnen beiden sehr gerne noch etwas mitgegeben, denn ich muss eines sagen: Ich bin fassungslos. – Da kommt er (in Richtung des auf der Regierungs­bank Platz nehmenden Bundesministers Rauch) wieder, das ist schön.  Ich bin wirklich fassungslos ob der der neuen, aktuellen Infektionszahlen, die es in den letzten 24 Stun­den gegeben hat. Wir haben seit Wochen ein ähnliches Szenario, die Zahlen steigen, mittlerweile gibt es heute erneut einen Höchstwert mit fast 50 000 neuen Infektionen, die wir feststellen müssen.

Man sollte glauben, das wäre jetzt für die Bundesregierung Anlass genug, da auch ir­gendetwas dagegen zu tun. Was aber tut die Bundesregierung? Sie tut in Wahrheit nichts. Man setzt die Impfpflicht aus, eine Impfpflicht, die man vor wenigen Wochen erst beschlossen hat, die immer schon sehr skeptisch und kritisch beäugt wurde, von der sich jetzt herausstellt, dass sie offensichtlich auch rechtlich ein Pfusch war, wie man so schön sagt. Man dreht die Gratistests ab, die in Wien beispielsweise sehr gut funktio­nieren und im Vergleich zu allen anderen Bundesländern auch nur einen Bruchteil kos­ten. Man öffnet alles, in den Schulen und Bildungseinrichtungen schaut es genauso aus, es gibt keine Maskenpflicht mehr. Die Tests, die man uns seit Monaten versprochen hat, funktionieren jetzt mehr oder weniger so halbwegs, was uns aber auch keine sicheren Schulen beschert, sondern einfach nur das Wissen, wie viele positiv und negativ sind. Sicherheit im Schulgeschehen gibt uns das aber gar nicht.

Ich frage mich, was Sie damit eigentlich ganz bewusst in Kauf nehmen, nämlich eine wahnsinnig hohe Durchseuchung, in der wir mittendrinstecken. Dabei muss man ja Fol­gendes bedenken: Sie wissen nicht, wie es bei Kindern und Jugendlichen mit Long Covid ausschaut. Es gibt keinerlei statistische und signifikante Werte, auf die man sich ver­lassen kann.

Sie können nicht sagen, welche Auswirkungen, die unter Umständen nachhaltig sein könnten, eine Covid-Infektion möglicherweise auf das Gehirn haben könnte. Sie tragen in Wahrheit, das muss ich leider als betroffene Lehrerin auch sagen, nichts zur Sicherheit der SchülerInnen, der LehrerInnen, und in den Elementarbildungseinrichtungen der Kinder


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und der PädagogInnen bei. Es gibt bis heute noch immer keine Luftfilteranlagen oder sonst irgendwelche Einrichtungen, um die Sicherheit aller Beteiligten im Bildungswesen maßgeblich zu fördern, wie gesagt, von den Masken geht man ja gänzlich weg.

Genau das wäre Ihre Aufgabe, geschätzte Mitglieder der Bundesregierung, nämlich in dem Fall auch wirklich die SchülerInnen, die PädagogInnen und alle im Bildungswesen Verantwortlichen zu schützen, aber in Österreich geht wie so oft Wirtschaft offen­sichtlich doch vor Gesundheit. Heute muss ich dazu sagen: Ich habe den Eindruck, die Bundesregierung hat in Wahrheit ein bisschen aufgegeben, es ist eine Bankrotterklä­rung, was Covid-19 betrifft, aber vielleicht passiert noch ein Wunder. Ich kann vielleicht auch an Minister Polaschek, der heute in der Früh noch da war, appellieren, seiner Ver­antwortung nachzukommen.

Jetzt aber zurück zum eigentlichen Thema meiner Ausführungen, nämlich zur Ukraine­krise und zum Ukrainekrieg. Ich selbst gehöre ja zu einer Generation in unserem Land, die weder den Krieg noch die Nachkriegszeit sozusagen am eigenen Leib miterlebt hat. Ich habe Kriegserfahrungen nur mehr aus Erzählungen, zum Beispiel meiner Großeltern und anderer Zeitzeugen, gehört, nämlich das, was man erzählen wollte und das, was man erzählen konnte.

Meine Generation hat sich eigentlich bisher immer sicher fühlen können und sicher sein können, dass die Zeiten des Krieges, der kriegerischen Konflikte lange, lange hinter uns liegen. Man war sich sicher, Kriege sind ganz, ganz weit weg. Der Krieg in der Ukraine hat dieses Bewusstsein und diese Sicherheit jetzt massiv erschüttert und uns aufgezeigt, wie volatil, wie fragil diese Sicherheit in Wahrheit ist. Wenn man den Atlas aufschlägt, was wir im Schulbetrieb natürlich in den letzten Tagen und Wochen auch immer wieder gemacht haben, merkt man: So weit weg ist das gar nicht.

Man denkt sich, es wäre doch eigentlich so einfach: Stelle dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin! So einfach ist es aber leider nicht, wie wir wissen, denn Krieg entsteht immer durch eine krankhafte Lust an Macht, an Herrschaft, an Größenwahn, ebenso durch ein krankhaftes Streben nach Vermögen. Antidemokratische Tendenzen äußern sich dann sukzessive durch ein Einteilen in wir und die, durch eine Einschüchterung der Bevölke­rung, durch Aufbau von wirtschaftlichem, politischem Druck, durch Einschränkung der Presse, durch Erpressung eines ganzen Landes oder auch der EU und vieles mehr.

Die wirtschaftlichen Folgen werden, wie wir sehen, sukzessive sichtbar und spürbar, und das natürlich nicht nur für die Ukraine und für Russland selbst, sondern für ganz Europa. In Österreich sehen wir bereits an den Zapfsäulen der Tankstellen, dass die Preise in den letzten Tagen ganz eklatant gestiegen sind. Kollege Kovacs hat bereits darauf hin­gewiesen.

Es wird auch auf dem Lebensmittelsektor noch spürbar werden. Wir dürfen nicht ver­gessen, Russland ist einer der weltweit größten Weizenexporteure. Es wird Lieferketten­ausfälle geben, ukrainische Fabriken mussten bereits geschlossen werden, sie stehen still. Denken wir daran, dass Österreich gleich nach Belarus die zweithöchsten Direktin­vestitionen in Russland getätigt hat, es wird also auch hierzulande ganz, ganz massive wirtschaftliche Folgen geben.

Krieg hat aber vor allem auch immer humanitäre Folgen, eine humanitäre Katastrophe, wie wir sie jetzt in diesem Moment in der Ukraine mitverfolgen müssen, zur Folge. Es sind vor allem die Zivilisten, die am meisten darunter leiden müssen, es sind Männer, die im Verteidigungskampf für ihr Land verletzt werden oder unter Umständen auch ihr Leben verlieren, Familien, Frauen und Kinder, Babys, Menschen, die ihr zu Hause ver­lassen müssen, sofern sie das noch können. Inzwischen sind mehr als zwei Millionen Menschen auf der Flucht, wir haben es heute schon mehrfach eindrücklich gehört.

Auch nicht vergessen darf man aber in der Debatte die Situation in Russland. Erst vor wenigen Tagen wurde ja das Gesetz erlassen, ich nenne es jetzt einmal Zensurgesetz,


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das die Propaganda des Kreml aufrechterhalten und gewährleisten soll, bewahren soll. Wenn eine Korrespondentin des ORF während eines Interviews erklären muss, sie müs­se ihre Worte sorgfältig und mit Bedacht wählen und könne sich nicht detaillierter dazu äußern, wenn kremlkritische Medien, egal, ob Zeitungen oder Fernsehsender, der Reihe nach schließen, wenn kritische Journalisten mit Gefängnisstrafen rechnen müssen und wenn inzwischen Zigtausende Demonstranten, die mit dem Putin-Regime nicht einver­standen sind, die den Krieg in der Ukraine eben nicht wollen, inhaftiert werden oder plötzlich verschwinden, wenn die Zahl an gefallenen russischen Soldaten verschwiegen wird, dann wird, glaube ich, deutlich: Es ist ein Propagandakrieg, bei dem es am Ende keinen Gewinner geben wird. Am Ende verlieren beide Seiten dieses Krieges, es verlie­ren die Menschen auf beiden Seiten und es verliert ganz Europa.

Dieser Angriffskrieg kam aber aus meiner Sicht tatsächlich gar nicht so überraschend, wie man zunächst meinen möchte. Der selbsternannte Anspruch Russlands oder viel­mehr Putins auf Donezk und Luhansk und der diesbezügliche bewaffnete Konflikt ziehen sich ja schon über Jahre oder eigentlich schon über Jahrzehnte. Spätestens seit 2014 lebt eine ganze Generation von Kindern in der Ostukraine mit ganz enormen Beein­trächtigungen und emotionalen Traumata. Oftmals leben sie seither völlig ohne sauberes Trinkwasser, ohne Strom, weil eben auch die lebensnotwendige Infrastruktur beschos­sen wurde. Unicef spricht immerhin von etwa vier Millionen betroffenen Menschen, von etwa 430 000 Kindern, für die seither, nämlich seit 2014, bereits eine normale Kindheit und Jugend, so wie wir uns das vorstellen, nicht mehr möglich ist.

Kinder müssen sich oft monatelang in Kellern und Bunkern verstecken, um nicht von Geschossen getroffen zu werden. Dann kam ja auch noch vor zwei Jahren die Pandemie erschwerend hinzu. Allein in den letzten drei Jahren wurden über Hundert Bildungsein­richtungen zerstört und mussten schließen, seit 24. Februar sind nun schließlich und endlich alle Kindergärten und Schulen zu. Die Zerstörung, wie wir alle tagtäglich sehen, geht weiter. Offensichtlich werden zivile Einrichtungen, Wohnhäuser ganz bewusst ge­troffen und vernichtet. Ganz besonders erschütternd war für mich vor wenigen Tagen die Nachricht, dass auch eine Kinderkrebsstation evakuiert werden musste. Ich kann nur hoffen, und kann es den betroffenen Kindern wirklich nur von ganzem Herzen wünschen, dass sie ihre nötigen Therapien und Medikamente auch tatsächlich bekommen können. Man kann sich das gar nicht vorstellen, was da tagtäglich an Leid zu spüren ist und zu spüren sein muss.

Denken wir an dieser Stelle  das ist mir ganz besonders wichtig  an die Kinderrechte der Vereinten Nationen: Kinder haben ein Recht auf ein sicheres Leben, auf Bildung, auf Kindsein, auf Gesundheit, sie haben das Recht auf Schutz im Krieg und auf der Flucht. Ich glaube, ich muss es jetzt nicht zitieren, wir kennen alle die Kinderrechte, denn Öster­reich hat sie ja erfreulicherweise auch in den Verfassungsrang gehoben und sich damit noch deutlicher dazu bekannt. In diesem Sinne hoffe ich sehr, dass Österreich seiner europäischen und internationalen friedenspolitischen Rolle auch entsprechend gerecht wird und den betroffenen Kindern, ihren Müttern, Familien die nötige Unterstützung und Hilfe ganz unbürokratisch und rasch zukommen lässt.

Wir sehen alle die Solidarität und Hilfsbereitschaft von ziviler, privater Seite, die gezeigt und gelebt wird  das, glaube ich, zeichnet Österreich aus. Lebensmittel, Medikamente, Kleidung, Decken werden seit Wochen gesammelt und zur Verfügung gestellt, Bürger­meister erklären sich ganz ohne Zögern bereit, Hilfslieferungen mitzuorganisieren, dabei sogar mitzufahren. Vereine und soziale Einrichtungen da gibt es die Volkshilfe, die ich in erster Linie erwähnen darf, die auch erst unlängst nach Czernowitz gefahren ist und ganz viele Hilfslieferungen gebracht hat, die Caritas beispielsweise und viele andere mehr  helfen, jetzt ist aber, glaube ich, auch der Staat, der die rechtlichen Rahmenbe­dingungen gewährleisten muss, ganz, ganz immens gefragt.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 84

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, die diversen Wortmeldungen etlicher Regierungsmitglie­der waren kein Ruhmesblatt für Österreich. Aussagen, wie 1945 hat auch niemand Ös­terreich geholfen, Österreich war auch ganz allein, waren, glaube ich, unserem Ansehen nach außen hin alles andere als zuträglich. Auch wenn Nationalratspräsident Sobotka den Krieg mit der Befreiung Österreichs vom NS-Regime 1945 vergleicht, so ist das ein eher grenzwertiger Vergleich. Herr Khol hat dann plötzlich die Neutralität Österreichs infrage gestellt und einen Nato-Beitritt in den Raum gestellt (Bundesrat Steiner: Den Khol muss man besachwalten! Der muss besachwaltet werden!), dann ist man aber eh schnell zurückgerudert. Wie dem auch sei, als Lehrerin muss ich dazu sagen, offenbar haben die Herren im Geschichtsunterricht doch noch die eine oder andere Nachhilfe nötig. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Nichtsdestotrotz war Österreich seit dem Entschluss zur immerwährenden Neutralität, glaube ich, immer Brückenbauer, Vermittler, ein Friedensstifter, das zeigt vor allen Din­gen auch der Sitz der UNO in Wien. Daher braucht es in diesem Fall wirklich ein ganz klares Bekenntnis der Bundesregierung zu dieser Rolle als Friedensstifter, denn ich muss es noch einmal wiederholen, der Krieg, und auch dieser Krieg Putins gegen die Ukraine, kennt keine Gewinner, es verlieren alle. Es verlieren die Menschen, daher darf ich an Sie, geschätzte Mitglieder der Bundesregierung, appellieren: Kommen Sie Ihrer Verantwortung nach, wenn es zur Verletzung von Völkerrecht, von Menschenrechten, von Kinderrechten kommt und wenn es um die außenpolitische Rolle Österreichs geht!

Wenn ich den Berichten, die gerade in den letzten Stunden hereingekommen sind, Glauben schenken darf, dass jetzt unter Umständen auch Tschernobyl in Gefahr ist und die Stromzufuhr dort gekappt wurde: Also wir alle wissen nicht, was Putin noch plant und vorhat, wir müssen dessen sehr, sehr gewahr und vorsichtig sein, aber nichtsdestotrotz müssen das Menschenrecht, das Kinderrecht und das Völkerrecht für uns an erster Stelle stehen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist unser Kollege Josef Ofner. – Bitte. (Vizekanzler Kogler verlässt den Saal.)


14.07.29

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kollegen! Der Herr Vizekanzler verlässt jetzt leider (Bundesrat Steiner: Fluchtartig!) unseren Plenarsaal fluchtartig, denn er weiß, dass ich ihn als Ers­ten ansprechen möchte.

Es geht nämlich darum, dass ich mir heute überlegt habe, und nicht sicher war, warum ich in den letzten zwei Jahren öfter hier am Rednerpult gestanden bin. Ist es darum gegangen, dass man die unverhältnismäßigen und evidenzlosen und freiheitsraubenden Coronamaßnahmen dieser Chaosregierung entsprechend kritisiert hat oder darum, dass es wieder einmal eine Regierungserklärung gegeben hat, weil zum x-ten Mal irgendein Bundeskanzler oder ein Minister zurückgetreten ist beziehungsweise von seinen eige­nen türkis-schwarz-grünen Parteifreunden zurückgetreten wurde? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin mir jedoch ganz sicher, dass diese Regierung in zwei Dingen eine hohe Stabilität hat, es ist immer dann, wenn es darum geht, die eigene Bevölkerung im Land mit Maß­nahmen zu schikanieren oder mit neuen Steuern zu drangsalieren. Der Beweis wurde bestens angetreten, wenn man sich die Beantwortung der Fragen durch Impfweltmeister Mückstein an den Verfassungsgerichtshof ansieht oder wenn an der CO2-Bepreisung und an neuen Steuern, wie einer NoVA-Erhöhung, festgehalten wird, so wie es der Herr Vizekanzler heute wieder bekräftigt hat.

Das Zweite, bei dem diese Regierung auch hohe Stabilität zeigt, ist, wenn es darum geht, Ministerposten wie Unterhemden zu wechseln. Da gibt es in der Fluktuation ja eine unglaubliche und endlose Stabilität. (Beifall bei der FPÖ.)


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Liebe Damen und Herren von Grün und Schwarz-Türkis! Ich hätte für euch einen Vor­schlag, vielleicht kann ihn Frau Minister Raab übermitteln. Ihr seid ja Lotterie- und Glücks­spielfreunde (Heiterkeit des Bundesrates Steiner), wie wir aus der jüngsten Vergangen­heit wissen. Vielleicht geht ihr einfach her und macht mit euren verbliebenen Funktio­nären eine Ministerlotterie, vielleicht veranstaltet ihr eine Ministerlotterie. (Neuerliche Hei­terkeit des Bundesrates Steiner.)

Das heißt, jeder, der errät, wer als nächster Minister das sinkende Regierungsschiff ver­lassen muss, der darf in Österreich einen Monat Minister spielen. Ja, das bringt Öster­reich zwar nicht weiter, aber das sind wir in den letzten zwei Jahren schon gewohnt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist derselbe Zustand wie der Umstand, dem wir jetzt die Debatte zu zwei völlig kon­trären Themenbereichen zu verdanken haben. Auch das ist ein Markenzeichen dieser Regierung, denn die zeichnet sich ausschließlich durch Management by Chaos aus. Da werden nicht nur ständig die unterschiedlichsten Gesetze zusammengeworfen und darü­ber abgestimmt, da werden Verordnungen erlassen, die verfassungsmäßig nicht einmal so lange halten, bis die Tinte am Papier getrocknet ist. Nein, man schafft es auch, eine Regierungserklärung abzugeben, in der ein bewaffneter Konflikt in der Ukraine zugleich mit der zwölften Regierungsumbildung debattiert wird. Ja, Frau Präsidentin, da kann es dann schon sein, dass die Redezeit überschritten wird. Ihr hättet es aber eigentlich sel­ber in der Hand gehabt, ihr hättet nur zwei Debatten machen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Interessant wäre gewesen, wenn Herr Nehammer heute dagewesen wäre, dann hätte der dritte Bundeskanzler in fünf Monaten den dritten Gesundheitsminister in elf Monaten wahrscheinlich mit Vorschusslorbeeren überschüttet und die nicht vorhandene Tatkraft dieser unsäglichen Regierungsmannschaft auf und ab gelobt. Er schafft es aber wahr­scheinlich wieder zeitgleich mit seinem Amtsvorgänger Schallenberg, Österreich in eine neue Krise zu führen, indem er sich  als Vertreter eine neutralen Staates  völlig un­verhältnismäßig als Speerspitze der EU aufspielt, sich in den Konflikt in der Ukraine einmischt, Aussagen tätigt, die nur noch fassungslos machen und indem er die in der Verfassung verankerte immerwährende Neutralität hinterfragt.

Es war schon die ÖVP, das kann man jetzt nicht hin- und herspielen, man hat ja sogar mit einem Nato-Beitritt geliebäugelt, und das unter der Zuhilfenahme und Beihilfe von Veteranen aus der ÖVP-Reliquienkammer und unter der Duldung der grünen Appendix­mannschaft, die es mit den Verfassungsgrundsätzen sowieso nicht so genau nimmt. Auch das hat der Herr Vizekanzler heute wieder eindrucksvoll bewiesen.

Hören Sie endlich auf, mit unserem höchsten Gut, der österreichischen Neutralität, zu spielen, nur weil es parteistrategisch gerade opportun ist, bis man halt draufkommt, hop­pala, nein, die Bevölkerung will es eigentlich nicht haben und dann wieder zurückrudert. Das ist im höchsten Maße verantwortungslos und erfährt jedenfalls unsere schärfste Ablehnung. (Beifall bei der FPÖ.)

Da bin ich beim Kollegen Köck, vielleicht kann man ihm das dann ausrichten, wenn er sagt, die Außenpolitik der FPÖ sei gefährlich: Nein, genau diese Außenpolitik der ÖVP ist brandgefährlich. Ja, Herr Kollege Kolland  der ist leider auch nicht da, es ist ja fast niemand mehr von der ÖVP da , es macht schon einen Unterschied, ob man sich als Österreich Sanktionen gegen ein Land überlegt, weil dieses Land Leute auch in unserer Heimat dazu aufruft, Straßenschlachten zu veranstalten, oder ob man sich als neutraler Staat in einen Konflikt einmischt, wenn man auf der anderen Seite  das war ein Face­book-Posting, das, wenn es nicht so ernst wäre, direkt lustig gewesen wäre riesengro­ße Angst vor einem kleinen Virus hat. Mit dem großen Russland muss sich unser Öster­reich aber natürlich anlegen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Also da könnten Sie eher hinterfragen, das wäre wirklich wert, hinterfragt zu werden, wie es um die Zukunft Österreichs bestellt ist, denn für uns ist der 3. März kein ganz normaler Tag in Österreich, wenn der Gesundheitsminister zurückgetreten wird, eine ehemalige Familienministerin verhaftet wird, das Bildungsministerium wegen falscher Vergabever­fahren zum zweiten Mal zu 350 000 Euro verurteilt wird  davor hat es schon eine Ver­urteilung mit 500 000 Euro gegeben , und gleichzeitig im Untersuchungsausschuss ständig neue Machenschaften der korrupten ÖVPler ans Tageslicht kommen. Das ist in Österreich nicht normal, sondern das ist ein Armutszeugnis und eigentlich der absolute Wahnsinn, der hier jeden Tag passiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Eigentlich wäre es ganz einfach, Sie könnten ja den Weg für Neuwahlen freimachen, dann bräuchte die Frau Präsidentin hier nicht einzuschreiten und zu überlegen, ob sie, wenn jemand Überforderung sagt, dafür einen Ordnungsruf erteilt. Nein, den Ordnungs­ruf würde die Bevölkerung im Zuge der Neuwahlen übernehmen. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Bravo!) Ja, die hätte dann eine Überforderung dieser Regierungs­mannschaft zu bewerten.

Jetzt kommen wir zu Herrn Minister Rauch: Was mich zuversichtlich gestimmt hat, das war heute aber auch schon das Einzige, ist, dass Sie auf die Opposition zugehen. Das ist einmal ein neuer Ansatz, den wir aus den letzten zwei Jahren nicht kennen. Wir wissen aber natürlich auch, dass Sie einer der Coronamaßnahmen-Hardliner sind. Sie haben das auch heute wieder ein bisschen zum Ausdruck gebracht, als Sie von der Erhöhung der Impfquote geredet haben. Also auch Sie nehmen einfach internationale Studien und den Umstand, dass eine Erhöhung der Impfquote überhaupt keine Aus­wirkung auf des Infektionsgeschehen hat, nicht zur Kenntnis. Das wollen Sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen.

Das heißt, wir laufen Gefahr, dass wir unter Ihrer Führung more of the same erleben werden. Man hat auch gesehen, dass Sie von diesem Beschluss zum Impfzwang auch nicht abweichen, es kommt ja nur zu einer Aussetzung. Eine Aussetzung ist natürlich keine Abschaffung, denn bei einer Aussetzung können Sie per Verordnung in kürzester Zeit, das haben Sie leider in der Hand, wieder Maßnahmen zum Einsatz bringen. Viele werden bereits erkannt haben, dass es wenn von der ÖVP so großspurig gesagt wird, die Maßnahmen werden ausgesetzt in vielen Bereichen ja zu keiner Aussetzung kommt. Nehmen wir einmal die Unis her, in denen beispielsweise in Kärnten Mitarbeiter nur dann eingesetzt werden, wenn sie 2G erfüllen  da sind die Maßnahmen überhaupt nicht ausgesetzt. Dasselbe ist beim Zugang zu Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtun­gen, auch da wird nichts ausgesetzt, sondern da kann jeder über die eigene Hausord­nung darüber entscheiden, was verboten ist und was zugelassen wird.

Liebe Österreicher, lassen wir uns von diesen Unfähigen links und rechts neben mir nicht blenden! Es muss daran gearbeitet werden  das schafft man entsprechend nur mit par­lamentarischen und demokratischen Mitteln , so lange auf die Straße zu gehen, bis diese unsägliche Regierungsmannschaft endlich zurücktritt und den Weg zu Neuwahlen freimacht. (Beifall bei der FPÖ.) Das würde dann eine Abschaffung sämtlicher Zwangs­maßnahmen bedeuten. Da hätten wir natürlich schon gerne Antworten von Ihnen, Herr Minister, wie Sie damit umgehen.

Dazu sollten wir vielleicht ein wenig Gelegenheit haben. Sie haben die Gelegenheit, einen neuen Weg in der Coronapolitik einzuschlagen und das Chaos Ihrer Vorgänger aufzuräumen und vielleicht auch auf die Vorschläge der Freiheitlichen einzugehen. Das ist zum Ende der Ära Mückstein schon passiert, dieser Plan B wurde ja in großen Teilen auf einmal umgesetzt, obwohl man uns eineinhalb Jahre ausgelacht hat. Dann hat man aber nach und nach, so, dass es am besten keiner mitbekommt, genau unseren Plan umgesetzt, da man selbst keinen hatte. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich weiß, es tut weh, den Freiheitlichen recht zu geben. Ich weiß, das tut weh, aber wenn Sie diesen neuen Weg nicht einschlagen, dann werden Sie vielleicht auch irgendwann maximal mit einem Sager übrigbleiben. Auch das haben Ihnen die Vorgänger vorgezeigt, wir können uns alle noch erinnern, Herr Anschober hat gesagt, die nächsten 14 Tage werden entscheidend sein. Herr Mückstein hat gesagt, impfen, impfen, impfen, wer ge­impft ist, ist geschützt. Er wollte bis zum Schluss nicht wahrhaben, dass auch Geimpfte das Virus übertragen und auch erkranken können. Das ist mittlerweile von Experten be­stätigt.

Wenn Sie nicht auch mit einem Sager übrigbleiben wollen: Wir stehen gerne zur Ver­fügung, einen anderen Weg zu gehen. Wenn Sie das nicht möchten, werden Sie ein weiterer Eintrag auf der Ahnentafel der gescheiterten Minister dieser unsäglichen Bun­desregierung sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich, die Menschen in unserem Land, haben sich das auf jeden Fall nicht verdient, denn sie haben in den letzten zwei Jahren schon genug gelitten. (Beifall bei der FPÖ.)

14.19


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Ingo Appé. – Bitte.


14.20.08

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Eines kann man dieser Bundesregierung nicht nachsagen: dass sie Sesselkleber sind. Drei Bundeskanzler, einen Finanzminister, drei Gesundheitsminister in kürzester Zeit verbraucht – das ist schon rekordverdächtig. Doch wenn diese wichtigen Funktionsträger in Zeiten wie die­sen so wechseln, so ist das nicht ein Indiz von Stabilität.

Es wäre auch unfair, wenn wir jetzt behaupten würden, Dr. Mückstein sei Schall und Rauch. Das wäre unfair, aber das politische Leben geht weiter. Abgesehen von der dra­matischen weltpolitischen Lage, befinden wir uns so nebenbei noch immer mitten in einer Pandemie. Auch wenn der Ukrainekonflikt Corona aus den Schlagzeilen verdrängt hat: Corona ist noch immer da. Auch der heutige Tag ist mit fast 50 000 Neuinfektionen dafür ein schlagender Beweis. Das ist der höchste Wert, den wir in den letzten zwei Jahren erleben mussten.

Herr Bundesminister, Sie übernehmen das Amt des Gesundheits- und Sozialministers gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem die wichtigsten Weichenstellungen in der Pandemie­bekämpfung anstehen. Einerseits fallen im öffentlichen Leben einschränkende Corona­maßnahmen, andererseits sollte entschieden werden, wie es mit der allgemeinen Impf­pflicht weitergeht. Jetzt ist sie ja ausgesetzt.

Wenn man den Bericht der Kommission, den Sie auch angesprochen haben, näher betrachtet, sieht man, dass dieser mehrere Fragen aufwirft, mehr, als er Antworten gibt. Er ist aus unserer Sicht in sich sehr widersprüchlich. Zum einen wird vor einem Lock­down im Herbst massiv gewarnt, zum anderen für die derzeit Ungeimpften das Hinaus­schieben der Impfpflicht als gedeckt erklärt.

Sie haben noch ergänzt, es steht drinnen, die Impfung wirkt. – Dazu möchte ich sagen: Wie das bei der Bevölkerung ankommt, ist stark zu hinterfragen. Wir haben die niedrigste Impfquote, die Strategie hat komplett versagt, der neue Impfstoff ist jetzt nicht so der Renner, und die versprochenen Anreize – Informationen für die Bürger, um die Impfbe­reitschaft zu heben und sozusagen die Impfpflicht etwas milder zu gestalten oder um­gehen zu können – haben überhaupt nicht gefruchtet, ganz im Gegenteil.

Ich muss sagen, wir sind im Bundesrat auch vorgeführt worden. Der Beschluss zur Impf­pflicht war an gewisse Voraussetzungen gekoppelt, und diese Voraussetzungen haben nicht einmal einen Tag gehalten. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 88

Herr Bundesminister, Sie haben selbst bereits gesagt, dass Ihre vorrangige Aufgabe in der Pandemiebekämpfung ein strukturiertes Vorbereiten auf den Herbst und den Winter sei, wohl wissend, dass Sie schlussendlich dafür auch die Verantwortung tragen werden müssen. Sie haben sich auch selbst eingestanden, man sollte denselben Fehler nicht zwei- oder dreimal machen, und festgestellt, an Coronamaßnahmen solle so viel wie nötig und so wenig wie möglich gemacht werden.

Es gibt eine lange To-do-Liste, die Ihr glückloser Vorgänger Ihnen hinterlassen hat und die dringender Lösungen bedarf. So ist zum Beispiel die Entscheidung über die Gratis­testungen ausständig. Mit den Tests einhergehend wird auch die Frage neuer Quaran­täneregeln drängend. Sollten die Rufe aus der Krisenkoordination Gecko, Covid nun­mehr wie eine Grippe zu behandeln, stimmen, könnte man in Richtung der klassischen Influenzaüberwachungsstrukturen gehen. Dies bedeutet: keine Absonderungen, eine Änderung des Epidemiegesetzes und die Aufhebung der Impfpflicht, nicht nur die Aus­setzung.

Bei Infektionszahlen von täglich über 30 000 und heute wie bereits gesagt fast 50 000 kann man davon ausgehen, dass die sogenannte Durchseuchung der Bevölkerung jetzt gerade stattfindet, wobei festzustellen ist, dass eine Infektion nicht vor der nächsten schützt. Es gibt aber auch die Erkenntnis, dass es Geimpfte und Ungeimpfte gleicherma­ßen trifft (Bundesrat Spanring: Oh, oh, oh!) und dass bei diesen hohen Zahlen erfreu­licherweise diese Variante die Zahl der belegten Betten auf den Intensivstationen nicht stark ansteigen lässt.

Herr Bundesminister, nützen Sie nun diese Gelegenheit, durch Ihr Handeln der Bevöl­kerung wieder Sicherheit und Vertrauen zu geben! Durch Ihre langjährige Arbeit haben Sie ja die soziale Kompetenz dazu. Somit kann man ganz klar festhalten, was die zu­künftigen, dringend abzuarbeitenden Handlungsfelder in Ihrem Ressort sind: Bekämp­fung der Teuerung, die Pflege und Bekämpfung der Pandemie.

Was die Pflege betrifft, gibt es nachweislich landesweit einen Pflegenotstand. Anstatt 1 Milliarde Euro mit der KöSt-Senkung den Reichsten der Reichen hinzuschmeißen, soll­te diese Milliarde besser für die Pflege verwendet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe eines, und wir wünschen es Ihnen von ganzem Herzen: dass Sie bei Ihren Vorhaben nicht von der ÖVP so blockiert werden wie Ihre beiden Vorgänger. Herr Ge­sundheitsminister, Sie müssen nun die Versäumnisse Ihrer Vorgänger wettmachen, weil Ihre Vorgänger gescheitert sind und nichts weitergebracht haben. Es steht Ihnen aber eine ausgezeichnete Beamtenschaft in Ihrem Ministerium zur Verfügung. Nützen Sie diese bitte!

Die Pandemie und ihre Folgen zu bekämpfen wird die Hauptaufgabe sein. Schieben Sie bitte Long Covid nicht auf die lange Bank! Es war beschämend, als vorgestern im Ge­sundheitsausschuss der Antrag auf Vertagung von treffsicheren Maßnahmen bezüglich Long Covid, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine raschere Rückkehr in den Arbeitsprozess zu erleichtern, angenommen wurde. Sich da auf die gute Arbeit in den Bundesländern zu verlassen, wird nicht reichen. Die Behandlung dieses Problems ist eine Bundeskompetenz.

Vergessen Sie bitte nicht die Kinder und die Jugendlichen, die massiv unter den Folgen der Pandemie über diesen langen Zeitraum leiden! Vielleicht gelingt es Ihnen jetzt zum Beispiel, die seit Jahren hinausgeschobene Frage der täglichen Turnstunde im Unter­richt in den Schulen zu erledigen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt dafür.

Zur Teuerung: Die Teuerungsbremse ist unbedingt umzusetzen. Die SPÖ hat viele Vor­schläge zur Teuerungsbremse eingebracht. Sie können da jederzeit auf unsere Mitwir­kung zählen.


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Die Pensionisten hat es jetzt besonders hart getroffen, nicht nur, was das soziale Umfeld aufgrund der Regelungen in den letzten beiden Jahren, sondern auch, was die Kosten­explosion in den letzten Wochen betrifft. Die hohe Inflation hat bereits die Pensionser­höhung aufgefressen. Deswegen muss eine Pensionsanpassung vorgezogen werden. Dies muss zum Wohle aller Pensionistinnen und Pensionisten raschest umgesetzt wer­den. (Beifall bei der SPÖ.)

Endlich ist auch die Pflegereform umzusetzen. Dank jährlich wechselnder Sozialminister wird diese Pflegereform immer wieder auf die lange Bank geschoben, mit dem Fazit: Es laufen uns die Pflegekräfte davon, und die Pflegefinanzierung hängt an einem Proviso­rium. Es wird notwendig sein, ein einheitliches Pflegesystem zu etablieren: Bekämpfung des Pflegenotstandes, garantierte Finanzierung der Pflegeleistungen, Ausbildungsoffen­sive und ein attraktives Berufsbild. Die Bundesländer zeigen schon vor, wie es gehen könnte. Diese Schritte müssen dringend umgesetzt werden. Wir wünschen Ihnen dazu alles Gute. (Beifall bei der SPÖ.)

14.29


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet: Günter Pröller. – Bitte.


14.29.28

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! 14 Tage gibt es bereits den Krieg in der Ukraine. Das macht uns alle sehr, sehr betroffen. Wenn man sich vorstellt, was dort jetzt los ist: Jetzt, in diesem Moment, werden Häuser bombardiert, Menschen verletzt, verwundet, getötet. Das ist kaum vor­stellbar.

Wenn man überlegt: Die Politiker geben den Befehl und befinden sich geschützt irgend­wo in einem Bunker, und sterben müssen die Menschen und die Soldaten.

Alle Vorredner haben es bereits erwähnt und betont: Es ist abzulehnen, was dort gerade passiert. Es ist ein Konflikt auf europäischem Boden, ein Konflikt, der in erster Linie die ukrainische Bevölkerung betrifft, aber er betrifft auch uns in Österreich. Das sehen wir, wenn wir jetzt an einer Tankstelle vorbeifahren. Was das alles kostet, ist ein Wahnsinn.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Neutralität ist und bleibt ein sehr hohes Gut. Die immerwährende Neutralität, die seit 1955 in der Verfassung verankert ist, ist ein Teil der österreichischen Geschichte, der Identität, und sie wird es mit uns auch bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir könnten gerade bei solchen Konflikten die Rolle eines Vermittlers ausüben. Jetzt werden die Gespräche in der Türkei geführt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Na ja, in der Türkei mit Erdoğan auch.

Es ist auch angesprochen worden – und umso bestürzter bin auch ich –, wie die ÖVP die Diskussion begonnen hat. Sie hat vor wenigen Tagen ernsthaft das Ende der Neutra­lität gefordert, ohne sich die Folgen für Österreich bewusst zu machen. Sogar ein Nato-Beitritt wurde angedacht. Ein Nato-Beitritt Österreichs könnte unvorstellbare Folgen nach sich ziehen und unsere Heimat in einen kommenden Krieg hineinziehen. Wollen wir das? – Das glaube ich nicht. Wir wollen es auf jeden Fall nicht. Ein klares Ja zur Neutralität, ein klares Nein zur Nato! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundes­rates Steiner.)

Der Ukrainekrieg ist eine Bewährungsprobe für das friedliche Europa und für unsere Neutralität. Ja, der Aggressor in diesem Konflikt ist klar zu benennen: Es ist Russland. Umso mehr müssen wir zivile Hilfe für die ukrainische Bevölkerung leisten und sichern. Wir, die FPÖ, waren immer für Hilfe vor Ort, und das gilt auch in diesem Fall. Eines ist


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klar: Sollten die Nachbarländer der Ukraine das nicht mehr bewältigen – und wir sehen es ja tagtäglich jetzt im Fernsehen –, dann ist es eine Selbstverständlichkeit für uns, auch zu helfen.

Es ist aber auch ganz anders als 2015. Jetzt kommen tatsächlich leider Gottes aufgrund des Krieges Vertriebene, und es handelt sich um Frauen und Kinder. Die Männer stehen in dieser Zeit, in der die Frauen und Kinder in Länder wie Polen, Rumänien, Ungarn oder auch zu uns kommen, im Krieg. Sie kämpfen für ihr Heimatland, und das ist die Ukraine. Das muss man achten, was das für wehrhafte Männer sind.

Vor 2015 waren es Wirtschaftsmigranten. Es waren junge Männer, die ihre Frauen zu­rückgelassen haben. Gerade diese Männer haben ein komplett anderes Kulturverständ­nis und Verständnis davon, wie sie mit Frauen umgehen.

Jetzt, angesichts der steigenden Opferzahlen in der Ukraine, sehe ich es so wie unser Landeshauptmannstellvertreter in Oberösterreich, Manfred Haimbuchner, dass auch über eine Luftbrücke gerade verletzte Kinder und Frauen zu uns kommen und bei uns versorgt werden könnten. Pakete mit medizinischen Gütern, Medikamenten, Sauerstoff­flaschen könnten geschnürt werden, nicht mit Kampfhelmen, die vorher österreichischen Rekruten oder Soldaten weggenommen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Krieg ist auch für viele Menschen außerhalb der Ukraine eine psychische Belastung, gerade auch in Österreich. Die Jugendlichen: Nach zwei Jahren Corona – wir haben es gehört; wir kennen die Statistiken dazu, wie belastet die Jugendlichen in dieser Zeit sind – kommt jetzt noch der Krieg dazu. 24 Stunden am Tag werden sie im Fernsehen mit diesen Informationen gefüttert. Das geht auf die Psyche. Daher ist es auch die Auf­gabe der Bundesregierung, sich stärker mit diesen psychischen Problemen von Kindern und Jugendlichen zu beschäftigen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Gross­mann.) So wie in Oberösterreich sollte das Modell für Soforthilfe für Kinder und Jugend­liche auch bundesweit umgesetzt werden.

Auch angesprochen wurde: Wie geht es mit den Atomreaktoren in der Ukraine weiter? – Die Bundesregierung muss sofort viel umfassender im Bereich des Katastrophenschut­zes tätig werden.

Es sollte uns auch klar sein, dass die Sanktionen nicht nur Russland, sondern in weiterer Folge auch uns betreffen. Es wurde kurz angesprochen: Das betrifft nicht nur die Ener­gieversorgung, die natürlich der wesentliche Teil ist, sondern es geht dabei auch um die Folgen: die Teuerungswellen, die Inflation. Wer aktuell an einer Tankstelle vorbeifährt, der traut seinen Augen nicht. Über 2 Euro kosten Diesel und Benzin. Wer kann sich das noch leisten? Daher: Rasch helfen, unterstützen, auch wenn das bedeutet, die Mehr­wertsteuer zu halbieren oder überhaupt einmal abzuschaffen! Jetzt gilt: Wer sofort hilft, hilft doppelt. Die Regierung ist in der Verantwortung. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Strom-, Gas- und Heizkosten nicht mehr weiter steigen können! (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Grossmann.)

Geschätzte Damen und Herren, gerade in dieser Zeit bräuchten wir eine stabile Re­gierung. Schwarz-Grün ist leider wieder mit sich selbst beschäftigt: Minister und Staats­sekretäre wechseln. Vom Untersuchungsausschuss habe ich heute überhaupt noch nichts gehört. Der läuft genau in dieser Zeit – ein Wahnsinn. Jedes Argument für sich wäre ein Grund, zurückzutreten.

Wir müssen jetzt die Schritte setzen, um die Bedrohung für Europa fernzuhalten. Zurück zum Verhandlungstisch, zu einem Modell, das für alle tragfähig und umsetzbar ist, und – das ist auch wichtig – ohne dass jemand das Gesicht verliert! Die Neutralität könnte es sein, auch in der Ukraine.

Dieser Konflikt macht uns aber auch deutlich, dass wir große Defizite im Bereich der umfassenden Landesverteidigung haben. Wer hätte vor wenigen Wochen gedacht, dass


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nur Hunderte Kilometer von unserer Grenze entfernt Luftangriffe, Panzerschlachten stattfinden könnten? – Niemand von uns.

Jetzt wachen aber auch diese Damen und Herren auf und erkennen, dass Sicherheit etwas wert ist und auch etwas kostet. Bei der umfassenden Landesverteidigung hat die Republik Österreich in den letzten Jahrzehnten dramatische Defizite angehäuft, ob es die geistige, die zivile, die wirtschaftliche oder die militärische Landesverteidigung ist. Die aktuelle Konfliktsituation in unmittelbarer Nähe zu Österreich verlangt nun ein ra­sches Handeln.

Den Versprechen der Verteidigungsministerin und der Regierung müssen jetzt endlich Taten folgen. Es muss zum Schutz der Menschen und für die Erhaltung der Neutralität Österreichs neben einer Sonderfinanzierung auch ein dauerhaftes Verteidigungsbudget bereitgestellt werden. Warum? – Die Erledigung der Kernaufgaben muss auch in Zukunft sichergestellt werden.

Ich und wir alle wünschen uns, dass der Friede rasch wieder einkehrt. Wir sind auch für diesen Kontinent, für unsere Kinder verantwortlich, damit wir auch in Zukunft sicher und in Freiheit leben können. (Beifall bei der FPÖ.)

14.39


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet: Bundesrat Mar­kus Leinfellner. – Bitte schön.


14.39.17

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Verbliebene Mitglie­der der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es ist schon irgendwie ko­misch für mich, dass ich mich bei dieser zusammengelegten Regierungserklärung mit dem Neo-Gesundheitsminister und der Familienministerin über die Ukrainekrise unter­halten muss. Der Bundeskanzler hat von Haus aus keine Zeit gehabt. Die Staatssekre­tärin hat einen unaufschiebbaren Fußpflegetermin oder was auch immer. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Bei unserem grünen Vizekanzler wäre ich ja noch davon ausgegangen, dass der zumindest - -


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege, bitte gehen Sie bei Ihren Äußerungen ein bisschen runter vom Gas! Bitte aufpassen! (Bundesrat Steiner: Was? Gas?)


Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Zumindest beim grünen Vizekanzler hatte ich den Eindruck gehabt, dass er jede Minute, die er noch in diesem Haus ist, ausnützen möchte, aber der ist inzwischen auch schon weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es steht ja außer Frage, dass auch in Öster­reich anlässlich dieses tragischen Konfliktes nicht weit von uns entfernt der Ruf nach Sicherheit in der Bevölkerung immer lauter geworden ist. (Bundesrat Schennach: Da ist eh der Vizekanzler! – Bundesrätin Grimling: Er ist ja eh da!) – Ah, schau! Jetzt kommt er. (Bundesrätin Grimling: Ja, aber entschuldigen! – Bundesrat Schennach: Jetzt kannst du dich aber entschuldigen! Eine Entschuldigung ist jetzt angebracht!)

Gerade jetzt stellt sich für mich schon die Frage, warum unser Bundeskanzler die Neu­tralität noch vor wenigen Tagen infrage stellt (Ruf bei der ÖVP: Das ist doch ein Blöd­sinn!), die Neutralität als etwas Aufgezwungenes bezeichnet und mit einem Nato-Beitritt liebäugelt. – Nein, das ist kein Blödsinn. Ihr habt ja die Umfragen wahrscheinlich selbst gelesen (Zwischenrufe bei der ÖVP), deswegen rudert man jetzt wieder – halbherzig – zurück. (Beifall bei der FPÖ.) Ich kann Ihnen nur sagen: Unsere Neutralität ist ein hohes Gut.

Herr Vizekanzler, Sie haben heute in Ihren Ausführungen kurz erwähnt, dass man das ja mit dem Artikel 51 der UN-Charta infrage stellen könnte. Ich muss Ihnen schon sagen:


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Das Recht auf Selbstverteidigung in der UN-Charta sollte man klar differenziert von ei­nem Nato-Beitritt betrachten. Da geht es um Frieden schaffende Einsätze und um Kriegseinsätze. Das kann ich Ihnen an dieser Stelle schon sagen.

Zur Aussage des Bundeskanzlers, die Neutralität ist uns „aufgezwungen“ worden: Figl, Raab, Kreisky, Schärf, na diese Herrschaften würden sich bei dieser Dummheit im Grabe umdrehen. Das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Anhand dieser Aussagen hat aber die österreichische Bevölkerung bereits gesehen, wie diese ÖVP und dieser Bundeskanzler wirklich ticken. Da hilft es auch nichts, mit halbher­zigen Worten, mit einer Erhöhung des Verteidigungsbudgets herauszukommen. Darüber werden wir uns in weiterer Folge heute noch unterhalten. Es braucht nämlich ein Ver­teidigungsbudget in der Höhe von 1 Prozent des BIPs, um endlich das Bundesheer mo­dernisieren und endlich wieder die Einsatzfähigkeit sicherstellen zu können.

Auch wenn die Verteidigungsministerin und die ÖVP in der Vergangenheit das Ganze etwas anders gesehen haben: Zu den Kernaufgaben des österreichischen Bundeshee­res gehört nun einmal auch die militärische Landesverteidigung. Ich erinnere an einen Artikel im „Standard“ von gestern: Die Hofburg sieht die Einsatzfähigkeit des Bundes­heeres durch die Reform der Frau Verteidigungsminister Tanner gefährdet.

Deswegen darf ich an dieser Stelle unseren ersten Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonderinvesti­tionspaket für das Österreichische Bundesheer und Anhebung des Regelbudgets ‚Militä­rische Angelegenheiten‘ auf 1 % des BIP zum Schutz der österreichischen Neutralität“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zum Schutz des Landes und seiner Bürger so­wie der österreichischen Neutralität die laufende Heeresreform sofort zu stoppen und ein Sonderinvestitionspaket von einer Milliarde Euro noch im Jahr 2022 für das Öster­reichische Bundesheer zur Verfügung zu stellen sowie ab dem Jahr 2023 das jährliche Regelbudget ‚UG-14 Militärische Angelegenheiten‘ auf ein Prozent des Bruttoinlandspro­dukts anzuheben.“

*****

Si vis pacem, para bellum, hat bereits Platon gesagt. Frei übersetzt: Wer den Frieden bewahren will, rüstet sich für den Krieg. Es waren viele ÖVP-Finanzminister, die das Bundesheer in der Vergangenheit eigentlich immer wie ein Schmuddelkind behandelt haben. Heute sehen wir, wo wir angekommen sind, heute müssen wir wirklich in die Tasche greifen, damit unser Bundesheer seine Einsatzaufgaben wieder erfüllen und endlich modernisiert werden kann.

Auch ein Thema, das mir schwer im Magen liegt: Mir liegen ja einige dieser Liebesbriefe zwischen einem Kriegsland und österreichischen Regierungsmitgliedern vor. Vor Kur­zem erst habe ich ein Foto des Bundeskanzlers in Uniform gesehen, das zeigt, wie er als Informationsoffizier für das österreichische Bundesheer tätig gewesen ist. Ich kann Ihnen nur sagen, ich bin selbst Informationsoffizier beim österreichischen Bundesheer. Man neigt in gewissen Gesprächsrunden schon dazu, vielleicht nicht die negativen Dinge, sondern die positiven Dinge zu beleuchten. Eines ist mir aber in dieser Zeit immer gelungen: Auch wenn man in den Gesprächsrunden das eine oder andere weglässt: Vergessen habe ich diese Dinge nie.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 93

Ich glaube, es scheitert im Bereich des österreichischen Bundesheeres wirklich an sehr vielem. Es fehlt nämlich an allen Ecken und Enden. Es fehlt an Unterbringungsmöglich­keiten, an adäquaten Übungsmöglichkeiten, am Fuhrpark, an Ausrüstung, an Gerät, an Schulungsflugzeugen, wie wir alle hier herinnen wissen, und an vielen, vielen weiteren Dingen. Ja, da kann ich schon in Richtung ÖVP schauen. Es waren nämlich die ÖVP-Finanzminister, die dieses Bundesheer in den letzten Jahren zu Tode gespart haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Da kann man schon sagen: Es waren nicht die Vorgaben dieser Politik, die das Bundes­heer am Leben erhalten haben, sondern es sind die vielen, vielen motivierten und enga­gierten Offiziere und Unteroffiziere, die dieses Bundesheer trotz widrigster Vorgaben und trotz widrigster Budgetbedingungen am Leben erhalten haben, und deswegen gilt es an dieser Stelle, auch einmal ein ehrliches Danke an all die vielen Bediensteten des ös­terreichischen Bundesheeres zu sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was macht aber diese Bundesregierung? – Unsere Frau Verteidigungsminister – es ist ja schade, dass sie heute nicht da ist – gibt am 28. Februar 2022 einen Befehl – Kollege Hübner hat es schon angesprochen, wie das mit der Neutralität so ausschaut –, dass Kampfhelme, nämlich 10 000 Stück Kampfhelme, abzugeben sind. Organisiert hat man das Ganze über die Militärkommanden, und man ist sogar so weit gegangen, dass man im Befehlsbereich des Militärkommandos Niederösterreich den Assistenzsoldaten im Grenzeinsatz an der burgenländischen Grenze ihre 300 Stahlhelme abnehmen wollte. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, unglaublich!) Also das ist ja schlicht und ergreifend eine Sauerei. Entschuldigen Sie diesen Ausdruck! (Beifall bei der FPÖ.)

Auch da ist man aber zurückgerudert, denn diese 300 Soldaten durften ja großzügiger­weise ihre Helme behalten. Da sieht man, wie weit diese Bundesregierung, wie weit diese ÖVP von der Realität wirklich weg ist. Da geht es nicht mehr um die Sicherheit unserer Soldaten, weil sich der österreichische Soldat inzwischen aussuchen kann, ob er seine Feldkappe oder die Wollmütze aufsetzt, wenn er am Grenzübergang steht, aber Stahlhelm hat er inzwischen keinen mehr.

Zu diesen 10 000 Stahlhelmen, die ja schon in die Ukraine geschickt wurden, passend fällt mir noch etwas ein, nämlich: Was ist denn da alles auf diesem Flughafen in Hör­sching verladen worden? – Es war ja dubioserweise ein Kameraausfall, nur ein schwar­zes Bild zu sehen. Das Einzige, was man noch erkennen konnte, war eine Gefahren­guttafel auf diesen Verladecontainern. Eines kann mir jetzt niemand erklären: dass man für diese Kampfhelme eine Gefahrenguttafel gebraucht hätte. Deswegen würde mich schon interessieren: Was wurde wirklich geliefert? Was befand sich auf den Paletten? Die Direktion 4 hat am 2. März ja auch einige Unterstützungsmaßnahmen in Prüfung gegeben: 500 000 Portionen Trockenration, IKT-Ausstattung – bei der ÖVP wird das grundsätzlich geschreddert; militärische IKT-Ausstattung geben wir jetzt anscheinend an die Ukraine –, weitere Schutzausrüstungen, Treibstoff. Also was wurde alles in die Uk­raine geliefert? (Bundesrat Schennach: Verbandsmaterial!) – Das hätte auch keine Ge­fahrenguttafel gebraucht.

Bei den Schutzausrüstungen stellt sich auch noch eine Frage. Ich habe es ja schon einmal hier erwähnt, angekündigt wurde es medial mit: Wir liefern Schutzwesten. – Ich würde mich freuen, wenn unsere österreichischen Soldaten einmal diese Schutzwesten bekommen würden (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Polizisten!), denn in der Realität schaut es nämlich so aus, dass sich bei den Einsatzorganisationen drei Soldaten eine Schutzweste teilen, die im verschwitzten Zustand, unhygienisch weitergegeben wird. Und jetzt träumen wir davon, diese an die Ukraine zu übergeben. Teilen sich dann fünf Soldaten eine Schutzweste? Diese Frage darf man berechtigterweise hier stellen.

Vorige Woche – und ich glaube, Sie wissen das, medial ist ja nicht wirklich viel aufge­schlagen – hat es einen Alarmstart der Eurofighter gegeben. Vom Hörensagen hört man,


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dass eine F-16-Staffel abgewiesen wurde. Herr Vizekanzler, vielleicht können Sie da heute für Aufklärung sorgen? Was mich aber noch viel mehr als diese F-16-Staffel inter­essieren würde, das sind die 37 Antonov-Überflüge seit der Vorwoche. Was hatte dieses französische Gerät, das nach Rumänien geflogen ist, tatsächlich geladen? Ich gehe da­von aus, Sie wissen es, denn angemeldet werden die Flüge wohl gewesen sein.

Und ja, ich sage, diese Volkspartei verabschiedet sich in Wirklichkeit immer weiter von unserem österreichischen Bundesheer. Der Bundeskanzler stellt sich hin und sagt, wir brauchen ein größeres Verteidigungsbudget, nachdem man gesehen hat, dass das mit der Nato völlig in die Hosen gegangen und den Österreichern die Neutralität noch etwas wert ist. Heute ist er nicht da. Den Finanzminister werden wir wahrscheinlich auch länger nicht sehen. Ich hoffe, dass unserem Entschließungsantrag dann heute wenigstens von der ÖVP zugestimmt wird. Ihr habt ja dieses 1 Prozent auch gefordert, na dann stimmt heute zu, da habt ihr die Möglichkeit. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Aber ihr behandelt das Bundesheer als Schmuddelkind der Nation (Beifall bei der FPÖ), stimmt seit vielen Jahren Anträgen auf 1 Prozent Verteidigungsbudget nicht zu – aber draußen vorgeben, die große Sicherheitspartei zu sein. Dann seid es einmal, dann stimmt diesen Anträgen zu! (Bundesrat Steiner: Täuscher und Lügner! Und korrupt ...!) Gebt nicht nur vor, Sicherheitspartei zu sein, sondern seid auch diese Sicherheitspartei! Heute habt ihr die Möglichkeit dazu.

Einerseits ist das Budget ein ganz wesentlicher Faktor für unser Bundesheer, anderer­seits aber auch ein funktionierendes Kader- und Milizsystem. Deswegen darf ich an dieser Stelle auch noch einen weiteren Entschließungsantrag der Bundesräte Leinfell­ner, Pröller, Steiner-Wieser und weiterer Bundesräte einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wieder­einführung der 8 Monate Grundwehrdienst im Modell 6 + 2 Monate“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Änderung des Wehrgeset­zes vorzulegen, welche die Wiedereinführung von 8 Monaten Grundwehrdienst, im be­währten Modell 6 + 2 Monate, beinhaltet, damit verpflichtende Milizübungen in vollem Umfang wieder möglich sind.“

*****

Das wäre auch ein wesentlicher Schritt in Richtung Stärkung der Einsatzfähigkeit des Bundesheeres.

Zum Antrag der SPÖ muss ich sagen, der Antrag war sicher gut gemeint, wenn man ihn sich aber genauer durchliest und da jetzt wieder an die ÖVP Verantwortung überträgt, dann wissen wir, was dabei herauskommt. Für die Frau Bundesminister war in der Ver­gangenheit die militärische Landesverteidigung keine Kernaufgabe des Bundesheeres mehr und wenn man sie jetzt mit solchen Dingen beauftragt, dann haben wir im Endeffekt ein Bundesheer, das ans Budget angepasst wird, und nicht ein Budget, das ans Bun­desheer angepasst wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.54


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege Leinfellner, fällt Ihnen statt Sauerei ein anderes Wort ein? (Bundesrat Leinfellner: Ich habe mich entschuldigt dafür! Ich habe mich entschuldigt dafür!) Dann nehme ich die Entschuldigung entgegen und bitte Sie, in Zukunft darüber nachzudenken, ob Sie nicht so kreativ sind, andere Worte zu ver­wenden.


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Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sonderinvestitionspaket für das Österreichische Bun­desheer und Anhebung des Regelbudgets ,Militärische Angelegenheiten‘ auf 1 % des BIP zum Schutz der österreichischen Neutralität“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Der zweite von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „Wiedereinführung der 8 Monate Grundwehr­dienst im Modell 6 + 2 Monate“ ist auch genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Mag. Harald Himmer. – Ich bitte dich darum.


14.55.19

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminis­ter, ich darf Ihnen einmal alles Gute in dieser neuen Funktion und eine glückliche Hand im Interesse für uns alle wünschen!

