Titel: Logo des Parlaments der Republik Österreich

Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

942. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 29. Juni 2022

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

942. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 29. Juni 2022

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 29. Juni 2022: 9.00 – 20.55 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlas­tenausgleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozial­versicherungsgesetz, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Ar­beitslosenversicherungsgesetz 1977, das COVID-19-Gesetz-Armut, das Pensions­ge­setz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden sowie das Bundes­gesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G) und das Bundes­ge­setz über den Teuerungsausgleich für Bezieherinnen und Bezieher von Förderungen nach dem Studienförderungsgesetz erlassen werden (Teuerungs-Entlastungspaket)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus geändert wird (Klimabonusgesetz – KliBG)

4. Punkt: Vorhaben der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 388/22 Konferenz zur Zukunft Europas – Bericht über das endgültige Ergebnis

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das KommAustria-Gesetz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungs­rechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarkt­po­litik-Finanzierungsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 2

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maß­nahmengesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialver­siche­rungsgesetz geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammer­gesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungs­lehrgänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geän­dert wird

17. Punkt: Bundesgesetz über die Förderung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizierung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen (Gasdiversifizie­rungs­ge­setz 2022, GDG 2022)

18. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 2. Halbjahr 2022

*****

Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache der Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs .................      12

Verlangen auf Durchführung einer Besprechung der schriftlichen Anfragebeant­wortung 3715/AB-BR/2022 gemäß § 60 Abs. 2 GO-BR ..........................................      18

Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 3715/AB-BR/2022 gemäß § 60 Abs. 5 GO-BR ...................................................................................................    122

RednerInnen:

Korinna Schumann .................................................................................................    123

Staatssekretärin Claudia Plakolm .........................................................................    125

Stefan Schennach ...................................................................................................    127

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................    128

Christoph Steiner ....................................................................................  131, 141

Karl Bader (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................    135

Marco Schreuder ....................................................................................................    136

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    137

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................    139

Karl Bader ................................................................................................................    142

Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 3715/AB-BR/2022 – Ablehnung ..  141, 143


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 3

Ersuchen des Bundesrates Marco Schreuder um Abhaltung einer Stehprä­si­diale ..........................................................................................................................    110

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................    111

18. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2022 .....................................................................    194

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs ......................    196

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    198

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      12

Ordnungsruf ..............................................................................................................      20

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...........      17

Vertretungsschreiben ................................................................................................      18

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      18

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  15, 199

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (2484/A und 1520 d.B. sowie 10991/BR d.B.) .............................      19

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ...........................................................      19

RednerInnen:

Markus Leinfellner ..................................................................................................      19

Silvester Gfrerer ......................................................................................................      21

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................      22

Marco Schreuder ....................................................................................................      24

Christoph Steiner ....................................................................................................      26

Günter Kovacs ........................................................................................................      27

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................      27

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      28

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Juni 2022 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenaus-


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 4

gleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das COVID-19-Gesetz-Armut, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden so­wie das Bundesgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshal­tungs- und Wohnkosten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G) und das Bundesgesetz über den Teuerungsausgleich für Bezieherinnen und Bezieher von Förderungen nach dem Studienförderungsgesetz erlassen wer­den (Teuerungs-Entlastungspaket) (2662/A und 1563 d.B. sowie 10982/BR d.B. und 10999/BR d.B.) ..................................................................................................      28

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      28

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Juni 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus geändert wird (Klimabonusgesetz – KliBG) (2663/A und 1573 d.B. sowie 10983/BR d.B. und 10998/BR d.B.) .........................................................................................................      28

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................      28

RednerInnen:

Korinna Schumann .................................................................................................      29

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................      32

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      34

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      37

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      40

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. .......................................................      42

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................      46

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................      47

Andreas Lackner .....................................................................................................      49

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................      51

Michael Bernard ......................................................................................................      52

David Egger .............................................................................................................      56

Andrea Kahofer .......................................................................................................      57

Günter Kovacs ........................................................................................................      59

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      61

Marco Schreuder ....................................................................................................      63

Karl Bader ................................................................................................................      64

Stefan Schennach ...................................................................................................      66

Josef Ofner ..............................................................................................................      67

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich braucht ein echtes Preissenkungspaket statt Einmalzahlungen, die verpuffen bevor sie bei den Menschen ankommen“ – Ablehnung .....................................................................................................  31, 72

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anhebung des amtlichen km-Geldes als Maßnahme gegen die Teuerungen“ – Ablehnung .......................................................................  55, 72

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücknahme der Nova-Erhöhung, um die Teuerungsspirale zu durchbrechen“ – Ablehnung ..........................................................................  55, 72

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nur Mut zur Umsetzung der Idee des Bundeskanzlers –


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 5

setzten wir die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel für die Zeit der Krise aus“ – Ablehnung .....................................................................................................  59, 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      72

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      72

4. Punkt: Vorhaben der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 388/22 Konferenz zur Zukunft Europas – Bericht über das endgültige Ergeb­nis (101710/EU XXVII. GP sowie 10978/BR d.B.) ...................................................      72

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................      73

RednerInnen:

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ............................................  73, 91

Markus Leinfellner ..................................................................................................      77

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................      80

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      83

Stefan Schennach .......................................................................................  87, 92

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      89

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      92

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“ – Ablehnung .......  79, 97

Annahme der Empfehlung der Berichterstatterin, die dem schriftlichen Ausschuss­bericht angeschlossene Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG abzugeben – Annahme ...................................................................................................................      97

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022) (2597/A und 1489 d.B. sowie 10985/BR d.B.) ...............................................................................................      97

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .........................................................................      97

RednerInnen:

Elisabeth Grimling ..................................................................................................      98

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................      99

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    101

Marco Schreuder ....................................................................................................    102

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    103

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministe­rien­gesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministerien­gesetz-Novelle 2022), Einspruch zu erheben – Annahme .......................  100, 104

Antrag des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ...............  97, 104

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 6

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das KommAustria-Gesetz, das Presse­förderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden (2499/A und 1490 d.B. sowie 10986/BR d.B.) ................    104

Berichterstatter: Mag. Christian Buchmann ..........................................................    104

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (2500/A und 1491 d.B. sowie 10987/BR d.B.) .........................................................    104

Berichterstatter: Mag. Christian Buchmann ..........................................................    104

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    105

Florian Krumböck, BA ............................................................................................    105

Stefan Schennach ...................................................................................................    106

Marco Schreuder ....................................................................................................    107

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................    108

Christoph Steiner ....................................................................................  109, 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    111

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen .....................................................................    112

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden (2592/A und 1506 d.B. sowie 10992/BR d.B.) ..............................................................................    112

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    112

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (2593/A und 1507 d.B. sowie 10993/BR d.B.) ...............................................................................................    112

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    112

RednerInnen:

Mag. Sandra Gerdenitsch ......................................................................................    112

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................    113

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    114

Andreas Lackner .....................................................................................................    115

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................    116

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    117

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    117


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 7

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert wird (2571/A und 1522 d.B. sowie 10988/BR d.B.) .......................................................................    117

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ..........................................................    117

RednerInnen:

Eva Prischl ...............................................................................................................    118

Sebastian Kolland ...................................................................................................    119

Markus Steinmaurer ...............................................................................................    121

Marco Schreuder ....................................................................................................    143

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................    145

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    146

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnah­men­gesetz geändert werden (2591/A und 1503 d.B. sowie 10980/BR d.B. und 10994/BR d.B.) .........................................................................................................    146

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    147

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (2589/A und 1504 d.B. sowie 10995/BR d.B.) ...............................................................................................    146

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    147

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialversiche­rungsgesetz geändert werden (2493/A und 1505 d.B. sowie 10981/BR d.B. und 10996/BR d.B.) .........................................................................................................    146

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    147

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................    147

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    149

Markus Leinfellner ..................................................................................................    151

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    152

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    154

Günter Pröller ..........................................................................................................    155

Christoph Steiner ....................................................................................................    156

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    161

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Außerkrafttreten des COVID-19-Maßnahmengesetzes“ – Ablehnung .................................................................................................  160, 164

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    163

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    164


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 8

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    164

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G) (1435 d.B. und 1509 d.B. sowie 10997/BR d.B.) ..............................................................................    164

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    164

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    165

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden (1487 d.B. und 1495 d.B. sowie 10984/BR d.B.) .......................................................................    165

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ...........................................................    165

RednerInnen:

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................    165

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................    169

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    170

Andreas Lackner .....................................................................................................    172

Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................    173

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................    174

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    177

Korinna Schumann .................................................................................................    178

Günther Novak ........................................................................................................    178

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufforderung an den Bundesminister für Bildung, Wis­sen­schaft und Forschung sich für Aufrechterhaltung der Schulbushaltestelle Bachbauer bei der Gaismaier-Siedlung an der B159 einzusetzen“ – Ablehnung ..  171, 179

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Dringend notwendige Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst 2022“ – Ablehnung ..................................................  176, 180

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    179

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (2600/A und 1501 d.B. sowie 10979/BR d.B. und 10989/BR d.B.) .......................................    180

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................    180

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundes­gesetz über die Förderung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diver­si­fizierung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen (Gasdiversifizierungs­gesetz 2022, GDG 2022) (1502 d.B. sowie 10990/BR d.B.) .........................................................    180

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................    180


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 9

RednerInnen:

Günther Novak ........................................................................................................    180

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................    183

Michael Bernard ......................................................................................................    185

Günther Novak (tatsächliche Berichtigung) ............................................................    186

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    187

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    191

Christoph Steiner ....................................................................................................    193

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“ – Ablehnung  183, 194

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................................    193

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .......................    194

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend arbeits- und sozialversiche­rungsrechtliche Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen (344/A(E)-BR/2022)

Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ÖBB-Sommerticket für alle Menschen unter 26 kostenlos zur Verfügung stellen“ (345/A(E)-BR/2022)

David Egger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Immerwährende Neutralität für Österreich (346/A(E)-BR/2022)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schülergelegen­heits­ver­kehr Kuchl (347/A(E)-BR/2022)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt des Einstim­mig­keitsprinzips (348/A(E)-BR/2022)

Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenlawine stop­pen – Entlastung für Österreich (349/A(E)-BR/2022)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich (350/A(E)-BR/2022)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Schließung von Bezirks­gerich­ten (351/A(E)-BR/2022)

Anfragen der BundesrätInnen

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bil­dung, Wissenschaft und Forschung betreffend SPÖ Parteiveranstaltung an BG Neun­kirchen (4014/J-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Sanierung der


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 10

Verbindungsbrücke der L334 zwischen Deutschfeistritz und Kleinstübing (4015/J-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Absage der A2-Anschlussstelle für die Gemeinde Hart bei Graz (4016/J-BR/2022)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend COVID-19-Zahlungen an Salzburger Vorfeldorganisationen (4017/J-BR/2022)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Rückerstattung pandemie­be­dingter Mehrkosten für steirische Pflegeheime (4018/J-BR/2022)

Ferdinand Tiefnig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Folgen von Umwelt­verschmutzung (4019/J-BR/2022)

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Über­füllte ÖBB-Züge und Reservierungspflicht (4020/J-BR/2022)

Bernhard Hirczy, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Bahnstrecke „Jennersdorf – Graz“ (4021/J-BR/2022)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geplante Ein­stellung der Wiener Zeitung (3. Folgeanfrage) (3706/AB-BR/2022 zu 3998/J-BR/2022)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwen­dung Bundeszuschussmittel Ausbau Kinderbetreuung 2022, 2023, 2024, 2025, 2026 (3707/AB-BR/2022 zu 3999/J-BR/2022)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesmittelzuschuss Ausbau Kin­der­betreuung 2022, 2023, 2024, 2025, 2026 (3708/AB-BR/2022 zu 4001/J-BR/2022)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwendung Bundeszuschussmittel Ausbau Kinderbetreuung 2022, 2023, 2024, 2025, 2026 (3709/AB-BR/2022 zu 4000/J-BR/2022)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Ingo Appé, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Schließung der zweisprachigen Bezirksgerichte in Kärnten/Koroška (3710/AB-BR/2022 zu 3997/J-BR/2022)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend geplante E-Ladestellen auf Stellplätzen und Mautabrechnung (3711/AB-BR/2022 zu 4003/J-BR/2022)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 11

des Bundesministers für Arbeit auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend Whistleblower-Richtlinie nicht rechtzeitig umge­setzt, Österreich ist säumig – Kocher gegen Schutz für Whistleblower*innen (3712/AB-BR/2022 zu 4002/J-BR/2022)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Egger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkauf von Teilen der Schwarzen­berg­kaserne (3713/AB-BR/2022 zu 4007/J-BR/2022)

der Bundesministerin für EU und Verfassung auf die Anfrage der BundesrätInnen Korin­na Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Democracy Report 2022 – Abstieg Öster­reichs von der liberalen zur Wahldemokratie (3714/AB-BR/2022 zu 4005/J-BR/2022)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der libe­ralen zur Wahldemokratie (3715/AB-BR/2022 zu 4006/J-BR/2022)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie (3716/AB-BR/2022 zu 4004/J-BR/2022)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Egger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienstwohnungen für Angehörige des Österreichischen Bundesheeres (3717/AB-BR/2022 zu 4008/J-BR/2022)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 12

09.00.38Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Vizepräsident Günther Novak, Vizepräsidentin Sonja Zwazl.

09.00.40*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich eröffne die 942. Sitzung des Bundes­rates.

Das Amtliche Protokoll der 941. Sitzung des Bundesrates vom 2. Juni 2022 ist aufgele­gen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Bundesräte Horst Schachner und Dominik Reisinger.

09.01.35Schlussansprache der Präsidentin


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen zu Hause! Verehrte Gäste auf der Galerie! Ich begrüße heute vor allem auch die Schülerinnen und Schüler aus Vor­arlberg vom Borg Götzis und deren Lehrkräfte, die heute bei uns auf der Galerie sitzen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße weiters die Fraktionsvorsitzende außer Dienst Monika Mühlwerth, die auch auf der Galerie ist. (Allgemeiner Beifall.)

Morgen wird Vorarlberg den Vorsitz in der Länderkammer und in der Landes­haupt­leutekonferenz an Wien übergeben, die Präsidentschaft im Bundesrat geht für mich damit zu Ende. Mit der Präsidentschaft Vorarlbergs wurde fortgesetzt, was 2019 mit dem Masterplan für den ländlichen Raum begonnen wurde. Der Schwerpunkt dieses Halb­jahres lag in der Zukunft dezentraler Lebensräume. In einer Enquete unter diesem Titel haben wir die Stärken und Schwächen unserer Regionen evaluiert und eruiert, wie wir unsere ländlichen Regionen fit für die Zukunft machen können.

Wir haben uns darüber hinaus aber auch mit aktuellen Herausforderungen an den Arbeitsmarkt und an die Wirtschaft beschäftigt, etwa mit dem Fachkräftemangel, der eine der ganz großen Herausforderungen für unsere Zukunft ist. Wir sehen aktuell, dass viele Arbeitnehmer nach dem Abklingen der Coronapandemie nicht mehr an ihre Arbeits­plätze zurückgekehrt sind, was die Situation auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft weiter verschärft hat. Restaurants, Hotels und Gasthäuser können teils nicht mehr betrieben werden, weil ihnen die Mitarbeiter fehlen. In einem Fachgespräch unter dem Titel „Die Zukunft von Wirtschaft und Arbeit“ haben wir uns deshalb mit Experten unter anderem über verstärkte Aus- und Weiterbildung insbesondere im Bereich der Lehrlinge ausgetauscht.

Eine wesentliche Ursache für Abwanderung und Fachkräftemangel ist das unzureichen­de Angebot an Kinderbetreuung – ein Thema, dessen Lösung mir besonders am Herzen liegt. Das unzureichende Angebot an Kinderbetreuung zwingt viele junge Menschen, junge Familien dazu, aus den ländlichen in die städtischen Gebiete abzuwandern, und steht offenbar dem Wunsch vor allem vieler junger Frauen, Familie und Beruf zu ver­einbaren, im Wege.

Mit dem Phänomen der Abwanderung aus ländlichen Regionen stehen wir in Österreich aber nicht allein da. Nicht nur in Europa, auch in den USA gilt es den Trend der Abwan­derung in die städtischen Gebiete zu stoppen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 13

Die Präsidiale des Bundesrates hat sich deshalb in Washington bei Vertretern des Exekutivbüros des Weißen Hauses über deren Hilfsprogramm für ländliche Entwicklung erkundigt. Wir haben mit Senatoren und Kongressabgeordneten über neue Ansätze für den Arbeitsmarkt und die duale Ausbildung sowie über das Potenzial und die Risiken der Digitalisierung gesprochen. Vertreterinnen und Vertreter des National Institutes of Health informierten uns über das US-Gesundheitssystem, insbesondere über das The­ma der Altenpflege. In New York standen in Gesprächen mit der Stellvertretenden Gene­ralsekretärin der Vereinten Nationen, der Direktorin von UN Women und der stellver­tretenden Programmdirektorin von Unicef neben der aktuellen humanitären Situation in der Ukraine vor allem auch Frauenarmut, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch der weltweite Zugang zu Bildung im Zentrum.

Damit die aus der Enquete, dem Fachgespräch und der USA-Reise gewonnenen Er­kenntnisse auch auf fruchtbaren Boden fallen und konkrete Schritte nach sich ziehen, habe ich in den letzten sechs Monaten mit 16 unserer Minister, Ministerinnen und Staatssekretärinnen und Staatssekretären (Bundesrat Steiner: ... haben wir genug!) darüber gesprochen. Ich halte es nämlich für wesentlich, dass man als Vorsitzende der Zukunftskammer Bundesrat nicht nur neue Perspektiven entwickelt, sondern die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch hinausträgt und entsprechendes Handeln einfordert, schließlich wollen wir auch konkrete Ergebnisse erzielen. Diese Ergebnisse, diese kon­kreten Verbesserungen in den Lebensumständen unserer Bürgerinnen und Bürger sind wichtig für unser Land, wir wollen prosperierende Regionen in Österreich.

Wegen des akuten Arbeitskräftemangels benötigen wir dringend gut ausgebildete Frau­en am Arbeitsmarkt, wir müssen deshalb der Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen noch höheren Stellenwert geben. Homeoffice und Telearbeit sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung, dazu bedarf es aber des weiteren Ausbaus von Breitband­internet bis in das kleinste Dorf hinaus.

Auch der Ausbau der Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen muss vorangetrie­ben werden. Mit der kürzlich getroffenen 15a-Vereinbarung über die Elementarpäda­gogik wurde ein weiterer Meilenstein dafür gelegt. Ich werde jedenfalls weiter daran arbeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, denn dies ist ein sehr wichtiges Zukunftsthema für Österreich.

Vier meiner Vorgänger waren in ihrer Präsidentschaft schon massiv von den Auswir­kungen der Coronapandemie betroffen. Im Februar dieses Jahres ist mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine noch ein weiteres geopolitisches Problem hinzugekommen, das auf uns alle massive Auswirkungen hat. Dieser Krieg hat unermessliches Leid für die ukrainische Bevölkerung gebracht und Teile des Landes in Schutt und Asche gelegt. Ich habe mich mit neun europäischen Parlamentspräsidentinnen in den Flüchtlings­aufnahmezentren in Polen und an der ukrainischen Grenze selbst davon überzeugt, welches Ausmaß an Verzweiflung Russland damit verursacht hat.

Der Krieg in der Ukraine hat Österreich neben der Organisation der Aufnahme von Ukrainevertriebenen noch vor weitere Herausforderungen gestellt, wie etwa die aus­reichende Versorgung mit Gas für Privathaushalte und die Industrie sowie der Umgang mit unterbrochenen Lieferketten, die die Wirtschaft und unser aller Leben beein­träch­tigen.

Ich habe in den letzten Monaten mit zahlreichen Parlamentspräsidentinnen und –prä­sidenten als auch Botschaftern über den Krieg in der Ukraine gesprochen und mich darum bemüht, den Flüchtlingen in Österreich zu helfen und der Ukraine unsere Hilfe beim Wiederaufbau anzubieten.

Als Präsidentin des Bundesrates habe ich unsere Länderkammer auch nach außen vertreten, nicht nur gegenüber internationalen Vertretern im Inland, sondern auch im Ausland, etwa bei Besuchen, wie schon erwähnt, in den USA, aber auch in Warschau


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 14

oder bei einem Besuch des ungarischen Parlamentspräsidenten und der neuen Staats­präsidentin in Budapest, bei Onlinemeetings mit Parlamentspräsidenten oder von Ange­sicht zu Angesicht in Slowenien beim Treffen der europäischen Parlaments­prä­sidenten.

Es war mir ein großes Anliegen, mit vielen Menschen zusammenzukommen, um zu hören, wo es Probleme gibt und wo wir als Bundesrat in Zukunft etwas bewirken können. Ich habe mich mit Landtagspräsidenten, Volksanwälten, Bezirkshauptleuten und Bür­ger­meistern, mit Kardinal Schönborn und dem Präsidenten der Israelitischen Kultus­ge­meinde Oskar Deutsch getroffen. Ich habe auch Lehrwerkstätten besucht, Unterneh­men im In- und Ausland und den Verein Complexity Science Hub Vienna zur wissen­schaft­lichen Erforschung komplexer Systeme. Im Parlament konnte ich die neue Marke Mobi­litätsverbünde Österreich vorstellen und feuerwehrfreundliche Arbeitgeber aus­zeich­nen.

Es war eine spannende und herausfordernde Zeit, den Vorsitz in der Länderkammer zu führen, ich habe es aber sehr gerne gemacht, weil man etwas bewegen kann. Es war sehr interessant, mit vielen Leuten unterschiedlicher politischer Herkunft, unter­schied­licher Glaubensrichtungen und Kulturen zusammenzutreffen. Solche Begegnungen füh­ren dazu, dass man seinen Standpunkt überdenkt, neue Überlegungen anstellt und sich auch eine neue Meinung zu so manchem Thema bildet.

Lassen Sie mich am Ende noch eines anmerken: Politiker zu sein ist gerade jetzt nicht einfach. Viele negative Einflüsse sind national schwer beeinflussbar, sei es nun eine weltweite Pandemie oder die hohe Inflation. Wir sind manchmal darauf beschränkt, die Auswirkungen solcher Einflüsse möglichst gering zu halten und jenen, die am stärksten davon betroffen sind, helfend zur Seite zu stehen. Den Menschen zu vermitteln, dass nicht jede Krise zu 100 Prozent durch den Staat aufgefangen werden kann, zählt derzeit wohl zu den schwierigsten Aufgaben von Regierungen und Mandataren.

Der Ton in der Politik hat sich zudem weiter verschärft – hier im Haus ebenso wie in den sozialen Medien. Einige politisch Tätige, egal auf welcher Ebene, sind dem hohen Zeit­aufwand, dem medialen Druck und den Anfeindungen in der Öffentlichkeit nicht mehr gewachsen. Fehlverhalten muss aufgeklärt werden, keine Frage, aber politische Vor­verurteilung und mediale Hetze werden sicher nicht dazu führen, dass sich künftig integre Persönlichkeiten aus den verschiedensten Bereichen in der Politik engagieren werden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich möchte daher an alle appellieren, einen Gang herunterzuschalten, wenn Kritik an Politikern geäußert wird, egal, aus welcher Partei sie kommen, egal, auf welcher Ebene sie tätig sind.

Vor allem möchte ich mich zum Abschluss nun bedanken, und zwar bei den Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern hier im Haus, bei Bundesratsdirektorin Susanne Bachmann, ihrer Stellvertreterin Alice Alsch-Harant und ganz besonders bei meiner Assistentin Paula Jenner sowie bei Renat Kojic, der mich stets pünktlich und sicher zu allen Ter­mi­nen gebracht hat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich danke auch dem Internationalen Dienst für die Unterstützung bei den internationalen Gesprächen und Auslandsreisen. Ich danke außerdem den Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern der Veranstaltungsabteilung, die dafür Sorge getragen haben, dass alles rei­bungslos vonstattengegangen ist. Des Weiteren danke ich auch dem Institut für Föde­ra­lismus, insbesondere Altbundesratspräsidenten Georg Keuschnigg, der die letzten sechs Bundesratspräsidentschaften begleitet hat.

Meiner Nachfolgerin, Korinna Schumann, wünsche ich viel Erfolg für die Präsidentschaft Wiens. Wir haben uns in diesem Halbjahr besser kennengelernt und gesehen, dass wir trotz unterschiedlicher Ansätze auch gemeinsame politische Ziele haben. Und genau darum geht es in der parlamentarischen Arbeit gerade im Bundesrat: das Gemeinsame


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 15

vor das Trennende zu stellen, die Interessen des Bundesrates vor die eigene Profilierung zu stellen und die Standpunkte der Kolleginnen und Kollegen zu respektieren, selbst wenn man sie nicht immer teilt.

Ich wünsche dir, liebe Korinna, alles Gute, viel Erfolg und dass du zu Silvester dann genauso wie ich heute sagen kannst: Es war zwar anstrengend, aber ich habe es unge­heuer gerne gemacht. Alles Gute! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Ihnen allen danke ich für die Unterstützung dieser Präsidentschaft. Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen eine erholsame bevorstehende Sommerzeit. – Vielen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

09.15.10Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Hinsichtlich der eingelangten und verteil­ten Anfragebeantwortungen und

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­ent­halt des Herrn Bundeskanzlers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenogra­phischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 10)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc am 29. Juni 2022 in Spanien, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat Frau Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm wahrnehmen wird (Anlage 2)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates sowie Vorhaben der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 388/22 Konferenz zur Zukunft Euro­pas – Bericht über das endgültige Ergebnis

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Bericht des Bundesministers für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Tourismus in Österreich 2021 (III-787-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur

*****


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 16

*****


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 17

*****


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 18

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weiters eingelangt sind Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Quarantäne von Herrn Bun­desminister für Inneres Mag. Gerhard Karner bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. mit seiner Vertretung. – Wir begrüßen den Herrn Bundeskanzler (allgemeine Heiterkeit – Bundesrat Steiner: Wer weiß?), ah, Herrn Bundesminister Magnus Brunner bei uns im Haus. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Das geht so schnell!)

Weiters eingelangt sind Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Quarantäne von Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien MMag. Dr. Susanne Raab bei gleichzeitiger Beauftragung von Frau Bundes­ministerin für EU und Verfassung Mag.a Karoline Edtstadler mit ihrer Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jenes EU-Vorhaben, die beziehungsweise das Ge­gen­stand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl der beiden Vize­präsidenten/Vizepräsidentinnen, der Schriftführer/Schriftführerinnen und der Ordner/Ord­nerinnen für das zweite Halbjahr 2022 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung ge­stellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 6 und 7, 8 und 9, 11 bis 13 sowie 16 und 17 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Verlangen auf Durchführung einer Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 3715/AB-BR/2022


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass das gemäß § 60 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlan­gen der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen vorliegt, eine Be­sprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 3715/AB-BR/2022 der Anfrage 4006/J-BR/2022 an den Herrn Bundeskanzler durchzuführen.

Im Sinne des § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung verlege ich die Besprechung der Anfra­gebeantwortung an den Schluss der Sitzung, nicht jedoch über 16 Uhr hinaus.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 19

09.19.081. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthalts­gesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (2484/A und 1520 d.B. sowie 10991/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Be­richt.


9.19.43

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Hohes Präsidium! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Aufenthalts­gesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


9.20.42

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie! Liebe Monika, ein herzliches Willkommen auch von mir! Ich freue mich wirklich, dass du hier bist. Liebe Österreicher! Eigentlich ist es schade, dass der Herr Innenminister heute nicht hier bei uns sein kann, er ist ja auch wieder positiv auf Corona getestet worden. Wir alle hoffen natürlich, dass er dreimal geimpft ist, denn dann (Bundesrätin Zwazl: Dann wird es bestimmt für ihn leichter sein!) wird es wahrscheinlich bald wieder gut werden.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Wirklichkeit ist es ja völlig egal, wer auf dieser Regierungsbank zu welchem Tagesordnungspunkt hier sitzt, es fühlt sich ja in dieser Bundesregierung sowieso niemand mehr für etwas zuständig. Das sieht man ja auch bei der Sonntagsrede des Innenministers, in der er raschere Asylverfahren fordert – also Forderungen an sich selbst stellt! Das sind wir von der Bundesregierung schon gewöhnt, aber dass ein Minister Forderungen an sich selbst stellt, das ist etwas Neues.

Ich muss das schon ausführen: Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das für die Durchführung von Asylverfahren zuständig ist, untersteht ja diesem Innenminister! Da braucht es bitte keine Sonntagsreden, da braucht es bitte endlich einen Innenminister mit einem Gestaltungswillen, einen Innenminister mit einem Veränderungswillen. Und ich glaube, wir alle haben gesehen, dass das weder Nehammer war noch Karner heute ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich erinnere nur an den gescheiterten Innenminister Nehammer, der ja verkündet hat, dass Kurz die Balkanroute geschlossen hat, eine De-facto-Nullzuwanderung hat er hinausposaunt – gebracht hat er uns 40 000 Asylanträge im Jahr 2021.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 20

Aber anscheinend ist dieses Totalversagen ja eine Grundvoraussetzung, um in diesem Land ein Mitglied der Bundesregierung zu werden. Das Einzige, das es uns gebracht hat, ist: den neuen Innenminister Karner. Und unseren Hüter der Verfassung, unseren Hofburgschläfer, haben wir wieder aufgeweckt (Bundesrat Buchmann: Hallo! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), um eine seiner 125 Angelobungen vor der Tapetentür durch­zuführen. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

09.23.07*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Für den Sager „Hofburgschläfer“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

09.23.12


Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Aber mit Innenminister Karner ist es ja um kein Stück besser geworden, ganz im Gegenteil: Es ist noch schlechter geworden, die Asylzahlen sind noch heftiger explodiert. Karner unternimmt ja bitte nicht einmal den Versuch, unsere Grenzen zu schließen – nicht einmal den Versuch! Unter Nehammer und Karner schießen die Asylzentren, die Aufnahmezentren wie die Schwammerl aus dem Boden. Bei diesem weichgespülten Kuschelzuwanderungskurs der ÖVP könnten wir doch gleich einen grünen Innenminister hinsetzen, das würde in diesem Land auch nichts mehr verändern, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)  

Ich kann Ihnen nur sagen: Es braucht Ausreisezentren in diesem Land und endlich einen Kurswechsel in der Zuwanderungs- und Asylpolitik. Die Bundesregierung ist stolz darauf und verkündet, dass die Neun-Millionen-Einwohnergrenze in diesem Land überschritten wurde – neun Millionen, das ist aber nicht passiert, weil die Mehrlingsgeburten bei unseren Österreicherinnen und Österreichern in die Höhe gegangen sind, sondern das liegt an Ihrer verfehlten Zuwanderungspolitik. Das sind Menschen, die uns nichts brin­gen, die ausschließlich unser Sozial- und Gesundheitssystem belasten, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist etwas, worauf Sie nicht stolz zu sein brauchen. (Bundesrat Steiner: Richtig!) Schämen sollten Sie sich dafür! Schämen sollten Sie sich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Buchmann: Du solltest dich in den Spiegel schauen!)