Ich möchte – hoffentlich – ziemlich zum Ende dieser Debatte nur wenige knappe Anmer­kungen machen. Ganz generell glaube ich, ist es in der Politik immer die große He­rausforderung, dass man in Widersprüchen denken und dabei die Handlungsfähigkeit behalten werden muss. Wir haben das jetzt viele Monate bei der Pandemie erlebt, dass Extremstandpunkte sehr leicht formuliert sind, es aber sehr schwierig oder die große Herausforderung ist, die richtige Balance zu finden. Große Freiheit versus Impfpflicht ist natürlich dabei so ein Spannungsbogen, den man freilich unendlich lang diskutieren kann.

Was wir aber, wie ich denke, alle wissen, ist, dass wir mit der Pandemie und jetzt auch mit dem Krieg, der in Europa stattfindet, in der Ukraine, tatsächlich echte Herausforde­rungen, wirklich richtige, reale Herausforderungen haben. Vor diesem Hintergrund stellt sich für mich die Frage, weshalb wir dann noch künstliche Debatten brauchen, die genau überhaupt nicht notwendig sind, und hier dann oft mit irrsinnig viel Kraftaufwand versucht wird, Türen einzulaufen, die eigentlich weit offen stehen.

Und das ist in diesem Zusammenhang zum Thema Neutralität zu sagen, bei dem ich nicht weiß, warum wir eine artifizielle Debatte brauchen, wenn wir im Prinzip über ge­nügend reale Themen verfügen. Dass es bei unterschiedlichen Parteien unterschied­liche Meinungen gibt, weiß jeder von uns, und ich glaube, von jeder Partei gibt es genug Zitate, es gibt uns auch schon alle lang genug. Um jetzt nicht allzu weit auszuholen, was hier an Widersprüchen da ist von Leuten, die jetzt das Bundesheer wiederentdecken, die die Wehrpflicht wiederentdecken, schaue ich jetzt ein bisschen zur Sozialdemokratie hinüber, bei der sehr starke Initiativen in Richtung Berufsheer waren, und jetzt entdeckt man die Miliz wieder. Alles gut. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Vizepräsident Novak über­nimmt den Vorsitz.)

Ich möchte nun zum Thema Entschließungsantrag kommen. Der Entschließungsantrag ist ja ein relevantes Instrument im österreichischen Parlament, und ich möchte vor allem auch, dass die Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen diesen Antrag kennen. Ich habe mir das extra fotografiert. Da es immer wieder Entschließungsanträge gibt und heute auch schon die Historie strapaziert worden ist – also Figl, Raab, Platon –, möchte ich hier einen Entschließungsantrag vorlesen, der dem Nationalrat schon einmal zur Be­schlussfassung vorgelegen ist.

Der Nationalrat wolle beschließen: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend in Verhandlungen mit den Staaten des Nordatlantikvertrages einzutreten, damit ein Beitritt zur NATO gemäß Artikel 10 des Nordatlantikvertrages zum frühestmöglichen


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Zeitpunkt und in Folge nach Abschluss der Verhandlungen über den Beitrittsvertrag eine Volksabstimmung stattfinden kann.“

Dieser Antrag wurde von Herbert Scheibner und Genossen eingebracht, und die Genos­sen sind also die Freiheitliche Partei. Was lernen wir daraus? (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Steiner – in Richtung SPÖ –: Nein, die Genossen sind dort drü­ben! Hallo, Genossen sind dort drüben!)

Das ist ja die Freiheit des Herrn Scheibner gewesen, seine freiheitlichen Kollegen als Genossen zu bezeichnen. Das ist bei Entschließungsanträgen irgendwie so Tradition geworden, dass auch Nichtsozialdemokraten Genossen genannt werden. Aber auf jeden Fall war das ein ganz besonderer Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei, und das möchte ich auch insbesondere den Zusehern vor den Bildschirmen sagen: Was wäre also gewesen, hätte man diesem Entschließungsantrag zugestimmt und hätte das gemacht? Dann wäre es vielleicht in weiterer Folge – und natürlich wäre dazu auch eine Volksabstimmung notwendig gewesen – eben dazu gekommen, dass Österreich den Weg der klassischen Neutralität verlässt und der Nato beitritt. Das war eine Initiative der Freiheitlichen Partei, und heute, vermute ich, wollen Sie mit diesem Entschließungs­antrag nicht mehr so viel zu tun haben. In diesem Zusammenhang können wir uns auch ungefähr vorstellen, mit welcher Ernsthaftigkeit Sie hinter den Entschließungsanträgen stehen, die Sie heute eingebracht haben. (Beifall bei der ÖVP.)

15.01


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. (Bun­desrat Leinfellner hebt die Hand. – Ruf bei der FPÖ: Doch!) Es wünscht noch jemand das Wort, das ist Herr Leinfellner. – Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort, Herr Bun­desrat.


15.01.50

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Mitglie­der der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ja, Kollege Himmer, das, was du vorgelesen hast, das ist ja korrekt, aus dem Jahr 1997/1998. Und ich sage, nach 25 Jahren zählt bereits jedes Fahrzeug als Rarität und hat Altertumswert. Und ja, ich kann dir auch sagen, im Jahr 2001 hat sich das Ganze aber bereits geändert. Ich sage, zum damaligen Zeitpunkt, 1997/1998, wäre das wirklich noch eine Möglichkeit gewesen, da als fünftes Rad am Wagen auch einzusteigen. Bereits 2001 ist das Ganze revidiert worden, denn bereits seit 2001, wenn wir da in die Geschichte zurückgehen, ist die Frei­heitliche Partei gegen einen Beitritt zur Nato. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.02


Vizepräsident Günther Novak: Bitte, Herr Kollege Bader, eine Berichtigung.


15.02.59

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Ich melde mich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort. Bundesrat Leinfellner hat in seiner Rede vorhin die Behauptung aufgestellt, der Herr Bundeskanzler hat die Neutralität infrage gestellt.

Ich berichtige tatsächlich: Die Neutralität wurde von Bundeskanzler Karl Nehammer nie in Frage gestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.03


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Ofner. – Herr Bundesrat, bitte.


15.03.31

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Kollege Bader, jetzt muss ich schon darauf replizieren, denn so wie die ÖVP offenkundig Realitätsverweigerung betreibt, das


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muss man ja wirklich zusammenbringen. (Beifall bei der FPÖ.) Die österreichische Be­völkerung oder Teile der österreichischen Bevölkerung haben sich schon am 27. Feb­ruar die „Pressestunde“ angesehen, und da hat Herr Nehammer unter anderem gesagt, die immerwährende Neutralität sei eigentlich unter einem Druckszenario entstanden. Und Herr Khol gehört schon noch zu euch (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), obwohl ich mir bei seinen Aussagen oft nicht sicher bin, was er im Schilde oder im Sinn führt, und der hat das ja infrage gestellt. Und Entschuldigung, bei der ÖVP wissen wir auch eines: Da passiert nichts durch Zufall (Beifall bei der FPÖ – Bundesrat Steiner: Richtig!), sondern da wird schon einer von den Politpensionisten aus der letzten Reihe noch einmal hervorgeholt, damit er irgendetwas aufs Tapet wirft. Dann wird geschaut, wie die Reaktion darauf ist.

Herr Nehammer hat auch noch einmal darauf reagiert, denn er hat dann am 1. März nachgeschossen und gesagt, die militärische Neutralität wurde uns von den Sowjetkom­munisten aufgezwungen. Das heißt, man hat sehr wohl einmal probiert, wie weit man gehen kann, und dann ist man natürlich draufgekommen: Hoppala, die Stimmung in der Bevölkerung zu diesem Thema ist ganz klar (Bundesrat Steiner: Genau so ist es gewe­sen!), man will die immerwährende Neutralität behalten!, und dann hat die Ruderregatta nach hinten begonnen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Realitätsverweigerung!) So ist die Realität. (Beifall bei der FPÖ.) Aber wir sind das von der ÖVP gewohnt, Realitätsverwei­gerung ist natürlich in eurem Parteiprogramm an vorderster Stelle. (Beifall bei der FPÖ.)

15.05


15.05.28

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „wei­tere Solidarität und Unterstützung der Ukraine“ vor. Ich lasse über diesen Entschlie­ßungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (358/E-BR/2022)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Stärkung des österreichischen Bundesheers“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Sonderinvestitionspaket für das Österreichi­sche Bundesheer und Anhebung des Regelbudgets ‚Militärische Angelegenheiten‘ auf 1 % des BIP zum Schutz der österreichischen Neutralität“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Geh, die ÖVP ...!) – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschlie­ßung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Wiedereinführung der 8 Monate Grundwehr­dienst im Modell 6 + 2 Monate“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag ab­stimmen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


15.08.08Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsident Günther Novak: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfrage­beantwortungen,

eines Schreibens des Bundeskanzleramtes betreffend Amtsenthebung des Herrn Bun­desministers Dr. Wolfgang Mückstein gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Johannes Rauch zum Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß Art. 70 Abs. 1 Bundes-Ver­fassungsgesetz durch den Herrn Bundespräsidenten,

der Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufent­halt des Bundeskanzlers und eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und

der Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheit im Bundesministe­rium für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 100)

2. Schreiben des Bundeskanzlers

Amtsenthebung des Herrn Bundesministers Dr. Wolfgang Mückstein gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Johannes Rauch zum Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß Art. 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz durch den Herrn Bundespräsidenten (Anlage 2)

3. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, Dr. Margarete Schramböck am 8. (20.00 Uhr) bis 9. März 2022 in Frankreich wobei ihre Angelegenheiten gemäß Art. 73 Abs. 3 Bun­des-Verfassungsgesetz durch die Bundesministerin Leonore Gewessler, BA wahrge­nommen werden (Anlage 3)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc von 9. März 2022 (abends) bis 11. März 2022 in Frankreich (Anlage 4)


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4. Unterrichtungen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Vollmacht zur Teil­nahme Österreichs an den Beratungen und Beschlussfassungen des INB (Intergouver-nementales Verhandlungsgremium) und zur Verhandlung einer „WHO-Konvention, ei­nes Vertrages oder eines anderen internationalen Instruments zur Verhinderung von und zur Bereitschaft und Reaktion auf Pandemien“ (Anlage 5)

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Vollmacht zur Auf­nahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit im Bereich des Eisenbahn­verkehrs (Anlage 6)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

(siehe Tagesordnung) sowie

Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2022 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates (III-780-BR/2022)

zugewiesen dem Umweltausschuss

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2022 (III-781-BR/2022)

zugewiesen dem Finanzausschuss

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbe­richt 2020) (III-782-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten

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Vizepräsident Günther Novak: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zu­gewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl eines Mitglieds des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinnes § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Günther Novak: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages be­absichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 2 bis 4, 5 bis 9, 14 und 15, 16 bis 19 sowie 22 bis 26 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

15.10.491. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betref­fend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 und zum 18-Mo­natsprogramm des Rates für 2022/2023 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-778-BR/2022 d.B. sowie 10900/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen nun zum 1. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Ich bitte um den Bericht.


15.11.24

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familie, Inte­gration und Medien betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2022/2023 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2022/2023 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile es ihr.


15.12.34

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln unter diesem Tagesordnungspunkt den Bericht der Familienministerin zum 18-Monatsprogramm des Rates sowie betreffend das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022. Auf 40 Seiten werden hier wirklich wichtige Punkte beziehungsweise Vorhaben aus den Bereichen Frauen, Familie,


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Integration und Medien beschrieben. Leider bleibt es aber bei dieser Beschreibung, es werden in dem Bericht leider Gottes keine konkreten Umsetzungen präsentiert. Das ist schade, denn es gäbe genug zu berichten und vor allen Dingen umzusetzen. Großteils bleibt es aber bei den Überschriften, ohne einen nachfolgenden ordentlichen Inhalt.

Wirklich enttäuscht bin ich, dass dem Thema Gewalt an Frauen so wenig Platz einge­räumt wird und im ganzen Bericht kein Wort über die europaweit erschreckend zuneh­mende Zahl an Frauenmorden fällt. Gerade dazu hätte ich mir wirklich mehr erwartet. Dafür wird dem Thema Medien fast mehr Platz eingeräumt als den tragischen Frauen­morden, bezüglich derer die Zahl wirklich eklatant gestiegen ist, und zwar europaweit. Das ist sehr enttäuschend. (Beifall bei der FPÖ.)

Was mich daran erinnert – vielleicht kann das Kollege Schennach sagen oder die Frau Minister –: Wann wird das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Be­kämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt endlich in der Europäischen Union ratifiziert? Auch wenn die Zuständigkeit für diese sogenannte Istanbulkonvention im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten angesiedelt ist, würde ich mir von Ihnen, Frau Minister, als Frauen- und Familienministerin in diesem Bericht klare Worte erwarten, wann die Istanbulkonvention endlich in der Europäischen Union ratifiziert wird.

Des Weiteren vermisse ich im Bericht klare Vorschläge, wie der Pflegenotstand gelöst werden soll. Auch diesbezüglich gibt es nur Überschriften mit wenig Inhalt. Über ein Al­tern in Würde oder die Verhinderung von Altersarmut oder Vereinsamung wird gar nichts geschrieben. Was wird unternommen, um wirkungsvoll eine bessere finanzielle Absiche­rung im Alter zu gewährleisten? Auch darüber lese ich nichts in diesem Bericht.

Für Kinder und Jugendliche wird zwar laut den Überschriften einiges geplant, und das klingt durchaus vernünftig, jedoch fehlt mir dabei, was konkret geplant ist, um der jungen, künstlich geschaffenen Coronageneration die verlorenen Jahre wieder zurückzugeben.

Zwei Jahre verlorene Bildungszeit, wie soll denn das jemals wieder aufgeholt werden? Die Kinder- und Jugendpsychiatrien – ich habe es heute schon in der Aktuellen Stunde gesagt – sind übervoll mit suizidgefährdeten Kindern und Jugendlichen, die die Corona­maßnahmen nicht mehr ertragen, europaweit und eben nicht nur in Österreich.

Ich habe heute Vormittag auch schon erwähnt: Bei der Kinderbetreuung setzt man aus­schließlich auf die institutionelle Betreuung, aber was den Ausbau von Kinderbetreu­ungsplätzen und die Zahl von Tagesmüttern betrifft, muss es auch die Wahlmöglichkeit, die Wahlfreiheit geben. Das heißt, Eltern sollen frei entscheiden können, ob sie ihre Kin­der zu Hause betreuen und dafür einen finanziellen Ersatz erhalten oder ob sie die Kin­der in einer institutionellen Einrichtung betreuen lassen möchten. Beim Thema Ausbau Kinderbetreuung gehört auch unbedingt das Berndorfer Modell eingebunden.

Daher bringen die Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Markus Leinfellner und weitere Bundesräte folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „um­gehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Mo­dell“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zusammen mit den Ländern, auf Grundlage des sogenannten ‚Berndorfer Modells‘ ein Förderkonzept zu erarbeiten und umgehend


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umzusetzen, welches die finanzielle Unterstützung von Eltern, die keine institutionelle Kinderbetreuung in Anspruch nehmen, vorsieht.“

*****

Ich hoffe, dass dieser Antrag auf breite Zustimmung stoßen wird und Sie den Eltern damit die freie Wahlmöglichkeit geben können. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

15.17


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Marlies Steiner-Wieser, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „umgehende Ein­führung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“ ist ge­nügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr das Wort.


15.17.39

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim! Frauen verfügen im Durchschnitt über höhere Bildungsabschlüsse als Männer, dennoch werden nur 8 Prozent der 200 umsatzstärksten Unternehmen von Frauen geführt, und das, ob­wohl Unternehmen mit Frauen im Topmanagement durchschnittlich erfolgreicher sind.

Österreich zählt zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Män­nern und Frauen. Die Betreuungsquote von Kindern unter drei Jahren liegt in Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Es sind Frauen mit Kindern, die die meiste unbe­zahlte Arbeit leisten. Deshalb haben Frauen in Österreich die zweithöchste Teilzeitquote in der EU.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, diese Fakten zeigen, warum viele Maßnahmen und Zielsetzungen der EU im Bereich Frauen und Familie durchaus sinnvoll und wichtig sind. Insbesondere drei Zielsetzungen der EU, die auf das Konto der Geschlechter­gleichstellungsstrategie zielen, können meines Erachtens nur unterstützt werden. Daher werde ich speziell auf diese kurz eingehen.

Der EU-Ratsvorsitz möchte erstens Maßnahmen zum Abbau des geschlechtsspezifi­schen Lohngefälles forcieren und dadurch den Genderpaygap reduzieren. Zweitens möchte sich die EU für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben einsetzen. Da gibt es zahlreiche wichtige Bestrebungen und Vorschläge. Ganz essen­ziell halte ich daher in diesem Zusammenhang die dritte Zielsetzung der EU, nämlich die bessere Zugänglichkeit, Erschwinglichkeit und Qualität der Kinderbetreuung.

Österreich liegt in Sachen Kinderbetreuung bei unter Dreijährigen, ich habe es schon gesagt, im letzten EU-Drittel, und das spüren nicht nur Kinder, sondern auch die Eltern und ganz besonders natürlich die Mütter. Denn die formelle Kinderbetreuung ist ein ent­scheidender Faktor, ob Eltern und insbesondere Frauen nur in Teilzeit oder überhaupt in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Die Konsequenzen sind bekannt: Familien und insbe­sondere Frauen müssen mit Gehaltseinbußen und einer geringen Pension rechnen.

Heuer wird ja die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern auslaufen, und da ist es meines Erachtens wichtig, dass nicht nur für die nächsten Jahre die finanziellen Wei­chen gestellt werden, sondern dass diese Mittel auch an gewisse Ziele wie die Flexibili­sierung und die Verlängerung der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen gekoppelt werden. Ich bitte Sie, liebe Frau Ministerin, das auch mitzutragen und zu un­terstützen.

In diesem Zusammenhang sind mir noch zwei Punkte wichtig. Wir haben eine enorm hohe Teilzeitquote bei Frauen. Meines Erachtens braucht es auch eine verstärkte In­formation zu den Konsequenzen von Teilzeitarbeit und fehlenden Beitragsjahren. Ich bin


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dafür, dass jede Familie das Lebensmodell wählen soll (Ruf bei der SPÖ: ... kann!), das am besten zu ihrem Lebenskonzept passt, aber die Wahl sollte bewusst und vor allem mit voller Information stattfinden.

Ebenso ist für mich das automatische Pensionssplitting mit dem zentralen Gedanken der Gleichberechtigung ein Meilenstein und etwas, das wir dringend vorantreiben sollten.

Liebe Frau Ministerin, danke für den Bericht und danke auch für Ihr Engagement für unsere Familien und Frauen in Österreich! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.21


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab. Ich erteile es ihr.


15.21.12

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundes­räte! Heute Vormittag haben Sie angemerkt, dass ich schon länger nicht mehr im Bun­desrat war. Deshalb freut es mich, dass ich heute gleich zwei Mal kommen darf. Zwi­schenzeitig durfte ich mit dem Herrn Bundeskanzler den polnischen Ministerpräsidenten empfangen. Polen hat derzeit schon fast 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge aufge­nommen. Es ist unfassbares Leid und es sind fast ausschließlich Frauen und Kinder – das hat uns auch der polnische Ministerpräsident vermittelt.

Wir haben dann natürlich vielfach über die Unterstützung gesprochen, aber auch darü­ber, dass es auch schön ist, dass sich in Zeiten wie diesen dann so eine große Einigkeit, so eine Stärke der Europäischen Union zeigt, dass wir gemeinsam in Stärke und Einheit die weitreichenden und sehr schmerzhaften Sanktionen gegen Russland beschlossen haben, dass wir gemeinsam und in Einheit eine europaweite Grundlage für den tempo­rären Schutz der ukrainischen Vertrieben aktiviert haben.

Ich komme gerade aus dem Verfassungsausschuss, in dem wir auch über das Sank­tionsregime rund um die russischen Medien Russia Today und Sputnik gesprochen ha­ben, darüber, dass eben die EU gemeinsam den Weg gewählt hat, auch dieses Instru­ment der russischen Kriegsführung, und das ist Russia Today, auch auf die Sanktions­liste zu setzen.

Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass die Bewältigung der Folgen dieses sinnlosen und fürchterlichen Krieges auch uns in der Europäischen Union viel länger beschäftigen wird. Das wird mit Sicherheit eine der größten Herausforderungen und Vorhaben der nächsten Zeit sein.

Darüber hinaus darf ich Ihnen die weiteren Vorhaben der Europäischen Kommission und des Rates der EU in den Bereichen Frauen, Familien, Integration und Medien vorstellen. Es ist ein Vorhabensbericht, kein Umsetzungsbericht, deshalb finden sich auch keine konkreten Umsetzungsschritte darin, weil sich die Vorhaben auf die Zukunft beziehen. Es ist ein Vorhabensbericht der Europäischen Union, deshalb gibt es auch keine konkre­ten Schritte der Bundesregierung.

Die Covid-19-Pandemie prägt immer noch die Arbeitsprogramme des Rates sowie der Europäischen Kommission für das Jahr 2022. Neben den Folgen der Pandemie bildet die weitere Umsetzung des Aktionsplans zur Umsetzung der europäischen Säule so­zialer Rechte einen zentralen Schwerpunkt. Da werden einerseits die bestehenden als auch ganz neue Initiativen wie die Europäische Kindergarantie umgesetzt, zu der bis Mitte März dann auch die dazugehörigen Aktionspläne erstellt werden. Die Europäische Kindergarantie ist außerdem Teil der EU-Strategie für Kinderrechte, welche die Förde­rung der Bedürfnisse und Rechte von Kindern vorsieht.


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Ebenfalls Teil der europäischen Säule sozialer Rechte sind die Verordnung zur Koordi­nierung der Systeme der sozialen Sicherheit und die Verordnung der Modalitäten der Durchführung dieser Verordnung. Die Trilogverhandlungen finden in diesen Bereichen bereits seit vielen Jahren statt und ziehen sich auch weiter, aber man versucht, im Laufe des Jahres 2022 einen Abschluss zu finden.

Eine neue Initiative der europäischen Säule sozialer Rechte 2022 wird – ich glaube, das ist ein ganz zentrales Thema auch für uns in Österreich – die EU-Strategie für Pflege und Betreuung sein, wobei die ganz konkrete Ausgestaltung der Strategie noch nicht bekannt ist, sondern einfach der Wunsch der EU, sich zu diesem Thema einzubringen, einmal postuliert wurde.

Im Frauenbereich ist weiterhin die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ein ganz we­sentlicher Schwerpunkt. Erst gestern hat ja Kommissionspräsidentin von der Leyen ei­nen neuen Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vorgestellt. Ich halte das für eine sehr wichtige Initiative. Wir konnten uns mit der Kommissionspräsi­dentin zu diesem Thema auch schon austauschen. Das ist ein ganz zentrales Anliegen. Gleichzeitig setzen wir als Österreich uns natürlich seit Jahren für den Beitritt der EU zur Istanbulkonvention ein.

Darüber hinaus hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung der Lohntransparenz vorgelegt, zu der es seit Ende 2021 auch eine allgemeine Ausrichtung des Rates gibt. Die Zielsetzungen, nämlich Förderung der Gleichstellung, Schließung des Genderpaygaps, sind ganz, ganz essenziell und zu unterstreichen und zu begrüßen. Gleichzeitig muss man natürlich bei der konkreten Ausgestaltung der Maß­nahmen noch verhandeln. Die Trilogverhandlungen dazu gilt es eben, abzuwarten.

Im Bereich der Integration ist jetzt vor allem angesichts der vielen ukrainischen Flüchtlinge das Förderinstrument Amif, der europäische Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, ganz wichtig. Das ist ein ganz zentrales Fördermittel. Da nimmt die Europäische Kommission viel Geld in die Hand, um Flüchtlingsinitiativen beziehungsweise Unterstützungsmaßnah­men im Bereich Integration von MigrantInnen zu fördern – auch das wird weitergeführt.

Zentral ist darüber hinaus der Kampf gegen Radikalisierung und Extremismus, selbstver­ständlich auch im Kontext von Integration. Das ist auch ein besonderer Schwerpunkt in diesem Bereich auf europäischer Ebene. Ich knüpfe da auch an. Ich habe eine euro­päische Initiative ins Leben gerufen, das Vienna Forum on Countering Segregation and Extremism in the Context of Integration, in deren Rahmen die Integrationsminister euro­päischer Länder zusammenkommen, um sich über diesen konkreten Schwerpunkt Ex­tremismus an der Schnittstelle zu Integration auszutauschen.

Im Medienbereich sind neben den beiden Aktionsplänen Europas Medien in der digitalen Dekade sowie Demokratie die beiden Trilogverhandlungen zum Digital-Services-Act zentral. Wir in Österreich sind da mit unserem Kommunikationsplattformen-Gesetz schon mit einem guten Beispiel vorangegangen. Wir haben da bewusst bereits ein Ge­setz verabschiedet. Wir wollten nicht zuwarten, sondern haben gesagt, wir bringen unser positives Beispiel in diese Verhandlungen ein. Nun soll auch im Rahmen des Digital-Services-Act die rechtliche Verantwortung von Onlinemedien, die von überall auf der Welt innerhalb der Europäischen Union Dienstleistungen anbieten, ausgeweitet und prä­zisiert werden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.27


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr das Wort.


15.28.01

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätz­te Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren,


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 119

die Sie uns zu Hause via Livestream zuschauen! In beiden Arbeitsprogrammen für 2022, sowohl in jenem der Europäischen Kommission als auch in jenem des Rates, sind aus meiner Sicht zahlreiche ganz wichtige Schritte und Programme skizziert worden, näm­lich, wie Sie es gerade schon ausgeführt haben, in diesen ganz großen Themenberei­chen Frauen, Gleichstellung, Integration und Medien. Das ist ein sehr großer Themen­komplex, bei dem viel passiert.

Im Lichte des Internationalen Frauentags, der gestern am 8. März stattgefunden hat, finde ich aber Ihre Ausführungen, Frau Ministerin, im Bericht doch einigermaßen bemer­kenswert, muss ich sagen. Es zieht sich da ein Programm durch, das ich fast ein 3-D-Pro­gramm nennen möchte, denn es ist aus meiner Sicht ziemlich dünn, dürftig und durch­sichtig.

Einerseits besteht die österreichische – sprich Ihre – Sicht zu den einzelnen Punkten und Projekten zu einem wirklich sehr großen Teil aus exakt einem einzigen Satz, näm­lich dass Sie die Initiativen begrüßen. Das ist schön. Und immer wieder ist zu lesen, die Federführung bei diesem oder jenen Thema hat das Sozialministerium, das Arbeits­ministerium oder das Justizministerium. Ich frage mich da schon, wofür Sie als Ministerin jetzt eigentlich ganz konkret zuständig sind, denn für das alles offensichtlich nicht so wirklich.

Auf der anderen Seite habe ich heute am Vormittag und auch schon gestern im Natio­nalrat Ihren Worten ganz besonders genau gelauscht, und da haben Sie gesagt: „Gleich­stellung [...] ist nicht nur eine ganz zentrale Frage der Fairness, sondern es ist auch eine Frage, in der es darum geht, dass wir Österreich zukunftsfit machen. Ich möchte, dass jede Frau selbstbestimmt leben kann, ich möchte, dass jede Frau finanziell unabhängig ist, und ich möchte selbstverständlich, dass keine Frau Diskriminierungen erfährt, dass gleichwertige Arbeit auch gleich entlohnt wird“, und vieles andere mehr.

Frau Ministerin, ich habe eine Information für Sie, die Sie vielleicht überrascht: Sie sind die dafür zuständige Ministerin. Sie sind die Ministerin für Frauenfragen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Steiner.) – Das heißt also, Sie haben es in der Hand. Sie könnten all das, was Sie gestern aufgezählt haben, quasi in der Sekunde ändern und gesetzlich verankern, festschreiben. Tun Sie das bitte, Frau Ministerin! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns jetzt aber einmal die einzelnen Bereiche ganz genau und konkret an! Schauen wir uns an, was in Österreich dazu passiert ist! Zunächst einmal zur Geschlech­tergleichstellung und zur Lohntransparenz: Dazu muss man festhalten, dass die Coro­napandemie, die Krise, einen wahren Backlash verursacht hat. Zusätzlich zu der ohnehin vermehrt von Frauen ausgeführten unbezahlten Arbeit kamen dann auch noch das Homeschooling beziehungsweise die Betreuung der Kinder zu Hause hinzu. Die Gen­derforscherin Gundula Ludwig zum Beispiel spricht da ganz klar von einer Retraditiona­lisierung der Geschlechterverhältnisse und kritisiert, welche Summen während der Krise in die Industrie geflossen sind und wie wenig vergleichsweise in die Krankenpflege, in die Kinderbetreuung und in weitere Bereiche.

Geklatscht haben wir für die systemrelevanten Heldinnen der Krise genug. Das war schön, aber den Genderpaygap hat das nicht verringert. Ganz im Gegenteil, dieser liegt nach wie vor mit 19,9 Prozent Lohnunterschied um 13 Prozent über dem EU-Durch­schnitt.

Vielleicht noch eine bemerkenswerte Zahl in diesem Zusammenhang: Österreich ran­giert im internationalen Vergleich von immerhin 153 Ländern auf Platz 108 im Hinblick auf Lohngerechtigkeit, also wirklich im untersten Drittel – nachzulesen übrigens im Glo­bal-Gendergap-Report des Weltwirtschaftsforums.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 120

Das Niederösterreichische Armutsnetzwerk schlägt übrigens in eine ganz ähnliche Ker­be und gibt dazu ganz eindeutig an, dass Frauen einem prozentuell wesentlich höheren Risiko ausgesetzt sind, in die Armut zu rutschen, als Männer, und das eben auch aus den bekannten Gründen: Frauen stehen wesentlich öfter in prekären Beschäftigungsver­hältnissen. Sie arbeiten immer noch überproportional oft in Teilzeit, wie wir es auch ge­rade von meiner Vorrednerin gehört haben, nämlich immerhin fast jede zweite Frau, und sie haben in der Folge auch ein wesentlich geringeres Pensionseinkommen. Von der aktuellen Teuerungswelle rede ich noch gar nicht, die habe ich jetzt gänzlich ausgeklam­mert.

Um dem entgegenzuwirken, wurde jetzt der große Gamechanger, der Lea-Fonds – das steht für: Let’s empower Austria –, gegründet. Es soll Webinare geben, habe ich gehört, es soll weibliche Rolemodels geben. Das ist sehr schön, das ist wichtig, aber welche weiteren Projekte da dazukommen und was dann unterm Strich für die Frauen tatsäch­lich dabei herauskommt, kann uns aus heutiger Sicht noch niemand sagen.

Schauen wir zum nächsten Bereich, zum Bereich Kinderbetreuung! Da gibt es im Bericht sogar eine etwas ausführlichere Stellungnahme zur Position Österreichs. Es heißt näm­lich: „Eine Anhebung der Barcelona-Ziele wird erst dann als zielführend erachtet, wenn alle Mitgliedstaaten die bestehenden Ziele [...] erreicht haben und Evidenzen für einen darüber hinaus gehenden Bedarf vorliegen.“

Das finde ich deswegen besonders spannend, weil bei den unter Dreijährigen Österreich selbst die Barcelonaziele erneut wesentlich verfehlt. Zwar hat die Coronapandemie si­cherlich auch zur Stagnation beigetragen, aber dennoch – und darauf muss man immer wieder hinweisen – fehlt vor allem das flächendeckende Angebot – erst wenn es ein sol­ches gibt, gibt es eine reale Wahlfreiheit –, ganz zu schweigen von den VIF-Kriterien – VIF ist der Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf –, nämlich dass eine Kinderbe­treuungseinrichtung mindestens 45 Stunden pro Woche geöffnet sein sollte, an mindes­tens vier Tagen pro Woche, mindestens 9,5 Stunden täglich, mit einem Angebot eines gesunden, warmen Mittagessens, maximal fünf Wochen im Jahr geschlossen und vieles andere mehr – all das ist in österreichischen Kinderbetreuungseinrichtungen in dieser Form leider nicht immer gegeben.

Noch dazu sind die Rahmenbedingungen von Bundesland zu Bundesland sehr, sehr unterschiedlich, nämlich was Gruppengrößen, Betreuungsschlüssel, die Qualifikation der MitarbeiterInnen und vieles andere mehr betrifft.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbes­serungen im Kindergarten- und Elementarbildungsbereich umsetzen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integra­tion und Medien im Bundeskanzleramt sowie der Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung, wird aufgefordert, für eine neue 15a-Vereinbarung zur Elemen­tarpädagogik substantielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um mittelfristig das Ziel von 1% des BIP für die Bildung der Jüngsten zu erreichen, bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Bereich der Elementarpädagogik zu sichern und in den Verhandlun­gen mit den Ländern und Gemeinden die notwendigen Schritte zu setzen, um – im Rah­men eines Stufenplanes – einen Rechtsanspruch auf Kinderbildung ab dem ersten Le­bensjahr sicherzustellen.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 121

Die Grünen, glaube ich, sollten da durchaus mitgehen können. Ich glaube, die eine oder andere Zeile aus unserem Antrag sollte euch bekannt vorkommen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Zur FPÖ muss man sagen: Euren Antrag könnte man unter dem Titel Herdprämie zu­sammenfassen. (Bundesrätin Schartel: Ach geh!) Zurück zum Herd: Das hat mit Wahl­freiheit relativ wenig zu tun, aber das wisst ihr selber genauso gut. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, ein gescheites Angebot an Kinderbetreuungsplätzen und vor allem ein Rechtsanspruch auf Kinderbildung ist nicht nur die Grundlage für eine gute Bildung (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) – du kannst dich gerne noch einmal zu Wort melden –, nämlich unabhängig vom Geldbörsel der Eltern und un­abhängig davon, in welcher Gemeinde ein Kind auf die Welt kommt, sie ist auch die Grundlage für eine echte Wahlfreiheit, denn erst das Angebot schafft die Nachfrage und nicht umgekehrt, wie es ganz gerne von der ÖVP behauptet wird. Wenn eine Familie weiß, dass es in ihrer Gemeinde, in der sie die Betreuung braucht das Angebot gar nicht mehr gibt, dann fragt die Familie im Normalfall gar nicht nach.

Eines dürfen wir nicht vergessen: Der Rechtsanspruch auf Kinderbildung würde es vor allem den Frauen ermöglichen, wesentlich häufiger Vollzeit zu arbeiten oder überhaupt wieder ins Erwerbsleben einzusteigen.

Ich darf an dieser Stelle vielleicht an das Programm der SPÖ Niederösterreich erinnern, das man durchaus als Vorbild bezeichnen kann, nämlich das KinderPROgramm mit den drei G: ganztägig, ganzjährig, gratis. Ich glaube, das wäre ein wichtiger Schritt in der Elementarbildung, nicht nur für die Kinder selbst, sondern eben auch für die Frauen und für die Familien. Das wäre ein wichtiger Ansatz, den man aus meiner Sicht umsetzen müsste.

Schauen wir aber noch zum Themenbereich Integration! Sie betonen ja, dass vor allem die Anstrengungen der Menschen mit Migrationshintergrund, ihre Aufgaben und Leis­tungen, also die Integrationspflichten, ganz besonders nötig seien.

Da frage ich mich allerdings: Wie erklären Sie es dann – und ich würde Sie da wirklich um eine Antwort bitten –, dass Ihr Innenminister, egal, wie er jetzt gerade heißt, immer und immer wieder Minderjährige, die teils bereits hier geboren wurden, die aber zumin­dest den weit überwiegenden Teil ihres Lebens in Österreich verbracht haben, die Ös­terreich als ihre Heimat bezeichnen und betrachten, die Deutsch oftmals besser spre­chen können als ihre Erstsprache, die hier Freunde gefunden haben, die sich in Vereinen engagieren und vieles mehr, in Nacht- und Nebelaktionen abgeschoben werden? Das kann mir keiner erklären! Sie werden in Länder abgeschoben, die oft alles andere als sicher sind, und das obwohl die Kindeswohlkommission deswegen immer wieder Kritik anbringt. Ich bitte um Ihre Erklärung dazu. Vor allen Dingen ein Hinweis noch dazu: Ich darf an die Kinderrechte erinnern, die wir in Österreich im Verfassungsrang haben.

Bleiben wir vielleicht gleich bei den Kindern! Österreich verstößt mit der Indexierung der Familienbeihilfe eindeutig gegen Unionsrecht. Das ist ja bekannt. Dennoch hält die Re­gierung daran fest, eine EU-weit einheitliche Indexierung anzustreben, und stimmt dem europäischen Entwurf nicht zu – na ja.

Betreffend des NAP, des Nationalen Aktionsplanes, zur Kindergarantie wurde uns im Ausschuss nur versichert, dass alle relevanten Stakeholder miteinbezogen wurden. Kon­krete Projekte und Initiativen ist man uns allerdings schuldig geblieben. Wir werden da jedenfalls (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Raab) – das haben Sie wahr­scheinlich vergessen, das stimmt – ganz besonders genau ein Auge darauf haben.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 122

In aller Kürze noch schnell zum Themenkomplex Medien. Da hat sich die Kommission zu einem Aktionsplan bekannt, in dem es darum geht, den BürgerInnen Zugang zu ei­nem pluralistischen, vielfältigen und vor allen Dingen unabhängigen Medienumfeld zu ermöglichen. Die Freiheit der Medien gehört da ebenso dazu wie der Schutz der Bürge­rInnen vor Hatespeech und dergleichen. Das ist also auch ein großer Themenkomplex.

Ich muss gestehen, in bin da schon sehr gespannt darauf, wie Sie das angehen, Frau Ministerin, besonders was die Medienförderung betrifft, die ja in vielen Bereichen ekla­tant zurückgegangen ist – nicht in allen Bereichen, wie wir wissen. Vor allen Dingen was die Inseratenvergabe betrifft, haben Sie ja durchaus Expertise.

Ich darf nur an den gerade begonnenen ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss er­innern. Ich bin schon sehr gespannt, was uns da noch blühen wird.

Dem Themenbereich Gewalt an Frauen wird sich meine Kollegin Nicole Riepl dann noch intensiv widmen, dennoch sage ich einen ganz kurzen Satz dazu: Es wird ja immer wieder – auch von Ihrer Seite – darauf hingewiesen, dass das Frauenbudget in dem Be­reich so dramatisch angehoben wurde, ich glaube aber, es ist sehr wohl entscheidend, was von diesen Summen auch tatsächlich bei den Frauen ankommt. Ganz ehrlich, von Pressekonferenzen, Ankündigungen, Verhaltensratschlägen, wie es sie unlängst erst gegeben hat, und von Webinaren, glaube ich, haben die Frauen in Wahrheit nicht viel. Ich glaube, keine einzige von Gewalt betroffene Frau ist aufgrund einer Pressekonferenz weniger betroffen. Keine einzige Frau verdient durch ein Webinar im Vergleich auch nur um einen Euro mehr – und ein Webinar ersetzt auch keinen fehlenden Kinderbetreu­ungsplatz.


Vizepräsident Günther Novak: Frau Kollegin, 13 Minuten.


Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (fortsetzend): Ich komme schon zum Schluss, Herr Präsident. Ja, ja. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Was gesagt werden muss, muss gesagt werden. So schaut es eben aus, wenn die Frauenministerin von sich selbst sagt, sie sei keine Feministin und sie halte in Wahrheit auch von Feminismus nicht viel. Dabei wird es noch so viel mehr brauchen: Lohndiskriminierung muss bekämpft und Lohntrans­parenz geregelt werden. Wir brauchen ein Programm für Vorsorgeuntersuchungen, Gendermedizin und so weiter, ein echtes Frauenarbeitsmarktpaket, ein Väterkarenzmo­dell und vieles andere mehr, ich kann es jetzt gar nicht alles aufzählen.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen aber trotzdem noch ein Zitat von Johanna Dohnal mit­geben, die ja gesagt hat: Die Vision des Feminismus ist keine weibliche Zukunft, es ist eine menschliche Zukunft. Ich glaube, sie hat ganz, ganz, ganz recht damit gehabt. (Bei­fall bei der SPÖ.) Allerdings, Frau Ministerin, sehe ich da noch sehr viele Baustellen – aber Visionen sehe ich in Ihrem Programm leider keine. (Beifall bei der SPÖ.)

15.42


Vizepräsident Günther Novak: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


15.42.17

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Kollegin Hahn hat behauptet, dass das Berndorfer Modell eine Herdprämie sei. – Das stimmt nicht. (O-ja-Rufe bei der SPÖ.)

Ich berichtige tatsächlich: Das Berndorfer Modell ist eine finanzielle Unterstützung für jene Eltern, welche ihre Kinder in den ersten drei Lebensjahren zu Hause erziehen, und bedeutet auch eine gewaltige finanzielle Entlastung für die Gemeinden, weil sie dafür weniger für einen Kindergarten- oder Krabbelgruppenplatz ausgeben müssen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

15.42



BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 123

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


15.42.58

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Schade, ich hätte wahnsinnig gerne nach dem Verweis auf Johanna Dohnal weitergesprochen.

Heute ging es schon darum, wie wichtig es ist, dass Frauen ökonomisch unabhängig und selbstbestimmt sind – und ja, Gleichstellung ist eben die wichtigste Maßnahme ge­gen Gewalt an Frauen und Kindern. Glücklicherweise machen da Justizministerium und Innenministerium auch sehr viel.

Im Bericht lese ich nun, dass die Zielsetzung – Förderung der Gleichstellung am Ar­beitsmarkt und das Schließen des Genderpaygaps – begrüßt wird. Ich schlage ein biss­chen in dieselbe Kerbe wie Frau Kollegin Hahn, aber etwas freundlicher. Das ist gut, dass es begrüßt wird, aber eigentlich müssen wir es mit Vehemenz fordern.

Es wird darauf verwiesen, dass die Zuständigkeiten in vielen Punkten beim Arbeitsminis­terium liegen, zum Beispiel bei der Umsetzung gleichberechtigter Führungsverantwor­tung und Antidiskriminierung. Das stimmt wohl, aber – und auch da muss ich das ein bisschen wiederholen – es liegt an der Frauenministerin, die diese Anliegen der Frauen vertritt. Daher würden wir uns freuen, wenn Sie in Fragen der Frauenförderung und der Gleichstellung mit und für andere Ministerien unterstützend, hinweisend und aufklärend arbeiten. Ich rege auch an, dass Sie Ihre Minister- und ParteikollegInnen auf EU- und auf Bundesebene an Frauenpolitik erinnern.

Ein kleines Beispiel: Es wurde auch die Lohntransparenz angesprochen. Österreich hat eigentlich viel strengere Regelungen in Bezug auf die Lohntransparenz. In der EU sollen ab 250 MitarbeiterInnen die Löhne verpflichtend offengelegt werden, in Österreich gilt das seit 2014 schon ab 150 MitarbeiterInnen. Ich komme aber wieder auf den vorbildli­chen Norden zurück, auf Island: Dort müssen Unternehmen schon ab 25 MitarbeiterIn­nen aktiv nachweisen, dass Frauen und Männer gleich viel für die gleiche Arbeit be­kommen. Dieses Gesetz zeigt Wirkung – denn der Unterschied im Gehalt bei vergleich­baren Jobs macht in Island gerade einmal 5 Prozent aus. In Österreich ist er mit 19 Pro­zent fast viermal so hoch. Lohntransparenz ist also eine von vielen Maßnahmen, um den grottenschlechten Genderpaygap in Österreich zu schließen; denn erst wenn es diese volle Lohntransparenz gibt, können die Frauen auch ihr Recht auf gleiche Bezahlung geltend machen.

Ein weiterer Punkt – ich habe ihn heute schon, vor allem in Richtung FPÖ schauend, erwähnt – sind die Quoten. Quoten wirken auch in Vorständen und Führungsteams – und da wäre es toll, wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen, weil wir da noch bei circa 10 Prozent herumsumpern.

Kurz zum Antrag von der SPÖ bezüglich 15a-Vereinbarung Elementarpädagogik: Ja, das ist gut und es ist schön, dass wir heute nach dem Frauenkampftag auch noch einmal darüber reden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ja, es braucht dringend ganzjährige, ganztägige und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in ganz Österreich, das haben wir das letzte Mal auch schon gesagt, und es braucht auch für die Pädago­gInnen Verbesserungen. Das wird auch gerade zwischen Bund und Ländern verhandelt. Der Bund stellt die notwendigen Mittel zur Verfügung, aber wir sind im Bundesrat und in der Länderkammer, und da sitzen wir auch als LändervertreterInnen, und es liegt auch an uns, an den LändervertreterInnen, da zu einem guten Ergebnis zu kommen. (Ruf bei der SPÖ: Ja, zustimmen!)

Erfreulich ist, dass auf der EU-Agenda der umfassende – also nicht nur am Arbeitsplatz stattfindende – Schutz vor Diskriminierung von LGBTIQ-plus-Personen enthalten ist. Wir


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erinnern uns an den Beherbergungsbetrieb, der damit warb, keine homosexuellen Gäste aufzunehmen. Das darf in unserer sich modern rühmenden Gesellschaft nicht mehr vor­kommen.

Es gibt eine Zeitverwendungsstudie, die gerade in Auftrag gegeben worden ist, in der festgestellt wird, wie viel Zeit Männer und Frauen in Österreich für welche Tätigkeiten aufbringen, und an der auch abgelesen werden kann, wer was macht; das ist gerade in Ausarbeitung. Das ist gut so, denn sie dient als Grundlage für arbeitspolitische und auch familienpolitische Maßnahmen.

Ich möchte nun wieder zum Anfang zurückkommen, auch mit dem Verweis auf das Ar­beitsministerium, und einen Appell an die Zusammenarbeit richten. Wie wir eh immer wieder auch gehört haben, funktioniert nämlich die Zusammenarbeit von Justiz- und Innenministerium im Gewaltschutz für Frauen und Kinder schon sehr gut, und sie sind in permanentem Austausch. Es wird immer besser, es wird fast jedes Mal, wenn wir hier sind, ein neues Gesetz in diese Richtung beschlossen. Dieser Austausch wäre auch zwischen Frauen- und Arbeitsministerium toll und wünschenswert.

Ich komme nun zu einem ganz anderen Punkt, zu den Medien und dem Aktionsplan für Demokratie: Die Europäische Kommission will die Unterstützung freier und unabhängi­ger Medien sowie den Medienpluralismus gefördert wissen. Sie kündigt Maßnahmen zur Schaffung von mehr Transparenz bei politischer Kommunikation und Werbung – ja, Stichwort Inserate – genauso wie transparente Parteienfinanzierung an. In Österreich werden wir diesbezüglich wohl auch schneller sein, zumindest hoffe ich es. Auch hier liegt ein entsprechender Entwurf vor und wird im Einvernehmen mit allen Fraktionen ge­rade abgestimmt.

Angesichts der verheerenden Propaganda in Russland haben wir aber die Bedeutung von transparenter politischer Kommunikation für die Demokratie wohl deutlich vor Au­gen. Neben der Informationsklarheit, die ich vorhin angesprochen habe, bedarf es aber jedenfalls auch der Informationsbreite. Vor allem die Medien, die Qualitätsjournalismus betreiben und recherchierende Journalistinnen und Journalisten bezahlen, müssen ver­stärkt gefördert werden – und nicht die, die das nicht tun. Genauso braucht es eine För­derschiene für digitale Qualitätsmedien und mehr Digitalisierungskompetenz.

Informationsbreite und bessere Einblicke liefern investigative JournalistInnen. Gegen­über solchen kommt es aber immer mehr zu rechtsmissbräuchlichen Formen von Kla­gen: Klagen auf Verleumdung, Rufschädigung, üble Nachrede oder Schadenersatz mit meist sehr hohem Streitwert und geführt von großen Unternehmen oder aus einer Macht­position heraus. Solche Klagen nennt man Slapp-Klagen – Strategic Lawsuits against Public Participation.

Diese erfüllen gewollt oder ungewollt den Zweck, die Menschen einzuschüchtern, die im öffentlichen Interesse kritisch auf soziale, ökologische oder politische Missstände auf­merksam machen und gegen sie auftreten. Ziel ist, direkt oder indirekt die Aufklärung der Öffentlichkeit zu stoppen. Das ist der Punkt: Die Beklagten handeln nicht aus priva­tem Gewinnstreben, sondern aus gesellschaftspolitischen Motiven, die der Allgemeinheit und der Demokratie zugutekommen, die KlägerInnen aus privaten Macht- und Gewinn­interessen.

Die KlägerInnen können es sich leisten, diese Gerichtsverfahren zu betreiben – die ein­zelnen JournalistInnen, AktivistInnen oder MitarbeiterInnen von Nichtregierungsorgani­sationen nicht. Sie können es sich weder zeitlich noch finanziell leisten. Sie sind mit immens hohen existenzbedrohenden Anwaltskosten, jahrelangen Gerichtsprozessen und mit horrend hohen Schadenersatzforderungen konfrontiert. Dabei sollen sie zer­mürbt werden und mit ihrer Kritik und ihrem Protest aufhören. Slapp-Klagen sind, wie der Name schon sagt, ein Schlag ins Gesicht für die Betroffenen, aber auch für die De­mokratie und für die Rechtsstaatlichkeit.


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Ganz aktuell, wir erinnern uns sicher noch, begegnete uns eine solche Klagsandrohung im Rahmen des Kampfes um die Erhaltung der Lobau. Die Stadt Wien drohte den Ak­tivistInnen, sie auf Schadenersatz in Millionenhöhe zu klagen. Die zuständige Stadträtin hat diesen Angriff auf die Demokratie glücklicherweise wieder zurückgenommen.

Diese Thematik kommt aber nicht nur im Rahmen von Umweltprotesten auf, sondern auch im Rahmen von Friedensbewegungen. Nicht nur der Einzelfall ist allerdings pro­blematisch, sondern vor allem die abschreckende Wirkung, die solche Klagen auf die kritischen Stimmen in der Gesellschaft haben. Systematisch gesehen ist das ja auch das Ziel solcher Klagen. Untersuchungen zeigen leider, dass Slapp-Klagen in letzter Zeit in Europa stark zugenommen haben. Sie sind ein frontaler Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf kritische Berichterstattung und Protest. Werden diese Rechte bedroht, schadet das der Demokratie immens. Daher sind die in Aussicht gestellten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung solcher Klagen wichtig und richtig. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.52


Vizepräsident Günther Novak: Ich habe noch einen Nachtrag: Der von den Bundes­rätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag be­treffend „Verbesserungen im Kindergarten- und Elementarbildungsbereich umsetzen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. Ich erteile ihr das Wort.


15.52.29

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Weil es nun in zwei, drei Redebeiträgen angesprochen wur­de, ist es mir wichtig, Folgendes vielleicht kurz ein bisschen zu erklären: Die Zuständig­keiten, welcher Bundesminister in der Federführung eines EU-Vorhabens oder einer Richtlinie da drin vermerkt ist, dient einfach nur der Transparenz, weil es selbstverständ­lich so ist, dass gewisse EU-Richtlinien und Vorhaben Ausschüssen und gewissen Räten zugewiesen werden.

Ja, die Lohntransparenzrichtlinie wird im Rat der Arbeitsminister verhandelt, und ja, die Diskriminierungsrichtlinie auch. Daher liegt die Verhandlungsführung, die Federführung eben beim Arbeitsminister. Das soll nun nicht zur Verwirrung führen. Wie in allen ande­ren Bereichen auch, gibt es selbstverständlich eine interne Koordination der Vorhaben, wo wir beteiligte Ministerinnen und Minister uns über diese Dinge absprechen.

Nur damit es keine Verwirrung gibt: Das ist eine reine Information darüber, welchen Rä­ten diese Verordnungen und Richtlinien zugewiesen sind und wer dann einfach vor Ort drinsitzt und diese Dinge verhandelt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schu­mann: Redet miteinander! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

15.53


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ni­cole Riepl. Ich erteile ihr das Wort.


15.53.46

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute spreche ich zu einem Thema, das mich persönlich betroffen macht, nämlich das Thema Gewalt gegen Frauen und Mäd­chen, insbesondere häusliche Gewalt.

Die letzten zwei Jahre waren durch Corona sehr herausfordernd und belastend für viele Menschen. Das hat auch psychische Auswirkungen; die Menschen sind nach zwei Jahren Krise emotional am Ende. So erlangt Österreich einen traurigen Rekord von


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 126

29 Frauenmorden, die vergangenes Jahr in unserem Land geschehen sind. Zumeist sind die Täter Partner oder Ex-Partner, Gewalt findet also häufig im Beziehungskontext statt. In der EU ist Österreich das einzige Land, in dem es mehr Morde an Frauen als an Männern gibt. Wir finden uns ganz vorne in der Tabelle: an dritter Stelle in dieser Nega­tivstatistik.

Es ist dringend notwendig, die Gewalt gegen Frauen als das zu benennen, was sie ist. Dazu muss man bei Frauenmorden auch Frauenmorde sagen und nicht Familiendramen oder Ehedramen oder darüber reden, dass eine Frau zu Tode gekommen ist. Nur wenn wir – und damit meine ich auch die Politik und die Medien – Dinge als das benennen, was sie sind, kann man sie bekämpfen und den notwendigen Schutz vorantreiben. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich sehe da dringenden Handlungsbedarf, den Schutz weiter auszubauen und neue Überlegungen anzustellen, wie Frauen geschützt und unterstützt werden können. In die­sem Bereich darf nicht eingespart werden. Es braucht mehr Mittel für Beratungsstellen, Einrichtungen, um Frauen als Opfern frühzeitig zu helfen. Es bedarf auch für Täter und potenzielle Täter Strategien und Maßnahmen.

In meinem Heimatbezirk startete vor einigen Monaten die Initiative Stop – Stadt ohne Partnergewalt, ein Pilotprojekt, welches von der österreichischen Frauenberatungsstelle umgesetzt wird. Dieses Projekt läuft in elf Bezirken in Österreich. Dabei werden Men­schen zum Thema Partnergewalt und Nachbarschaftshilfe sensibilisiert. Generell wird das Thema durch die Initiative in die Öffentlichkeit gebracht. In meinen Augen ist das eine wichtige und gute Maßnahme, um aufzuklären und Frauen eine erste Anlaufstelle zu bieten. Das Ziel des Projektes ist es, dass Nachbarn, Freunde, Freundinnen und Ar­beitskollegen dafür sensibilisiert werden, Gewalt gegen Frauen anzusprechen, wenn sie etwas bemerken. Frauen sollen in der Gesellschaft ein Netz finden, das sie auffängt und ihnen hilft, aus Gewaltbeziehungen auszubrechen.

Es geht um Zivilcourage. Diese Aufklärungsarbeit passiert in Schulen, bei Treffen mit den Nachbarn, im öffentlichen Leben – dort, wo das Thema Gewalt an Frauen hingehört, wo diese leider auch noch immer geschieht: mitten in unserer Gesellschaft. Das Ausmaß an häuslicher Gewalt in unserer Gesellschaft kann langfristig nur dann verringert werden, wenn immer mehr Menschen offen dagegen auftreten, die Dinge beim Namen nennen und sie nicht unter den Tisch kehren. Beginnen müssen wir damit aber sofort.

Sie, Frau Minister, wollen Stop – Stadt ohne Partnergewalt ab Sommer 2022 nicht mehr in dem Ausmaß weiterführen, sondern werden die dafür vorgesehenen Mittel kürzen. Es wird damit zu einem Sparprojekt – und das kann nicht sein. Können Sie mir dazu etwas sagen, Frau Ministerin? Auch heuer haben wir bereits fünf Frauenmorde zu beklagen. Ihr Bericht ist aber auch in der Frage von Gewaltschutz wenig engagiert. Unterstützen Sie laufende Projekte mehr denn je und sorgen Sie dafür, dass Frauenberatungsstellen in Österreich weiter ausgebaut werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Es besteht dringend Handlungsbedarf. Die Forderungen der SPÖ-Frauen liegen dazu am Tisch – Sie bräuchten diese nur endlich umzusetzen: Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich, mehr Mittel für Gewaltschutz, Ausbau der Frauen- und Mädchenbera­tungsstellen in allen Bundesländern, mehr Frauenhäuser und Übergangswohnungen in allen Bundesländern, Österreich muss seiner Verpflichtung im Rahmen der Istanbulkon­vention nachkommen, Fortsetzung bundesweiter Gewaltschutzgipfel mit Expertinnen und Experten.

Gestern, am 8. März, war der Weltfrauentag. Zu diesem Anlass hat der Städtebund ei­nen Gleichstellungsindex in Auftrag gegeben. Auch da muss man einmal mehr feststel­len: Das Ergebnis ist ernüchternd. Definitiv gibt es vor allem im Gewaltschutz noch Pro­bleme. So wird darin angeführt, dass es lediglich in 24 Prozent der Bezirke ein Frauen­haus gibt. Diese sind primär in den Landeshauptstädten zu finden. Das stellt eine Hürde


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 127

für Frauen im ländlichen Raum dar, die generell weniger mobil sind. Es ist noch viel zu tun. Ich fordere Sie daher auf, endlich an die Umsetzung zu gehen. Wir dürfen bei diesem wichtigen Thema keine Zeit mehr verlieren! – Danke.

Frau Minister, darf ich Ihnen eine Broschüre zu dem, was ich gerade angesprochen ha­be, mitgeben? Bitte, schauen Sie sich das an und nehmen Sie es sich zu Herzen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Riepl überreicht Bundesministerin Raab die erwähnte Bro­schüre. – Bundesministerin Raab: Danke!)