Aber ja, wo ist der Innenminister, wenn wir ihn wirklich brauchen würden? Wo ist unser Innenminister, wenn es wieder Bombendrohungen, nämlich Bombendrohungen in Graz, gibt? Der Dschihadistenprozess hat wieder gestartet. Es gibt Bombendrohungen gegen ein Grazer Gericht, es gibt Bombendrohungen gegen die Israelitische Kultusgemeinde. Ich sage, das sind Menschen, die eine wirklich tiefgreifende Ablehnung unseres Werte­systems haben, und in diesem Zusammenhang würde ich mir Worte unseres Hüters der Verfassung wünschen, würde ich mir Worte unseres Innenministers wünschen. Aber da hört man von beiden weit und breit nichts. Mit diesen Menschen, die so etwas in Öster­reich machen, ist abzufahren, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die haben in unserem Land absolut nichts verloren! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundes­rates Steiner.)

Dieser Bundesregierung, der ÖVP und den Grünen kann ich nur mitgeben: Ändern Sie rasch den Kurs in unserem Zuwanderungssystem, sonst werden wir Österreich, so wie es unser heutiger Vizekanzler einmal gesagt hat, auch in diesem Bereich bald nicht mehr wiedererkennen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.25



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 21

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm dieses.


9.26.18

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Verlängerung von verfahrensrechtlichen Covid-19-Maßnahmen, die im Jahre 2020 be­schlossen wurden. Konkret betroffen sind das Staatsbürgerschaftsgesetz, das Nieder­lassungs- und Aufenthaltsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und das Asylgesetz.

Eine Sache, Herr Kollege Leinfellner, wundert mich schon: Sie waren der erste Redner in dieser Sitzung zu diesem Tagesordnungspunkt, und ich habe inhaltlich nicht eine Silbe gehört (Bundesrat Leinfellner: Wem soll ich es erzählen, dem Finanzminister?), worum es bei diesem Tagesordnungspunkt geht. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bun­desrates Novak.) Von der ersten Silbe an nur Beschimpfungen und den Innen­minister beschimpfen – das finde ich ein wenig merkwürdig. (Bundesrat Steiner: Ja, das Inhalt­liche machst du jetzt in der Professionalität, die wir kennen, in deiner Profes­sionalität!)

Ja, ich muss sagen, es tut uns allen wirklich gut und es ist eine Erholungsphase: Die Coronapandemie verschafft uns aktuell wirklich eine Verschnaufpause, darüber sind wir alle sehr froh. Wir können zurzeit unser Leben eigentlich gesellschaftlich wie auch privat ohne große Einschränkungen gestalten, wir wissen aber auch, dass die Pandemie noch nicht zu Ende ist. Wir wissen nicht, was uns der Herbst beschert, was uns der nächste Winter beschert und was in Zukunft auf uns zukommt. (Bundesrat Steiner: Eine Impfpflicht brauchen wir!)

Aus der derzeitigen Situation heraus ist es notwendig, nach wie vor vorsichtig und verantwortungsvoll zu handeln, und genau deswegen ist es auch notwendig, dass wir die Sonderregelungen, die krisenbedingt im April 2020 eingeführt werden mussten, ent­sprechend beibehalten und verlängern.

Ich möchte kurz auf das Asylgesetz eingehen: 2015 war ein Jahr, in dem uns das Thema Asyl und Migration gesellschaftlich und auch politisch sehr, sehr stark beschäftigte. Ja, es war eigentlich das politische Hauptthema das ganze Jahr über. Heute stehen andere Themen im Mittelpunkt der vielen Diskussionen, was aber nicht heißt, dass die Asyl- und Flüchtlingsgeschichte nicht mehr so wichtig ist. Ich bin der Meinung, aktuell ist das Gegenteil der Fall.

Von Jänner bis April stehen 16 000 Asylanträge in unserer Asylstatistik des Bundes­ministeriums für Inneres, das bedeutet 16 000 Asylverfahren und viele persönliche Kontakte und Zusammenkünfte. Und seit Beginn des Angriffskrieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine am 24. Februar gibt es – Stand Anfang Juni – circa 7,5 Millionen Menschen, die geflüchtet sind, die ihre Heimat verlassen mussten, hauptsächlich Frauen mit ihren Kindern, die in Nachbarländer fliehen, die einfach Sicherheit suchen. 7,5 Millionen Menschen, das ist eine sehr große Zahl, und deshalb ist das noch wichtiger.

Es geht aber nicht nur um das Eindämmen der Pandemie, sondern auch um mehr Möglichkeiten der Nachbarschaftshilfe, die im Sinne einer europäischen behördlichen Zusammenarbeit mit dieser Maßnahme geschaffen werden sollen.

Mit dem Blick auf eine mögliche weitere Infektionswelle und auf so viele Menschen, die auf der Flucht sind und auch nach Österreich wollen – nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus anderen Ländern –, müssen wir zur Kenntnis nehmen: Es gibt keine Alternative zur Verlängerung der bestehenden Sonderregelungen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 22

Mit dem heutigen Beschluss gelten die Sonderregelungen für weitere sechs Monate. Es geht nämlich darum, den Parteienverkehr und die Verfahren mit möglichst wenig Men­schenkontakt durchzuführen. Ich sehe das als wichtige und vorbeugende Maßnahme, weil uns die Pandemie noch über das Jahr 2022 hinaus begleiten wird.

Ich bitte um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundes-rat Steiner: Sehr viel Expertise, muss ich sagen!)

9.31


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.


9.31.13

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge-ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Gäste auf der Galerie! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Allererstes dir, liebe Christine Schwarz-Fuchs, unserer amtierenden Präsidentin, für deine Präsidentschaft danken, vor allem auch für deinen wertschätzenden Umgang mit allen Fraktionen. Natürlich freut mich deine Schwerpunktsetzung im Bereich Kinderbetreuung und Elementarbildung be-sonders – vielen herzlichen Dank dafür, und zusätzlich alles Gute zu deinem Geburtstag heute! (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte noch vorausschicken, auch unseren Zuseherinnen und Zusehern gegen­über, dass ich mich für die fremdenfeindliche Rede meines Vorredners Leinfellner eigentlich fremdschäme. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Unglaublich! (Bundesrat Spanring: Das ist ja fast wie ein Adelsschlag! – Bundesrat Steiner: Dann haben wir alles richtig gemacht, wenn sich die Sozialisten fremdschämen!)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stimmen der Verlängerung dieser Covid-geschuldeten Sonderregelung zu. Sie vereinfacht da und dort, dass notwendige Einwilligungen et cetera abgegeben werden können, ohne persönlich vor Ort sein zu müssen. Da merkt man: Wenn die Umstände es verlangen oder der Wille da ist, kann man Dinge vereinfachen und auch kundenfreundlicher gestalten.

Im Ausschuss haben uns die ExpertInnen, die Auskunftspersonen, bestätigt, dass da und dort durchaus auch darüber nachgedacht wird, einige dieser Vereinfachungen ins Dauerrecht zu übernehmen, weil sie sich einfach bewährt haben.

Ich frage mich, warum diese Vereinfachungen nicht auch in größerem Stil passieren könnten, speziell was das Staatsbürgerschaftsverfahren betrifft, warum dies nicht generell bei Menschen, bei denen sonnenklar ist, dass sie über kurz oder lang die Staatsbürgerschaft erlangen werden, und bei denen noch klarer ist, dass sie ihr Leben hier in Österreich verbringen werden, möglich ist, warum dies so unnötig erschwert wird.

Da frage ich mich, was das insgesamt für einen Sinn hat, denn wir alle wissen, dass Österreich europaweit das reaktionärste und restriktivste StaatsbürgerInnenschaftsrecht hat. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Gott sei Dank! Wir sind ein Sozialstaat!) Wir matchen uns in diesem Fall, bei dieser Restriktion mit Ländern wie beispielsweise den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien, und die Frage ist, ob man darauf stolz sein kann und das wirklich wollen soll.

Gerade wenn wir wissen, in wie vielen Branchen derzeit so dringend Arbeitskräfte gesucht werden und wir auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sind, wie beispiels-weise im Gesundheitswesen und in der Pflege, müssen wir über Reformen nachdenken, und wir wissen zusätzlich schon längst, dass die Demografie in Österreich, also wie sich die


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 23

Bevölkerung entwickeln wird, auch verlangt, dass Menschen zuziehen, und ehrlicherweise haben wir in Österreich, was das betrifft, auch eine sehr lange und sehr gute Tradition.

Das Problem fängt aber dort an, wo wir sagen: Ja, ihr könnt bei uns arbeiten, ihr könnt bei uns die schwierigen und ungeliebten Jobs machen, ihr könnt bei uns gerne Steuern zahlen, aber an den demokratischen Prozessen lassen wir euch lieber nicht teilhaben! – Das geht sich meiner Meinung nach nicht aus. Es muss beides gelten und es muss beides möglich sein.

Ich sage sogar, dass es für unsere Demokratie ein Problem ist, wenn Menschen hier leben, hier arbeiten, hier Steuern zahlen, aber nicht partizipieren können. Nur damit wir die Größenordnung kennen: Es geht um 250 000 Personen, die hier geboren sind (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, aber keine österreichischen StaatsbürgerInnen sind und damit von Wahlen und anderen demokratischen Prozessen ausgeschlossen sind.

Es geht meiner Meinung nach um ein modernes Staatsbürgerschaftsgesetz, dass Men­schen, die schon etliche Jahre legal hier leben und Steuern zahlen, nach fairen Kriterien die Staatsbürgerschaft für sich und ihre Kinder bekommen.

Das ist aus meiner Sicht eine Notwendigkeit für unsere Demokratie. Die Erleichterung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft ist aber zusätzlich auch eine Notwendigkeit für die Integration.

Ich erzähle es immer wieder, vielleicht habe ich es auch hier schon erzählt: Ich mache immer wieder Workshops mit Jugendlichen und Kindern zum Thema Kinderrechte, zum Thema Jugendrechte, und da geht es irgendwann natürlich auch immer um das Thema politische Bildung und Teilhabe, eine ganz wichtige Säule in den Kinder- und Jugend-rechten. Nicht selten erlebe ich, dass mir junge Menschen dann frustriert und auch zornig sagen – zu Recht, wie ich finde –: Schön und gut, dass ihr das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt habt, schön und gut, dass ihr Wahlen und Volksabstimmungen so emporhebt und dass diese für euch so wichtig sind, aber warum schließt ihr mich dann davon aus?

Ehrlicherweise darf man sich dann auch nicht wundern, finde ich, wenn diese jungen Menschen sich nicht ganz zugehörig fühlen und zu Recht als Menschen zweiter Klasse in Österreich fühlen, obwohl sie hier geboren sind. Ich finde, dass das schon ein Thema für unsere Integration ist und es nicht integrationsförderlich ist. Darum fordern wir unter anderem, dass sechs Jahre in Österreich rechtmäßig aufhältig zu sein genügen müssen, um die Staatsbürgerschaft bekommen zu können, dass die Kosten für einen Antrag österreichweit vereinheitlicht werden müssen, dass auch die Einkommenshürden über­dacht werden müssen und dass Kinder, die in Österreich geboren sind und deren Vater oder Mutter bereits seit fünf Jahren legal hier aufhältig ist, auch das Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft haben sollten.

Ich möchte mit einem persönlichen Beispiel schließen: Es geht um einen meiner wert­geschätztesten Mitarbeiter bei mir in der Arbeit, ich nenne ihn jetzt A., weil er anonym bleiben will. A. arbeitet seit 2016 bei mir im Team. Er ist insofern besonders, als er mehrfacher Kickboxstaatsmeister, -vizeeuropameister und - - (Bundesrat Steiner: Jetzt ist er sicher anonym! Das mit der Anonymität hat super funktioniert!) – Ja, stimmt, da habe ich ihm möglicherweise nichts Gutes getan, ich hoffe, dass ihm das nicht zur Last wird. (Bundesrat Steiner: Das ist sozialistisches Denken, sensationell! Sozialismus auf höchstem Niveau!)

Das Spannende ist, dass er über diesen Zugang ganz tolle Möglichkeiten gefunden hat, mit jungen Menschen zu arbeiten, und gerade im Bereich der jugendlichen Geflüchteten tolle Erfolge erzielt, weil er über diesen Sport Zugang zu Jugendlichen findet und so mit ihnen auch über Themen reden kann, die ihm wichtig sind.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 24

Ich hoffe, dass er bei uns bleibt, aber was er uns erzählt, was er mir erzählt, ist, dass er versucht hat, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Weil die Einkom­menshürden so hoch sind, musste er die nebenberufliche Abendschule, die er neben seinem Job macht – die Handelsakademie möchte er abschließen –, abbrechen, auch beim Sport musste er pausieren, weil er zwei Jobs nachgehen muss, um diese Einkom­menshürden zu bewältigen. (Bundesrat Steiner: Dann zahlen Sie dem zu wenig! Dann zahlt die sozialistische Partei zu wenig! Zahlt ihm mehr!) Zusätzlich zu all dem wurde ihm noch vorgeworfen, dass er in einer WG wohnt, in der ein Lehrling wohnt, und dadurch sozusagen auch seine Kriterien nicht erfüllt werden. Also es sind zwei redliche Menschen, die beide arbeiten, einer macht gerade den Lehrabschluss, und trotzdem wird ihnen verwehrt, die Staatsbürgerschaft zu beantragen, und ich frage mich: Was machen diese zwei Menschen falsch? Wir müssten froh sein, dass sie sich hier bei uns einbringen!

Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir brauchen ein modernes Staatsbürgerschafts­recht, das zu unserer Demokratie passt, das auch die Notwendigkeiten unserer Wirt­schaft berücksichtigt und das die Integration von Menschen unterstützt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

9.40


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir begrüßen den neu hinzugekom­me­nen Herrn Bundesminister Johannes Rauch. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Weiters begrüßen wir auf unserer Galerie eine weitere Schulklasse, die uns heute be­sucht, und zwar aus Tirol. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte sehr.


9.41.01

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Ich möchte mich natürlich auch im Namen der grünen Fraktion, Frau Präsi­dentin, ganz herzlich bei Ihnen für die großartige Vorsitzführung in diesem halben Jahr bedanken. Also wenn das Ziel war, dass Vorarlberg die Macht in Österreich übernimmt, und ich so auf die Regierungsbank schaue, dann dürfte das eigentlich ganz gut funk­tionieren. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrätin Schumann: Bundesrat Schreuder, sind Sie kein Wiener?) Ich weiß nicht, ob da irgendeine - - Nein, ich will hier keine Ver­schwörungstheorie an den Tag legen, aber das dürfte Vorarlberg in diesem halben Jahr ganz gut gelungen sein.

Vielen Dank für die wirklich gute Vorsitzführung und vor allem auch für die wunderbaren persönlichen Worte, die Sie am Montag an mich gerichtet haben. Das hat mich sehr gefreut. Selbstverständlich freue ich als Wiener mich auch auf das nächste halbe Jahr. (Bundesrätin Schumann: Na, jetzt war die Kurve da! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Ich möchte natürlich trotzdem, sehr geehrte Damen und Herren, auf die Rede von Kolle­gen Leinfellner eingehen. Kaum ist das Fernsehen da, wird schon wieder ziemlich heftig gepoltert. Sie haben gesagt, Herr Kollege Leinfellner, wir sollten uns schämen. Ich darf das vielleicht zurückgegeben, denn Sie haben gesagt, dass all die Menschen, die zu uns gekommen sind, nichts bringen. Ich war zu Pfingsten in Salzburg, in der schönen Stadt Salzburg, in einem Hotel, wo mir der Hotelbetreiber gesagt hat: Hätte er nicht die Syrer und Syrerinnen, die dort arbeiten, die geflüchteten Menschen aus Somalia und andere, denen er ganz bewusst eine Möglichkeit gegeben hat, in seinem Hotel zu arbeiten, dann könnte dieses Hotel überhaupt nicht funktionieren. Diese Menschen, von denen Sie


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 25

sagen, sie bringen uns nichts (Rufe bei der FPÖ: Das hat er nicht gesagt! Sinnerfassend zuhören!), sind diejenigen, die unser Land am Laufen halten!

Das, was Sie gesagt haben, haben all die Menschen, die uns in den Krankenhäusern pflegen, all die Ärzte und Ärztinnen, die zu uns gekommen sind und uns gesund machen, das haben die Menschen, die unsere Häuser bauen und unsere Möbel tischlern, die Menschen, die unsere Räume reinigen, und all die Menschen, die im Kleingewerbe oder im Großbewerbe in meinem 15. Bezirk Geschäfte aufmachen, die Stadt am Leben erhalten, eine lebendige Stadt ermöglichen, die unser Essen kochen und servieren, all diese Menschen haben Ihre Rede nicht verdient. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Zumal es in dieser Novelle, über die wir jetzt sprechen, eigentlich um gar nichts Groß­artiges geht. Man muss ja auch wirklich manchmal daran erinnern, dass wir über No­vellen und Gesetze sprechen, bei denen etwas geändert wird, und hier immer sehr allgemein und überhaupt nicht zur Sache gesprochen wird.

Was passiert? – Es sind kleine, minimale Änderungen und eine Maßnahme, die im euro­päischen Kontext passiert. Was passiert? – Auch das vielleicht für unsere Zuschauer und Zuschauerinnen, damit man weiß, worum es eigentlich geht: In den Spitzenzeiten der Pandemie wollten wir verhindern, dass Menschen in großen Mengen unnötig oft zusammenkommen und zusammengepfercht in einem Warteraum oder in Warteschla­gen vor einer Behörde warten müssen. Der Herr Gesundheitsminister wird unterstützen, dass es besser ist, wenn das nicht passiert.

Da hat sich etwas durchaus bewährt, und daher verlängern wir das, nämlich weil es auch eine erhebliche Entlastung der Behörden bedeutet und ein viel besseres Abarbeiten von Anträgen ermöglicht. Es passiert Folgendes: Verlängerungs- und Zweckänderungs­anträge im Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht dürfen jetzt eben auch postalisch und elektronisch eingebracht werden. Das ist auch deswegen sinnvoll, weil wir bereits ein Foto, alle Daten, die Fingerabdrücke haben. Es ist völlig unnötig, diese Menschen noch einmal in Wartesälen zusammenzupferchen und dort noch einmal die Anträge stellen zu lassen. Darum geht es hier. Sie können es elektronisch machen oder postalisch – mehr passiert in dieser Novelle nicht. Es gibt keinen Grund, deswegen fremdenfeindliche Reden zu halten.

Ebenfalls erleichtert, das wurde bereits genannt, sind die Einbürgerungsverfahren, weil das Gelöbnis nach dem Staatsbürgerschaftsrecht jetzt auch schriftlich abgegeben wer­den darf. Ich weiß jetzt nicht, ob ich der Einzige in diesem Saal bin, der in der Zeit seines Erwachsenenlebens einmal die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt hat – ich habe das ja einmal gemacht. (Bundesrat Spanring: ... sagst, dass das kein Schaden für Österreich war!) – Bitte? (Ruf bei der ÖVP: Das war nichts Vernünftiges!) – Ich gehe davon aus.

Es geht jetzt darum, dass dieses Gelöbnis auch nicht mehr vor Ort gemacht werden soll, weil wir in einer Pandemie sind. Mehr ist es nicht. Es sind wirklich kleinere redaktionelle und kleine Anpassungen, die Covid-bedingt gemacht werden müssen. Das ist eigentlich alles. Ich wüsste keinen Grund, warum man diese ablehnen sollte. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.46


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Kollege Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses. (Bundesrätin Schumann: Die Fernsehrede!)



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 26

09.46.50

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Servus, Tiroler! Ich weiß jetzt zwar nicht, welche Klasse in Tirol (Bundesrätin Zwazl: Na, ihr werdet ja mehrere haben!), aber wenn sie aus meinem Bundesland kommt, freut es mich natürlich umso mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss zu Frau Kollegin Gruber-Pruner schon noch etwas sagen, denn sie verwechselt da einiges und vermischt auch ein bisschen etwas und beschwert sich über Sachen, für die sie eigentlich selber zuständig wäre; darauf komme ich aber noch zu sprechen. Aber das ist ja, glaube ich, ein bisschen das sozialistische Gemüt, nicht? (Bundesrätin Schumann: Ah, Tiroler Landtagswahl haben wir! – Bundesrätin Grimling: 25. September! – Bundes­rätin Hahn: Ist das jetzt die Lektion ... Schauspiel?)

Sie hat über ihren Mitarbeiter berichtet, der anonym bleiben will, und erzählt dann, was er nicht alles schon gemacht hat, Kickboxweltmeister und so – also so viel zur Ano­nymität! –, und beschwert sich dann, dass dieser gute Kickboxer nicht mehr kickboxen kann, weil er jetzt ja zwei Berufen nachgehen muss wegen der Staatsbürgerschaft, dass er die dann zahlen kann. Jetzt stellen Sie sich von der sozialistischen Arbeiterpartei hierher und sagen, wegen Ihnen musste er noch einen zweiten Job machen. Also dann zahlt ihm mehr, ihr Sozialisten, und schwafelt nicht hier heraußen von mehr Gehalt, wenn dann eure eigenen Mitarbeiter zwei Jobs machen müssen, um sich über Wasser zu halten! Das ist ja peinlich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Schwa­feln Sie nicht immer herein, Sie verstehen ja die Hälfte nicht! (Rufe bei der SPÖ: Das machst ja du immer! Das sagt der Richtige! – Bundesrätin Grimling: Das darf ja nicht wahr sein! Der redet immer nur drein, aber - -! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) – Na ja, jetzt hört mir zu! Entweder man macht einen Zwischenruf so, dass man ihn auch versteht, dann kann ich darauf reagieren, aber wenn man Zwischenrufe macht, die kein Mensch versteht, dann kann der Redner hier heraußen auch nicht reagieren. Entweder ein ordentlicher Zwischenruf oder ihr hört auf! Aber das werdet ihr schon noch lernen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann verwechselt Frau Gruber-Pruner halt einmal etwas ganz massiv: Sie sagt, es bräuchte die Staatsbürgerschaft für die Integration. Das ist ein grober, grober Denk­fehler. Das kann vielleicht in der sozialistischen Denke so stattfinden, aber für Österreich wäre das ganz, ganz schlimm mit gravierenden Auswirkungen! (Bundesrätin Schumann: Noch einmal „sozialistisch“, Bundesrat Steiner, und dann ist das Bingo voll!) – Ja, Sozialisten, ihr nennt euch ja erst nicht mehr Sozialisten, seit die Kommunisten Sozia­listen sind. Jetzt seid ihr die Sozialdemokraten. (Beifall bei der FPÖ. – Die Bundes­rätinnen Schumann und Grimling: Geh bitte! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) – Aber sehen Sie, dann kann man auf einen Zwischenruf reagieren. Habt ihr das Spiel jetzt verstanden? Super, wenn er laut und ordentlich ist, dann passt das. (Bundesrätin Hahn: Geh, tu einfach weiter!)

Dann sagt Frau Gruber-Pruner, es braucht die Staatsbürgerschaft zur Integration – gro­ber Denkfehler! Die Staatsbürgerschaft kann maximal die Folge einer gelungenen Integration sein, am Ende einer gelungenen Integration stehen, aber nicht am Anfang, Frau Gruber-Pruner! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Herr Kollege Schreuder gesagt hat, diese Rede von Herrn Kollegen Leinfellner hätte er sich oder hättet ihr euch nicht verdient, diese fremdlich- - (Bundesrat Schreuder: Fremdenfeindlich!), fremdenfeindliche Rede, dann muss man schon sagen: Im Gegen­satz zu euch halten wir halt inländerfreundliche und nicht inländerfeindliche Reden. Das ist der Riesenunterschied zwischen Grün und Blau. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 27

Herr Kollege Leinfellner hat nicht darüber gesprochen, dass man Personen, die irgendwo arbeiten, abschiebt. (Bundesrat Schreuder: Die, die kommen, hat er gesagt!) Kollege Leinfellner – da müssen Sie zuhören! – hat gesagt: Mit Straffälligen muss man abflie­gen. – Was da dagegenspricht, verstehe ich nicht. (Beifall bei der FPÖ.) Ein Straffälliger: Tschüss, ab in die Heimat! Wir sind nicht zuständig, die Straffälligen bei uns in den Häfn durchzufüttern. Das ist auch ganz klar. (Bundesrat Schreuder: Das hat er nicht gesagt! Er hat gesagt: Die, die kommen!)

Noch zum Abschluss: Dann sagt Kollege Schreuder noch, wir sind in einer Pandemie. – Jetzt sitzen wir heute das erste Mal ohne Plexiglasscheiben hier. Vorgestern in den Aus­schüssen waren euch die Masken wurscht, heute ist der ORF hier, und die Grünen haben die Masken oben – Heuchler, wie sie im Buch stehen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.51


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Es gibt eine weitere Wortmeldung: Herr Bundesrat Kovacs. Ich erteile ihm das Wort.


09.52.08

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Kollege Steiner, man muss sich immer an den Taten messen (Bundesrat Steiner: Richtig!), und wenn man selbst beim Mindestlohn bis jetzt nichts gemacht hat, wenn man im eigenen Heimat­bundesland keinen einzigen Antrag gestellt hat, das Land Burgenland bereits den Mindestlohn mit 1 700 Euro umgesetzt hat - - (Bundesrat Steiner: Ich bin nicht die Regierung! Schwarz-Grün!) – du hättest aber einen Antrag stellen können. Nicht einmal einen Antrag auf einen Mindestlohn habt ihr gestellt, also shame on you, lieber Herr Steiner! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unglaublich, sich dann hierherzustellen und über einen Mindestlohn zu reden. Das ist ja eigentlich auch sehr verräterisch.

Das Tourismusland Nummer eins ist den Zahlen nach eindeutig Tirol. Hätte Tirol nicht jene Menschen, die Migrationshintergrund haben, könnte die Tourismuswirtschaft, die Hotellerie nicht einmal irgendetwas umsetzen. Es ist eine Schande, was du über das eigene Land hier sagst. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Ich bin nicht die Regierung!) Würde man alle von Tirol abziehen, könnte Tirol keinen solch erfolgreichen Tourismus haben – Schande! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Wir sind nicht Regierung! Schwarz-Grün!)

9.53


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir begrüßen bei uns im Haus – neu hin­zugekommen – Frau Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrätin Schartel hebt die Hand.)

Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. – Bitte sehr, Frau Bundesrätin Schartel, ich erteile Ihnen das Wort.


9.53.43

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Kollege Kovacs, ers­tens einmal wissen Sie ganz genau: Ein Bundesrat kann in einem Landtag ja gar keinen Antrag stellen (Rufe bei der SPÖ: Hat er ja nicht gesagt! Zuhören!), und die ewige Diskussion über Mindestlöhne haben wir nur deshalb, weil die Gewerkschaft versagt, anständige Verhandlungen zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

9.54 09.54.05


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Gibt es weitere Wortmeldungen dazu? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 28

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

09.54.422. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Arbeitslosenversiche­rungs­gesetz 1977, das COVID-19-Gesetz-Armut, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden sowie das Bundesgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Le­bens­haltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G) und das Bundes­gesetz über den Teuerungsausgleich für Bezieherinnen und Bezieher von Förderungen nach dem Studienförderungsgesetz erlassen werden (Teuerungs-Entlastungspaket) (2662/A und 1563 d.B. sowie 10982/BR d.B. und 10999/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus geändert wird (Klima­bo­nusgesetz – KliBG) (2663/A und 1573 d.B. sowie 10983/BR d.B. und 10998/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 2 und 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu Punkt 2 ist Herr Bundesrat Otto Auer, Berichterstatter zu Punkt 3 ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Adi Gross. – Ich bitte um die Berichte.


9.55.21

Berichterstatter Otto Auer: Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Minister! Liebe Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Allgemeine Sozialversiche­rungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Arbeitslosen­ver­sicherungsgesetz 1977, das COVID-19-Gesetz-Armut, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden sowie das Bundesgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebens­hal­tungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G) und das Bundesgesetz über den Teuerungsausgleich für Bezieherinnen und Bezieher von Förderungen nach dem Stu­dienförderungsgesetz erlassen werden (Teuerungs-Entlastungspaket).

Die Unterlagen dazu haben wir erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


9.56.59

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Juni 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus geändert wird (Klimabonusgesetz).


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 29

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


9.57.38

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen und vor allen Dingen: liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich in meine Rede eingehe, möchte ich ganz herzlich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion (Bundesrat Steiner: Sozialis­tischen Fraktion!) Präsidentin Schwarz-Fuchs für ihre Präsidentschaft danken und vor allen Dingen für ihren wirklich wertschätzenden Umgang mit allen Bundesrätinnen und Bundesräten und für ihre zielorientierte Vorgangsweise bei Themen, wo wir uns wirklich finden, und ich glaube, auch das ist Vorbild für die nächste Präsidentschaft, auf deren Weg ich mich jetzt machen werde. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Frau Kollegin (in Richtung Bundesrätin Schartel), auf die Gewerkschaft hinhauen ist nicht klug, schon gar nicht deshalb, weil Tatsache ist, dass die Grundlage dieses Teuerungs­pakets, das nach langer Zeit jetzt endlich hier liegt, der Druck der Gewerkschaft ist. (Bundesrat Himmer: Es ist aber ein Antiteuerungspaket!) Das muss man ganz eindeutig sagen. Die „Preise runter!“-Konferenz von Tausenden Betriebsrätinnen und Betriebs­räten war einer der Gründe, warum der Druck so aufgebaut wurde, dass man genau an diesem Tag das jetzt vorliegende Teuerungs-Entlastungspaket vorgestellt hat. Die Kraft der Gewerkschaft zu hinterfragen, das ist absolut ein Fehler. (Beifall bei der SPÖ.)

So sind sie aber halt, die Fs, sie haben nicht ganz den Durchblick bei den Dingen. (Bundesrat Spanring: Ja, genau! Bin ja froh, dass Sie so gescheit sind!)

Ganz klar gesagt: Dieses Teuerungs-Entlastungspaket, das jetzt vorliegt, ist leider nicht das Entlastungspaket, das die Bevölkerung jetzt brauchen würde. (Bundesrat Spanring: Wie jetzt?! Jetzt habt ihr gerade mitverhandelt!) Die Menschen leiden unter der Teuerung in einem unglaublichen Ausmaß. (Bundesrat Ofner: Habt ihr halt wieder versagt!) – Die Landtagswahl in Tirol kommt, und Sie brauchen jetzt einen Auftritt, aber das wird es nicht bringen, schon gar nicht mit dieser Haltung! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es geht um die Menschen. Es geht darum: Wie geht es den Menschen? Haben die Menschen genug, damit sie ihr Leben fristen können, und haben sie genug, damit sie ihre Miete zahlen können? Haben sie genug, dass sie nicht Angst haben müssen, in den Supermarkt zu gehen, ob sie überhaupt das Geld im Geldbörsl haben, um sich die lebensnotwendigen Dinge zu kaufen? Haben sie ein Leben, in dem sie nicht Angst haben müssen, wenn sie zur Tankstelle fahren und tanken müssen? – Darum geht es uns, um diese Entlastungen geht es uns und um nichts anderes; alles andere ist Geplänkel und Spielerei. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Eure Coronapolitik!)

Die vorliegenden Antiteuerungsmaßnahmen der Bundesregierung sind jetzt ja nur zum Teil da, es ist ja viel mehr angekündigt worden; und das, was da liegt, sind einfach nur Einmalzahlungen. Jede Gewerkschafterin und jeder Gewerkschafter weiß, dass eine Einmalzahlung genau das ist, was im Wort drinnen steht (den Daumen in die Höhe haltend): einmal. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Da bekommt man einmal Geld, und dann verpufft es, das ist nichts Nachhaltiges und es ist nicht nachwirkend. Man braucht ganz andere Maßnahmen. (Bundesrat Schreuder: ...


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 30

die Stadt Wien auch!) Es bräuchte wirklich die Senkung der Mehrwertsteuer auf die lebensnotwendigen Produkte (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das bringt doch nichts!), es bräuchte einen Preisdeckel bei den Spritpreisen, es bräuchte einen Mietenstopp, und zwar ganz dringend; es bräuchte eine Leerstandsabgabe, die wirklich hilft. So muss man vorgehen, und nicht mit Einmalzahlungen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wer ist der größte Vermieter in Wien?) – Wienbashing wird in diesem Fall nicht helfen, weil es um eine Strukturfrage geht. Es geht darum: Wie gehe ich jetzt damit um, und wie helfe ich den Menschen jetzt? – Die Einmalzahlungen sind nicht die Lösung. (Ruf: Wien könnte ein Vorbild sein!)

Den wichtigsten Teil dieses Antiteuerungspakets, nämlich die Anpassung der Sozial­leistungen, den beschließen wir heute nicht, der liegt heute nicht da – sehr erstaunlich, denn das wäre der Teil, der jetzt dringend notwendig ist, für all jene, die Sozialleistungen brauchen und die nicht wissen, wie sie durchs Monat kommen. (Beifall bei der SPÖ.) Das liegt nicht da, wir verschieben es auf den Herbst, und vielleicht verschieben wir es noch ins nächste Jahr, damit es gut zu den Landtagswahlen passt. Da geht es aber nicht ums Taktieren, sondern da geht es um das Leben der Leute – uns ist das wichtig, aber Ihnen anscheinend nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Tatsache ist: An Entlastungen bis 2026 bringt dieses Paket für Spitzenverdiener etwa 6 000 Euro als Teuerungsausgleich, aber einer Pensionistin mit 1 200 Euro gerade ein­mal ein Drittel davon. Das ist nicht sozial gerecht, und das ist nicht Politik, wie wir So­zialdemokratinnen und Sozialdemokraten sie machen. (Bundesrat Steiner: Sozialisten!)

Es braucht jetzt die Unterstützung, und es wird jetzt auch einen Eingriff in die Strukturen brauchen. Die Energiepreise treiben die Inflation in ungeahnte Höhen und sind eine Belastung, die unglaublich ist. Da muss eingegriffen werden! Es werden Gewinne in einem ungeahnten Ausmaß erzielt. Die Energieunternehmen wissen schon gar nicht mehr, wo sie das Geld hinlegen sollen, und das muss verhindert werden, und das muss weitergegeben werden (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser – Ruf bei der FPÖ: Wien Energie!), und zwar auf Bundesebene. Da muss eingegriffen werden! Da jetzt nicht einzugreifen, ist ungerecht.

Andere europäische Länder machen das sehr wohl. (Bundesrat Preineder: Ungarn!) Ich höre von dieser Bundesregierung nicht, dass sie sagt: Die Meritorder muss weg – jene europäische Regelung, dass das teuerste Kraftwerk, das den Strom einspeist, den Preis bestimmt –, das muss jetzt abgeschafft werden! (Ruf: Dann hast du aber 10 Minuten keinen Strom nicht ...!) Andere Länder haben es geschafft, wie zum Beispiel Spanien. (Bundesminister Brunner – die Hände zusammenschlagend –: Nein! Um Gottes willen! Das stimmt ja nicht!) – Natürlich haben sie es! (Ruf: Das teuerste Kraftwerk produziert den Strom ...!)

Inwiefern bitte bemühen wir uns darum, die Meritorder wegzubekommen? – Das muss doch jetzt gemacht werden, und zwar ganz dringend! (Ruf: Keep cool!) Wir können die Energiepreise doch nicht noch weiter in die Höhe treiben lassen! (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Das ist unmöglich, ganz ehrlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Schlangen vor den Sozialmärkten werden immer länger, und die Produkte, die die Menschen brauchen, sind dort nicht mehr vorhanden. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist ein Treppenwitz!) Darum geht es jetzt, und nicht um ein Geplänkel! Ich weiß, dass die FPÖ nicht gerne in den Markt eingreift, weil sie sehr marktfreundlich ist, das weiß ich, aber er funktioniert jetzt nicht mehr. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr habt die Verantwortung ...!)

Wir werden in diesem Herbst Dinge erleben, die uns alle erschauern lassen werden. Es ist davon auszugehen, dass es zu einer globalen Hungerkatastrophe von ungeahntem


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 31

Ausmaß kommen wird (Bundesrat Spanring: Ihr seid so richtige Kommunisten!), die gleichzeitig die Lebensmittelpreise noch weiter hinauftreiben wird. Also die Situation ist mehr als schwierig und mehr als belastend.

Wir wissen, dass die Lebensmittelpreise deshalb so hoch sind und die Versorgung so schwierig ist, weil die Düngemittel nicht vorhanden sind. Das ist ein riesiges Problem, natürlich auch für die Bäuerinnen und Bauern, keine Frage. (Zwischenruf der Bundes­rätin Steiner-Wieser.) Und gerade hat man Borealis an einen ausländischen Anbieter verkauft – also kein glücklicher Zufall, auch da hat die Öbag keinen guten Dienst erwie­sen: Es wäre wichtig gewesen, das in österreichischer Hand zu halten.

Auf uns kommt eine Menge zu, auf uns kommen eine Menge Schwierigkeiten zu. Ganz ehrlich: Mit Einmalzahlungen löst man die Probleme der Menschen jetzt nicht, die haben es sich aber verdient, dass sie wirklich eine Unterstützung, die sofort und schnell hilft, und Maßnahmen, die sofort und schnell helfen, bekommen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Öster­reich braucht ein echtes Preissenkungspaket statt Einmalzahlungen, die verpuffen bevor sie bei den Menschen ankommen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umge­hend ein Maßnahmenpaket zuzuleiten, welches die Preise nachhaltig senkt und für die Zeit der Teuerungskrise – statt Einmalzahlungen – dauerhafte Hilfe für die Menschen in Österreich garantiert. Zu diesen Maßnahmen zählen insbesondere“

– und das ist es –:

„1. Die Rücknahme der Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten und Einfrieren dieser Mieten bis ins Jahr 2025“

(Bundesrat Raggl: Machen wir das in Wien gleich voraus!)

„2. Die – für die Zeit der Krise befristete – Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas, Sprit und Lebensmittel des täglichen Bedarfs, begleitet von einer umfassenden Preiskontrolle mit harten Sanktionen

3. Einen Preisdeckel für Energie (z.B.: für Strom- und Spritpreise) nach dem Vorbild anderer EU-Länder“

(Bundesrat Preineder: Das gibt es ja nicht! ... Ungarn ...!)

„wie Frankreich, Portugal, Spanien, Slowenien oder Kroatien

4. Eine vorgezogene Pensions- und Pflegegeldanpassung um 6 Prozent ab Juli 2022

5. Eine sofortige Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des Letzteinkom­mens“

(Ruf: Wieso, wir haben Vollbeschäftigung!)

„und die Verdreifachung des Familienzuschlages

6. Eine Abschöpfung der Übergewinne von Energiekonzernen nach dem Vorbild anderer EU-Länder“

(Bundesminister Brunner: Wien Energie!)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 32

„und dem Vorschlag der EU-Kommission zur Finanzierung der Anti-Teuerungs­maß­nah­me sowie der Energiewende.“

*****

Das sind unsere Vorschläge, wie wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns die Entlastung vorstellen, die wirklich wirken und den Menschen helfen würden.

Es ist nicht gut, was jetzt passiert, indem gesagt wird: Also die Pensionen, die werden wir jetzt nicht anpassen! – Herr Bundesminister, die Pensionistinnen und Pensionisten wissen wirklich nicht mehr, wie sie es schaffen sollen. Sie wissen oft nicht, wie sie die Miete zahlen sollen, sie haben Angst vor Delogierungen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Personen sich an uns wenden und sagen: Wir können nicht mehr! Gerade ältere Personen, aber auch jüngere Personen, die sagen: Ich habe keine Chance mehr, mir meinen eigenen Hausstand, mein eigenes Leben zu gründen! – Wer traut sich denn jetzt noch, einen Vertrag mit einem Energieunternehmen einzugehen, bei der Höhe der Energiekosten?!

Die Situation ist mehr als schwierig, und es braucht jetzt wirklich Maßnahmen, die den Menschen helfen, und es braucht auch für die Arbeitslosen, auch das ist ganz klar, end­lich eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. (Bundesrat Raggl: Wir haben mehr offene Stellen als Arbeitslose!) – Wir haben jetzt Gott sei Dank – und wir freuen uns alle darüber – eine Arbeitsmarktlage, die das ermöglicht, aber binnen Kurzem kann es sein, dass die Arbeitslosensituation wieder eine ganz andere ist. Die Situation ist zu schwierig, so ist es. (Bundesrat Spanring: Macht es einmal vor in Wien! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Habt ihr in Wien die Energiepreise gesenkt?!) – Ich kann nur darauf hinweisen: Das Antiteuerungspaket in Wien, das ist wirklich eines! Das Land Wien gibt die meisten Zahlungen (Rufe bei der FPÖ: Ja, da seid ihr gut! Ja, ja, genau!) für die Unterstützung von Menschen aus, die es jetzt wirklich brauchen. (Bundesrat Spanring: Leere Worte! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es geht jetzt nicht ums Schreien, sondern es geht darum, dass man die Situation der Menschen, wie es ihnen jetzt geht, wahrnimmt und ihnen endlich aus dieser Situation heraushilft (Bundesrat Spanring: Dann macht was! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), und das ist die Aufgabe der Bundesregierung, und sie schafft es nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

10.08


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Österreich braucht ein echtes Preissenkungspaket statt Einmalzahlungen, die verpuffen bevor sie bei den Menschen ankommen“, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich erteile dieses.


10.08.37

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geschätzte Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie! Ob in Österreich, in anderen europäischen Staaten oder auf der gesamten Welt, ich glaube, eines ist klar: Wir befinden uns in sehr fordernden Zeiten, darüber sind wir uns alle einig.

Durch den Ukrainekrieg wird die Wirtschaft noch einmal sehr stark belastet. Die Ener-gieversorgungsproblematik ist da, es gibt die Diskussion um die Versorgung mit


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 33

Lebensmitteln und schließlich und endlich die daraus entstehende Teuerung. Das sind alles Dinge, die uns belasten, die jeden von uns belasten, jeden Tag.

Deswegen ist es auch die Aufgabe der Politik, etwas dagegen zu tun, und deswegen wollen wir heute hier das zweite Entlastungspaket der Regierung in der Höhe von 28 Milliarden Euro für die Bevölkerung diskutieren und darüber abstimmen. Ziel ist es, die Teuerung abzufedern. Wie schaffen wir das? – Indem wir die Kaufkraft der Leute fördern (Bundesrat Hübner: Aha, damit wird die Teuerung ...!), sodass auch die Wirt­schaft weiter funktionieren kann, und das funktioniert nun einmal nicht, wenn man, wie die Opposition auf der Seite der FPÖ, versucht, Stimmen zu lukrieren und schon im Wahlkampf ist; das funktioniert aber auch nicht (Bundesrätin Steiner-Wieser: Na geh!), wenn man aufseiten der SPÖ heute hier sitzt und sagt: Das geht alles nicht, diesem Antiteuerungspaket können wir nicht zustimmen! – und gleichzeitig werden in Wien sämtliche Gebühren erhöht.

Wien Energie erhöht die Preise um 94 Prozent. (Bundesrat Raggl: Wahnsinn!) Also manchmal sollte man vielleicht zuerst vor der eigenen Tür kehren, bevor man sich hierherstellt und sagt, das ist alles ungenügend. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Schreuder.)

Mit dem Entlastungspaket helfen wir nämlich genau dort, wo die Betroffenheit am größten ist: bei den Familien, bei den Pensionisten und Pensionistinnen – so wie Sie es auch schon gefordert haben, genau das tun wir – und bei den Geringverdienern. So zahlen wir zum Beispiel zusätzlich zur Familienbeihilfe 180 Euro noch im August aus, das kriegt jedes Kind, das Familienbeihilfe bezieht.

Mit dem Teuerungsabsetzbetrag wird besonders den Menschen mit einem Einkommen zwischen 1 000 und 2 000 Euro geholfen. Das sind die Menschen, die durch die Teue­rung besonders betroffen sind. (Bundesrätin Schumann: Einmal!) Das sind die Pen­sionistinnen und Pensionisten, das sind Familien, das sind Alleinverdiener, das sind Einpersonenunternehmen. Zusätzliche Einmalzahlungen von 500 Euro direkt über die Steuerveranlagung (Bundesrätin Steiner-Wieser: Der Mittelstand stirbt aus!): Das ist Geld, das schnell ankommt. Ebenso gibt es den Klimabonus und den Antiteuerungs­bonus. Das sind noch einmal 500 Euro für jeden Erwachsenen und 250 Euro für jedes Kind. Das sind am Ende des Monats bei einer vierköpfigen Familie 1 500 Euro. Das ist ein zusätzliches Monatsgehalt – das muss man sich einmal vorstellen! –, das man einfach so bekommt, um die Teuerung abzufedern, um die Kaufkraft zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Wir schaffen die kalte Progression, die schleichende Steuererhöhung durch die Inflation, ab. Wir werden die Lohnnebenkosten in Österreich senken, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Nur so kommen wir erfolgreich aus der Krise heraus. Nur so schaffen wir es, die Kaufkraft in den Familien zu halten, die Familien, die Pensionisten, die unterste Einkommensteuerklasse zu entlasten und zu unterstützen – das sind die, die es am meisten betrifft –, anstatt die Gießkanne anzuwenden, die Mehrwertsteuer einfach zu senken und zu sagen: Jeder, egal welches Einkommen er hat, soll weniger zahlen! Das ist nämlich nicht sozial treffsicher. (Rufe bei der SPÖ: Ja, genau! 500 Euro Gießkanne!)

Fakt ist: Mit dem Entlastungspaket helfen wir kurz- und mittelfristig und denen, die es sozial betrifft. Das ist das, was wir jetzt machen müssen. Es ist schon ein bisschen bitter, dass die Opposition das heute ablehnt. Die Maßnahmen sind durchdacht, sie kommen bei den Menschen an, und trotzdem werden sie von der Opposition abgelehnt. Wir stärken den Wirtschaftsstandort Österreich, und was passiert? – Die Opposition sagt: Nein, da gehen wir nicht mit! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das ist schon ziemlich schwierig zu argumentieren, finde ich. Das ist heute hier im Plenarsaal schwierig zu argumentieren, aber es ist noch schwieriger bei der Bevölkerung zu


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 34

argumentieren. Das werden Sie die nächsten Wochen schon auch noch merken. (Bundesrätin Schumann: Ja, genau! Darum habt ihr so hohe Vertrauenswerte!) – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

10.12


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile dieses.


10.13.10

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister! Liebe Vorrednerinnen Schumann und Wolff! Liebe Kollegin Wolff, obwohl Sie meine unmittelbare Vorrednerin gewesen sind, erlauben Sie, dass ich nicht gleich auf Sie eingehe, sondern mich ein bisschen mit der Sozialdemokratie und der Kollegin Schumann befasse. (Bundesrätin Schumann: Mit mir persönlich bitte nicht! Nur mit der Sozialdemokratie, wenn es geht!) – Ich befasse mich Ihnen so, wie ich es für erforderlich erachte (Beifall bei der FPÖ), und glauben Sie mir: Ich werde nicht Ihr Privatleben und Ihre Sportgewohnheiten zur Sprache bringen, sondern ausschließlich das, was Sie hier gesagt haben.

Was an Ihnen so besonders interessant war, ist, dass Sie mit Ihren Worten hier geradezu ein orwellianisches Doppeldenken an den Mann gebracht haben. (Bundesrätin Schumann: An den Mann?! Das tut mir leid, ich hätte es gern auch an die Frau gebracht!) Sie haben es also in jedem einzelnen Satz geschafft, genau das Gegenteil von dem auszusagen, was Sie im vorhergehenden Satz gesagt haben. Sie haben einmal damit begonnen: Das Paket ist ein Beweis für die Durchschlagskraft der österreichischen Arbeitnehmer­ver-tretungen, Gewerkschaft und Arbeiterkammer, die haben das durchgesetzt. (Bundes­rätin Schumann: Dass überhaupt ein Paket da ist!)

Zweiter Satz: Das Paket ist nicht das, was wir Sozialdemokraten wollen, denn uns geht es um die Menschen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Dritter Satz: Es ist völlig unbrauchbar, weil es aus Einmalzahlungen besteht und das keine nachhaltige Bekämpfung der Inflation ist. Richtig! (Bundesrätin Schumann: Danke! – Ruf: ... Oberlehrer, oder was?) Richtig, das steht aber im Widerspruch zu Satz eins.

Es geht ja aber immer besser weiter. Dann wird es besonders gut, wenn Sie – durchaus richtig – sagen: Wir brauchen einen Preisdeckel bei der Energie, wir brauchen einen Mietzinsstopp, und wir brauchen eine Politik, wie sie Sozialdemokraten machen – da ist der größte Widerspruch. Frau Kollegin Schumann, wo sind Sie Mitglied? – Soweit ich weiß in der SPÖ Wien. Wer herrscht denn in Wien? Wer entscheidet denn dort in den gemeindeeigenen Energieversorgungen? Wer entscheidet denn bei Wiener Wohnen? (Bundesrätin Schumann: In Wien wird nicht geherrscht! Nein, nein! Das ist ein Fehler! Wir haben eine Demokratie, da wird nicht geherrscht!) – Nicht die FPÖ, aber auch nicht die ÖVP, da muss man Kollegen Brunner entschuldigen, sondern ausschließlich und seit Jahrzehnten und Generationen die Sozialdemokratie.

Jetzt wollen wir einmal schauen: Wir brauchen einen Energiepreisstopp. Das setzt die Sozialdemokratie natürlich in Wien um. Wien ist ja auch meine Heimat, deswegen ist mir ein bisschen bekannt, was da abgeht. In Wien gibt es ein Unternehmen, das irrefüh­ren­derweise vergesellschaftet ist, das in Form einer Gesellschaft geführt wird, obwohl es keine Gesellschaft ist, sondern der Stadt Wien gehört: Das nennt sich Wien Energie. Das wird, glaube ich, bekannt sein. Über Wien Energie kann man Gas und Strom beziehen, und das tut auch die überwiegende Mehrheit der Wiener Bevölkerung.

Schauen Sie sich einmal die Bilanz von Wien Energie für das Jahr 2021 an, die ist vor Kurzem veröffentlicht worden – gute Idee, wenn man meint, Politik für die Menschen zu machen –: Die Wien Energie hat Einnahmen, die sie dadurch erzielt, dass die Leute, die


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 35

die Energie abnehmen, etwas zahlen, das sind die Wiener, von – wie viel? – 3 Milliarden Euro.

Wie viel Gewinn hat sie im Jahr 2021 gemacht, bevor die großen Erhöhungen gekom­men sind? – 998 Millionen Euro, knapp eine Milliarde Euro! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Na bravo!) Das heißt, die Wien Energie hat bereits 2021 eine Umsatzrendite von circa 35 Prozent erzielt. Das sind Gewinne, wie sie sich die größten kapitalistischen Multis auch nur erträumen – außer die Impffirmen, die haben aufgrund der guten Politik noch größere gemacht. Nun würde man glauben: Na ja, eine Milliarde Euro Gewinn, jetzt ist es aber an der Zeit, den Bürgern ein bisschen etwas zurückzugeben. – Nein, es gibt in Österreich kaum größere Preiserhöhungen als in Wien, Verdoppelungen der Stromtarife, je nachdem, welchen man hat. Die Fernwärme Wien hat die Preise um 95 Prozent erhöht. Die Fernwärme Wien, die behauptet ja: Wir haben nachhaltige grüne Energie, die CO2-sparend ist. Es kann also nicht viel Gas oder Öl oder so etwas drinnen sein. Ich weiß nicht, wie nachhaltig da alles ist. Ein Teil wird sicherlich durch das Verbrennen von Müll gewonnen.

Jetzt schauen wir einmal, wie sehr die Politik für die Menschen gemacht wird! Man könnte natürlich sagen: Wir als Fernwärme Wien machen Politik für die Menschen, indem wir für die Gesundheit sorgen und sie dazu zwingen, die Temperatur in ihren Zim­mern zu senken – kann sein. (Bundesrätin Schumann: Also Ihnen gefällt das Teue­rungspaket der Regierung, oder was?! Gefällt Ihnen das Teuerungspaket?) Wenn man das aber nicht so zynisch sieht – ich glaube, Frau Kollegin, so zynisch sehen nicht einmal Sie das –, dann ist das ein Raubzug eines Unternehmens, das Gewinne macht, wie es in der Privatwirtschaft kaum vorstellbar ist. (Bundesrätin Schumann: Gefällt Ihnen das Paket der Bundesregierung?)

Frau Kollegin, ich verstehe, dass Sie sich ungern mit der SPÖ Wien und mit der Preis­politik im Energiesektor befassen, aber ich habe gesagt, dass mir dieses Paket nicht gefällt, und ich habe auch gesagt, dass ich mich mit Kollegin Wolff nach Ihnen auch auseinandersetzen werde, und da wird das zur Sprache kommen. (Beifall bei der FPÖ.) Trotzdem wollen wir uns aber ein bisschen mit den Realitäten befassen, die uns zeigen, wie Sozialdemokraten, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, die Bürger ausnehmen und gleichzeitig hier alles das fordern, was sie nicht machen. Daher bitte: Ich habe Ihnen keine Vorschriften zu machen und ich mache Ihnen keine, aber ich kann Ihnen die Anregung geben, künftig vor der eigenen Haustür (Bundesrat Kovacs: Das ist überhaupt das Ärgste!), sprich vor dem Wiener Rathaus, zu kehren, bevor Sie hier gute Ratschläge geben und sich als Politikerin für die Menschen aufspielen. (Beifall bei der FPÖ.)

Mietzinsstopp ist auch gut, das ist in dieser Situation sicher ein wichtiges Thema. Was hat denn Wiener Wohnen gemacht? – Wiener Wohnen hat die Mieten maximal, soweit es gesetzlich möglich war, angehoben (Bundesrat Steiner: Außer bei der SPÖ!), sofort und maximal – außer natürlich in der Löwelstraße, außer bei den Räumlichkeiten, die die Bundespartei angemietet hat. (Bundesrätin Schumann: Wir müssen wirklich gut unterwegs sein als Sozialdemokratie, wenn Sie uns so sehr behandeln ...!) Für die Bundespartei sind Sie ja nicht verantwortlich, deswegen will ich Ihnen das nicht vorwerfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Na ja, also ich glaube, das reicht. Ich darf jetzt zum vorliegenden Paket, zu den Ausfüh­rungen, die Kollegin Wolff für die Regierung gemacht hat, und zu den Ankündigungen, Aussendungen und so weiter, die der Herr Minister dazu gemacht hat, ein bisschen Stellung nehmen.

In einem hat Frau Kollegin Schumann recht da kann ich Sie von der Wucht der Vor­würfe, die da gekommen sind, wieder entlasten –, nämlich dass dieses Paket wirklich völlig unbrauchbar ist. Es ist eine Fortsetzung der Politik, dass es keine Entlastung, keine


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 36

Inflationsbekämpfung geben darf, sondern dass man die Schmerzen nur mit homö­opathischen Dosen  die mit maximalem bürokratischen Aufwand verteilt werden, die undurchsichtig, intransparent sind, für die Bürger zu einem Riesenaufwand an Antrag­stellereien, Formularausfüllungen führen  etwas lindern darf.

Frau Kollegin Wolff! Die Inflation, das wird Ihnen ja der Herr Minister auch sagen, be­kämpft man nicht, indem man die Kaufkraft stärkt. Also theoretisch ist das Kaufkraft­stärken etwas, das die Nachfrage erhöht, und das ist, ohne jetzt in die Tiefen der Öko­nomie einzusteigen, nicht unbedingt etwas, was die Inflation senkt. Die Inflation zu sen­ken heißt, sich anzuschauen, wo und wer die Preistreiber sind, was auf diesem Markt los ist.

Damit kommen wir zu dem, was auch die Wien Energie als sozialdemokratische, im Sinne der Menschen agierende Institution macht: Die Energieunternehmen, die zum Großteil im öffentlichen Bereich sind, zumindest von der öffentlichen Hand beherrscht werden, nützen die derzeitige Marktverzerrung aus, um maximale Gewinne zu machen und ihre Gewinne um 300, 400 Prozent auf dem Rücken der Konsumenten zu steigern. Wir sind in einer Situation, in der es ein eklatantes Marktversagen gibt, Herr Minister. Da reden wir nicht von Gesetzen des Marktes, da reden wir von einem Marktversagen, wie ich es zumindest in den letzten 40 Jahren, seit ich also aufmerksam und genau die Politik verfolge, nicht gesehen habe.

Da geht es ja nicht darum, dass Preissteigerungen weitergegeben werden. Da geht es darum, dass man über spekulative Ansätze einen Profit erzielt, der einfach unmoralisch ist. Nehmen Sie den Benzinpreis, Sie haben das angesprochen, es ist ja richtig, eine Benzinpreisdeckelung gehört her, da bin ich ganz bei Ihnen, ein klassischer Fall des Marktversagens. Sie wissen, ein Fass Öl  der Ölpreis wird immer pro Fass ausgedrückt (Bundesrätin Schumann: Barrel! – Bundesrat Schreuder: Das ist kein deutsches Wort!) – kostet derzeit 106, 107 Dollar. Ein Fass Öl hat vor der Ukrainekrise, also im Februar, 80 Dollar gekostet. Jetzt ist das eine einfache Divisionsaufgabe: Ein Fass Öl hat ungefähr 160 Liter, also 159 Komma irgendwas. Dividiert man  fangen wir einmal im Februar an  80 durch 160, dann kommt man auf einen Ölanteil von ungefähr 50 Cent beim Preis pro Liter Sprit. Wenn der Ölpreis jetzt um 20, 25 Prozent steigt, steigt der Erdölanteil am Benzinpreis um 10, 15 Prozent, ah, um 15 Cent. Nehmen wir 30 Prozent: Bei einer 30-prozentigen Steigerung sind aus 50 Cent 65 geworden.

Wie entwickeln sich aber die Benzinpreise, steigen die um die 15 Cent? Nein! Diesel-, Benzinpreise steigen von 1,20 auf 2,10 Euro, das heißt, sie steigen um 90 Prozent. Das heißt, 65 Cent das ist gewaltig viel bei einem Liter  sind einfach Gewinne, die irgend­wo gemacht werden, teilweise auch im Finanzministerium durch erhöhte Steuerein­nahmen. (Bundesrat Schreuder: ... schauen wir mal das Teuerungspaket an!) Das sind diese Gewinne, die Sie nicht hergeben wollen. Das ist interessant.

Warum will man das nicht hergeben? Warum will man da nur Boni machen? Ich habe mir das Gewirr genau angeschaut, was es da alles gibt: Es gibt Boni, Gutscheine, Ein­malzahlungen, Befreiungen, Sonderabsetzposten und so weiter, alles im 100-Euro-Be­reich. Es gibt eine echte Befreiung, ja, das ist richtig. Frau Kollegin (in Richtung SPÖ), zuhören, das ist eine soziale Tat! (Bundesrätin Schumann: Hört die SPÖ nicht zu bei sozialen Taten?) – Ich sage ja nur, hören Sie zu! (Bundesrätin Grimling: Hört ihr zu?) Das ist jetzt eine soziale Einrichtung, so wie die Regierung soziale Politik macht: Es gibt eine Totalbefreiung von der Energieabgabe. Was glauben Sie, für wen? Für Mindest­pensionisten? Für Asylwerber? Nein, für Fahrzeuge, die im diplomatischen oder konsularischen Dienst tätig sind. Das ist die einzige Befreiung. Das ist ganz wichtig, das ist der Beitrag im Kampf gegen die Teuerung.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 37

Sonst gibt es keine Befreiungen, sonst gibt es Mitziehen mit Abgaben und Steuern, mit den riesigen Preiserhöhungen, die spekulativ gemacht werden, aber kein Wort über Versuche, diese Gewinne einzubremsen oder abzuschöpfen, kein Wort über Preis­deckel, kein Wort über Steuersenkungen, nur Boni, Gutscheine, Einmalzahlungen und dergleichen.

Frau Kollegin Wolff, Sie werden sich nicht wundern, dass ich trotz Ihrer anderslautenden Ausführungen der Ansicht bin, dass das, was da gemacht wird, nicht nur keine Infla­tions­bekämpfung, sondern eine beharrliche Anfachung der Inflation ist, indem man Steuern und Abgaben hier mitwachsen lässt und damit der Druck auf die Bevölkerung steigt.

Ja, es ist natürlich wichtig, es ist eine zentrale Aufgabe, dass wir Leuten, die Min­destsicherung beziehen, die Mindestpensionen haben oder die sonst am untersten Rand des Einkommens liegen, helfen, aber das sind nicht 100 Prozent der Österreicher. Herr Minister, Frau Zwazl, es gibt auch – übrigens in der ÖVP vielleicht nicht ganz unbe­kannt  einen Mittelstand. Es gibt auch Leute, deren Einkommen über der Mindest­sicherung liegt. Die werden nicht entlastet, Frau Kollegin Wolff, sondern sie werden maximal belastet, mit dem ewigen Argument: Ja, wenn wir einen Preisdeckel machen, wenn wir Steuern senken, dann kommt das ja allen zugute und das ist dann das böse, asoziale Gießkannenprinzip! Ja, ist klar. Sie sagen, alle haben alles abzuliefern, nur die Mindestsicherungsbezieher, Mindestpensionisten und alle, die aufgrund der ständig steigenden Inflation aus der Selbsterhaltungsfähigkeit herausfallen, die werden halt quasi am Leben erhalten, aber die anderen haben Pech gehabt.