15.59


16.00.02

Vizepräsident Günther Novak: Ich darf Herrn Finanzminister Dr. Magnus Brunner im Plenum begrüßen. Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreu­ungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Verbesserungen im Kindergarten- und Elementarbil­dungsbereich umsetzen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

16.01.402. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern im Zusammenhang mit der Verlängerung der Finanzausgleichsperiode bis Ende des Jahres 2023 (1327 d.B. und 1344 d.B. sowie 10901/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (1345 d.B. sowie 10902/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (COVID-19-Com­pliance-Gesetz) (2180/A und 1346 d.B. sowie 10876/BR d.B. und 10903/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 128

Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 2 bis 4 ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck Ich bitte um die Berichte.


16.02.40

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Vorsitzender! Herr Finanzminister! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern im Zusammenhang mit der Verlängerung der Finanzaus­gleichsperiode bis Ende des Jahres 2023.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenz­datenbankgesetz 2012 geändert wird (COVID-19-Compliance-Gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach der Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben. – Danke.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile dieses.


16.04.27

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister, herzlich willkommen im Bundesrat! Ja, es geht um drei Anträge oder drei Vorlagen. Die erste betrifft die Verlängerung der Finanzausgleichsperiode. Ich schicke voraus, dass wir als Sozialdemokratie dem natürlich zustimmen werden; das haben wir auch im Natio­nalrat schon gemacht. Das ist aber unabhängig von einer breiten Debatte, die es darüber braucht, welche Aufgaben der Bund, die Länder sowie die Städte und Gemeinden in Zukunft haben und wie hinkünftig Steuereinnahmen auf Basis dieser Aufgabenaufteilung aufgeteilt werden.

Es geht heute um die Länder- und in weiterer Folge in Bereichen natürlich auch um die Gemeindefinanzen, weil das Gesundheitswesen natürlich nicht nur vom Bund und den Ländern, sondern zu einem großen Teil auch von den Städten und Gemeinden finanziert wird. Gleichzeitig wissen wir aber alle, dass diese Finanzierung auch bedeutet, dass wir als Gemeinden zwar sehr viel dazu beitragen müssen, aber keinerlei Einfluss auf die Entwicklung, auf die Höhe oder anderes haben. Natürlich werden die Aufgaben immer mehr; die Ausgaben der Gemeinden steigen, die Einnahmen leider nicht. Es kommen ja zusätzliche Aufgaben, auch im Gesundheitsbereich, auf uns zu, als Beispiel möchte ich das Thema Pflege ansprechen.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 129

Ich möchte zu diesem Tagesordnungspunkt einen Entschließungsantrag einbringen – das ist heute auch ein bisschen ein Lackmustest für die ÖVP und die Grünen. Das haben wir auch schon im Nationalrat gemacht. Jetzt Ohren spitzen! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Jetzt platzt die Bombe! Heiterkeit des Redners.) – Nein, das ist in diesen Zeiten kein guter Satz gewesen, Herr Dr. Kornhäusl.

Es geht um die Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise. Die aktuell größte Ge­sundheitskrise unserer Zeit hat gravierende Auswirkung auf das Leben der Menschen in unserem Land. Bedingt durch die Maßnahmen der ÖVP-Grünen-Bundesregierung, ins­besondere die Mehrfachlockdowns der letzten Jahre, brechen die Einnahmen ganzer Wirtschaftsbranchen weg. Diese Entwicklungen haben durch niedrige Einnahmen auch massive Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen und treffen die Bevölkerung daher doppelt. Die SPÖ hat in den letzten Jahren wiederholt auf die prekäre Situation der Ge­meindefinanzen hingewiesen und zahlreiche Anträge eingebracht, die eine Problemlö­sung aufgezeigt hätten. Nicht nur der Bund, auch die Gemeinden wurden durch die Co­ronakrise hart getroffen. Eine Studie hat gezeigt, dass die Nettoinvestitionen der Ge­meinden in der Krise zurückgegangen sind. Die Krise und die Steuerreform haben nega­tive Auswirkungen auf die kommunalen Finanzen.

Ich komme zur Antragstellung:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird aufgefordert, dem Natio­nalrat ehebaldig ein Gesetzespaket in Form eines kommunalen Investitionsgesetzes für die Jahre 2022 bis 2024 in der Höhe von jährlich 1 Milliarde Euro vorzulegen, das kon­krete kommunale Projekte im Bereich Klima- und Energiewende fördert.“

*****

Ich denke, dem könnte man heute zustimmen.

Punkt zwei bei diesen Tagesordnungspunkten betrifft das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird. Da haben wir uns sehr gewundert, dass die Grünen das so locker gesehen haben – die hören gar nicht mehr zu –, dass nun praktisch nicht mehr der Gesundheitsminister, sondern der Finanz­minister für den Vollzug verantwortlich ist. Das werden wir hier so nicht mittragen; wir waren schon im Nationalrat für eine Ablehnung und werden das heute auch sein.

Der dritte Punkt betrifft heute das Transparenzdatenbankgesetz. Da darf ich meinen Kollegen Christian Drobits, der das im Nationalrat, finde ich, sehr gut auf den Punkt ge­bracht hat, zitieren. Es geht nämlich um den Missbrauch. Wenn es um Missbrauch geht, dann ist es so, dass – unter Anführungszeichen – immer die kleinen Leute sehr schnell ertappt werden. Ich sage, beim Arbeitslosengeld oder der Mindestsicherung, da ist man sehr, sehr rasch, jetzt bei den Förderungen aber geht es eher langsam – man könnte schon sagen, sehr, sehr langsam. Nun ist es aber an der Zeit, Licht ins Dunkel zu brin­gen. Wer hat wirklich profitiert? Haben Milliardäre, Millionäre von diesem Cofag-Geld profitiert? Das muss man sich nun ganz genau ansehen.

Nun zitiere ich Christian Drobits, der nämlich bei der Nationalratssitzung etwas sehr Ein­drückliches gesagt hat: Er kennt „einen Fall aus dem Südburgenland, wo ein Betrieb über drei Familiengenerationen einen Sportartikelhandel führt.“ Diese Unternehmer ha­ben ihm gesagt, „dass sie im November/Dezember infolge des Lockdowns keine För­derungen erhalten haben, weil nicht tageweise abgerechnet worden ist, sondern nur


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 130

monatlich, und sie deshalb durchgefallen sind. Sportartikelhändler in Großhandelsketten haben hingegen alles bekommen und die Kleinen verlieren immer mehr ihre Existenz­grundlage.“ Das ist auch der Grund, warum wir bei diesem Gesetzentwurf heute nicht zustimmen. Bitte, nehmen Sie sich das zu Herzen, Herr Finanzminister! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.09


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sicherung der Gemeinde­finanzen in der Krise“ ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Elisabeth Mattersberger. – Bitte.


16.10.13

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherin­nen und Zuseher zu Hause via Livestream! Die Tagesordnungspunkte 2 bis 4 werden unter einem verhandelt. Bei diesen Tagesordnungspunkten – Kollege Kovacs hat schon einiges ausgeführt – handelt es sich unter anderem um 15a-Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern im Zusammenhang mit der Verlängerung der Finanzaus­gleichsperiode bis Ende des Jahres 2023.

Die Verlängerung der Finanzausgleichsperiode wurde aufgrund der Coronapandemie notwendig. Es müssen jetzt auch einige 15a-Vereinbarungen angepasst werden. Bei diesen 15a-Vereinbarungen geht es konkret um die Vereinbarungen über die Organisa­tion und Finanzierung des Gesundheitswesens, um die Zielsteuerung-Gesundheit und um die Förderung von Bildungsmaßnahmen.

Beim Finanzausgleich handelt es sich um die Verteilung der Steuergelder vom Bund auf die Länder und schlussendlich von den Ländern auf die Gemeinden. Coronabedingt wurden ja bereits drei sogenannte Gemeindepakete über den Finanzausgleich hinaus für die Ge­meinden geschnürt. Insgesamt wurden zwischen Bund und Ländern bisher 50 15a-Ver­einbarungen zu den verschiedensten Themenfeldern abgeschlossen. Da geht es zum Beispiel um den Hochwasserschutz, um die Landesverteidigung, um den Verkehr, um den Bereich Kinder und Jugendliche, um die Bildung und um vieles mehr.

Mit den heutigen Beschlüssen sollen drei 15a-Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich verlängert werden. Es geht – was sehr wichtig und essenziell ist – um die Förderungen der Basisbildung und Bildungsmaßnahmen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses. Es geht um die Finanzierung des Gesundheitswesens, auch in Verbindung mit Elga, und es geht um die Zielsteuerung-Gesundheit.

Meine Damen und Herren, diese Beschlüsse sind wichtig, damit den Ländern und Ge­meinden ausreichend Mittel zur Bewältigung ihrer Aufgaben beziehungsweise zur Abar­beitung von Projekten zur Verfügung gestellt werden. Ich ersuche Sie daher namens meiner Fraktion um Ihre Zustimmung.

Des Weiteren geht es bei den Tagesordnungspunkten 2 bis 4 um einen Beschluss, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz geändert werden soll, und da, Kollege Kovacs, ist es nicht darum gegangen, worüber Sie da gerade berichtet haben, sondern es geht um etwas ganz anderes: In der Coronakrise wurden verschiedenste Hilfspakte zur Un­terstützung von Unternehmen und damit zur Sicherung von Arbeitsplätzen, zur Siche­rung der Liquidität geschnürt und auch – zugegeben, nach einigen Anfangsschwierig­keiten – sehr rasch abgewickelt und an die Unternehmen ausbezahlt. Im internationalen Vergleich kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Österreich bei den Coronahilfen unter den Besten war und die Wirtschaftshilfen sehr gut angekommen sind. – Vielen Dank dafür, Herr Finanzminister!


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 131

Die Unternehmen haben sich trotz der Coronakrise auch schon wieder einigermaßen erholt, und die Wirtschaftsdaten beziehungsweise die Vorausschau auf die wirtschaft­liche Entwicklung von Österreich sind sehr gut. Es liegt nun einmal in der Natur der Sa­che, dass Förderungen bestimmten Förderrichtlinien beziehungsweise Kriterien, die die Unternehmen einhalten müssen, unterliegen. Die Unternehmen haben sich auch über­wiegend an die vorgeschriebenen Coronaschutzbestimmungen, Maßnahmen und Re­geln gehalten, was sicher auch nicht immer leicht handzuhaben und tatsächlich für die Betriebe mit zusätzlichen Kosten verbunden war.

Es hat aber eben auch Betriebe gegeben, die um Förderungen angesucht, die Corona­maßnahmen aber nicht eingehalten und somit gegen die Förderrichtlinien verstoßen ha­ben. Mit der nun vorliegenden Gesetzesänderung soll den Behörden ein Instrument in die Hand gegeben werden, sodass bei Verstößen gegen die Förderrichtlinien erhaltene Förderungen zurückverlangt werden können. Das ist gegenüber dem Steuerzahler, aber auch den Unternehmen, die sich überwiegend an die Regeln gehalten haben, nur ge­recht. Ich ersuche Sie daher auch namens meiner Fraktion um Ihre Zustimmung. – Dan­ke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.15


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Josef Ofner. Ich erteile ihm das Wort.


16.15.24

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzmi­nister! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer vor den Bildschirmen zu Hause! Wenn wir heute die Tagesordnungspunkte der abzuschließenden 15a-Vereinbarungen hinsichtlich der Verlängerung der Finanzausgleichsperiode bis zum Jahr 2023 sowie der Änderung des Transparenzdatenbankgesetzes, um damit den Bezirksverwaltungsbehörden die Be­rechtigung für die Abfragen von personenbezogenen Daten zu erteilen, behandeln, dann darf ich vorausschicken, dass wir diesen drei Gesetzesvorlagen die Zustimmung nicht erteilen werden, und ich werde das auch gerne begründen.

Beginnen möchte ich mit der Änderung des Transparenzdatenbankgesetzes, bei der sich ein weiteres Mal zeigt, wie es diese Regierung tatsächlich tagtäglich schafft, jene zu drangsalieren, die man in den letzten zwei Jahren im Stich gelassen hat. Das sind wieder einmal die kleinen und mittleren Betriebe oder beispielsweise auch Vereine und Institutionen aus Kunst und Kultur, die entsprechende Förderungen erhalten haben.

Ich kann mich noch gut erinnern: Es war Ende 2020, als wir im Finanzausschuss die Situation hinsichtlich der Covid-Förderrichtlinien behandelt haben und auf einmal ein Passus des steuerlichen Wohlverhaltens eingebaut war, den es vorher in den Richtlinien nicht gegeben hat. Ich habe dann die Frage gestellt, ob es Anlassfälle dahin gehend gibt, dass es erhaltene Förderungen – beispielsweise auch bei Großkonzernen – gibt, dass diese etwas bekommen haben, was eigentlich nicht hätte passieren dürfen. Ich kann mich noch gut erinnern: Da waren unzählige Experten im Finanzausschuss anwesend, aber keiner konnte erläutern, wie dieser Passus nachträglich implementiert worden ist. Was aber festgehalten wurde, war, dass das Gesetz erst mit Anfang 2021 in Kraft treten wird und es keine rückwirkenden Rückzahlungsforderungen geben wird.

Jetzt haben wir den Unterschied zu dem, was heute vorliegt, und deswegen ist es wieder ein Gesetz der Ungleichbehandlung. Da sieht man wieder einmal, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, denn da, wo die Bezirksverwaltungsbehörden künftig die Erhebun­gen machen sollen, ob Betriebe oder Vereine vielleicht unrechtmäßig Covid-Förderun­gen erhalten haben, weil sie vielleicht gegen die Verordnung eines Betretungsverbotes verstoßen haben – zu diesem Betretungsverbot muss man festhalten: da wird sich auch noch zeigen, ob das nicht wieder einmal verfassungswidrig war –, bekommen diese nun einen Strafbescheid zugestellt und müssen mit einer Rückforderung rechnen.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 132

Ganz anders als damals bei den angesprochenen Großkonzernen, die möglicherweise Förderungen erhalten haben und bei denen es keine rückwirkenden Strafmaßnahmen gibt, wird jetzt bis zum 1. November 2021 zurückgegangen. Dass dies jetzt schon in den Förderrichtlinien entsprechend verankert ist, tut in diesem Zusammenhang meiner Mei­nung nach auch nichts zur Sache. Noch dazu ist diese Ungleichbehandlung auch daten­schutzrechtlich mehr als bedenklich.

Das ist eine weitere Schikane für Betriebe und Vereine, die nicht nur in den letzten zwei Jahren in ihrer Geschäftstätigkeit behindert worden sind, sondern es betrifft wieder jene, die auch bei der Auszahlung der Förderungen von Beginn an von dieser Bundesregie­rung schikaniert worden sind, weil man da ja die Abwicklung in die Hände der schwarzen Wirtschaftskammer gegeben und das nicht über das Finanzamt durchgeführt hat. Das hätte ja auf Knopfdruck funktioniert, aber es war halt natürlich nicht gewollt, weil es der ÖVP natürlich nicht in erster Linie um die Menschen und Betriebe, sondern einmal zuerst um die eigene Partei geht.

Dann hat man eine Cofag gegründet – das war natürlich auch entsprechend notwendig, weil es eine türkis-grüne Spielwiese braucht –, und jetzt kommen noch die Verwaltungs­behörden der Bezirke ins Boot, damit es auch möglichst kompliziert weitergeht, weil man in Österreich ja davon ausgehen kann, dass eh schon jeder Chaos, unverhältnismäßige Maßnahmen und den völligen Wahnsinn gewohnt ist – und da sind wir natürlich nicht dabei. (Beifall bei der FPÖ.)

Was den Abschluss der 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern angeht, da haben diese eigentlich generell die Intention, dass es gemeinsame Regelungen gibt und es ein möglichst abgestimmtes Vorgehen in bestimmten Bereichen geben sollte. Mit der jetzigen geplanten Verlängerung bis zum Jahr 2023, die vor allem den Gesundheits- und Teile des Bildungsbereichs betrifft, haben wir aber eine Situation, dass es zu keinen Verbesserungen und auch zu keinen strukturellen Reformen kommt, sondern dass vie­les einfach weitergeschoben wird und die notwendigen Themenbereiche nicht ange­gangen werden.

Das ist natürlich nicht nur für die Länder, sondern in weiterer Folge auch für die Ge­meinden, von denen sich unzählige sowieso in einer prekären finanziellen Situation be­finden, die wohl schlechteste Variante der Finanzpolitik. Daher kann ich eines voraus­schicken: Wir werden bei diesem Tagesordnungspunkt eine Zustimmung geben, und das wird jene zum Antrag der SPÖ hinsichtlich der Gemeindefinanzen sein, weil es da notwendig ist, entsprechende Schritte zu setzen.

Wenn man sich am Beispiel der Finanzzielsteuerung im Gesundheitsbereich ansieht, dass da von einer jeweiligen Erhöhung von 3,2 Prozent pro Jahr ausgegangen wird, so muss man sich aufgrund der aktuellen Situation auch einmal vergegenwärtigen, dass die Inflation diese Erhöhung wahrscheinlich massiv übersteigen wird. Ob die Länder mit den Ausgleichszahlungen bei den Kur- und Krankenanstalten in der Höhe von 750 Mil­lionen Euro das Auslangen finden werden, wird sich ebenfalls zeigen, wobei mit Sicher­heit wieder eines auf der Strecke bleiben wird: Das sind die längst fälligen Investitionen im Gesundheitsbereich, eine bessere Bezahlung des Gesundheitspersonals und ent­sprechende arbeitstechnische Rahmenbedingungen für jene, die trotz dieser Regierung jeden Tag einen hervorragenden Job im Gesundheitsbereich leisten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen: Dafür hat man natürlich in dieser Regierung kein Geld, auf sie vergisst man halt gerne. Wir wollen aber nicht vergessen, denn wofür hat man Geld in dieser Regie­rung? – Da gibt es Geld für eine Impflotterie, die sich schlussendlich als Schnapsidee entpuppt, für die man ursprünglich 1,4 Milliarden Euro vorgesehen hat: 1,4 Milliarden Euro – das muss man sich einmal vorstellen – für einen Blödsinn, Geld, das man eh


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 133

nicht hat, um sich nachher, als sie abgesagt war, über Tage den Kopf zu zerbrechen, wie man jetzt diese 1,4 Milliarden Euro irgendwie ausgeben könnte.

Dann war schon der nächste Schwachsinn geboren. Man hat gesagt: Na ja, wir machen eine Impfprämie für Gemeinden! Da wäre vorgesehen gewesen, dass die Bürgermeister ein Anreizsystem erhalten, damit sie sich dafür einsetzen, dass Kinder ab dem 5. Le­bensjahr gespritzt werden. Ja, das ist wohl eine der perfidesten und wahnsinnigsten Ideen dieser türkis/schwarz-grünen Chaosregierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann sollte man sich vielleicht einmal anschauen, was diese Regierung außer dem Spritzen für die Kinder übrig hat: was nämlich die Finanzierung des Ausbaus der Kinder- und Betreuungseinrichtungen anbelangt, wenn es um die frühsprachliche Förderung geht oder um den beitragsfreien Besuch der Kindergärten. Da gibt es von 2018 bis zum Jahr 2022, in vier Jahren also, satte 142,7 Millionen Euro, die im heurigen Budget ver­anschlagt sind. Jetzt wissen wir natürlich bereits aus dem Jahr 2016, dass die ÖVP, wenn es um die eigene Machtpositionierung geht, für Kinder nichts übrig hat, weil damals ja der ehemalige Messias in den berüchtigten Chats gemeint hat: „Gar nicht gut!!!“, „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“, weil geplant war, dass 1,2 Milliarden Euro in die Kin­derbetreuung investiert werden.

Wir Freiheitlichen sind jedenfalls davon überzeugt, dass gerade in die Jüngsten unserer Gesellschaft investiert werden sollte, in der jetzigen Situation der massiven Teuerung besonders die Familien sehr belastet sind und diese Familien finanziell entlastet werden müssen.

Ich darf daher hinsichtlich der Einrichtung eines Gratiskindergartens für unsere Familien folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein „Kinderbe­treuungs-Zweckzuschussgesetz des Bundes zur Umsetzung eines Gratis-Angebots in der Elementarpädagogik“

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage für ein ‚Kinderbetreuungs-Zuschussgesetz‘ zuzuleiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- die bundeseinheitliche Finanzierung der Elementarpädagogik-Angebote

- die Anwendung auf die differenzierten Betreuungsangebote in der Elementarpäda­gogik.“

*****

Ich bin überzeugt, dass die 1,4 Milliarden Euro einer sinnbefreiten Impflotterie da weit sinnvoller eingebracht werden und vor allem unsere Kinder und die Familien eine gute Finanzierung erhalten könnten. Ein Gratiskindergarten ist wie gesagt gerade in der jet­zigen, schwierigen finanziellen Phase für die Eltern immens wichtig.

Man sollte vielleicht dann – das darf ich den Herrn Finanzminister auch mitzunehmen ersuchen – im Abschluss der geplanten Änderung der weiteren 15a-Vereinbarungen


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 134

über die Förderungen von Bildungsmaßnahmen im Bereich der Basisbildung auch vor­sehen, dass die Rahmenbedingungen für die Gehälter in Österreich einheitlich gestaltet werden, dass es einheitliche Betreuungsschlüssel gibt und natürlich auch einheitliche Gruppengrößen, dass flexible Kinderbetreuungsangebote implementiert werden und in weiterer Folge auch die Verwaltungsaufgaben der Kindergartenfachkräfte reduziert wer­den.

Unsere Kinder und Familien sowie die pädagogischen Fachkräfte hätten sich das je­denfalls verdient, und zum Wohle unserer Kinder hoffe ich auf breite Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. (Beifall bei der FPÖ.)

16.26


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kinderbetreuungs-Zweckzu­schussgesetz des Bundes zur Umsetzung eines Gratis-Angebots in der Elementarpäda­gogik“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


16.27.16

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Lieber Herr Mi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen! Ich versuche mich heute – oder jetzt – relativ kurz zu halten. Es ist schon sehr spät, wir sind schon sehr müde. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.) – Eben, genau! (Heiterkeit der Rednerin.)

Die bisherige Aufteilungsregelung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wurde schon in der letzten Sitzung bis 2023 verlängert. Warum? – Weil wir für eine Reform mehr Zeit brauchen: eine Reform, in der die Verantwortlichkeiten klar geregelt werden, in der die Steuerautonomie der Länder und Gemeinden gestärkt wird und in der die Zahlungen an die Einhaltung der Klimaziele – aktueller denn je! – gekop­pelt sind. Nur in gemeinsamer Anstrengung können diese Klimaziele erreicht werden, und wenn sie wollen, dass diese Reform schneller abgeschlossen wird, liegt es auch an den Ländern, sie zu unterstützen.

Aufgrund der Pandemieauswirkungen und der steigenden Inflation unterstützt der Bund die Gemeinden und Länder natürlich auch durch erhöhte Zuschüsse, zum Beispiel, in­dem wir zur Abfederung der coronabedingten Ausfälle und des Mehraufwands auch schon in den letzten Sitzungen mehrere milliardenschwere Gemeindepakete sowie die zusätzlichen 750 Millionen Euro für Covid-Mehrausgaben in Krankenhäusern und Kur­anstalten der Länder beschlossen haben, um unser Gesundheitswesen zu erhalten.

Ich möchte nur ganz kurz die 15a-Vereinbarungen erwähnen, die jetzt zusätzlich verlän­gert werden, und welche Leistungen das betrifft. Das betrifft Leistungen in der Qualitäts­sicherung der Gesundheitsvorsorge. Das betrifft Mittel für ein höheres PatientInnenauf­kommen, für mehr und teurere Medikamente, für Strategien für die Kapazitäten der Ge­sundheitsvorsorge und für Strategien für Long Covid, für den Auf- und Ausbau von Pri­märversorgungseinrichtungen und niederschwelligen Impfprogrammen. Das alles sind sehr gute und sehr wichtige Sachen.

Worauf ich ganz kurz eingehen möchte – der Herr Kollege vor mir hat es auch schon genannt – ist die Basisbildung, denn diese wird auch weiterhin im Rahmen der Initiative Erwachsenenbildung gefördert. Was bedeutet Basisbildung? – Ich muss ehrlich zuge­ben, ich habe das auch nachlesen müssen und war sehr freudig überrascht, denn es geht nicht nur um mathematische und grammatikalische Grundkompetenzen, sondern auch um digitale Grundkompetenzen. Vor allem achtet man sehr auf die besondere Si­tuation der Erwachsenen, die natürlich Kinder haben, arbeiten gehen et cetera. Das sind


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meiner Meinung nach beides sehr wichtige Punkte, um eben Bildung so niederschwellig wie möglich für alle Menschen zu gewährleisten. Hoffentlich kann damit auch ein Beitrag dazu geleistet werden, dass mit der Informationsflut in der digitalen Welt und in ihren Blasen besser umgegangen wird.

Ganz kurz noch zum Transparenzdatenbankgesetz: Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass Gesetze, und insbesondere solche, die dafür geschaffen sind, unser Gesund­heitssystem aufrechtzuerhalten, einzuhalten sind. Ich verstehe die Argumente der FPÖ nicht ganz, warum, wenn man sich sozusagen nicht an die Gesetze gehalten hat, För­derungen, die ausbezahlt worden sind, nicht zurückgefordert werden können. Das ist ja der Sinn und Zweck dieses Gesetzes.

Damit schließe ich schon und wünsche uns noch einen guten Tag. (Beifall bei den Grü­nen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

16.30


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. Ich erteile ihm das Wort.


16.31.02

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Eigentlich könnte man es sich leicht machen und sagen: Die Unterstützungen seitens des Ministers für die Gemeinden waren sehr gut, wir sind weit besser durch die Pandemie gekommen als viele andere  und das könnte es gewesen sein. So leicht geht es aber nicht.

Die 15a-Vereinbarungen sind ein Teil der Regelung, wie die Gelderaufteilung zwischen Gemeinden und Bund funktioniert. Dass es für den einen immer zu viel, für den anderen immer zu wenig ist, ist klar; dass man da nach bestem Wissen und Gewissen handeln muss, dass man die Regeln genau beachten muss, damit alle Beteiligten irgendwo zu­frieden sein können und sich wiederfinden, ist, speziell bei den heiklen Themen Gesund­heitswesen und Bildung, ganz, ganz wichtig. Da braucht es Hausverstand und ein biss­chen ein Gefühl dafür, aber natürlich auch die effektiven Zahlen und die Bedürfnisse sowie die Pflichten, die das System und die aktuellen Umstände hervorrufen.

So denke ich, ist es wichtig, die Gemeinden finanziell zu unterstützen. Dass wir im letzten Jahr durch das hohe Wirtschaftswachstum mit mehr als 4 Prozent höhere Ertragsanteile hatten als erwartet, höhere als 2019, das darf man auch einmal sagen, das muss man auch sagen, das ist ein Verdienst der Regierung, dass wir so gut aus der Pandemie gekommen sind. Ich denke, wenn die Ertragsanteilszahlungen über dem Vorpande­mieniveau sind, dann ist das eine gute Entwicklung gewesen. Die Gemeinden können ihren Aufgaben nachkommen und haben das Geld, dass sie genug Projekte umsetzen können.

Für die Länder wurden im Gesundheitssystem insgesamt 750 Millionen Euro zugezahlt. Auch das kommt den Gemeinden zugute, denn durch diese Zuzahlung werden bei den Sozialabgaben weniger Ertragsanteile einbehalten, und dieses Geld bleibt wiederum den Gemeinden, um Projekte umzusetzen und das Umfeld für die Bürgerinnen und Bür­ger positiv zu gestalten. Bei der Auszahlung für diese 750 Millionen Euro hat in Zukunft – damit das einfacher wird – der Finanzminister in Absprache mit dem Gesundheitsminis­ter die Auszahlung durchzuführen.

Wir haben bei den in Verhandlung stehenden Punkten auch eine Änderung des Trans­parenzdatenbankgesetzes zu behandeln. Dabei soll es möglich werden, bei Betrieben, die gegen Coronamaßnahmen verstoßen haben, nachzusehen, ob sie Coronaförderun­gen oder Entschädigungszahlungen beantragt und erhalten haben, damit man dann entsprechende Maßnahmen ergreifen kann, denn der Umgang mit Fördergeldern muss


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 136

genau kontrolliert werden, damit keine zweckfremde Verwendung passieren kann. Kon­trollen müssen auch im Nachhinein möglich sein, denn es tauchen oft später erst Kon­trollpunkte auf, die dann umgesetzt werden müssen. Es geht immerhin um Geld des Steuerzahlers.

Was ich als Bürgermeister für meine Gemeinde noch sagen möchte: Wir haben 1 200 Ein­wohner, die Impfprämie – wir sind zu mehr als 80 Prozent durchgeimpft – würde bei uns 60 000 Euro betragen. Das ist leider nicht gegangen, weil die SPÖ nicht zugestimmt hat. Da hat man der Gemeinde Geld weggenommen, das natürlich auch den Bürgern fehlt. (Bundesrätin Schumann: Jetzt tun wir’s aber nicht übertreiben, Herr Kollege, gell? Ganz ehrlich! Ihr habt die Förderung ... eine Peinlichkeit ...! Übertreiben brauchen wir’s nicht!) Schade, vielleicht kann man da noch umdenken! – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

16.34


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Magnus Brunner. – Bitte.


16.34.44

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Vorsitzender! Werte Damen und Herren im Bundesrat! Ich bin eigentlich froh, dass die Maßnahmen, die wir gerade für Länder und Gemeinden gesetzt haben, von denen, die vor Ort sind, von den Bürgermeistern, von den Vertretern im Gemeindeverband und anderen, als unglaublich positiv gesehen werden. Darum verstehe ich die Diskussion hier auch nicht ganz.

Es hat in der Coronakrise viele Hilfsmaßnahmen, viele Hilfspakete gegeben, die natürlich angekommen sind, die von den Gemeinden sehr gut angenommen worden sind, die ja auch in Absprache mit den Gemeinden und mit den Bundesländern verhandelt worden sind, die also sehr praxisbezogen waren und daher auch sehr gut angenommen worden sind.

Wenn Sie mir erlauben, kurz zu den 15a-Vereinbarungen, die ja heute neben dem COVID-19-Compliance-Gesetz im Mittelpunkt stehen, Stellung zu nehmen: Es muss das – und das wurde ja gesagt – immer auch im Zusammenhang mit dem Finanzaus­gleich gesehen werden. Wir haben im Zuge der Verlängerung ja übrigens eben die vor­hin genannten 750 Millionen Euro für Krankenanstalten, die natürlich in der Coronakrise sehr intensive finanzielle Einbußen hinnehmen mussten, zur Verfügung gestellt, und auch dieses Paket war natürlich mit den Ländern und Gemeinden abgestimmt. Auch da geht es darum, dass wir selbstverständlich, wenn es notwendig ist, noch weitere Adaptie­rungen vornehmen werden und das selbstverständlich dann auch wieder in Absprache mit den Ländern und Gemeinden tun werden.

Bei den hier vorliegenden 15a-Vereinbarungen geht es darum, dass eben weiter ausrei­chend Mittel für bestimmte Projekte in bestimmten Bereichen – im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich – zur Verfügung gestellt werden. Dabei geht es um die Gesundheits­förderung auf der einen Seite, es geht um IT-Projekte auf der anderen Seite, um IT-Systeme, die weiterentwickelt oder ausgebaut werden. Es ist also keine bloße, stupide Fortschreibung einer 15a-Vereinbarung, sondern es geht im Gegenteil um sehr konkrete und um wichtige Maßnahmen in diesen Bereichen.

Es ist auf der anderen Seite aber auch keine Gesundheitsreform. Das muss auch klarge­stellt werden, weil immer in den Raum gestellt wird, man hätte da im Gesundheitsre­formwesen etwas auf die Beine stellen müssen. Das ist es nicht, das wurde auch nie im Vorfeld behauptet und war nicht die Intention.

Wenn Sie mir erlauben, noch zum COVID-19-Compliance-Gesetz ein paar Sätze zu sagen: Wir haben uns ja zu Beginn der Krise das Ziel gesetzt, möglichst viele Arbeits­plätze zu sichern – das war eigentlich der Kern all der Hilfsmaßnahmen insgesamt – und


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natürlich die Unternehmen vor Insolvenzen zu bewahren. Wenn man sich die Fakten anschaut – was ist am Ende herausgekommen? –, dann hat das sehr gut funktioniert. Die Zahl der Insolvenzen ist Gott sei Dank sogar gegenüber dem Vergleichswert von vor der Covid-Krise zurückgegangen.

Jetzt bin ich natürlich nicht ganz objektiv – das gebe ich schon zu –, wenn ich hier sage, dass es besser ist und dass die Hilfsmaßnahmen geholfen haben. Sie können aber auch die internationalen Experten – nicht einmal die Österreicher, die auch, aber die inter­nationalen Experten von OECD, vom Währungsfonds und andere – anhören, die sehr wohl attestieren, dass die Hilfsmaßnahmen sehr gut gewirkt haben. Man sieht eben auch an den Arbeitslosenzahlen und an den Insolvenzzahlen, dass das gut funktioniert hat – übrigens auch an den Ratings der internationalen Ratingagenturen, die uns gerade jetzt wieder, vor Kurzem, vor ein paar Tagen, die besten Werte attestiert haben. Auch die Ratingagenturen sehen uns da also auf einem sehr, sehr guten Weg.

Was – weil es auch angesprochen worden ist – die Covid-Hilfen insgesamt betrifft: Na­türlich haben wir dazugelernt, das wurde bereits gesagt, und natürlich hat es am Anfang auch keine Blaupause für diese Hilfsmaßnahmen gegeben, die wurden immer wieder sukzessive auch angepasst. Wir sind vom Umsatzersatz am Anfang in andere Berei­che – Ausfallsbonus beispielsweise – hineingegangen, und das funktioniert ja gut. Wir sehen das auch bei der durchschnittlichen Dauer der Bearbeitung durch die viel gescholtene Cofag, die übrigens einen sensationellen Job macht. Die durchschnittliche Auszahlungsdauer liegt mittlerweile bei sieben Tagen – also nur, dass man sich einmal auch die Dimensionen anschaut, dass die Cofag sehr gut arbeitet. Übrigens lade ich Sie noch einmal – ich mache das immer wieder gerne – ein, sich daran zu beteiligen, in den Cofag-Beirat zu gehen, um auch mitzuwirken und die oft geforderte Transparenz auch selber einzubringen, indem man auch an diesen Möglichkeiten teilnimmt. (In Richtung der sich zur Regierungsbank begebenden Bundesministerin Gewessler:) Grüß Gott, Frau Bundesministerin!

Möglichst unkomplizierte Maßnahmen, Hilfsmaßnahmen sind das eine, aber es braucht eben auf der anderen Seite auch ein gewisses Mindestmaß an Regeln, die einzuhalten sind. Es braucht ein Regelwerk, das sicherstellt, dass Anträge berechtigt sind, und es muss auch ein System geben, das Kontrollen zulässt, Kontrollen im Vorhinein, aber eben auch im Nachhinein.

Damit geht es eben um die konkreten Inhalte des COVID-19-Compliance-Gesetzes. Ich meine, dass die Auszahlung von Förderungen an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, ist ja nichts Neues, das ist ja hoffentlich bei allen Förderungen üblich. Selbstverständlich enthalten auch die Förderrichtlinien der Cofag solche Bedingungen. Alle Produkte haben das übrigens.

Zu Kollegen Ofner nur ganz kurz: 26 Millionen Euro, die zu viel ausbezahlt worden sind, sind freiwillig zurückbezahlt worden; freiwillig, 26 Millionen Euro. Also da sieht man, dass die Kontrollsysteme auch ganz gut funktionieren.

Wer eben diese Bedingungen nicht einhält, muss für den betroffenen Zeitraum, in dem er die Regeln nicht eingehalten hat, natürlich zurückzahlen. Das ist auch nichts Bös­williges oder Überraschendes. Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob das gerechtfertigt ist. Das kann man immer; aber ja, es ist gerechtfertigt. Selbstverständlich ist es ge­rechtfertigt, weil es um das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler geht, und wenn man sich nicht an Regeln hält, hat man das gefälligst auch zurückzuzahlen. Wie gesagt kann man ja nicht einfach ohne Regeln Geld ausschütten; und wenn man sich nicht daran hält, dann bitte um Rückzahlung.

Was die Abwicklung betrifft, war es ja auch interessant, was Sie gesagt haben: Die Abwicklung an sich muss rechtskonform sein. Wir leben in einer Demokratie, wo Gott sei


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Dank schon gewisse Standards einzuhalten sind, in dem Rechtsstaat, in dem wir leben, und diese Abwicklungsmodalitäten wurden ja mit den Ländern und Gemeinden abge­sprochen, mit den Bezirksverwaltungsbehörden, die Sie angesprochen haben. Wir brau­chen in einem Rechtsstaat eben eine gewisse Abwicklungsform, gewisse Regeln, die wir einzuhalten haben. Das wurde mit den Ländern, mit den Gemeinden, mit den Städten intensiv und ausgiebig diskutiert.

So, jetzt liegt das Ergebnis vor, und ich lade Sie ein, dieses Ergebnis, das sehr praxisbe­zogen ist, wie wir ja auch von den Ländern und Gemeinden hören, entsprechend breit zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.42


16.42.12

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Ich darf Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler hier im Plenum begrüßen – herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern im Zusammenhang mit der Verlängerung der Finanzausgleichsperiode bis Ende des Jahres 2023.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Kinderbetreuungs-Zweckzuschussgesetz des Bundes zur Umsetzung eines Gratis-Angebots in der Elementarpädagogik“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 139

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Beschluss des Bundesrates ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein COVID-19-Compliance-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

16.45.245. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Beendi­gung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1239 d.B. und 1300 d.B. sowie 10894/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und Rumänien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (1240 d.B. und 1301 d.B. sowie 10895/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (1284 d.B. und 1302 d.B. sowie 10896/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Estland zur Beendigung des Ab­kommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Estland über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1285 d.B. und 1303 d.B. sowie 10897/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Beendigung des Ab­kommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (1310 d.B. sowie 10898/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 5 bis 9, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 5 bis 9 ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Ich bitte um die Berichte.


16.47.20

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Re­publik Österreich und der Tschechischen Republik zur Beendigung des Abkommens


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zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderati­ven Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Ös­terreich und Rumänien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Ös­terreich und der Republik Estland zur Beendigung des Abkommens zwischen der Re­publik Österreich und der Republik Estland über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Bericht liegt ebenso in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Ös­terreich und der Republik Litauen zur Beendigung des Abkommens zwischen der Re­publik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von In­vestitionen.

Ebenso liegt dieser Bericht in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben. – Vielen Dank.


16.49.39

Vizepräsident Günther Novak: Zu diesen Tagesordnungspunkten liegen keine Wort­meldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 141

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechi­schen Republik zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bul­garien zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Re­publik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Est­land zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Repu­blik Estland über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Der Antrag ist somit einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Li­tauen zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Re­publik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.52.3810. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betref­fend EU-Vorhaben 2022 (III-775-BR/2022 d.B. sowie 10899/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 10 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich bitte um den Bericht.


16.52.58

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Bericht des Bundesministeriums für Digi­talisierung und Wirtschaftsstandort betreffend EU-Vorhaben 2022.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 142

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, somit komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend EU-Vorha­ben 2022 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm das Wort.


16.53.43

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich werde über den Bericht selbst nicht viel berichten, das wer­den meine Nachfolger tun. Es ist im Bericht auch nicht viel Berichtenswertes drinnen, außer den üblichen Phrasen vom „Fit für 55“-Programm, von Nachhaltigkeit und Resi­lienz, vom Aufbau globaler Wertschöpfungsketten – auch sehr interessant bei der jetzi­gen Sanktionspolitik auch gegenüber China, wie man diese globalen Wertschöpfungs­ketten aufbauen wird –, es geht um die Brückenenergie Gas; auch interessant, wie diese Brückenenergie Gas angesichts der jüngsten Ereignisse ausgebaut werden wird.

Über all das werde ich nicht reden. Worüber ich aber reden werde, ist das Geld, das dahintersteckt, denn hinter diesem ganzen Vorhabensbericht stecken die berühmten 750 Milliarden Euro Aufbau- oder Wiederaufbau- und Resilienzfazilität der Europäischen Union. Es ist auch wichtig, dass der österreichische Zuhörer und Steuerzahler weiß, was mit seinem Geld passiert.

Erstens einmal haben wir den Brexit gehabt: Per 31. Dezember 2020 war Großbritannien endgültig weg. Damit waren 13,5 Prozent der europäischen Bevölkerung weg, 18 Pro­zent der Wertschöpfungsleistung. Man sollte glauben, dass die Europäische Union, die ein Jahresbudget von ungefähr 120 Milliarden Euro hat, die 40 000 Beamte im engeren Bereich beschäftigt – dazu kommen noch die Agenturen –, dann ihren Verwaltungsauf­wand im Bereich von 10, 12 Prozent reduziert. Wie wir aber auch gestern von berufener Seite gehört haben, nämlich von unserer Vertreterin im Europäischen Rechnungshof, denkt die Europäische Union nicht daran. Sie hat nur zugesagt, dass die Erhöhung des Aufwands für die eigene Verwaltung unterhalb der Inflationsrate bleiben wird.

Das führt dazu, dass Österreich als verbliebener Nettozahler jetzt erstens 2,8 Prozent aller Kosten der Union tragen muss und zweitens der Jahresbeitrag auf ungefähr 3,7 Mil­liarden Euro steigt. Diese Fazilität kommt natürlich nicht aus der Steckdose wie der Strom bei den ganzen Diskussionen um die erneuerbaren Energien, sondern sie kommt von den Beitragszahlern. Die Beitragszahler können sich überlegen, ob sie entweder direkt einzahlen oder ob sie einen Teil ihrer Steuereinnahmen abliefern. Das sind dann die sogenannten Eigenmittel der Europäischen Union.

Bei 2,8 Prozent und einer Fazilität, die 750 Milliarden Euro plus ungefähr weitere 56 Mil­liarden Euro an Nebenkonten beträgt, also rund 800 Milliarden Euro, machen unsere 2,8 Prozent rund, sagen wir es einmal abgerundet, 22 Milliarden Euro aus, also müssen wir in der einen oder anderen Weise für 22 Milliarden Euro plus Finanzierungskosten aufkommen und bekommen aus dieser Fazilität, das ist bereits festgestellt und festge­schrieben, 3,5 Milliarden. Das heißt, diese Wiederaufbaufazilität allein kostet Österreich 18,5 Milliarden Euro. Vielleicht werden meine Nachredner jetzt erzählen: Ja, aber wir haben schon 17 Prozent Vorschuss erhalten. – Stimmt, wir haben irgendwann einmal, am 28. September 2021 nach Einreichung eines riesigen Vorhabensberichts, 450 Millio­nen Euro Vorschuss auf unsere 3,5 Milliarden erhalten – bei einer Geschichte, die uns 18,5 Milliarden netto kostet, ein Riesengeschäft. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)


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Das alles sollen und müssen die Österreicher und die Steuerzahler wissen, und dann können sie, glaube ich, der folgenden Diskussion und den Ausführungen der Ministerin mit viel mehr Faktenbasis lauschen.

Ich darf mich hiermit verabschieden und auf meine Bank zurückziehen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

16.57


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile ihm das Wort.


16.57.57

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei die­sem Tagesordnungspunkt beschäftigen wir uns mit Gang und Lage des Wirtschafts­standorts Europa und mit den Herausforderungen, die auf die europäische Wirtschaft und auf den europäischen Wirtschaftsstandort zukommen.

Da das Ganze sehr dynamisch in der Entwicklung ist, verändern sich diese Herausfor­derungen auch entsprechend dynamisch. Wären wir ein Wirtschaftsunternehmen, wür­den wir eine Swot-Analyse anstellen. Wir würden Strengths und Weaknesses, Oppor­tunities und Threats diskutieren, also Stärken und Schwächen, Herausforderungen und Chancen. Diese Herausforderungen, auf die ich eingangs eingehen möchte, verändern sich eben sehr, sehr dynamisch und sind verschiedenen Ereignissen geschuldet.

Bevor man auf einzelne Maßnahmen eingeht, die in diesem Bericht auch erwähnt sind, ist es wichtig, glaube ich, noch einmal die Gesamtsicht zu haben. Es ist zum einen die geopolitische Herausforderung – wir haben heute den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine bereits besprochen –, aber mit diesem Krieg ist auch die geopolitische Lage und damit der Wirtschaftsstandort Europa und damit der Wirtschaftsstandort Österreich ganz besonders betroffen.

Wir wissen, dass die Versorgungssicherheit für die privaten Haushalte, aber natürlich auch für die Unternehmungen ein wichtiges Thema ist, und wir wissen, dass die ak­tuellen Preisanstiege im Energiebereich eine besondere Herausforderung für die Unter­nehmungen darstellen. Mit Blick auf den produzierenden Bereich – ich bin Kollegin Schu­mann dankbar, sie hat es heute in ihren Ausführungen auch schon erwähnt – spielt es für einzelne Branchen eine ganz besondere Rolle, wenn es zu Unterbrechungen in der Energieversorgung kommt. Die Branchen von Glas über Papier, Chemie, Stahl, Nicht­eisenmetalle, Stein, Keramik bis zu Nahrungsmitteln sind kritisch, und bereits vor dem Ukrainekrieg bestehende Schwierigkeiten in den Lieferketten intensivieren sich dadurch natürlich. Die Rohstoffversorgung ist ein großes Thema, ebenso die Belieferung mit Vorprodukten, etwa Halbleiter, Mikrochips, und unsere Automobilindustrie und unsere zuliefernde Automobilindustrie leiden bereits darunter. Erste Maßnahmen waren ja in Form von Kurzarbeit auch schon spürbar.

Also die geopolitische Lage wirkt auf den europäischen Wirtschaftsstandort ein. Die Fol­gen und die Wirkungen der Pandemie sind noch nicht überstanden und natürlich auch eine Herausforderung, insbesondere was beispielsweise in Form der Reindustrialisie­rung auch den pharmazeutischen Sektor betrifft. Die Inflationserwartungen sind durch­aus wachstumsdämpfend. Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, ich weiß es zumindest nicht, ob es zu einer Zinserhöhung kommt oder nicht, aber morgen tagt die Europäische Zen­tralbank, und dort wird wieder einmal die Frage der Inflation gewürdigt werden. Jeden­falls hat es nicht nur für die privaten Haushalte Auswirkungen, sondern auch für die öf­fentlichen und wird damit eine zusätzliche Herausforderung darstellen.

Was mich persönlich sehr nachdenklich stimmt, ist die Meinung kompetenter Wirt­schaftsforscher, die immer mehr am Horizont auch das Orakel einer Stagflation sehen,


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also einer Stagnation und Inflation. Das bedeutet nichts Gutes für den Wirtschafts­standort Europa.

Dazu kommt, nicht nur in unserem Land, aber auch in Österreich, eine demografische Entwicklung einer älter werdenden Bevölkerung, was einen enormen Druck auch auf die Mobilisierung der Arbeitskräfte im Land ausübt, insbesondere auf die Fachkräfte. Das spüren alle Wirtschaftsunternehmungen, von den kleinen über die mittelgroßen bis zu den Industriebetrieben. Es sind daher enorme Herausforderungen auf den Wirtschafts­standort Europa zukommend.

Es ist ein umfangreicher Bericht, den die Troika für die nächsten 18 Monate vorhat. Ich hatte gestern die Gelegenheit, mich persönlich noch einmal mit dem französischen Bot­schafter Gilles Pécout auszutauschen. Die französische Ratspräsidentschaft hat ein en­gagiertes Programm vor, in einem Jahr, wo es Präsidentschaftswahlen in Frankreich gibt. Mal sehen, was im europäischen Konzert in diesen Monaten leistbar ist.

Jedenfalls zielen alle diese Maßnahmen darauf ab, „Wachstum“ in Europa möglich zu machen – ich muss das mittlerweile unter Anführungszeichen setzen, weil der geopoliti­sche Rahmen und die Entwicklungen auf den Energiemärkten ein großes Fragezeichen dazu setzen –, jedenfalls aber haben sie die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsstandortes im Auge.

Ich persönlich begrüße außerordentlich, dass größte Anstrengungen unternommen wer­den, eine Reindustrialisierung in einzelnen Wirtschaftsbereichen des Wirtschaftsstand­ortes Europa und damit auch des Wirtschaftsstandortes Österreich vorzunehmen. Das spielt im Bereich Batterien eine Rolle, das spielt im Bereich Mikrochips eine Rolle, das spielt im Bereich Pharmazie eine Rolle. Da hat Europa Möglichkeiten im Globalisie­rungsprozess aufgegeben, und es wird schwer genug werden, diese Möglichkeiten wieder zurückzuholen. Es wird aber notwendig sein, auch in Kenntnis, dass manche Rohstoffe nicht in Europa in dem Ausmaß vorhanden sind, das wir brauchen, und wir damit immer auch internationalem Einfluss ausgesetzt sind.

Ich möchte darauf hinweisen, dass in diesem Bericht auch ein Projekt erwähnt wird, das ich für sehr klug halte, nämlich die Important Projects of Common European Interest. Das geht in Richtung der Industriestrategie, das geht eben in Richtung dieser Wirt­schaftszweige, womit wir die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit des Wirtschafts­standortes Europa stärken wollen.

Wenn ich über Wirtschaft rede, ist in Österreich natürlich ein Faktum, dass wir einen großen Teil unserer Wertschöpfung aus dem Export generieren und damit auch die Si­cherung unserer Arbeitsplätze. Das ist in Zeiten geopolitischer Verwerfungen eine be­sondere Herausforderung. Es bedeutet aber auch, dass wir größten Wert darauf legen müssen, ein regelbasiertes internationales, multilaterales Welthandelssystem zu haben, und ich unterstütze daher alle Maßnahmen der WTO, die in diese Richtung gehen. Es gibt große Einflussbereiche dieser Welt, die unilateral gerne diese Verträge abschließen. Ich freue mich, dass mit Amerika da auch in den vergangenen Quartalen Erfolge erzielt werden konnten, dass man wieder stärker auf WTO und Multilateralität setzt. Das ist auch für unsere Betriebe, insbesondere die großen, exportorientierten, ein wichtiges Faktum, um Sicherheit zu generieren, um zu wissen: Im internationalen Handel wird fair miteinander umgegangen.

Ich schließe und sage: Das Wirtschaftsministerium hat auch einen Prozess für eine neue Standortstrategie gestartet. Ich war selbst in Graz dabei, als die Wirtschaftsministerin diese Standortstrategie mit Stakeholdern diskutiert hat, der Rollout findet ja in allen Bun­desländern statt. Stakeholder sind die Wirtschaft und die Industrie, auf der anderen Seite aber auch unsere Universitäten und unsere außeruniversitären Forschungseinrichtun­gen. Ich glaube, es ist wichtig hervorzuheben, dass wir ganz besonders auf das Thema


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der Innovation als einen ständigen Prozess der Erneuerung unserer Wirtschaft setzen müssen, denn dann ist halbwegs sichergestellt, dass wirtschaftliche Entwicklung möglich ist, dass Entwicklung bei den Arbeitskräften möglich ist und damit wir unseren Wohl­stand, der in den vergangenen Jahren entstanden ist, auch erhalten können. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.07


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ste­fan Schennach. – Ich erteile dieses.


17.07.32

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Ich mag den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Herr Hübner ist allerdings leider nur ein Abklatsch davon, denn diese Rede habe ich heute zum zehnten Mal gehört, den Antrag übrigens auch, den Sie immer und immer wieder einbringen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Sie könnten doch einmal einen Beistrich versetzen! Nein, es ist immer ident, dieselbe Geschichte!

Ja, natürlich hat die EU durch den Brexit – durch den schweren Fehler Großbritanniens, siehe ihre Wirtschaft! – weniger Einnahmen, aber es ist nicht die Begehrlichkeit der EU, jetzt zu sagen, wir brauchen mehr Einnahmen. Es ist die Begehrlichkeit der Mitgliedslän­der! Jetzt schaut mich Kollege Preineder an; er ist ein Vertreter der Landwirtschaft. Was würden denn die Menschen in der Landwirtschaft sagen, wenn wir ihnen sagen: Na ja, jetzt müssen wir aber das Agrarbudget reduzieren, jetzt müssen wir das Kohäsionsbud­get reduzieren!? – Nein!

Und da kommt die EU-Kommission auf eine hervorragende Idee und legt eine ganze Palette für Möglichkeiten der Aufbringung von Eigenmitteln vor. Die reduzieren nicht, Herr Hübner – zum zehnten Mal jetzt! –, die reduzieren nicht die nationalen Anteile, weil ja das Gesamtbudget entsprechend viel braucht. Nein, diese Eigenmittel, die die EU-Kommission vorschlägt, machen genau diese Lücke des Brexits zu. Und das sind 25 Prozent aus dem EU-Emissionshandel, dem Emission-Trading-System, 75 Prozent aus dem CO2-Grenzausgleichssystem Carbon Border Adjustment Mechanism und 15 Prozent aus den zu versteuernden Anteilen aus den Residualgewinnen der größten und rentabelsten multinationalen Unternehmen – ist doch gut so. Ist doch gut so! Das sind Eigenmittel, die erwirtschaftet werden.

Herr Hübner erzählt jedes Mal die Geschichte. Wir werden sie das zehnte, das zwölfte, das 15. Mal hören. Wir werden wahrscheinlich nicht müde werden, diese Anträge abzu­lehnen, weil sie einfach nur Nonsens sind. Es tut mir leid, das zu sagen.

Aber kommen wir zur Jahresvorschau: Herr Präsident, da ist etwas drinnen, was Ihnen als Kärntner besonders gefällt, nämlich die European Chips Charta. Dort geht es um etwas, was die Frau Bundesministerin im Bereich der fossilen Energiestoffe macht. Hier geht es darum, dass wir die extremen Abhängigkeiten im Bereich Halbleiter, Magnesium, Lithium reduzieren. Warum spreche ich den Präsidenten an? – Weil eine der größten Chipfirmen weltweit Infineon in Kärnten ist. Für diese ist es überlebensnotwendig, dass wir aus diesen Abhängigkeiten kommen, und diese European Chips Charta gibt Hoff­nung, dass auch dieses Halbleitersystem weiterkommt. Ich glaube, in Europa haben wir drei Firmen in etwa dieser Größe von Infineon, und durch Kärnten spielen wir da in der allerallerersten Liga.

Nun, was ist noch enthalten? Die Revision des EU-Emissionshandelssystems habe ich vorhin schon angesprochen. Ich glaube, Kollege Buchmann hat es auch angesprochen, etwas ganz, ganz Wichtiges ist eine einheitliche und effektive Durchsetzung der beste­henden Binnenmarktregeln, und angedacht ist auch eine Reform des EU-Wettbewerbs­rechtes. Dabei geht es um eine Modernisierung dieses gesamten Beihilfensystems, spe­ziell für Forschung, Entwicklung, Innovation.


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Kollege Preineder, wir diskutieren ja immer, dass das EU-Budget oft so ausschaut, als ob wir ein agrarischer Entwicklungskontinent sind, weil es so viel für den Agrarbereich und so wenig für Forschung gibt. Jetzt sind aber wieder 95,5 Milliarden Euro für Horizon Europe verankert. Das heißt, da geht es um EU-Forschungsprogramme. Das ist die Zu­kunft. Der Agrarbereich ist auch wichtig (Heiterkeit des Bundesrates Preineder), aber es geht da ganz massiv um Zukunftsprogramme. Dazu kommt noch die European Digital Strategy.

Was in diesem Bericht – Herr Buchmann, das haben Sie zu erwähnen vergessen, das sollte man aber erwähnen – sehr richtig abgebildet ist, ist der Beschluss des EU-Aus­schusses des Bundesrates. Da steht wortwörtlich drinnen: kein Mercosur-Abkommen! (Bundesrätin Schumann: Hört, hört!) Damit sind wir nicht alleine, der Nationalrat ist auch dabei, aber der Beschluss des Bundesrates ist extra erwähnt. (Bundesrätin Schumann: Brav!)

Was mir ein bisschen Sorgen macht, ist die Erwähnung, dass es dank Biden zum Frei­handelsabkommen zwischen der EU und den USA kommen könnte. Das ist eines dieser alten Schieflageabkommen mit keinen Fragen zu sozialen und ökologischen Kriterien. Ehrlich gesagt, hoffe ich nicht, dass es dazu kommt, denn dann kommen wir auch wieder in die Nähe des Mercosur-Abkommens. In diesem Sinne nehmen wir diese Jahresvor­schau zur Kenntnis. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.14


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mar­co Schreuder. – Ich erteile Ihnen das Wort.


17.14.08

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß jetzt nicht, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMDW hier sind. – Ja, sie sind hier, wunderbar! Auf jeden Fall vielen Dank für einen sehr, sehr langen und sehr ausführlichen und sehr interessanten Bericht. An einem Tag mit üppiger Tagesordnung kann man nicht in aller Üppigkeit darauf einge­hen, sondern nur gewisse Punkte herausgreifen.