Ich glaube, in Summe ist dieses sogenannte Teuerungs- oder Antiteuerungspaket ein Schlag ins Gesicht der Vernunft. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Gerechtigkeit, es ist ein Schlag ins Gesicht aller, die gegen Bürokratie und Schikane der Bürger eintreten. Das ist das Beste, was man machen kann, um die jetzige Krise anzufachen, die Inflation zu erhöhen und die Bürger dumm sterben zu lassen. Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.27


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau MMag.a Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.


10.27.19

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Minister! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, – Gäste sind keine mehr hier, o ja, einer – lieber Gast hier und liebe ZuseherInnen vor den Bild­schirmen! Um den bekannten Vorwürfen, die im Entschließungsantrag zum Teuerungs­ausgleichspaket genannt sind, gleich etwas entgegenzuhalten: Nein, das Paket ist weder willkürlich zusammengeschnürt noch handelt es sich um Einmalzahlungen, die gleich verpuffen – ich werde es jetzt nicht noch einmal wiederholen; auch die Stadt Wien macht solche Einmalzahlungen, aber das ist auch gut so, denn sie gleichen Teuerungen aus , nein, im Gegenteil! ist ein mit Wirtschafts- und SozialexpertInnen durchdachtes Paket, das einen Fokus auf die Menschen mit niedrigem Einkommen legt, nämlich auf die, die die Teuerung am stärksten trifft. Es umfasst verschiedenste Maßnahmen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Auszahlung kommen. Das ist ein wichtiger Punkt.

Ja, es ist nicht der Weisheit letzter Schluss, so anmaßend, glaube ich, kann niemand in dieser Krisensituation sein. Wir haben nicht jedes Jahr Pandemie und wir haben nicht immer Krieg in Europa und es gab auch nicht immer eine menschengemachte Klima­krise, eine Klimakrise, die lange niemandem bewusst war.

Keine Frage, es gibt sicherlich mehrere Ansätze, gegen die Teuerung vorzugehen, aber ein Wunderwuzzimaßnahmenpaket gibt es nicht. Das haben weder Sie, noch haben wir


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 38

das. Ich glaube, das müssen wir uns zugestehen. Wenn wir das in der Politik endlich einmal als Prämisse annehmen würden, wäre das gut für die Gesellschaft, aber genauso für die Kultur des Umgangs miteinander, dann könnten wir miteinander reden und ein bisschen besser über die Maßnahmen debattieren.

Stattdessen beanspruchen Sie aber, die einzig richtige Lösung zu haben, und be­haup­ten, nur Sie würden den Staat richtig lenken und nur Sie würden sich um die Menschen sorgen. Sie behaupten, die Regierung ist die meiste Zeit untätig, obwohl Sie wissen, dass das alles eine absolute Unwahrheit und eine grobe Unterstellung ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir alle können hinsichtlich der Klimakrise mehr Realismus und Wahrheit vertragen, aber genauso hinsichtlich der Ausbeutung, für die wir anderen Staaten gegenüber und anderen Menschen gegenüber verantwortlich sind, aber auch hinsichtlich der Lenkungs- und Teuerungsausgleichsmaßnahmen, die weltweit vorbildlich sind.

Liebe FPÖ und liebe SPÖ, nutzen Sie lieber Ihre Medienmacht und bleiben Sie bei der Wahrheit. (Bundesrat Schennach: Medienmacht?) Das tut nicht nur unserer Debatten­kultur gut, sondern würde auch die Politikverdrossenheit der Bevölkerung verringern.

Jedenfalls, das kann ich aus tiefer Überzeugung sagen, hat die Regierung schnell und bedacht und im Austausch mit ExpertInnen und Betroffenen gehandelt. Sie hat schon in den letzten Jahren die Auswirkungen der Coronakrise gedämpft und für den Erhalt der Zahlungsfähigkeit der Menschen gesorgt und Maßnahmen gesetzt, um die fehlenden Einkünfte der Menschen, aber auch der Unternehmen und der Gebietskörperschaften abzufedern.

Vor ein paar Tagen lobte gar der Gemeindebundchef die Gemeindepakete, denn es zeigt sich nun, dass im Vergleich zu den Vorjahren ohne Pandemie im Jahr 2021 besonders viel investiert wurde, die Gemeinden Überschüsse erwirtschaften und sogar Schulden zurückgezahlt haben. – Sie behaupten meistens das Gegenteil. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Das Teuerungs-Entlastungspaket ist ein sehr guter Mix aus verschiedenen Unterstüt­zungsleistungen, und es bietet rasche und kurzfristige Maßnahmen, die bald ausbezahlt werden, wie zum Beispiel die doppelte Familienbeihilfe im heurigen August. Es beinhal­tet aber genauso Maßnahmen, die etwas später ausbezahlt werden und mittelfristig helfen, wie der Klimabonus, der dieses Jahr im Herbst anfängt. Auch langfristig – auch wenn wir das heute nicht beschließen, ist es aber trotzdem als Gesamtpaket zu sehen – gleichen sie Ungerechtigkeiten aus, Stichwort kalte Progression. Die unterschiedlichen Maßnahmen in den unterschiedlichen Lebensbereichen – vom Autofahren mit der Erhö­hung des PendlerInnenpauschales, aber genauso auch des Pendlereuros, über das Wohnen mit dem Wohnschirm – verteilen sich auf die Jahre 2022 bis 2023. Das ist gut so, denn es schützt auch vor Kurzschlussausgaben.

Lassen Sie mich die Maßnahmen, die immer kritisiert und als viel zu wenig angesehen werden, auf einer Zeitschiene darstellen. Folgende Maßnahmen wirken sofort: der Energiekostenausgleich in Höhe von 150 Euro; die Verlängerung des Wohnschirms bis Ende 2023 – das ist die Übernahme der Mietrückstände, damit Wohnungsverlust vorgebeugt wird –; die Erhöhung des Kindermehrbetrags von ehemals 250 auf 550 Euro im Jahr für Alleinerziehende mit geringem Einkommen; die Erhöhung des Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro im Jahr pro Kind; die steuerfreie Teuerungsprämie in Höhe von 3 000 Euro, die gut für ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen ist; der Teuerungs­absetzbetrag für nicht lohn- beziehungsweise einkommensteuerpflichtige Arbeitneh­merInnen und PensionistInnen in Höhe von 500 Euro und schließlich die Verdop­pe­lung – ich habe es schon genannt – des PendlerInnenpauschales und der Vervier­fachung des Pendlereuro sowie das Aussetzen der Ökostrompauschale und die Senkung


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 39

der Elektrizitätsabgabe. – Es ist eine lange Liste und ich rede lang dazu und mög­licherweise wird manchem fad, weil er das vielleicht schon öfters gehört hat, aber ich finde, man kann es nicht oft genug aufzählen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner.)

Im August, im Sommer dieses Jahres, werden 180 Euro Familienbeihilfe pro Kind zu­sätzlich ausbezahlt. Im Herbst 2022 wird erstmalig der Klimabonus von 250 Euro pro erwachsene Person und 125 Euro für jedes Kind ausbezahlt, plus der Antiteuerungs­bonus von 250 Euro pro Person und 125 Euro für jedes Kind. Zusätzlich wird ein Teue­rungsausgleichsbetrag von 300 Euro an BezieherInnen von Unterstützungsleistungen ausbezahlt. Ab 2023 werden wie angekündigt die Lohnnebenkosten gesenkt, und vor allem wird die Bemessungsgrundlage für die Steuerstufen zu zwei Drittel an die Inflation angepasst, also die kalte Progression abgeschafft. Das verbleibende Drittel – das ist das Spannende und das ist eben nicht etwas, das dann quasi nur reichen Leuten geschenkt wird, sondern ganz im Gegenteil –, das sozusagen nicht an die Inflation angepasst wird, wird direkt an Menschen mit geringem Einkommen weitergegeben. Das ist ein wichtiges Umverteilungsinstrument. Gleichzeitig werden die Sozialleistungen und die Steuer­ab­setz­beträge an die Inflation angepasst, und damit steigen sie. Die Arbeitslosengeld­er­höhung wird auch gerade verhandelt.

Die Abschaffung der kalten Progression, die Valorisierung der Sozialleistungen haben schon viele Regierungsprogramme vor unserem enthalten, aber es wurde noch nie um­gesetzt. (Bundesrat Obrecht: Das steht nicht auf der Tagesordnung!) In vielen dieser Regierungen waren SPÖ und FPÖ verantwortlich – umgesetzt wird es jetzt. Es ist schade, oder ich sage einmal so, ich bin gespannt, ob Sie dann auch mit uns stimmen werden.

Es steht nicht auf der Tagesordnung, ja, aber es ist trotzdem als Gesamtpaket zu sehen. (Bundesrätin Schumann: Nein, es ist jetzt nicht da!) Das stimmt, es ist jetzt nicht da, aber es ist angekündigt und ich vertraue der Regierung, dass sie diese Ankündigung auch umsetzt. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Die verschiedenen Maßnahmen und Auszahlungszeitpunkte sind gut, denn sie verteilen sich bis ins nächste Jahr. Natürlich – da geben wir Ihnen natürlich alle recht – könnte es schneller gehen, das ist keine Frage, aber wir brauchen unsere Verwaltung und wir brauchen dafür leider auch Zeit.

Ja, einige Unterstützungsmaßnahmen kommen allen Menschen in Österreich zugute, allerdings nicht im selben Ausmaß  das Beispiel Klimabonus und die CO2-Bepreisung haben wir auch hier des Öfteren schon gesagt –, in Relation zu den Ausgaben ist es bei manchen Menschen weit weniger.

Wenn Menschen, die mehr Geld haben, mit großen oder mehreren Autos fahren, ver­brauchen sie weit mehr CO2 und haben eine höhere CO2-Bepreisung. Für Menschen, die kein Auto haben, die es sich nicht leisten könnten oder die schlichtweg kein Auto wollen, wie es zum Beispiel in Wien sehr viele gibt, zahlt sich das aus, das ist klima­schonendes Verhalten und das zahlt sich auch betreffend das Geld aus. (Bundesrat Spanring: Sehr gut, aber Hauptsache .... !) – Ja, liebe Kollegen von der FPÖ und auch von der SPÖ, Sie wollen Maßnahmen, die nur denen zugutekommen, die es brauchen, und Sie verlangen Mehrwertsteuersenkungen oder Mineralölsteuersenkungen. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Endlich haben Sie es kapiert! Bravo!)

Das passt aber nicht zusammen, denn das kommt nämlich nicht denen zugute, die es brauchen. Es ist nicht gewiss, dass mit diesen Senkungen die Preise für Lebensmittel oder Benzin tatsächlich hinuntergehen, denn wie wir im Umland von Österreich sehen, hat eine Mehrwertsteuersenkung weit mehr Implikationen – das sollten Sie sich an­schauen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie ist nicht nur nicht zielsicher, sondern sie bringt


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 40

weniger Einnahmen für den Staat (Bundesrat Steiner: Ach so?!) und damit weniger Umverteilungsmöglichkeiten. Des Weiteren müsste die Mehrwertsteuersenkung von den Handelsunternehmen an die KundInnen weitergegeben werden. Das zu überprüfen, ist aber auch kaum möglich. Wir befinden uns immer noch in einer Privatwirtschaft und nicht in einer Planwirtschaft. Ich glaube, darüber sind wir alle froh.

Viele Maßnahmen in diesem Paket, wie der Energiekostenausgleich, der Teuerungs­absetzbetrag, der Teuerungsausgleichsbetrag – ja, ich lese es noch einmal vor –, der Antiteuerungsbonus, der Wohnschirm oder die geplante Valorisierung der Sozialleis­tun­gen (Bundesrätin Schumann: Alles Ankündigungen!) kommen vor allem den Menschen mit geringem Einkommen zugute. (Bundesrätin Schumann: Lauter Ankündigungen, aber sonst nix!)

Das ist mit diesem Paket gelungen, und ich muss sagen, ja, ich bin stolz darauf, was in so kurzer Zeit zustande gebracht wurde. Das Gute an Einmalzahlungen – das weiß auch die Stadt Wien –: Sie können bei Bedarf jederzeit ausgeweitet und wiederholt werden.

Alles in allem, das sage ich noch einmal: Es ist ein gutes, ein vielfältiges und damit risikominimierendes Teuerungsausgleichspaket, das jedenfalls den Menschen hilft, denen die Teuerung wehtut. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Mittelstand stirbt aus!) Das sollte in unser aller Sinn sein, daher fordere ich Sie dringendst auf, diesem Paket zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.38


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.


10.38.45

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich möchte zur Abwechslung zu dem, was tatsächlich auf der Tagesordnung steht und was wir heute beschließen, reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollegen Leinfellner wurde beim Tagesordnungspunkt 1 zu Recht der Vorwurf gemacht, die Rede aus Anlass dessen, was zu beschließen ist, über ein Thema, das damit viel­leicht in Zusammenhang steht, das aber gar nicht beschlossen wird, zu halten. Das Gleiche machen die Regierungsparteien bei diesem Tagesordnungspunkt, wenn sie ihre Pläne und Ankündigungen abfeiern, die heute aber gar nicht beschlossen werden sollen (Beifall bei der SPÖ), denn der Großteil der ominösen 28-Milliarden-Euro-Entlastung steht heute gar nicht auf der Tagesordnung.

Man muss dazusagen, diese 28 Milliarden Euro setzen sich ja zum Großteil nicht aus Mehrausgaben oder Mindereinnahmen zusammen, sondern aus nicht erfolgenden Ein­nahmensteigerungen. Das heißt, das ist ja nur eine Ableitung des Ganzen, und ich finde, das sollte man nicht vermischen. Man sollte sich nicht für Sachen abfeiern, die die Substanz nicht haben.

Die kalte Progression wird heute nicht abgeschafft, es wurde auch angekündigt, dass sie nur zu zwei Dritteln abgeschafft werden soll – das ist wieder eine österreichische Lösung, etwas möglichst kompliziert zu regeln, anstatt es einfach zu machen –, und sie soll auch gar nicht für heuer abgeschafft werden, sondern erst für nächstes Jahr.

Wenn man sich andere Punkte, die tatsächlich heute beschlossen werden und die teil­weise auch positiv sind, anschaut, dann merkt man aber, dass heute Entlastungen auch rückwirkend mit 1.1.2022 beschlossen werden sollen, was ja gut ist. Das ist zum Beispiel der Kindermehrbetrag, der rückwirkend mit 1.1.2022 erhöht wird. (Bundesrat Schennach: Trifft auch ... sozial Schwachen!) Es wird der Familienbonus Plus, was eine gute Sache


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 41

ist, rückwirkend mit 1.1.2022 erhöht. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Deswegen ist es im Wesentlichen eine Ausrede, dass die kalte Progression nicht rückwirkend abge­schafft werden kann.

Es sind bei den Sachen, die wir heute beschließen, auch andere positive Sachen dabei, zum Beispiel die Erhöhung des Pensionistenabsetzbetrags, des Verkehrsabsetzbetrags, der nämlich einkommensabhängig und nicht für alle erhöht wird; genauso ist die bis 3 000 Euro steuerfreie in Anführungszeichen  „Teuerungsprämie“ ein positiver Punkt. Im Familienlastenausgleichsgesetz ist die Einmalzahlung ambivalent, da es nur eine Einmalzahlung ist. Grundsätzlich ist die Familienbeihilfe aber bisher zu gering und soll in Zukunft ja auch inflationsangepasst werden  das ist ein positiver Punkt.

Die Teuerungsprämie, also dieser Teuerungsausgleich, der in den Sozialver­sicherungs­gesetzen eingeführt werden soll, betrifft ja vorwiegend Personen mit Einkünften unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz, insofern ist das etwas sozial Treffsicheres. Also es geht ja, es muss nicht alles nach dem Gießkannenprinzip gemacht werden.

Ein großes Manko, das heute im ASVG beschlossen wird: Es werden zwar die Lohn­nebenkosten, was die Unfallversicherungsbeiträge betrifft, von 1,2 Prozent auf 1,1 Pro­zent gesenkt, es ginge aber noch mehr, weil die AUVA ja noch jahrelang, wenn nicht noch länger, Überschüsse hat. Das große Problem ist aber, dass gleichzeitig ein Pau­schalbetrag von 140 Millionen Euro von der AUVA zur ÖGK überwiesen wird. Das könnte man sich sparen, besser wäre eine Senkung der AUVA-Beiträge.

Das große Negativum, das unter TOP 2 und 3 beschlossen wird, sind der sogenannte Klimabonus und die Verschiebung der CO2-Bepreisung. Die CO2-Bepreisung soll um drei Monate verschoben werden, das bedeutet, dass die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung heuer ungefähr nur noch bei 250 Millionen Euro liegen werden. Gleichzeitig werden mit der Gießkanne unter dem Titel Klimabonus und Antiteuerungsbonus 500 Euro pro Person an alle ausgeschüttet.

Ich meine, es ist zwar gut, dass der Klimabonus jetzt nicht mehr danach differenziert wird, wo der ÖVP-Wähler-Anteil am höchsten ist, sondern dass er für alle Öster­reiche­rinnen und Österreicher gleich hoch sein soll. Allerdings werden durch die Entkopplung des CO2-Preises und der Einnahmen aus dem CO2-Preis die klimafreundlichen Wir­kungen dieses Klimabonus komplett konterkariert, also es werden heuer 4 Milliarden Euro  2,8 Milliarden Euro mehr als bisher  ausgeschüttet.

Das ist eine Transferzahlung an alle Österreicher, also auch an diejenigen, die nicht für die Wirkungen der Teuerungen kompensiert werden müssten. Es stehen tatsächlich weniger staatliche Mittel für Investitionsausgaben zur Verfügung, die man anstelle dieser mit der Gießkanne verteilten Mittel für Bildung, für grüne Infrastruktur, für Forschung investieren könnte, und das wären nämlich die Ausgaben, die Standort, Wirtschafts­standort und Wachstum sichern würden.

Die eigentliche Wirkung oder der eigentliche Effekt, der durch die CO2-Bepreisung und den Klimabonus geplant gewesen wäre, nämlich klimafreundliches Verhalten zu beloh­nen und klimafeindliches Verhalten zu bestrafen, wird jetzt überhaupt nicht mehr wirk­sam sein, den Konnex gibt es gar nicht mehr. Der noch größere Nachteil von solchen milliardenhohen Gießkannenzahlungen ist, dass sie Inflationsantreiber sind, insofern lehnen wir dieses Paket ab. Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.45


Vizepräsident Günther Novak: Bevor wir in der Debatte fortfahren, möchte ich auch von dieser Stelle aus unserer Präsidentin, Frau Mag. Schwarz-Fuchs, alles Gute zum Geburtstag wünschen, vor allem Gesundheit und Zufriedenheit. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 42

Persönlich möchte ich von meiner und unserer Seite auch noch für die wertschätzende Zusammenarbeit während deiner Präsidentschaft danken.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich unser Bundesminister Dr. Magnus Brunner. Ich erteile ihm das Wort.


10.46.21

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Ich darf mich den Geburtstagswünschen an die Frau Präsidentin natürlich gerne anschließen. Herzlichen Glückwunsch!

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Man kann bei allem natürlich anderer Mei­nung sein, das ist überhaupt keine Frage, man sollte das aber mit Argumenten tun, nicht mit Unwahrheiten auf der einen Seite, man sollte es auch nicht mit Aggressivität (Bun­desrat Steiner: ... hat keine Argumente gebracht, oder?), wenn vielleicht Argumente fehlen, auf der anderen Seite tun. Also bitte: Anderer Meinung zu sein, ist total in Ord­nung, man soll die Argumente austauschen, aber man soll eben Argumente verwenden und nicht so aggressiv sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Beginn war ich von Kollegen Hübners Rede relativ angetan, dann ist es ein bissel abgedriftet, aber dazu komme ich noch bei ein paar Themenstellungen.

Wir haben insgesamt große Herausforderungen vor uns, ja, denen wir uns stellen müs­sen. Diese Herausforderungen verlangen von einer Bundesregierung auch, dass sie an großen Schrauben dreht. Das tun wir in Form der vorliegenden Gesetzespakete, aber auch mit Paketen, die bereits beschlossen worden sind. Die hohe Inflation sorgt weltweit für große Herausforderungen, das ist, glaube ich, jedem klar. Die steigenden Kosten aufgrund der hohen Inflation bereiten allen Menschen große Sorgen, und die müssen wir ernst nehmen, das ist überhaupt keine Frage. Ich glaube, soweit ich aus der Debatte gehört habe, nimmt sie jeder ernst, aber die Zugänge sind etwas unterschiedlich; das ist prinzipiell ja durchaus in Ordnung.

Ich glaube, wenn man sich die Dinge seriös anschaut und die Maßnahmen diskutiert, muss man sich schon auch die Ursache für die Inflation anschauen. Die Inflation hat im Großen drei Gründe: Das ist auf der einen Seite die Überhitzung der Wirtschaft nach der Coronapandemie  die Wirtschaft ist auch aufgrund der Unterstützungsmaßnahmen in der Coronapandemie wieder sehr gut gestartet –, das ist zweitens die Situation bei den Lieferketten, wir haben weltweit Lieferkettenengpässe. Wer hätte gedacht, dass ein querstehendes Schiff in einem Kanal oder ein gesperrter Hafen in Shanghai solche Auswirkungen haben?  Das ist das Zweite. Der dritte große Grund für die Inflation sind natürlich der Krieg in der Ukraine und die hohen Energiepreise. Wir haben eine andere Situation als beispielsweise die USA: Die USA hat eine viel breiter aufgestellte Inflation, unsere ist sehr stark zu 50 Prozent  vom Energiepreis getrieben. Das sind also die wesentlichsten Gründe für die hohe Inflation.

Was kann ein Staat tun? Was kann die Politik tun? Wir können Auswirkungen aufgrund der hohen Inflation auf die Preise abfedern. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wir können nicht alle Krisen auf der Welt hundertprozentig kompensieren, das ist auch nicht Aufgabe der Politik, aber wir können abfedern, und das tun wir, liebe Frau Kollegin, in einem Ausmaß, das, sowohl was das Volumen als auch was die Größen­ordnung betrifft, europaweit einfach ganz, ganz vorne dabei ist.

Wir sind viel schneller – auch in Richtung Sozialdemokratie –, viel schneller als alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und den Vergleich haben wir natürlich. Wir tauschen uns auf europäischer Ebene natürlich ständig über die unterschiedlichen Zugänge, über die unterschiedlichen Maßnahmen und Möglichkeiten aus.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 43

Während bei uns die ersten zwei Pakete schnell beschlossen worden sind – im Jänner, im März –, jetzt auch schon im Parlament gewisse Maßnahmen beschlossen worden sind, diskutieren andere Staaten darüber, dass man dann im Herbst damit ins Parlament kommt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Kollege Hübner, auch was das Volumen betrifft, muss ich Ihnen natürlich wider­sprechen: Bei 28 Milliarden Euro von Homöopathie zu sprechen (Bundesrat Spanring: Bis 2030! Das Geld kommt niemals! Das ist ein Schmäh!) ist natürlich schon ein bisschen gewagt und geht fast in Richtung Verhöhnung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, wenn Sie das als homöopathisch und Tropfen auf den heißen Stein bewerten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es reicht auch nicht aus, einfach den Geldhahn aufzudrehen. Das ist sicher nicht der richtige Weg. (Bundesrat Spanring: 2026, da ist diese Regierung ...!) Viele Ideen, die im Raum stehen und die man natürlich auch gerne diskutieren kann, die auch von unterschiedlichen Rednern angesprochen worden sind, haben natürlich auch weitreichende volkswirtschaftliche Konsequenzen. Diese Konse­quenzen muss man als verantwortlicher Politiker bei den Entscheidungen natürlich schon mitberücksichtigen. Falsch gesetzte Maßnahmen führen also dazu, dass die Ent­lastung entweder gar nicht bei den Menschen ankommt oder diese sogar noch inflations­treibend wirken. Darauf müssen wir natürlich aufpassen: auf die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, Einkommensgruppen, auf die Volkswirtschaft. Das ist doch Aufgabe der Politik.

Frau Kollegin Schumann, weil da ein paar Mythen in den Raum gestellt worden sind, was das Meritordersystem betrifft: Ich komme aus der Energiewirtschaft, ich kann Ihnen sagen, das Meritordersystem ist nirgends abgeschafft worden. Das geht auch gar nicht, das geht natürlich nur europaweit einheitlich. Was man in Spanien und Portugal gemacht hat, das, was Sie angesprochen haben: Sie haben nicht das Meritordersystem abge­schafft, nein, sondern es ist ein Gaspreisdeckel, der mit der sogenannten Iberian excep­tion von der Kommission genehmigt worden ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) So viel zur Klarstellung. (Bundesrätin Schumann: Ja, machen wir das! Die haben es geschafft, wir nicht!) – Das geht in anderen Teilen Europas nicht, weil die iberische Halbinsel – des­wegen Iberian exception – ein eigener Gasmarkt ist. Das heißt, man kann einen euro­päischen Gasdeckel machen, der muss dann aber natürlich europaweit passieren. Das Meritordersystem ist natürlich nicht, und zwar von keinem Staat in dieser Welt, aus­gesetzt worden. Also bitte – nur so viel zur Klarheit und zur Klarstellung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Kovacs.)

Auch die Preisdeckelsituation und -diskussion ist ja sehr spannend. Wo hat es Preis­deckel gegeben? – Bei Benzin und Diesel in Ungarn. Das hat nicht funktioniert, es ist zu einer Verknappung gekommen. In Slowenien hat man es auch für 30 Tage gemacht, dann waren die Wahlen – komischer Zufall, dass es genau vor die Wahlen gefallen ist. Übrigens ist die Regierung, die diesen Preisdeckel gemacht hat, abgewählt worden; es war übrigens eine konservative Regierung – nur so viel dazu. Das dritte Land, das versucht hat, bei Benzin und Diesel in diese Richtung zu gehen, war Deutschland. Das hat nicht funktioniert, die Preise sind kurzfristig, zwei Wochen, hinuntergegangen und dann wieder über das Niveau von davor gestiegen: 3 Milliarden Euro in die Luft gesetzt. Sehr geehrte Damen und Herren, diesen Zugang sollte man vielleicht genau diskutieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Lassen wir den Preis, wie er ist, dann sind wir bald bei 3 Euro!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir würden auch gut daran tun, den Rat von Wirt­schaftsforscherinnen und Wirtschaftsforschern ernst zu nehmen, und zwar sowohl natio­nal als auch international, wenn man über solche Maßnahmen diskutiert: Was bringt es? Was bringt es den Menschen? Was davon kommt an? Was wird an Entlastung auch


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 44

weitergegeben? Was kommt schnell an, und welche strukturellen Maßnahmen soll man machen? – Wir hören auf die Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher, auf die Expertinnen und Experten. Das tun wir gerne, weil es, glaube ich, auch wichtig ist, faktenbasierte Politik zu machen.

Im Kampf gegen die Teuerung braucht es aus unserer Sicht einen ausgewogenen Maß­nahmenmix. Der besteht zum einen aus kurzfristigen Dingen, die schnell ankommen – das sind diese Einmalzahlungen. Ja, selbstverständlich sind das Einmalzahlungen, weil man jetzt helfen muss, weil man den Menschen, die von den Preissteigerungen betroffen sind, unmittelbar helfen muss. Das ist es ja genau, na selbstverständlich! (Bundesrätin Schumann: Bei den Sozialleistungen nicht! Was ist mit den Sozialleistungen?) Natürlich macht es Wien genauso, Gott sei Dank und zu Recht, das wurde vorhin angesprochen. Es braucht aber zum anderen auch strukturelle Maßnahmen. Man muss natürlich längerfristig und mittelfristig denken, gerade in dieser Situation der Teuerungen.

Wie gesagt, der Vergleich in Europa macht uns auch sicher: Wir sind schneller, wir sind vom Volumen her größer als andere europäische Staaten. Wir haben die ersten beiden Pakete im Umfang von 4 Milliarden Euro, die beschlossen worden sind, ja sehr schnell auf den Boden gebracht und legen jetzt, weil die Situation so ist, wie sie ist, natürlich noch einmal mit insgesamt 28 Milliarden Euro nach. Ja, das ist bis 2026, eine Mischung aus Soforthilfen, aus schnellen Einmalzahlungen, aber auch aus strukturellen Maß­nahmen, die, glaube ich, in dieser Situation auch ganz wichtig sind.

Was noch dazukommt, ist, dass die ökosoziale Steuerreform jetzt zu wirken beginnt – diese wird momentan immer zur Seite gekehrt –, 18 Milliarden Euro Entlastung. Die wirkt jetzt gerade, das beginnt jetzt, sowohl was die Steuerstufensenkung betrifft, aber eben auch was die Familienmaßnahmen entsprechend betrifft. Diese wirkt jetzt, Gott sei Dank. Wir sind auch einer der wenigen Staaten in Europa, die das trotz der Situation, trotz der Krise durchgesetzt haben und nicht so wie andere Staaten die Steuerreform abgesagt haben.

Vielleicht zur Vorgehensweise und zum Plan: Im ersten Schritt – das ist heute – gibt es über 6 Milliarden Euro für kurzfristige, schnelle Maßnahmen, und zwar für besonders Betroffene, für Familien, für diejenigen, die sich das Leben nicht mehr leisten können, mit 300 Euro Teuerungsausgleich und anderen Maßnahmen. In der zweiten Stufe, im Herbst, geht es in die Breite, in den Mittelstand. Das ist richtig, ja, der Mittelstand ist auch betroffen, deswegen haben wir genau diese Maßnahmen, die wir dann im Herbst setzen werden. Dabei wird auch ganz gezielt auf die Einkommensgruppen zwischen 1 050 Euro und 2 000 Euro brutto geschaut, weil diese bisher bei den ersten zwei Paketen etwas vernachlässigt worden sind. Das ist der untere Mittelstand – es geht dann natürlich noch weiter hinauf –, der mit ganz gezielten Maßnahmen entlastet werden muss. Das tun wir mit Absetzbeträgen, aber auch mit Direktzahlungen. Dieser dreistufige Prozess endet dann im kommenden Jahr mit den strukturellen Maßnahmen.

Nur noch ein paar Sätze dazu: Danke an Kollegen Arlamovsky für seinen sachlichen Zugang. Das ist wichtig. Wie gesagt, man kann natürlich auch unterschiedliche Meinun­gen haben, aber wichtig ist bei den strukturellen Maßnahmen schon, dass man diese seriös macht. Ja, das liegt heute noch nicht vor, weil wir uns dazu entschieden haben, einen seriösen Begutachtungsprozess zu machen, damit eben alle unterschiedlichen Zugänge, Möglichkeiten auch entsprechend eingearbeitet werden können.