Eines möchte ich aber schon vorab sagen, und das zieht sich ja auch durch den ganzen Bericht, was auch wir als Bundesregierung in das Zentrum unserer Arbeit gerückt haben, nämlich dass es drei Bereiche gibt, in die man besonders investieren muss und worauf man auch in der Wirtschaftsentwicklung besonders achten muss. Das ist die Digitalisie­rung, das ist der Klimaschutz und das sind auch die Gesundheitspolitik und Lifescience. Das zieht sich auch durch den ganzen Bericht.

Weil sie noch gar nicht genannt worden sind, möchte ich doch die sechs Schwerpunkte des Berichts nennen, damit die Leute, die zuschauen, sie auch kennen. Es geht um sechs Schwerpunkte, nämlich erstens: „Sicherstellung einer effektiven Entwicklung für grünes und nachhaltiges Wachstum“; zweitens: „Stärkung des Binnenmarktes und Ent­wicklung einer umfassenden, resilienten und koordinierten Industriepolitik zur Förderung von Wachstum und Innovation“; drittens: „Ausbau der Investitionen in die digitale Trans­formation“; viertens: „Stärkung eines fairen, wertebasierten Handelssystems mit und durch eine modernisierte WTO“; fünftens: „Arbeiten an einem klimabewussten und nach­haltigen Europa“; sechstens: „Sicherstellung eines gemeinsamen Europas, das die Ge­sundheit schützt“.

Auch in diesem Programm ist nichts Geringeres verpackt, als dass Europa beziehungs­weise der Teil der Europäischen Union 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent wird. Das ist eine notwendige, natürlich aber auch sehr ambitionierte Sache.

Der Ausbau erneuerbarer Energien ist dabei natürlich auch in dem Bericht ein ganz wich­tiger Faktor. Als ich den Redetext schrieb, dachte ich, die Frau Wirtschaftsministerin ist


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 147

hier (in Richtung Bundesministerin Gewessler), in Ihrem Fall ist es natürlich sozusagen preaching to the converted. Im Bericht steht ja auch noch, dass Gas ein essenzieller Bestandteil der Energiewende sei. Das ist natürlich auch durch die aktuelle Situation einfach nicht mehr in dem Sinne aufrechtzuerhalten, und selbstverständlich gibt es jetzt die Bemühungen, das zu verändern. Raus aus Öl und Gas ist ein ganz zentraler Bestand­teil (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), um Energieautarkie in Europa zu erreichen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Aber es sind zum Glück ja wichtige Maßnahmen seitens der Europäischen Kommission vorgeschlagen: Emissionshandel für neuere Sektoren und strengere Auflagen im Rahmen des bestehenden Emissionshandelssystems der EU; verstärkte Nutzung er­neuerbarer Energien, habe ich schon genannt; mehr Energieeffizienz – auch ein ganz wichtiger Punkt; schnellere Einführung emissionsarmer Verkehrsträger und entspre­chender Infrastruktur und Kraftstoffe; die Angleichung der Steuerpolitik an die Ziele des European Green Deal – da haben wir die ersten Schritte ja erfreulicherweise gemacht – und Maßnahmen zur Prävention der Verlagerung von CO2-Emissionen.

Einen weiteren Punkt möchte ich noch hinzufügen, denn ich bin ja auch in der Wirt­schaftskammer in meiner Fachgruppe aktiv, das werde ich der Wirtschaftsministerin natürlich auch einmal persönlich sagen: Es gibt eine Reihe ganz toller Förderprogramme für KMUs seitens der Europäischen Union, InvestEU, InnovFin und ganz viele dieser Projekte. Dabei gibt es durchaus oft noch das kleine Defizit, dass viele davon gar nichts wissen. Über diese Wissensvermittlung hinsichtlich dieser Förderprogramme der Euro­päischen Union werden wir sicher auch einmal in der Wirtschaftskammer reden können, wie wir noch eine effizientere Plattform oder irgendetwas finden können, damit schneller über diese Förderungen überhaupt Bescheid gewusst wird. Das ist sicher eine Heraus­forderung, die wir angehen müssen.

Auch ich möchte zum Schluss noch einen Punkt herausnehmen, nämlich das Lieferket­tengesetz. Ich glaube, das Problem ist eigentlich hinlänglich bekannt. Obwohl das Be­wusstsein für die Herkunft von Lebensmitteln und Konsumgütern wächst und sich die Produktionsstandards schrittweise auch verbessern, gibt es immer noch viel Schokolade in unseren Regalen, in der Kinderarbeit steckt, Jeans beim Textildiskonter, in deren Stoff gefährliche Chemikalien stecken, Näherinnen, die unter sklavenähnlichen, ausbeuteri­schen Verhältnissen arbeiten. Natürlich ist jetzt in der Teuerungszeit vielleicht auch der Wunsch nach billigen Produkten wieder groß, aber gerade da ist es wichtig, dass wir das nicht auf Kosten von Hungerlöhnen und Ausbeutung machen.

Die Lösung dafür liegt eindeutig in den Produkten, die bei uns verkauft werden. Für diese braucht es nämlich diese gesetzlich festgeschriebenen Menschenrechts- und Umwelt­standards schon in der Produktion. Jahrelang wurde in diesen Fragen auf freiwillige Handlungsempfehlungen gesetzt, und die hatten nicht diesen versprochenen, aber not­wendigen Effekt. Ich glaube, es kann nur im Interesse der Wirtschaft selbst, der Ge­sellschaft im Allgemeinen, der Politik, aber auch der Konsumentinnen und Konsumenten sein, hier Klarheit zu haben und zu wissen, woher das kommt, und dass gewisse Stan­dards selbstverständlich werden.

Abschließend: Wir nehmen den Bericht gerne zur Kenntnis. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.20


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Gewessler. – Bitte.


17.20.20

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Werter Herr Präsident! Werte BundesrätInnen!


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Ich habe die Ehre, heute Margarete Schramböck zu vertreten. Sie ist beim informellen Wettbewerbsrat. Ich wollte nur ganz kurz ein paar Dinge aus der Diskussion aufgreifen, die vor allem zeigen, wie wichtig auch der Industrieteil für die Energiewende und für den Klimaschutz ist und wo hier die Querverbindungen liegen. Ich möchte nur drei Dinge aufgreifen: Das eine ist die Industriestrategie, das Zweite ist das Wettbewerbsrecht und das Dritte ist der Forschungsbereich – Bundesrat Schennach hat ja auch schon darauf hingewiesen.

Die aktualisierte EU-Industriestrategie, die im Jahr 2022 weiter umgesetzt werden soll, hat ja Schwerpunkte, um in bestimmte Schlüsseltechnologien zu investieren und damit auch den grünen und digitalen Übergang, also die Transformation der europäischen Wirtschaft schneller voranzubringen. Ich glaube, was sich in diesem Zusammenhang und gerade vor den aktuellen Ereignissen, die wir mit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine ja alle mitverfolgen, noch einmal viel deutlicher abzeichnet oder noch viel deutlicher sichtbar ist, ist die Wichtigkeit, die in der Industriepolitik auch den Fragen der strategischen Autonomie Europas gegeben werden muss, was die Rohstoffversorgung und die Energieversorgung betrifft. Da spüren wir gerade schmerzlich, was unsere Ab­hängigkeit bedeutet. Das heißt aber auch Diversifizierung von Liefer- und Wertschöp­fungsketten im Sinn der Versorgungssicherheit, also auch hier wieder intensive Quer­verbindungen.

Im EnergieministerInnenrat haben wir uns darüber unterhalten, was es zur Stärkung der Liefer- und Wertschöpfungsketten der erneuerbaren Energien in Europa braucht und welche Unterstützungsmaßnahmen wir dabei brauchen. Das ist aber auch ein Faktor, wenn wir über strategische Autonomie im Rohstoffbereich reden, wo es darum geht, vor dem Hintergrund einer Kreislaufwirtschaft Sekundärrohstoffmärkte zu entwickeln. All das verbirgt sich hier auch und all das sind enorm wichtige Punkte, wie die Industriestrategie auch einen enormen Einfluss auf das Gelingen von Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft hat, wie es Bundesrat Schreuder schon erwähnt hat.

Das Thema Wettbewerbsrecht ist natürlich auch ein beständiger Begleiter der Diskus­sionen im Rat der Umweltminister und Umweltministerinnen, auch der Energieminister und -ministerinnen. Auf Klimaschutz, Energiewende Rücksicht zu nehmen ist auch Wett­bewerbsrecht. Wir haben die beihilfenrechtlichen Hürden bei vielen der Fragen, die uns gerade in so einer Krisensituation, in der wir jetzt sind, immer wieder begegnen. Die brauchen einen zweiten Blick. Deswegen ist es wirklich sehr, sehr wichtig, dass das Wettbewerbsrecht auch 2022 noch einmal einen vertieften Blick bekommt, gerade was die Gruppenfreistellungsverordnungen betrifft. Da gibt es einfach sehr wichtige Quer­verbindungen zum Gelingen der Energiewende, die eine verstärkte Beobachtung und Bedeutung brauchen.

Der dritte Punkt, auf den ich noch kurz hinweisen wollte, ist die Frage Forschung und Innovation. Es wurde schon (in Richtung Bundesrat Schennach) – ich glaube von Ihnen, Herr Bundesrat – die Frage der Ipcei-Projekte als ein Thema des Horizon-Europe-Pro­gramms erwähnt. Das sind enorm wichtige Anker für eine zukunftsfähige Weiterentwick­lung unserer Wirtschaft. Österreich hat traditionell enorm hohe Abrufraten in den Hori­zon-Programmen. Wir werden auch in meinem Ministerium alles dafür tun, dass wir das weiter so haben und weiter so abrufen können.

Österreich beteiligt sich insbesondere auch an der Horizon-Mission klimaneutrale Städ­te. Die Städte, die dafür infrage kommen, haben wir schon kontaktiert. Das sind wirklich ein enormes Potenzial und eine enorme Chance, die uns diese EU-Programme eröffnen, deswegen ist es auch jeden Cent des Mitgliedsbeitrages wert, um es nur noch einmal zu sagen.

Die Ipcei-Projekte sind ein zweiter wichtiger Schwerpunkt, die insbesondere industriefo­kussiert sind. Auch dabei ist mein Ministerium sozusagen der Focal Point in Österreich


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für die Entwicklung. Wir sind derzeit bei drei Programmen dabei, bei zwei, die schon laufen, Mikroelektronik und Batterien. Batterien sind auch eine enorm wichtige Wert­schöpfungskette für die Energiewende – auch hier wieder eine Querverbindung –, und wir arbeiten auf europäischer Ebene gerade sehr intensiv am Ipcei Wasserstoff.

Warum sind die wichtig? – Die Ipcei-Projekte ermöglichen leichtere beihilfenrechtliche Regelungen. Man kann insbesondere in einer Phase der Etablierung von Wertschöp­fungsketten, beim Markthochlauf viel gezielter und umfassender unterstützen, als es unter den normalen beihilfenrechtlichen Regelungen möglich wäre. Und deswegen ist es so wichtig, auf beiden Seiten zu agieren, in der Forschungs- und Innovationsförde­rung, aber wir brauchen für die Herausforderungen der Zukunft eben auch ein ange­passtes Wettbewerbsrecht.

Insofern werde ich Kollegin Schramböck gerne Ihre vielfältigen und positiven Rückmel­dungen zum Bericht übermitteln und sage herzlichen Dank für die Diskussion. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

17.25


17.25.48

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.26.2511. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (1328 d.B. und 1358 d.B. so­wie 10891/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich bitte um den Bericht.


17.26.48

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Ich darf Ihnen den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. März 2022 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Jetzt muss ich die Sitzung unterbrechen, weil meine Kollegin, die mich ablösen sollte, gerade hinausgegangen ist. (Bundesrat Preineder: Kannst ja weitertun derweil! – Bundesrat Leinfellner: Ziehst halt den Nächsten vor!) – Gut, dann gehen wir weiter.

Zu Wort gelangt als Erstredner Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


17.28.06

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Diese weitere Novelle des Umweltförderungsge­setzes ist meines Erachtens eine ziemlich coole Sache. Damit setzt sich nämlich eine


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Serie wesentlicher Verbesserungen, Ausweitungen, weitreichender budgetärer Stärkun­gen und Finanzierungssicherheiten in der Umweltförderung fort. Dabei geht es um beein­druckende Summen. Schon ohne diese Novelle stehen bis 2025 rund 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung.

In dieser Novelle nun geht es zusätzlich um die Verankerung von Maßnahmen im Rah­men des österreichischen Aufbau- und Resilienzplans, dessen Volumen rund 700 Millio­nen Euro beträgt. Übrigens sei angemerkt, im österreichischen Aufbauplan ist mit knapp 59 Prozent im Vergleich zum europäischen Schnitt von 37 Prozent ein besonders hoher Anteil an Umwelt- und Klimaschutzausgaben vorgesehen – also doch sehr deutlich höher.

Ich möchte einen kleinen Überblick zu den Änderungen und Verbesserungen geben. Besonders aktuell ist natürlich das Thema raus aus Öl und Gas, wofür 2021 und 2022 unter Einrechnung der zusätzlichen Möglichkeiten aus der Steuerreform insgesamt rund 800 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Um uns aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu befreien, gibt es eben nur den Weg zu den erneuerbaren Energieträ­gern, ebenso unerlässlich ist dies selbstverständlich für den Klimaschutz, nach dem Motto: Sonne rein, Gas raus!

50 Millionen Euro – und das ist neu – können künftig im Sinne der Vermeidung von Ener­giearmut eingesetzt werden, um zum Beispiel Gebäude von karitativen Einrichtungen, die schutzbedürftige Menschen beherbergen, thermisch zu sanieren oder auf erneuer­bare Energieträger umzustellen, eben mit dem Ziel, durch diese Maßnahmen die be­troffenen Menschen finanziell nicht zusätzlich zu belasten. Das finde ich eine besonders sympathische und treffsichere Maßnahme, und sie ist darüber hinaus eine Wertschät­zung der Arbeit dieser Einrichtungen.

Im Jänner ist – ich habe das im Plenum im Februar schon erwähnt – die Förderaktion für einkommensschwache Haushalte zur Heizungsumstellung auf Erneuerbare gestar­tet, im Zuge dieser werden bis zu 100 Prozent der Umstellungskosten ersetzt. Ich denke, das ist auch gerade in diesen Tagen und Monaten mit steigenden Gaspreisen und Heiz­ölpreisen besonders wichtig.

Dazu passt die Einführung eines Transformationsfonds zur Förderung von Industriebe­trieben im Sinne der Klimaneutralität im UFG. Dabei geht es wie gewohnt einerseits um klassische Investitionsförderung, aber neu ist, dass nun auch die Möglichkeit besteht, durch klimafreundliche Investitionen erhöhte Betriebskosten abzufangen, wenn etwa be­stehende CO2-Bepreisungen nicht ausreichen, solche Investitionen wirtschaftlich darzu­stellen, denn gerade neue Technologien sind manchmal am Anfang mitunter noch teu­rer, bringen aber in Folge wichtige Einsparungen und CO2-Reduktionen mit sich. Das ist ein Novum in Österreich und mit 100 Millionen Euro dotiert.

Es wird einen eigenen Biodiversitätsfonds geben, der mit 80 Millionen Euro dotiert ist, 50 Millionen Euro aus dem Aufbau- und Resilienzfonds. Das ist angesichts der drama­tisch schwindenden Artenvielfalt besonders wichtig. Wir haben das letztes Jahr im Bio­diversitätsbericht gesehen. Mit diesen Mitteln kann man besonders gefährdete Ökosys­teme unterstützen, sie können geschützt werden, es können Verbesserungsmaßnah­men gesetzt werden oder es ist überhaupt eine Wiederherstellung von Ökosystemen möglich. Außerdem soll auch die Datenlage zur Artenvielfalt mit der Hilfe dieser Mittel verbessert werden.

110 Millionen Euro – das ist auch ein erklecklicher Betrag – werden für die Förderung von Leergutrücknahmesystemen aufgewendet werden. Das ist eine wichtige Maßnah­me, um die Mehrwegquote zu erhöhen. Besonders hoch unterstützt – das möchte ich auch herausheben – können dabei kleine Lebensmittelhändler werden, und zwar mit einer Finanzierung von bis zu 100 Prozent der Kosten für ihre Rücknahmeeinrichtungen.


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Dazu passend werden Sortieranlagen mit einem Volumen von 60 Millionen Euro finan­ziell unterstützt. Auch das ist eine wichtige Vorkehrung, um die Sammel- und Recycling­quote anzuheben, die ja bis 2025 immerhin verdoppelt werden soll.

Ein besonders schönes Projekt ist der Reparaturbonus. Für die Reparatur von elektri­schen respektive elektronischen Geräten wird ein Volumen von 130 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mit einer Grenze von 200 Euro werden dabei bis zu 50 Prozent der Reparaturkosten ersetzt. Das kommt wiederum vor allem Klein- und Kleinstbetrieben zugute und stärkt nebenbei – übrigens ähnlich wie auch die Leergutrücknahmeförde­rung – die regionale Wirtschaft. Da gibt es viele regionale Initiativen als Wegbereiter, Sie kennen das sicher. Es gibt übers Land verteilt eine ganze Reihe von Reparaturinitiativen, unterstützt von Ländern und Gemeinden, und das ist ein sehr wichtiger erster Schritt. Auf EU-Ebene geht diese Debatte weiter, nämlich eine Diskussion über die Einführung eines Rechtes auf Reparatur, um die Reparaturfähigkeit von Geräten verbindlich zu verankern.

Nicht zuletzt möchte ich auf den Förderschwerpunkt klimafitte Ortskerne hinweisen. Da geht es schwerpunktmäßig um Nahwärmeversorgung für Ortskerne, gerade auch in Be­reichen, in denen derzeit noch eine Gasversorgung installiert ist. 50 Millionen Euro sind dafür reserviert.

Das sind also viele neue wichtige Initiativen zur Forcierung der Dekarbonisierung der Energieversorgung und zum Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft. Das Ganze soll auch bald starten und soweit möglich bereits im April beantragbar sein.

Diese Novelle zeigt, dass wir nicht nur im Setzen von rechtlichen Rahmenbedingungen konsequent vorgehen, sondern auch im Setzen von begleitenden Unterstützungsmaß­nahmen für Investitionen mit einer besonderen Berücksichtigung sozialpolitischer As­pekte, denn wir möchten – das ist wichtig –, dass alle in die Lage versetzt werden, zum Klimaschutz beitragen zu können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.35


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Schennach: Das ist eine Kontra­rede!)


17.35.44

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich beginne heute mit einigen der positiven Punkte, Frau Bundesminister. Die Förderprogramme sehen folgende Budgetvolumen vor, wie sie mein Vorredner schon besprochen hat: Positiv zu bewerten ist das Thema Leergutrücknahmesysteme und Maßnahmen zur Steigerung der Mehrwegquoten für die Getränkegebinde in der Größenordnung von 110 Millionen Euro, die Errichtung und Nachrüstung von Sortieran­lagen mit 60 Millionen Euro. Der Biodiversitätsfonds ist mit 50 Millionen Euro plus zusätz­lichen 30 Millionen Euro an nationalen Mitteln dotiert. Es ist prinzipiell ein positiver Punkt, der da gesetzt wird. Wir werden aber genau beobachten, ob das Geld nicht wieder vom Umweltschutz in Richtung andere Bereiche geschaufelt wird.

Bei der Reparatur von elektrischen und elektronischen Geräten in der Größenordnung von 130 Millionen Euro hätten wir Freiheitliche uns zwar einen höheren Betrag pro Aus­zahlung vorgestellt, aber mit 200 Euro ist einmal ein positiver Start erkennbar.

Wo wir aber ganz anderer Meinung sind, ist das sogenannte Wie beim Kesseltausch. Die sogenannte Sanierungsoffensive Raus aus Öl und Gas ist zwar auf der einen Seite mit 158,92 Millionen Euro dotiert, auf der anderen Seite über Bund und Länder mit 580 Millionen Euro. Warum kann das Ganze nicht abgeholt werden? In der Umweltaus­schusssitzung gab es diesbezüglich schon eine rege Debatte. Das schwarz-türkis-grüne


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Teuerungskomitee, welches sich auch bald als Beseitigungskomitee des österreichi­schen Mittelstands bezeichnen kann und mit ihren Gesetzen zusätzlich die Teuerung, die Inflation massiv erhöht, vergisst, dass sich die Bevölkerung, auch wenn sie die An­lagen teilweise bis zu 90 oder 100 Prozent gefördert bekommt, den Tausch nicht mehr leisten kann, da sie die Förderung erst dann ausbezahlt bekommt, wenn die Anlagen fertiggestellt und ausbezahlt sind.

Das ist unserer Meinung nach der Knackpunkt. Unserer Ansicht nach sollte man eine direkte Abrechnungsmöglichkeit vorsehen: Der ausführende Fachbetrieb sollte, nach­dem dem Förderungswerber die Förderzusage gegeben wurde, direkt mit der Förder­stelle die verschiedenen Umsetzungsfortschritte abrechnen können. Der Restbetrag sollte dem Förderungswerber je nach Einkommensnachweis ohne zusätzlichen Zinsauf­wand à la Landeskredit zum Beispiel ausbezahlt werden. Das wäre unserer Meinung nach soziale Umweltpolitik mit Hausverstand, von dem aber leider diese Bundesregie­rung kilometerweit entfernt ist. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Dies bestäti­gen auch die Aussagen von Kollegen Gross im Umweltausschuss, der meint, dass die Finanzierung überhaupt kein Thema sei.

In dieser angespannten, von Ihnen als Bundesregierung zusätzlich angeheizten wirt­schaftlichen Situation für die österreichische Bevölkerung werden wir Freiheitliche sicher nicht müde, Seite an Seite für und mit der Bevölkerung die Teuerung einzubremsen – 1,70 Euro für einen Liter Heizöl, 2,40 Euro für Benzin und Diesel: zu viel ist zu viel –, zum Beispiel mit unserem Verlangen auf den Anspruch auf einen Gratiskindergarten, um die Familien zu entlasten, wie wir heute schon von Kollegen Ofner gehört haben.

Das Ganze wird aber nicht ohne andere Maßnahmen gehen, wie zum Beispiel jener, dass der Konsumentenschutzausschuss des Nationalrates mittels Beschlusses die Prei­se ausgewählter Güter für einen bestimmten Zeitraum festlegen beziehungsweise deren Erhöhung ausschließen kann. Im Fokus dieser Maßnahmen soll ein abzubildender Wa­renkorb sein, der die Preise für Waren und Dienstleistungen wie etwa Lebensmittel­preise, Hygieneartikelpreise, Mietpreise, Heizkostenpreise, Spritpreise, Fahrtkosten­preise im öffentlichen Verkehr und so weiter beinhaltet.

Zugrunde liegen sollen dem Warenkorb Daten der Statistik Austria, die monatlich aktuell bereitzustellen sind. Ergeben sich deutliche Abweichungen bei einzelnen Endverbrau­cherpreisen, das heißt um mehr als 10 Prozent bei einzelnen Waren und Dienstleis­tungen, hat der zuständige Konsumentenschutzminister den Konsumentenausschuss damit zu befassen. Dieser hat dann in der Folge mittels Beschlusses den Konsumen­tenschutzminister mit der Erlassung eines Preisstopps zu beauftragen. Während befris­teter Preisstopps sollen Maßnahmen, die in Österreich, aber auch im Verhältnis zu an­deren relevanten Handels- und Wirtschaftspartnern zur Inflation geführt haben, nach Maßgabe ausgesetzt beziehungsweise gänzlich abgeschafft werden.

Da die Steuerreform keinerlei Maßnahmen setzt, um die oben angeführten Maßnahmen umzusetzen, sowie auch nicht geeignet ist, der Inflation beziehungsweise den steigen­den Treibstoffpreisen gegenzusteuern, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitli­ches Maßnahmenpaket gegen die grüne Inflation“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die ein Maßnahmenpaket gegen die ‚grüne Inflation‘ beinhaltet:


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- Schaffung eines Warenkorbs, der die Preise für Waren und Dienstleistungen wie etwa Lebensmittelpreise, Hygieneartikelpreise, Mietpreise, Heizkostenpreise, Spritpreise, Fahrtkostenpreise im öffentlichen Verkehr usw. beinhaltet.

- Bereitstellung der Daten zu den vom Warenkorb umfassten Kategorien durch die Sta­tistik Austria.

- Schaffung eines Preisbandes, welches beim Abweichen einzelner Endverbraucher­preise, d. h. mehr als zehn Prozent, beim zuständigen Konsumentenschutzminister eine Informationspflicht an den Konsumentenschutzausschuss des Nationalrats auslöst.

- Verpflichtung des Konsumentenschutzministers befristete Preisstopps (30, 60, 90 bzw. 120 Tage) für einzelne Waren und Dienstleistungen umzusetzen.

- Einführung einer Treibstoff-Preisdeckelung in Form einer Abgabenreduktion auf Treib­stoff.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

17.42


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „freiheitliches Maßnahmenpaket gegen die grüne Inflation“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm das Wort.


17.43.34

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Die recht­liche Grundlage für Umweltförderungen in Österreich gibt es seit dem Jahr 1993, denn damals ist das Umweltförderungsgesetz beschlossen worden. Heute beschließen wir die Novelle des Umweltförderungsgesetzes aus dem Jahr 1993 – ein ganz wesentlicher und positiver Schritt. Alles, was wir für Klima- und Umweltschutz tun können, müssen wir der heutigen Zeit anpassen.

Wir haben schon viel umgesetzt, Kollege Adi Gross hat schon vieles erwähnt. Wir haben für die Jahre 2021 und 2022 für thermische Sanierung und Heizkesseltausch 800 Millio­nen Euro zur Verfügung gestellt. Aus diesem Topf stehen für das Jahr 2022 noch 516 Millionen Euro zur Verfügung, für die Jahre 2023 bis 2025 wird insgesamt ein Bud­getrahmen von 1 140 Millionen Euro bereitgestellt.

Das heißt für mich: Wir müssen schauen, dass wir in der Umsetzung und in der Situation, in der wir heute sind, noch schneller, effizienter und besser werden und in Zeiten wie diesen unsere Klima- und Umweltpolitik selber noch stärker in die Hand nehmen, um mehr Unabhängigkeit zu erlangen.

Österreich ist Vorreiter, wenn es um das Thema Umwelt- und Klimaschutz geht. Unsere Bundesregierung arbeitet mit Nachdruck an der Umsetzung des Regierungsprogram­mes und der gesetzten Klimaziele, aber wir in Österreich werden die Welt alleine nicht retten können, es ist ein globales Thema. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vor­sitz.)

Viele Menschen fragen sich in dieser Zeit zu Recht: Was bringt uns die Zukunft? – Im Besonderen machen sich auch junge Menschen große Sorgen: Wie geht es mit der


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Klimaveränderung in Verbindung mit der schrecklichen Situation in Russland und der Ukraine weiter, wo alles nur Mögliche auf brutalste Art und Weise zerstört wird?

Trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir, und davon bin ich zutiefst über­zeugt, den eingeschlagenen Weg mit Nachdruck weitergehen. Die Schwerpunkte haben meine Kollegen schon berichtet. Natürlich, das Hauptthema, nämlich raus aus fossiler Energie hin zu erneuerbarer Energie, ist, glaube ich, wirklich ein Schwerpunkt. Der Re­paraturbonus ist angeschnitten worden, es ist darüber berichtet worden – auch das ist eine wichtige Maßnahme, um die Kreislaufwirtschaft zu forcieren.

Der Ausbau der Pfandsysteme ist ganz wesentlich und die Förderschiene Altlastensa­nierung wurde um Flächenrecycling erweitert – auch ganz wesentlich, um den Flächen­verbrauch stärker hintanzuhalten. Weiters ist natürlich auch die Bekämpfung von Ener­giearmut ein wesentlicher Teil und mit 50 Millionen Euro dotiert. Besonders einkom­mensschwache Personen und karitative und soziale Einrichtungen muss man damit un­terstützen – auch das ist besonders wichtig und sichergestellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein paar Gedanken aus Sicht der Landwirtschaft: In der ganzen Umwelt- und Klimadiskussion sehe ich die Landwirtschaft in Österreich als einen Teil der Lösung und nicht, wie doch sehr oft dargestellt wird, als einen Teil des Problems.

Vor genau zwei Wochen hat der Nationalrat dieses Umweltförderungsgesetz beschlos­sen, und was ist heute? Was ist in diesen zwei Wochen passiert? – Alles, ja wirklich alles hat sich schlagartig geändert. Wer hätte gedacht, dass in unmittelbarer Nähe von Öster­reich ein erbitterter Krieg geführt wird, Millionen Menschen auf der Flucht sind, viele Tote zu beklagen sind und so viel menschliches Leid passiert?

Es zeigt sich aber auch sofort, wie abhängig wir sind, wenn es um die Energieversorgung Österreichs und Europas geht, und es stellt sich die Frage: Was können und was müssen wir tun, wenn in den kommenden Jahren die Lieferung von Energie oder auch von Getreide aus der Kornkammer Europas versiegt?

Wir müssen, so glaube ich und bin ich überzeugt, die Agrarpolitik in Österreich und in der EU wieder neu denken. Die Landwirtschaft braucht jetzt wirklich jeden Quadratmeter landwirtschaftlichen Grund und Boden zur Bewirtschaftung, um die Lebensmittelversor­gung für die Menschen in unserem Land sicherzustellen. Die Bäuerinnen und Bauern wollen das und müssen das auch tun.

Dasselbe gilt für die Forstwirtschaft. Es nützt uns allen sehr wenig oder gar nicht, was die Europäische Kommission in ihrem Strategieplan zur Forstwirtschaft vorsieht, nämlich 10 Prozent des Waldes in Europa außer Nutzung zu stellen, wodurch der Rohstoff Biomasse für die Produktion von erneuerbarer Energie in Form von Strom und Wärme verlorengeht. In Zeiten wie diesen müssen wir schnell handeln und gemeinsam schauen, dass wir das wieder neu denken und auch Chancen ergreifen, um allen zu helfen.

Der Vizekanzler hat es heute in seiner Erklärung angesprochen: Umweltpolitik ist Klima­politik und ist auch Sicherheitspolitik. Setzen wir alle Maßnahmen, die uns möglich sind, speziell in der Produktion von erneuerbarer Energie, um, mit dem Ziel, Schritt für Schritt unabhängiger zu werden! Legen wir uns nicht durch überbordende Bürokratie und viel zu lange UVP-Verfahren selbst Steine in den Weg und helfen wir alle zusammen!

Viele Menschen in Österreich haben Angst vor der Zukunft, das verstehe ich, aber noch nie war die Einigkeit der Europäischen Union so groß wie jetzt und noch nie war die Beteiligung Österreichs an der Friedenssicherung so wichtig wie gerade jetzt. Dies sollte uns Zuversicht und Mut machen und unseren Bürgerinnen und Bürgern Frieden, Stabi­lität und Sicherheit gewähren. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.50



BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 155

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Günther Novak. – Bitte schön. (Bundesrat Schennach: Vergessen Sie alles, was bisher war! – Heiterkeit bei der SPÖ.)


17.51.06

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich bin kein Kontraredner, ich bin ein Proredner, denn auch wir werden diesem Gesetz zustimmen. Vergessen Sie alles, was Sie bis jetzt gehört haben, jetzt geht es von Neuem los! – Nein, Spaß (allgemeine Heiterkeit); Spaß beiseite.

Dieses Gesetz von 1993, wie Herr Gross schon berichtet hat, wird mit dieser Novel­lierung an Investitionen und Maßnahmen der Förderungen aus dem Österreichischen Aufbau- und Resilienzplan 2020 bis 2026 angepasst. Außerdem sind die Zielsetzungen und die Erreichung der Klimaneutralität im Jahr 2040 mit angepasst. Das ist zweifelsoh­ne ein bedeutender Schritt hin zu mehr Klima-, Natur- und Umweltschutz und auch in Richtung Kreislaufwirtschaft, und das auf den verschiedensten Ebenen, wie wir ja schon gehört haben.

Refinanziert wird das aus den Mitteln des Europäischen Wiederaufbaufonds. Diese Mittel sind Teil eines umfassenden Krisenbewältigungsplanes, welcher die wirtschaftli­chen und sozialen Auswirkungen der Coronapandemie in der EU abfedern und die eu­ropäischen Volkswirtschaften und Gesellschaften nachhaltiger und widerständiger ma­chen soll.

Wir haben von den Mitteln, von den RRF-Mitteln, beziehungsweise von diesem Resi­lienzplan schon gehört. Das sind 709 Millionen Euro. 60 Prozent werden in Österreich im Bereich Klima- und Umweltschutz eingesetzt. Das ist ein sehr hoher Prozentsatz, der aufgrund der Herausforderungen und der Chancen des ökologischen Wandels auch gut für die Zukunft investiert ist.

Das heißt, im Österreichischen Aufbau- und Resilienzplan sind klimapolitische, energie­politische, kreislaufwirtschaftliche und Biodiversitätsmaßnahmen festgelegt. Dazu zäh­len erstens die Maßnahmen zur Erhöhung der Mehrwegquote von Getränkeverpa­ckungen zur Steigerung des Recyclings aus dem UFG mit 110 Millionen Euro – also der Erhöhung der Sammelquote von Einweg- und Getränkeverpackungen, dazu haben wir ja schon ein Gesetz beschlossen.

Wichtig sind ebenso die Förderungen von Reparaturen, wodurch die Nutzungsdauer von Geräten verlängert, Ressourcen geschont und Abfälle vermieden werden. Eine Förde­rung der Reparaturkosten von 50 Prozent bis maximal 200 Euro ist eine wesentliche Maßnahme gegen die Wegwerfgesellschaft, die damit gesetzt wird, womit eine lang­jährige Forderung der SPÖ zumindest zum Teil erfüllt wird (Beifall bei der SPÖ), weil das ja schon in mehreren Bundesländern durchgeführt wurde.

Ein weiterer Plan ist die stärkere Förderung der Ziele der nationalen Biodiversitätsstra­tegie mit dem zusätzlichen Biodiversitätsfonds. Dazu wird ein ergänzendes Instrument geschaffen, welches die Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität, die Verbesserung, die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme und den Aufbau infrastruktureller Ein­richtungen zur Wissensvermittlung für die Öffentlichkeit unterstützt. Gerade diese Si­cherung und Wiederherstellung von gesunder Natur ist hinsichtlich des Klimawandels und der Abwendung von damit verbundenen Naturgefahren mit all ihren Folgen be­sonders wichtig. Ich komme ja aus einem Nationalpark, nämlich aus dem Nationalpark Hohe Tauern. Dort gibt es Datenbanken, was die Artenvielfalt oder Blumenvielfalt anbe­langt, und das schon über Jahre hinweg. Das Einzige, das mir nicht gefällt, ist, dass auf diesen Fonds auch die Landwirtschaft zugreift, weil die ja – unter Anführungszeichen – „eh“ 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung hat.


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Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Förderung der klimafitten Ortskerne. Das machen wir in Kärnten schon deshalb, weil wir versuchen, die Menschen innerhalb des Ortes anzusiedeln und in der Peripherie eher keine Baugenehmigungen zu erteilen. In diesem Fall ist es das Ziel, bestehende Angebote für den Anschluss von hocheffizienten Fern­wärmesystemen auch auf diese Ortskerne auszuweiten, um damit ein Raus aus Öl und Gas zu erzielen. Es sollen damit die Ortskerne durch Investitionen gestärkt und ein un­gebremstes Wachsen der Peripherien eingeschränkt werden. Die Umstellung fossiler Heizungssysteme auf nachhaltige ist auch ein besonderer Schwerpunkt. Wenn nicht jetzt, wann dann?

All diese Maßnahmen bis 2025 sind im Rahmen der Sanierungsoffensive dotiert. Gerade diese Maßnahmen haben nicht nur aus umweltpolitischer Sicht höchste Priorität. Wir erleben ja derzeit durch die Ukrainekrise beziehungsweise durch den Konflikt hautnah, wie sehr wir von diesen Gasexporten aus Russland abhängig sind. Jede Investition in diesem Bereich ist somit auch ein Schritt heraus aus der Unfreiheit hin zur Selbstbe­stimmung.

Zusammengefasst beinhaltet diese Novellierung des Umweltförderungsgesetzes also eine ganze Reihe von Maßnahmen: Kreislaufwirtschaft, Reparaturbonus, Pfandsysteme, klimafreundliche Heizungen bis hin zum Flächenrecycling und der Förderung der Bio­diversität.

Werte Kolleginnen und Kollegen, eines darf aber nicht außer Acht gelassen werden: All diese Maßnahmen müssen für den Bürger leistbar sein. Es ist wichtig, dass sich bei­spielsweise der kleine Lebensmittelhändler die Rückgabeautomaten auch leisten kann und dass der Heizungstausch für den einkommensschwachen Haushalt möglich sein muss. Auf diesen sehr wesentlichen Aspekt habe ich hier nicht zum ersten Mal hinge­wiesen. Ich glaube, ich habe das schon in mehreren Sitzungen angesprochen.

Wir haben auch in der Ausschusssitzung nicht klären können, was mit jenen Haushalten, die sich das nicht leisten können – wobei ja Geld dafür zur Verfügung steht, ich glaube, 50 Millionen Euro –, die das nicht vorfinanzieren können, sein wird. Und wenn man et­was nicht vorfinanzieren kann, dann kann man keine saldierte Rechnung einreichen, damit man zur Förderung kommt. Das ist bis heute noch nicht geklärt. Das ist dann in weiterer Folge Ländersache. Darauf sollten wir alle – und dafür sind wir da – einwirken, dass es da Möglichkeiten gibt; sonst werden es diese Leute nicht umsetzen können, auch wenn sie je nach Energieberatung 80 Prozent oder 100 Prozent der Kosten zurück­erhalten können. Da gibt es tatsächlich Handlungsbedarf. Mit Versprechungen alleine lässt sich die Energiearmut in diesem Land nicht beseitigen. Es braucht dazu ganz konkrete, vor allem längerfristig angelegte Umsetzungsschritte.

Bei allen positiven Effekten für Umwelt- und Klimaschutz, die dieses Gesetz mit sich bringen wird, muss eines immer auch sichergestellt sein: Es darf in Sachen Energiever­sorgung keine Zweiklassengesellschaft und schon gar nicht Energiearmut geben! (Bei­fall bei der SPÖ.) Wir sind jetzt schon in der Situation, dass 5 Prozent der Menschen in Österreich von Energiearmut betroffen sind. Für einkommensschwache Haushalte ist daher eine angemessene finanzielle Abfederung unumgänglich, sodass ein Heizungs­tausch für alle leistbar wird. Das heißt, es braucht umgehend eine längerfristige Finan­zierungszusage, also nicht nur bis 2025. Sie haben ja alles bis 2035 angelegt, Frau Bun­desministerin, bis dahin sollen ja bekannterweise alle Ölkessel raus.

Wir als Sozialdemokratie vertreten die Ansicht, dass Klimaschutz und soziale Gerech­tigkeit Hand in Hand gehen müssen, und dafür werden wir uns immer und jederzeit ein­setzen! (Beifall bei der SPÖ.)


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17.59


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort hat sich Frau Bundesministerin Leonore Ge­wessler gemeldet. – Bitte schön.


17.59.49

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte BundesrätInnen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Diese Novelle, die Sie heute hier zur Abstimmung haben, ist tatsächlich ein äußerst freudiges Ereignis; es ist ein Freudentag für den Umweltschutz in Österreich. Wir bringen mit dieser Novelle wirk­lich umfangreichste Maßnahmen für den Klimaschutz, für die Kreislaufwirtschaft und für die Biodiversität auf den Weg, und das im Rahmen einer Umsetzungsstruktur, die sich seit vielen Jahren sehr bewährt hat, nämlich des Umweltförderungsgesetzes.

Herr Bundesrat Novak hat es, glaube ich, schon erwähnt: Das ist Teil des Aufbauplans, den Österreich bei der Europäischen Union eingereicht hat. Ich freue mich sehr, dass wir es geschafft haben, auch mit den Maßnahmen, die wir heute hier diskutieren, einen im europäischen Vergleich äußerst überdurchschnittlich hohen Anteil der Mittel aus die­sem Wiederaufbaufonds in den Klima- und Umweltschutz zu investieren. Gefragt war ein Mindestmaß von 37 Prozent. Im österreichischen Aufbauplan liegen wir bei 58,7 Pro­zent für Klimaschutz und Umweltschutz.

Das Budgetvolumen aus den RRF-Mitteln beläuft sich auf circa 709 Millionen Euro. Da werden wir wesentliche Impulse setzen, um den Umstieg auf eine klimaschonende, bio­diversitätsschonende, kreislaufwirtschaftsfördernde Gesellschaft voranzutreiben. Es wird im Rahmen des UFG bis 2026 abgewickelt.

Was mir auch noch sehr wichtig war: Es braucht selbstverständlich den Beschluss dieser Gesetzesnovelle im Nationalrat und im Bundesrat, damit wir die Förderungen starten können. Wir haben aber parallel dazu intensiv im Ministerium daran gearbeitet, dass die Vorarbeiten so weit gedeihen wie nur irgendwie möglich. Deswegen wird ein Großteil der Förderungen bereits ab Anfang oder Mitte April starten können – auch das sind sehr gute Neuigkeiten.

Die Bundesräte Gross, Novak und Bernard haben schon einige Einzelmaßnahmen auf­gezählt, deswegen will ich jetzt nicht mehr auf alle Details eingehen. Ich wollte vor allem noch auf die Fragen eingehen, die in der Debatte aufgekommen sind.

Zum Biodiversitätsfonds – ich glaube, das ist auch eine Frage von Ihnen, Herr Bundesrat Novak –: Ich freue mich wirklich, dass es gelungen ist, mit einem substanziellen Budget, nämlich in Summe 80 Millionen Euro bis 2026, ein wirklich taugliches Instrument für die Artenvielfalt in unserem Land aufzubauen und in der Hand zu haben, und zwar erstmals auf Bundesebene ein Instrument außerhalb der Agrarpolitik, das für Biodiversitätsför­derung zur Verfügung steht. Deswegen war es mir auch so wichtig, den Fonds gesetzlich zu verankern und auch langfristig abzusichern, an eine bewährte Administrations- und Abwicklungsstruktur anzuknüpfen.

Wir haben drei große Themenbereiche, bei denen es gilt hinzuschauen. Einerseits müs­sen wir die Artenvielfalt, die besteht, schützen und erhalten. Auf der anderen Seite müssen wir Gefährdungsursachen bekämpfen, aber auch bereits zerstörte Ökosysteme wiederherstellen. An der Basis all dessen steht natürlich ein fundiertes Datengerüst, denn man kann etwas nur dann wirklich verändern und schützen, wenn man weiß, wie der aktuelle Zustand ist. Deswegen sind Monitoring, Datenerhebung im Bereich Biodi­versität ein wichtiger Teil.

Zur Sorge, die Kollege Novak geäußert hat: Wir haben in den Erläuterungen versucht, die Dinge klarzustellen und die Sorge auszuräumen. Das Budget des Biodiversitätsfonds ist für Maßnahmen zur Biodiversität außerhalb der Agrarpolitik gedacht. Mangelnde Bud­getdeckung in der Agrarpolitik ist also kein Argument dafür, dass etwas aus dem Bio­diversitätsfonds gespeist werden sollte. Wir wollten uns aber die Flexibilität erhalten, Einzelmaßnahmen, die tatsächlich sinnvoll sind und die sich tatsächlich an dieser


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Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Biodiversität befinden, auch über den Fonds unterstützen zu können.

Wir haben in der Umweltförderungskommission mit einer eigenen Kommission für den Biodiversitätsfonds vorgesorgt, in der auch alle Fraktionen des Nationalrates vertreten sein werden. Da wird es dann um die konkrete Ausgestaltung der Förderrichtlinien ge­hen, das wird in dieser Kommission vorbereitet und finalisiert. Das heißt, da können Sie alle noch einmal ein Auge darauf haben.

Die Maßnahmen zur Steigerung von Pfand- und Mehrwegquoten hat, glaube ich, ins­besondere Bundesrat Bernard hervorgehoben. Das ist ein Thema, das mir, wie Sie wis­sen, enorm wichtig ist: dass wir des Problems Müll in der Natur besser Herr werden, dass wir mit Mehrwegsystemen Dinge länger und öfter nutzen, statt Einwegdinge einmal zu nutzen und wegzuschmeißen. Da haben wir mit der Ausgestaltung der Förderung und mit dem speziellen Fokus auf die kleinen Händler, wie Adi Gross schon erwähnt hat, wirklich ein substanzielles Budgetvolumen zur Verfügung, um die Umsetzung bestmög­lich zu unterstützen.

Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen. Wir haben eine Förderlinie mit 60 Millionen Euro drinnen, die insbesondere auf die Recyclingquote eingeht. Österreich muss nach EU-Regeln bis 2025 die Recyclingquote im Kunststoffbereich verdoppeln. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, um es einmal so auszudrücken. Da wird das Pfand einen wich­tigen Beitrag leisten. Ein zweiter wichtiger Beitrag ist die einheitliche Sammlung, die wir jetzt in der Verpackungsverordnung festgelegt haben, und auch die Anforderung, dass wirklich alles an Kunststoffen gesammelt werden muss. Wir haben aber einen Flaschen­hals, nämlich die Sortieranlagen. Wir haben in Österreich veraltete Sortieranlagen, brau­chen aber gute und moderne Sortieranlagen, um dieses Ziel erreichen zu können – auch da setzt das UFG einen Schwerpunkt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ich beantworte eine Frage gerne bilateral im Nachgang; ich habe es jetzt nicht gehört, sonst hätte ich es gleich eingebaut.

Der Reparaturbonus ist erwähnt worden; Transformation der Industrie, das Programm zur Stärkung der Ortskerne, Flächenrecycling und insbesondere Fernwärme statt Gas­versorgung in Ortskernen – das ist etwas, das mir besonders am Herzen liegt und das gerade für viele von Ihnen, die in Gemeinden aktiv sind, vielleicht ein sehr attraktives Programm sein kann, wie ich hoffe. Auch das ist ein großer Schwerpunkt, mit einem Fördervolumen von insgesamt 50 Millionen Euro für dieses Programm im UFG.

Dann komme ich zum letzten Punkt: raus aus Öl und Gas. Ich glaube, die Dringlichkeit dieses Anliegens ist uns selten so bewusst geworden wie jetzt. Die Abhängigkeit von fossilen Energien gefährdet uns, die macht uns erpressbar, die gefährdet schlussendlich auch unsere Freiheit. Zusätzliche Lieferländer, ganz egal, ob es um Erdöl oder Erdgas geht, sind alle keine lupenreinen Demokratien – auch da sehr milde formuliert –, ganz im Gegenteil. Das Anliegen, Unabhängigkeit zu erlangen, Souveränität in der Energie­versorgung durch erneuerbare Energien, wird uns gerade jetzt als wirklich strategisches und auch sicherheitspolitisches Anliegen klar.

Zu den Preisen: Wenn wir über die Preise reden, müssen wir uns über etwas im Klaren sein: Hohe Energiepreise sind hohe Gaspreise. Das, was wir da sehen, ist die Erpress­barkeit Europas über das Preistreiben am Gasmarkt. Alles, was wir jetzt bei der Preis­entwicklung sehen, auch beim Strom, sind hohe Gaspreise. Darüber muss man sich im Klaren sein. Deswegen ist das Raus aus Öl und Gas, das Ende der Abhängigkeit im Gebäudebereich, bei dem wir viele, viele bessere Alternativen haben, als Gas zu verhei­zen, eine so zentrale Forderung, und deswegen fließt da auch viel Geld rein.

Der Punkt, der jetzt vielfach angesprochen wurde, sowohl von der FPÖ als auch von der SPÖ, ist die Frage der sozialen Abfederung. Es gibt erstmals im Umweltförderungsge­setz ein Programm, das sich an sozialen Kriterien orientiert, das gab es bislang nicht.


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Wir haben mit der Förderung von bis zu 100 Prozent für die unteren beiden Einkom­mensklassen eine Antwort auf genau die Frage gefunden, die Sie formuliert haben, nämlich: Wie stellen wir sicher, dass die Klima- und die Energiewende bei allen stattfin­det, auch bei jenen, die sich die Investition nicht leisten können? – Das ist ein völliges Novum. Ich bin wirklich, und das sage ich jetzt hier, stolz darauf, dass uns das gelungen ist, in intensiven Diskussionen mit den Bundesländern. Daher sage ich gerade auch hier in der Länderkammer Danke dafür, dass uns das gelungen ist. Die Förderung wird ge­meinsam mit den Bundesländern und mit der KPC abgewickelt. Es gibt eine gemein­same Plattform, die gerade am Fertigwerden ist. Diese ganze Umstellung ist aber eine enorme Herausforderung. Bitte das nicht zu unterschätzen, eine Umweltförderung an Sozialkriterien zu binden ist in der Abwicklung auch für die Bundesländer wirklich eine Herausforderung!

Wir haben aber die Frage der Vorfinanzierung immer in den Gesprächen mit dabeige­habt, auch in jenen mit den Bundesländern. Das war uns auch ein wichtiges Anliegen, weil es ja genau daran nicht scheitern soll. Deswegen ist in den Vereinbarungen mit den Bundesländern auch festgelegt, dass das Volumen der Unterstützung, die der Bund für diese Förderung an die Bundesländer leistet, auch für Vorfinanzierungen verwendet wer­den kann. Das heißt, die Bundesländer können es machen, doch sie müssen es nicht machen. Es war ihnen aber auch wichtig, koordiniert mit den jeweiligen Basisförderun­gen der Länder vorgehen zu können, weil die Förderung ja auch an eine Verbindung mit einer Basisförderung des Bundeslands geknüpft ist. Deswegen gibt es die Möglichkeit der Bundesländer, mit dem Zuschussvolumen des Bundes Vorfinanzierungen zu ma­chen.

Die Länder arbeiten auch daran. Es gibt ganz unterschiedliche Modelle. Es gibt zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit den Installateuren, Installateurinnen, wenn es eine Förderzusage gibt, oft ein Übereinkommen, dass die Zahlungsfrist erstreckt wird. Ein­zelne Bundesländer arbeiten zusammen mit Kreditinstituten an einer zinsenlosen Zwi­schenfinanzierung.

Ich glaube, was man auch im Kopf haben muss, ist, dass mit dem Vorweisen der För­derzusage auch die Zwischenfinanzierung bei der Bank erlangt werden kann, auch wenn man an sich nicht in der primären Zielgruppe für eine Bankenzwischenfinanzierung ist. Ich glaube, mindestens ebenso wichtig ist diese Förderzusage für das Gewerbe, das durchführt, also für den Installateur, die Installateurin, weil der oder die dann die Si­cherheit hat, dass er oder sie sich auf ein Geschäft mit einem einkommensschwachen Haushalt einlassen kann, weil es eben die Förderzusage gibt.

Wir beobachten das sehr, sehr genau, sind auch in laufender Abstimmung mit den Bun­desländern, damit wir da wirklich zielgenaue, passgenaue Lösungen haben und das eben – und da sind wir uns wirklich einig – keine Hürde wird, sondern wir in den Bundes­ländern wirklich gute Lösungen finden, sodass das gelingen kann, was uns allen ein Anliegen ist, nämlich schnell aus dieser Abhängigkeit hinauszukommen. Jede Gasther­me, die getauscht wird, ist ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit im Energiebereich. Jedes Windrad, das aufgestellt wird, ist ein Zeichen für diese Unabhängigkeit, weil das unser Stromsystem weniger gaslastig macht, genauso jede Wärmepumpe, die man im Gebäudebereich betreibt. Deswegen ist es wirklich ein Kernstück unserer Arbeit, da jetzt wirklich rasch voranzukommen.

Mit der Förderung, die im UFG drinnen ist, legen wir einen wirklich wichtigen Grund­stein – sie ist auch ein wichtiger Meilenstein –, indem wir das finanziell so absichern, dass wir den Einzelhaushalt mit bis zu 7 500 Euro unterstützen und es dort, wo es nicht so einfach geht, bei einkommensschwachen Haushalten, eine besondere Unterstüt­zung gibt, die bis zu 100 Prozent geht. Deswegen würde ich mich über eine sehr breite


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Zustimmung zu dieser wirklich großartigen und in vielen Bereichen einzigartigen UFG-Novelle freuen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätIn­nen der SPÖ.)

18.13


18.13.27

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. (Widerspruch bei der FPÖ.) – Ach so! Entschuldigung, Verzeihung! Das ist die Stimmenmehrheit. Danke schön.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „freiheitliches Maßnahmenpaket gegen die grüne Inflation“ vor.

Ich lasse jetzt über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

18.14.3212. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie betreffend EU-Jahresvorschau 2022 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jah­resprogrammes des Rates (III-780-BR/2022 d.B. sowie 10892/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatter ist mir unser Kollege Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross genannt worden. Ich bitte um den Bericht.


18.15.05

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Umweltausschusses über den Bericht der Bundesmi­nisterin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betref­fend EU-Jahresvorschau 2022 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates zur Kenntnis brin­gen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technolo­gie betreffend EU-Jahresvorschau 2022 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. – Bitte schön.



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18.16.04

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Minis­ter! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschir­men! Ja, jetzt sitzt eh gerade die richtige Präsidentin oben. Kurz zum Thema Würde des Hauses (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ): Jedes Mal, wenn wir Freiheitliche die eine oder andere Aussage treffen, zum Beispiel am Rednerpult das Wort Korruption in den Mund nehmen – es gibt in diesem Hause nachweislich einen ÖVP-Korruptions-Un­tersuchungsausschuss –, wenn wir von Lügen und Unwahrheiten sprechen – diese Bun­desregierung hat die ganze Bevölkerung angelogen, denn sie hat behauptet, dass es keine Impfpflicht geben wird –, bekommen wir einen Ordnungsruf, da wir angeblich nicht der Würde des Hauses entsprechen.

Wenn nach dem massiven Widerstand der FPÖ im Parlament und vieler Österreicher, die wochenlang für ihre Grundrechte auf die Straße gingen, die Impfpflichtbestrafungs­verordnung in drei Monaten wieder neu beurteilt wird und die Bundesregierung dies als Aussetzen erklären will, wird die Bevölkerung das der Einsperr- und Kasernierungsregie­rung nicht vergessen. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

Vor fast 70 Jahren wurde die immerwährende Neutralität, auf die wir anständigen Öster­reicher stolz sind, beschlossen. Wenn jetzt der nicht gewählte Bundeskanzler meint, er muss jetzt unsere Neutralität infrage stellen, und wenn er mit Aussagen glänzt wie: die Neutralität sei uns „aufgezwungen“ worden, und er so seinen Intelligenzquotienten in den Vordergrund stellt, wo bleiben dann die Ordnungsrufe des angeblichen Bundesprä­sidenten? (Bundesrat Schreuder: ...! Der ist Bundespräsident, nicht angeblich!)

Diese Bundesregierung entspricht meiner Meinung nach nicht der Würde unseres Lan­des. Aufgrund dessen sollte sie geschlossen zurücktreten (Beifall bei der FPÖ), um sich anschließend besser auf den Korruptionsausschuss vorbereiten zu können. Die Frage, die sich mir stellt, lautet, ob vielleicht auf Steuerzahlerkosten auch schon eine Meinungs­umfrage der ehemaligen ÖVP-Ministerin Karmasin in die Richtung gemacht wurde, ob diese Regierung wie Ketchup oder eher wie Wackelpudding ist.

Nun komme ich zu den nächsten Anschlägen, die im Bereich Klima von der schlechtes­ten Bundesregierung der Zweiten Republik mit der teilweisen Rückendeckung der EU unter den Titeln Green Deal oder Fit for 55 tagtäglich gegenüber der österreichischen Bevölkerung begangen werden. Eines vorweg: Dass Maßnahmen mit Hausverstand ge­macht werden müssen, ist unstrittig. Die Herangehensweise ist es, bei der wir uns we­sentlich unterscheiden. Gegen Maßnahmen, die zur Reduktion der CO2-Emissionen bei­tragen oder dazu, die Kreislaufwirtschaft zu forcieren, gegen Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien, ohne die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität aufs Spiel zu setzen, gegen Maßnahmen gegen Atomenergie und für die Emissionsreduktion im Straßen-, Luft- und Seeverkehr haben wir prinzipiell nichts. Nur muss es – und das ist unser freiheitlicher Grundsatz – auch wirtschaftlich für die österreichische Bevölkerung und die Unternehmer machbar sein.

Wir Freiheitliche stellen uns schützend vor die österreichische Bevölkerung. Sie werden es sicher nicht schaffen, mit Windrädern und Fotovoltaik die Deckung des kompletten Strombedarfs ohne weiteren Ausbau zum Beispiel von Wasserkraft, den Teile der Regie­rung auch nicht wollen, sicherzustellen und dann vielleicht durch die Hintertür unter dem Deckmantel CO2-Ausstoß Atomkraftwerke zu etablieren. Diesen Sager habe ich schon einmal in einer meiner Reden vor circa einem Jahr gemacht (Bundesrat Schennach: Aber er wird nicht besser!), und es kamen von einigen Kollegen, gefangen in türkis-schwarz-grünen Energiezwangsjacken, immer wieder abwertende Bemerkungen.

Interessant ist aber, dass nicht einmal ein halbes Jahr später der EU-weite Ausbau der Atomkraft nicht nur in der vorletzten, sondern auch wieder in der gestern stattgefundenen


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EU-Ausschusssitzung Thema war. Dass die atomare Bedrohung zusätzlich auch im Kriegsfall eine weitere Bedrohung darstellt, brauche ich, glaube ich, heute nicht zu er­wähnen. Interessant ist aber, dass die gleichen Personen jetzt die Empörten spielen.