Ja, es gibt auch bei der kalten Progression unterschiedliche Modelle. Wir haben uns das ganz genau angeschaut. Die Schweiz wird beispielsweise immer als Vorbild genannt, die hat eine ganz andere Situation. Dort wurde die kalte Progression nur auf die Bun­desabgaben abgeschafft, nicht auf die kantonalen. Der Großteil der Steuern in der Schweiz sind kantonale Abgaben. Deutschland hat die kalte Progression zu 100 Prozent


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 45

abgeschafft, hat sich aber die Möglichkeit zu 100 Prozent bewahrt, eine Umverteilung vorzunehmen. Das tun wir nicht. Wir schaffen die kalte Progression zu 100 Prozent ab, geben zwei Drittel automatisch zurück und ein Drittel – auch gesetzlich verpflichtend – verbleibt aber mit der Möglichkeit des sozialen Ausgleichs. Ich glaube, das ist eine Vorgehensweise, die fair ist und die vor allem mit Hausverstand und mit Hirn gemacht wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Vielleicht auch noch einen Satz zur Rückwirkung: Ja, das verstehe ich durchaus. Die Überlegung wurde auch in Absprache mit den Steuerberaterinnen und Steuerberatern angestellt, die uns massiv davor gewarnt haben, das rückwirkend zu tun, weil der Aufwand ein gewaltiger wäre. Sie haben gesagt: Jetzt wirkt eh die Steuerreform, mit der die Lohn- und Einkommensteuerstufen heruntergesetzt werden, also macht es bitte nicht rückwirkend, denn das ganze Aufrollen wäre nicht nur für die Finanzverwaltung – das sowieso –, aber auch für die Steuerberaterinnen und Steuerberater ein Aufwand, der nicht dafürsteht. Deswegen haben wir uns dann für das Inkrafttreten 2023 entschieden.

Insgesamt nehmen natürlich solche strukturellen Maßnahmen, sowohl was die Abschaf­fung der kalten Progression betrifft als auch die Valorisierung der Sozialleistungen – darauf wird der Sozialminister wahrscheinlich auch noch eingehen – uns als Bundesre­gierung Spielraum – selbstverständlich, so ehrlich muss man sein. Es ist momentan aber halt nicht die Zeit dafür, sich zurückzulehnen und zu sagen, das sind zusätzliche Ein­künfte für den Fiskus, die wir dann verteilen können. Es ist momentan keine Zeit für Bequemlichkeit. Wir müssen fair bleiben, wir müssen fair sein, und diese Abschaffung der kalten Progression ist aus meiner Sicht ein Akt der Fairness, über den man 40 Jahre lang diskutiert hat, und wir als Bundesregierung schaffen sie jetzt ab. Ich glaube, das ist ein historischer Meilenstein, den wir dann im Herbst zur konkreten Beschlussfassung vorlegen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Das hat aber nichts mit der Teuerung zu tun!) – Na selbstverständlich, um Gottes Willen, Herr Kollege, hat das mit der Teuerung zu tun! (Bundesrat Spanring: Das hätte schon vorher pas­sieren müssen! Was hat das mit der Teuerung zu tun?)

Ich habe vorhin versucht, es zu erklären, ich muss es noch einmal sagen: Es gibt drei Stufen: kurzfristig und schnell jetzt im Sommer, dann in die Breite, in den Mittelstand, und dann die strukturellen Maßnahmen. (Bundesrat Spanring: Das war Thema, da hat es noch gar keine Teuerung gegeben! Sind wir doch ehrlich!) Das ist, glaube ich, seriös.

Insgesamt ist es aus meiner Sicht ein sehr ausgewogenes, ein faires, auch ein treff­sicheres Paket, das wir schnüren. (Bundesrat Spanring: Treffsicher wart ihr bei der Cofag bei der Auszahlung an die eigenen Leute!) Es gelingt auch, auf der einen Seite schnell zu helfen – das ist, glaube ich, in der Situation wichtig –, aber eben auch strukturell dann im Herbst die notwendigen Maßnahmen zu setzen.

28 Milliarden Euro, Herr Kollege Hübner, ist nicht homöopathisch, das ist sehr, sehr viel Geld, das ist Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, das wir in einem größeren Ausmaß zurückgeben. (Bundesrat Spanring: Das ist 2026! Das kommt nie zur Aus­zahlung! Da seid ihr schon lang nicht mehr in der Regierung!) Sie haben wahrscheinlich auch die Diskussion über die Gegenfinanzierung mitverfolgt, da widersprechen Sie sich ja auch etwas. Es wird im großen Ausmaß den Menschen zurückgegeben, die es brauchen. Wir nehmen also die Sorgen wirklich ernst, und am besten wäre es natürlich, wenn wir das den Menschen auch mit einem hoffentlich einstimmigen Beschluss zei­gen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.00


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dr. Peter Raggl. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 46

11.01.05

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staats­sekre­tärin! Sehr geehrte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Ich will mir nicht herausnehmen, noch mehr zu kommentieren, weil es unser Bundesminister nicht besser hätte machen können, dieses Paket zu ana­lysieren.

Ich möchte nur sagen, dass wir alle meiner Meinung nach natürlich von der gesamten Teuerung betroffen sind, alle Menschen in Österreich, aber durchaus in einem unter­schiedlichen Ausmaß. Viele von uns hier sind sicher anders betroffen als der Mindest­rentner, der zu Hause in der Wohnung sitzt und nicht weiß, wie er die Heizung oder auch die Miete bezahlen soll. Genau in diese Richtung hat die Bundesregierung auch gear­beitet und hat versucht, dies möglichst treffsicher zu machen, eine genaue Differen­zierung nach Bedürftigkeit vorzunehmen.

Die Maßnahmen wurden lange erklärt und ausgeführt. Ich möchte hier auch noch sagen, welche Verantwortung die Bundesregierung in einer solchen Zeit hat. Natürlich muss man helfen, damit niemand zurückbleibt, aber die Bundesregierung hat auch eine Ver­ant­wortung für die Zukunft. Wenn bei uns junge Leute zusehen: Es braucht auch einen gewissen Spielraum für die Zukunft, und daher ist es, glaube ich, ganz, ganz wichtig, dass man Einmalzahlungen macht, dass man aktuell auf die Situation reagiert, wie sie jetzt ist. Ich befürchte leider, dass es nicht bei diesen Einmalzahlungen bleiben wird. Es wird wieder eine Reaktion brauchen, je nachdem wie sich die Wirtschaft entwickelt – hoffentlich sehr positiv –, aber man muss wieder reagieren. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Reagieren, genau! Nicht immer reagieren! Agieren!)

Man kann nicht jetzt Zahlungen für fünf Jahre beschließen. Hoffentlich entwickelt sich unsere Wirtschaft positiv, hoffentlich entwickeln sich die Energiepreise irgendwann wie­der in die richtige Richtung. Ich glaube, dass es so genau der richtige Weg ist: dass man die derzeitige Situation betrachtet, auch mit Beratung von Wirtschaftsexperten bewertet und diese Maßnahmen schnürt. Ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig.

Wenn ihr es in den Medien genau verfolgt habt, dann wisst ihr – nicht umsonst hat der Fiskalrat eine Warnung ausgesprochen –, dass diese Maßnahmen, die die Regierung vorschlägt und wir heute beschließen, insbesondere auch die Abschaffung der kalten Progression, natürlich den Spielraum der zukünftigen Regierung, aber auch des Gesetz­gebers schon auch einschränken. Ich glaube aber, wir sind auf dem richtigen Weg.

Wie ich schon gesagt habe, müssen wir aufpassen, dass niemand zurückgelassen wird, und da darf ich die von mir doch auch vertretene Berufsgruppe der Landwirte und Bäue­rinnen und Bauern in unserem Land ansprechen. Ich bin sehr froh, dass sogar Kollegin Korinna Schumann heute erwähnt hat, wie wichtig es ist, dass die Landwirte ein Aus­kommen haben. Auch sie leiden massiv unter den Teuerungen, wenn es darum geht, die gestiegenen Energiekosten zu stemmen, die gestiegenen Betriebs- und Dünge­mit­telpreise abzufedern.

Es ist sehr wichtig, dass man auch erkennt – und das hat sich in den letzten zwei Jahren geändert –, dass die Landwirtschaft eine essenzielle, also eine lebenswichtige Bedeu­tung in unserem Land hat. Die Landwirtschaft sorgt für unsere Versorgung, und es ist nicht selbstverständlich, dass die Regale ständig gefüllt sind, und es ist nicht selbst­verständlich, dass wir in Südamerika Fleisch bestellen können. Wir wollen uns nicht in eine Abhängigkeit bei der Lebensmittelversorgung bringen, wie wir sie vielleicht jetzt aktuell bei der Gasversorgung haben.

Wir müssen schauen, dass wir die Lebensmittelversorgung in unserem Land so gut wie möglich zu 100 Prozent selbst absichern können. Daher bin ich der Bundesregierung,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 47

dir lieber Finanzminister, aber auch insbesondere unserem neuen Landwirtschafts­minis­ter Norbert Totschnig, sehr dankbar, dass auch speziell ein Versorgungssiche­rungs­paket im Ausmaß von 110 Millionen Euro geschnürt wurde, mit dem Ziel, die gestie­genen Kosten in den Bereichen, die ich angesprochen habe, abzufedern.

Es wurde auch die bürokratische Abwicklung der Förderungen angesprochen: In der Landwirtschaft ist es gelungen, eine sehr unbürokratische Auszahlung zu erreichen. Diese genannte Summe wird an die Landwirte, abhängig von der bewirtschafteten Fläche und von den gehaltenen Großvieheinheiten – diese Daten liegen alle vor –, unbürokratisch am Ende des Jahres ausbezahlt. So glaube ich, dass wir auch unsere Landwirte wesentlich unterstützen können, die unter dieser Teuerung eben auch massiv leiden.

Abschließend darf ich doch noch einmal sagen, dass ich es nicht verstehen kann, wie man sich als Opposition gegen das sehr durchdachte, sozial treffsichere und vor allem umfangreiche Entlastungspaket aussprechen kann. Dabei dürfte wohl sehr viel partei­politisches Hickhack eine Rolle spielen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.06


Vizepräsident Günther Novak: Mag. Sascha Obrecht ist als Nächster zu Wort gemel­det. Ich erteile ihm das Wort.


11.06.45

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Zuseher auf der Galerie! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war schon ein starkes Stück vom Finanzminister, oder? Österreich war viel schnel­ler, viel besser als alle anderen Staaten, vermutlich auch noch im Sinne von Karl-Heinz Grasser damals: viel schöner, viel jünger, aus viel zu gutem Hause. (Bundesrätin Miesenberger: Das ist billig!) Bei dieser Anwandlung habe ich mir gedacht, wir sind wieder in der Vergangenheit angekommen.

Wenn wir so viel schneller, so viel besser waren: Warum sinken dann die Zustimmungs­werte der Bundesregierung? (Beifall bei der SPÖ.) Warum liegen die Regierungs­par­teien mittlerweile bei 31 Prozent? Weil wir so viel schneller, so viel besser als die anderen europäischen Staaten sind? – Ich glaube nicht.

Was meine ich damit konkret? Heute sind in der Debatte ganz viele Dinge gesagt worden, die schlicht und einfach nicht wahr waren. Der Finanzminister hat uns ja in einer sehr belehrenden Art und Weise gesagt, wie wir als Parlament zu diskutieren haben – faktenbasiert, das können wir gerne machen.

Faktenbasiert, Nummer eins: Was habe ich heute immer wieder gehört? Ich habe auch zwischengerufen, weil es schlicht und ergreifend falsch ist. – Die kalte Progression wird abgeschafft. Das stimmt einfach nicht, das ist eine Unwahrheit, das beschließen wir heute nicht! (Bundesminister Brunner: Das habe ich nicht gesagt!) Es wird auch dadurch nicht wahrer, dass man das in einem Newsletter der ÖVP sogar den eigenen Mitgliedern schreibt. Das hat Generalsekretärin Sachslehner gemacht. Den eigenen Mitgliedern hat man gesagt, dass man im Nationalrat die kalte Progression abgeschafft hat. (Ruf bei der ÖVP: Woher kennen Sie das?) Das ist falsch, das passiert heute einfach nicht.

Das Nächste: Die Sozialdemokratie fordert immer, dass man momentan die Mehr­wertsteuer auf Nahrungsmittel senken soll. Ja, das tun wir tatsächlich. Das hat, by the way, auch einen inflationssenkenden Effekt. Das muss man ja auch dazusagen, Wirt­schaftsexperten rechnen bis zu 1 Prozent vor. (Bundesrat Raggl: Das kassieren dann die Konzerne!) Auf der anderen Seite sagen Sie, das ist die Gießkanne, das kann man nicht machen, so eine Gießkannenförderung bringt ja nichts, und schütten 500 Euro an jede Person in Österreich aus. Das ist die Gießkanne, das ist nämlich nichts anderes!


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 48

Dann sagen Sie immer wieder: Wien macht das ja auch! Ja, aber Wien hat auch Einkommensgrenzen dabei, weil wir es eben nicht mit der Gießkanne machen wollen, weil wir sozial treffsicher agieren wollen. Und darum geht es in dieser Krise. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Brunner: Was war das für eine Unwahrheit?)

Erlauben Sie mir noch eine kurze Bemerkung zu Kollegen Hübner. Kollege Hübner ist ja auch aus der FPÖ Wien. Ich kann sagen, als Favoritner – ich war neun Jahre lang in der Favoritner Bezirksvertretung – ist man es gewohnt, dass von der FPÖ Wien natürlich Kritik an der Stadt Wien kommt. Das ist Ihr gutes Recht, es gehört nur eigentlich in den Wiener Landtag und nicht in den Bundesrat, aber Sie können es natürlich hier auch äußern. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Er ist ja ein Ländervertreter!) Wir werden bei der Wiener Landtagswahl und Gemeinderatswahl erkennen, wie furchtbar und wie schlimm es dann tatsächlich in Wien ist. Denn eine Sache ist auch klar, und die haben die Wienerinnen und Wiener verinnerlicht: Wer in dieser Stadt dafür sorgt, dass es hier gut für die Menschen ist, dass sie hier gut leben, dass sie hier schön leben, ist die SPÖ Wien, und das wird auch in Zukunft so bleiben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Ich habe vor Kurzem wieder auf meinen Cousin aufgepasst, er ist sieben Jahre alt und er fragt mich gelegentlich, was ich so mache. Es ist manchmal nicht so einfach, zu erklären, was wir hier genau debattieren. Ich habe ihm gesagt, heute steht das Anti­teuerungspaket auf der Tagesordnung, und wir haben darüber gesprochen. Ich habe ihm gesagt, er kann es sich im Grunde wie ein Seifenblasenpaket vorstellen, es schaut am Anfang schön aus, aber es ist nichts dahinter. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Diese Einmalzahlungen hat man sich von Wien abgeschaut – das ist ja unbenommen. Der Schnitzelgutschein kommt nämlich vom Wiener Bürgermeister. Der Sinn hinter dem Schnitzelgutschein war aber, in der Pandemie den Konsum anzuregen, und nicht, Armut zu bekämpfen. Das mag damit vielleicht auch passiert sein, aber wenn man wirklich überlegen will, wie man in so einer Situation die Krise bekämpft, werden es Einmal­zahlungen nicht tun. Man braucht eine nachhaltige Verbesserung für die Menschen, und das wird mit diesem Paket nicht passieren. Deswegen ist es Seifenblasenpaket und nicht mehr.

Ein Letztes noch, damit bleiben wir auch bei den Zahlen, und das ist vielleicht das Wich­tigste: Der Fiskalrat hat sich ausgerechnet, dass momentan 35 Prozent der Haushalte, also über ein Drittel, ein Problem hat, vom Einkommen das Leben zu bestreiten. 35 Pro­zent – das sind 1,3 Millionen Haushalte, das sind 2,7 Millionen Menschen. Man kann nicht sagen, dass die Bundesregierung nichts macht, aber sie macht weit zu wenig. Es ist nicht viel schneller, es ist nicht viel besser, sondern es ist zu wenig. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die Menschen können nicht davon leben, und deswegen ist auch das, was der Bundesminister für Finanzen hier sagt, nicht ausreichend.

Ich muss Ihnen auch tatsächlich sagen, ich glaube, das Hauptproblem ist: Die Öster­reiche­rinnen und Österreicher glauben es Ihnen auch nicht mehr! Sie können noch so eloquent sagen, was Sie alles tun, die Menschen spüren ja selbst, ob es ihnen besser oder schlechter geht. Es geht ihnen momentan schlechter, und es gibt auch keine Ini­tiative, die wirklich eine nachhaltige Verbesserung für die Menschen in diesem Land be­wirkt.

Deswegen wird eines passieren, das werden Sie in Tirol erleben, das werden Sie in Niederösterreich erleben, das werden Sie in Salzburg erleben, das werden Sie 2024 dann auch bei den Nationalratswahlen erleben: Die ÖVP wird abgewählt werden. Wir befinden uns auf der Abschiedstournee der ÖVP, und das Abschiedskonzert werden die


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 49

Nationalratswahlen 2024. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Aber bis dorthin müsst ihr noch warten! Viel Geduld!)

11.11


Vizepräsident Günther Novak: Stellvertretend für alle Schülerinnen und Schüler, die uns hier im Parlament besuchen: Herzlich willkommen bei der Bundesratssitzung das Borg Voitsberg aus der Steiermark! Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.12.27

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen, speziell aus der Weststeiermark und zu Hause vor dem Fernseher! Wir alle, jede und jeder von uns, hier im Haus, in ganz Österreich und in ganz Europa, erleben gerade Preissteigerungen, wie wir sie seit sehr vielen Jahren nicht gesehen haben. Was ist da passiert? – Begonnen hat es mit Lieferkettenengpässen und -ausfällen im Zuge der Covid-Krise. Schon da wurde immer klarer, dass wir uns in Abhängigkeiten begeben haben, die uns nicht gut­tun.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat nun die Lage drastisch verschärft. Energie wird als Waffe eingesetzt, die Energiepreise explodieren, und mit ihnen kommt es zu einer Teuerung in einer Dimension, wie sie eigentlich nicht vorstellbar war. (Bundesrat Steiner: Durch die Sanktionspolitik!)

Nun haben wir den Salat, wie man sprichwörtlich sagt. Nun haben wir den Salat, weil wir uns durch eine über Jahrzehnte fehlgeleitete Energiepolitik immer stärker in die Ab­hängigkeit Russlands begeben haben, wo nun ein Despot die Hand am Gashahn hat und wir nicht wissen, ob und wann er ihn für uns zudreht. Ich könnte mich nun lang und breit darüber auslassen, wer uns denn diese Suppe eingebrockt hat, ich möchte aber lieber ein positives Beispiel bringen. (Bundesrätin Grimling: Wer?)

Ich war vor nicht ganz drei Wochen bei einer hochkarätig besetzten Klimaschutz­ver­anstaltung, wo unter anderen Peter Droege, Vorsitzender des Weltenergiebeirates, als Referent mit dabei war, in meiner Nachbargemeinde Mureck. Die dortige Stadtgemeinde hat mit der Bioenergie Mureck und mit einem eigenen Stromnetz eine sehr beneidens­werte Situation. Sie sind energieautark – und das nicht erst seit gestern. (Bundesrat Kovacs: Wie im Burgenland!) Seit mehr als 30 Jahren sind dort Pioniere am Werk. Es gibt eine Nahwärme aus regionaler Biomasse, es gibt PV-Anlagen mit Bürgerbeteiligung, PV-Anlagen mit Glashäusern und so weiter.

Was das mit dem Tagesordnungspunkt zu tun hat? – Ganz viel. Die haben dort nämlich keine Preissteigerungen im Energiebereich, nicht bei Wärme, nicht bei Strom. Und das macht schon ordentlich etwas aus. Dort müssen wir mittelfristig hin. Das Ziel muss sein, dass wir uns die Energie selber aus erneuerbaren Quellen und regional machen. Das ist das beste Rezept für das Klima, das ist das beste Rezept gegen die Abhängigkeit, das ist das beste Rezept für regionale Wertschöpfung und das ist damit auch das beste Rezept gegen die Teuerung. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich weiß schon, die Teuerung betrifft nicht nur die Energie, aber sie ist der Haupttreiber. (Bundesrat Steiner: Die Sanktionen!) Ich weiß auch, dass die Energiewende nicht von heute auf morgen passieren kann (Bundesrat Steiner: Machen wir noch ein paar Sanktionen, dann wird es günstiger!), und natürlich braucht es jetzt rasch Entlastungen in den verschiedensten Bereichen. Es braucht jetzt Maßnahmen und Rezepte, um die Belastungen durch die Teuerungen auszugleichen. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 50

Es wurde von meinen VorrednerInnen schon relativ detailreich über die konkreten Maß­nahmen gesprochen, ich möchte daher auf die Vorschläge der Opposition eingehen. Was sind die Rezepte von SPÖ und FPÖ? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Preis­decke­lung!) Die Freiheitlichen wollen gleich einmal die CO2-Steuer einfach kippen und sind - - (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.) Sie sind wieder einmal klimapolitisch als Geister­fahrer unterwegs. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Da klatschen die Eigenen nicht einmal!)

Einzelne Vorschläge erinnern ökonomisch an die Planwirtschaft. (Bundesrat Spanring: In den eigenen Reihen habt ihr fast 40 Prozent Zustimmung!), da kommt auch die SPÖ relativ retro daher. Die Vorstellung, ein staatlich verordneter Preisdeckel würde in einer globalisierten Marktwirtschaft funktionieren, halte ich für relativ naiv. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Naiv sind die Sanktionen!) Wir haben ja gesehen, was in Ungarn passiert ist, als die Spritpreisobergrenze eingeführt wurde, was ist passiert? – Es kam zu Ratio­nierungen. (Bundesrat Spanring: Das stimmt ja nicht! An der Grenze, weil die Öster­reicher hinübergefahren sind zum Tanken!) Wir haben gesehen, was in Deutschland passiert ist, nachdem die Steuer auf Benzin und Diesel gesenkt wurde (Zwischenrufe bei der FPÖ): Innerhalb weniger Tage war der Effekt an der Zapfsäule verpufft und der Sprit gleich teuer wie zuvor, und – puff! – waren etliche Milliarden weg, direkt in die Taschen der Mineralölkonzerne. (Bundesrat Spanring: Pippi-Langstrumpf-Politik!)

Einige dieser Vorschläge halte ich ökologisch gesehen für gefährliche Rückschritte, deren Umsetzung angesichts der Klimakrise verantwortungslos und fahrlässig wäre. Öko­nomisch gesehen halte ich einige Vorschläge der Opposition für wirtschaftspolitisch abenteuerlich.

Was viele dieser Vorschläge gemeinsam haben, ist: Sie klingen populär und vor allem sind sie klar und einfach zu kommunizieren. Wir haben es aber mit einer sehr komplexen Situation zu tun, und es gibt hier nicht die Lösung oder den einzigen Königsweg (Bun­desrat Steiner: Sanktionen! Sanktionen muss man machen, dann wird es günstiger!), daher ist auch ein Mix an Maßnahmen notwendig, ein Mix aus kurzfristigen Entlastun­gen, mittelfristigen Maßnahmen und Maßnahmen, die das System ändern und damit dauerhaft wirken.

Genau das macht die Regierung. Der Mix enthält zunächst einmal Einmalzahlungen, ja, natürlich, weil die den Vorteil haben, dass sie rasch umsetzbar sind und daher auch schnell ankommen. Dann gibt es zum Zweiten einige steuerliche Maßnahmen, die teil­weise mittelfristig und auch dauerhaft wirken. Mit dabei sind auch Negativsteuerpakete, die jenen zugutekommen, die gar keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlen, also Geringverdienenden. Zum Dritten ist es nun gelungen, alle Sozialleistungen, die bisher nicht an die Inflation angepasst wurden, dauerhaft zu valorisieren.

Noch einmal zum Mitschreiben: Die Valorisierung aller Sozialleistungen wurde nicht unter einem roten Kanzler oder unter einer Regierungsbeteiligung der SPÖ geschafft, nein, die Valorisierung aller Sozialleistungen wird unter Schwarz-Grün verwirklicht. (Bei­fall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Die wird aber heute nicht beschlossen! Es tut mir leid!)

Wir leben in sehr herausfordernden Zeiten, und die Lösungen der vielschichtigen Probleme sind nicht einfach und trivial. Der komplexe Mix der Maßnahmen, der vorliegt, und das enorme Entlastungsvolumen sind aber die richtige Antwort. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.20


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Bundesminister.



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 51

11.20.15

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! In Ergänzung der Ausführun­gen des Herrn Finanzministers würde ich noch gerne ein paar Anmerkungen zu den Maßnahmen, die jetzt getroffen worden sind, machen. Es wird von vielen von Ihnen kritisiert, dass es sich da nur um Einmalzahlungen handelt und diese nicht die aus­reichende Wirkung entfalten und nicht schnell genug kommen. Ich würde dem ent­gegenhalten, dass das Soforthilfen sind, die auch wirken. Ich möchte es Ihnen gerne erläutern. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Steiner-Wieser.)

Es wurde bereits im letzten Dezember ein Paket in der Größenordnung von 4 Milliarden Euro beschlossen. Davon sind im heurigen Jahr in jeweils zwei Monaten jeweils 300 Euro ausbezahlt worden oder werden ausbezahlt. Im August wird die doppelte Familien­bei­hilfe ausbezahlt, im September werden die nächsten 300 Euro und im Oktober dann die 500 Euro ausbezahlt. Ich kann Ihnen nur sagen: Das sind Gelder, die sich bei einer Alleinerzieherin mit zwei Kindern, die in etwa 1 400, 1 500 Euro verdient, in einer Größenordnung von insgesamt 2 600 Euro auswirken. Das ist für diese betroffene Frau extrem viel Geld, und ich würde Sie dringend ersuchen, das nicht kleinzureden. Die Menschen brauchen das, sie brauchen das jetzt, und es kommt auch jetzt zur Aus­zahlung. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Ich finde es ein bisschen unangemessen. (Ruf bei der SPÖ: Unangemessen sind 500 Euro! Das ist unangemessen!), denn auch Zahlungen von 300 Euro – es mag für Menschen mit gutem Einkommen nicht viel klingen – sind viel Geld für Haushalte, die jetzt sozu­sagen darauf angewiesen sind, das auch rasch zu bekommen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... aber die Nachhaltigkeit ...! – Bundesrätin Schumann: Jetzt werden wir wieder belehrt! Mein Gott! Jeder Minister belehrt einen hier!) Ich sage Ihnen, warum wir die Familienbeihilfe im August platziert haben: weil wir wissen, zu Schulbeginn kommen Ausgaben auf die Familien zu, die höher sind, und deshalb ist es notwendig, im August etwas zu machen, im September wieder und im Oktober noch einmal. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Was die Valorisierung betrifft: Das ist richtig, das wird nicht heute beschlossen, das ist auch korrekt dargestellt, sie wird aber mit 1. Jänner in Kraft treten. Das ist schon ein Meilenstein, finde ich, wenn jetzt endgültig festgelegt ist, dass auch diejenigen, die auf diese Sozialleistungen angewiesen sind, eben nicht die 8 Prozent weniger bekommen, die ihnen die Inflation wegfrisst, sondern ab 1. Jänner ebenfalls dort die Valorisierung stattfindet.

Einen Satz noch zu den Vergleichszahlen – im europäischen Vergleich –, weil das auch genannt worden ist: Jetzt weiß ich schon, man kann sich lustig darüber machen: Wenn wir denn so gut wären, dann hätten wir bessere Umfragewerte. Ich sage Ihnen aber, ich war jetzt auf der europäischen Ebene unterwegs und habe mich mit Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht, was sie gemacht haben. Ich kann Ihnen sagen, im europäischen Vergleich hat Österreich in den letzten beiden Jahren am meisten Geld in die Hand genommen und kommt auch am schnellsten in die Auszahlung. In Deutschland sind sie meilenweit davon entfernt, in dieser Größenordnung und dieser Geschwindigkeit zur Auszahlung zu kommen. (Bundesrätin Hahn: ... Steuerzuckerl für Großkonzerne ... gehen schnell!) Meine deutsche Kollegin Paus, die sich in der Bundesregierung befindet, sagt: Wir wären froh, wenn wir das, was Österreich gemacht hat, auch nur annähernd zustande brächten! – Das ist, bitte, eine Regierung, die dort unter sozialdemokratischer Führung stattfindet. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Schumann: Mit den Grünen, soweit ich weiß, oder nicht? – Bundesrätin Grimling: ... er hat schon die Grünen dabei!)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 52

Jetzt kann man schon sagen: Es ist zu wenig!, Es ist zu wenig schnell!, Es braucht noch mehr! – Die Bundesregierung hat auch gesagt: Selbstverständlich wird, möglicherweise schon im Herbst, nachgeschärft werden müssen! – Wir sind ja weit davon entfernt zu sagen: Es reicht aus! (Bundesrätin Hahn: ... für die Löhne, ordentlich!)

Jetzt komme ich noch zur Energiefrage. Es gibt zwei Beispiele: Es gibt Vorarlberg und es gibt Wien. Ich lasse mich jetzt nicht über die Wien Energie aus, es ist dargelegt wor­den. Ich finde es ein bisschen frivol, wenn ein Unternehmen, das eine Eigenkapitalquote von 89 Prozent hat und auch diese Ertragssituation hat, glaubt, es müsse von heute auf morgen die Preise verdoppeln. (Bundesrätin Schumann: Jetzt macht ein Minister Wien­bashing, unglaublich ...! – Bundesrat Schreuder – in Richtung Bundesrätin Schumann –: Jede Kritik ist ein Wienbashing!) Es gibt Illwerke VKW – auch ein Unternehmen. Illwerke VKW befindet sich im Eigentum des Landes Vorarlberg – ähnliche Situation: Auch Illwerke VKW hat in den letzten Jahren ganz enorm viel verdient und profitiert. Was geschieht dort? – Auf Weisung des Landes wird dort eine Sonderdividende an das Land Vorarlberg ausgeschüttet. Wofür wird dieses Geld verwendet? – Für die Erhöhung der Wohnbeihilfe, für die Erhöhung der Kinderrichtsätze in der Sozialhilfe, für die zielge­richtete Armutsbekämpfung, für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. Das ist der Weg, den man gehen kann. Es ist Aufgabe der Länder, zu bestimmen: Wie verhalten sich die Landesenergieversorger in dieser Situation? Da kann sehr wohl ein Beitrag geleistet werden. (Bundesrätin Schumann: Dann braucht der Bund nicht eingreifen! Das sollen die Länder machen, genau!) Das ist korrekt, das kann man so machen, das ist auch gut so.

Wenn es dann darum geht, auch längerfristige Maßnahmen zu setzen, wird es nicht beim einzigen Mal bleiben, und das wollte ich noch angeführt haben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.25


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Michael Bernard. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.25.50

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Frau Staats­sekretär! Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen hier im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Klimabonus – 97. Klappe! Diese Bundesregierung arbeitet am nationalen Kraftakt, aber der heißt: zur Zerstörung des österreichischen Mittelstandes unter dem Titel Energiewende.

Wenn zum Beispiel Frau Minister Gewessler so weitermacht, kann sie sich auf ihre Fahnen heften, dass sie mit den von ihr getroffenen Maßnahmen der letzten Monate den österreichischen Mittelstand nicht nur massiv belastet, sondern regelrecht in die Armut getrieben hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Wahrscheinlich sitzt sie mit ihren schwarzen Kollegen in der dunklen, strengen Kohle­kammer – wie zusammengeschweißt durch den Korruptions- und Machtkleber, durch CO2-Nebel beeinflusst. Ich frage mich: Was hat die österreichische Bevölkerung dieser Bundesregierung angetan, dass sie – so, wie es scheint, durch den Hass getrieben – immer neue, weitere Angriffe, untermalt durch ihre glorreichen Vorschläge zum Ein­sparen – die Heizung 2 Grad zurückdrehen, 100 km/h auf der Autobahn und so weiter, und vielleicht noch am Abend nur mehr bei Kerzenlicht sitzen, um Strom zu sparen, um gleichzeitig draußen vor der Tür das Elektroauto aufzuladen – startet?

Oder sind Sie im Wettbewerb mit anderen Persönlichkeiten aus den Ländern, wer die überheblicheren, weltfremderen Ideen hat, um die Bevölkerung für dumm hinzustellen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 53

und gleichzeitig unter dem Titel Klima auszubeuten? Ein Beispiel lieferte letztes Mal die niederösterreichische Landeshauptfrau der ÖVP Mikl-Leitner: Jeder könnte bei sich selbst anfangen zu sparen. „Das beginnt bei der Kleidung“, man sieht, man braucht ja keine zehn Ballkleider, sondern nur drei. – Das hat sie in der jetzigen Situation gesagt, in der mittlerweile ein Großteil des Mittelstandes jeden Euro mehrmals umdrehen muss, in der es zum Beispiel der Hälfte der Kinder einer Schulklasse finanziell nicht mehr mög­lich ist, auf eine Schulland- oder Sportwoche zu fahren, in der sich mittlerweile viele Pensionisten entscheiden müssen, ob sie die durch die Inflation, durch die Teuerung reduzierte Pension für Lebensmittel, Energiekosten oder lebenswichtige Medikamente ausgeben.

Ich frage mich: Was wollen Sie mit Ihren skurrilen, weltfremden mittelstandsver­nich­tenden Vorschlägen, die Sie auch noch in Gesetze gießen wollen? Sind diese auf man­gelndem Wissen aufgebaut oder gefährden Sie den Wohlstand der österreichischen Bevölkerung fahrlässig? (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Beispiel habe ich das letzte Mal Frau Minister Gewessler – als sie uns erklären wollte, dass sich der ortsansässige Baumeister freut, mit den Betonfundamenten der Windräder beauftragt zu werden – erklärt, dass ein 3-Megawatt-Windrad 7 000 Kubik­meter Stahlbeton benötigt und dass man das nicht schnell mit der Handmischmaschine heruntermischt. Das sind 1 000 Lkw, das habe ich ihr letztes Mal schon erklärt, aber das nehme ich halt noch zu dem Thema, dass sich Frau Gewessler in der Sache vielleicht nicht ganz auskennt.

Aber dieselbe Ministerin – natürlich mit ÖVP-Unterstützung – fordert auch, dass die Be­völkerung, dass alle von ihren Pkw mit Verbrennungsmotoren auf Elektro umsteigen und die Bundesregierung mit den zusätzlichen Steuern wie Erhöhung der NoVA, motor­bezogene Versicherungssteuer, CO2-Abgabe und so weiter massiven Druck ausübt. Die Frau Minister ist heute leider nicht vor Ort, aber hoffentlich hört sie gut zu.

Ich möchte noch kurz auf das von Finanzminister Brunner Gesagte eingehen, nämlich betreffend man sollte bei der Wahrheit bleiben und alles mit Argumenten unterstreichen. Er ist zwar jetzt nicht im Saal, aber ich werde es trotzdem tun.

Ich habe eine Anfrage an die Bundesministerin geschickt, weil meine Fragen in der Aus­schusssitzung nicht beantwortet werden konnten und ich ja auch in der vereinbarten Nachfrist und Zeit – trotz Urgenzen mit anschließenden Versprechen ihrerseits – in der nächsten Sitzung keine Antworten bekommen habe.

Ich habe der Bundesministerin Technologieblindheit vorgeworfen und die verschiedenen Berechnungsmodelle angefordert, aufgrund derer sie behauptete, dass der Umstieg auf schwere Elektro-Lkw für Firmen ohne Probleme möglich ist. Vielleicht kann sich der eine oder andere noch daran erinnern, als ich gefragt habe, wie das Ganze mit viereinhalb Stunden Lenkzeit eines Chauffeurs, einer Dreiviertelstunde Pause, viereinhalb Stunden Lenkzeit, zwei, drei Viertelstunden Ladezeit und so weiter gehen soll. Mir wurde aber vonseiten der Experten erklärt: Das ist alles kein Problem!

Aufgrund dessen habe ich dann in der Anfrage zum Beispiel die Frage gestellt: „Wie viele der genehmigten eingezeichneten LKW-Stellplätze“ auf den Autobahnen sind „mit einer E-Ladestelle ausgestattet?“, Wie viele der genehmigten sind mit Schnell­ladeplätzen auch für Pkw ausgestattet? – Die Antwort ist sehr spannend: Das, was ich vermutet habe, weil ich auch ein bisschen im Lande – auch auf den Raststationen – unterwegs bin: Es gibt ganze 184 Ladestellen für Pkw. Man muss sich also vorstellen, wenn da jetzt alle Pkw-Fahrer auf Elektro umsteigen und sich die alle bei den 184 La­destellen anstellen, wird das Ganze ein bisschen abenteuerlich.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 54

Dann wird es aber noch besser: Frau Gewessler fordert ja von den ganzen Unter­nehmen, dass alle Lkw umgestellt werden müssen, und jetzt kommt die Gretchen-Frage an der ganzen Geschichte: Wie viele Ladestellen haben wir denn in Österreich für die Schwerlast-Lkw? – Keine einzige! Null! – Die Unternehmer zahlen also jetzt, sollen Steuern zahlen, sollen ihren Fuhrpark umstellen, aber wir haben nicht einmal eine ein­zige Ladestelle in Österreich auf einer Autobahn oder Schnellstraße – keine Ein­zige! – Ja, Sie haben richtig gehört: keine einzige! Und das heißt für mich: Das ist fahrlässig. Die Frau Ministerin und diese ganze Bundesregierung gefährden fahrlässig die Wirt­schaft und fordern meiner Meinung nach auch fahrlässig von der Bevölkerung, auf Elektro umzusteigen, obwohl es nicht die Infrastruktur gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Privatwirtschaft würde ein Geschäftsführer für solches Verhalten die fristlose Kün­digung bekommen. Ich bin aber der Meinung, die Verkehrsministerin sollte mit der ganzen Regierung nicht warten, bis die österreichische Bevölkerung die fristlose Kündi­gung bei der nächsten Wahl ausspricht, sondern sollte selbst zurücktreten, die ganze Bundesregierung mitnehmen und Personen die Funktionen überlassen, die eine Ahnung von der Materie haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich geht es noch weiter, wenn es um das Thema geht: Welche Dinge sind ge­plant? – Es sind lediglich 600 zusätzliche Stellplätze geplant, für E-Ladestellen gibt es derweil keine konkreten Angaben, aber die Detailplanungen sind noch im Laufen. Das gleiche Thema auch bei all den alternativen Kraftstoffen, E-Fuels und so weiter: Da wartet man, bis irgendwelche Herrschaften aus der EU im Bereich Fit-for-55-Paket die Verordnungen und so weiter verhandeln.

Für mich verhält sich das Ganze beim Klimabonus genauso haarspalterisch. Im Aus­schuss habe ich den Experten nach dem Berechnungsmodell befragt, da die Bevölke­rung auf jeden Fall auch im ländlichen Raum ein paar Tausend Euro an Mehrbelastung hat und wie dies durch die einmalige Klimabonusauszahlung in der Höhe von diesen 250 oder 500 Euro abgedeckt werden soll. Er war ehrlich – weil meine Zusatzfrage war, ob der Betrag gewürfelt wurde –: Er hat uns mitgeteilt, dass es sich auch mit allen anderen gesetzten Maßnahmen nicht ausgeht, die Erhöhungen wenigstens zu kompensieren. – Danke also an den Experten, weil er ehrlich geantwortet, weil er die Wahrheit gesagt hat! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin mir sicher, wenn ich die zwei Anträge vorbringe, kommt wieder von dem einen oder anderen in den Reihen ein: Schon wieder! – Aber ja, wir Freiheitlichen leben nach dem Motto: Aufgeben tun wir maximal einen Brief!, und vielleicht ist jetzt die Zeit reif, ein deutliches Zeichen über Parteigrenzen hinweg zu setzen und den Anträgen, die ich jetzt vorbringe, zuzustimmen.

Beim ersten Antrag handelt es sich um die Anhebung des amtlichen Kilometergeldes als Maßnahme gegen die Teuerung. Die Kosten für die Autofahrer sind seit Jahren im Steigen begriffen: auch heuer wieder – ich glaube, die Vorredner haben das ja auch schon erwähnt. Während die Kosten für die Autofahrer seit Jahren steigen, ist die Höhe des amtlichen Kilometergelds, dieser Pauschalabgeltung für alle Kosten, die durch die Verwendung eines privaten Kraftfahrzeugs für Fahrten im Zuge einer Dienstreise anfallen, seit Jahren unverändert. Seit Juli 2008 beträgt das amtliche Kilometergeld für Pkw 0,42 Euro und für Motorfahrräder und Motorräder 0,24 Euro. Die Höhe des amtlichen Kilometergelds ist vor allem deshalb unverständlich, weil damit unter anderem ja auch die Kosten für Abschreibung, Wertverlust, Treibstoff, Öl, Wartung, Reparaturen aufgrund des laufenden Betriebes, Zusatzausrüstungen, Steuern und Gebühren, Ver­sicherungen und so weiter, Parkgebühren, Mautgebühren enthalten sind.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 55

Unsere Meinung, die Meinung der Freiheitlichen lautet: Der Autofahrer darf nicht die Melkkuh der Nation sein. Ein Stopp der Belastungen ist dringend erforderlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe daher den Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anhebung des amtlichen km-Geldes als Maßnahme gegen die Teuerungen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufge­fordert,

1. das seit Juli 2008 geltende amtliche Kilometergeld für PKW in Höhe von 0,42 auf 0,64 Euro anzuheben,

2. sicherzustellen, dass das Pendlerpauschale auch weiterhin im bisherigen Umfang (steuerlich) geltend gemacht werden kann und die geplante Ökologisierung des Pend­lerpauschales zu keinen sozialen Härtefällen und zu keiner finanziellen Schlechter­stel­lung der Pendlerinnen und Pendler führt.“

*****

Beim zweiten Antrag handelt es sich um die Rücknahme der NoVA-Erhöhung – auch, um die Teuerungsspirale zu durchbrechen. So, wie ich vorher ja schon erwähnt und beschrieben habe, ist es für uns Freiheitliche untragbar, von der Bevölkerung zusätzliche Steuern einzuheben, die Bevölkerung zu bestrafen, aber die Infrastruktur für den geforderten Umstieg nicht einmal anbieten zu können. Aufgrund dessen geben wir Ihnen die Chance, das Gesetz zu reparieren, die NoVA-Erhöhung zurückzunehmen, endlich auch auf alternative Kraftstoffe, die auch in den bestehenden Fahrzeugen ohne Umbau einsetzbar sind, zu setzen und zusätzlich den Werterhalt des Eigentums der Bevöl­kerung, der eigenen Pkw zu sichern.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücknahme der Nova-Erhöhung, um die Teuerungsspirale zu durchbrechen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die am 19. Dezember 2020 beschlossene Erhöhung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) rückgängig gemacht wird, sowie dass bei einer allfälligen Neuregelung soziale Kriterien berücksichtigt werden.“

*****

Als Freiheitlicher, als stolzer Familienmensch, als stolzer Großvater, als gewählter Vertreter fordere ich Sie auf, zum Wohle der österreichischen Bevölkerung endlich für


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 56

die österreichische Bevölkerung zu arbeiten und alle Maßnahmen, die den Wohlstand gefährden, sofort zu unterlassen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.38


Vizepräsident Günther Novak: Der von den BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Anhebung des amtlichen km-Geldes als Maßnahme gegen die Teuerungen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der zweite Entschließungsantrag, der von den BundesrätInnen Michael Bernard, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rücknahme der Nova-Erhöhung, um die Teuerungsspirale zu durchbrechen“, ist ebenfalls genügend unterstützt und steht demnach auch mit in Verhandlung.

Ich möchte weiters eine Schulgruppe bei uns hier im Plenum begrüßen. – Herzlich willkommen! Leider weiß ich euren Namen nicht. – Ein herzliches Willkommen auch an die Pädagoginnen und Pädagogen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist David Egger. Ich erteile ihm das Wort.


11.40.06

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren von der Bundesregierung! Liebe Schülerinnen und liebe Schüler! Herr Präsident, wenn Sie jeden einzelnen Namen der Schüler auf der Galerie oben gewusst hätten: Hut ab, das wäre eine Meisterleistung gewesen! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehbildschirmen! Wenn man sich jetzt diese Preisentwicklung, besser gesagt, diese Preisexplosion, die unter anderem auch aufgrund des furchtbaren Kriegs passiert, ansieht, dann ist ein Schön­reden dieses Maßnahmenpakets oder nur ein Schönreden ein bisschen zu wenig.

Wenn vielen Familien, Pensionistinnen und Pensionisten in diesem Land das Wasser bis zum Hals steht, wenn teilweise die monatlichen Fixkosten – die Miete, die Strom­rechnung, vielleicht auch der Tank, den man braucht, um einkaufen zu fahren – nicht mehr bezahlt werden können, dann zeigt das wieder einmal erstens die Abgehobenheit dieser Bundesregierung und zweitens den Realitätsverlust der Grünen und der ÖVP in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Gaspreise: plus 70 Prozent, Dieselpreis: plus 50 Prozent: Das betrifft besonders Pendlerinnen und Pendler, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im ländlichen Raum, wo nicht alle 10 oder 15 Minuten eine S-Bahn geht, wo nicht alle 20 Minuten vielleicht eine Busverbindung zum nächsten Ballungsraum oder zum Arbeitsplatz geht. Das macht das Leben schwieriger und das bringt die Familien und die Menschen in diesem Land enorm unter Druck.

Wenn man in den Supermarkt geht und beim Wocheneinkauf plötzlich bemerkt, dass auch die Lebensmittelpreise immer höher werden, dass das Brot teurer wird, dass das Fleisch teurer wird, dass die Butter, insbesondere auch das Speiseöl teurer wird, dann macht das etwas mit den Menschen, dann machen sie sich Sorgen, dann ziehen sie sich zurück, und das ist nicht gut.

Wenn ich in mein Heimatbundesland Salzburg, in den Westen Österreichs schaue, wo die Mietpreise schon immer besonders hoch waren – heute sind viele Vorarlberger anwesend, was uns natürlich besonders freut; an dieser Stelle (in Richtung Präsidentin Schwarz-Fuchs) auch herzliche Gratulation, Frau Präsidentin, zum heutigen Geburts­tag! –, wenn man also die Mietpreise bei uns im Westen beobachtet – da geht es Vorarlberg gleich, da geht es Tirol gleich, aber da geht es besonders den Salzbur­gerinnen und Salzburgern schlecht –: plus 70 Prozent bei den Mieten! Plus 70 Prozent


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 57

bei den Mieten in der Stadt Salzburg in den letzten 20 Jahren: Was passiert? Was wird dagegen unternommen? – Nichts wird unternommen!

Was macht die Regierung bei dieser Preisentwicklung? – Die ÖVP, kommt mir vor, greift überall gerne einmal hin, sie greift nur nicht zu den Milliardengewinnen der Konzerne in diesem Land. Herr Minister, die Wahrheit ist, dass es schon Einmalzahlungen sind, das mit den 500 Euro ist schon auch eine Verteilung mit der Gießkanne. Die lösen sich aber in Wahrheit, bis sie wirklich ausgezahlt werden, wieder in Luft auf. Die lösen sich in Luft auf! Kein einziger Preis wird da gedeckelt: keine Stromrechnung, kein Strompreis, kein Tankpreis, kein Wocheneinkauf, nichts. Da wird nirgendwo ein Riegel vorgeschoben, kein Preis wird dadurch gesenkt.

Mir kommt es ein bisschen so vor, als würde es der ÖVP und den Grünen bei uns in der Bundesregierung wieder mehr um die Aktionäre, mehr um die Gewinne gehen als darum, die Menschen in diesem Land zu entlasten. Die schwarz-grüne Gießkanne zeigt ja auch eindeutig – bis 2026 hochgerechnet –: Spitzenverdiener profitieren bis zu 6 000 Euro von diesen Einmalzahlungen – Spitzenverdiener! Eine Mindestpensionistin oder eine Pensionistin, die, sagen wir einmal, jetzt 1 100 Euro, 1 200 Euro bekommt, bekommt gerade ein Drittel davon – ein Drittel! Der Spitzenverdiener 6 000 Euro, die Pensionistin 2 000 Euro – ist das sozial gerecht, ist das sozial treffsicher? – Nein, ist es nicht!

Jedes Mal, wenn es um soziale Treffsicherheit geht, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, wenn es um Fortschritt geht, dann stehen die Konservativen in unserem Land immer auf der Bremse. Da redet man von nicht zielgerichtet, von nicht EU-konform. Jedes Mal, wenn es für die Menschen in unserem Land um Fortschritt geht, verhindert es die ÖVP, verhindern es die Grünen bei uns! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann, noch einmal zusammenfassend, die Forderungen der Sozialdemokratie nur unterstreichen: Wir brauchen einen Preisdeckel – das sagen übrigens auch viele Exper­tinnen und Experten, genauso wie diese auch betonen, dass das Aussetzen der Mehr­wertsteuer sinnvoll wäre. (Bundesrat Buchmann: Nein! Welcher Experte sagt das?) – Das sagen viele Expertinnen und Experten. Sogar der der ÖVP nahestehende Vor­standsvorsitzende der Salzburg AG sagt, das wäre die einzig sinnvolle Idee.

Wo bleibt das Abschöpfen der Milliardengewinne? (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.) Über Nacht hat der Verbund Milliarden gemacht, ohne einen Strich dafür zu tun. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ich kann mich nicht erinnern, dass die Sonne mehr kostet, dass die Wasserkraft mehr kostet und dass die Wind­energie – der Wind – teurer geworden ist. Die haben Milliarden gemacht! Es ist an der Zeit, diese Milliarden im Sinne der Menschen in diesem Land abzuschöpfen, um diese zu entlasten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.46


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. – Bitte.


11.46.17

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Werte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhöre­rinnen und Zuhörer! Liebe Schülerinnen und Schüler auf der Galerie! Antiteuerungs­paket: ein Name, der einfach nicht zum Paket passt! Es ist nichts da, was Anti-Teuerung ist. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na, na, na!) – Es wird nichts billiger! Frau Kollegin, nennen Sie mir ein Beispiel, was günstiger wird! – Nämlich nichts! (Bundesrat Bader: Teuerungs-Entlastungspaket!)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 58

Das Zweite, das wir da mitverhandeln, ist das Klimabonusgesetz, und auch bei diesem Gesetz hat der Titel nichts mit dem Inhalt zu tun – aber schon gar nichts, denn was sich mir überhaupt nicht erschließt: Wo ist denn da der Bonus für das Klima? Wo geht es da um klimafreundliches Verhalten? – Ich denke, der Klimabonus oder das Klima­bonus­gesetz, die Erhöhung auf die 500 Euro hat ganz viel damit zu tun, dass die Grünen halt auch ein bisschen etwas verteilen dürfen – und nicht nur die ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit dem Klima hat es definitiv nichts zu tun. Es ist gut, dass es keine regionalen Ab­stufungen mehr gibt, denn glauben Sie mir, das Leben wird überall – unabhängig davon, in welcher Region – langsam unleistbar, und es handelt sich um nichts anderes als um einen Teuerungsausgleich. (Bundesrat Krumböck: Also ist es jetzt doch gut!)

Was aber nicht passiert, ist, dass Ursachen bekämpft werden. Wir wissen, dass diese Preissteigerungen alle ganz, ganz viel mit den Energiepreisen zu tun haben. Wo gibt es eine Ursachenbekämpfung? Wo ist eine zukunftsorientierte Energiepolitik zu bemerken? Vor einem Jahr haben wir das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen. Wie viele Verordnungen sind da? Was wurde umgesetzt? Was wird getan? Vermutlich sind die Verordnungen nicht da, weil die ÖVP nicht will und Frau Gewessler, die Frau Ministerin, sich da nicht durchsetzen kann. Andererseits konterkariert die Frau Ministerin mit den Umweltverträglichkeitsprüfungen den Ausbau der Fotovoltaik. In Wahrheit geht einfach gar nichts weiter – und das soll das Beste aus zwei Welten sein? Da möchte ich nicht wissen, was außer dem Besten da noch drinnen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre auch an der Zeit, mit Unternehmerinnen und Unternehmern wirklich darüber zu reden, was es braucht, um Energie einzusparen und umzusteigen. Da reicht es nicht, einfach zusätzliche 400 Millionen für Förderungen zu beschließen, ohne zu wissen, zu welchen Kriterien die dann ausgeschüttet werden. Das ist zu wenig. Wo gibt es Kampagnen zum Energiesparen? Wo sind die? Man hört und sieht nichts.

Der Teuerungsausgleich ist sicher nicht schlecht, der ist auch notwendig (Bundesrat Bader: Oh, oh, oh!), aber er wird sehr schnell verpuffen. Es ist eine Einmalzahlung, die momentan kurz helfen wird, um das, was sich schon aufgestaut hat – und bei vielen Leuten sind das dann Schulden, Raten, die zu zahlen sind –, ein bisschen zu lindern. Nachhaltig ist das bestimmt nicht. Nachhaltig wäre es, Steuern zu senken. Nachhaltig wäre es, Gewinne abzuschöpfen; da hat Kollege Egger vollkommen recht.

Da ist Bundeskanzler Nehammer die Schneid aber schnell abgekauft worden. Schwupps war Schluss mit der Umsetzung dieser Idee, wohingegen aber die Gewinnsteuern ganz sang- und klanglos gesenkt wurden.

Kollegin Wolff hat Probleme mit der Gießkanne und  – das haben wir jetzt schon oft gehört – der Teuerungsausgleich funktioniert nach dem Prinzip der Gießkanne. Es gibt – so eine Auskunft aus dem Bundesministerium für Finanzen – gerade einmal 127 000 Menschen in unserem Land, bei denen es zu einer Besteuerung kommen wird. (Bun­desminister Brunner: Das stimmt gar nicht!) Das sind dann die Reichsten der Reichen, das sind nicht viele. (Bundesrat Bader: Also hätten wir das nicht tun sollen? Sollten wir das nicht tun?) – Ihr sollt etwas anderes tun, was nachhaltig hilft und nicht ein Mal mit der Gießkanne Geld verteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein besonderes Schmankerl: Von mindestens zwei Millionen Menschen in diesem Land gibt es keine Kontonummern, wohin überwiesen werden kann. Es sind 0,8 Milliarden Euro für den Klimabonus, 2 Milliarden Euro für den Teuerungsausgleich. Diese Gut­scheine werden mit der Post – RSA – ausgeschickt. 20 Millionen Euro Verwaltungs­aufwand – dafür haben wir das Geld! (Bundesrätin Schumann: Wahnsinn!) Aber das Aussetzen der Mehrwertsteuer ist dann ein Problem für die ÖVP, weil Sie nicht wollen, dass reiche Menschen Kaviar ohne Steuern essen. (Bundesrat Preineder: Wie schickt


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 59

man Geld ohne Kontonummer? Wie hätten Sie es gemacht? Vorschlag!) In diesem Land wird so viel Kaviar gegessen – das war das Argument.

Den Menschen ist mit diesen einmaligen Geldregenauszahlungen aber nicht nachhaltig geholfen. Die Inflation wird nicht gestoppt, die Lebenssituation wird nur ganz, ganz kurzfristig verbessert, es werden keine Preise gesenkt. Auch wenn das hier immer in schöne Worte verpackt wird – Antiteuerung, Klimabonus, 28 Milliarden Euro, die es ja gar nicht sind –, die Menschen werden das entlarven, sie lassen sich nicht ewig von schönen Verpackungen täuschen.

Ich bringe deshalb den folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nur Mut zur Umsetzung der Idee des Bundeskanzlers – setzten wir die Mehrwertsteuer auf Lebens­mittel für die Zeit der Krise aus“

(Beifall bei der SPÖ.)

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Idee des Bundeskanzlers umzusetzen und ein Paket für die befristete Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täg­lichen Bedarfs – inklusive scharfer Preiskontrollen – dem Nationalrat sowie dem Bun­desrat umgehend zuzuleiten.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.53


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Nur Mut zur Umsetzung der Idee des Bundeskanzlers – setzten wir die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel für die Zeit der Krise aus“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm das Wort.


11.53.34

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Situation ist dramatisch, das wissen wir, wenn wir die Bevölkerung fragen, wenn wir tagtäglich mit den Menschen sprechen. Gestern haben gute Beobachter bei Armin Wolf in ORF 2 gesehen, dass wir mit Schwarz-Grün die von den Österreicherinnen und Österreichern am schlechtesten bewertete Regierung aller Zeiten in der Zweiten Republik haben. (Bundesrat Buchmann: Na hallo, hallo! Das hat keiner gesehen! – Ruf bei der ÖVP: O-Ton Kovacs!) Und dann ist gleich die nächste Drohung gekommen: Heute beschließen wir irgendwelche Einmalzahlungen. Kollegin Schumann hat es vorhin schon angesprochen: Einmalzahlungen helfen genau ein Mal!

Was passiert? – Am 1. Oktober bekommen wir die CO2-Steuer, das hat uns Frau Maurer gestern in der „ZIB 2“ ausgerichtet. Jetzt würde ich gerne vom Herrn Finanzminister wissen: Sind wir wieder hybrid unterwegs oder stimmt das? Haben wir ab Oktober schon die CO2-Steuer, sprich die nächste Belastung für jene Menschen, die tagtäglich pendeln


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 60

müssen, obwohl der Spritpreis kein Ende mehr findet? Wir haben jetzt schon Spritpreise von 2,10, 2,20, ja sogar 2,40 Euro.

Herr Finanzminister, Sie haben vorhin erklärt, dass ein Preisdeckel nicht möglich ist, weil die Steuern ja sofort wieder egalisiert werden und dass der Preis in Deutschland gleich geblieben ist. Dann erklären Sie mir jetzt: Wie ist es möglich, dass eine OMV-Tankstelle im Burgenland 2,30 oder 2,40 Euro verlangt und wenn ich nach Sopron fahre, zahle ich keine 15 Minuten später 1,27 Euro? Dieser Tankwagen fährt von Österreich nach Ungarn. Und noch besser: Die Österreicher dürfen in Ungarn nicht einmal mehr tanken. Wie ist das möglich, Herr Finanzminister? Ist das nicht EU-rechtswidrig? Ich habe vom Herrn Bundeskanzler noch nichts dazu gehört, dass das EU-rechtswidrig ist. (Zwi­schen­rufe bei der ÖVP.)

Ja, Sie können lachen, wenn die Pendlerinnen und Pendler nicht mehr wissen, woher sie das Geld fürs Autofahren nehmen sollen. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist ja unfassbar, dass Sie da lachen. Keiner kann sich das mehr leisten und Sie lachen hier herum. (Ruf bei der SPÖ: ... die Österreicherinnen und Österreicher!)

Wir sitzen hier in der Länderkammer, wo wir im Einflussbereich der Länder sind und sehen, was die Länder machen können, und wir haben natürlich sofort in unserem Bereich geschaut. Für das Burgenland darf ich sagen: Wir haben rasch jenen geholfen, die es wirklich brauchen. Wir haben den Heizkostenzuschuss von 165 Euro auf 400 Euro sofort gesteigert (Ruf bei der ÖVP: Einmalzahlung!), nicht irgendwann in einem Monat oder in zwei Monaten.

Ich musste mir vorhin erklären lassen, der Herr Sozialminister hat es gesagt – wir wissen eh, dass im September die Schule beginnt –: Wir haben das absichtlich für August, Sep­tember gemacht wegen der Schule. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.) Das ist ja schon fast eine Verhöhnung der Österreicherinnen und Österreicher, wenn man sagt: Wir haben im September Schule, deshalb brauchen wir dann das Geld. Es ist wirklich unfassbar, wie man da vorgeht.

Diese 7,9 Prozent Inflation, von denen wir immer sprechen, sind ein Durchschnitt, meine Damen und Herren. In Wahrheit ist die Inflation viel, viel höher.

Ich wiederhole es: Wir sitzen hier in der Länderkammer. Ich erwarte mir von jedem Bundesrat, der in der Länderkammer sitzt, dass er seine Leute – die Niederösterreicher oder Tiroler oder Steirer – auch entsprechend vertritt, und nicht gelassen hier sitzt und sagt: Schauen wir weiterhin zu, wie sich die Pendlerinnen und Pendler den Sprit nicht mehr leisten können! Das sind die Steigerungen, die wir egalisieren müssen: 50, 60 und 70 Prozent mehr. (Bundesrat Preineder: Wir verdoppeln die Pendlerpauschale! Mal wieder nicht aufgepasst!)

Was macht die Bundesregierung? – In wenigen Monaten zahlen wir für einen Liter Sprit dann noch einmal um 10 Cent mehr. Herr Finanzminister, ich wäre sehr gespannt, was Sie dazu sagen, dass im Oktober der Spritpreis noch einmal um 10 Cent erhöht wird, dass das seitens der Bundesregierung auch noch durchgesetzt wird. Das ist eigentlich unglaublich, und Sie sagen dazu nichts, Ihnen ist alles schon egal. (Bundesrat Spanring: Die können nichts sagen, sonst zerreißt es die Regierung!)

Es ist so, wie es gestern auch Armin Wolf im ORF gesagt hat: Die Regierung hat momen­tan eine Zustimmung von nicht einmal mehr 30 Prozent. Noch ärger: Die Koalition hat nicht einmal mehr 18 Prozent Zustimmung (Bundesrat Preineder: Von den SPÖ-Wählern? – Bundesrat Buchmann: Immer noch ein Meilenstein gegenüber Frau Rendi-Wagner!), und ich sage Ihnen auch: Man spürt es. Das Feuer der Regierung ist schon völlig weg, auch von Ihnen (in Richtung Grüne), Sie liegen nur mehr hinten, Sie geben keine Kommentare zur Hilfe der Menschen vor Ort mehr ab. Das ist eine Schande.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 61

Hoffentlich haben wir bald Neuwahlen, damit die Österreicher wieder eine Zukunft ha­ben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.58


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste ist Frau Marlies Steiner-Wieser zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


11.58.21

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Staats­sekretär! Herr Minister! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Das, was uns heute von der schwarz-grünen Bundesregierung als sogenanntes Entlastungspaket präsentiert wird und als Riesenerfolg verklickert werden soll, ist eine Mogelpackung. Durch dieses sogenannte Entlastungspaket wird in diesem Land nichts billiger; kein Produkt, nichts wird billiger.