Für mich ist aber bezeichnend, dass Sie, Frau Minister, sogenannte Experten in unsere Ausschüsse entsenden – wie zum Beispiel einen Herrn, dessen Namen ich nicht sage; ich will ihn nicht persönlich angreifen –, die uns als sogenannte Technologieblinde, ohne auch nur irgendeinen Tau von irgendeiner Praxis zu haben, diese Berichte und deren Inhalte, wie auch am Beispiel ebendieses Berichtes, als positiv verkaufen wollen. So wie schon bei der letzten und vorletzten EU-Ausschusssitzung konnten auch bei der gestri­gen auf meine praxisbezogenen Fragen wie zum Beispiel zum Thema weitere Schritte für emissionsfreie Mobilität keine Antworten gegeben werden.

Es ist zum Beispiel auch um den Vorschlag für den Aufbau einer Lade- und Betankungs­infrastruktur für alternative Kraftstoffe gegangen. (Bundesrat Schennach: Da gibt es auch eine ...!) Es gibt alle 100 Kilometer eine E-Ladestation, das war der Stand von Jän­ner 2022. Im letzten EU-Ausschuss hieß es: alle 65 Kilometer. Wenn ich jetzt die Elektro-Lkw hernehme und weiß, dass mit Heimweh, Rückenwind, Bauchweh und plus 20 Grad eine Reichweite von maximal 280 Kilometern erreichbar ist und nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden jeweils immer eine Pause von einer Dreiviertelstunde gemacht werden muss, dann soll mir jemand erklären, wie sich das ausgehen soll. Der sogenannte Ex­perte sagt uns, dass das alles mit den bestehenden Parkplätzen kein Problem ist. – Also für mich ist das alles nur noch ein Zeichen von Technologieblindheit.

Auf der anderen Seite schreibt man den Ausbau des Wasserstofftankstellennetzes bis 2030 nieder; soll es auch keine neuen Diesel- und Benzinfahrzeuge mehr geben. Was es aber geben soll: eine CO2-Bepreisung ab 1.7.2022 – aber mittlerweile rücken ja auch Teile der ÖVP schon von der Einführung der CO2-Bepreisung ab 1.7. ab. Das heißt, man nimmt also bis 2030 Steuern von der Bevölkerung, von den Unternehmern ein, ruiniert damit die Wirtschaft und bringt die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer um ihre Existenzen.

Weil Sie auch vorhin wieder gesagt haben, es gibt keine Alternativen: Ich habe wieder eine Alternative aufgezeigt. Wir haben hier im Bundesrat am 15. Juli 2021 ein Projekt beschlossen, das mit 150 Millionen Euro dotiert wurde. Man kann zum Beispiel aus Alt­holz, aus Restholz, aus Altstoffen, auch aus Biomüll und so weiter Ersatzdieselkraftstoff produzieren. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man da den Liter um 60 Cent produ­zieren kann, und auch, dass man das komplette Tankstellensystem, das jetzt verfügbar ist, dafür nützen kann und dass man die bestehenden Fahrzeuge nicht umbauen und umrüsten muss. Und es gäbe sofort eine CO2-Reduktion! – Ihr Experte vom Ministerium, der uns in den Ausschuss entsandt wurde, weiß nicht einmal etwas von diesem Projekt. Man weiß nicht, wo dann das Geld, das wir dafür beschlossen haben, hingeflossen ist. Ich weiß, dass es Anlagen gibt. Es gibt auch Anlagen in Schweden, es gibt Anlagen in China. Nur in Österreich will man davon nichts wissen, weil wir alles nur auf das Thema Elektro-Lkw und so weiter setzen. Und das ist für mich technologieblind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche stehen natürlich – und das betone ich immer wieder – für Umweltschutz und Umweltpolitik mit Hausverstand. Ganz wichtig ist auch – ich sage es noch einmal – die Leistbarkeit für die Bevölkerung. Wir Freiheitliche warnen schon länger vor den be­vorstehenden Preissteigerungen, die mittlerweile ja eingetreten sind. Der von Ihnen in Aussicht gestellte Klimabonus und die eine oder andere Zahlung aus dieser sogenann­ten Steuerreform, die meiner Ansicht nach asozial ist, können all diese Teuerungen auf keinen Fall auffangen. Das ist für mich blanker Hohn.

Mittlerweile werden es täglich mehr Haushalte, deren Einkommen von Tag zu Tag geringer werden, und das nicht nur in der kalten Jahreszeit und durch die steigenden


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Energiekosten, aufgrund derer sich die Bevölkerung überlegen muss, ob sie ihr Geld fürs Heizen, für die Energie oder fürs Essen ausgibt.

Zum anderen Thema, das Sie auch kurz angesprochen haben: Sie sind zwar teilweise auf das, was ich bezüglich der Förderung vorgezeigt habe, eingegangen, nur gibt es jede Menge Fälle, in denen Senioren, die 70 oder 75 Jahre alt sind, aufgrund ihres Alters keinen Kredit bekommen. Wenn die noch dazu in einem Bundesland wie Niederöster­reich zu Hause sind, wo gar nicht gewünscht ist, dass es eine Vorfinanzierung gibt, braucht es eben andere Mittel. Aufgrund dessen bin ich der Meinung, dass man das von Bundesseite aus regeln müsste, damit alle die Möglichkeit haben, auf dieses neue Ener­giesystem umzusteigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines wird auch immer wieder komplett vergessen: dass mit der jetzt stattgefundenen Preiserhöhung in den Bereichen Strom und Gas die täglichen Einnahmen aus der Umsatzsteuer, die Vater Staat bekommt, ja entsprechend ansteigen. Daher ist es unse­rer Meinung nach dringend an der Zeit, dass diese Bundesregierung nicht nur endlich von weiteren Belastungsmaßnahmen, die das Leben der Österreicherinnen und Öster­reicher weiter verteuern, Abstand nimmt, sondern auch umgehend effektive Maßnahmen setzt, um Energiearmut in Österreich wirksam zu verhindern.

Es muss mit allen Mitteln verhindert werden – das habe ich vorhin schon erwähnt –, dass Haushalte, Familien, Alleinerzieher, Pensionisten, Arbeitslose und Menschen mit gerin­gen Einkommen Gefahr laufen, aufgrund der gestiegenen Energiepreise ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen können und in der Folge in ungeheizten Wohnun­gen oder Häusern sitzen. Aus meiner Sicht und aus der Sicht der unterfertigten Bun­desräte ist daher als eine Maßnahme sicherzustellen, dass Umsätze mit Strom und Gas befristet gänzlich von der Umsatzsteuer befreit werden.

In diesem Zusammenhang stellen wir nachstehenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Energiearmut verhindern – keine Umsatzsteuer auf Strom und Gas“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der sichergestellt wird, dass bis zumindest 31.03.2023 auf Umsätze mit Strom und Gas keine Umsatzsteuer eingehoben wird.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

18.28


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Energiearmut verhin­dern – keine Umsatzsteuer auf Strom und Gas“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Florian Krumböck. – Ach so, nein! Entschuldigung! Adi Gross gelangt jetzt ans Wort. – Bitte.


18.29.07

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Ich bin auch schon ein biss­chen müde. – Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man sieht – um auch


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ein bisschen polemisch zu werden – ein weiteres Mal, dass der FPÖ-Hausverstand eine gefährliche Drohung für den Klimaschutz ist. (Bundesrätin Schartel: Das beurteilen Sie? Ja?)

Ich dachte ja eigentlich, dass die EU-Jahresvorschau das Thema ist, doch die haben Sie mit keinem Satz erwähnt. Und was, finde ich, einfach nicht geht, ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMK zu diskreditieren. Die haben gestern einfach (Bundesrat Spanring: Nichts gewusst!) sachlich richtig berichtet, was Diskussionsthema war, unter anderem eben auch die Aspekte in der Jahresvorschau.

Ich komme jetzt zur Sache. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass die EU-Jah­resvorschau des BMK einigermaßen umfangreich ist. Dutzende von Einzelinitiativen sind in Arbeit. Allein das zeigt schon, dass vieles in Bewegung gekommen ist. Es ist nicht möglich, alles zu erwähnen, ich greife daher ein paar Sachen heraus, die mir besonders interessant und spannend vorkommen.

Ein Generalthema, vielleicht das Generalthema in dieser Vorschau ist eine ganz beson­dere Herausforderung, aber auch eine vornehme Aufgabe, nämlich das Ziel, dass Euro­pa bis 2050 klimaneutral wird, der erste klimaneutrale Kontinent überhaupt wird. Das ist kein Selbstzweck, sondern erstens Notwendigkeit und zweitens aufgrund der bisher in Europa freigesetzten Emissionen auch eine historische Verantwortung gegenüber der Zukunft, vor allem auch gegenüber kommenden Generationen.

Mit dem Klimagesetz hat die Europäische Union – es ist eigentlich eine Verordnung – einen globalen Meilenstein gesetzt, ebenso mit dem Zwischenziel, bis 2030 – und das ist in acht Jahren – die Emissionen um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. Das ist durchaus etwas, das man getrost als Challenge bezeichnen darf.

Eine wichtige Grundlage für die konkrete Umsetzung ist der Europäische Green Deal mit seinem Programm Fit for 55. Im Zuge dessen wurde bereits eine ganze Reihe von detaillierten Initiativen vorgeschlagen. Viele davon sind in der Vorschau zitiert.

Eine der vielen Maßnahmen im Verkehrsbereich ist der Vorschlag zur verpflichtenden Beimischung von alternativen Treibstoffen in der Luftfahrt. Bis zum Jahr 2025 sollen es verbindlich 2 Prozent sein, bis 2050 63 Prozent. Da gibt es allerdings noch einige Dis­kussionen. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Ansatz, wiewohl wir bis 2050 weiter sein sollten. Die Herstellung dieser Treibstoffmengen wird keine leichte Aufgabe werden. Auch deshalb – und das gilt da wie in vielen anderen Bereichen – muss man gleichzeitig auf einen anderen Aspekt schauen und hinterfragen, wie es mit dem quantitativen CO2-Ausstoß des Flugverkehrs aussieht.

Mit anderen Worten: Es wird entschieden zu viel geflogen. Gegenmaßnahmen sind, Kos­tenwahrheit einzuführen und natürlich das Eisenbahnnetz auszubauen, denn ein großer Teil der Flüge – das zeigen die Statistiken – gehen über erstaunlich kurze Distanzen. So besteht ein besonders wichtiges Vorhaben darin, den Flugverkehr – auch das wird in der Vorschau erwähnt – endlich wirksam in das Emissionshandelssystem zu integrieren, weil grundsätzlich ja auch dort das genannte Reduktionsziel von 55 Prozent bis 2030 gilt.

Sehr viele Pakete gibt es im Energiebereich. So hat die Kommission eine Wasserstoff­strategie vorgelegt, eine Strategie für die Sektorintegration, eine zur Reduktion von Me­thanemissionen, eine zur Nutzung von Offshorewind und eine für eine Renovierungs­welle. Ebenso gibt es eine ganze Reihe von Richtlinien- und Verordnungsvorschlägen, wie etwa die Neufassung der Europäischen Gebäuderichtlinie – darüber haben wir ges­tern im EU-Ausschuss diskutiert –, die Nullemissionsgebäude ab 2030 vorsieht, die Richtlinie für alternative Kraftstoffinfrastruktur – die ist jetzt angeschnitten worden – mit dem Ziel, auf hochrangigen Straßen alle 60 Kilometer eine leistungsfähige Ladestation für Elektroantriebe zu installieren.


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Einen besonderen Fokus legen die EU-Vorschau und die Kommission auf das Thema Kreislaufwirtschaft. Das ist ein aus vielerlei Gründen berechtigter und richtiger Schwer­punkt, denn ohne ambitionierte Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft wird es nicht gelingen, den Energieverbrauch hinreichend zu reduzieren und den überbordenden Ressourcenverbrauch einzudämmen. Das ist gerade im Hinblick darauf relevant – und es wirkt fast erschreckend aktuell –, dass viele wichtige Rohstoffe, die wir für die Ener­giewende brauchen, knapper und teurer werden und in wenigen Ländern konzentriert sind.

Eine wirtschaftlich wichtige Begleitmaßnahme ist das Vorhaben, einen CO2-Grenzaus­gleichsmechanismus einzuführen. Dabei geht es im Wesentlichen darum, auf Import­güter nach Europa abhängig vom CO2-Fußabdruck Abgaben zu erheben. Das heißt, in­effiziente, mit hohen CO2-Emissionen behaftete Güter sollen teurer werden. Das Ziel ist, damit die heimische Industrie, die ambitionierte Emissionsreduktionserfordernisse zu er­füllen hat, zu schützen und eine Abwanderung zu verhindern. Gestartet werden soll da­mit 2026 nach einer Übergangsphase zunächst mit energieintensiven Produkten. Das betrifft beispielsweise Stahl-, Aluminium-, Zement- und Stromimporte.

Ein auch für Österreich wichtiger Prozess, der jetzt in der Europäischen Kommission läuft, ist das sogenannte Effortsharing. Da geht es um die Festlegung der nationalen CO2-Reduktionsziele bis 2030, um das Gesamtziel von minus 55 Prozent erreichen zu können. Da zeichnet sich ab, dass Österreich für den Teil, der nicht im Emissionshandel ist, ein Absenkziel im Bereich von 48 Prozent zugeteilt bekommen wird. Das ist im Üb­rigen auch eine wichtige verbindliche Rahmenbedingung, um das Ziel der Klimaneu­tralität bis 2040 zu erreichen.

Es gäbe noch viele weitreichende, spannende Initiativen. Ich möchte abschließend aber noch den geplanten Klimasozialfonds herausgreifen. Dieser soll nach EU-Vorschlag mit 72 Milliarden Euro dotiert werden und dazu dienen, einen sozial verträglichen Übergang in eine klimaneutrale Gesellschaft zu unterstützen. Mit dem Geld sollen gezielt Investi­tionen, etwa für thermische Sanierung, gestützt werden und erneuerbare Heizsysteme gefördert werden. Es sollen aber auch direkte Einkommenshilfen für schutzbedürftige Haushalte ermöglicht werden. Da gibt es im Detail noch einiges an Diskussionen, aber jedenfalls ist der Klimasozialfonds ein unverzichtbarer Bestandteil einer Klimastrategie, die auf die notwendige Akzeptanz stoßen soll und dafür sozial gerecht und ausgleichend gestaltet sein muss. Das ist keine Frage.

Ich denke, diese Vorschau zeigt, dass es auf europäischer Ebene zu einer spürbaren Intensivierung der Bemühungen um eine ökologische und sozial nachhaltige Entwick­lung gekommen ist. Wir werden auf jeden Fall systematisch an dieser schönen Zukunfts­gestaltungsaufgabe im Verständnis eines gemeinsamen Europa arbeiten. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.37


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wie bereits vorhin angekündigt gelangt jetzt Florian Krumböck zu Wort. – Bitte.


18.37.53

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Jahres­vorschau aus dem BMK zeigt, dass die Europäische Union sowohl im Rat als auch in der Kommission im laufenden Jahr viel vorhat. Das verwundert nicht, weil – Kollege Gross hat es ja schon gesagt – die Ziele hochgesteckt sind: Bis 2050 wollen wir in Eu­ropa der erste klimaneutrale Kontinent sein. Das Ziel ist klar, und gerade im Sinne der Jüngeren und aller kommenden Generationen muss dieser Weg auch konsequent ver­folgt werden.


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Mir ist aber dennoch wichtig, Ihnen, Frau Ministerin, für die Arbeit auf europäischer Ebene im kommenden Jahr zwei Wünsche mit auf den Weg zu geben. Erstens: Sorgen Sie bitte für leistbaren Klimaschutz, der den technologischen Fortschritt voranstellt und so wenig wie möglich in persönliche Freiheiten eingreift!

Ich finde, es gibt da viele positive Beispiele in der Vorschau Ihres Ressorts, bei denen auch Österreich unterstützend mit dabei ist. Das ist zum Beispiel der Auf- und Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, die den privaten Verkehr betrifft. Wir haben heute erst von der Statistik Austria gelesen: 39 Prozent aller Neuzulassungen im Pkw-Bereich sind alternativ betriebene Fahrzeuge. Das ist aber auch wichtig für die Wirt­schaft. Kollege Bernard hat inhaltlich doch ein bisschen recht damit gehabt – auch wenn, sagen wir so, der Rest rundherum manchmal wirre Tiraden waren –, dass man auch darauf schauen muss, dass es für den Wirtschaftsverkehr passt. Das gilt für die Erhö­hung des Anteils erneuerbarer Energie und kohlenstoffarmer Kraftstoffe im Seeverkehr, für die Bemühungen um einen nachhaltigen Luftverkehr mit erstmaligen Beimischver­pflichtungen für alternative Treibstoffe oder auch für die Umsetzung des Single European Sky 2+.

Wir sprechen da zum Beispiel von 10 Prozent CO2-Einsparung durch den Single Euro­pean Sky oder von 63 Prozent Beimischung synthetischer Kraftstoffe bis 2050 bei Air­lines. Mir sind gerade diese gezielte Förderung solcher Kraftstoffe und Erleichterungen bei der Nutzung von alternativen Antrieben durch gesetzliche Regulatorien deutlich lie­ber. Ich glaube, das ist auch großen Teilen der Bevölkerung deutlich lieber, als etwa vielen das Reisen und Fliegen durch teure Preise zu verunmöglichen. Ich halte nämlich nicht nur die europäische Reisefreiheit, sondern auch die Zunahme des internationalen Reiseverkehrs, der aufgrund der gesunkenen Preise auch für den Mittelstand leistbar geworden ist, für eine der größten Errungenschaften in der Völkerverständigung, die wir erreicht haben, dieses Näheraneinanderrücken, die Globalisierung im besten Sinne des Wortes. Lassen Sie uns also bitte im Verkehr insgesamt einen Weg gehen, der die Rei­se- und Bewegungsfreiheiten nicht faktisch einschränkt, sondern die Art und Weise, wie wir uns bewegen, einfach besser macht!

Wenn wir bei leistbar bleiben – was Österreich anbelangt, hat heute auch schon Vize­kanzler Kogler angekündigt, die Frage der Teuerungen in eigenen Gesprächen mit allen Parlamentsfraktionen zu besprechen; darum halte ich den heutigen Antrag der FPÖ für etwas verfrüht, weshalb wir dem auch nicht beipflichten werden –, wenn wir bei leistbar bleiben, dann muss es uns in Österreich ein Anliegen sein, uns einerseits positiv zu Initiativen zum Recht auf Reparatur einzubringen, andererseits natürlich auch den Kli­masozialfonds, den auch Kollege Gross angesprochen hat, mit auf den Weg zu bringen, um die sozialen Auswirkungen der CO2-Bepreisung abzufedern.

Man braucht da ja nicht einmal großartig in die Ferne zu schauen, denn mit unserem Klimabonus im Rahmen der ökosozialen Steuerreform haben wir das ja als Republik auch geschafft. Wir haben es ja zum Beispiel auch mit der Aussetzung der Ökostrom­pauschale, womit vielen Haushalten und Unternehmen bei den steigenden Energieprei­sen ja auch entgegengekommen wird, oder durch die Energiekostenunterstützung mit den zweimal 150 Euro für Geringverdienerinnen und Geringverdiener oder den 150 Euro für faktisch jeden Haushalt geschafft. Ich glaube, das muss auch Beispiel für die Ver­handlungen in Brüssel sein. Lassen Sie da Österreich ein gutes Beispiel sein, Frau Mi­nisterin!

Ein zweiter Wunsch an Sie ist die Bitte, für einen sicheren Klimaschutz zu sorgen und dieses Sicherheitsgefühl im Sinne einer abgesicherten Energieversorgung und einer Netzstabilität auch zu geben. Ich glaube, gerade mit Blick auf die Krise in der Ukraine haben viele Menschen einfach Angst, dass die Heizungen kalt bleiben. Dazu kommt dann noch die Sorge, die in Populärmedien auch immer wieder artikuliert wird, dass der


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Ausbau der erneuerbaren Energien und das Abschalten von Atom-, Kohle- und Gaskraft­werken die europäischen Netze einfach so stark belastet, dass Blackouts drohen.

Ich glaube, wir müssen diese Ängste ganz offensiv adressieren und diese Ängste nehmen. Das Gute ist, wir  also wir, die Bundesregierung  tun das ja auch. Das zeigt ja Ihre Initiative betreffend Flüssiggas und grünen Wasserstoff, weshalb Sie ja gemein­sam mit Kanzler Nehammer und Ministerin Köstinger in den Vereinigten Arabischen Emi­raten oder in Katar waren. Sorgen wir aber auch dafür, dass man in der Europäischen Union neue Energiequellen anzapft  alternative genauso wie sozusagen Brückenener­giequellen –, und sorgen wir auch dafür, dass unsere Stromnetze die Energie, die etwa in den Windkraftwerken in der Nordsee produziert wird, auch wirklich zu den Industrie­zentren in der Mitte des Kontinents bringen können!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Ministerin! Ich hoffe, den Euro­päischen Grünen Deal stellt niemand in diesem Haus infrage. Wir haben uns zu großen Zielen bekannt, die aber auch notwendig sind, um eine gute Zukunft zu ermöglichen. Uns in der Volkspartei, aber auch mir persönlich geht es aber eben auch darum, dass man diese zwei Dinge nicht vergisst: die Sicherheit der Versorgung und die Leistbarkeit für die Menschen. Ich bitte Sie, das auch zu Ihren Verhandlungen in Brüssel mitzu­nehmen, und wünsche Ihnen dafür auch viel Erfolg, Frau Ministerin. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

18.43


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Stefan Schennach. – Bitte.


18.43.57

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich kann mich erinnern, als der Vertrag von Lissabon knapp vor der Verabschiedung war – ich bin also schon ein bisschen länger hier –, hat man die EU-Ausschüsse der nationalen Parlamente gebeten, in der Subsidiaritäts- und Verhältnis­mäßigkeitsprüfung einen Testlauf zu machen – und der Testlauf war wirklich interessant.

Es ging damals um die dritte Eisenbahnrichtlinie, darum, dass es eine Möglichkeit gibt, einen europäischen Führerschein für Lokführerinnen und Lokführer zu haben. Damals habe ich das Gefühl gehabt, wenn die Deutschen Österreicher ausbilden oder die Fran­zosen Deutsche, bricht in ganz Europa die Eisenbahn zusammen, das muss in jedem einzelnen Land gemacht werden. Mittlerweile kommen wir schon über die Zertifizierung in dieser Vorschau von Triebfahrzeugführern und -führerinnen für Lokomotiven einen großen Schritt weiter; ich halte das für äußerst positiv.

Gerade das Eisenbahnnetz ist ein europäisches Netz und deshalb habe ich aufgrund dieses unfassbaren Krieges gegen die Ukraine eine kleine Frage außer Konkurrenz, Frau Bundesministerin: Es ist ja geplant, eine Breitspurbahn von Russland nach Öster­reich zu bauen. In diesem Bereich gibt es ja, glaube ich, schon Vorarbeiten. Wo stehen wir da? Gab es da irgendwelche Vorgaben zu diesem Projekt? Ist da irgendetwas ge­schehen, außer dass die ÖBB Projektpartner waren? Es ist ja wirklich interessant.

Herr Bernard! Ich bewundere das, man kommt ans Rednerpult und jammert über etwas, zu dem man gestern Flagge hätte zeigen können. Gestern haben wir im EU-Ausschuss genau zu dieser Jammerei von Ihnen zwei Mitteilungen an die EU-Kommission und an die Bundesregierung zur Abstimmung gestellt. Die ÖVP hat mitgestimmt, die Grünen haben mitgestimmt, die SPÖ hat natürlich mitgestimmt, denn wir hatten die Initiative gesetzt und haben das gemeinsam mit dem Städtebund, gemeinsam mit den Städten Graz und Wien erarbeitet. Wer aber hat nicht mitgestimmt? – Das wart ihr, namentlich auch Sie, Herr Bernard! (Bundesrat Bernard: Richtig!) Und da ist es genau darum ge­gangen: um das Hochlaufen der Infrastruktur im Bereich der schweren und leichten Fahrzeuge.


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Das mit den schweren Fahrzeugen, Lkw, Bussen, das geht so nicht, da haben Sie völlig recht, aber dann, wenn man abstimmen kann, wenn man Position beziehen kann, dann hält man sich zurück; und dann geht man ans Rednerpult und jammert und jammert. Es ist aber egal, die Mitteilung im Rahmen des politischen Dialogs hatte genug Stimmen und ist jetzt unterwegs an die Kommission und an die Bundesregierung, in dem Fall zur Frau Bundesministerin. Wir werden sehen, wie die Diskussion weitergeht.

Zu meinem Vorredner: Der Green Deal, glaube ich, wird hier, das hoffe ich zumindest, von niemandem infrage gestellt, das ist auch ganz wichtig. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ja, okay, okay. Sie haben offensichtlich differenziertere Wahrnehmungen. Ich bin ein bisschen einfacher gestrickt und denke mir, das kann es ja nicht sein, dass man in einer Situation, in der sich der Klimawandel einstellt, in der die Ressourcenfrage zu einer der brennendsten Fragen der Zeit überhaupt wird, dass man da den Green Deal infrage stellt. Wichtig ist die Kombination, die auch mein Vorredner angesprochen hat, mit dem Klimasozialfonds: Klimaschutz und Bekämpfung des Klimawandels müssen leistbar sein.

Im Rahmen dieser Vorschau ist auch eine Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie vorgesehen, das halte ich für wichtig. Da gibt es ein paar sehr, sehr ambi­tionierte Dinge, zum Beispiel eben die Beimischungsverpflichtung im Luftverkehr. Man beginnt also 2025 mit 2 Prozent und ist 2050 dann bei 63 Prozent, das heißt, da muss man sich ranhalten. Das ist also ein gewaltiger Schritt, aber wir begrüßen das. Die Frage ist, wie man das umrechnet.

Etwas, das wir auch sehr begrüßen, ist der einheitliche europäische Luftraum, Single European Sky, der geschaffen worden ist. Die Frage ist nur: Warum ist das in 20 Jahren bis jetzt nicht möglich gewesen? Das wäre ja ein Erfolg, den man schneller hätte schaf­fen können.

Was auch wichtig ist, das ist die Ökodesign-Richtlinie über energieverbrauchsrelevante Produkte und überhaupt die Strategien im internationalen Bereich, der ja jetzt eine ganz besondere Dramatik hat. Wie ich vorhin informiert wurde, wird die Dramatik in diesen Stunden von russischer Seite erhöht, was Energie und Rohstoffe betrifft.

In diesem Sinne: Da ist sehr viel drin, in diesem 18-Monate-Programm und dieser EU-Jahresvorschau. Wir werden sie natürlich zur Kenntnis nehmen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

18.51


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Leonore Gewessler. – Bitte.


18.51.10

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Es freut mich besonders, dass wir im Bundesrat das Ar­beitsprogramm der Europäischen Kommission sowie das Jahresprogramm des Rates behandeln und ich darüber berichten darf. Es ist das erste Mal, dass ich dazu berichte.

Das Arbeitsprogramm 2022 ist äußerst ambitioniert, zeigt die nächsten Schritte auf einer ehrgeizigen, aber notwendigen Transformationsagenda hin zu einem grüneren, zu ei­nem gerechteren, zu einem digital besser aufgestellten, zu einem krisenfesteren Europa nach Überwindung der Covid-Krise auf. Die EU hat mit dem Green Deal – da kann ich Abgeordnetem Schennach nur zustimmen – das zentrale Zukunftsprogramm auf der Agenda, und dieses Programm bleibt zentral auf der Agenda. Wenn man aus der aktuel­len Situation eines lernt, dann das, dass es nur noch wichtiger ist, diesen Green Deal ambitioniert, rasch und umfassend umzusetzen.


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Der Bericht über das Arbeitsprogramm fällt in politisch schwierige Zeiten. Wir haben auf der einen Seite eben die Pandemie, die uns noch immer beschäftigt, wir haben auf der anderen Seite die ungerechtfertigten kriegerischen Aktionen gegen die Ukraine. Vor die­sem Hintergrund, dafür bitte ich um Verständnis, wird sich das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission auch dahin gehend verändern, dass wir eine raschere Ener­gieunabhängigkeit von Russland brauchen, denn die Abhängigkeit macht uns erpress­bar. Deswegen sitzen wir vor den Bildschirmen und schauen uns jede Äußerung an, die in diesem Bereich gemacht wird.

Die Abhängigkeit macht uns erpressbar, deswegen müssen wir so schnell wie möglich aus dieser Abhängigkeit rauskommen. In diese Richtung geht auch die gestrige Mittei­lung der Kommission unter dem Titel REPowerEU, eine Mitteilung, die darauf abzielt, so rasch wie möglich die Abhängigkeit von russischem Erdgas um zwei Drittel zu senken. Ich freue mich sehr, dass die EU mit dieser Mitteilung auch wirklich die drei Dinge, die wir jetzt in Österreich angehen, und zwar gleichzeitig angehen, unterstützt und wir ei­gentlich für das, was wir machen, Rückenwind haben.

Welche drei Dinge sind das? Wir müssen erstens dafür sorgen, dass wir diversifizieren. Herr Bundesrat Krumböck hat auf die Reise angespielt, auf der ich war. Es kann nicht unser Ziel sein, eine Abhängigkeit von einem nicht demokratischen Regime durch eine nächste Abhängigkeit zu ersetzen, deswegen brauchen wir Diversifizierung, deswegen ist es trotzdem notwendig, kurzfristig dorthin zu schauen, wo es Kapazitäten gibt. Die gibt es aber nicht nur in Katar, die gibt es auch zu Hause: Grüngasquote, Biogasförde­rung. Das gilt es jetzt intensiv und umfassend anzugehen, denn da sind auch in Öster­reich Potenziale, die wir noch heben können und die den Umstieg auf erneuerbare Ener­gien vorantreiben – das ist ein erster Schritt.

Ein zweiter Schritt sind Speicher, deswegen werden wir uns sowohl auf europäischer als auch auf österreichischer Ebene mit der Speicherbevorratung beschäftigen. Ein rascher, ambitionierter Umstieg auf erneuerbare Energien in Richtung Effizienz ist nötig, wir müs­sen den Gasverbrauch senken, damit wir ihn erneuerbar decken können. Das alles sind Ansprüche, die die Kommission gestern noch einmal sehr deutlich und mit sehr viel Kraft untermauert hat. Das sind die Themen, die wir in Österreich gerade vorantreiben, und das sind sicher Themen, die auf diese Jahresvorschau in der Umsetzung noch einmal einen Einfluss haben werden.

Dennoch, das Arbeitsprogramm hat insgesamt 42 neue politische Initiativen zu allen übergreifenden Zielen und Leitlinien der Kommissionspräsidentin. Zentrales Ziel ist die Klimaneutralität 2050, dabei sind aber auch – auch das haben wir schon in vorigen Ta­gesordnungspunkten diskutiert – die soziale Marktwirtschaft, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts, aber auch die Verteidigung unserer Werte inner- und außerhalb Euro­pas.

Es unterstreicht, glaube ich, in Summe den Willen, aus den Krisen gestärkt hervorzu­gehen und diese Krisen als Anlass zu nehmen, Dinge auch anders zu machen, denn das Weiter-wie-bisher führt uns schnurstracks in die nächste Krise. Die Krise soll als Anlass genommen werden, Dinge anders zu machen und sich auf den grünen, auf den digitalen Wandel einzustellen und ihn voranzutreiben.

Ich werde jetzt aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und aufgrund der Tatsache, dass viele von Ihnen ja schon einzelne Elemente aus dem Arbeitsprogramm und aus den euro­päischen Initiativen angesprochen haben, nur noch kurz ein paar Punkte von Ihnen auf­greifen.

Herr Abgeordneter Schennach hat noch zwei Fragen gehabt. (Bundesrat Schennach: Breitspurbahn!) – Genau. Einen Kommentar kann ich mir nicht verkneifen: Die Bahn muss europäischer werden, das ist eine zentrale Aufgabe. Es darf uns 2022 eigentlich


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nicht zufriedenstellen, dass wir uns über eine Richtlinie für die Triebfahrzeugführer freuen. Schaut man sich an, was die Luftfahrtindustrie zustande gebracht hat, wie schwierig es aber im Gegenzug ist, innereuropäisch ein Zugticket zu buchen, wie oft ein Güterzug auf dem Weg vom Schwarzen Meer zur Nordsee oder wo auch immer Sie ihn hinschicken wollen  die Triebfahrzeugführer wechseln muss, dann muss man sa­gen, dass wir da im europäischen Eisenbahnwesen eine wirklich große Aufgabe und eine Hausaufgabe für die Bahnen haben. Es freut mich, dass die Kommission das jetzt ernsthaft angeht, aber es ist ein Thema, das mir als leidenschaftliche Bahnfahrerin wirk­lich ganz besonders am Herzen liegt.

Sie hatten noch eine Frage zur Breitspurbahn: Was das Ministerium gemacht hat, ist, das Verfahren fortzuführen – ich kann im Nachgang gerne auch noch die parlamentari­schen Anfragen dazu übermitteln, zu denen wir das ausführlicher beschrieben haben, worum es bei dem Verfahren geht – und mit einem Interimsbericht abzuschließen. Sollte sich die Slowakei – denn daran hängt es ja – entschließen, dieses Projekt voranzutrei­ben, dann muss man sich überlegen, ob es Sinn macht, das fortzuführen, denn sonst kommen die Güter mit dem Lkw nach Österreich.

Für diesen Teil gab es ein Verfahren, es gab aber in den letzten Jahren keine Bewegung in diesem Projekt, die Finanzierung ist in der Slowakei auch nicht gesichert; mir ist auch nichts bekannt, dass sich da jetzt irgendetwas geändert hätte. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.) Es gibt keine Forderungen, also es sind mir keine Forderungen an die ÖBB oder an sonst irgendjemanden bekannt  ich glaube, darauf hat Ihre Frage angespielt , aber ganz generell muss man jetzt, glaube ich, alle Zusammenarbeitsfra­gen gerade in einer solchen Situation auf den Prüfstand stellen, und das machen auch wir.

Erlauben Sie mir noch ein Schlusswort zu Herrn Bernard; Herr Bundesrat Gross hat es eh auch schon gesagt: Wenn Sie ein Problem mit meiner Politik haben, dann bitte ich, die Kritik an mich zu richten, nicht an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jeden Tag großartige Arbeit in diesem Ministerium leisten und die Aufgabe haben, auf das große Ganze und nicht auf ein Einzelprojekt zu schauen. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Bader.) Die müssen mir nämlich am Ende – und das ist auch meine Aufgabe – sicherstellen, dass das Gesamtsystem funktioniert.

Florian Krumböck hat zu Recht gesagt, unser Ziel ist, bis 2050 EU-weit 60 Prozent Bei­mischung alternativer Kraftstoffe oder E-Fuels im Flugverkehr zu erreichen, und allen, die wissen, dass 100 Prozent das Ganze wäre, um das klimaneutral zu machen, ist be­wusst, dass da noch 40 Prozent fehlen. Wenn Sie wie ich und wir alle sicherstellen wollen, dass wir in Zukunft auch noch gut und klimaneutral fliegen können, dann gehören die alternativen Kraftstoffe dort hinein und nicht in das Auto, denn dafür haben wir eine bessere, eine effizientere und eine gescheitere Alternative. Wenn Sie mir das nicht glau­ben, sei Ihnen das unbenommen, ich schicke Sie zu Ford, zu Opel, zu Jaguar, zu Volks­wagen, zu Volvo, wer auch immer Ihnen noch einfällt, denn die setzen alle auf die bat­terieelektrischen Pkw.

Ich glaube, die Diskussion zur Differenzierung der Infrastruktur in den Städten versus auf der freien Strecke, gerade auch beim Wasserstoffthema, wurde gestern ausgiebig geführt, dazu muss ich mich jetzt nicht mehr äußern.

Ich bin die Ministerin, ich trage die Verantwortung und bitte daher, Kritik, wenn es sie denn gibt, an mich zu richten. Kritik am Arbeitsprogramm habe ich jetzt aber nicht viel gehört, deswegen hoffe ich und freue ich mich auf eine breite Kenntnisnahme des Gan­zen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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19.00


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gemeldet hat sich noch unser Kollege Ber­nard. – Bitte.


19.00.24

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Sie haben mich jetzt persönlich aufgefordert, die Kritik noch einmal direkt an Sie zu richten. Ich glaube, in den letzten – mittlerweile zehn – Reden habe ich jedes Mal Kritik an Sie geäußert, außer Sie waren gerade nicht da und haben sich vertreten lassen, aber es ist in der Sache nichts geschehen.

Ich habe, so wie es Kollege Schennach schon gesagt hat, auch bei der vorletzten Sit­zung meine Kritik geäußert. Mir wurde versprochen, dass ich bis zur nächsten Sitzung Unterlagen bekomme, es wurde mir nichts zugesandt. Vielleicht haben es andere Frak­tionen bekommen, aber ich habe nichts bekommen.

Kollege Krumböck redet von irgendwelchen Wirrnissen, die ich von mir gebe. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich bin selbst in der Branche tätig und weiß sehr wohl, dass die Hersteller Volvo und auch andere, Mercedes und so weiter, in anderen Ländern sehr wohl mit diesen alternativen Kraftstoffen fahren und dass das problemlos geht. Da ist nur eine schwache Lobby dahinter, daher wird es nicht umgesetzt, und Sie schwören auf Elektro und fördern dies.

Wasserstofftechnologie wird sich bei SUVs ab 150 kW oder bei Lastwagen durchsetzen, im normalen Kurzstreckenverkehr wird der Elektro-Pkw weiter auch da sein, aber es braucht auf jeden Fall den gesunden Mix. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage es noch einmal: Wenn Sie, Herr Abgeordneter Krumböck, sagen, es ist noch zu früh: Ich glaube, dass es in unserem wunderschönen Heimatland Österreich für jeden Österreicher und jede österreichische Familie, für jeden einzelnen Strombezieher nicht zu früh sein kann, wenn wir heute den Beschluss treffen und sagen würden, so, wir re­duzieren jetzt die Mehrwertsteuer um diese 20 Prozent und bauen die anderen Infra­strukturen dann so weit auf, dass wir später nachjustieren, und wir jetzt die Bevölkerung entlasten. – Ich kann ich mir nicht vorstellen, was da zu früh sein sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt mittlerweile auch schon andere Länder – schauen Sie einmal über die Grenze nach Deutschland, schauen Sie in die Medien! –, die mit der Idee gekommen sind. Ich glaube also nicht, dass wir zu früh sind. Vielleicht war es bei der vorigen Sitzung, in der wir es eingebracht haben, zu früh, aber jetzt sind wir bei der nächsten Sitzung. Wenn ihr es heute wieder nicht beschließen wollt, dann werden wir es bei der nächsten und über­nächsten Sitzung und so weiter einbringen – wir werden keine Ruhe geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Frau Minister hat es vorhin schon gesagt: Warum muss man nach Katar fahren, wenn man grünen Wasserstoff produzieren oder ankaufen will? Das soll mir einmal einer erklären. Wir haben in Österreich jede Menge Windkraftanlagen, und es ist so, dass eine Windkraftanlage teilweise stillgelegt wird oder Strom produziert wird, nur damit man das Windrad nicht abschalten muss. Der Strom wird dann zu Preisen in einem Bereich von 1,5 oder 2 Cent verkauft, was indiskutabel ist. Man könnte mit der heutigen Technologie zu jedem Windrad eine Wasserstoffproduktion hinstellen, dann hätten wir unseren grünen Wasserstoff und bräuchten nicht den grünen Wasserstoff aus Katar.

Frau Minister, ich muss Ihnen eines sagen: In meinem Leben stand ich sehr wohl stark zu erneuerbarer Energie und ich bin mir sicher, dass ich seit 2002  über 20 Jahre  wesentlich mehr Kilowattstunden erneuerbare Energie produziert habe, als Sie jemals in Ihrem Leben produzieren werden. Danke. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Bravo!)

19.04


19.04.33

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Energiearmut verhindern – keine Umsatzsteuer auf Strom und Gas“ vor. Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

19.05.4513. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Gelegenheitsverkehrs-Ge­setz 1996 und das Kraftfahrliniengesetz geändert werden (2224/A und 1347 d.B. sowie 10877/BR d.B. und 10893/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 13.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um den Bericht.


19.06.08

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Verkehrsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Februar 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Gelegenheitsverkehrs-Ge-setz 1996 und das Kraftfahrliniengesetz geändert werden.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Michael Bernard. – Bitte.


19.06.52

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kollegen des Bundesrates! Liebe Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Mit dem Beschluss, der heute wahrscheinlich gefasst wird, wird von Türkis-Grün eine Richtlinie aus 2018 umgesetzt. In der Richtlinie geht es um die Grundqualifikation und die Weiterbildung der Fahrer von zum Beispiel leichten Lkw, Klasse C1, mit oder ohne Anhänger, schweren Lkw der Klasse C, ebenfalls mit oder ohne Anhänger, sowie auch den verschiedenen Autobusführerscheinklassen. Die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2018 ist in nationales Recht umzusetzen, und dieses ist jetzt auch anzupassen.

Obwohl die benötigten Informationen der verschiedenen Nachweise von Inhabern öster­reichischer Führerscheine bereits im Führerscheinregister eingetragen sind und in Zu­kunft auf der neuen Plattform mit dem Namen Berufskraftfahrerqualifikationsregister zu­sammengefasst werden sollen, war es dieser Belastungs-/Spaltungsbundesregierung in Ihrer Amtszeit von mehr als zwei Jahren natürlich nicht möglich, diese Umsetzung einer


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ordnungsgemäßen parlamentarischen Begutachtung zuzuführen, in der zum Beispiel all­fällige datenschutzrechtliche Bedenken hätten beleuchtet werden können. Vielleicht hat diese Bundesregierung auch Angst vor Stellungnahmen in einem offiziellen Begutach­tungsverfahren.

Wir Freiheitlichen werden aufgrund dieser merkwürdigen Vorgänge unsere Zustimmung verwehren. (Beifall bei der FPÖ.)

19.08


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


19.08.47

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Noch ein bisschen etwas zur Novelle, die jetzt diskutiert wird: Es geht im Wesentlichen um die Umsetzung von EU-Recht, vor allem der Richtlinie über die Grundqualifikation und Weiterbildung der FahrerInnen bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- und Personenverkehr.

Ziel dieser Änderung ist eine europaweite Vereinheitlichung von Qualitätserfordernissen für FahrerInnen im Straßengüterverkehr und in der Personenbeförderung und für die Konzessionsvergabe und die Implementierung entsprechender europaweiter Datenban­ken, zum Beispiel im Berufskraftfahrerregister.

Was ist das Ziel dieser ganzen Sache? – Es soll eigentlich die Arbeit erleichtern, auch wenn sicher ein Anfangsaufwand zu bewältigen ist. Nicht vergessen darf man ja, dass ein relevanter Teil des Güterverkehrs in Europa grenzüberschreitend ist. Die Idee ist, dass die in einem europäischen Land erteilte Konzession auch in anderen Ländern gilt und sie auch leicht zu überprüfen ist.

Es geht ja nicht darum, Schikanen für die Spediteure und schon gar nicht für die Fah­rerInnen aufzubauen, die sollen sich einfacher in Europa bewegen können. Natürlich geht es indirekt auch um die Verkehrssicherheit, die durch einheitliche Qualifikationen und eine erleichterte Kontrolle durch die Datenbank verbessert werden kann und soll – nur als Stichwort nenne ich zum Beispiel den jährlichen Bericht über die Vor-Ort-Kon­trollen, den wir diskutieren.

Ein vielleicht kleiner, aber wichtiger Punkt zum Schutz der AnrainerInnen in dieser Ge­setzesnovelle ist, dass bei Konzessionserteilungen für schwere Kraftfahrzeuge – wohl­gemerkt – über 3,5 Tonnen die erforderlichen Abstellplätze nachzuweisen sind, und zwar außerhalb von Straßen mit öffentlichem Verkehr. Das ist ein wichtiger Punkt. Allerdings gibt es dabei – und das ist auch richtig so – große Spielräume, wo diese sein können oder müssen. Das kann in anderen Gemeinden sein, das kann auch in angren­zenden Verwaltungsbezirken sein. Diese Anpassungen machen Sinn und sind sicher eine Verbesserung. Der Güterverkehr, der auf der Straße abgewickelt wird, soll mög­lichst glatt über die Bühne gehen.

Verkehrspolitisch bleibt selbstverständlich wichtig, möglichst viel des Güterverkehrs auf die Schiene zu bringen. Der Mobilitätsmasterplan 2030 sieht immerhin Klimaneutralität bis 2040 vor, und schon deshalb ist eine kräftige Verlagerung unabdingbar, auch aus dem Aspekt des Schutzes der AnrainerInnen heraus – ich erinnere da zum Beispiel an die Belastung der Menschen etwa im Tiroler Inntal, auf der Brennerstrecke. Ebenso ist es eine wichtige Maßnahme zur Reduktion des Flächenverbrauchs. Dafür ist der ÖBB-Rahmenplan eine ganz wichtige Maßnahme, im Zuge dessen in einem nie dagewesenen Ausmaß Mittel investiert werden, um eben die Schieneninfrastruktur zu verbessern, denn sonst wird es natürlich auch schwierig, entsprechende Verlagerungen auf die Schiene vorzunehmen.


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Im Übrigen – auch das sei nicht vergessen – ist die Bahn wesentlich kostenstabiler als der Straßengüterverkehr, übrigens auch im Personenverkehr, gerade mit Blick auf die stark gestiegenen Dieselpreise. Vielleicht ist das ja jetzt auch ein Schub für die Verlage­rung des Güterverkehrs auf die Bahn, jedenfalls einmal soweit die entsprechenden Ka­pazitäten da sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

19.12


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.13.00

Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Lieber Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauerinnen und Zuschauer! Stellen Sie sich vor, Sie wohnen an der Staatsgrenze, bestellen sich Waren aus der Region, die natürlich auch das benachbarte EU-Land sein kann: In diesem Fall wird der Gütertransport hin und wieder zur Mammutaufgabe, sowohl für den Konsumenten als auch für die Transportfirma.

Für das Wirtschaftsland Österreich mit sehr vielen auch kleinen Gewerbebetrieben hat die vorliegende Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht sehr wohl eine sehr wichtige Bedeutung, alleine wenn man die Länge unserer Staatsgrenze betrachtet. Sie hat eine Länge von 2 524 Kilometer, das ist immerhin die sechstlängste Landesgrenze innerhalb der EU, und bei acht Nachbarstaaten hat Österreich wie Deutschland – dieses hat mit neun die meisten Nachbarstaaten innerhalb der EU – gleichermaßen und auch ständig mit dem grenzüberschreitenden Warenverkehr zu tun.

Was steckt nun hinter dieser Gesetzesänderung beziehungsweise der Umsetzung der EU-Richtlinie? – Man kann natürlich das Zustandekommen beziehungsweise die Art und Weise der Umsetzung, den Zeitpunkt in alle Richtungen bejammern, wichtig ist letzten Endes doch immer, was herauskommt, und vor allem, dass es umgesetzt wird. Im We­sentlichen geht es nämlich darum, dass wir damit gleiche Rahmenbedingungen – wie wir schon gehört haben – für den grenzüberschreitenden Güterverkehr im europäischen Wirtschaftsraum für Kleintransporteure, also für den Güterverkehr bis zu 3,5 Tonnen, schaffen.

Mein Vorredner Adi Gross hat bereits sehr gut und ausführlich darüber berichtet, ich möchte aber dennoch ein paar wichtige Aspekte ergänzen. Denken wir nur an den On­linehandel: Der Trend, Waren per Knopfdruck nach Hause liefern zu lassen, ist unge­brochen. Und wie der Strom bekanntlich nicht – no na! – aus der Steckdose kommt, sondern Leitungen braucht, so liegt zwischen dem Klick, um die Bestellung abzuschi­cken, und dem Paket vor der Haustüre eben ein Transportweg. Da wäre es gut, würde das immer auf der Schiene stattfinden – darüber hat Adi Gross ja bereits gesprochen –, aber vor allem im ländlichen Raum kann der Zug nicht vor der Haustüre stehen bleiben.

Zum Glück hat der heimische Handel aber die Chance der Digitalisierung genutzt, und so stehen schon zahlreiche österreichische Onlineshops zur Verfügung. Ich möchte im Zuge dessen an alle Konsumentinnen und Konsumenten appellieren und sie bitten: Schauen Sie bewusst darauf, wenn Sie online bestellen, dass Sie auch beim heimischen regionalen und stationären Handel einkaufen! Dadurch sichern wir Arbeitsplätze in der Region und unterstützen den stationären Handel.

Mit den ausgelösten Warenlieferungen ist die Kleintransportbranche die letzten Jahre extrem gewachsen, und es wurden zahlreiche Unternehmen gegründet. Durch den nie­derschwelligen, einfachen Zugang zum Kleintransportgewerbe hat eben leider auch die Qualität gelitten. Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie schaffen wir wieder eine gute Ba­sis und sorgen für eine Qualitätsgarantie.


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Wie ist das möglich? – Es sind bereits ein paar Punkte erwähnt worden, daher nur ganz kurz: durch die Anpassung des Qualifikationsniveaus für alle Fahrerinnen und Fahrer im Güterverkehr und in der Personenbeförderung, durch die Anpassung der Lenkerberech­tigung in der Grundqualifikation, und zwar für die schon erwähnten Führerscheinklas­sen C und D, also dort, wo auch Aufleger und Anhänger gezogen werden. Jene, die einen Führerschein für diese Klassen haben, müssen nicht nur regelmäßig eine Fahrer­qualifizierung absolvieren, sondern auch den Nachweis darüber mitführen und gegebe­nenfalls auch vorweisen können, denn Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Die Konzessionsprüfung beim grenzüberschreitenden Warenverkehr soll sowohl für den Handel als auch für den Verbraucher eine Qualitätssicherung auslösen. Durch die Aus­stellung einer EU-Gemeinschaftslizenz je nach Fahrzeug analog zum großen Güterbe­förderungsgewerbe wird das konzessionierte Gewerbe auch kontrollierbarer. Außerdem ist eine finanzielle Leistungsfähigkeit je Fahrzeug erforderlich, was eine nochmalige Qualitätssteigerung bringen wird.

Eine sehr gute praxisnahe Lösung gibt es für Unternehmen, die schon sehr lange im Kleintransport aktiv sind, denn für Unternehmerinnen und Unternehmer, welche vor dem 20. August 2020 bereits zehn Jahre in diesem Gewerbe tätig waren, sind die neuen Kon­zessionen nicht mehr erforderlich. Es ist also keine Konzessionsprüfung mehr zu ma­chen. Erfasst sein werden sämtliche erforderlichen Nachweise im sogenannten – bereits erwähnten – Berufskraftfahrerqualifikationsregister, das künftig im Bundesrechenzen­trum angesiedelt sein wird. Damit wird der Datenaustausch innerhalb der EU-Staaten möglich, um die angesprochenen Kontrollen auch durchführen zu können. Das österrei­chische Führerscheinregister hat dafür schon die notwendigen Grundlagen, denn es ent­hält bereits sämtliche Informationen, welche im neuen Register zusammengefasst wer­den.

Natürlich gibt es Bereiche, in denen diese Richtlinien nicht anwendbar sind. Ich möchte ein paar Ausnahmen erwähnen. Die Regelungen gelten nicht für Lenkerinnen und Len­ker von Kraftfahrzeugen, deren zulässige Höchstgeschwindigkeit unter 45 km/h liegt, für Lenkerinnen und Lenker von Kraftfahrzeugen von Streitkräften, der Feuerwehr, des Ka­tastrophenschutzes etwa, die im Rahmen dieser Dienste unterwegs sind, und für Fah­rerinnen und Fahrer von Landwirtschafts-, Gartenbau-, Forstwirtschafts- und Fischerei­unternehmen. Diese Ausnahmen sind deshalb auf die berufsbezogenen Aus- und Wei­terbildungsvorschriften für Personen, die im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft tätig sind, anwendbar, weil sie nicht unter die Gewerbekompetenz fallen.

Kurzum: EU-Richtlinien in nationales Recht umzusetzen, ist kein bloßes Eins-zu-eins-Kopieren. Ich danke daher allen, die an der Gesetzesvorlage gearbeitet und sich dafür eingesetzt haben. Das Endergebnis ist ein gutes geworden, für mehr Qualität und mehr Sicherheit auch im Straßenverkehr. Ich ersuche daher um eure Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.19


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich begrüße recht herzlich unseren Bundesminister Jo­hannes Rauch. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dominik Reisinger. – Bitte.


19.20.21

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhö­rerinnen und Zuhörer! Es wurde schon alles gesagt, aber eben nicht von allen, ich werde mich deswegen auf das Wesentliche beschränken und mich sehr kurz halten.

Mit dieser Gesetzesvorlage wird im Wesentlichen eine EU-Richtlinie umgesetzt; sowohl für den Personenverkehr als auch für die Güterbeförderung soll ein Qualifikationsregister


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geschaffen werden. Über dieses Qualifikationsregister können dann Behörden aller EU-Mitgliedstaaten überprüfen, ob zum Beispiel eine Berufskraftfahrerin oder ein Berufs­kraftfahrer auch über die erforderliche Qualifikation verfügt. Diese Maßnahme dient also hauptsächlich der EU-weiten Harmonisierung einerseits, andererseits wird damit aber auch beabsichtigt, die Verkehrssicherheit anzuheben – wir haben das schon gehört.

Inhaltlich geht die SPÖ-Fraktion mit diesem Vorschlag d’accord. Wenn man etwas kriti­sieren kann, dann – das hat auch schon ein Vorredner erwähnt – die lange Umsetzungs­phase. Diese EU-Richtlinie kommt aus dem Jahr 2018, wird also jetzt sehr verspätet umgesetzt. Ein zweiter Kritikpunkt wäre auch noch, dass dieses Gesetz ohne Begut­achtung über Initiativ- und Abänderungsanträge auf den Weg gebracht wurde; auch die Sozialpartnereinigung wurde erst in zweiter Lesung im Nationalrat aufgenommen. Diese Kritik wurde dort aber bereits adressiert – ich darf mich diesem Urteil heute neuerlich anschließen, aber keine Sorge: Diese Kritik wird uns nicht davon abhalten, diesem Ge­setzesvorschlag unsere Zustimmung zu erteilen.

Hohes Haus, ich möchte aber die Gelegenheit nützen, um zu einem anderen sehr wich­tigen, vor allem sehr aktuellen Thema zu sprechen und dazu einen Entschließungsan­trag einbringen. Es geht um die wahrscheinlich seit Jahrzehnten stärkste Teuerungswel­le, in unserem Antrag explizit um die horrenden aktuellen Spritpreise, die die Menschen ganz, ganz enorm belasten.

Wir wissen, Einkaufen, Wohnen, Heizen, Strom und vor allem das Autofahren, all diese Bereiche des täglichen Lebens sind von exorbitanten Preissteigerungen betroffen. Das Tanken ist überhaupt der Ausreißer schlechthin, es ist um bis zu 50 Prozent teurer ge­worden, wobei sich diese Zahl im Laufe des heutigen Tages schon längst wieder über­holt hat. Für die Menschen, die auf das Auto angewiesen sind – ich spreche von den Pendlern –, wird also der Arbeitsweg zum Luxus, und das kann es ja wohl nicht sein. Wir reden da bei Durchschnittspendlern von mehreren Hundert Euro Mehrbelastung pro Jahr, und diese Mehrbelastung könnte man für kleine und mittlere Einkommensbezieher relativ einfach ausgleichen.

Dazu haben wir uns auch ein Modell überlegt, und zwar: Wandelte man das derzeit un­ökologische Pendlerpauschale in einen klimafreundlichen Pendlerabsetzbetrag um, wür­de das die Menschen spürbar entlasten. (Beifall bei der SPÖ.) Zusätzlich sollten alle, die tatsächlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und unterwegs sind, das neue soge­nannte große Pendlerpauschale bekommen. Von diesem Vorschlag würden vor allem kleine und mittlere Einkommensbezieher profitieren und Pendler entlastet werden – ich habe das schon erwähnt.

Jetzt ist es an der Zeit, zu handeln. Die Bundesregierung ist jetzt gefordert, in Zeiten der extremen Teuerung für die Entlastung der Menschen zu sorgen, denn jeder weiß, was es heißt, wenn Kaufkraft verloren geht. Weniger Kaufkraft führt zur Verarmung der Be­völkerung und bedeutet gleichzeitig einen Einbruch unserer Wirtschaftsleistung und Wirtschaftskraft. All das können und dürfen wir uns in diesen Zeiten nicht leisten, es braucht jetzt ein schnelles und entschlossenes Handeln.

Deshalb stelle ich folgenden Entschließungsantrag und hoffe auf breite Zustimmung:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Treffsi­chere und sozial gerechte Hilfe bei horrenden Spritpreisen“

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat ein Maß­nahmenpaket gegen die Teuerung ehestmöglich zuzuleiten und insbesondere für die Pendler*innen die dringend notwendige Entlastung über die Erhöhung der Pendlerpau­schale für kleine und mittlere Einkommen durch Ökologisierung sowie Umstellung von Steuerfrei- auf Steuerabsetzbetrag sicherzustellen.“

*****

Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26


19.26.21

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Dominik Reisinger, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Treffsichere und so­zial gerechte Hilfe bei horrenden Spritpreisen“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt uns der Antrag der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Treffsichere und sozial gerechte Hilfe bei hor­renden Spritpreisen“ vor.