Meiner Meinung ist das ja eigentlich eine Farce. Und weil mein Kollege Hübner heute von der Verabreichung einer homöopathischen Dosis gesprochen hat und der Herr Finanzminister das dementiert hat, möchte ich das noch bekräftigen und hinzufügen: Das, was hier momentan passiert, ist Symptombekämpfung, aber sicherlich keine Ur­sachenbekämpfung. (Beifall bei der FPÖ.)

Seit über zwei Jahren schikaniert die schwarz-grüne Regierung die Österreicher mit nicht notwendigen Coronamaßnahmen, die zu Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit geführt und in weiterer Folge für gewaltige finanzielle Einbußen bei den Österreichern gesorgt haben. Der jetzige Zustand hat ja eigentlich schon vor über zwei Jahren begonnen, als Sie die Menschen in Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit getrieben haben. Schon vor dem Ukraine­krieg ist die Inflationsrate gestiegen und die Menschen wussten nicht mehr, wie sie mit ihrem Einkommen auskommen sollen, aber der Ukrainekrieg hat das sicherlich noch verstärkt.

Mittlerweile haben wir ja gar keine Teuerungswelle mehr, sondern einen Teuerungs­tsunami. Das Geldbörsl der Österreicher wird von Tag zu Tag immer leerer, und viele müssen sich schon seit Monaten überlegen, ob sie einheizen oder einkaufen gehen, weil sich beides zusammen nicht mehr ausgeht. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.) – Das interessiert die Ministerbank anscheinend nicht recht.

Was Sie den Menschen als sogenanntes Entlastungspaket als Unterstützung präsen­tieren, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, das sind Almosen. Es ist hoch an der Zeit – Herr Finanzminister, das wird Sie vielleicht auch interessieren –, dass sich die ÖVP und die Grünen vielleicht endlich einmal bei den ÖsterreicherInnen für das ent­schuldigen, was Sie in den letzten beiden Jahren mit dieser unfähigen Versa­genspolitik angestellt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Was da passiert, geht auf keine Kuhhaut mehr. Sie haben das Land an die Wand gefahren, Sie haben Existenzen ruiniert, Sie haben Kinderseelen gebrochen. Die Armut in diesem Land wächst und wird immer größer. Es scheint der ÖVP und den Grünen völlig wurscht zu sein, dass die Reichen immer reicher werden, die Armen immer ärmer werden und der Mittelstand komplett ausgemerzt wird. Den Mittelstand wird es bald nicht mehr geben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Sie die Österreicher schlicht und ergreifend im Regen stehen lassen, ja, Sie haben die Österreicher sogar im Stich gelassen.

Entlastung und Entspannung bringt dieses Paket nicht, weil Einmalzahlungen einfach keine nachhaltige Wirkung zeigen. Diese Einmalzahlungen kommen vielleicht erst in vielen Monaten bei den Menschen an, wenn sie überhaupt ankommen. Großteils werden diese Einmalzahlungen dann dazu verwendet, um vielleicht überzogene Konten abzu­decken, um Mietrückstände nachzuzahlen, weil die Menschen durch eure schwarz-


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 62

grüne Murkspolitik belastet worden sind, aber diese Leistungen sind, falls sie ankom­men, sicherlich nicht nachhaltig.

Ich habe ein Facebookposting mitgebracht. Es stammt von einer ehemaligen ÖVP-Abgeordneten, die sich fürchterlich geärgert hat. Sie hat um den Energiekostenausgleich angesucht. Dieser Energiekostenausgleich, dieser Gutschein wird nach Postleitzahlen verschickt und hätte in der KW 17 kommen sollen. Mittlerweile haben wir die KW 26, aber der Gutschein ist immer noch nicht da. Die gute Dame hat dann bei der Hotline des Bundesministeriums angerufen, und da wurde ihr Auskunft gegeben.

Ich lese jetzt das Facebookposting vor: Laut Auskunft bei der Hotline des Bundes­minis­teriums sind Tausende Gutscheine für den Energiekostenausgleich verloren gegangen. Hätte ich da nicht angerufen und mich erkundigt, wann denn der Gutschein kommt – ich habe schon gesagt, in der KW 17 hätte er kommen sollen, jetzt haben wir die KW 26 –, würde ich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten.

Das Beste kommt aber erst. Auf Nachfrage, wann der Gutschein kommt, sagte die freundliche Dame: Von selbst kommt gar nichts, Sie müssen ihn neu beantragen, das geht aber erst ab 1. Juli. Es reicht, das ist doch alles Verarsche. – So lautet das Zitat auf Facebook. (Beifall bei der FPÖ.)

Das schreibt eine ehemalige ÖVP-Abgeordnete, die dann auch mit mir Kontakt aufge­nommen hat. Genauso geht es aber vielen Bürgern in diesem Land. Die fühlen sich gepflanzt – oder das letzte Wort, das ich gerade vorgelesen habe.

Wir Freiheitliche haben einen Zwölfpunkteplan präsentiert und vorgelegt, wie man die Menschen wirklich entlasten könnte. Der ist von euch zurückgewiesen worden, abge­lehnt worden, es ist alles vom Tisch gefegt worden. Stattdessen bekommen wir fast täglich siebengscheite Ratschläge der Bundesregierung, was die Österreicher denn nicht alles an Sparmaßnahmen machen sollten. Da hört man dann: Es muss ja nicht jeden Tag Schnitzel sein! Da hört man dann: Weniger duschen gehen! Da hört man dann: Deckel auf den Kochtopf geben! Ein Salzburger ÖVP-Abgeordneter hat gleich gesagt: Die Leute sollten weniger Lotto spielen, dann geht es ihnen finanziell viel besser. In Niederösterreich sagt Mikl-Leitner: Drei Ballkleider tun es auch. (Bundesrat Bader: Das ist so ein Blödsinn, was du da von dir gibst!) Das Elektroauto aber, das darf man draußen auftanken, gell, weil es ja eh fast keine Energie dazu braucht. Das ist ja ein Treppenwitz, was ihr aufführt! (Beifall bei der FPÖ.)

Bei so viel Unsinn kann kein Mensch mehr einen kühlen Kopf bewahren, wie es uns der Herr Finanzminister geraten hätte. Bei so viel Zynismus, bei so viel Empathielosigkeit und so viel Eiseskälte der schwarz-grünen Bundesregierung steigt einem eher der Blutdruck und man bekommt einen hochroten Kopf.

Wichtig wäre es jetzt, die Treibstoffpreise zu deckeln, die Mehrwertsteuer zu senken, die Lebensmittelpreise drastisch zu senken. In anderen europäischen Ländern geht es ja auch, es geht ja. Ich habe hier zwei Rechnungen mitgebracht, ich war in Italien einkaufen und ich war in Salzburg einkaufen. Ich habe einen kleinen Warenkorb gekauft, weil es mich einfach interessiert hat: Mehl, Butter, Zucker, Nudeln, einen kleinen Warenkorb. In Italien habe ich bei derselben Kette für die gleichen Produkte knapp über 5 Euro bezahlt und in Salzburg fast 10 Euro. Das ist doppelt so teuer. Jetzt muss mir jemand erklären, warum Salzburger, Österreicher in Österreich doppelt so viel zahlen sollen wie in einem anderen europäischen Land. Das müssen Sie mir jetzt einmal erklären, bitte! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Daran ist die Politik nicht schuld!)

Die Italiener haben wenigstens die Mehrwertsteuer ausgewiesen. Dort sind es 4 Prozent Mehrwertsteuer auf die Grundnahrungsmittel. Was kostet das bei uns? Warum müssen Österreicher für Mehl, Zucker, Butter, Joghurt – darf man auch einmal eines essen –,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 63

Milch – braucht man auch in einem kleinen Warenkorb – doppelt so viel zahlen? Sie können sich das anschauen: ein bisschen über 5 Euro in Italien und 10 Euro in Salzburg. Da geht einem das G’impfte auf. (Bundesrat Raggl: Ja, dann musst du gehen!)

Herr Finanzminister, durch die völlig überzogenen hohen Preise in Österreich haben Sie Mehreinnahmen in Millionenhöhe erhalten. Dieses Geld gehört den Österreichern eins zu eins zurückerstattet, aber nicht durch Almosen, nicht durch Brotkrümel, nicht durch Einmalzahlungen, sondern dauerhaft.

Weil ich vorhin vom Gesundheitsminister gehört habe, dass es Menschen gibt, die die 300 Euro madig reden: mitnichten! Wir machen nur darauf aufmerksam, dass sie ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Die Menschen brauchen eine nachhaltige Hilfe, sie muss dauerhaft, kontinuierlich sein, damit wieder Normalität hineinkommt. Wenn ich aber von einem Monat aufs andere befürchten muss: Werde ich delogiert? Kann ich mir das Essen noch leisten? Die Kinder brauchen ein Paar Schuhe, geht sich das alles aus? – das macht auf Dauer krank.

Herr Minister, wenn die Regierung so naiv ist, zu glauben, dass Sanktionen gegen Russland das Gelbe vom Ei sind, dann sind Sie auf dem Holzweg. Die verkaufen wo ganz anders hin – und Europa bleibt auf der Strecke. Bei uns gehen die Getreidepreise hoch, bei uns sind die Öl- und Gasspeicher leer. Ausbaden müssen es wir Österreicher oder in dem Fall: die Europäer. (Bundesrat Raggl: Mit Ausnahme von Orbán: alle dep­pert!) – Ja, ist schon recht. Dann tut es bitte, macht es, entlastet die Menschen!

Es würde wirklich Größe zeigen, euch endlich eure eigenen Fehler einzugestehen. Die Bundesregierung regiert nicht, sie reagiert nur noch panisch, ganz nach dem Motto: Wir wollen mit dem Kopf durch die Wand! Wie gesagt: Größe bedeutet auch, sich eigene Fehler einzugestehen.

Wenn die Regierung aber vor lauter Regierungsumbildungen, Inseratenaffären oder Kor­ruptionsgeschichten (Rufe bei der ÖVP: Ibizaskandal!) keinen kühlen Kopf mehr be­wahren kann und sich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren kann, um für die Menschen in diesem Land zu arbeiten, um den Menschen zu helfen, dann treten Sie zurück und machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

12.08


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Bevor ich den nächsten Redner ans Pult bitte, begrüße ich unsere Bundesministerin für EU und Verfassung, Frau Mag. Edtstadler: Recht herz­lich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Bernard.)

Bitte, Marco Schreuder.


12.09.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Frau Staatssekretärin! Ich will inhaltlich nicht mehr zu stark in diese Debatte eingreifen, aber etwas muss ich schon sagen: Wenn Sie, Frau Kollegin Steiner-Wieser, sagen, dass wir gegen Russland keine Sanktionen machen sollten (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ich habe gesagt, Sie sollen nicht naiv sein!), dann sagen Sie damit ja, wir sollten überhaupt nichts dagegen tun, dass ein - -

Wladimir Putin weiß ja genau, was er da tut. (Bundesrat Hübner: Schreuder weiß es besser!) Diese Inflation geschieht ja, weil die Energiepreise so in die Höhe schießen, weil er einen Staat angegriffen hat, weil er einen aggressiven Krieg begonnen hat, ein anderes Land überfallen hat.

Und er weiß ganz genau, dass er mit Gas und Öl eine ganz starke Waffe in der Hand hat. Er wusste in all den Jahren zuvor ganz genau, wie er mit Aufsichtsratsposten für


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 64

europäische Politiker und Ex-Politiker – ich sage das jetzt bewusst nicht gegendert, obwohl: ein paar Frauen waren auch dabei, glaube ich – Abhängigkeit schafft. Er wusste ganz genau, wie er diese Abhängigkeit vorher aufbauen kann, um danach zuzuschlagen.

Und jetzt so zu tun, als würden wir nicht in einem Boot sitzen, sondern müssten uns gegenseitig vorwerfen, dass wir schuld an der Inflation seien: das kann so nicht stehen gelassen werden. Wir sind in einer globalen Krise. Diese Krise ist durch einen aggres­siven Krieg Russlands und durch viele Vorgängerregierungen, die uns vom Öl und Gas Russlands abhängig gemacht haben, verursacht. Und diese Suppe müssen wir jetzt auslöffeln.

Ehrlich gesagt: Ich bin froh, dass wir diese Suppe so auslöffeln, wie wir sie auslöffeln. (Bundesrat Leinfellner: Um Gottes willen!) Sozialleistungen automatisch der Inflation anzupassen, das habt ihr in all den Jahren nie geschafft. Wir machen das. Darauf bin ich stolz, und das ist mir wichtig. (Beifall bei den Grünen. – Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Ihr macht es jetzt nicht! Das sind nur Ankündigungen!)

Und wenn – das möchte ich hier in aller Deutlichkeit gesagt haben Einmalzahlungen kritisiert werden, aber in derselben Rede Einmalzahlungen des Bundeslandes gelobt werden, dann ist das paradox. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es tut mir leid, aber das ist keine Kritik, egal ob Wien oder Burgenland.

Eines möchte ich auch sagen, Frau Kollegin Schumann, weil so oft das Wort Wien­bashing gefallen ist (Bundesrätin Grimling: Das ist es ja!): Ich liebe Wien. (Bundesrätin Grimling: Ja, das sehen wir an deinen Äußerungen!) Und wenn ich Vorschläge für Wien habe, die anders sind als die der sozialdemokratischen Regierung, bedeutet das nicht, dass ich Wien bashe, sondern das bedeutet nur, dass ich einen anderen Vorschlag habe. (Beifall bei den Grünen. – Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Das sind aber keine Vorschläge, sondern ...!)

Das ist dieselbe Rhetorik, die damals gegen Leute wie Thomas Bernhard angewandt wurde: der Vorwurf des Nestbeschmutzens, genau den macht ihr. (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Nein! Also nein! Kein Ahnung von irgendwas!) Wenn ich einen anderen Vorschlag für Wien habe, dann mache ich das für Wien und nicht gegen Wien. Das möchte ich hier einmal in aller Deutlichkeit gesagt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Das ist kühn, dich mit Thomas Bernhard zu vergleichen!) – Nein, das ist nicht kühn, das ist die Wahrheit. (Bundesrätin Grimling: Geh, hör auf!)

Zum Schluss möchte ich einen Artikel von Peter Michael Lingens im „Falter“ vorschla­gen, den ihr alle lesen solltet – ihr lest ja auch gerne den „Falter“ –, er hat den Titel: „Die falsche Kritik am Geld-zurück-Paket“: „Zu den ehernen Ritualen österreichischer Politik zählt, dass die Opposition alles, was die Regierung beschließt, als verfehlt und unge­nügend geißelt. Die Kritiker erhoffen sich davon offenbar gesteigertes Interesse – ich glaube, dass sie einen Beitrag zur Politikverdrossenheit leisten [...]“. – Genau das ist es, und der Einzige, der sich dann freut, dass wir so diskutieren, ist Wladimir Putin. (Bundes­rat Steiner: Der hört sicher zu, was wir da reden!) Das sollte nicht passieren. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.13


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Karl Bader. – Bitte schön.


12.13.19

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Bildschirmen,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 65

die Sie uns zuhören! Ich möchte diese Debatte auch nutzen, um am Beginn Frau Präsidentin Christine Schwarz-Fuchs sehr herzlich zu danken und ihr zu der Vorsitz­führung im ersten Halbjahr für das Bundesland Vorarlberg mit ganz wesentlichen inhalt­lichen Akzenten, was die Zukunft dezentraler Lebensräume betrifft, zu gratulieren. Gra­tuliere! Ich habe miterleben dürfen, wie engagiert und vor allem wie fleißig und mit wie viel Liebe du diese Aufgabe bewältigt hast. Jetzt darfst du ein bisschen Ruhe genießen. Alles Gute und vielen Dank für dein Engagement!

Auch ein herzliches Danke an die Frau Vizepräsidentin, die dich in diesem Halbjahr begleitet hat. Es wird von unserer Seite auch einen neuen Vizepräsidentenvorschlag für das Präsidium geben (Bundesrätin Grimling: Das ist aber ein anderer Tagesord­nungspunkt!), auf sozialdemokratischer Seite wird Günther ja gut und engagiert weiter­arbeiten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Lackner.)

Zum Tagesordnungspunkt: Der Bundesminister für Finanzen hat trotz Unkenrufen mancher Rednerinnen und Redner der Opposition klar und deutlich, kurz und prägnant formuliert, worum es geht: Wir sind schneller, wir sind in Europa vom Volumen her top. Da können Sie argumentieren, was Sie wollen, es ist einfach so. Und wir sind auf dem richtigen Weg, die Menschen zu entlasten, weil wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen (Bundesrat Steiner: Ja!) und ihnen das Geld, das ihnen durch die Teuerung genommen wird, ein wenig zurückgeben. Das ist das Thema, um das es heute geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte dazu auch ein Zitat bringen und ich werde Ihnen dann auch sagen, in welcher Zeitung es gestanden ist. Die Überschrift lautet: „Die Regierung macht es richtig“. (Bundesrat Steiner: Das war die Bauernzeitung!) Und ich erweitere damit das, was mein Vorredner Marco Schreuder mit seinem Zitat gesagt hat: „Unpopulär, aber erfolgreich: So könnte die Regierung Nehammer/Kogler in die Geschichtsbücher eingehen.“ Und weiter: „Man kann an den Details des neuen Entlastungspakets der Bundesregierung sicherlich herummäkeln. Aber in großen Zügen hat Türkis-Grün hier die richtigen wirt­schaftspolitischen Reflexe gezeigt und auch langfristig die richtigen Weichen in der Steuer- und Sozialpolitik gestellt. Die Regierung hat aus einer schwierigen Situation – nämlich der schmerzhaften – das Beste gemacht. Auf einen plötzlichen Inflationsschub, der Haushalte schwer belastet, kann die Politik auf zweierlei Arten reagieren: Sie kann versuchen, die Preissteigerungen direkt zu bekämpfen, sei es durch gezielte Steuer­sen­kungen oder gar durch Preisdeckel. Oder sie kann sich auf der Einnahmen- und Aus­gabenseite daran anpassen. Der erste Weg ist oft populär, aber führt zu falschen Preissignalen, Marktverzerrungen und manchmal sogar Versorgungsengpässen. Zum Glück ist die Regierung hier nicht dem Beispiel vieler anderer EU-Staaten gefolgt und hat darauf vollständig verzichtet.“ – Dieses Zitat stammt von Eric Frey im „Standard“, der wahrlich kein regierungsfreundliches Medium in unserem Land ist. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Aber ein grünes!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen, dass man unterschiedlicher Meinung und Denke sein kann, das verstehe ich, das ist in der Demokratie auch positiv. Man kann unterschiedliche Ziele und Wege gehen wollen, auch das verstehe ich. Man kann sich hierherstellen und fordern und verlangen und bejammern und kritisieren, dass alles zu langsam geht, dass alles zu wenig ist, auch das verstehe ich noch, das mag schon ein oppositioneller Ritus sein.

Was ich aber nicht verstehe, ist, dass man gegen Entlastungen für die Menschen stimmt. Professor Kaiser, der legendäre Ö3-Comedian, würde sagen: Was ist mit du, Oppo­sition? (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Na geh bitte! Das war schon mal lustiger!) Sie sind gegen Maßnahmen für die Menschen. Mich verwundert auch die soziale Kälte der Opposition. Wie erklären Sie einem Mindestpensionisten, dass er das, was wir heute beschließen, nicht bekommen soll? (Bundesrätin Schumann: Dass seine


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 66

Pension nicht erhöht wird? – Das macht ihr!) Wie erklären Sie einer Studienbeihilfen­bezieherin, dass Sie die 300 Euro für sie nicht wollen? Sie stimmen ja dagegen. Warum wollen Sie diese Unterstützung für die Menschen nicht? (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Geh bitte! Schaut euch doch in den Spiegel! Das ist doch nicht wahr! Das funktioniert doch nicht!)

Diese Unterstützungsleistungen und das Antiteuerungspaket, das wir beschließen, sind ein erster Teil. Von den Entlastungen ist es bereits der dritte Teil, den die Regierung in Österreich vorgelegt hat und der vom Parlament beschlossen wird. Wir werden heute zustimmen, und ich lade Sie ein, das auch zu tun.

Auch ein nächster Schritt ist schon geplant: Wir haben Sofortmaßnahmen mit 5 Milliar­den Euro für die Menschen, einer Milliarde Euro für die Wirtschaft, und dann gibt es langfristige strukturelle Maßnahmen, die vorgestellt wurden, die beschlossen wurden, die in der Begutachtung sein werden, die wir auch auf den Weg bringen. Das ist eine gewaltige Entlastung für die Menschen in einer Situation – und da gebe ich Frau Kollegin Schumann ganz besonders recht –, die eine schwierige Herausforderung ist, die wir zu stemmen haben.

Aber warum man dann gegen diese Unterstützung für die Menschen ist, das verstehe ich halt nicht. (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Wir erklären es dir! Auf­fassungsverschiedenheiten, damit muss man leben!) 1 806 Euro Entlastung allein im Jahr 2022 für eine Pensionistin, für einen Pensionisten mit 1 100 Euro Pension. 1 800 Euro!

Die Regierung hat auch klar und deutlich gemacht: Jetzt werden Einmalzahlungen beschlossen, und wir werden das auch weiter beachten. Und diese Reflexe, die Sie von der Opposition, besonders von der Sozialdemokratie, hier immer wieder herausschreien: Es ist ja wirklich absurd, da muss ich Marco Recht geben.

Eine Einmalzahlung in Wien ist hui, eine Einmalzahlung, die die Bundesregierung und die wir im Parlament beschließen, ist pfui? (Bundesrätin Grimling: Aber der Bund ist etwas anderes als der ...!) – Ja bitte, machen Sie sich doch nicht so lächerlich, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Lächerlich machen Sie sich!)

Wir werden dieses Entlastungspaket heute im Bundesrat verabschieden und bringen somit eine Gesamtentlastung im ersten Schritt von dann insgesamt 28 Milliarden Euro für die Österreicherinnen und Österreicher auf den Weg. Wir helfen zielgerichtet und rasch jenen, die es brauchen, und geben den Menschen Geld zurück. Wir werden auch noch im System langfristige Maßnahmen setzen, die den Menschen und die dem Wirtschaftsstandort Österreich eine große Unterstützung sein werden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrätin Grimling: Wer hat schon ...? – Bundesrätin Schumann: Die raufen ums Überleben!)

12.20


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Stefan Schennach. – Bitte.


12.21.02

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Eigentlich bin ich hier herausgekommen, weil Thomas Bernhard genannt wurde (Bundesrat Schreuder: Ja!) – in einem wirklich völlig fälschlichen Zusammenhang. (Bundesrat Schreuder: Nein!) – Warte einmal!

Gestern hattest du deinen Ehrentag (Bundesrat Schreuder: Vorgestern! – Bundesrätin Schumann: Das war vorgestern!) – oder vorgestern, aber zuerst noch einmal (in Rich­tung Präsidentin Schwarz-Fuchs) herzlichen Dank für die Präsidentschaft aus Vorarlberg,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 67

Christine, und auch zu deinem Geburtstag, aber auch der Vizepräsidentin (in Richtung Vizepräsidentin Zwazl) möchte ich meinen Dank aussprechen.

So (in Richtung Bundesrat Schreuder), zehn Jahre warst du in Wien mit der SPÖ in der Regierung. (Bundesrat Schreuder: Ja, gerne! War kein Problem!) Du bist ein irrer Tho­mas Bernhard, muss ich sagen, denn du hast offensichtlich nichts durchgebracht und überall zugestimmt. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Jetzt, da eine andere Regierungskoalition kommt, kreiert er sich zu einem Thomas Bern­hard in Wien. Schau, was wir hier haben – Karl Bader ist ja irgendwie einer der Letzten, die noch an Türkis glauben, weil er zu jeder Sitzung mit seiner türkisen Krawatte kommt, aber da ist er mittlerweile, wenn ich mich so umschaue, fast der Einzige –: Es ist bitter, wenn die derzeitige Bundesregierung in allen Meinungsumfragen weniger Prozente zusammenbringt – zwei Parteien – als die SPÖ allein. (Bundesrat Egger: Genau so ist es! – Bundesrätin Grimling: Deshalb stehen wir hier!)

Das ist die Situation, mit der hier gekämpft wird. Deshalb stehen wir hier. (Der Redner deutet auf die neben dem Rednerpult stehende Flasche mit Desinfektionsmittel.) Leider sind es offensichtlich keine, aber Kollege Obrecht kann ja vielleicht das nächste Mal mit Seifenblasen aushelfen. Was wir hier beschließen, sind Seifenblasen. Du kannst hier Hunderte Appelle richten (in Richtung Bundesrat Schreuder): Nein, wir wollen die Wahrheit und nicht die Seifenblasen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Schreuder.)

Marco Schreuders Kollegin Kittl ist da gestanden, da habt ihr alle frenetisch applaudiert. Sie hat gesagt, sie kann gar nicht mehr aufhören, all die Maßnahmen gegen die Teue­rung zu benennen. Nur war das zu 90 Prozent heiße Luft. 90 Prozent heiße Luft, denn die stehen heute alle nicht zur Debatte. Ob die kommen oder nicht, entscheidet sich – vielleicht – am Sankt-Nimmerleins-Tag.

Das mit der kalten Progression und der sozialen Treffsicherheit schauen wir uns einmal an. Die Abschaffung der kalten Progression ist ja schon eine Sache. Ich möchte noch einmal Anleihe an den Seifenblasen von Kollegen Obrecht nehmen, der zum Bundes­minister gemeint hat, es ist schon interessant: In Deutschland machen sie einen Blöd­sinn, in Ungarn machen sie einen Blödsinn, in Italien machen sie einen Blödsinn, nur die österreichische Bundesregierung macht keinen Blödsinn. (Bundesrätin Schumann: Die Besten!)

Da schauen wir uns an, dass die Leute euren Blödsinn vor euch selber durchschauen. Deshalb wenden sie sich ab. Da war ja gestern das Interview mit Frau Maurer in der „ZIB 2“ – ich glaube, Kollege Kovacs hat das angesprochen –, ich habe das auch ge­sehen. Also die hat ja überhaupt kein Gefühl mehr für irgendetwas, das in diesem Land derzeit los ist. (Bundesrätin Schumann: Stimmt!) Es waren keine einzigen richtigen Maßnahmen, von denen gesprochen worden ist. Deshalb versteht ihr: Dieses Seifen­blasenpaket wird unsere Zustimmung nicht finden. – Lieber Marco Schreuder, Thomas Bernhard ist Lichtjahre von dir entfernt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.25


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Ofner hebt die Hand.)


12.25.26

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Minister auf der Regierungs­bank! Werte Kollegen! Vor allem aber liebe Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen, die Sie die Teuerungswelle gerade mit voller Härte trifft, während wir hier gleichzeitig


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 68

eine Regierung haben, einen Finanzminister, der heute alle möglichen Krisen anführt, warum es zu dieser Teuerung gekommen ist.

Die wichtigsten Krisen hat er aber ausgelassen, und zwar ist das einerseits diese unfähige Bundesregierung. Die zweite Krise, die auch von dieser Regierung ins Treffen geführt wurde, war das Coronamissmanagement – und das seit zwei Jahren. Das sind die wahren Gründe für diese Teuerungswelle, die wir in Österreich derzeit haben. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ist Ihnen das nicht peinlich?)

Mir geht ja heute eine Dame auf der Regierungsbank ab. Das hätte wahrscheinlich die Diskrepanz zwischen den zwei Welten offenbart. Wo ist sie denn, die österreichische Belastungskönigin dieser Bundesregierung, Frau Gewessler? – Die ist mit allem, was hier vielleicht passiert oder nicht passiert, nicht einverstanden. Deswegen gibt es beispielsweise auch keine Abschaffung der CO2-Bepreisung, sondern nur ein Aussetzen bis Oktober.

Da hat man sich wieder auf irgendetwas verständigen müssen, was den Menschen in diesem Land überhaupt nicht hilft und wodurch dieses Land weiter an die Wand gefahren wird. Davor haben wir bereits vor zwei Jahren gewarnt, haben aber auch bereits im Herbst gesagt, dass eine unglaubliche Teuerung auf uns zukommen wird, denn heute lässt sich ja das Ausmaß in Österreich erkennen – ein Land, das eine Inflation hat, die es seit Jahrzehnten in Österreich nicht gegeben hat.

Es wird von Vollbeschäftigung gefaselt. – In Wahrheit ist es so, dass sich die Menschen in Schulungen befinden. Die werden dort alle dazugezählt. (Bundesrat Schennach: Aber nicht so viele!) Dann haben wir keine Facharbeiter, wie wir wissen, das Bildungs­system steht am Abgrund, weil man die Schüler über zwei Jahre drangsaliert hat, und den Tourismus hat man umgebracht, aber dafür haben wir dafür jetzt eine eigene Staats­sekretärin.

Herr Kogler hat damals gemeint: In ein paar Jahren werden Sie Österreich nicht wieder­erkennen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner.) – Nein: Herr Kogler (in Richtung Bundesminister Brunner), ich habe Herr Kogler gesagt. – Ja, ich weiß, der Herr Finanzminister ist heute schon etwas nervös, denn wenn man so ein Paket auf den Weg bringt, das kein Paket ist, verstehe ich natürlich diese Nervosität. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesministers Brunner.)

Kollegin Steiner-Wieser hat nicht gesagt – Herr Schreuder, man muss in diesem Plenum aufmerksam zuhören und vielleicht sinnerfassend zuhören, dann weiß man auch, was die Kollegin gesagt hat –, dass wir gegen Sanktionen gegen Russland sind, sondern sie hat eines ganz klar zum Ausdruck gebracht: So wie diese Sanktionierung durch diese Bundesregierung stattfindet – mit einem unrühmlichen Herrn Bundeskanzler und einem Außenminister, die sich in die erste Reihe stellen, um bei den Sanktionen dabei zu sein, und das als neutraler Staat, als der man eher verbindend wirken sollte –, ist das Problem, das Österreich hat, und das ist das Problem, das Österreich auch jetzt in Bezug auf die Teuerung hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Regierung ist einfach nicht in der Lage, dieses Land zu führen. Das zeigt und offenbart sich ja tagtäglich.