Ich lasse jetzt über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

19.27.3414. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1971/A und 1350 d.B. sowie 10885/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (2063/A und 1353 d.B. sowie 10878/BR d.B. und 10886/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 14 und 15, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Als Berichterstatterin zu den Punkten 14 und 15 ist mir Frau Bundesrätin Claudia Hau­schildt-Buschberger genannt worden. – Ich bitte um die Berichte.


19.28.13

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss


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des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. März 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemie­gesetz 1950 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. März 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Wortmeldung: Ingo Appé. – Bitte.


19.29.17

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Ich darf mit Punkt 15 beginnen, dem Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird, und darf gleich vorausschicken, dass wir diesem Entwurf unsere Zustimmung nicht erteilen werden.

Inhaltlich geht es darum, dass die Regelung, dass Bürgermeistern die Namen und die erforderlichen Kontaktdaten der von Absonderungsmaßnahmen gemäß dem Epidemie­gesetz betroffenen Personen, die im Gemeindegebiet des Bürgermeisters wohnhaft sind, mitgeteilt werden, bis 30. Juni 2022 verlängert werden soll.

Wie schaut das in der Praxis aus? – Die BHs sind überfordert, wir sind froh, wenn wir von den Gemeindebediensteten wenigstens bis zum Ende der Absonderungszeit die Be­scheide kriegen – ich spreche gar nicht von den anderen Gemeindebürgerinnen und -bür­gern, die da betroffen sind. Nehmen wir den aktuellen Stand meiner Gemeinde her: Es gibt zurzeit 229 Erkrankte in meiner Gemeinde – wir sind ein Bezirk mit 19 Gemeinden – und die Inzidenz ist bei 3 000. Wenn ich den Kollegen aus Hüttenberg hernehme, wird mir dieser sicher das Gleiche von seiner Bezirksverwaltungsbehörde mitteilen. Dort gibt es derzeit 71 Erkrankte und als Letztstand eine Inzidenz von 2 924. Was wir da jetzt wirklich sinnvoll gestalten, verschließt sich meinem Wissen.

Das Nächste ist die Grundlage für eine Neuregelung der Teststrategie. Es wird eine Ver­ordnungsermächtigung des Gesundheitsministers im Einvernehmen mit dem Finanzmi­nister erstellt und festgelegt, welche Tests in Zukunft auf Kosten des Bundes durchge­führt werden sollen. Auch wenn jetzt die Vorarlberger Achse Rauch–Brunner gut funk­tionieren sollte, sehen wir den Grund, warum wir dagegen sind, eigentlich schon dahin gehend, dass die gesundheitspolitischen Kompetenzen des Gesundheitsministers ein­geschränkt und beschnitten werden. (Bundesrätin Schumann nickt.) Ich glaube, das ist nicht sinnvoll, und da werfen wir uns für Sie, Herr Bundesminister, auf die Gleise, um diesen Einschnitten entgegenzuwirken. (Beifall bei der SPÖ.) – So viel zu Tagesord­nungspunkt 15.

Bei Punkt 14 sind wir mit dabei, da erfolgt unsere Zustimmung. Es geht um die Ver­längerung der Kostenersätze durch den Bund an die Länder bis zum Ende dieses Jahres, des Jahres 2022. Das betrifft im Besonderen die Bereiche Schutzausrüstung,


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Personalkosten, Infrastrukturkosten – das, was bei den Impfstellen für die bevölkerungs­weiten Impfaktionen notwendig ist. Da ist sichergestellt, dass den Ländern die Kosten der Finanzierung spezifischer Testinfrastrukturen durch den Bund refundiert werden. Das ist eine sinnvolle Maßnahme; als Länderkammer können wir da nur dafür sein.

Da heute schon so viel über Krisen geredet worden ist und von Geld, das den Ländern vom Bund zur Verfügung gestellt wird: Für uns ist eine wirklich große Angelegenheit die Geschichte mit den Kindern, die ich schon eingangs erwähnt habe. Da hoffen wir, dass wir mit dem Herrn Bundesminister vielleicht in dieser Richtung etwas bewegen können. Daher möchte ich auch einen Entschließungsantrag einbringen, der sofortige Maßnah­men gegen den Vormarsch der Zweiklassenmedizin, insbesondere durch den Kinderärz­temangel, als erforderlich begründet.

Wie schaut es derzeit aus? – Es gibt einen vermehrten Betreuungsbedarf für Kinder und Jugendliche, hervorgerufen unter anderem durch die Covid-Maßnahmen, aber auch durch das, was sich derzeit in der Ukraine abspielt, mit den täglichen Berichterstattungen im Fernsehen, in den Zeitungen, wodurch die Kinder verunsichert sind und Angst haben. Sie hören vom Blackout, dass es keinen Strom mehr gibt. Wir bringen sie eigentlich nur mit negativen Botschaften in Kontakt.

Das verlangt auch eine dementsprechende ärztliche Betreuung, aber die ist zurzeit leider nicht mehr so gegeben, wie es sein sollte. Da gibt es aus den letzten Wochen und Mo­naten alarmierende Zahlen. Es gibt in Wien einen akuten Kinderärztemangel. Auf rund 280 000 Kinder kommen in Wien noch 71 Kinderärzte und -ärztinnen, die mit einem Kassenvertrag ausgestattet sind. Die Eltern sind verzweifelt. In Tirol ist es das Gleiche, da wird schon über längere Zeit eine große Anzahl von Arztpraxenstellen mit Kassen­verträgen gar nicht mehr nachbesetzt, und auch in Niederösterreich sind zurzeit 43 Stel­len unbesetzt. Insgesamt sind von den 609 Praxen in Österreich nur 250 mit Kassenver­trägen ausgestattet, 30 mit den sogenannten kleinen Kassen und 330, also die Mehrheit, sind Privatordinationen. Unter dem Aspekt der massiven Teuerung wird auch dieser Gang zum Arzt für Familien mit Kindern wirklich unerschwinglich. Daher rührt unsere Forderung, den Vormarsch der Zweiklassengesellschaft zu stoppen, und wir hoffen da auf Ihre Mithilfe, Herr Bundesminister.

Ich bringe daher namens der unterfertigten Bundesräte folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Maßnah­men gegen den Vormarsch der ‚Zwei-Klassen-Medizin‘ insbesondere durch den Kinder­ärzt*innenmangel“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, in den kommenden fünf Jahren die Bereitstel­lung der versprochenen Patientenmilliarde dadurch sicherzustellen, dass jährlich mindes­tens 200 Mio. Euro zusätzlich in den Ausbau der Gesundheitsversorgung investiert wer­den, damit der Vormarsch der Zwei-Klassen-Medizin gestoppt wird und Krankenbehand­lung für die Bevölkerung leistbar bleibt. Insbesondere soll damit sofort ein Anreizsystem finanziert werden, damit insbesondere Kinderärzt*innen in das Sachleistungssystem der Sozialversicherung einsteigen, um so der Mangelversorgung rasch entgegenzuwirken.“

*****

Wir hoffen hier auf eure Unterstützung. Ich danke schon im Voraus. (Beifall bei der SPÖ.)

19.36



BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 180

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Maßnahmen ge­gen den Vormarsch der ‚Zwei-Klassen-Medizin‘ insbesondere durch den Kinderärzt*in­nenmangel“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


19.36.46

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte ganz zu Beginn mei­ner Rede kurz auf Kollegen Appé eingehen und die Kritik an der Datenübermittlung.

Ich bin ja bekanntermaßen aus Oberösterreich. Es gab im Bezirk Vöcklabruck am Höhe­punkt der Deltawelle eine Inzidenz von knapp 5 000, und auch jetzt sind die Inzidenzen ähnlich zu vergleichen mit denen, die du genannt hast. Ich muss sagen, sowohl das Kontaktmanagement als auch die Datenverarbeitung funktionieren immer noch vorbild­haft. Wenn das positive Testergebnis kommt, gibt es gleich den Anruf von der BH. Auch mein Bürgermeister hat sich nie beschwert, dass er irgendetwas nicht rechtzeitig bekom­men hat. Es scheint also sehr unterschiedlich in den Bundesländern zu sein, aber ich möchte das quasi als positives Beispiel jetzt noch einmal darstellen.

Zu Beginn meiner Rede will ich als die in unserer Fraktion für Gesundheit zuständige Person es mir aber nicht nehmen lassen, obwohl die Stunde jetzt schon weit fortge­schritten ist, mich auch von meiner Seite bei Wolfgang Mückstein zu bedanken, der in den letzten zehn Monaten in Anbetracht der Schwere der Situation eine sehr gute Arbeit geleistet und neben den Aufgaben der Pandemiebekämpfung noch weitere Projekte im Ministerium erfolgreich fortgeführt und neu initiiert hat. Ich möchte beispielhaft einige Projekte nennen, die auch schon teilweise angesprochen worden sind: die wesentliche Aufgabe der psychosozialen Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die nämlich auch gut finanziell ausgestattet wurde; die Communitynurses, ein neues Projekt, das jetzt auch schon am Laufen ist und wo die Gemeinden auch schon arbeiten; die Erhöhung der Mindestpension; der Teuerungsausgleich; die Ausstattung der Palliativ- und Hospiz­versorgung mit den notwendigen finanziellen Mitteln – dazu kommen wir beim über­nächsten Tagesordnungspunkt – und – natürlich auch ganz wichtig – die Kampagne ge­gen Gewalt an Frauen.

An dieser Stelle komme ich zu dir, lieber Johannes: Ich möchte dich sehr herzlich will­kommen heißen. Du warst ja bereits heute Vormittag hier und hast den Bundesrat schon etwas erlebt. Es ist tatsächlich so, dass ein immenser Berg an Arbeit vor dir liegt, aber da du aus Vorarlberg kommst, bist du ja sozusagen trainiert, Berge zu bezwingen. Daher schaue ich da sehr positiv in die Zukunft, du wirst das sicher super machen. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die erste Aufgabe, deine Antrittsaufgabe, unser aller Aufgabe ist die Pandemiebekämp­fung, dazu ist es eben auch heute notwendig, die gesetzliche Voraussetzung für ver­schiedene Maßnahmen zu schaffen.

Bei diesen Tagesordnungspunkten sind es eben das COVID-19-Zweckzuschussgesetz und des Epidemiegesetz. Es geht in erster Linie um eine Reihe von Fristverlängerungen, zum Beispiel für die Kostenersätze für Teststraßen, für die Mehraufwände im Rettungs­wesen und darum, auch weiterhin Impfstraßen und Impfstellen zu finanzieren.

Ja, wir erleben mit Omikron gerade einen Paradigmenwechsel im Pandemiegeschehen. (Bundesrat Spanring: Geh! Geh bitte! Paradigmenwechsel!) Das heißt aber natürlich nicht, dass die Pandemie vorbei ist, aber es gilt, Strategien in der Bekämpfung auf das neue Virus, auf das Virusgeschehen anzupassen. Dabei raten viele Expertinnen und


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Experten zu einer Neuausrichtung der Teststrategie in Österreich. (Bundesrat Spanring: Nachdem ihr 2,8 Milliarden verbrannt habt! 2,8 Milliarden!) Die Teststrategie, das Test­regime, das wir jetzt haben, stammt aus dem letzten Herbst beziehungsweise wurde für Herbst und Winter gemacht. Das Ziel damals ist es gewesen, die Testkapazitäten auszubauen. Das ist gut gelungen, wahrscheinlich auch wieder bundeslandspezifisch mit gewissen Unterschieden.

Nun sehen wir – das zeigen die Zahlen von heute, es ist die Höchstzahl in der gesamten Pandemie, wir haben fast 50 000 Neuinfektionen eingemeldet –, dass wir diese Strate­gie auch hinterfragen müssen und wahrscheinlich zielgerichtetes Testen in den Fokus nehmen sollten. (Bundesrat Ofner: Ist das Plan B, zufällig?) Und das soll dem Gesund­heitsminister eben nun in Abstimmung mit dem Finanzminister per Verordnung gestattet werden. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist ganz toll, wenn um fast 20 Uhr nur noch Gemurmel in den Reihen ist und man aber trotzdem noch seine Botschaft rüberbringen möchte. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die will aber keiner hören!) Ich würde es also großartig finden, wenn wir es noch schaffen könnten, zuzuhören. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.) – Getes­tet soll also dort werden, wo wir es brauchen, wo es notwendig ist, und selbstverständlich werden die Tests auch weiterhin gratis sein. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Das alles sind sinnvolle Änderungen beziehungsweise Verlängerungen, die es uns eben ermöglichen, auf das stark veränderte Pandemiegeschehen einzugehen und auch die notwendige Flexibilität dafür zu haben. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja bitte! Gern geschehen!)

19.42


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Christoph Steiner. – Bitte.


19.42.31

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Heute geht es wahrscheinlich allen gleich wie mir. Das ist jetzt gefühlt zum hundertsten Mal eine Änderung, eine Anpassung, eine Verlängerung – jetzt ist es halt eine Verlängerung des COVID-19-Zweckzuschussgeset­zes –, und es geht wahrscheinlich nicht nur mir so, dass ich es bald nicht mehr hören kann. Es ist Frau Hauschildt-Buschberger schon enorm harter Tobak, und ich bin froh, dass Herr Kollege Kornhäusl nach mir redet, denn sonst hätte ich den auch noch vor meiner Rede verkraften müssen. (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wenn ich nur zurückdenke, mit welcher Hysterie speziell meine zwei Gesundheitsexper­ten von Grün und Schwarz, Hauschildt-Buschberger und Kornhäusl, und mit welcher angsteinflößenden Rhetorik die zwei – aber auch die SPÖler darf man da nicht ausneh­men (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schumann und Grimling) – noch vor ein paar Wochen, noch vor ganz wenigen Monaten hier gestanden sind, und wenn ich daran den­ke, mit welch traurigen Showeinlagen sie Angst und Schrecken von diesem Rednerpult aus verbreitet haben, dann wird mir heute noch ganz schlecht. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist eigentlich ein Wahnsinn, was Sie sich da gegenüber den Bürgern geleistet haben. Normalerweise müsstet ihr alle euch da herausstellen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Und entschuldigen!), ans Rednerpult stellen und die Österreicher um Verzeihung bitten: um Verzeihung wegen eurer Worte, die ihr hier gesagt habt, und der darauf folgenden Taten von euch. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn ich nur an Herrn Tiefnig denke – jetzt ist er gerade nicht hier; ah, dort hinten sitzt er –, der in der letzten Sitzung von diesem Rednerpult aus den ungeheuerlichen Sager losließ – ohne Ordnungsruf, ich glaube, da hatten auch Sie den Vorsitz, Frau Präsiden­tin –, ohne Ordnungsruf zum Besten gab: Ungeimpfte müssen verfolgt werden. (Bundes­rat Köck: Das ist falsch! Das ist falsch!) Herr Tiefnig, bis heute gab es von Ihnen keine


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Entschuldigung für diese unglaubliche Entgleisung den österreichischen Bürgern gegen­über. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht, Herr Tiefnig, nutzen Sie heute die Gelegenheit, sich zu entschuldigen, sich endlich bei all jenen Österreichern zu entschuldigen, die Sie in Ihrer kruden Welt wie auch immer verfolgen wollten. Es wäre längst überfällig. Sie brauchen sich jetzt nicht dort hinten hinter Ihren Kollegen zu verstecken, schauen Sie nur runter zu mir! Es ist euch aber sowieso egal, denn ihr habt ja überhaupt keinen Genierer. (Ruf bei der SPÖ: Du aber auch nicht!) Ihr habt überhaupt keinen Genierer gegenüber den Österreichern! Und die ÖVP, Herr Bader, hat noch nie einen Genierer gehabt. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Du schon!)

Aber ihr lebt ja sowieso in eurer ganz eigenen Welt der Covid-Jünger, der Inseratenma­schinerien, der gekauften Umfragen, der getürkten Studien, der geschmacklosen Chats, der Unterdrückung von Wahrheit oder besser noch der Sabotage durch Sobotka. Ich habe es heute eh schon einmal gesagt: Wenn ich nur an das Teeservice eurer Staats­sekretärin denke, die sich um 2 000 Euro ein Teeservice kauft – bei den Preissteigerun­gen und, und, und, die man den Österreichern momentan aufbürdet –, dann habt ihr wirklich keinen Genierer und auch kein Gefühl für die Bürger in Österreich. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Deshalb wundert es mich bei euch auch überhaupt nicht, dass ihr diesem Zweckzu­schussgesetz heute wieder einmal zustimmen werdet, bei dem es halt wieder einmal um Zuschüsse für Impfungen und Testungen geht. Ich frage mich ernsthaft, wie viele Imp­fungen wir noch kaufen wollen. Ich weiß es ja wirklich nicht. Allein mit dem Bestand, den wir jetzt haben, kann ja jeder Österreicher schon circa fünfmal durchgeimpft werden.

Und diese Zuschüsse für die Massentestungen muss man jetzt dann schon einmal end­lich hinterfragen. Alleine Wien – es ist ja völlig verrückt! – testet an einem Tag so viel wie die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Das ist ja logisch niemandem mehr erklär­bar – niemandem mehr! (Beifall bei der FPÖ sowie Beifall und Bravoruf der Bundesrätin Schumann.) Gehen wir doch endlich einen Weg, der einen Sinn macht, mit ein wenig Hausverstand. Testen, ja, natürlich, aber testen bitte nur symptomatische Personen und in Bereichen, wo das Testen auch Sinn macht – in sensiblen Bereichen, Altenheimen, Krankenanstalten, Kuranstalten und dergleichen –, aber bitte hören wir doch endlich auf mit dem Herbeitesten irgendwelcher Zahlen, die ja niemandem etwas nützen, außer man kann dann im ORF 24 Stunden sieben Tage die Woche den Menschen Angst und noch einmal Angst machen.

Jetzt braucht es ja kein 3G mehr, und wir nehmen Zuschusskredite für die Massentes­tungen und Massenimpfungen auf. Zum Impfmythos sei schon noch eines gesagt, wenn man zurückdenkt: Bist du geimpft, dann ist die Pandemie für dich vorbei. – Aber ein paar Wochen später haben wir gesehen: Hoppala! Bist du geimpft, dann musst du nicht auf die Intensivstation. Dann hat man es wieder gesehen: Bist du geimpft, dann hast du keinen so schweren Verlauf. (Heiterkeit des Bundesrates Ofner.) Dann hat man das wieder revidiert. Mit dem Booster, sagt die GroKo – ah die Gecko-Kommission – jetzt (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ): Bist du geboostert, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du nicht Long Covid bekommst. Jetzt sind wir also von der Aussage, der Booster und die Impfung beenden die Pandemie, schon so weit ge­kommen: Ja, kriegen tut ihr es eh alle, auf die Intensivstation könnt ihr auch kommen, aber eventuell kriegt ihr jetzt nicht Long Covid, wenn ihr dreimal geimpft seid. (Bundesrat Spanring: Und kein Mensch kann es beweisen! Das ist ein Wahnsinn!) Ihr seht also, eure Gesetze, eure Märchen, eure Geschichten, eure Storys gehen an der Lebensreali­tät der Bevölkerung draußen komplett vorbei. (Beifall bei der FPÖ.)

Und apropos schlechte Gesetze und Verordnungen, schlechte Erlässe, verfassungswid­rige Erlässe – das müssen wir uns einmal anschauen, aber ich werde mir die Arbeit


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vielleicht machen –: Da ist Österreich definitiv weltweit Spitzenreiter. Ob das rühmlich ist, müssen die ÖVP und die Grünen für sich selber beantworten. Ich glaube, nicht. Es wäre besser gewesen, wir hätten uns eines anderen Weges gerühmt.

Wenn ich nur an den Wahnsinn denke, den ihr aufgeführt habt: viermal Lockdown für alle, Lockdown für Ungeimpfte, Gemeindequarantänen, Ostererlässe, ungemütliche „Weihnachten für Ungeimpfte“, „Zügel [...] straffer ziehen“, Impfpflicht, Impflotterie, Bo­nus für Geimpfte, Verfolgung Ungeimpfter, Testregime, Impfregime, Angst und Panikma­che, Sperrstunde um 22 Uhr. Bei der ersten Sperrstunde – jetzt fällt es mir gerade ein – in Tirol um 22 Uhr sind die ÖVPler dann im Landtagssitzungssaal um 23 Uhr noch feuchtfröhlich gesessen, wobei der Rest in Tirol schon eingesperrt war. Dann Sperr­stunde um 23 Uhr, dann Sperrstunde um 24 Uhr – kein Mensch hat sich mehr ausge­kannt –, einmal 2G, dann 3G, Antigen, PCR, Antigen plus PCR, PCR, Antigen nicht mehr gültig (Heiterkeit bei der FPÖ) – kein Mensch kennt sich mehr aus! Gratuliere, dieses Pandemiemanagement dieser Regierung ist ein Wahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber was ich euch schon vorwerfen muss – und das werde ich persönlich Ihnen niemals verzeihen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) – Ihr von der SPÖ seid so furchtbar! Wisst ihr über­haupt, was jetzt kommt? Die Großeltern werden sich jetzt bedanken (Bundesrätin Schu­mann: Das glaub ich auch!), denn hört zu, was kommt. Omas und Opas mussten ganz alleine sterben, ohne Angehörige, und das haben diese oft nicht verstanden. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist falsch!) Diese lagen in ihren letzten Lebenstagen allein im Kranken­haus und haben geglaubt, dass sie noch etwas Falsches zu ihren Angehörigen gesagt haben und diese sie deshalb nicht verabschieden kommen. (Zwischenruf der Bundes­rätin Grimling.) So sind ganz viele Omas und Opas und Großeltern nur wegen eurer Politik in den Krankenhäusern verstorben. Schämt euch! (Beifall bei der FPÖ. – Bundes­rat Bader hält die Hände vors Gesicht.) – Ja, Herr Bader, da kannst du dir auf den Kopf greifen. Richtig, greif dir nur auf den Kopf! Das waren eure Verordnungen, die ihr mit­beschlossen und erlassen habt. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Da kannst du dir gut auf den Kopf greifen. Richtig, das hast du jetzt ganz richtig gemacht!

Familien sind aufgrund eurer Politik zerstritten. Jahrzehntelange Freundschaften sind aufgrund eurer Politik zerbrochen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Ihr habt die Leute gegeneinander aufgewiegelt!

Die wohl allertollste Verordnung, die uns der besteste Gesundheitsminister aller Zeiten außer Dienst Dr. Wolfgang Mückstein noch zum Abschied erlassen hat, fasst eure Politik ganz gut zusammen. Ich darf jetzt in einer Großraumdisco bis zum Umfallen feiern, wenn ich dann mit dem Taxi nach Hause fahre, brauche ich eine FFP2-Maske. Wenn ich am nächsten Tag in den Baumarkt gehe, dieser Brennmittel führt, brauche ich eine FFP2-Maske. Führt er keine Brennmittel, brauche ich keine FFP2-Maske. (Bundesrat Ofner: Ja, das Virus ist intelligent!) Gehe ich in ein größeres Einkaufszentrum, benötige ich am Gang eine FFP2-Maske. Biege ich dann nach links oder rechts in ein Bekleidungsge­schäft oder Schuhgeschäft ab, benötige ich keine FFP2-Maske mehr. Jetzt soll mir das einmal jemand aus epidemiologischer Sicht erklären, was der Nutzen daraus ist. (Heiter­keit des Bundesrates Ofner.) Kein Mensch kann das logisch erklären, auch Sie nicht, Herr Bader. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man derart sinnbefreit in Österreich regiert, dann ist es halt irgendwann einmal schwierig, euch noch ernst zu nehmen. Ich verstehe aber eines sehr wohl: Es ist für euch alle – SPÖ, Grüne und ÖVP – logischerweise schwer, nach diesem ganzen Wahnsinn, den ihr aufgeführt habt, jetzt zurückzurudern, euch auch einzugestehen, dass das in vielerlei Hinsicht nicht richtig war. Aber seid dann bitte auch so ehrlich, gesteht den Wahnsinn ein und lasst die Leute, die Großeltern, vor allem aber unsere Kinder, endlich wieder leben! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schartel: Jawohl!)


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Deshalb kann es zu so einem Gesetz, zu einer – wieder einmal – Verlängerung der Zu­schusskredite, von uns natürlich keine Zustimmung geben. Welch eine Überraschung! (Beifall bei der FPÖ.)

19.55


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege Steiner, alles, was Sie gesagt haben, ist nicht wahr. Ich muss eine tatsächliche Berichtigung machen. Es kommt nicht alles von mir, ich bin nicht hier heroben gesessen. Aber wenn Sie mich immer so gut im Auge haben, freut mich das. (Bundesrat Steiner: Ja, logisch!)

Nächster Redner ist Herr Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte.


19.55.50

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister, ich darf Ihnen zu Beginn ganz herzlich zum Ministeramt gratu­lieren. Ich darf Ihnen viel Glück, viel Kraft wünschen und freue mich schon auf die zu­künftige Zusammenarbeit in den nächsten Jahren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die via Livestream noch zugeschaltet sind! Kollege Steiner, unser Büttenred­ner – es ist immer das Gleiche. (Bundesrat Ofner: Nein, das machst schon du! Das tust schon du!) Es ist eigentlich völlig egal, ob du vor oder nach jemandem redest (Bundes­rätin Schartel: Es ist die Wahrheit!), es ist immer schwierig, dir und den teils skurrilen Aussagen zuzuhören, die du hier verbreitest. (Bundesrätin Schartel: Weil die Wahrheit wehtut!)

Ich frage mich nur, was du tun wirst, wenn – Gott, gib es! – diese Pandemie irgendwann abflauen wird. Dann hast du überhaupt kein Thema mehr. Dann kannst du in Pension gehen und hättest uns alle damit erlöst. Ich glaube, das wäre das Vernünftigste. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Da klatschen nicht einmal die eige­nen! So witzig bist du, dass nicht einmal die eigenen klatschen!)

Ich darf jetzt zum eigentlichen Punkt kommen, denn was du gemacht hast, war eine glatte Themenverfehlung. Du hast über irgendetwas gesprochen, nur nicht zu den bei­den Tagesordnungspunkten, um die es eigentlich geht. (Bundesrat Ofner: Dann hast du was nicht verstanden!)

Zum Zweckzuschussgesetz: Kollege Appé und auch Kollegin Hauschildt-Buschberger haben schon ausgeführt, worum es geht, nämlich am Ende des Tages um nichts anderes als die Verlängerung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Zweckzuschüsse vom Bund an die Länder. Da geht es um Schutzausrüstung, da geht es um die Telefonhot­lines, da geht es um Krankentransporte, um das Zurverfügungstellen von Impfstraßen et cetera. Diese Zweckzuschüsse sollen jetzt bis Dezember 2022 verlängert werden.

Der zweite Punkt ist eine Änderung im Epidemiegesetz. Ich glaube, vor allem wenn man sich heute die Zahlen anschaut, muss man sagen, da muss man schon vorsichtig sein: Knapp unter 50 000, das ist eine Zahl, die durchaus beunruhigend ist, auch wenn – und das stimmt, das kann ich auch aus eigener Erfahrung im Spital berichten – die Zahlen rein auf den Intensivstationen sehr stabil sind. Auch die Prognosen für die Intensiv­stationen schauen – Klammer auf – im Augenblick – Klammer zu – nicht so schlecht aus. Auf den Normalstationen haben wir bereits wieder leicht steigende Tendenzen, auch mit der Hoffnung, das abfangen zu können.

Wir haben viele Patientinnen und Patienten, die ihre Erkrankung zu Hause mit teils Gott sei Dank recht milden Verläufen auskurieren, und da spielt natürlich die Impfung eine Rolle. (Bundesrat Ofner: ... die Spitäler! Da spielen die Impfungen auch eine Rolle! Rede einmal mit dem Gesundheitspersonal!) Alles andere, was dazu von der rechten Hälfte behauptet wird, ist schlicht und ergreifend falsch.


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Wie ist die Situation? – Österreich ist im Augenblick Weltmeister. Wir sind Testweltmeis­ter, haben bisher rund 2,6 Milliarden Euro für Tests ausgegeben; im Gegensatz dazu „nur“ – unter Anführungszeichen – rund 250 Millionen Euro für die Impfung.

Was die Änderung im Epidemiegesetz bewirken soll, ist die Möglichkeit, dass der Ge­sundheitsminister die Teststrategie – das ist auch schon gesagt worden – grundlegend überarbeiten kann und die Möglichkeit bekommt, per Verordnung festzulegen, zu wel­chen Zwecken, mit welchen Testmethoden, in welcher Häufigkeit für Screeningprogram­me der Bund im Einvernehmen mit dem Finanzminister die Kosten für die Länder über­nimmt. (Bundesrat Ofner: Ja, nach eineinhalb Jahren kommt ihr drauf!)

Ich weiß, darüber hat es vonseiten des Abgeordneten Stöger im Nationalrat ein bisschen eine Aufregung gegeben, und auch im Ausschuss ist darüber kurz diskutiert worden. Ich halte dieses Einvernehmen mit dem Finanzminister ein bisschen für einen Sturm im Wasserglas, weil es ja schon bisher de facto so war, dass die finanziellen Mittel der Finanzminister zur Verfügung stellen muss und der Gesundheitsminister die Verordnung erlässt und sich jetzt einfach direkt und gleich mit dem Finanzminister kurzschließt. Ich finde, dadurch wird einfach ein Weg abgekürzt, und das ist an sich nichts Schlechtes.

Es ist schon gesagt worden: Pandemiebekämpfung ist ein Fahren auf Sicht. Es ist un­heimlich wichtig, dass wir die Situation und die Lage jeden Tag, jede Woche neu be­werten, neu interpretieren, uns die Zahlen ganz regelmäßig anschauen. Wir haben meh­rere Mittel zur Pandemiebekämpfung. Es ist ein bunter Mix, der wichtig ist, sei es die Testung, sei es die Impfung, seien es viele andere Maßnahmen. Und mit dieser Ände­rung im Epidemiegesetz schaffen wir jetzt eine weitere Grundlage, um besser, noch bes­ser aus dieser Situation herauszukommen.

Ich möchte auch schon schließen. Vielleicht noch ganz kurz: Kollege Appé, lieber Ingo, die Situation mit den Kassenärzten, mit den Kinderärzten habe ich mir schnell ange­schaut. Allein in Wien sind zurzeit 14 Kinderärztekassenstellen unbesetzt, und das ist sicherlich auch ein Versäumnis der Wiener GKK-Führung in den Jahren zuvor, das muss man leider so sagen. (Bundesrätin Grimling: Schau einmal in die Steiermark! Das darf ja nicht wahr sein!) Aber ich darf auch berichten – das ist mir zumindest zugetragen worden –, dass die Verhandlungen um einen neuen Gesamtvertrag auf einem guten Weg sind. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, das Kassensystem noch attraktiver und besser zu gestalten. – In diesem Sinn: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

20.01


20.01.56

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmt eure Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „sofortige Maßnahmen gegen den Vormarsch der ‚Zwei-Klassen-Medizin‘ insbesondere durch den Kinderärzt*innenmangel“ vor. Ich lasse jetzt über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 186

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt. (Ruf bei der FPÖ: Die ÖVP braucht keine Kinderärzte!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

20.03.4116. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24 Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird (2215/A und 1351 d.B. so­wie 10879/BR d.B. und 10887/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 (2235/A und 1352 d.B. sowie 10880/BR d.B. und 10888/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversi­cherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2172/A und 1354 d.B. sowie 10881/BR d.B. und 10889/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (1355 d.B. sowie 10890/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 bis 19 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Als Berichterstatterin zu den Punkten 16 bis 19 ist Kollegin Bundesrat Claudia Hau­schildt-Buschberger gewählt worden. – Ich bitte um die Berichte.


20.04.40

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. März 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 187

Auch berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betref­fend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. März 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich berichte auch über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. März 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der letzte Bericht ist über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. März 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Mag. Sascha Obrecht. Ich bitte um seine Wortmeldung.


20.06.28

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Peter Klien hat mich heute in der Früh abge­passt und mir sein geheimes Vergnügen offenbart: Er ist der größte Fan des österrei­chischen Bundesrates. Ich finde, so eine Tatsache darf nicht verschwiegen bleiben, deswegen habe ich es jetzt hier erwähnt. Damit ist es im Stenographischen Protokoll. – Also, Herr Klien, das pickt für die Ewigkeit. Ich kann sagen, es freut mich sehr, dass Sie heute hier waren. Jede Frage über den Bundesrat ist sehr herzlich willkommen, ich habe bei Ihnen nur manchmal den Eindruck, dass Sie gar keine ernsthafte Diskussion führen wollen.

Kommen wir aber tatsächlich zur Sache: Herr Minister, Sie sind für mich jetzt der zweite Minister, und das ist durchaus verwunderlich, zumal ich erst seit November hier in die­sem Haus bin. Ich werde es bei Ihnen wie bei Ihrem Vorgänger handhaben: Ich versu­che, Kritik konstruktiv zu äußern. Bei Ihrem Vorgänger hatte ich immer den Eindruck, dass er prinzipiell nichts Böses mit den Österreicherinnen und Österreichern im Schilde führt, deswegen war die Kritik immer konstruktiv. Nach Ihrer Erstansprache würde ich Ihnen die Vorschusslorbeeren auch geben und werde Sie jetzt auch gleich darauf ein­stimmen.

Die Bestandsaufnahme der Gesundheitspolitik der letzten Wochen und Monate ist im Grunde katastrophal. Es gibt ein Muster, das dem Ganzen innewohnte: Je größer die


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Regierungskrise, desto größer waren die Öffnungsschritte. Das ist wirklich eine Sache, die sich die Österreicherinnen und Österreicher in dieser Form nicht verdient haben. Medizinische Evidenz ist der Regierung völlig egal, Expertenmeinung wurscht. Wen interessiert das? Sie haben einfach wirklich nur geschaut, wie Sie die tagespolitische Debatte von all den Skandalen, die die ÖVP beuteln, wegbekommen – und das ist zu wenig. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute haben wir ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19: ein toller Titel, ein tragisches Timing. Wir haben erst kürzlich alle Maßnahmen in diesem Land aufgehoben bekommen. Wir haben heute die Impfpflicht ausgesetzt bekommen, und just an diesem Tag reden wir über die Erhöhung der Inan­spruchnahme von Impfungen gegen Covid-19. Dazu mag ich Sie vielleicht selbst zitie­ren: Sie haben erst vor drei Wochen gesagt, dass eine Impfpflicht ohne Bestrafung wie ein Tempolimit auf der Autobahn ohne Radar und Kontrolle ist.

Ich frage mich, was sich in den letzten drei Wochen geändert hat, im Grunde nur eine Sache: Die Infektionszahlen sind gestiegen. Insofern würde mich interessieren, wie Sie diesen Widerspruch auflösen. Da bin ich auf Ihre Ausführungen dann schon sehr ge­spannt.

Was ich zu diesem Bundesgesetz noch äußern will: Man könnte bei dem Titel davon ausgehen, dass man die Strategie der Bundesregierung herausfindet, wie die Impfquote tatsächlich erhöht werden wird. Das steht da nicht drinnen. Es steht drinnen, dass ein Bürgermeister einer Gemeinde, wenn er einen Flyer oder einen Film darüber macht, dass die Impfung tatsächlich Wirkung hat, dann das Geld dafür refundiert kriegt. Das ist die Gesamtstrategie der österreichischen Bundesregierung zur Erhöhung der Impfquote in diesem Stadium der Gesundheitskrise. Das ist viel zu wenig.

Wir werden diesem Antrag, wir werden dem Gesetz nicht zustimmen. Das ist keine Über­raschung. Vor Ihnen liegt eine Heidenarbeit. Ich hoffe sehr für die österreichische Be­völkerung, dass Sie ein bisschen länger bleiben als Ihr Vorgänger, denn Beständigkeit täte dieser Regierung wirklich, wirklich gut. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.09


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


20.10.01

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nochmals: Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Auch bei diesen Tagesordnungspunkten geht es um die Pandemie. Ich glaube, diese Zahl wurde heute noch nicht genannt, aber ich will sie jetzt nennen: Inzwischen sind in Österreich tatsächlich über 15 000 Menschen am Coronavirus verstorben, und – das habe ich vorhin schon gesagt – wir liegen heute bei knapp 50 000 Neuinfektionen.

Aber: Aufgrund der bestehenden Impfung kann das Virus – und das zeigt uns Omikron – nicht mit derselben Wucht wie zu Beginn der Pandemie zuschlagen, die Intensivsta­tionen sind nicht an ihren Kapazitätsgrenzen. Die Krankenstände innerhalb des Pflege­personals erschweren aber natürlich den Krankenhausbetrieb. Wichtig wird es daher sein, weitere Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu forcieren. Nach wie vor ist es die Impfung, die schützt, aber auch der Einsatz von Medikamenten entschärft die Er­krankungssituation für Risikopatienten.

Ich konnte leider innerhalb meiner Familie vor Kurzem sehen, wie jemand erkrankt ist: Gott sei Dank standen zu diesem Zeitpunkt Medikamente zur Verfügung, und meiner Tochter wurden, als sie vor Kurzem an Corona erkrankt ist, als Hochrisikopatientin sofort


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monoklonale Antikörper angeboten. Schlussendlich hat sie dadurch auch die Infektion gut überstanden, und diese wird hoffentlich auch ohne weitere Folgen bleiben.

Die Pandemie ist nicht zu unterschätzen, Corona ist nicht zu unterschätzen – dessen sollten wir uns bewusst sein. Deshalb gilt es nach wie vor, das Angebot der Impfung zu nutzen. Die Impfstoffe werden weiterentwickelt und an neue Varianten angepasst.

Im Zuge der heutigen Beschlüsse zum Impfpflichtgesetz werden daher noch notwendige Änderungen vorgenommen. Ich will sie ganz kurz aufzählen: Wir schaffen die Rechts­grundlage für ein digitales Ausnahmenmanagement zur Abwicklung von Impfpflichtbe­freiungen, was besonders für die Länder von Interesse ist. Es gibt eine Klarstellung bei der Kontrollpflicht der Impfpflicht bei Amtshandlungen der Polizei. Dabei ist es wichtig, zu erwähnen, dass Opfer oder Zeugen nicht davon abgehalten werden, sich an die Poli­zei zu wenden, und deshalb werden diese Personen von der Kontrollpflicht ausgenom­men. Personen, die ihren Wohnsitz neu in Österreich begründen, müssen innerhalb ei­nes Monats die Impfpflicht erfüllen.

Ich halte es im Gegensatz zu meinem Vorredner für wichtig, dass die Kommunen die Möglichkeit erhalten, Impfkampagnen umzusetzen. Dazu soll den Gemeinden Geld, 75 Millionen Euro, für gemeindeeigene Aktionen zur Verfügung gestellt werden. Das ist nicht nur ein Flyerdrucken. Ich habe es in meiner Heimatgemeinde gesehen, wo wir seit Dezember in regelmäßigen Abständen Impfaktionen durchführen und diese vorher auch in der Gemeindezeitung, mit Aussendungen, mit Plakaten und so weiter bewerben. Die Resonanz ist sehr gut, weil das auf lokaler Ebene passiert, weil man sich kennt. Das wird beworben, wir konnten so über 1 000 Menschen bei ihrer Impfung begleiten, und die waren alle hochzufrieden. Das passiert eben regional, da ist die Akzeptanz we­sentlich höher, und deshalb halte ich das für eine sinnvolle Maßnahme.

Heute – darauf möchte ich jetzt zu sprechen kommen – ist das natürlich eine spannende Sache: Gerade heute, am Tag der Bundesratssitzung, haben wir den Bericht über das im Impflichtgesetz vorgesehene Monitoring vorliegen. Der Gesundheitsminister hat es heu­te Morgen auch schon angesprochen: Im Wesentlichen stellen die hinzugezogenen Ex­pertInnen fest, dass im Herbst wieder mit einem massiven Infektionsgeschehen zu rech­nen ist (Zwischenruf der Bundesrates Spanring), und die Impfung bleibt das zentrale Ins­trument zur Bewältigung der Pandemie. Die grundsätzliche Impfpflicht ist dabei ein proba­tes Mittel zur Sicherstellung einer hohen Durchimpfungsrate und ist auch weiterhin sinn­voll, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Ob und wann die Umset­zung der Impfpflicht aus medizinischer Sicht erforderlich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, aber – und ich wiederhole es noch einmal – die Impfung bleibt ein zentrales Instrument zur Bewältigung des infektiologischen Geschehens und der Krankheitslast.

Aus diesem Grund – wir haben es heute auch schon aus dem Ministerium gehört – wird die Möglichkeit genützt, genau jene Impfpflicht, die das Gesetz vorsieht, per Verordnung temporär auszusetzen. Den genauen Rahmen wird der Gesundheitsminister in Abstim­mung mit dem Hauptausschuss in Kürze festlegen.

Abschließend möchte ich noch einmal sagen, dass das Impfpflichtgesetz in seiner Aus­gestaltung uns nun genau jene Möglichkeiten bietet, die wir zur Bewältigung der Pan­demie im gesundheitlichen Sektor brauchen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

20.15


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Andreas Arthur Span­ring. – Bitte.


20.16.10

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren, die via Livestream


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noch dabei sind! Die hier zu behandelnden Gesetzesänderungen umfassen die Tages­ordnungspunkte 16 bis 19. Kollege Schennach hat es heute schon einmal gesagt: Und täglich grüßt das Murmeltier. Wir müssen wieder Gesetze reparieren, weil die Regierung das gemacht hat, was sie immer macht, nämlich Fehler. Das kennen wir aus der Vergan­genheit zur Genüge. Das ist einmal einer dieser Punkte.

Besonders stark betroffen von fehlerhaften Gesetzen war immer wieder das Gesund­heitsministerium unter Anschober und Mückstein. – Herr Minister, Sie können beweisen, dass Sie es besser können. Es gab zahlreiche fehlerhafte Verordnungen, aber natürlich auch verfassungswidrige Verordnungen, wovon unzählige aufgehoben wurden.

Man kann sich fragen: Woran könnte das liegen? – Vor einiger Zeit hat die „Krone“ ge­titelt: Exzessiver Alkoholmissbrauch von frühmorgens bis nachmittags im Gesundheits­ministerium!, also nicht im Vizekanzleramt, sondern im Gesundheitsministerium. Jetzt kann man sagen, vielleicht ist das einer der Gründe für eine so schlechte Arbeit (Bundes­rätin Schumann: Na geh!), vielleicht ist es aber auch umgekehrt so, dass dieser übertrie­bene Alkoholkonsum ganz einfach notwendig war, um diese irrsinnige Krankheitspolitik von Anschober und Mückstein überhaupt aushalten zu können. – Ich kann das nicht be­urteilen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Na geh! Auf die Kollegen hin­hauen! Du kommst ja auch aus dem öffentlichen Dienst, bist ja ein Kollege! Auf die Kol­legen hinhauen!) Was ich aber beurteilen kann, ist, dass jede Firma, die so handeln würde wie dieses Ministerium, schon lange in Konkurs wäre. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.) Wie hat aber diese Regierung immer so schön gesagt? – „Koste es, was es wolle“, ganz nach dem schwarz-grünen Motto: Es ist ja eh nur Steuergeld.

Genau da komme ich schon zum nächsten Punkt. (Zwischenrufe bei BundesrätInnen der SPÖ.) – Ich kritisiere gerade die Regierung, und die SPÖ fühlt sich bemüßigt, da irgendetwas hereinzuplärren. Man versteht es eh nicht. Ich bin am Mikrofon, mich ver­steht man, Sie versteht man nicht. (Bundesrätin Schumann: Kollege Spanring, hauen Sie nicht auf die Kollegen hin! Sie sind ja auch aus dem öffentlichen Dienst! Als jemand aus dem öffentlichen Dienst ...! – Bundesrätin Grimling: ...! Ich wünsche Ihnen viel Ver­gnügen!) Sie haben aber die Möglichkeit, sich noch einmal zu Wort zu melden und dann ans Rednerpult zu kommen. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Das Thema Steuergeldvernichtung führt mich schon zum nächsten Punkt. Am Anfang war diese Regierung unfähig, genügend Impfdosen für die Impfwilligen zu besorgen. Sie können sich vielleicht noch erinnern. Gemeinsam mit der EU hat man dann die Impfdo­sen besorgt. Die Beschaffung selbst war ein großes Geheimnis. Wahrscheinlich hat man überteuert gekauft, so wie überall. Man vergisst leider immer wieder so schnell, was sich diese Regierung in Wahrheit schon alles geleistet hat, nämlich einen Fehltritt nach dem anderen.

Dann hat man die Impfdosen nicht ordentlich in Verteilung bringen können, und danach wurden so viele Impfdosen gekauft, dass man nicht mehr wusste, wo man sie hingeben sollte. Bei einigen hat man dann einfach das Ablaufdatum verändert. Da hat sich Schwarz-Grün wahrscheinlich gedacht: Das ist eh egal, weil die Impfstoffe ja nicht einmal eine ordentliche Zulassung haben, also ist es wahrscheinlich auch egal, wenn man um­etikettiert. Vielleicht hat man sich da das ÖVP-Vorzeigeunternehmen Hygiene Austria als Vorbild genommen, ich weiß es nicht. Und damit es mit der Steuergeldvernichtung nicht ganz so blöd ausschaut, wenn man Hunderttausende Impfdosen vernichten muss, hat man diese ins Ausland verschenkt.

Was ist im Ausland damit passiert? Großteils sind die Impfmittel dann auch dort nicht verimpft worden, weil es nicht funktioniert hat. Sie mussten dann vernichtet und entsorgt werden. Da kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. Das ist Steuergeldvernichtung á la Schwarz-Grün auf höchstem Niveau. Das hätte in Wahrheit das Kaufhaus Österreich von der ÖVP auch nicht schlechter machen können. (Beifall bei der FPÖ.)


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Kommen wir zu den Zahlen: Für 2022 und 2023 bestellte diese Regierung 42 Millionen Impfdosen. Insgesamt sind das somit seit Pandemiebeginn rund 57 Millionen Impfdosen für Österreich. Bei angenommen acht Millionen impfbaren Österreichern bedeutet das umgerechnet sieben Impfdosen für jeden Österreicher. Wenn man aber ursprünglich nur von zwei Impfungen ausgegangen ist und später dann von der dritten, dann wären wir immer noch bei nur 24 Millionen Impfdosen. Wir reden aber von 57 Millionen Impfdosen, also von knapp zwei, zweieinhalbmal so vielen.

Die Leiterin der Gesamtstaatlichen Krisenkoordination Gecko, Frau Reich, und ihr dazu­gehöriges Chamäleon, der Tarnanzugsgeneral Striedinger (Heiterkeit bei der FPÖ), ha­ben es bereits im Auftrag dieser Regierung angekündigt: Der vierte Stich wird notwendig sein. Komisch an der gesamten Geschichte ist nur, dass die sieben Impfdosen für jeden Österreicher schon lange bestellt waren, da war von der vierten Impfung noch überhaupt gar keine Rede. Meine Damen und Herren, Sie wundern sich, wenn Ihnen niemand mehr traut? Ihnen kann man nicht trauen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen auch ganz persönlich etwas zu Ihrer Impfpflicht, zu Ihrer schwarz-grün-rot-pinken Impfpflicht: Ich habe bereits zweimal Corona gehabt, einmal Delta und jetzt vor Kurzem noch einmal Omikron. Obwohl ich zweimal ungeimpft und einmal ungeboos­tert bin, habe ich beides ganz unbeschadet überstanden, zuletzt Omikron mit einem leichten Halskratzen. (Bundesrat Kornhäusl: Sei froh!) Also sage ich Ihnen, Sie können sich Ihre zwei Impfungen, den Booster, den Turbobooster, den Superbooster und den Megasuperhypobooster einrexen. Ich werde sie nicht nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe mich in der Vergangenheit an Ihre evidenzlosen Abstands- und Maskenvor­schriften sowie an andere Widersinnigkeiten dort, wo ich musste, gehalten, aber Sie, meine Damen und Herren, werden mich sicher nicht an die Nadel zwingen. Sie schreiben mir nicht vor, welches Medikament oder welches experimentelle Mittel ich mir in meinen Körper spritzen lasse. (Beifall bei der FPÖ.)

So wie es mir geht und so, wie ich das sehe, sehen das auch Hunderttausende Men­schen in Österreich. All jene, die sich nur impfen lassen haben, um Ihren Coronaschi­kanen zu entgehen, werden sich von Ihnen größtenteils auch nicht mehr zwangsbehan­deln lassen. (Bundesrat Schennach: Das ist keine Zwangsbehandlung! Es gibt keine Zwangsbehandlung!)

Da komme ich gleich zum nächsten Thema, zur Impfbefreiung: Da versagen Sie auch auf voller Linie, oder  und auch das halte ich für möglich  Sie schikanieren unsere Landsleute, die eine solche Impfbefreiung brauchen, absichtlich. Zuerst heißt es von Ihrer Seite, die alten Impfbefreiungen gelten nicht mehr. Damit hat man wieder einmal irrsinnig viel Verunsicherung in die Bevölkerung gebracht. Jetzt gelten sie doch wieder, weil wir Freiheitliche natürlich dafür gekämpft haben, aber die Bevölkerung wird desin­formiert und Sie lassen wieder alle im Unklaren. Jetzt frage ich mich: Ist das Ihre Absicht oder ist das Ihr Unvermögen? Das würde ich gerne wissen.

Jedes Bundesland durfte eine EDV-Stelle einrichten, das haben wir vorhin gehört. Als Betroffener, als jemand, der eine Impfbefreiung erwirken will, darf man dort seine Ge­sundheitsdaten hinaufladen, um dann anonymisiert eine Ablehnung zu erhalten. Man hat dann nicht einmal eine Ahnung, wer diese Ablehnung angeordnet hat, man hat keine Ahnung, an wen man sich danach wenden soll. Vielleicht war es ein Amtsarzt, vielleicht war es aber auch irgendein ÖVP-Günstling, ein Parteisoldat, der wieder irgendwo auf einen Posten hat versorgt werden müssen. Man weiß es nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Da brauchen Sie nicht so betroffen zu schauen, meine Damen und Herren von der ÖVP. Währenddessen wir da im Bundesrat gesessen sind, war heute wieder ein spannender Tag im Untersuchungsausschuss. Ich habe ein bisschen etwas nachgelesen, die An­schuldigungen, die ich gegen Sie vorbringe, kommen nicht von irgendwoher.


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Wieder zurück zum Hinaufladen auf eine Internetseite: Über die DSGVO brauchen wir da gar nicht zu reden. Ich kann mich erinnern, vor wenigen Jahren drehte sich alles nur um Datenschutz und die Datenschutz-Grundverordnung. Der Datenschutz ist mit Co­rona gefallen, der ist Ihnen wurscht, er spielt auf einmal keine Rolle mehr. Das heißt, ein persönlicher Termin beim Arzt: Fehlanzeige; ein persönliches Gespräch für eine Impf­befreiung beim Arzt: Fehlanzeige; aber es gibt eine anonymisierte Ablehnung. So ge­hen Sie mit der eigenen Bevölkerung um!

Was steht dann noch in diesem Gesetz drinnen? Bei tätiger Reue braucht man keine Strafe zu zahlen. Ja, tätige Reue: Das erinnert mich gleich wieder ein bisschen an das Strafrecht, da denke ich dann wieder zurück, wie Nehammer damals zu den Unge­impften gesagt hat, sie seien Gefährder. Er hat sie also mit potenziellen Terroristen ver­glichen.

Dann ist die Impflotterie gekommen. Da bin ich jetzt bei der SPÖ, die hat das heute schon angesprochen. Mit der Impflotterie hat man der SPÖ die Karotte vor die Nase gehalten, damit sie ja wieder überall mitstimmt. Es wäre gar nicht notwendig gewesen, die stimmen sowieso überall mit. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Das Problem der SPÖ: Die SPÖ lernt einfach nicht dazu, sie ist unbelehrbar. Ich meine, jeder, der lange genug hier herinnen ist, weiß doch, dass man dieser ÖVP in Wahrheit nicht mehr trauen kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Die Impflotterie war also genauso erfolgreich wie Schramböcks Kaufhaus Österreich. Statt der Impflotterie gibt es jetzt Geld für eine Gemeindepropagandaaktion. Damit sollen die Einwohner davon überzeugt werden, impfen zu gehen. Dass das aber wahrscheinlich genauso nicht funktionieren wird, sehen wir ja an den Zahlen.

Jetzt zur Impfpflicht: In der Beantwortung des Gesundheitsministers oder des Gesund­heitsministeriums an den Verfassungsgerichtshof wurde angeführt, dass Gott sei Dank kein einziges Kind unter 15 Jahren an Covid-19 verstorben ist. Es ist jeweils eine Person zwischen 15 und 20 Jahren sowie zwischen 20 und 25 Jahren verstorben. Vorerkran­kungen werden nicht erwähnt. Ich weiß, dass jeder Tote für irgendjemanden eine furcht­bare Tragödie ist, aber trotzdem: Das Durchschnittsalter der Verstorbenen mit Covid-19 als Todesursache liegt in Österreich bei 82,5 Jahren. Meine Damen und Herren, fällt Ihnen etwas auf?

Wie begründen Sie eigentlich eine Impfpflicht? Weshalb soll es eine Impfpflicht geben? Das, was Sie mit dieser Impfpflicht und vor allem mit den ganzen Maßnahmen durch die Hintertüre, die noch viel schlimmer sind, die einem Impfzwang gleichkommen, bewir­ken  nämlich Jobverlust, kein Geld bei Arbeitslosigkeit, kein Zugang zum Studium, Aus­grenzung und Stigmatisierung von Ungeimpften, bis hin zu den Kindern haben Sie das getrieben , empfinde ich persönlich als Verbrechen an der Menschheit. (Beifall bei der FPÖ.  Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Meine Damen und Herren! Niemand weiß, ob die vermeintlichen Impfstoffe bei künftigen Mutanten, falls es überhaupt welche gibt, helfen werden. Deshalb sage ich Ihnen, Herr Minister: Ein dreimonatiges Aussetzen der Impfpflicht, so wie das heute beschlossen wurde, ist ganz einfach zu wenig! Dieses Impfpflichtgesetz gehört zurückgenommen, abgeschafft und geschreddert. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

20.29


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesrat! Darf ich Sie bitte an Ihre Redezeit erinnern?


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Frau Präsidentin, danke für den Hinweis! Es ist leider das Thema zu wichtig, ich kann mich nicht daran halten. Ich ver­spreche, ich werde das bei zukünftigen Reden, wenn das Thema nicht so wichtig ist, wieder alles einsparen.



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Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesrat, dann denke ich, dass wir das wirklich im Präsidium besprechen müssen. Ich frage mich schön langsam, warum wir diese Themen in der Präsidiale nicht besprechen. Wir haben eine Vereinbarung, wir sollen uns daran halten. Sie reden jetzt 13,5 Minuten. (Bundesrat Steiner: Ich habe keine Vereinbarung!) Also gut.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Danke noch einmal für den Hin­weis. Wie gesagt, mit uns wurde diese Vereinbarung so nicht getroffen. Wenn das eine alte Vereinbarung ist, dann muss man sich überlegen, ob man sie vielleicht noch einmal neu trifft. Das ist das Gute und Schöne im Bundesrat, im Nationalrat haben wir diese Möglichkeit nicht. Und welches unfaire Spiel die ÖVP gestern im Nationalrat gespielt hat, haben wir ja gesehen: Gust Wöginger geht am Schluss ans Rednerpult und redet dann noch einmal 13 Minuten, weil er gewusst hat, dass die kleinen Parteien, die Oppositions­parteien, keine Redezeit mehr haben. Wir lassen uns hier unser demokratisches Recht zu reden sicher nicht nehmen. So schaut es aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Trotzdem muss man sagen, das Aussetzen ist zumindest einmal ein kleiner Teilerfolg. Es ist zu wenig, aber ein kleiner Teilerfolg, und deshalb möchte ich auch an dieser Stelle all jenen, nämlich den Demoteilnehmern, die über Monate oder sogar Jahre durchge­halten haben und mit uns gemeinsam friedlichen Widerstand geleistet haben, zu diesem Etappensieg mit der Aussetzung gratulieren. Unsere gemeinsame Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt, und es wird noch mehr gehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber – und auch das will ich ansprechen – wir müssen wachsam bleiben, wir müssen wachsam sein. Die SPÖ hat es ja schon kritisiert, die SPÖ ist ja gegen die Aussetzung und für die Beibehaltung der Impfpflicht, und Frau Edtstadler hat heute Vormittag erklärt: Sie kann jederzeit wieder aktiviert werden! Das ist das Tolle am Gesetz, wenn das nächste Virus kommt: Pff, Impfpflicht, und da (auf seinen linken Oberarm zeigend) kommt es hinein! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren, das habe ich persönlich als Drohung empfunden, nur so nebenbei. – Und liebe ÖVP, weil ihr gerade lacht, ich will euch nur eines sagen: Der Pöbel hat es euch gezeigt! So schaut es aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Beantwortung von Mückstein an den Verfassungsgerichtshof hat noch etwas ganz klar aufgezeigt, nämlich dass diese Regierung, insbesondere das Gesundheitsministe­rium, unfähig war, auch nur irgendwelche validen Zahlen zur Pandemie zu liefern.

Deshalb, meine Damen und Herren, unterstützen wir Sie heute mit einem Antrag, damit zumindest für die Zukunft Erfahrungswerte vorhanden sind und Sie auch ganz klar se­hen, dass Sie von Schwarz-Grün durch Ihre überzogenen und unverhältnismäßigen Maßnahmen viel mehr Kollateralschäden angerichtet haben, als das Virus jemals ange­richtet hätte.

Darum stellen wir heute folgenden Antrag.

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend

„Bericht an den Bundesrat über die Anzahl der Österreicher, die durch die COVID-19 Maßnamenregelungen und ihren gesetzwidrigen Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finanziell Schaden genommen haben“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und der Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesmi­nister für Finanzen, wird aufgefordert dem Bundesrat einen Bericht über die Anzahl der


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Österreicher, die durch die COVID-19 Maßnamenreglungen und ihren gesetzwidrigen Verordnungen sowie verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finan­ziellen Schaden genommen haben, bis 29. Juni 2022 zuzuleiten.“

*****

Meine Damen und Herren, mir ist natürlich klar und ich gehe davon aus, dass Sie un­serem Antrag Ihre Zustimmung verweigern werden, denn es wäre doch ein Spiegel der Schande, den Sie sich damit selbst vorhalten würden. Nichtsdestotrotz haben Sie es in der Hand. Machen Sie einmal etwas Sinnvolles für Österreich! Unterstützen Sie unseren Antrag, treten Sie danach zurück und machen Platz für Neuwahlen! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

20.33


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Bericht an den Bundesrat über die Anzahl der Österreicher, die durch die COVID-19 Maßnamenregelungen und ihren gesetzwidrigen Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, phy­sisch sowie auch finanziell Schaden genommen haben“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der nächste Redner ist Herr Martin Preineder. – Bitte.


20.34.10

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, mich an einen Grundsatz zu halten: Man kann grundsätzlich hier im Haus über alles reden, nur nicht über 10 Minuten. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, wir haben vier Vorlagen, die wir heute diskutieren. Es ist bereits zwei Jahre her, genau war es der 11. März 2020, dass die WHO eine weltweite Pandemie erklärt hat. Seither haben wir viele Varianten erlebt, von Alpha, Beta, Gamma, Delta bis hin zu Omikron, und vieles war variabel, vieles war im Vorhinein nicht absehbar. Daher gab es natürlich auch viele verschiedene Entscheidungen, und als Bundesrat wis­sen wir auch, dass wir verschiedene Bundesländer haben, und jedes Bundesland hat auch die Möglichkeit gehabt und hat die Möglichkeit und soll sie auch haben, entspre­chend eigenständig seinen Weg zu gehen. Dabei ist vieles richtig, sicherlich aber auch einiges falsch gemacht worden. Dazu stehe ich auch, weil eine Situation wie jene, die wir in den letzten zwei Jahren hatten, keine vorhersehbare, keine planbare und damit eine schwer gestaltbare war.

Es ist heute sicher auch deswegen ein besonderer Tag, weil wir hier eine Fortsetzung dieser Impfpflichtmaßnahmen diskutieren und am selben Tag die Information haben, dass diese Impfpflicht zumindest für die nächsten drei Monate ausgesetzt wird. Das mag sich widersprüchlich anhören, wir können aber froh sein, dass wir momentan eine Situa­tion haben, in der uns auch die Experten bestätigen, dass wir das tun können, in einer Form, die uns aber die Flexibilität gibt, dass wir, sollte sich die Lage verändern, darauf entsprechend reagieren können.

Wir haben es heute – und das ist Demokratie, das ist Politik – auch entsprechend erlebt: Herr Kollege Obrecht hat uns erklärt, dass die Öffnungsschritte zu schnell, zu früh und nicht der Sicherheit entsprechend sind, und dass Wien – wir wissen das – einen siche­reren Weg geht. Herr Kollege Spanring hat uns erklärt, dass das alles gar nicht notwen­dig ist, dass wir überhaupt keine Sicherheitsmaßnahmen brauchen würden und dass die Impfung sowieso etwas sehr, sehr Unnötiges ist. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Richtig! Da hat Kollege Spanring völlig recht!)


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Die Wahrheit liegt wahrscheinlich dazwischen. Dazwischen liegt, dass man entspre­chend reagieren muss, weil Omikron, weil die Pandemie, weil Covid noch nicht vorbei ist. (Bundesrätin Schumann: 50 000 Ansteckungen!) Wir haben 31 000 neue Fälle (Bundesrätin Schumann: 50 000!), wir haben 2 760 Patienten im Spital und wir haben 195 Patienten auf der Intensivstation. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist vielleicht die Begründung in Richtung Wien, warum es durchaus zulässig ist, stärkere Öffnungsschrit­te zu setzen, und warum es auch zulässig ist, die Impfpflicht auszusetzen, weil das Be­wusstsein da ist und da war, dass wir dafür Sorge zu tragen haben, dass jeder auch ein Bett bekommt, der Betreuung, der Intensivbetreuung braucht.

Damit gilt, dass nach wie vor der Grundsatz, dass Impfen hilft, zu platzieren ist, dass wir nach wie vor versuchen müssen, die Impfquote zu erhöhen, weil wir nicht wissen – und das sagen auch die Experten –, was im Herbst auf uns zukommt und wir bereits zweimal hören mussten, dass zu wenig Vorbereitungen oder Maßnahmen für den kommenden Herbst getroffen wurden. Das wurde in den letzten zwei Jahren auch in diesem Haus sehr stark kritisiert.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, für Ihre neue Funktion in Ihrem neuen Amt darf ich Ihnen, wie ein Kollege schon gesagt hat, eine gute Hand und, wie Ihr Vorgänger gesagt hat, einen guten Lauf und viel Erfolg im Sinne der österreichischen Gesundheit wün­schen!

Geschätzte Damen und Herren, wir haben mittlerweile zwei Krisen in diesem Land zu bewältigen: zum einen eine Gesundheitskrise, die uns seit zwei Jahren begleitet, und seit 24. Februar auch eine Sicherheitskrise, eine Friedenskrise, eine Freiheitskrise und eine Krise, die unsere Werteordnung erschüttert.

Es geht darum, dass dabei große Dinge – Gesundheit, Frieden, Freiheit und Werteord­nung – in Gefahr sind, und ich appelliere: Wenn große Dinge in Gefahr sind, gilt es, stärker zusammenzuhalten, denn im Miteinander werden kleine Dinge groß und im Ge­geneinander wird man große Dinge los. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.39


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte schön.


20.39.58

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich rede zu etwas ganz anderem, und zwar zu Tagesord­nungspunkt 18, zur ASVG-Novelle. Da wurde mit einem Abänderungsantrag im Plenum des Nationalrates eine Bestimmung eingeführt, die vielleicht unter dem Radar hätte blei­ben sollen, die es aber leider in sich hat. Da geht um das Preisband für Medikamente im ASVG. Dabei wird geregelt, wie viel der Dachverband für bestimmte Medikamente zahlt.

Mit der aktuellen Regelung wird der unterste Preis der verschiedenen Versionen des gleichen Medikaments als Maßstab genommen, und statt wie bisher 30 Prozent teurer dürfen neuere Modelle jetzt nur mehr 20 Prozent teurer sein als die billigsten Versionen dieser Medikamente. Das mag zwar für den Dachverband sehr schön sein, ist aber für die Pharmaunternehmen schlecht, weil Innovationen Geld kosten und die Unternehmen durch dieses Preisband gezwungen werden, diese Innovationen nur mit großen Abschlä­gen auf den Markt zu bringen.

Was ist jetzt die Möglichkeit für die Anbieter, für die Produzenten, wenn sie diesen Preis­deckel nicht akzeptieren wollen? – Sie können sagen, das Medikament soll gar nicht in den Erstattungskodex, was bedeutet: Wenn es einem Patienten verschrieben wird, würde es die Krankenkasse in diesem Fall nicht zahlen. Das heißt, der Produzent muss gar nicht beantragen, dass ein neues Medikament in den Erstattungskodex kommt. Das müsste man dann als Privatpatient bezahlen.


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Bisher wurde der Preis dem Durchschnitt in der EU folgend geregelt, jetzt neu wird aber festgelegt, dass dieser Preis um 6,5 Prozent unter dem EU-Durchschnittspreis ist. Wozu führt das? Da Österreich ja nicht der einzige Markt für diese Produkte ist, ein ziemlich kleiner Markt und das Angebot beschränkt ist, kann das dazu führen, dass bei den Pro­duzenten dieser neuen, innovativen Medikamente – das kann zum Beispiel sein, dass man zum Insulinspritzen nicht mehr zwei Spritzen braucht, sondern nur eine – Österreich erst dann drankommt, wenn verschiedene andere Länder damit beliefert worden sind.

Das ist ein Sparen auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten. Moderne Therapien werden in Österreich nicht mehr zur Verfügung stehen, weil die Regierungsparteien nicht bereit sind, für gute moderne Produkte einen anständigen Preis zu bezahlen, sondern nur noch unter dem Durchschnitt. Das Skandalöse ist, dass diese Neuregelung erst mit einem Abänderungsantrag im Plenum des Nationalrates hineingeschummelt wurde. – Danke.

20.42


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johan­nes Rauch. – Bitte, Herr Minister.


20.42.55

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Zwei, drei Sätze: Jetzt weiß ich schon, ich werde Sie beim Thema Impfpflicht nicht überzeugen, da gehen die Meinungen auch im Haus weit auseinander, das ist mir klar. Ich würde aber schon gerne noch darauf hinweisen, dass das Impfpflichtgesetz in einem gemeinsamen Prozess erar­beitet worden ist, mit Expertinnen und Experten, auch Oppositionsparteien waren mit dabei. Das habe ich schon ausdrücklich erwähnt und mich dafür bedankt. Auch die Eva­luierung des Gesetzes ist verankert  das ist jetzt ein erstes Mal passiert.

Einen Satz vielleicht noch dazu, weil ja auch viel an Kritik kommt: Ich werde der Letzte sein, der sagt: Es ist alles super gelaufen. Das werden Sie von mir nicht hören. Na­türlich sind Fehler gemacht worden, und natürlich soll man das auch eingestehen. Ich würde aber schon bitten, dabei auch das Maß zu wahren und nicht alles in Bausch und Bogen zu verurteilen und zu kritisieren, sondern dann auch gerne ins Detail zu gehen. Ich habe schon angekündigt, mir sehr genau die Erfahrungen der Bundesländer anzu­schauen. Ich weiß: In jedem einzelnen Bundesland haben Dinge gut funktioniert, und diejenigen Dinge, die gut funktioniert haben, möchte ich gerne mitnehmen. Dort, wo es nicht funktioniert hat, sollten wir lernen und die Ergebnisse einfließen lassen.

Einen Satz noch zur erwähnten Kritik, und das ist eigentlich der einzige Punkt, bei dem ich heikel bin: Sie können mich kritisieren, auch für die Bundesregierung, für die Maß­nahmen meiner Vorgänger insgesamt – da bin ich persönlich überhaupt nicht empfind­lich. Wo ich relativ empfindlich bin, ist, wenn es um das Haus geht, um mein eigenes Ministerium. Ich habe das Haus jetzt noch nicht sehr gut kennengelernt, aber ich habe mir einen Überblick verschafft und habe mit sehr, sehr vielen im Haus gesprochen. Ich wollte auch wissen, welche Erfahrungen sie gemacht haben, unter welchen Bedingun­gen sie in den letzten beiden Jahren gearbeitet haben. Ich kann Ihnen sagen: Ich stelle mich vorbehaltslos vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses. Sie haben unter schwierigsten Bedingungen Unglaubliches leisten müssen.

Natürlich sind auch Fehler passiert, aber dem Haus jetzt – und ich kenne diesen Artikel, den Sie zitiert haben, nicht – in Bausch und Bogen übermäßigen Alkoholkonsum zu un­terstellen, mag ich so nicht stehen lassen. (Bundesrat Spanring: Ist aber so! Da kann ich nichts dafür! „Kronen Zeitung“!) Wenn es dort Einzelfälle gibt, dann werde ich das erfahren, dann werde ich das wissen. Aber ein Haus mit dieser Wichtigkeit und mit der Arbeitsanstrengung, die es geliefert hat, in Bausch und Bogen derart an den Pranger zu


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stellen, da würde ich ersuchen, das nicht zu machen. Da stelle ich mich bedingungslos vor meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

20.45


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Markus Leinfellner. – Bitte.


20.46.15

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Gesundheits­minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es ist in dieser Legislaturperiode der dritte Gesundheitsminister innerhalb der letzten zwei Jahre. Jeder dieser Herrschaften hat seine Spuren hinterlassen. Ja, ich kann es an dieser Stelle bereits sagen: Man sieht zwar die Spuren, aber die Fußabdrücke, die Ihre zwei Vorgänger hinterlassen haben, waren nicht sehr groß. Schauen wir uns die beiden Herren einmal an!

Zum ersten Gesundheitsminister in dieser Periode, Herrn Rudi Anschober: Einige Dinge sind mir in Erinnerung geblieben, ganz besonders aber ein Satz: Die nächsten zwei Wo­chen werden entscheidend sein. – Dieser Satz wird wahrscheinlich bei vielen noch jah­relang nachklingen.

Dann ist mir auch dieser Ostererlass in Erinnerung geblieben. Ich glaube, da wissen die Herren von den Grünen und von der ÖVP bereits selbst, dass das ein ziemlicher Bauch­fleck gewesen ist, wo weder der Minister noch der Herr aus dem Krisenstab erklären konnte, was mit diesem Erlass wirklich gemeint ist. – Ein Minister, der in seiner gesamten Regierungszeit so gut wie keine verfassungswidrige Verordnung zusammengebracht hat! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Schlussendlich hat diese ÖVP den Gesundheitsminister Anschober bei der Tür hinaus­getreten und ihm dann auch noch hinterhergeheuchelt, wie wir es heute hier herinnen schon einmal erlebt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Auf Rudi Anschober folgte Wolfgang Mückstein, ein Arzt, aber ganz sicher kein Politiker, wie wir es bereits von Beginn an gesehen haben. Mückstein durfte keinen einzigen freien Satz, keinen einzigen Satz, den er sich selbst irgendwo aufgeschrieben hat, vorlesen oder sagen. Er musste das vorbeten, was ihm diese ÖVP vorgegeben hat. Spätestens seit dem „ZIB 2“-Interview sollte es jedem in diesem Haus und auch in der Bevölkerung draußen klar geworden sein, dass dieser Herr nicht einmal entscheiden kann, ob er sein Wurstsemmerl mit oder ohne Gurkerl bestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Einige meiner Kollegen haben es Wolfgang Mückstein in der letzten Sitzung ja schon gesagt. Für eines muss ich mich entschuldigen: Mit der Zeit haben wir uns vertan, und zwar nicht, wie Christoph zuvor gesagt hat, um einen Monat. Es waren zwei Wochen, um die wir uns vertan haben. Wir haben es gewusst, die ÖVP hat es gewusst, der Herr Gesundheitsminister hat es zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht gewusst (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach), wie wir gesehen haben, ist es aber eingetreten: Mückstein ist zurückgetreten, und wir haben ihn in diesem Haus nicht mehr gesehen.

Sehr schade eigentlich, ich hätte mich gerne noch von ihm verabschiedet. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Aber ja, so können wir heute einen neuen Gesundheits­minister bei uns begrüßen. Das ist ja auch etwas Schönes. Auch bei Gesundheitsminis­ter Mückstein war es so: Nicht er hat sich abgemeldet, diese ÖVP hat ihn bei der Tür hinausgetreten, und, wie es Frau Minister Edtstadler heute wieder gemacht hat, jetzt heuchelt sie ihm wieder hinterher. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sind Sie da, Herr Gesundheitsminister Rauch, und ich kann Ihnen nur sagen: Die Spuren Ihrer Vorgänger sind sichtbar, die Fußabdrücke sind nicht sehr groß, aber die


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Schäden, die Ihre beiden Vorgänger in der Bevölkerung angerichtet haben, sind irrepa­rabel.

Deshalb auch mein Appell an Sie: Nehmen Sie sich bitte kein Beispiel an Ihren beiden Vorgängern! Diese Herren sind einzig und allein ein abschreckendes Beispiel. Auch die Worte Ihres Koalitionspartners würde ich kritisch betrachten, denn das ist auch bei Ihren Vorgängern bereits in die Hose gegangen. Und wenn Sie sich da von Ihrem Koalitions­partner treiben lassen, dann sind Sie wahrscheinlich früher im wohlverdienten Ruhe­stand, als wenn Sie gewartet hätten, dass die Legislaturperiode in Vorarlberg ausläuft. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber ja, man hat Ihnen ja ein wenig Zeit verschafft, man hat Ihnen ja bereits eine große Last von den Schultern genommen, nämlich die Impfpflicht; die Impfpflicht, die heute um 8.30 Uhr bereits als ausgesetzt, als aufgeschoben verkündet wurde. Und das ist auch der Grund dafür, dass ich mich heute noch nicht von Ihnen verabschieden werde, denn einige Wochen und Monate werden Sie ja doch hier bei uns sein.

Ja, ich kann Ihnen noch etwas sagen, nämlich den Zeitpunkt – und das kann ich euch auch voraussagen –, wann diese Impfpflicht endgültig ad acta gelegt werden wird. Das wird nämlich dann sein, wenn es für die ÖVP wieder eng wird. Nein, es wird nicht der Gesundheitsminister sein, der diese Impfpflicht endgültig zum Altpapier wirft, sondern das wird die ÖVP sein. Dann, wenn es eng wird, wenn Chats auftauchen, wenn es für die ÖVP Niederösterreich wieder einmal unangenehm wird, dann wird diese Impfpflicht in den Mistkübel der Geschichte entsorgt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ob wir dann den dritten oder vierten Gesundheitsminister haben werden, kann ich heute noch nicht voraussagen, aber ich sage: Die Anzeichen oder Zeichen vonseiten der ÖVP sind immer sehr klar und deutlich, wenn man sich wieder von einem Minister der Grünen verabschieden möchte.

Abschließend kann ich Ihnen nur sagen, dass ich wirklich froh bin, dass wir schön lang­sam unseren kompletten Plan B umgesetzt haben – die flächendeckenden Antikörper­tests fehlen uns noch. Ich kann Ihnen aber sagen: Auch diese flächendeckenden Anti­körpertests werden noch kommen. Dann haben wir unseren freiheitlichen Weg, unseren Lösungsvorschlag, um aus der Pandemie herauszukommen, eins zu eins umgesetzt, und das, obwohl wir Freiheitliche keine Ideen haben! – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Super!)

20.52


20.52.31

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Somit ist der Antrag mehrheitlich ange­nommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Bericht an den Bundesrat über die Anzahl der Ös­terreicher, die durch die COVID-19 Maßnamenregelungen und ihren gesetzwidrigen


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Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finan­ziell Schaden genommen haben“ vor. Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit, somit ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bundesgesetz zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen Covid-19.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.55.1720. Punkt

Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-770-BR/2022 d.B. sowie 10904/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu Punkt 20 der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrat MMag. Elisabeth Kittl genannt worden. – Ich bitte um den Bericht.


20.55.42

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Frau Präsidentin! Liebe KollegInnen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten­schutz betreffend EU-Jahresvorschau 2022 zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 7.3.2022 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG zur Kenntnis zu nehmen. – Danke schön.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist unser Kollege Christoph Steiner. – Bitte.



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20.56.25

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ich bin jetzt zu diesem Tagesordnungs­punkt, zu diesem Bericht betreffend EU-Jahresvorschau der erste Debattenredner. Ich hoffe aber, dass die nach mir kommenden Redner den Bericht durchgelesen haben, denn mir ist beim Durchlesen – er fängt ja ganz gut an – etwas aufgefallen, das ich ansprechen möchte, weil es aus der Sicht von uns Freiheitlichen schon ein wenig ge­fährlich ist. Es geht da um einen gemeinsamen europäischen Gesundheitsdatenraum.

Was bedeutet das in der Endausbaustufe? – Das bedeutet, es soll – Herr Kornhäusl nickt schon – eine gemeinsame EU-Gesundheits-E-Card eingeführt werden, und die Ge­sundheitsdaten aller Bürger werden bei der EU gespeichert.

Das ist nicht nur hinsichtlich des Datenschutzes enorm bedenklich, sondern widerspricht auch der zurzeit noch geltenden Kompetenzverteilung, denn die EU darf sich eigentlich im Bereich Gesundheit nicht einmischen, da das Gottlob noch immer Sache der Länder ist. Das wäre dann wahrlich ein Tabubruch der EU.

Es geht nämlich auch um den Datenschutz der EU-Bürger, aber insbesondere um den Datenschutz der Österreicher. Die E-Card ist ja sowieso schon in allen EU-Mitglieds­ländern und auch weltweit in den meisten Ländern anerkannt. Mehr muss die E-Card auch EU-weit nicht können. Des Weiteren sind ja die Anwendungen des Datenschutzes, also der Schutz von Gesundheitsdaten in der gesamten EU, nicht in all den Ländern auf einem gleich hohen Niveau, auch wenn überall die DSGVO gilt. Und das Gesundheits­wesen ist gottlob und Gott sei Dank noch nationale Gesetzgebung. (Vizepräsident No­vak übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man ganz ehrlich ist, muss man schon dazusagen: Was haben meine, was haben unsere, was haben Ihre, was haben die Gesundheitsdaten der österreichischen Bevölke­rung bei Frau von der Leyen zu suchen? – Aus meiner, aus unserer Sicht natürlich genau gar nichts, denn bei einer Institution, die nie vom Volk gewählt wurde, sondern wie eben diese EU-Kommission mit Frau von der Leyen an der Spitze lediglich von den Eliten Europas auf Gnaden eingesetzt wurde, haben unsere Gesundheitsdaten hoffentlich nichts verloren.

Auch wenn ihr diesem Bericht jetzt zustimmt, heißt das ja noch lange nicht, dass ihr auch diesem Vorhaben zustimmt, logischerweise – da habe ich schon Hoffnung. Wir werden diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen oder ihm nicht zustimmen, wie auch immer man das jetzt geschäftsordnungsgemäß ausdrücken mag, aber ich bitte die nachfol­genden Redner, vielleicht schon dazu Stellung zu nehmen, was da geplant ist und wie eure Haltung zu einer eventuellen EU-E-Card ist. Ich habe dazu noch nichts vernom­men – weder von den Grünen noch von der ÖVP. Ich bitte euch schon, so ehrlich zu sein und auch zu sagen: Ja, wir wollen unsere Gesundheitsdaten am Silbertablett nach Brüssel servieren!, oder eben: Wir wollen das nicht, wir wollen das weiterhin im natio­nalen Recht haben!

Somit gibt es von uns natürlich keine Zustimmung, weil wir aus freiheitlicher Sicht nie­mals – niemals! – einer EU-Gesundheitsdatenbank mit einer EU-weiten E-Card, womit unsere Gesundheitsdaten dann in Brüssel herumschwirren, zustimmen können. – Dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.00


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat An­dreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


21.00.45

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kollege Steiner, ich muss dich jetzt loben. Das war jetzt wirklich eine Rede ohne


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persönliche Angriffe, in der du inhaltlich im Kontext gearbeitet hast. Weiter so! (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Da muss ich jetzt zustimmen!)

Ich möchte mich aufgrund der bereits fortgeschrittenen Zeit auf einen Punkt des sehr umfassenden Berichtes konzentrieren, nämlich auf den Vorschlag für die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Möglichkeiten für die Mit­gliedstaaten, die Verwendung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen. Derzeit gibt es Zulassungen für Mais, Soja, Raps und Ähnliches für Lebensmittel- und Futtermittelzwecke. Auf Basis des Verordnungsentwurfes können die Mitgliedstaaten in Zukunft selbst entscheiden, ob die Verwendung von GVO-Futtermitteln auf nationaler Ebene zulässig ist, ähnlich der Richtlinie betreffend den Anbau von GVO.

Was ist der aktuelle Stand? – Die meisten Mitgliedsländer und so auch Österreich lehnen die vorliegende Gesetzesinitiative ab. Warum? – Weil mit dem Vorschlag eben nur eine Scheinsubsidiarität vorliegt. Die Mitgliedstaaten haben nur rein formal die Möglichkeit, dass sie sich entscheiden; bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass das nicht wirklich umgesetzt werden kann. Mitgliedstaaten dürfen sich bei der Entscheidung näm­lich nicht auf Gründe im Zusammenhang mit der Bewertung von Gesundheits- und Um­weltaspekten sowie -risiken berufen, da diese nach Ansicht der Europäischen Kom­mission bereits durch die Risikobewertung der Efsa umfassend abgehandelt werden. Es sind aber gerade die Aspekte des Schutzes menschlicher und tierischer Gesundheit sowie des Umweltschutzes, die gegen die Zulassung von GVO und gentechnisch ver­änderten Lebens- und Futtermitteln sprechen.

In Österreich gehen wir, was GVO-Futtermittel betrifft, seit Beginn dieser Koalition einen klaren Weg, der uns mittelfristig von GVO-Futtermitteln wegbringt und der uns vor allem auch von extrem klimaschädlichen Sojaimporten aus Übersee wegbringt. Das geht zwar sicher nicht von heute auf morgen, das ist vollkommen klar, aber mit den klaren Initiativen zum Beispiel bei der nationalen Beschaffung, die eben die Schwerpunkte regional, bio und GVO-frei hat, mit den Änderungen betreffend das AMA-Gütesiegel oder mit dem Förderprogramm für heimisches Eiweißfutter sind wir da gut unterwegs. Man kann es vielleicht so sagen: Wir haben sozusagen den Zug auf ein anderes Gleis gestellt; und obwohl wir den Zielbahnhof noch nicht erreicht haben, haben wir die Richtung geändert – und das ist auch die klare Handschrift der grünen Regierungsbeteiligung.

In Bezug auf die sogenannte neue Gentechnik bleibt natürlich die kritische Haltung im Sinne von Vorsorgeprinzip, Risikobewertung und strenger Kennzeichnung aufrecht. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.04


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat.


21.04.36

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Vorsitzender! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Ich muss sagen, ich bin jetzt auch bass erstaunt. Mir ist es fast so ergangen wie meinem Vorredner, weil ich nicht gedacht hätte, dass ich Kollegen Steiner tatsächlich einmal teilweise recht geben muss.  Das muss dir auch nicht unan­genehm sein. Du hast die Frage gestellt, ob deine Nachredner den Bericht gut durchge­lesen haben. Diesbezüglich kann ich dich beruhigen: Ich habe ihn sehr aufmerksam gelesen und ich kann diese 32 Seiten auch wirklich wärmstens empfehlen und ans Herz legen.

Dieser Bericht über die Vorhaben zu den Themen Gesundheit, Soziales und Konsumen­tenschutz liegt nun vor. Ja, ich bin darin tatsächlich auch das erste Mal über die Schaf­fung eines europäischen Gesundheitsdatenraums gestolpert, und ja, da muss man acht­sam sein, da gebe ich dir vollkommen recht. Es hängt immer davon ab, wofür Daten


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verwendet werden, und es ist ein Unterschied, ob das zu irgendwelchen monetären Zwe­cken oder im Rahmen von Krankheitsregistern, zum Beispiel Krebsregister et cetera, die uns in der Wissenschaft, in der Forschung und in der Behandlung von Patientinnen und Patienten weiterbringen, passiert. Da ist das für mich schon okay. Es geht also um die Frage, wofür sie verwendet werden, und – das hast du auch angesprochen – die Bench­mark ist immer noch keine geringere als die DSGVO.

Ich möchte ganz kurz auf den Gesundheitsblock eingehen und dann noch ein paar Worte zum Thema Soziales anmerken. Man muss natürlich dazusagen, dass die Europäische Union und die Kommission nach wie vor sehr stark unter dem Eindruck – logisch, wie die ganze Welt – dieser Pandemie stehen und einfach erkannt haben, dass da Mängel, teilweise starke Mängel, vorliegen, weil das eine Situation ist, die wir alle in dieser Form noch nicht hatten. Deshalb spricht man in diesem Bericht von der Schaffung einer Ge­sundheitsunion. Das ist das große Ziel, das über allem steht.

Es sind drei konkrete Punkte genannt. Das eine: eine Stärkung des ECDC, des Euro­pean Centre for Disease Prevention and Control. Da geht es um eine Erweiterung und eine Stärkung des Mandats vor allem bei der Überwachung des Ausbruchs von Infek­tionskrankheiten. Das ECDC soll in Zukunft im Bedarfsfall die Möglichkeit bekommen, eine eigene EU-Gesundheitstaskforce zu mobilisieren. Das ist eine Maßnahme, die Ös­terreich explizit begrüßt, diesbezüglich aber auch darauf hinweist, dass man immer Sor­ge tragen soll, keine Parallelstrukturen zu schaffen.

Im zweiten Punkt geht es um eine Stärkung der EMA, der Europäischen Arzneimittel­agentur. Da geht es vor allem darum, sicherzustellen, dass auch in Zukunft zeitgerechte Entwicklungen von Medikamenten und Impfstoffen hochqualitativ erfolgen und dass die Verteilung im europäischen Raum entsprechend gerecht passiert.

Der dritte Punkt  und das ist eigentlich der wesentlichere oder der wesentlichste Punkt neben der Stärkung von ECDC und EMA  ist die Einrichtung einer zusätzlichen Struktur für die Krisenvorsorge und Krisenreaktion, der sogenannten Hera, Health Emergency Preparedness and Response Authority, einer eigenen Abteilung, die in der Union ein­gerichtet wird, die einerseits im Nichtkrisenmodus Innovation und Forschung koordinie­ren und vorantreiben soll und andererseits im Krisenmodus umfassende Befugnisse hat, wenn es um die Bekämpfung von Gesundheitsproblemen in der Europäischen Union geht. Das beginnt beim Monitoring, geht weiter zu Beschaffung, Erwerb und Produktion von Medizinprodukten, Medikamenten, Impfungen et cetera. Auch dazu ist die österrei­chische Haltung sehr klar: Wir begrüßen das und unterstützen diese Maßnahmen. – So viel zum Gesundheitsteil.

Was mich persönlich auch gefreut hat, ist, dass die Europäische Union im Sozialteil ex­plizit die Pflegeproblematik anspricht. Das ist ein Problem, das nicht nur in Österreich vorherrscht, sondern tatsächlich eine europäische Dimension hat. Es stimmt: Da müssen wir massiv Kraft investieren, da ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht.

Für mein Heimatbundesland, die Steiermark, kann ich berichten, dass wir selbstver­ständlich vor der gleichen Problematik stehen, in einigen Dingen aber bereits in Vorleis­tung gegangen sind, zum Beispiel durch eine massive Aufstockung der Ausbildungs­plätze an den Standorten der Gesundheits- und Krankenpflegeschulen; der Ausbau der Gesundheits- und Krankenpflege in der Steiermark an der FH Joanneum wird vorgezo­gen; wir haben das Taschengeld für unsere Schülerinnen und Schüler erhöht, um so vielleicht einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen; die Pflegedrehscheiben werden schnel­ler ausgebaut als ursprünglich geplant; und der Bau von acht weiteren Tageszentren in der Steiermark ist bereits auf Schiene gebracht worden.

Etwas Zweites wird angesprochen, nämlich die Diskussion über einen einheitlichen, über einen europäischen Mindestlohn. Das kommt in diesem Bericht auch im Teil Soziales


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vor. Das ist etwas, das Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer schon 1984 ange­sprochen hat, als er sich für einen Mindestlohn ausgesprochen hat, allerdings im Ge­gensatz zu anderen, die da ihre Ideen haben, für einen Mindestlohn für Arbeit. Was nämlich nicht passieren darf, ist, dass es zu einer Schieflage des Verhältnisses Arbeit und Sozialleistungen kommt. Der Sozialstaat ist wichtig, ohne Frage, wir brauchen ihn. Es brauchen ihn aber vor allem jene, die ihn wirklich nötig haben, und nicht jene, die versuchen, es sich zu richten. Ich glaube, darauf muss man immer schauen.

In diesem Sinne sage ich herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.11


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm das Wort.


21.11.20

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir haben uns intensiv mit diesem Bericht auseinandergesetzt. Ich muss Kollegen Kornhäusl insofern korrigieren, als der Bericht zwar 31 Seiten hat, sich aber inhaltlich auf 24 Seiten konzentriert, wenn man die Umschlagseiten und das Inhaltsverzeichnis abzieht.

Die einzelnen Punkte sind sehr klar ausgewiesen, und auch die österreichische Haltung dazu ist nachlesbar. Ich möchte zwei Punkte hervorheben, die noch nicht angesprochen worden sind, und zwar die EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderung für den Zeitraum 2021 bis 2030, die sich zum größten Teil mit den österreichischen Vor­gangsweisen deckt. Das heißt, es ist sehr erfreulich, dass auf europäischer Ebene das Gleiche passiert, was in Österreich vorgesehen ist.

Zur europäischen Gesundheitsunion: Dies kann man nur befürworten. Auch im Lichte des Versagens der Bundesregierung beim Pandemiemanagement kann eine Gesund­heitsunion im Hinblick auf ein gestärktes Krisenreaktions- und Vorsorgemanagement die Lage Österreichs nur verbessern, selbstverständlich aber müssen auch die Gesund­heitsangelegenheiten des nationalen Rechts zukünftig gewahrt bleiben. Daher nehmen wir diesen Bericht zur Kenntnis. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundes­rätInnen von ÖVP und Grünen.)

21.12


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Johannes Rauch. Ich erteile ihm das Wort.


21.13.02

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätztes Hohes Haus! Einige wenige Punkte noch zur An­merkung, die mir wichtig erscheinen:

Bei der Armutsbekämpfung sei erwähnt, dass das EU-weite Ziel der Reduktion von Ar­mut dezidiert verankert ist; auch im Sinne Österreichs und der Bundesregierung.

Ich greife das Thema Pflege sehr gerne auf – es wurde angesprochen –, weil da ein Paket geplant ist, das, vor allem wenn es um Pflege und Betreuung geht, die Verbes­serung der Arbeitsbedingungen im Pflegesektor angeht. Das kann man nicht oft genug betonen.

Zur Gesundheit: Den Vorschlag zur Schaffung einer europäischen Gesundheitsunion sowie einer Krisenkoordination und die kritischen Anmerkungen dazu nehme ich durch­aus mit. Was den Datenraum angeht, muss man, glaube ich, gut darauf achten, was


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denn da geplant ist. Es hat dazu  das habe ich jedenfalls meinen Unterlagen entnom­men  bereits am 22.2. einen entsprechenden Rat gegeben; den werde ich mir aufgrund dieses Hinweises etwas genauer anschauen, insofern danke für den Hinweis.

Was ich begrüße, ist die verstärkte Koordination auf europäischer Ebene, wenn es darum geht, Versorgungsengpässe zu vermeiden, vor allem bei Arzneimittelbeschaf­fungen.

Digitalisierung im Gesundheitswesen habe ich schon angesprochen. Begrüßen würde ich auch, wenn der französische Vorsitz bei der Krebsprävention und -bekämpfung einen Schwerpunkt setzte. Das halte ich für gut, nachvollziehbar und notwendig.

Was die Kommission betrifft: Der Empfehlung für ein Mindesteinkommen, meine ich, sollte man entsprechende Sorgfalt widmen, weil eine der Folgen der Pandemie dahin gehend sein wird, dass sich die soziale Frage deutlich anders stellen wird. Wie ich schon gesagt habe: Die Pandemie ist nicht ausgestanden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

21.15


21.15.02

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.15.3521. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 (Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG) erlassen sowie das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz ge­ändert werden (1290 d.B. und 1332 d.B. sowie 10882/BR d.B. und 10905/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Ich bitte um den Bericht.


21.15.57

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Hos­piz- und Palliativfonds und über die Gewährung von Zweckzuschüssen an die Länder zur finanziellen Unterstützung der Hospiz- und Palliativversorgung ab dem Jahr 2022 erlassen sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 7.3.2022 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Herzlichen Dank.



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Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr das Wort.


21.17.03

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream, wenn Sie uns noch zuschauen! „Wenn ich das gewusst hätte“ – wenn ich das gewusst hätte oder wenn ich das früher gewusst hätte! Es ist an der Zeit, dass immer noch mehr Menschen erfahren, wie würdevoll ein­fach und einfach würdevoll Betreuer und Betreute miteinander umgehen können – mit wachem Blick, ehrlichem Staunen, mitfühlender Gelassenheit und herrlichem Respekt hier im Tageshospiz in Kleingmain in Salzburg. – Zitatende.

Diese berührenden Worte eines Besuchers des Tageshospizes aus dem Buch „Wenn ich das gewusst hätte“ von lieben Freunden von mir beschreiben den Alltag und die fürsorgliche Betreuung von Menschen, die in dieser Situation sind.

In Salzburg haben wir neun Hospizinitiativen, zwei Tageshospize, eben dieses Tages­hospiz in Kleingmain in Salzburg und das Tageshospiz im Pinzgau in Leogang, dann haben wir das mobile Kinderhospiz Papageno für die Stadt und das Innergebirg und die Kontaktstelle Trauer. Ganz zentral für die Palliativversorgung in Salzburg ist das Ra­phael-Hospiz, das es seit 2002 gibt und das seit 2014 vom Konvent der Barmherzigen Brüder betrieben wird.

Vielen Dank an dieser Stelle an alle Menschen, denen der Bereich Palliativ- und Hos­pizversorgung ein Anliegen ist, die da jahrzehntelang hervorragende Arbeit geleistet ha­ben, großteils ehrenamtlich! Damit diese Aktivitäten – die auch in den anderen Bundes­ländern, davon gehe ich aus, natürlich sehr, sehr gut umgesetzt werden – langfristig ab­gesichert und unterstützt werden, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, fassen wir heute diesen Beschluss. Darüber bin ich wirklich sehr, sehr froh, es war mir persönlich ein wichtiges Anliegen, dass wir diesen Beschluss für den Palliativ- und Hospizfonds auf den Weg gebracht haben.

Ein großes Danke gilt engagierten Politikerinnen wie der Abgeordneten außer Dienst Mag. Gertrude Aubauer, der Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich und Präsidentin des Hospiz- und Palliativforums Waltraud Klasnic und der Präsidentin des Hospiz- und Palliativforums Frau Dr. Elisabeth Pittermann, die schon 2014 in der En­quete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“ Vorschläge erarbeitet haben. Jetzt, 2022, sind wir endlich so weit, dass wir das in die Tat umsetzen – als Ergänzung zum Sterbeverfügungsgesetz. Wir haben das ja im Dezember hier im Hohen Haus auf den Weg gebracht.

Mit dem Palliativ- und Hospizfonds helfen wir den Menschen in dieser speziellen Le­benssituation und ermöglichen ihnen in dieser Situation ein Leben in Würde, indem wir Planungssicherheit, Qualitätssicherung, Ausbildungsmaßnahmen in der Hospiz- und Palliativpflege schaffen. Das ist unsere gesellschaftliche Pflicht. Gerade diesen Men­schen und ihren Angehörigen gehört geholfen.

Gemeinsam mit dem Dachverband Hospiz wurden eben die Bedarfsrichtlinien fest­gestellt und nun diese Drittelfinanzierung – Bund, Länder und Sozialversicherungen – auf den Weg gebracht. Dafür stehen jetzt, 2022, 63 Millionen Euro zur Verfügung, 2023 sind es 108 Millionen und ab dem Jahr 2024 jährlich wertgesichert 153 Millionen.

Wir haben im Ausschuss gehört, dass es bisher nur 18 Millionen Euro gegeben hat, da­von wurden 2021 nur 15 Millionen ausgeschöpft. Das ist also mehr als eine Verdrei­fachung allein für heuer. Mit der neuen Regelung – das haben wir auch im Ausschuss


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gehört – wird der Bund in Vorleistung treten, und es braucht eine Vereinbarung mit dem jeweiligen Land. Neu ist auch, dass der laufende Betrieb gefördert wird, und die Ziele werden auf Landesebene mit den zuständigen Mitarbeitern der Landesregierung und mit den Hospizbewegungen vereinbart. Wenn die Mittel nicht ausgeschöpft werden, können sie sogar drei Jahre mitgenommen werden.

Ich bin wirklich sehr, sehr froh, dass wir das jetzt auf den Weg gebracht haben. Es wer­den damit zum Beispiel stationäre Hospize, Tageshospize, Kinderhospizteams, Pallia­tivkonsiliardienste, mobile/stationäre Palliativteams unterstützt. Das ist für mich heute wirklich ein Meilenstein. Ich bin sehr, sehr froh, Herr Minister, dass Sie schon jetzt zu Beginn Ihrer Tätigkeit solch einen Meilenstein mit uns auf den Weg bringen dürfen.

Ich wünsche allen, die sich in diesem Bereich engagieren, noch einmal alles Gute. Wie Kardinal König schon gesagt hat: An der Hand eines Menschen und nicht durch die Hand eines Menschen zu sterben, das zu ermöglichen ist unser Auftrag. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.22


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr das Wort.


21.22.43

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuseherinnen und Zuse­her, so Sie noch vor dem Bildschirm sind! Dass uns heute dieses Gesetz zur Beschluss­fassung vorliegt und wir darüber beraten, hängt sicherlich auch sehr stark mit der Neu­regelung der Sterbehilfe in Österreich zusammen. Allerdings ist es nicht so, dass es erst durch diese neue Situation notwendig geworden wäre, sich mit dem Bereich Palliativ- und Hospizversorgung zu beschäftigen, denn in diesem Bereich hinkt das Angebot schon lange weit hinter dem Bedarf hinterher.

Ich selbst bin ausgebildete Trauer- und Sterbebegleiterin, habe lange Zeit auch als Ster­bebegleiterin ehrenamtlich gearbeitet und arbeite noch immer als Trauerbegleiterin, und ich darf Ihnen allen sagen, dass gerade diese sehr herausfordernde Lebensphase, die halt am Ende des Lebens steht, wirklich eine ist, die nicht nur mehr Beachtung verdient, sondern schon lange mehr finanzielle Mittel verdient hätte. Es war längst an der Zeit dafür! Und, Herr Minister, an dieser Stelle bitte ich Sie wirklich: Es ist, so wie es auch da längst an der Zeit war, auch für die Pflege schon längst an der Zeit – beziehungsweise weit über der Zeit –, dass die Pflegereform endlich angegangen wird. Bitte kommen Sie jetzt vom Reden zum Tun! Es ist notwendig! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrä­tin Schartel.)

Frau Kollegin Eder-Gitschthaler hat schon sehr viel über den Inhalt gesagt, über die fi­nanziellen Mittel, die jetzt für diesen Bereich gesichert werden. Man muss aber auch eines sagen: Zum Teil ist es so, dass einfach auch Ressourcen umverlagert werden. Es ist ja nicht so, dass der Bedarf jetzt plötzlich entsteht, sondern er ist da, und bisher wurden Menschen in dieser Lebensphase in der Grundversorgung betreut, das heißt in den Krankenhäusern, in den Langzeitpflegeeinrichtungen oder in den Familien – und natürlich haben sie dort sowohl kompetente menschliche Ressourcen benötigt als auch finanzielle Ressourcen, die jetzt umverlagert werden. Es ist also nicht ganz so, dass dieses Geld jetzt ganz neu dazukommt.

Was man auch berücksichtigen muss, gerade in diesem Bereich, ist – und ich erlebe es immer wieder –, welche Folgekosten für das System entstehen – und das ist auch ein Bereich der Grundversorgung –, wenn Menschen in dieser Lebensphase in den Familien ohne professionelle Unterstützung begleitet werden, denn dann werden die Angehörigen krank, körperlich und auch psychisch, und auch das kostet viel Geld. Einsatz und Mittel­einsatz gerade in diesem Bereich – ich sage es jetzt, wie es ist – sparen auf lange Zeit


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gesehen dem System, der Volkswirtschaft Kosten und damit Geld, aber sie machen vor allem das Leben sowohl für jene, die gehen, als auch für jene, die dann noch bleiben, um so vieles einfacher.

Wichtig ist für mich auch ganz besonders, dass es Qualitätskriterien gibt – das ist ganz wesentlich –, dass Vereinbarungen eingehalten werden müssen, dass es Ziele gibt, die vereinbart werden. Ich habe auch ein paar Zahlen mitgebracht, weil ich glaube, dass diese ganz besonders verdeutlichen, warum der Bereich der Palliativ- und Hospizversor­gung so wichtig ist:

Es werden einerseits in Österreich – ich habe die Zahlen aus dem Jahr 2019 – 61 Pro­zent aller Erwachsenen mit unheilbaren Tumoren in Krankenhäusern auf ihrem letzten Weg begleitet. In meinem Bundesland, in Niederösterreich, sind es ein bisschen weni­ger, 56 Prozent, nichtsdestotrotz, es ist zu viel. Noch erschütternder ist es für mich, wenn ich mir die Zahlen der bis 18-Jährigen anschaue, der Kinder, der Jugendlichen, der jun­gen Erwachsenen: Von diesen versterben 71,6 Prozent im Krankenhaus. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass wir in Österreich einfach viel zu wenige pädiatrische Pal­liativbetten haben und dass wir viel zu wenige stationäre Kinderhospize haben. Statio­näre Kinderhospize muss es bitte in jedem Bundesland geben, und es muss in jeder Jugendheilanstalt, in jeder Abteilung für die Jugend Palliativbetten geben. Das, was es in Österreich gibt, ist zu wenig, es muss mehr sein!

Wir reden immer davon, was wir den Kindern, den Jugendlichen schuldig sind. Wir sind es nicht nur denen schuldig, die eine Zukunft auf dieser Welt vor sich haben, wir sind es allen schuldig, auch denen, die in dieser schwierigen Phase sind.

Ich bitte wirklich und ich ersuche inständig darum, dass wir mit den Summen, die genannt wurden, nicht aufhören, sondern dranbleiben an einem wirklich guten Ausbau, Aufbau und Erhalt der Hospiz- und Palliativeinrichtungen – aller, die im spezialisierten Bereich sind, im betreuenden und im unterstützenden. Es ist ein Bereich der Pflege, aber es ist auch ein Bereich des Lebens. Achten wir auf diesen Bereich des Gesundheitssystems, des Krankensystems! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

21.29


Vizepräsident Günther Novak: Mittlerweile eingetroffen ist Herr Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile ihm das Wort.


21.29.56

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Gesundheitsmi­nister! Herr Arbeitsminister! Geschätzte Kollegen! Liebe Österreicher und Österreiche­rinnen!

Ja, meine Vorredner oder Vorrednerinnen haben schon sehr viel berichtet und erwähnt, haben sehr emotional Zahlen, Daten und Fakten angesprochen. Mit dieser Neuregelung wird nun die Finanzierung auch in Zukunft gewährleistet und ausgebaut, und es werden vor allem auch die Angehörigen unterstützt.

Es ist auch angesprochen worden, dass die Hospiz- und Palliativversorgung seit sehr vielen Jahren ein Thema ist, das leider immer ein bisschen vernachlässigt wurde. Ich bedanke mich auch beim Dachverband Hospiz Österreich, der sich schon seit über 30 Jahren dafür einsetzt, dass eine solche Versorgung für Menschen, die sie brauchen, ob Erwachsene oder Kinder, auch in Zukunft immer wieder leistbar und in guter Qualität verfügbar ist. Wenn man den Gesetzentwurf anschaut, so sieht man, dass es – es wurde


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angesprochen – natürlich wesentlich besser ist, als es bisher war. Es ist ein dringend notwendiger Schritt gesetzt worden. Mit den Zweckzuschüssen des Bundes an die Län­der können auch die betreffenden Angebote besser finanziert werden. Das Ziel ist, dass bedarfsgerechte Versorgung von pflegebedürftigen Menschen und von ihren Angehö­rigen leistbar ist.

Die Drittelfinanzierung ist bereits angesprochen worden, und auch dass der Fonds für 2022 bis 2024 mit 108 Millionen Euro dotiert und – auch das ist angesprochen worden – zweckgewidmet wurde.

Damit die Bundesländer die Zweckzuschüsse erhalten, müssen sie bestimmte Bedin­gungen erfüllen; nur einige Beispiele: Sie müssen die Zielwerte für Auf- und Ausbau von entsprechenden Angeboten erreichen, ein Qualitätsmanagement einführen, und es müssen österreichweit einheitlich geregelte Tarife angewendet werden.

Es wurden auch seitens der FPÖ eingebrachte Initiativen in diesem Gesetz umgesetzt, daher werden wir auch zustimmen. Ich möchte aber auch die Problematik ansprechen, dass es immer weniger Personal gibt, ob im Bereich Hospiz oder auch in den Pflegehei­men. Daher ist es notwendig, neben der angesprochenen Finanzierung für die Sicher­heit, für das Verteidigungsbudget, auch die Versprechen seitens des Gesundheits- und Sozialministers oder überhaupt der Regierung, dass in diesem Bereich Geld in die Hand genommen wird, umzusetzen, um in Zukunft wieder Pflegekräfte zu akquirieren.

Es wurde bereits von den Pflegekräften Alarm geschlagen. Sie wechseln vom Bereich Gesundheit in andere Bereiche. Der Arbeitsdruck, der Leistungsdruck, der Zeitdruck für dieses Personal wird immer größer, weil es immer weniger wird und trotzdem immer mehr Aufgaben bekommt. Wenn man sich die demografische Entwicklung ansieht, dann wird deutlich: Es muss jetzt bereits etwas getan werden. Das gilt nicht nur für den Hospizbereich, sondern auch für die Regelversorgung der älteren Menschen. 80 Prozent der Menschen wünschen sich, dass sie zu Hause gepflegt werden und im Kreise der Familie sterben können. Für diese gibt es die Palliativdienste, die mobil sind und nach Hause kommen, und da – auch das wurde erwähnt – geschieht sehr, sehr vieles im eh­renamtlichen Bereich. Was da geleistet wird, ist großartig, und all diesen Menschen ge­bührt von uns allen Respekt und ein großes Dankeschön für ihre Arbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Das Sterben ist die letzte Herausforderung für uns alle, vielleicht die größte Herausfor­derung. Mit diesem Gesetz haben die Menschen, haben wir alle somit Aussicht, künftig eine gleichwertige, aber vor allem eine leistbare Hospiz- und Palliativversorgung vorzu­finden.

Geschätzter Herr Gesundheitsminister, ich hoffe, dass Sie keine Maßnahmen oder Ver­ordnungen, die Ihr Vorgänger gemacht hat, einsetzen, damit in Zukunft niemand mehr am Lebensende allein gelassen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

21.34


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.


21.34.41

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher und – Entschuldigung! – sehr geehrte Herren Minister! Das selbstbestimmte Lebensende hat uns in der Bundesratssitzung im Dezember 2021 im Rahmen der Debatte über das Sterbeverfügungsgesetz beschäftigt, und damals habe ich ausgeführt, dass der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung die Voraussetzung für diese neu geschaffene gesetzliche Regelung ist. Insofern freut es mich, dass wir heute diesen Gesetzentwurf zum Hospiz- und Palliativfondsgesetz beschließen werden,


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um diesen unbedingt erforderlichen Schritt im Prozess um ein selbstbestimmtes Lebens­ende zu setzen.

Das Hospiz- und Palliativfondsgesetz schafft die finanzielle Basis für einen österreich­weiten bedarfsgerechten Ausbau des Hospiz- und Palliativversorgungsangebots. Ziel ist es, dass anhand noch zu definierender Qualitätskriterien im gesamten Bundesgebiet gleiche Standards für diese Angebote gelten und sie für Betroffene erreichbar, zugäng­lich und leistbar sind.

Palliativ- und Hospizpflege ist eine wertvolle und nicht wegzudenkende Begleitung von Menschen mit einer unheilbaren Krankheit und ihrer Angehörigen. Der Fokus liegt auf der Lebensqualität. Dabei geht es einerseits darum, das körperliche Leid zu lindern, in­dem zum Beispiel eine passende Schmerztherapie gefunden wird, andererseits soll auch auf die Bedürfnisse und die Wünsche der Betroffenen eingegangen werden, indem vielleicht einmal noch ein Besuch zu Hause ermöglicht wird oder Ähnliches.

Ganz wesentlich ist die psychosoziale Unterstützung. Die Menschen werden mit ihrer Erkrankung, dem Hadern mit dem Tod, der Angst, der Wut nicht alleingelassen, aber auch für Angehörige ist die Palliativ- und Hospizpflege eine wichtige Stütze, insbesonde­re was die Trauerbegleitung angeht. Für diese Tätigkeitsbereiche braucht es speziell ausgebildete Menschen, sowohl Professionistinnen und Professionisten als auch Frei­willige, und auch das soll mit dem Hospiz- und Palliativfondsgesetz gewährleistet wer­den.

Zuletzt möchte ich noch über ein Beispiel aus Oberösterreich berichten. Wie Sie wis­sen, komme ich aus dem Bezirk Vöcklabruck. Im Bezirk Vöcklabruck leben rund 138 000 Menschen, und einen Teil der medizinischen Versorgung deckt das Salzkam­mergut-Klinikum in Vöcklabruck ab. In diesem Klinikum gibt es eine Palliativstation mit zwölf Betten, wo Patientinnen und Patienten mit unheilbaren Erkrankungen und be­grenzter Lebenserwartung betreut werden. Dabei geht es dort darum, das körperliche Wohlbefinden zu verbessern, Symptome zu lindern und bei emotionalen und sozialen Problemen zu unterstützen. Dazu gibt es eben im Klinikum ein multidisziplinäres Team von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal, PhysiotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, Seelsorgern und auch ehrenamtlichen MitarbeiterInnen.

Meine Erfahrungen mit der Palliativstation des Salzkammergut-Klinikums in Vöcklabruck waren bislang immer sehr positiv. Es war immer ein Platz da, wenn es notwendig war, und das Personal hat sehr empathisch und ruhig in dieser Lebensphase begleitet.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir heute die Grundlage dafür beschließen, dass eine professionelle Begleitung von Menschen mit unheilbarer Krankheit und begrenzter Le­benserwartung so wie auch ihrer Angehörigen in allen Bundesländern in ausreichender Zahl, gleicher guter Qualität und idealerweise noch wohnortnah verfügbar ist.

Um noch einmal auf den Beginn meiner Ausführungen zurückzukommen: Der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Lebensende. Das Hospiz- und Palliativfondsgesetz ist daher unbedingt erforderlich, um diesen Ausbau sicherzustellen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.39


21.39.22

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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21.39.5122. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (2192/A und 1333 d.B. sowie 10906/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversi­cherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2214/A und 1334 d.B. sowie 10883/BR d.B. und 10907/BR d.B.)

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (2217/A und 1335 d.B. sowie 10908/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Fi­nanzierungsgesetz und das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebeding­ter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert werden (1336 d.B. sowie 10884/BR d.B. und 10909/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (2216/A und 1337 d.B. sowie 10910/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 22 bis 26, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Tagesordnungspunkten 22 bis 24 ist Frau Bundesrätin Mag. Eli­sabeth Kittl. – Bitte.


21.41.06

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Zu TOP 22, liebe KollegInnen: Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 7.3.2022 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu TOP 23: Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 7.3.2022 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu TOP 24: Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 7.3.2022 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Berichterstatter zu den Punkten 25 und 26 ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Bitte um die Berichte.


21.42.58

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Zu TOP 25: Bericht über den Beschluss des Na­tionalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme zum Antrag.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

TOP 26: Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt schriftlich vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr das Wort.


21.44.14

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Kocher! Sehr geehrter Herr Minister Rauch! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Vor allem liebe Kolleginnen und Kollegen, die erkrankt sind und heute zuschauen: Alles Gute und bal­dige Genesung! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Teuerungswelle, die durch unser Land rollt, macht sich bereits am Frühstückstisch bemerkbar. So ist der Preis der Butter, die meist auf unser Frühstücksbrot gestrichen wird, um 62 Prozent gestiegen, jener des Zuckers für den Kaffee um 11 Prozent, das Brot und das Gebäck werden aufgrund der steigenden Getreidepreise ebenfalls teurer. Die Kosten für den Wocheneinkauf sowie für das Tanken sind doppelt so stark gestiegen wie die allgemeine Inflationsrate. Die Weltbank spricht bereits von einer sehr gefähr­lichen Situation.

Enorm gestiegen in den letzten zehn Jahren sind auch die Mieten: in etwa um 44 Pro­zent. Das ist sehr, sehr viel, und es gibt Leute, die sich das nur sehr schwer leisten


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können. Treibstoff- und Gaspreise erhöhen sich so rasant, dass man eigentlich den Überblick verliert. Die Verbraucherpreise in Österreich sind im Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,9 Prozent gestiegen. Das ist ein so hoher Wert, dass auch die Experten überrascht sind.

Und weil die Energiepreise im europäischen Großhandel extrem gestiegen sind, haben viele Versorger ihre Tarife für Gas, Strom und auch Fernwärme stark wie noch nie an­heben müssen. Ein Durchschnittshaushalt zahlt um 180 Euro mehr für Strom und in etwa um 300 Euro mehr für Gas. Die aktuellen Preiserhöhungen sind enorm belastend für die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen beziehungsweise Pensionen.

Diese dramatische Teuerungswelle, die durch unser Land rollt, bereitet den Menschen große Sorgen, und manche haben auch schlaflose Nächte. Ich habe mit einigen gespro­chen, die von diesen Teuerungen betroffen sind, und sie sagen, sie haben wirklich ein Problem damit, denn sie können sich zwar das Nötigste leisten, aber schon gar nichts mehr für irgendwelche Reparaturen oder Neuankäufe zurücklegen.

Besonders hart betroffen von dieser Rekordteuerung sind natürlich die Geringverdie­nerInnen, die SozialhilfebezieherInnen, die Alleinerziehenden – hier vor allem Frauen –, Familien, junge Menschen und Pensionisten, Pensionistinnen. Als Bereichssprecherin für die Pensionisten fordere ich speziell für unsere ältere Generation, Herr Minister, drin­gend eine finanzielle Unterstützung ein. Die bisher beschlossene Einmalzahlung ist zwar schön, sie reicht aber bei Weitem nicht aus, um diese Gesamtbelastungen zu stemmen.

Zur Abdeckung des bereits entstandenen und auch noch bevorstehenden Kaufkraft­verlustes ist seitens der Regierung, soweit ich weiß, nichts geplant. Heizen oder essen – diese Entscheidung sollte in unserem Land niemand treffen müssen. In Österreich muss beides möglich sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe es schon erwähnt, ich habe mit einigen Pensionisten gesprochen, und sie sagen mir, auch wenn sie in den sogenannten Billigläden einkaufen gehen, bleibt ihnen am Monatsende kaum etwas im Börsel übrig. Für viele ist das sehr belastend, denn gerade die ältere Generation ist es gewohnt, sehr sparsam mit den Mitteln umzugehen – sie wollen ein paar Euro für ihre Enkelkinder ansparen –, aber sie haben Ängste, wenn der Fernseher oder die Waschmaschine kaputtgeht, denn sie können sich einen Neukauf nicht mehr leisten.

Ein Fall hat mich besonders berührt: ein Mann, der sich von der Aktion Essen auf Rädern abgemeldet hat, mit der Begründung, 8,50 Euro am Tag, das kann er sich nicht leisten. Da frage ich mich jetzt schon: In welchem Land leben wir, und was tun wir diesen Men­schen an?

Dr. Hannes Bauer, der Landespräsident des niederösterreichischen Pensionistenver­bandes, warnt, dass die Teuerungswelle nicht zur Armutsfalle werden darf, und auch der Präsident des österreichischen Pensionistenverbandes, Dr. Peter Kostelka, meint: „Ar­mut ist weiblich und meist in Pension“. – Ich schließe mich diesen Befürchtungen leider an.

Unsere Pensionisten und Pensionistinnen haben vor zwei Tagen sogar eine Protest­kundgebung gemacht und haben ihren Unmut lautstark bekannt gegeben. Also mir – ich werde Ende des Jahres 60 – ist das bisher noch nie passiert, dass ich erfahren habe, dass unsere Pensionisten auf die Straße gehen und streiken. Ja, sie fordern eine Pen­sionsanpassung, sie fordern, dass die Mehrwertsteuer auf die Haushaltsenergie gesenkt wird, sie fordern 300 Euro Winterzuschuss und zusätzlich einen Kaufkraftsicherungs­hunderter.

In den letzten Tagen haben diese Pensionisten ein Informationsschreiben von der Pensionsversicherungsanstalt bekommen, und darin sehen sie jetzt schwarz auf weiß,


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was ihnen die Regierung beschert hat: Sie bekommen zwischen 15 und 25 Euro netto mehr am Konto. – Das ist in diesen Zeiten, in denen die Preise so explodieren, eindeutig zu wenig.

Es gibt in unserem Land, ich habe es letztes Mal schon gesagt, 200 000 – das ist viel, 200 000! – PensionistInnen mit einer Ausgleichszulage. Rund eine Million Pensionen werden um circa 3 Prozent erhöht. Das Ziel der Pensionsanpassung ist die Armutsbe­kämpfung, das geht aber hier bei 80 Prozent eigentlich daneben. Bruttopensionen ab 1 300 Euro werden überhaupt nur um 1,8 Prozent erhöht. Die durchschnittliche Teue­rungsrate liegt wie gesagt bei fast 6 Prozent, und da sind die 1,8 Prozent eindeutig und völlig unzureichend.

Gute und wirksame Vorschläge von der SPÖ und dem Pensionistenverband Österreichs liegen auf dem Tisch, und diese sollten umgehend umgesetzt werden. Eine vorgezogene Pensionsanpassung ist, meine ich, der einzige Weg, dieser Teuerungs- und Armutsfalle entgegenzutreten. Eine vorgezogene Pensionsanpassung sichert die Kaufkraft und hilft auch der Wirtschaft.

Es braucht rasch eine dauerhafte Lösung, um diese enormen Differenzen zwischen der unzureichenden Pensionsanpassung und den Höchstpreisen für Energie, Wohnen und Lebensmittel zu finanzieren. Deshalb soll auf Basis der Inflation im Beobachtungszeit­raum August 2021 bis Jänner 2022 eine vorgezogene Pensionsanpassung stattfinden, um den Kaufkraftverlust von circa zwei Millionen PensionistInnen auszugleichen. Diese außerordentliche Anpassung soll bei der nächsten regulären Anpassung angerechnet werden.

Um die Altersarmut zu stoppen, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vorgezogene Pensionsanpassung zur Abfederung der Teuerung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz wird aufgefordert, spätestens im zweiten Quartal 2022 dem Nationalrat sowie dem Bundesrat eine Regierungsvorlage für eine vorgezogene Pen­sionsanpassung 2023 in Höhe von zumindest 4 Prozent zur Beschlussfassung zu übermitteln.“

*****

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „vorgezogene Pensionsanpas­sung zur Abfederung der Teuerung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile ihm das Wort.


21.52.32

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! (Der Redner versucht, das Rednerpult höher zu stellen, was nicht möglich ist, es bewegt


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sich nur nach unten. – Allgemeine Heiterkeit.) Das geht nur nach unten. (Ruf bei der SPÖ: Vielleicht nach oben drücken!) – Ja, aber es geht halt nicht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In diesen Gesetzen geht es vor allem um schnelle, unbürokratische Hilfe für die Schwäche­ren in unserer Gesellschaft. Ich denke, an diesen Gesetzen sieht man, dass diese Re­gierung nahe am Bürger ist und sehr schnell handelt. Wir alle wissen ja, dass die Ge­setzwerdung doch einiger Wochen bedarf und dass das natürlich nicht die Antwort auf die Situation ist, die wir heute hier haben, sondern die Antwort auf die Situation vor ei­nigen Wochen, die damals so war, dass man eben diese Lösungen gefunden hat.

Es gibt Teuerungsausgleiche für Bezieher von Ausgleichszulagen oder von Ergänzungs­zulagen im öffentlichen Dienst, für Krankengeldbezieher oder Rehabilitationsgeldbezie­her beziehungsweise für jene, die in der Mindestsicherung oder in der Notstandshilfe sind und für Studienbeihilfenbezieher.

Es wird für Saisonbetriebe bei der Kurzarbeitshilfe die Lücke geschlossen, wo der Fonds um 30 Millionen Euro aufgestockt wird, und es wird ein Sozialhilfeprojekt für Obdachlose vor allem im Energiebereich aufgestockt, und zwar von 22 Millionen auf 44 Millionen Eu­ro. Damit soll natürlich auch ein Impuls geschaffen werden, damit einige in den Arbeits­prozess zurückkommen.

Es gibt dann noch eine Unterstützung für das Honorar für die Bestätigung einer Schwan­gerschaft als Ausnahmegrund von der Impfpflicht.

Das alles sind sehr wichtige Maßnahmen, die die Bürgerinnen und Bürger jetzt sehr dringend brauchen. Es gibt dazu auch noch sehr viele Maßnahmen von den Ländern, wie Heizkostenzuschuss oder Ähnliches, was man auch in Anspruch nehmen kann, wenn man ein geringes Einkommen hat.

Was für mich auch ganz besonders wichtig ist, ist Punkt 22, und ich kann nicht verstehen, dass die SPÖ da dagegen ist. Es geht dabei um das fiktive Ausgedinge bei den Min­destpensionisten der Bauern. Das sind jene, die noch einmal weniger bekommen als die anderen Mindestpensionisten. Frau Kollegin Prischl hat ja soeben in ihrer Rede gerade jene in unserer Gesellschaft sehr bemitleidet, die am wenigsten haben, und ich denke, gerade diese Menschen sollte man nicht vergessen.

Man muss wissen, wie das tatsächlich ist: Den Mindestpensionisten der Bauern werden jetzt pauschal noch einmal 100 Euro im Monat abgezogen – in Zukunft 75 Euro im Mo­nat. Das sind die Einzigen in Österreich, die nicht die Mindestsicherung haben. Diese Menschen haben 40, 50 Jahre in Österreich gearbeitet, haben die Nahrungsmittel pro­duziert und bekommen jetzt nicht einmal das, was jeder Asylberechtigte bei uns be­kommt. Dieser Satz wird jetzt um 25 Euro im Monat herabgesetzt, sie bekommen aber noch immer 75 Euro weniger als die anderen Mindestpensionisten. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich denke, dass es höchst an der Zeit ist, diesen Satz zu senken. Eigentlich ist es an der Zeit, diesen Satz überhaupt auslaufen zu lassen. Zurück­zuführen ist das überhaupt auf den Umstand, dass sie früher Kartoffeln, Milch und Fleisch selbst gehabt haben, aber wir alle wissen, das ist nicht mehr der Fall. (Bundes­rätin Schumann: Bei der Hacklerregelung habt ihr auch nicht so viel Mitleid gehabt! – Bundesrätin Grimling: Aber die Hacklerregelung war euch wurscht!) – Ja, aber die sind weit über der Mindestsicherung. (Bundesrätin Schumann: Aber die haben meist keinen Hof daheim! – Bundesrätin Grimling: Die haben aber keinen Hof daheim! – Bundesrätin Schumann: Ja! Also ganz ehrlich, übertreiben wir es nicht!) Und das sind in ganz Ös­terreich die Einzigen, die unter der Mindestsicherung sind, und das sollte man schon auch beachten.


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Wir stimmen diesen Gesetzen natürlich zu, weil wir denken, dass das die richtigen Maß­nahmen in dieser Zeit sind. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

21.56


Vizepräsident Günther Novak: Der Techniker schaut sich jetzt einmal kurz das Redner­pult an. (Ein Bediensteter der Parlamentsdirektion versucht, die Höhe des Rednerpults nach oben und nach unten zu verstellen, was nach einigen Versuchen gelingt.) – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


21.57.21

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesminister! Ich probiere jetzt das Pult aus. (Die Rednerin verstellt die Höhe des Rednerpults. – Allgemeine Heiterkeit.) – Aufwärts ist es schlecht, aber ich bin ohnehin klein, das ist in diesem Fall mein Glück. (Allgemeine Heiterkeit.)

Voraussichtlich werden die Preise für Brot in diesem Jahr um 15 Prozent steigen. Warum ist das zu sagen? – Weil ich auf die Situation der Menschen, die arbeitslos sind, hinwei­sen möchte.

Herr Bundesminister! Ich weiß, Sie sind stolz darauf, und natürlich freuen wir alle uns mit, dass es weniger Arbeitslosigkeit gibt – das ist gut so –, aber wir wissen auch, dass man sich das differenzierter und genauer anschauen muss. Arbeit zu haben heißt noch nicht, von dieser Arbeit auch leben zu können. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Wir wissen auch, dass sich in einer Zeit wie dieser – gebeutelt durch die Pandemie, durch den Krieg und die Auswirkungen auf die Wirtschaft und dann wohl auch auf den Arbeitsmarkt – die Situation sehr, sehr schnell ändern kann. Uns, der Sozialdemokratie, ist es wichtig, dass die Menschen, die ihre Arbeit nicht aus eigener Schuld verloren haben – und das sind sehr viele –, von ihrem Arbeitslosengeld auch leben können. Das ist ganz, ganz wichtig.

Man muss schon sagen: Die jetzigen 55 Prozent Nettoersatzrate sind einfach zu wenig! Neun von zehn ArbeitslosengeldbezieherInnen sind armutsgefährdet. Das ist unerträg­lich. Und wir fordern es schon so lange, Herr Bundesminister: Erhöhen Sie das Arbeits­losengeld auf 70 Prozent Nettoersatzrate! Es ist an der Zeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen haben ein Recht darauf, abgesichert zu sein. Dafür haben wir gekämpft, und das muss auch sein. Ich weiß, dass Sie sich schon sehr lange mit dem Gedanken tragen oder in den Verhandlungen sind und Meinungen eingeholt haben betreffend eine Reform des Arbeitslosengeldes. Am Montag hat im Parlament eine Enquete stattgefun­den, sie wäre höchst interessant gewesen, aber leider ist auch Tatsache, dass die Bun­desrätinnen und Bundesräte nicht die Chance gehabt haben, dabei zu sein, weil wir zu dieser Zeit Ausschusssitzungen gehabt haben, und das bedauern wir sehr, denn wenn man gerade ins Parlament geht und dann die Bundesrätinnen und Bundesräte aus­schließt, ist das kein kluger Zug. Aber es ist halt so, wie es ist.

Wichtig für uns ist: Welches Modell auch immer jetzt diskutiert oder was auch immer wird, das Arbeitslosengeld muss erhöht werden! Die Menschen dürfen nicht armutsge­fährdet sein, wenn sie ihre Arbeit verlieren, und das kann ganz, ganz schnell passieren.

Wenn ich an die letzte Rede des Kollegen Kornhäusl denke, in der ein bisschen mit­geschwungen ist: Na ja, aber die, die es nicht verdienen, sollen es nicht kriegen!, muss ich sagen, das ist nicht fair, denn wir wissen, dass gerade die Kontrollen bei der Aus­zahlung des Arbeitslosengeldes sehr, sehr scharf und sehr, sehr genau sind. (Zwi­schenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Und da immer ein bisschen zu unterstellen: Na


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ja, die richten es sich, das ist die soziale Hängematte, die machen es sich gemütlich!, ist nicht richtig. Leben Sie einmal von dem Geld, das ein Arbeitslosengeldbezieher oder eine -bezieherin bekommt, dann werden Sie schon sehen, dass das alles andere als angenehm ist. Da hat man größte Ängste und fragt sich: Wie kann ich das Heizen zahlen? Wie kann ich die Miete zahlen? Wie kann ich den Kindern noch etwas kaufen? Das ist nicht lustig, und das muss schon gesagt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das noch einmal bestätigend und noch einmal hervorhebend, bringe ich folgenden An­trag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnah­menpaket gegen die Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien durch insbesondere folgende Maßnahmen entgegengewirkt wird:

1) Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

2) Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes

3) Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Das ist jetzt dringend nötig. Wir wollen nicht die Menschen, die Arbeitslosengeld be­ziehen, in Existenzschwierigkeiten bringen und die Armut noch mehr vorantreiben.

Zu den Punkten, die hier jetzt auch noch besprochen werden: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass beim Thema Frauen und Arbeitslosigkeit ganz genau hinzu­schauen ist. Wir wissen, dass sich das Pensionsantrittsalter der Frauen ab 2024 bis 2032 ganz rasch auf 65 Jahre erhöhen wird, und wir wissen, dass ab 2024 pro Jahr rund 25 000 Frauen mehr am Arbeitsmarkt sein werden. Gleichzeitig wissen wir auch, dass jetzt jede zweite Frau in Österreich nicht aus einer Beschäftigung in Pension geht, sondern aus einem Arbeitslosenverhältnis, aus Krankheit, was auch immer, und das ist jetzt ohne Anhebung des Pensionsantrittsalters so. Es sind da also ganz dringend Maß­nahmen zu setzen, um auch die Frauen abzusichern.

In dem ganzen Paket – und jetzt darf ich mich an den Sozialminister wenden – ist na­türlich auch die Frage der Änderung beim Ausgedinge für die Bäuerinnen und Bauern dabei. Natürlich ist das, bitte, eine Maßnahme, die hier gesetzt wird, aber es muss schon dazugesagt werden: Niemand erhält Mindestsicherung oder Sozialhilfe, wenn er selbst eine Art von Vermögen hat. Das ist so im Sozialhilfegesetz oder in der Mindestsicherung geregelt. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Tatsache ist auch: Diese Regierung hat für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hacklerregelung gestrichen! Und das nimmt man Ihnen wirklich übel. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Fakt ist auch, dass wir jetzt erfahren haben, dass das sozusagen in einem Sideletter dieser Regierungsvereinbarung gestanden ist, und das macht die Sache noch un­g‘schmackiger, das kann man auch ganz ehrlich sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Neuer­licher Zwischenruf des Bundesrates Köck.)


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 217

45 Jahre sind genug! Die Menschen haben in Hitze und in Kälte unter großem Druck gearbeitet, und dann sagt man: Ja aber ihr nicht mehr! – Und gerade jetzt, da die Frauen drangewesen wären, weil sie die Chance gehabt hätten, in den Genuss von „45 Jahre sind genug!“ zu kommen, hat man es abgedreht. Das ist nicht gut und das ist nicht fair.

Es sollen alle gut abgesichert sein, es sollen alle eine Chance haben, und es sollen auch jene eine gerechte Pension erhalten, die für dieses Land unter den schwierigsten Be­dingungen wirklich geschuftet haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend noch einmal: Bitte erhöhen Sie das Arbeitslosengeld! Wir gehen auf schwierigste Zeiten zu. Es ist aber nicht nur das Arbeitslosengeld, natürlich sind es auch die Pensionen, natürlich ist es auch die Sozialhilfe, natürlich ist es auch das Kinderbe­treuungsgeld – die Sozialleistungen werden von dieser Inflation aufgefressen, und die Menschen haben wirklich größte Probleme, ihr Leben zu fristen, und da muss entgegen­gehalten werden.

Wir sind am Beginn einer Reise und wir hoffen, dass endlich Vernunft einkehrt, dass man hier zur Absicherung dieser Menschen, die es ganz dringend brauchen, kommt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.04


Vizepräsident Günther Novak: Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Maßnahmenpaket gegen die Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Fa­milien“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr das Wort.


22.05.27

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Die Herren Minister! Werte Kollegen! Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf die – ich habe dieses Empfinden – zehnte Novelle des Mutterschutzgesetzes beziehen und finde es auch jetzt wieder spannend, dass man nach diesem Vorschlag, in dem es um die Verlän­gerung der Regelung, dass werdende Mütter aufgrund der Pandemie eine Sonderfrei­stellung in Anspruch nehmen können, geht, das wieder nur sehr kurzfristig verlängert.

Frau Kollegin Schumann und ich haben bereits bei den ersten Vorlagen vonseiten der Regierung zu dieser Thematik darauf hingewiesen, dass es sehr, sehr viele Gesetze gibt, bei denen man davon ausgehen muss, dass die Pandemie länger dauert. Wir haben heute in sehr vielen Debatten gehört, dass die Regierung davon ausgeht, dass im Herbst die vierte Welle, die fünfte Welle kommen und wir daher boostern, hyperboostern und sonst irgendwas müssen – und dann geht man her und sagt betreffend eine so schüt­zenswerte Gruppe: Jetzt reicht es, wir verlängern wieder nur bis 30.6. und dann schauen wir wieder einmal!

Aus meiner Sicht ist das ein falsches Signal. Warum? – Es gibt bei uns Fristen, die dann sozusagen in Stein gemeißelt sind. Es gibt ja Frauen, die heute noch gar nicht wissen, dass sie demnächst Mütter werden, und die würden dann wieder aus diesen Regelungen herausfallen – bis das Ganze wieder verlängert wird.

Und weil jetzt auch der Herr Sozialminister hier ist, der für den Bereich der Gesundheits- und Krankenkassen zuständig ist, noch einmal mein Appell: Nehmen Sie den Tatbestand dieser Pandemie, die ja von Regierungsseite her als solche gesehen wird, einfach hi­nein, sodass diese Frauen in das ganz normale vorverlegte Beschäftigungsverbot gehen können! (Beifall bei der FPÖ.) Dann braucht man nicht bei einem Arbeitgeber zu bitten und zu betteln, die Arbeitgeber müssten nicht in Vorfinanzierung gehen – wo die Kran­kenkasse dann hinterher überprüft, ob es richtig ist oder nicht.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 218

Wenn die Dinge so sind, wie Sie es immer sagen, dann wäre das, meine ich, die beste und die einfachste Lösung. Warum? – Ein vorverlegtes Beschäftigungsverbot muss auch in der jetzigen Situation nach wie vor von einem Amtsarzt oder von einem Gynä­kologen bewilligt werden. Das heißt, es würde überhaupt kein Missbrauch stattfinden.

Da wir ja eine werdende Mama bei uns im Bundesrat haben: Für jede werdende Mutter ist eine Schwangerschaft ein besonderer Umstand, wo man sehr vorsichtig ist, sehr ängstlich ist. Ich kriege einfach mit, dass werdende Mütter in der jetzigen Zeit sehr, sehr verunsichert sind. Und das wäre, sage ich, ein richtiges und ein gutes Signal und würde nicht einmal dem Motto folgen: Koste es, was es wolle. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

22.08


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat An­dreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


22.08.40

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Sozialminister! Sehr geehrter Herr Arbeitsminister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätz­te Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mit den Punkten beginnen, die den Teue­rungsausgleich betreffen. Angekündigt wurde er ja bereits im Rahmen der Aktuellen Stunde mit dem Bundeskanzler in der letzten Bundesratssitzung, jetzt liegen die notwen­digen Gesetzesänderungen vor, und ich freue mich, dass es hier mit Ausnahme der NEOS sehr breite Zustimmung geben wird.

Insgesamt profitieren 700 000 Menschen vom zweiten Teuerungsausgleich, der gemein­sam mit dem ersten eben eine Entlastung von 300 Euro ausmacht. Das Entlastungs­volumen für die besonders vulnerablen Gruppen, die naturgemäß am stärksten von der Teuerung betroffen sind, nämlich diejenigen, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, beträgt aus diesen beiden Tranchen immerhin mehr als 200 Millionen Euro. Gemeinsam mit der im Zuge der letzten Pensionsanpassung erfolgten Erhöhung der Sozialhilfe be­ziehungsweise Mindestsicherung und der Ausgleichszulage um 3 Prozent schaffen wir hier eine deutliche Entlastung für Menschen, die sie dringend brauchen. In Kombination mit dem verdoppelten Teuerungsausgleich bekommen somit zum Beispiel allein lebende SozialhilfebezieherInnen heuer um 5,6 Prozent mehr als 2021 und allein lebende Aus­gleichszulagenbezieherInnen um 5,2 Prozent mehr.

Auch die ökosoziale Steuerreform, die wir gemacht haben, bringt deutlich mehr soziale Gerechtigkeit. Das bescheinigt uns auch der Fiskalrat, der in seiner Analyse klar aufge­zeigt hat, dass gerade die untersten Einkommen stärker profitieren als bei jeder anderen Steuerreform in der Vergangenheit. (Beifall bei BundesrätInnen von Grünen und ÖVP.)

Diese Regierung hat in den letzten beiden Jahren mehr als einmal bewiesen, dass sie klare, zielgerichtete Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut setzt, also dass klare Maß­nahmen gesetzt werden, und es wird angesichts der gerade aktuellen Entwicklung sicher auch weitere Maßnahmen brauchen. Was wir aber nicht machen, ist, die Gießkanne auszupacken. Eine wie von manchen hier geforderte Mehrwertsteuersenkung wäre ge­nau das. Breit gestreut über alle Einkommensschichten hinweg einfach Geld zu verteilen ist erstens sehr teuer und zweitens vor allem wirkungslos, was die soziale Gerechtigkeit betrifft.

Nun möchte ich zu den Änderungen kommen, die das Sozialversicherungsgesetz be­treffen. Diese Novellierung ist quasi eine Ergänzung zur Umsetzung dessen, was bei den ArbeitnehmerInnen der sogenannte Sozialversicherungsbonus in der ökosozialen Steuerreform ist. Bäuerliche PensionistInnen erhalten eine niedrigere Ausgleichszulage als alle anderen PensionistInnen, weil bei ihnen in der Regel das Vorliegen zusätzlicher Sachleistungen angenommen wird. Diese Werte wurden bisher pauschal mit 10 Prozent


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 219

des Ausgleichszulagenrichtsatzes bewertet und sollen in Zukunft nur mehr mit 7 Prozent angerechnet werden. Wir haben ja für die aktiven Bäuerinnen und Bauern zuletzt bereits die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt, und zwar in 21 Stufen, bis zu einem Ein­kommen von 2 900 Euro – und das ist durchaus ein beachtlicher neuer Weg, weil wir diesmal eben nicht die Gießkanne ausgepackt haben und für alle gleichmäßig Erleich­terungen geschaffen haben, sondern genau dort, wo sie gebraucht werden; gebraucht deshalb, weil es bisher eine Schieflage gab, eine Schieflage zum Nachteil der kleineren Betriebe.

Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vor Sozialversicherung sind von 2020 auf 2021 bei Betrieben bis 40 Hektar um 3 Prozent gesunken und bei Betrieben über 100 Hektar um 8 Prozent gestiegen. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge sind sie bis 40 Hektar jedoch um 6 Prozent gesunken und bei Betrieben über 100 Hektar um 11 Prozent gestiegen. Das heißt nichts anderes, als dass die Sozialversicherungsbei­träge die kleineren Betriebe überdimensional belasten. Das führt letztlich auch dazu, dass kleinere Höfe zusperren und größere noch größer werden. Für größere Betriebe ab circa 70 Hektar führt eine Vergrößerung durch Pacht nicht zu einer Mehrbelastung bei den SV-Beträgen, für kleinere Betriebe hingegen schon, daher können die großen auch höhere Pachtzinse zahlen.

Es ist mehr als nur gerecht, dass diese Schieflage nun etwas korrigiert wird, und das ist auch ein grüner Erfolg. Olga Voglauer und Clemens Stammler haben unermüdlich ver­handelt, und es ist gelungen – im Bereich der Landwirtschaftspolitik ist das nicht immer so –, diesmal eine Regelung für die kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe zu schaf­fen (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Kornhäusl); so auch bei den Pen­sionen, genauer gesagt bei den MindestpensionsbezieherInnen im bäuerlichen Bereich.

Es geht um das sogenannte Ausgedinge. Das fiktive Ausgedinge ist der Versuch, ab­zubilden, was Altbäuerinnen und Altbauern an Sachleistungen von ihren Übernehme­rInnen erhalten. Das ist historisch gewachsen, in den alten Übergabeverträgen sind For­mulierungen wie: Fünf Eier, einen Liter Milch, ein halbes Kilo Fleisch pro Woche oder Ähnliches. Dass das heute nicht mehr zeitgemäß ist, liegt auf der Hand. Nichtsdestotrotz wird dieser fiktive Sachbezug von der Ausgleichszulage abgezogen. Die Senkung des fiktiven Ausgedinges betrifft Altbäuerinnen und Altbauern, die Mindestpension bezie­hen – das sind 8 Millionen Euro mehr in den Geldbörsen für rund 30 000 Mindestpen­sionsbezieherinnen und Mindestpensionsbezieher. Von diesen 30 000, und das möchte ich auch im Zusammenhang mit dem Frauentag erwähnen, sind ein Drittel alleinstehen­de Altbäuerinnen, das heißt etwa 10 000 alleinstehende Pensionistinnen, deren sehr kleine Pension durch diese Regelung etwas aufgebessert wird. Und da möchte die SPÖ dagegenstimmen? – Also das verstehe ich ehrlich nicht. (Zwischenruf der Bundesrä­tin Schumann.)

Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie (Rufe bei der SPÖ: Ja, ja, ja!), es geht hier nicht um Großbauern (Ruf bei der SPÖ: Eben, gibt es ja gar nicht!), es geht um sehr kleine Pensionen. Ich verstehe es wirklich nicht. Wie kann man sich soziale Gerech­tigkeit auf die Fahnen schreiben und hier dagegenstimmen?! Das passt einfach nicht zusammen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Es geht nicht um Großbauern.

Was zusammenpasst, das ist Ihr offensichtliches reflexartiges Nein, wenn es um Ver­besserungen für die bäuerlichen Betriebe geht. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.) Es wäre hoch an der Zeit, dass Sie diese Strategie irgendwann einmal ändern. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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22.16


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Johannes Rauch. Ich erteile ihm das Wort.


22.16.52

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Zur Landwirtschaft sage ich jetzt nichts – ich war zwar lange genug Landwirtschaftssprecher und könnte als Vor­arlberger etwas aus der kleinen Berglandwirtschaft beitragen, das wird jetzt aber sozu­sagen nicht das Thema sein –, zum Teuerungsausgleich sehr wohl, weil ich meine, dass wir noch nicht am Ende angelangt sind, was die Teuerung betrifft, und dass es dringend notwendig ist und war, da einen Ausgleich zustande zu bekommen.

Deshalb hat die Bundesregierung bereits im Dezember 2021 ein erstes Paket für beson­ders betroffene Menschen, und das sind vor allem arbeitslose Menschen, Menschen, die von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe leben, Menschen, die auf Sozialhilfe bezie­hungsweise Mindestsicherung angewiesen sind, Pensionistinnen und Pensionisten, deren Pensionen so gering sind, dass sie eine Ausgleichszulage erhalten, und auch Studierende, die Studienbeihilfe oder ein Mobilitätsstipendium bekommen, geschnürt und beschlossen. Diesen Ausgleich können wir nun auf 300 Euro verdoppeln und um weitere Zielgruppen ergänzen. Neu hinzu kommen Personen, die Rehageld oder Kran­kengeld beziehen.

In meinem Ressort wird der Teuerungsausgleich insbesondere für Bezieherinnen und Bezieher von Sozialhilfe beziehungsweise Mindestsicherung abgewickelt. Und ja, in Kombination mit dem verdoppelten Teuerungsausgleich bekommt somit auch eine allein lebende Sozialhilfebezieherin in diesem Jahr – jetzt werden Sie sagen, das ist zu wenig – um 5,6 Prozent mehr als 2021 und ein allein lebender Ausgleichszulagenbe­zieher um 5,2 Prozent mehr. Ich weiß, es braucht mehr, aber ich halte das für einen sehr wichtigen ersten Schritt. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.18


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Ko­cher. – Bitte um Ihre Ausführungen.


22.18.56

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Sozialminister! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher! Wir sind in einer sehr ambivalenten Situation: Einerseits ist die Arbeits­marktlage glücklicherweise um einiges besser als noch vor einem Jahr, vor allem aber auch noch vor der Krise – wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit elf Jahren –, gleichzeitig gibt es eine große Unsicherheit, die sich aus dem Ukrainekrieg ergibt, gleichzeitig gibt es die starken Teuerungen, die natürlich vor allem sozial Schwächere, Menschen, die weniger Einkommen haben, besonders stark betreffen, und das macht natürlich auch die Politik nicht einfach.

Ich glaube, dass es deshalb erforderlich ist, auch wenn die Arbeitslosigkeit generell im Niveau gesunken ist, dass jede/jeder Arbeitslose nicht alleingelassen wird und dass deshalb dieser zusätzliche Teuerungsausgleich beschlossen wird. Verantwortlich in meinem Ressort bin ich für die Personen, die Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pen­sionsvorschuss oder Umschulungsgeld bezogen haben, und wer das in den Monaten Jänner und Februar für mindestens 30 Tage getan hat, erhält eine zusätzliche Einmal­zahlung von 150 Euro. Ich denke, das ist eine sehr, sehr sinnvolle und wichtige Maß­nahme.

Natürlich geht es auch um grundsätzliche Reformen. Es wurde eine Enquete erwähnt, die es gab, es wurde darüber gesprochen, dass wir an einer Reform der Arbeitslosenver­sicherung arbeiten. Wir werden – und ich hoffe, dass das klappt, das ist mein Plan –


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möglichst bald einen Reformvorschlag erarbeiten, der Menschen rascher in Beschäfti­gung bringt und das Einkommen dieser Menschen besser absichert. Ich meine das jetzt gar nicht polemisch, aber wenn die Forderung erhoben wird, dass das Arbeitslosengeld 70 Prozent betragen soll, dann muss man auch dazusagen, dass diese Forderung in den letzten 20, 30 Jahren – und in diesen 20, 30 Jahren gab es viele sozialdemokrati­sche Arbeitsminister – zwar auch erhoben wurde, aber klarerweise nie umgesetzt wurde. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Da hatten wir keine Pandemie und kei­nen Ukrainekrieg!) – Aber es gab die Finanzkrise, es gab auch andere Krisen.

Also ich glaube, man muss immer dazusagen, dass es natürlich auch das Anliegen die­ser Regierung ist, dass die soziale Situation von Menschen, die in eine Lage kommen, für die sie nichts können, möglichst gut ist und verbessert wird, aber es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es auch in der Vergangenheit eine große Herausforderung war, diese Absicherung sicherzustellen.

Ich möchte noch auf eine andere Maßnahme eingehen, eine wichtige Maßnahme für die Betroffenen: Es geht um schwangere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – Arbeitneh­merinnen, Entschuldigung (Heiterkeit der Bundesrätin Schartel) –, um schwangere Ar­beitnehmerinnen in körpernahen Berufen. Das kommt vom Gendern, deswegen passiert das manchmal. Es geht um Arbeitnehmerinnen in körpernahen Berufen – ich korrigiere.

Wir haben immer darauf geschaut, dass es für diese Personen, für die Frauen, die na­türlich aufgrund der Pandemie und der Krankheit besonders unsicher sind, einen mög­lichst guten Schutz am Arbeitsplatz gibt, deshalb die Freistellung. Wir verlängern die Freistellung um weitere drei Monate, wir erweitern die Freistellung auch auf Menschen, auf Frauen, die geimpft sind. Warum? – Weil jetzt klar ist, dass die Omikronvariante dazu führt, dass die Impfung zwar in der Regel zu milderen Verläufen führt, dass sie aber eine Ansteckung nicht vollständig verhindert. Deshalb gilt jetzt in der Verlängerung dieser Maßnahme keine Unterscheidung zwischen geimpften und ungeimpften Schwangeren. Ich glaube, das ist sachadäquat.

Man hat in der Vergangenheit auch gesehen – darauf weise ich noch einmal hin –, dass wir die Regelung immer rechtzeitig verlängert haben, und wenn es notwendig ist, werden wir sie weiter verlängern. Niemand kann voraussagen, wie sich die Pandemie entwickeln wird. Wir haben gesehen, dass sich in relativ kurzer Zeit eine Variante ergeben hat, die ganz andere Auswirkungen hat. Bei Delta war die Impfung sehr, sehr wirksam, bei Omi­kron ist sie weniger wirksam, aber immerhin wirksam in Bezug auf die Schwere des Verlaufes.

Ich möchte aber auch noch ergänzen, und es ist ganz wichtig, dass das auch ganz klar gesagt ist: Alle medizinischen Expertinnen und Experten – jetzt passt das Gendern wieder –, alle medizinischen Expertinnen und Experten weisen uns darauf hin, dass eine Impfung für Schwangere empfohlen ist und dass sie auch das Risiko, dass es zu schwe­ren Verläufen kommt und dass das ungeborene Kind möglicherweise geschädigt wird, massiv verringert. Insofern rufe ich unabhängig davon, dass es diese Freistellung für die körpernahen Berufe gibt, alle dazu auf, sich impfen zu lassen. Das, glaube ich, ist ein ganz wichtiger Punkt am Ende. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­tInnen der Grünen.)

22.23


22.23.49

Vizepräsident Günther Novak: Danke für Ihre Ausführungen, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 222

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundes­bahn-Pensionsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesrätin Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „vorgezogene Pensionsanpassung zur Abfederung der Teuerung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Gesetz-Armut geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Maßnahmenpaket gegen die Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

22.27.2827. Punkt

Bericht des Bundesministers für Arbeit betreffend EU-Jahresvorschau 2022 ge­mäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG iVm § 7 EU-Info-G, auf der Grundlage des Ar­beitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmo­natsprogramms des Rates für 2022/2023 (III-774-BR/2022 d.B. sowie 10911/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 223

Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um den Bericht.


22.28.00

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Bericht des Bundesministers für Arbeit be­treffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmo­natsprogramms des Rates für 2022/2023 zur Kenntnis.

Der Bericht liegt vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 7. März 2022 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Arbeit be­treffend EU-Jahresvorschau 2022 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG, auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2022 und des Achtzehnmo­natsprogramms des Rates für 2022/2023 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Ich erteile Ihnen das Wort.


22.29.09

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine werten Kollegen! Zu später Stunde und als vorletzten Tagesord­nungspunkt diskutieren wir die EU-Jahresvorschau 2022 im Bereich Arbeit. Wie gesagt, es ist ein umfassender Bericht, aber – ich würde es kurz sagen – teilweise mit vielen Überschriften, teilweise, no na, Bereiche, die schon sehr, sehr lange sozusagen in den Verhandlungsgremien aufliegen.

Was mich nur sehr verwundert, sind zum Beispiel vor allem diese Richtlinien bezüglich Gewährleistung, dass die Vertretung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten gleich­wertig ist. Ich lese, dass diese Richtlinie 2012 sozusagen zur Bearbeitung in die jewei­ligen Gremien geschickt wurde. Aus irgendeinem Grund hat man sie dann 2017 einfach nicht mehr weiterbehandelt. Ich denke dann, es gibt ja sehr viele Dinge, die halt von der EU oft schnell gesagt werden, aber wenn es dann um die tatsächliche Umsetzung geht, dauert es halt bis zum Nimmerleinstag.

Was für mich aber gerade in der jetzigen Zeit eine wesentliche Geschichte ist – und das finde ich ein sehr wichtiges Vorhaben –, ist, dass man sich vielleicht auf EU-Ebene dazu bereit erklärt, dass man sich gemeinsam über die Arbeitsbedingungen jener Menschen Gedanken macht, die im Pflegebereich tätig sind. Denn die Pandemie hat europaweit gezeigt, dass das in allen Ländern eine der größten Schwachstellen ist. Deswegen finde ich, in Anbetracht der jetzigen Zeit wäre das meiner Meinung eine sehr, sehr wichtige Komponente, die man gerade auf EU-Ebene diskutieren sollte, um gemeinsame gute und gleichwertige Rahmenbedingungen zu erreichen. Sehr, sehr wichtig wäre auch, zu versuchen, hier ein gleichwertiges Ausbildungsniveau zu erreichen.

Das ist wohl auch eines der wesentlichsten Dinge der Regierung: Sie kündigt nur an und produziert nur Überschriften. Ich vermisse inzwischen die Ernsthaftigkeit und denke, wirkliche Verbesserungen diesbezüglich – sei es bei der Entlohnung, sei es bei den Ar­beitsbedingungen, sei es überhaupt, zukunftsweisend in diesem Bereich zu denken – werden nur angekündigt und sicherlich niemals zur Umsetzung gelangen. (Beifall bei der FPÖ.)

22.31


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Se­bastian Kolland. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 224

22.32.24

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst darf ich mich bei Ihnen, Herr Minister, für den ausführlichen Bericht Ihres Ressorts bedanken.

Als mit Abstand größte Herausforderung für Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt wird ja sowohl im Achtzehnmonatsprogramm des Rates als auch im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission verständlicherweise die Coronapandemie definiert. Ja, diese Herausforderung besteht natürlich nach wie vor, und es ist wichtig, auch die Wirtschaft dafür zu wappnen. Fakt ist aber auch, dass sich mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine neue Herausforderung für Wirtschaft und Arbeitsmarkt ergeben hat, wobei wir die Auswirkungen nach wie vor noch nicht ermessen können.

Aber die großen Leitlinien, die in diesem Programm gezeichnet sind, haben weiterhin Gültigkeit, sie haben teilweise wahrscheinlich sogar an Priorität gewonnen, wie eben der Fokus auf grünes Wachstum, auf grünen Wandel oder das Dossier zur Entwicklung einer umfassenden und koordinierten Industriepolitik mit Blick auf faire und angemessene Löhne.

Ich möchte aus den insgesamt 14 Initiativen eine herausgreifen, die ich für sehr inter­essant und auch zukunftsweisend halte, und zwar den Vorschlag zur Einführung eines individuellen Lernkontos für alle Bürgerinnen und Bürger. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Europa den Wettbewerb der Hände auf Dauer nur sehr schwer gewinnen kann. Sehr wohl muss es aber unser Ziel sein, den Wettbewerb der Köpfe zu gewinnen. Gelingen kann das, wenn Fort- und Weiterbildungen ganz normaler Bestandteil eines jeden Arbeitslebens werden.

Genau hier setzt eben dieses individuelle Lernkonto an. Der Vorschlag sieht vor, dass die nationalen Behörden jeder Person im erwerbsfähigen Alter ein Konto mit einem an­gemessenen jährlichen Weiterbildungsanspruch zuweisen. Ziel ist, bis 2030 die Weiter­bildungsquote von derzeit rund 40 Prozent auf 60 Prozent zu erhöhen. Ich finde den Ansatz wichtig und gut. Entscheidend, damit das Ganze aber auch einen wirklichen Mehrwert bringt, ist, dass bestehende Angebote dann in dieses Konto integriert werden und dass sichergestellt ist, dass das Ganze nicht zu einem Bürokratiemonster verkommt.

Abschließend sei mir noch ein ganz grundlegender Befund erlaubt, der sich aus der Lektüre vieler dieser Berichte ergibt: Wir müssen in der EU schneller bei der politischen Entscheidungsfindung werden. Auch in diesem Bericht sind wieder Materien enthalten, die teils seit über zehn Jahren verhandelt werden. Teilweise ist in diesen zehn Jahren und darüber hinaus auch in einem längeren Zeitraum fast kein Fortschritt erzielt worden.

Mir ist schon bewusst, dass es ein mühsamer und sehr bürokratischer Prozess ist, 27 EU-Nationalstaaten zusammenzuführen, die verschiedenen Interessen zu bündeln und Kompromisse zu finden, aber wenn es uns in der EU nicht gelingt, die Geschwin­digkeit von politischen Entscheidungsprozessen zumindest einigermaßen an die immer schneller werdenden Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft anzuglei­chen, dann werden wir ein riesiges Problem im internationalen Wettbewerb kriegen. Da bin ich mir sicher.

Und eines ist auch klar: Auch Österreich ist massiv gefordert, beizutragen, damit diese Dinge an Tempo gewinnen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 225

22.36


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sa­scha Obrecht. – Bitte sehr.


22.36.11

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister! Ich muss gestehen, ich bin ein sehr begeisterter und auf­merksamer Leser Ihrer Berichte, einerseits beruflich, andererseits weil ich oft auch den Eindruck habe, dass Minister und Ministerinnen sich nicht ganz beobachtet fühlen, wenn sie nach Brüssel fahren. So kommt es mir auch bei diesem Bericht vor.

Aber warum? Das möchte ich elaborieren. Sie haben im Jahresbericht jetzt die Richtlinie über angemessene europäische Mindestlöhne drinnen. Es ist eine Maßnahme, die von der Europäischen Kommission vorangetrieben wird, bei der die Europäische Kommis­sion ja davon ausgeht, dass sie zehn bis 20 Millionen Arbeitnehmern unmittelbar zu Vorteilen gereichen wird. Zehn bis 20 Millionen Arbeitnehmer würden von dieser Richt­linie profitieren.

Sie haben im Jahresbericht des Vorjahres geschrieben, dass Sie dieser Maßnahme sehr kritisch gegenüberstehen würden. Dabei haben Sie sich auf EU-Primärrecht rausgere­det, auf potenzielle Widersprüchlichkeiten zum Verfassungsrecht in der Europäischen Union. Diese Widersprüche wurden von fachlicher Seite nicht aufgegriffen. Alle Ex­pertInnen und alle Arbeitsrechtlerinnen und -rechtler, die ich gelesen haben, können diese Widersprüchlichkeiten nicht feststellen.

Auch die anderen Mitgliedstaaten konnten sie nicht feststellen. Das Europäische Parla­ment hat daran auch nichts auszusetzen gehabt. Und dennoch, am 6. Dezember letzten Jahres fand der Rat der Europäischen Union statt, das ist das Gremium, in dem die Fachminister der einzelnen Mitgliedstaaten tagen; und auch der österreichische Arbeits­minister war dabei. Sie sind dort gewesen und haben sich als einer der wenigen Minister dort vor Ort bei der Einführung der Richtlinie über angemessene Mindestlöhne Ihrer Stimme enthalten.

Das ist nicht nur insofern bemerkenswert, als es eine Maßnahme ist, die zehn bis 20 Mil­lionen Arbeitnehmern unmittelbar zugutekommen würde, es ist auch deswegen bemer­kenswert, als Sie jetzt im Jahresbericht 2022 schreiben, dass Sie diese Maßnahme be­grüßen. Deswegen verstehe ich nicht ganz genau, was für ein Spiel da gespielt wird. 2021 schreiben Sie, Sie sind dagegen, dann fahren Sie dorthin und enthalten sich und im Bericht 2022 sagen Sie, Sie sind dafür. Also schlüssig ist das für mich nicht. (Hei­terkeit des Bundesministers Kocher.)

Es gibt noch einen zweiten Punkt aus dem Bericht, den ich aufgreifen will, dabei geht es um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitenden. Das klingt ex­trem technisch, aber machen wir es vielleicht sehr praktisch: Wenn Sie früher Hunger gehabt haben und Sie wollten eine Pizza essen, haben Sie bei der Pizzeria angerufen, und ein Mitarbeiter der Pizzeria hat Ihnen die Pizza gebracht. Heute macht man das anders: Da geht man auf eine Website, Mjam, Lieferando, sucht sich etwas aus, das wird an das Restaurant weitergeleitet, und dann schicken Mjam oder Lieferando Fahr­radboten zu Ihnen. Das Prinzip ist relativ ähnlich.

Jetzt wird jeder davon ausgehen, dieser Bote wird doch ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin sein. Nein, es gibt zwei Studien, die die Europäische Kommission in diesem Zusammenhang in die Wege geleitet hat. Ich hoffe, Sie haben sie gelesen, denn bei den Erläuterungen zu dem Vorschlag der Kommission werden sie nämlich erwähnt, eine von Hiesel und eine von De Groen und weiteren WissenschaftlerInnen. Da wird ausgeführt, dass über 90 Prozent aller Plattformen behaupten, die Mitarbeiter ihrer Platt­form seien Selbstständige. Auf der anderen Seite sind die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer gefragt worden. Mehr als die Hälfte der Leute, die dort beschäftigt sind, gehen davon aus, dass sie selbst ArbeitnehmerInnen sind. Das legt einen Schluss nahe: Da ist sehr viel Scheinselbstständigkeit dabei. Da wird sehr vielen Menschen der Schutz des Arbeitsrechts entzogen.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 226

Deswegen hat die Europäische Kommission eben einen langen Prozess aufgesetzt. Zwei Konsultationsschritte gab es dafür, europäische Sozialpartner wurden eingebun­den, Expertinnen und Experten. Am Schluss ist herausgekommen, das ist der Richtli­nienvorschlag, den wollen wir jetzt in der gesamten Europäischen Union haben.

Wenn man das prüfen will, liegen zwei wichtige Fragen auf der Hand. Die eine Frage ist: Will man Scheinselbstständigen den Schutz des Arbeitsrechts gewähren, weil sie eigent­lich Arbeitnehmer sind? Wenn man das mit Ja beantworten will, findet man diesen Richtlinienvorschlag gut.

Zweiter Punkt: Im Einsatz mit Plattformen werden Algorithmen angewendet. Diese sind für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer undurchschaubar; da geht es um Trans­parenz beim Einsatz dieser Algorithmen, weil sie sie betreffen. Der Arbeitnehmer trifft nur oftmals nicht mehr die Entscheidung, sondern eine Rechenmaschine, und da sollen Arbeitnehmer Transparenz bekommen. Wenn man das will: wieder ein Ja zur Richtlinie. Viel mehr steht da nicht drinnen. Es sind 24 Artikel.

Dieser Vorschlag ist vom 9. Dezember letzten Jahres; wir haben jetzt den 9. März dieses Jahres. Das waren drei Monate. Die Stellungnahme des Arbeitsministeriums ist, man müsse diesen Richtlinienvorschlag nach wie vor prüfen. (Bundesminister Kocher: Vom Jänner! Vom Jänner!) Ich will Ihnen eines dazu sagen, wenn Sie diesen Vorschlag prü­fen: Ich glaube, langsam wird es Zeit, sich festzulegen. Ich will nämlich wirklich nicht, dass Sie wieder zum Rat der Europäischen Union fahren und dort wieder sagen, Sie müssen sich enthalten, weil irgendwelche rechtlichen Schwierigkeiten auftreten, die es in Wahrheit nicht gibt, und Österreich wieder falsch positionieren. (Bundesminister Ko­cher schüttelt den Kopf.)

Herr Minister, Sie sind aufgefordert – Sie haben eine ausgezeichnete Sektion für Arbeits­recht und ArbeitnehmerInnenschutz –: Lassen Sie die Leute dort ordentlich arbeiten, dann kommen Sie auch zu dem Schluss, dass diese Richtlinie absolut unterstützenswert ist und dass das die Position Österreichs sein muss. (Beifall bei der SPÖ.)

22.41


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


22.41.48

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ja, die Grünen unterstützen die Mindestlohnrichtlinie voll und ganz, zumal sie auf Österreich mehr oder weniger auch gar nicht anwendbar ist. Österreich hat nämlich ein sehr starkes Kollektivvertragssystem und eine sehr hohe Dichte an Kollektivvertrags­abdeckung. Österreich wäre einzig und allein von Berichtspflichten oder der Bereitstel­lung zusätzlicher Daten betroffen.

Es ist mir daher auch unverständlich, warum Österreich sich bisher im gegenständlichen Prozess eher destruktiv verhalten hat, weil alle Forderungen, die seitens der EU kom­men, ja eigentlich bereits erfüllt sind. Wir sehen auch nicht die Gefahr einer Aushöhlung des starken österreichischen Kollektivvertragssystems oder einer Schwächung der So­zialpartner.

Wir sehen vor allem Vorteile – vor allem einen Vorteil für Österreich als Wirtschafts­standort, denn natürlich profitieren die österreichischen Betriebe von einer EU-Mindest­lohnrichtlinie, weil österreichische Unternehmen davon profitieren, wenn das Lohngefälle zwischen Österreich und seinen Nachbarländern sinken würde, was dann zwangsläufig der Fall wäre. Letztlich werden damit auch Arbeitsplätze in Österreich gehalten oder so­gar geschaffen.

Die Grünen unterstützen die Ausrichtung der Richtlinie für die Plattformbeschäftigten. Kollege Obrecht hat das sehr gut erklärt. Es geht eben darum, Sozialdumping und das


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 227

Phänomen der Working Poor zu beenden, eine klare Trennung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit herzustellen und die Unterminierung des Sozialstaates zu verhindern. Wir unterstützen das ausdrücklich.

Ebenso begrüßen wir natürlich die Bemühungen für Gleichstellung und gegen die Dis­kriminierung, die als Ziel in mehreren EU-Vorhaben in diesem Bericht angeführt wer­den. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

22.43


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desminister Mag. Dr. Martin Kocher. Ich erteile ihm das Wort.


22.43.54

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Werte Bundesräte! Der Vorhabensbericht, das Arbeitspro­gramm ist natürlich immer noch stark durch die Covid-Pandemie und durch Herausforde­rungen, die die grüne und digitale Transformation betreffen, gekennzeichnet. Damals, als es geschrieben wurde, war die Ukrainekrise, der Krieg in der Ukraine noch kein Thema. Das hat sich rasch geändert, die EU ist natürlich jetzt in einer ganz anderen Art und Weise gefordert.

Wir sind insgesamt geopolitisch in einer Lage – und ich glaube, das haben wir alle noch nicht realisiert –, die die gefährlichste seit dem Zweiten Weltkrieg ist. Das wird natürlich auch den Fokus der EU ändern, das wird den Fokus auch in der Arbeitsmarktpolitik än­dern, weil es potenziell viele Vertriebene gibt, die auch – so soll es nach dem Ver­triebenenstatus, den die EU in der Richtlinie letzte Woche beschlossen hat, sein – Zu­gang zum Arbeitsmarkt haben werden.

Wie groß die Gruppe sein wird, wird sich erst zeigen, aber es wird natürlich potenziell eine große Herausforderung für den österreichischen Arbeitsmarkt, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir gut vorbereitet in diese Herausforderung gehen. Und das sind wir, zumindest am Arbeitsmarkt. Was uns aber wirklich erwartet, kann, glaube ich, seriöser­weise niemand vorhersagen.

Es wurden einige aktuelle Themen angesprochen, die sich auf Richtlinien beziehen, die jetzt gerade im Trilog oder in der Vorbereitung als Vorlage der Europäischen Kommis­sion sind.

Ich sage vielleicht noch einige Worte zum Mindestlohn: Es lässt sich leicht erklären, dass wir beim Mindestlohn jetzt auch eine etwas andere Einschätzung vornehmen. Letztes Jahr war die Richtlinie noch eine ganz andere als dieses Jahr. Es wurde sehr viel an dieser Richtlinie geändert. Glücklicherweise hat sich alles in die richtige Richtung ent­wickelt.

Es gibt einige Punkte, ganz prinzipielle Punkte – und es stimmt natürlich nicht, dass alle Rechtsexperten einer Meinung sind –, die man auch kritisieren kann. Es ist jetzt die Frage, wie es im Trilog mit dem Parlament weitergeht, aber der entscheidende Punkt, dass Österreich nicht verpflichtet wird, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen und dass die österreichische Sozialpartnerschaft und die Kollektivvertragsautonomie durch die Richtlinie nicht unterhöhlt werden kann, ist weitgehend gesichert. Das war auch das Ziel. (Bundesrat Obrecht: Das stand auch nie zur Debatte! – Bundesrätin Schumann: Das stand nie zur Debatte! Nie zur Debatte! Nie! Nie!) Ich weiß schon, dass das immer so gesagt wird. Ich darf Sie gerne an Ihre schwedischen und dänischen Kollegen ver­weisen, die waren auch sehr skeptisch. (Bundesrätin Grimling: Wir sitzen da in Öster­reich! – Bundesrätin Schumann: Ich darf Sie an den ÖGB-Präsidenten verweisen!) Wir haben mit denen einen sehr intensiven Austausch geführt, und es war klar, dass es eine Präzisierung der Richtlinie braucht. Die ist passiert, ich bin glücklich darüber und hoffe, dass im Trilog diese Balance, die jetzt gefunden wurde, auch aufrechterhalten wird.


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 228

Was die Plattformrichtlinie betrifft, so begrüße ich natürlich, dass es Klarstellungen gibt. Ich bitte aber auch um Verständnis: Es gibt viele hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei mir im Ministerium, allerdings arbeiten diese auch nicht rund um die Uhr und über Weihnachten. Der Bericht wurde im Jänner erstellt, die Richtlinie kam kurz vor Weihnachten. Ich glaube, man kann nachvollziehen, dass wir da noch keine fertige Einschätzung haben und dass es sich um eine recht komplexe Materie handelt. Es geht um Regeln, was als Plattformarbeit gesehen wird und was nicht. (Bundesrat Obrecht: Aber jetzt ist März! Jetzt ist März!) Ich glaube, es ist auch wichtig, dass die Reaktion, die es in Österreich zu solchen Richtlinien gibt, auf einer fundierten rechtlichen Basis und nicht ad hoc passiert. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.47


22.47.34

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zum 28. Punkt der Tagesordnung. (Rufe: Abstimmen! Abstimmen!) – Sorry, ich habe es überblättert. (Bundesrat Steiner: Ist auch wurscht, wenn wir nicht abstimmen! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

22.48.4928. Punkt

Wahl eines Mitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des National­rates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgeset­zes 1948


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Für die Wahl eines Mitgliedes liegt mir folgende Nominierung vor:

Von der SPÖ vorgeschlagen wurde Bundesrat Mag. Sascha Obrecht aus Wien.

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diesen Wahlvor­schlag durch Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht ist somit mit Stimmeneinhelligkeit zum Mitglied gewählt worden. – Ich gratuliere.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.49.54Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Günther Novak: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen, 3986/J-BR bis 3991/J-BR, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 322/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Maßnahmen gegen den Vormarsch der ‚Zwei-Klassen-Medizin‘ insbesondere durch den Kinderärzt*innenmangel“, der dem Ge­sundheitsausschuss zugewiesen wird, der


BundesratStenographisches Protokoll938. Sitzung, 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 / Seite 229

Entschließungsantrag 323/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Korinna Schumann, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Väterbeteiligung“, der dem Ausschuss für Familie und Jugend zugewiesen wird, der

Entschließungsantrag 324/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzliches Verbot von Konversionstherapien endlich umsetzen“, der dem Gleichbehandlungsausschuss zugewiesen wird, der

Entschließungsantrag 325/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „diskriminierungsfreie Blutspende endlich umset­zen“, der dem Gleichbehandlungsausschuss zugewiesen wird, sowie der

Entschließungsantrag 326/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bericht an den Bundesrat über die Anzahl der Österreicher, die durch die COVID-19 Maßnahmenregelungen und ihren gesetzwidrigen Verordnungen und verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finan­ziell Schaden genommen haben“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg er­folgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 7. April 2022, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 5. April 2022, 14 Uhr, vorgesehen.

Kommen Sie gut nach Hause und bleiben Sie gesund!

Die Sitzung ist geschlossen.

22.52.35Schluss der Sitzung: 22.52 Uhr

Impressum:

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