Man muss aber schon auch eines sagen, wenn jetzt die SPÖ heuchlerisch mit dabei ist und Krokodilstränen vergießt: Ich meine, Entschuldigung, ihr und gleich auch die NEOS wart ja bei diesen unsäglichen Maßnahmen, bei jedem einzelnen Beschluss, dabei. Ihr wart ja immer auch dabei. (Bundesrätin Schumann: Das haben wir schon 20-mal gehört!) Heute zu sagen, wir haben eine Teuerung und die Menschen in unserem Land trifft das so schwer – ihr habt diese Regierung ja mitgetragen, dass sie das umsetzt und dass wir so eine Coronapolitik haben, die zu dieser Teuerung geführt hat. (Beifall bei der


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 69

FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Bei was waren wir dabei? – Bundesrat Schennach: Bei irgend­etwas!)

Im vorangegangenen Tagesordnungspunkt haben wir über das Thema Asyl gesprochen, was Kollege Leinfellner aufs Tapet gebracht hat.

Ja klar, man hat ja in den letzten zwei Jahren unsere Leute eingesperrt, und gleichzeitig vor allem in den vergangenen Jahren auch die Grenzen aufgesperrt und alles hereinge­lassen. Natürlich haben wir jetzt auch eine erschwerte finanzielle Situation hinsichtlich der ganzen Sozialleistungen, des Gesundheitssystems, das noch einmal zusätzlich be­lastet wird. Zu dieser verschärften Situation hat aber auch wieder diese Regierung bei­getragen.

Wenn es dann immer heißt: Ja, die FPÖ hat keine Lösungen oder die SPÖ hat keine Lösungen, dann will ich schon sagen, dass die Opposition sehr viele Anträge gestellt hat, in denen wir natürlich auch darauf hingewiesen haben, dass es Maßnahmen braucht, die tatsächlich helfen, keine Pseudomaßnahmen, wie ihr sie wieder macht.

Wir haben es gehört, Kollegin Steiner-Wieser hat es erläutert: Die sind nur bürokratisch, weil ihr gar nicht wollt, dass alle Geld kriegen, sondern es soll möglichst wieder so kompliziert sein, dass die Halbscheid gar nicht darum ansuchen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher sind diese Maßnahmen nicht treffsicher, sondern sie verfehlen mit Sicherheit das Ziel – ja, das ist das Einzige, was dabei sicher ist. Da ist das gleiche Chaos vorpro­gram­miert, wie wir es auch bei Corona gehabt haben. Wir haben ja auch einige Maßnahmen vorgeschlagen.

Weil die Kollegin von den Grünen eben gesagt hat: Na ja, wir sind noch immer für die Zusammenarbeit. – Ich werde Ihnen einmal etwas erklären: Senkung der Mehrwert­steuer auf Treibstoffe – von Ihnen abgelehnt; Streichung der Mineralölsteuer bei Treib­stoffen – von Ihnen abgelehnt; ersatzlose Streichung der CO2-Steuer – von Ihnen abge­lehnt; massive Erhöhung der Pendlerpauschale und des Kilometergeldes – wir werden sehen, heute haben Sie die Chance, wir haben einen entsprechenden Antrag einge­bracht; Abschaffung der NoVA – von Ihnen abgelehnt, vielleicht haben wir heute eine Chance; Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie – abgelehnt; Streichung der Mehr­wertsteuer auf Grundnahrungsmittel – abgelehnt; Senkung der Lohnnebenkosten – abgelehnt; und auch die massive Anhebung der Löhne zur Abdeckung der Teuerung – abgelehnt.

Das ist diese Zusammenarbeit, die Sie so propagieren und bei der Sie sagen: Na, wir arbeiten ja mit allen zusammen. – Das sind nichts anderes als Lippenbekenntnisse. Herr Bader hat es jetzt auf den Punkt gebracht, als er gesagt hat: Die Opposition kann eh sagen, was sie will. – Ja, genau, ihr tut auch, was ihr wollt, weil euch die Menschen in unserem Land völlig egal sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn der Herr Finanzminister dann hergeht und von zig Milliarden Euro spricht, von 28 Milliarden Euro bis 2026: Bitte, bis 2026 ist diese Bundesregierung schon längst im politischen Nirwana – Gott sei Dank auch, muss man dazusagen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt entlasten und den Menschen in unserem Land helfen: Sie nehmen ja auch jetzt 12 Milliarden Euro mehr ein, weil diese Teuerungen natürlich auch zu Mehreinnahmen beispielsweise bei der Mehrwertsteuer führen. Geben Sie das den Menschen zurück und stopfen Sie nicht Ihre selbst verschuldeten Budget­löcher von Corona! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, Herr Finanzminister, erklären noch immer – in der vergangenen Plenarsitzung ge­rade wieder Kollegen Steiner –, dass Steuersenkungen EU-rechtlich nicht möglich sind.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 70

Na ja, Slowenien und Kroatien sind augenscheinlich in einer anderen EU als Österreich, oder sind wir nur wieder einmal beim Gold Plating an erster Stelle vorn dabei, weil die Menschen sich natürlich zu Recht fragen, warum es keine Entlastung wie in Slowenien und auch in Kroatien gibt, warum es keine Preisdeckelungen gibt.

Das hat einfach den Grund, dass Sie keine Empathie mit den Menschen in unserem Land haben, weil Sie sie gar nicht verstehen, weil Sie gar nicht wissen, wie es den Menschen in unserem Land geht: dass sie sich das Wohnen nicht mehr leisten können, dass sie sich die Mieten nicht mehr leisten können, dass sie sich eben auch den Strom nicht mehr leisten können.

Da hilft kein Energiegutschein mit 150 Euro, den man fast nicht abholen kann – so hat auch die Volksanwaltschaft entsprechend kritisiert, dass sich Tausende Menschen die­sen Energiegutschein nicht abholen können –, vor allem wenn man weiß, dass sich die Energiepreise verdrei- bis vervierfachen. Das heißt, da ist mit 150 Euro einmal nichts getan.

Die Leute können sich auch das Autofahren nicht leisten, und ja, deswegen wäre es schön gewesen, wenn sie da wäre, denn für Frau Gewessler in ihrem Paralleluniversum ist das natürlich Utopie, aber für uns im ländlichen Raum ist es halt einmal so, dass wir das Auto auch entsprechend brauchen, um unsere beruflichen oder privaten Wege erledigen zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Familien müssen genau in diesen Tagen jetzt überlegen: Wie schaffen wir es, Schul­ausflüge zu finanzieren? Wie schaffen wir es, Sommersportwochen zu finanzieren? Sie haben dazu das Geld nicht, das kann ich Ihnen als Bürgermeister gerne sagen. Sie kommen und sind auch auf Hilfe von den Gemeinden angewiesen, weil sie das Geld nicht mehr haben, und schon gar nicht bei mehreren Kindern.

Das zeigt auch, dass Sie genau für diese Familien nichts übrig haben, während Sie aber genau diese Kinder über zwei Jahre mit Ihrem Maskenzwang und Ihrem Testregime drangsaliert haben. Ab Herbst haben Sie es eh wieder geplant, weil dann dieses Chaos wieder die Fortsetzung finden wird.

Dasselbe ist bei den Pensionisten der Fall. Ja, die haben nicht mehr die Möglichkeit, dass sie sich ihre Wohnungen leisten können, weil sie mit der Pension einfach nicht mehr auskommen und überlegen müssen: Werden wir heute heizen oder werden wir uns Grundnahrungsmittel kaufen? (Bundesrat Auer steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesministerin Edtstadler und Bundesminister Brunner.) – Ja, Herr Auer ist natürlich mit den Ministern beschäftigt, weil es jetzt sicher Wichtigeres zu besprechen gibt als die Teuerung in Österreich, das ist mir schon klar. Die Damen und Herren auf der Regierungsbank wissen wahrscheinlich nicht, wie viel 1 Kilogramm Brot kostet, denn entweder kauft es der Chauffeur ein oder im Fall des Bundeskanzlers wahrscheinlich die Cobra. (Bundesrat Schennach: Cobras mögen kein Brot!) Deswegen haben Sie auch keine Ahnung, was die Menschen in unserem Land bedrückt. Daher ist das auch nur eine Pseudohilfe, die Sie leisten.

Dann kommen Sie mit den tollen Energiespartipps – Frau Gewessler an vorderster Front –: also beim Kochen den Deckel auf den Topf tun, die Waschmaschine anfüllen und den Thermostat in der Wohnung um 2 Grad niedriger einstellen. Also das ist gleich irre wie Tempo 100 auf den Autobahnen zu verlangen, weil das nur den einzigen Hinter­grund hat, dass sie eine abgrundtiefe Autofahrerhasserin ist und mit diesen Maßnahmen natürlich am meisten Freude hat. Da fragen sich die Menschen in unserem Land zu Recht: Ja, bitte, wer hat denn diese Dame schief gewickelt?

Da gibt es eine grüne Utopistin, die als Grüne in Brüssel auf einmal Atomstrom als grün gelten lässt; auf einmal ist Atomstrom grün. Das ist die gleiche Utopistin, die Herrn Putin


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 71

mit voller Kraft sanktionieren möchte. Dann wird halt russisches Öl und Gas nach Indien verkauft, damit wir es teuer wieder einkaufen können. Das ist dieselbe Utopistin, die am liebsten allen die Heizung abdrehen will, nur weil sie nicht in der Lage ist, die Gas- und Ölreserven sicherzustellen. Dafür werden wir aber ein Kohlekraftwerk aufmachen. (Beifall bei der FPÖ.)

Also da muss man den Menschen in unserem Land schon recht geben, wenn sie einmal fragen: Wo seid denn ihr bitte alle angerannt?

Frau Mikl-Leitner sagt dann: Na ja, es ist ja nicht so schlimm, wenn sich nicht jeder ein zehntes Ballkleid kaufen kann. Ja, und Lotterie spielen sollte man auch nicht mehr, damit das möglich ist. (Bundesrat Krumböck: Blödsinn! Das ist ein Blödsinn!) Also da frage ich mich wirklich: Haben Sie noch den Funken einer Ahnung, was die Familien in un­serem Land derzeit mitmachen, und dass sie es sich nicht leisten können? – Nein, Sie haben es nicht, weil diese Regierung nur mehr Verständnis für sich selbst hat.

Ihr habt eigene Sorgen. Die Schwarzen haben die Sorge – und das ist ganz klar –: Wie schaffe ich jeden Tag einen neuen Korruptionsskandal? Oder: Wie schaffe ich es, dass ich mehrere Tausend Euro an Steuergeld in meine Vorfeldorganisationen, sprich Senio­renbund oder Wirtschaftsbund, abzweigen kann? (Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Krumböck und Steiner.)

Die Grünen haben als einzige Sorge in Österreich, dass auf jedem schwindligen Fahnen­mast in dieser Republik irgendeine Regenbogenfahne hängt. Beiden gemeinsam – man hat es heute gehört – ist das Wichtigste, dass hier im Bundesrat, im Plenum, möglichst von allen Bundesräten gegendert wird, weil das natürlich auch das größte Problem unse­rer Zeit ist.

Deswegen haben Sie keine Zeit, die Probleme in Österreich zu erkennen, weil Sie in Ihren Tintenburgen und Elfenbeintürmen von den Menschen weit weg sind und vor allem weiterhin an Ihren Sesseln kleben und picken bleiben möchten. Denn natürlich wissen Sie, dass der Souverän, das Volk, hergehen würde und Sie im Zuge eines Wahlgangs mit nassen Fetzen aus den Ämtern verjagen würde. Sie wissen, dass Sie in dieser Republik versagt haben und dass diese Regierung am Ende ist.

Deswegen kleben Sie entsprechend fest und teilen diese Angst anscheinend auch mit der Scheinopposition von SPÖ und NEOS, denn warum sonst gehen vier Parteien her und stellen einen gemeinsamen Bundespräsidentschaftskandidaten? (Bundesrätin Schumann: Geh!) – Ja, weil jeder Angst hat, dass der eigene wahrscheinlich nur 10 Prozent zusam­menbringt, so wie es das letzte Mal war. (Bundesrätin Schumann: Wo ist denn eurer? – Bundesrat Raggl: Ihr habt ja selbst noch keinen!) Ja, aber so sind Sie halt alle von Schwarz, Grün, Rot und Rosarot und Pink. – Nein (in Richtung Bundesrat Raggl), ihr habt gemeinsam einen; das ist das mit dem sinnerfassenden Zuhören gewesen.

Daher, geschätzte Damen und Herren, wäre es wichtig, dass Österreich wieder zuerst drankommt, dass die Österreicher zuerst drankommen. Daher sage ich Ihnen eines: Nehmen Sie endlich Ihren Hut, damit es Österreich wieder gut geht, und entlassen Sie Österreich aus Ihrer Geiselhaft! (Bundesrat Raggl: Es kommt selten etwas Besseres nach!) Neuwahlen, je schneller, desto besser! (Beifall bei der FPÖ.)

12.40 12.40.14


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte, die getrennt erfolgt. – Ich bitte euch, eure Plätze einzunehmen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 72

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23.6.2022 betreffend ein Teuerungs-Entlastungspaket.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit mehrheitlich ange­nommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Österreich braucht ein echtes Preissenkungs­paket statt Einmalzahlungen, die verpuffen bevor sie bei den Menschen ankommen“, vor. Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir kommen nun zum Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Anhebung des amtlichen km-Geldes als Maßnahme gegen die Teuerungen“. Ich lasse nun über diesen Entschließungs­antrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Rücknahme der Nova-Erhöhung, um die Teue­rungsspirale zu durchbrechen“ vor. Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Nur Mut zur Umsetzung der Idee des Bundes­kanzlers – setzten wir die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel für die Zeit der Krise aus“ vor. Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23.6.2022 betreffend ein Klimabonusgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Somit ist der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, angenommen.

12.43.434. Punkt

Vorhaben der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 388/22 Kon­ferenz zur Zukunft Europas – Bericht über das endgültige Ergebnis (101710/EU XXVII. GP sowie 10978/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 4.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 73

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


12.44.07

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich sehr, dass wir heute überhaupt solch ein Stück im Bundesrat haben, das möchte ich einmal vorweg­schicken.

Ich bringe den Bericht des EU-Ausschusses über das Vorhaben der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend NON 388/22 Konferenz zur Zukunft Europas – Bericht über das endgültige Ergebnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Als Ergebnis seiner Beratungen empfiehlt der EU-Ausschuss gemäß § 13a Abs. 2 Z 7 GO-BR, der Bundesrat wolle die angeschlossene Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG abgeben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesminister. – Bitte.


12.45.12

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Eingangs wollte ich eigentlich der amtierenden Präsidentin des Bundesrates ganz herzlich zum heutigen Geburtstag und auch zur erfolgreichen Amtsführung gratulieren. Sie hat gerade den Saal verlassen, aber vielleicht hört sie es auch draußen.

Zum Zweiten darf ich mich dem anschließen, was Frau Bundesrätin Gitschthaler gerade gesagt hat. Ich finde es schön, dass wir auch im Bundesrat über Europa sprechen, insbe­sondere über die Konferenz zur Zukunft Europas.

Es steht in der Tagesordnung so schön: Bericht über das endgültige Ergebnis. Dazu möchte ich gleich einmal sagen: Endgültig ist da noch gar nichts. Wir müssen unser Europa der Zukunft jetzt einfach formen.

Ich finde es fast ein bisschen schade, dass nach der zugegeben sehr anstrengenden Debatte zur Teuerung und zum Antiteuerungsgesetz so viele den Saal verlassen haben (Bundesrätin Grimling: Nicht unsere Schuld! – Bundesrat Schennach: Brunner ist schuld! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner), aber vielleicht kann man das sozu­sagen dann auch weitergeben.

Ich habe mich auch ganz bewusst am Beginn gemeldet – es wird mir dann möglicher­weise auch die Möglichkeit geboten, noch einmal auf das zu reagieren, was von Ihrer Seite kommt, aber ich darf Ihnen jetzt ein bisschen einen Überblick geben, warum und wieso die Zukunftskonferenz entstanden ist.

Die Zukunftskonferenz ist nach einer Idee von Emmanuel Macron anlässlich seiner großen Rede an der Sorbonne zur Initiative Europas entstanden – das war im Jahr 2017. Sie wurde von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen im Jahr 2019 aufge­griffen. Schon damals – lange bevor wir von diesen großen Umbrüchen wie Pandemie oder auch jetzt vom Krieg auf europäischem Boden gesprochen haben – war die Idee, die Bürgerinnen und Bürger Europas einzubeziehen, zu fragen, wie sie sich denn das Europa der Zukunft vorstellen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 74

Diesen Prozess hat man sehr breit angelegt. Leider, muss man sagen, haben wir pande­miebedingt auf europäischer Ebene ein Jahr sozusagen verloren. Die Zukunftskonferenz hätte am 9. Mai 2020 starten sollen, sie ist am 9. Mai 2021 gestartet worden.

Ich darf aber auch dazusagen, dass ich in Österreich diese Konferenz zur Zukunft Euro­pas schon im Juni 2020 gestartet habe und wir sozusagen ein Jahr herausgeholt haben, um die Bürgerinnen und Bürger zu befragen, sie einzubinden, mit ihnen zu diskutieren. Ich war vom Burgenland bis Vorarlberg unterwegs. Ich habe auf Gemeindeebene Dis­kussionen geführt, mit SchülerInnen, mit StudentInnen. Ich habe einmal im Monat eine Onlinesprechstunde gemacht, um beratend zur Seite zu stehen.

Denken Sie zurück: Wir haben im Juli 2020 das größte Budget aller Zeiten beschlossen. Auch das ist etwas, wo man Europa einfach näherbringen muss und wo man versuchen muss, die Informationen dorthin zu bringen, wohin sie gehören, und auf der anderen Seite auch die Wünsche abzuholen.

Ich habe Ihnen auch den Aktivitätenbericht der Zukunftskonferenz in Österreich mitge­bracht – Sie alle haben ihn zugeschickt bekommen –, und ich darf darauf hinweisen, dass das nur ein kleiner Ausschnitt der Veranstaltungen ist, die abgehalten worden sind.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch wirklich bei jedem und bei jeder dafür bedanken, dass die Beteiligung stattgefunden hat, dass Initiativen gegründet worden sind, dass im Chatroom, am Stammtisch, überall über Europa diskutiert worden ist. Wir werden das aufnehmen und ernst nehmen und wir tun das bereits auf europäischer Ebene.

Ich habe von Umbrüchen gesprochen, und ich habe davon gesprochen, dass die Kon­ferenz der Zukunft schon davor ausgerufen wurde. Jetzt ist es wichtiger denn je, das Europa der Zukunft für uns alle zu formen.

Den Österreicherinnen und Österreichern ist das ein großes Anliegen, das zeigt sich allein an den Beiträgen – über 1 400 –, die auf der multimedialen und auch multilingualen Plattform der Kommission eingegangen sind. Da sind substanzielle Vorschläge dabei – Sie können es auch nachlesen –, da sind Dinge dabei, die vielleicht auch Vertrags­änderungen nach sich ziehen müssten. Das sind Dinge, die man sich natürlich auch politisch gut anschauen muss, aber ich bin stolz darauf, dass sich Österreich da so intensiv beteiligt hat.

Ich muss aber nach mehr als zwei Jahren als Europaministerin auch einen durchaus beunruhigenden Befund stellen, denn wir haben ein Europa vor uns, das unter Druck ist. Der European Way of Life, den wir alle so lieben und schätzen, ist in Gefahr. Wir sind gefordert, unsere Werte jetzt aufrechtzuerhalten, einfach dafür einzutreten und sie auch zu exportieren.

Wir haben bereits vor der Pandemie erlebt, dass uns das Streben Chinas nach der Vormacht in der Welt unter Druck bringt. Wir haben erlebt, was die Globalisierung an negativen Folgen zeitigt, wenn wir an die Pandemie zurückdenken. Oder denken Sie an die Rohstoffknappheit, an die Innovation, die wir brauchen, wenn wir klimaneutral werden wollen und die nächsten Generationen absichern wollen. Und wir erleben natürlich auch diesen unglaublich aggressiven Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der uns alle vor noch nie dagewesene Herausforderungen stellt. – So weit der beunruhi­gende Befund.

Die gute Nachricht ist aber, dass Europa seine Stärke dem entgegenhalten kann. Ich sage Ihnen, ich überblicke die Europapolitik mittlerweile seit etlichen Jahren sozusagen aus erster Reihe, ich habe die Ratspräsidentschaft Österreichs erlebt, und noch nie zuvor habe ich solch eine Geschlossenheit innerhalb der Europäischen Union erlebt wie jetzt.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 75

Das heißt nicht, dass wir nicht diskutieren hinter den Kulissen. Das heißt nicht, dass es da emotionslos abgeht. Das heißt nicht, dass es nicht schwierig ist, Lösungen zu finden, aber diese Lösungen werden gesucht, intensiv gesucht, und auch gefunden, und dann wird die Einigkeit nach außen präsentiert. Und genau das ist das, was uns zu einer globalen Macht in der Welt macht, und das ist das, was wir auch in Zukunft aufrecht­erhalten müssen.

Ganz konkret, weil ich versuchen möchte, auch auf Ergebnisse einzugehen, möchte ich Ihnen hier drei Punkte präsentieren, die man aus den vielen, vielen Beiträgen, die wir bekommen haben, ableiten kann.

Es sind drei Dinge zu tun: Wir müssen die geopolitischen Interessen der Europäischen Union wieder voranstellen; das ist der erste Punkt, ich komme noch darauf zurück.

Wir müssen uns rückbesinnen auf die Wirtschaftsmacht der Europäischen Union. Un­sere Stärke ist der Binnenmarkt, den wir endlich auch vollenden müssen.

Und der dritte Punkt: Wir müssen die Institutionen der Europäischen Union stärken, damit wir im Inneren stark sind und das auch nach außen tragen können.

Was meine ich ganz konkret damit? – Der Außengrenzschutz ist ein Thema, das uns weiter beschäftigen muss. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch schauen, dass wir legale Migration nach Europa ermöglichen. Denken Sie nur daran, wie viele hoch­qualifizierte Russinnen und Russen derzeit ihr Land verlassen! Die dürfen wir nicht nach Amerika verlieren.

Wir müssen für die Stabilität und Sicherheit Europas sorgen, indem wir die Westbalkan­staaten endlich heranführen und unsere Versprechen einlösen. Da bin ich sehr kritisch gegenüber der Europäischen Union, auch nach dem letzten Europäischen Rat, bei dem es aufgrund der Initiative von Bundeskanzler Karl Nehammer gelungen ist, Bosnien-Herzegowina auch in die Debatte zu bringen, wenn wir vom Kandidatenstatus für die Ukraine und die Republik Moldau reden.

Das sind Dinge, die unsere Sicherheit absichern. Ich weiß, dass es manchmal nicht einfach ist, das den Menschen zu erklären, weil manches Mal die Sorge im Vordergrund ist, es könnten da weitere Nettoempfänger in die EU aufgenommen werden. Ja, im Moment schaut es so aus, aber das ist das, was uns als Sicherheitspuffer für die Zukunft Stabilität und Frieden auch auf dem Westbalkan und damit in Europa garantiert.

Selbstverständlich sehen wir seit dem Angriffskrieg, dass es nicht angenehm ist, von Rohstoffen aus dem Osten, insbesondere aus Russland, abhängig zu sein. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Da müssen wir ansetzen und noch schneller sein, um einfach unabhängiger zu werden, um eine Diversifizierung der Energiequellen auf den Weg zu bringen. Das sind nur einige Punkte, die unter den Punkt Vormachtstellung und Voranstellen der geopolitischen Interessen der EU fallen.

Der zweite Punkt, ich komme noch einmal darauf zurück, ist die Rückbesinnung auf die Wirtschaftsmacht der Europäischen Union. Sie wurde ursprünglich gegründet, damit man Krieg vermeidet, damit man miteinander Wirtschaft treibt und das Ganze friedlich macht. Jetzt aber ist es an der Zeit, das Wettbewerbsrecht auf die Höhe des 21. Jahr­hunderts zu bringen.

Dabei sage ich ganz klar: Es war richtig, dass wir in der Krise die AUA unterstützt haben, um nicht langfristig von asiatischen Fluglinien abhängig zu sein. (Bundesrat Schennach: Aber die Kündigungen hat es nicht verhindert!)

Wir sollten uns auch darauf einigen, dass wir Gold Plating verhindern, damit wir nicht weitere Hürden im Binnenmarkt aufbauen, damit die Unternehmerinnen und Unter­neh­mer, die innovativ und kreativ sind und das heuer auch während der Pandemie bewiesen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 76

haben, sich nicht an 27 Einzelvorschriften halten müssen, sondern einfach einen Bin­nenmarkt vor sich haben, der sozusagen barrierefrei ist.

Wir brauchen mehr Flexibilisierung für den Arbeitsmarkt. Stellen Sie sich vor, Sie leben im Salzburger Lungau und arbeiten für eine belgische Firma. (Zwischenruf der Bun­desrätin Steiner-Wieser.) Ja, theoretisch ist das insbesondere nach der Pandemie möglich, aber praktisch haben Sie sehr viele bürokratische Hürden zu überwinden. Auch da gilt es Vereinfachung herzustellen, damit wir eben hier flexibler werden, besser sind und die besten Köpfe auch dorthin bringen, wo sie gefragt sind. 

Der dritte Punkt ist die nachhaltige Stärkung der europäischen Institutionen. Ich halte es für wichtig, dass es 27 Kommissarinnen und Kommissare gibt, damit auch ein Bezug zu den Ländern, zu den einzelnen Mitgliedstaaten gegeben ist.

Mich hat einmal jemand kritisch gefragt: Wissen Sie, wer aus Belgien der Kommissar ist? – Ich weiß es natürlich schon. Vielleicht weiß es nicht jeder, das ist aber auch nicht weiter tragisch, wichtig ist, dass man weiß, dass jeder Mitgliedstaat in der Kommission vertreten ist. Ich fürchte, dass wir uns keine Sorgen darüber machen müssen, dass irgendjemand zu wenig Arbeit hat, in Anbetracht der vielen Krisen, die es auch in Zukunft zu bewältigen gilt.

Ein Thema ist mir auch ganz wesentlich, wenn es um Stabilität der Institutionen geht, und das ist die Rechtsstaatlichkeit. Unsere gemeinsame Zusammenarbeit fußt auf drei Dingen: Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte. Darauf müssen wir uns verlassen können. Deshalb trete ich massiv dafür ein, dass wir den Rechts­staatlich­keitsmechanismus, den wir jetzt entwickelt haben, auch in den Verträgen tatsächlich verankern. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Das Artikel-7-Verfahren ist nämlich eines, das aus meiner Sicht, wenn man es legistisch ausdrücken will, eine Lex imperfecta ist. Ich finde, dass wir da irgendwann einmal raus­kommen müssen, nämlich hin zu einem Best-Practice-Modell, zu einem Voneinander-Lernen statt Blaming and Shaming. Aber wenn hier Probleme sind, dann gilt es auch tatsächlich durchzugreifen und auch Gelder nicht zur Auszahlung zu bringen, wenn Staaten den Weg der Rechtsstaatlichkeit verlassen.

All das klingt jetzt relativ komplex, das gebe ich zu, und wir alle sind gefordert, das den Menschen auch zu vermitteln, auch was wir aus den Ergebnissen herausziehen. Der beste Weg, das zu tun, ist aus meiner Sicht die Installation von Europagemeinderätinnen und -räten in jeder einzelnen Gemeinde Österreichs.

Mit Stolz sage ich Ihnen, dass wir schon über 1 500 Europagemeinderätinnen und -räte haben, die großes Engagement an den Tag legen, die von uns mit Newslettern und einem viermal im Jahr erscheinenden Magazin versorgt werden, mit denen ich Sprech­stunden abhalte, denen ich auch das direkte Angebot der Information mache, etwa wenn es darum geht, Fördergelder abzuholen; und das ist es, wie dieses komplexe, von außen manchmal sehr bürokratisch wirkende Gebilde der Europäischen Union direkt bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt.

Machen Sie Werbung dafür! Sprechen Sie auch in Ihrer Gemeinde über diese Möglich­keit, und motivieren Sie unsere Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, die EU dorthin zu bringen, wo sie beginnt: Sie ist nicht in Straßburg, sie ist nicht in Brüssel, sie ist dort, wo die Menschen Antworten suchen und erwarten.

Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte, ich möchte mit Folgendem schließen (Bun­desrätin Grimling: Es ist gleich 13 Uhr, das Fernsehen ist vorbei! – Zwischenruf des Bundesrates Bader): Was Sie sagen und transportieren müssen, ist: Die Euro­päische Union ist in den letzten Jahrzehnten der Garant für Frieden, Freiheit, Stabilität


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 77

und Menschenrechte gewesen. Die Europäische Union wird aber nicht an ihrer Geschichte gemessen werden, sondern an der Fähigkeit, Lösungen auf die Fragen der Gegenwart zu finden und auch Antworten auf die Fragen der Zukunft zu geben. Das ist es, was uns als Politikerinnen und Politiker motivieren sollte.

Ich möchte abschließend noch einmal darauf hinweisen, dass es diesen Aktivitäten­bericht gibt, und es lohnt sich, in diesen einmal hineinzuschauen. Ich möchte auch allen Zuseherinnen und Zusehern sagen: Wenn Interesse besteht, wir haben auch einige Exemplare. (Bundesrätin Grimling: Gute Werbung gemacht!)

Es lebe eine wirklich starke Europäische Union, die aufgebaut ist auf dem, was die Bürgerinnen und Bürger von ihr erwarten! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.58


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Bevor ich unseren Kollegen Markus Leinfellner um seine Ausführungen bitte, begrüße ich recht herzlich die neue Gruppe auf der Galerie. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätin Grimling: Die sieht man nicht! – Bun­desrätin Grossmann: Liebe anonyme Gruppe!)

Bitte, Herr Kollege.


12.58.53

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer hier auf der Galerie! Liebe Österreicher! Frau Bundesminister, auch ich finde es schade, dass bei diesem Tagesordnungspunkt die Sitzungsdisziplin nicht so großgeschrieben wird.

Ich habe es aber auch im Zusammenhang mit der Abschlusskonferenz am Freitag schade gefunden, dass die Europaministerin diese Abschlusskonferenz nicht genug wertgeschätzt hat, um dabei zu sein; denn, wie Sie selbst gesagt haben, das ist einfach etwas Wesentliches.

Wenn ich sehe, dass man da irgendwelche ausrangierten Politsaurier zu dieser Ab­schlussveranstaltung wieder herausgezaubert hat, muss ich schon sagen, es wäre schön und wertschätzend gewesen, wenn ein Mitglied der Bundesregierung, in diesem Fall Sie als Europaministerin, auch dabei gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu dieser Konferenz zur Zukunft Europas muss man sagen, es sind wirklich einige Dinge herausgekommen, die zu begrüßen sind: Kampf gegen illegale Migration: Das ist etwas, das jetzt in Kooperationsverträgen mit Drittstaaten Beachtung findet. Der Außengrenz­schutz: Ja, natürlich müssen unsere Außengrenzen besser geschützt werden. Trotzdem ist das Thema Migration in dieser Konferenz sehr spärlich behandelt worden, wobei ich nicht weiß, ob von EU-Seite her der Mantel des Schweigens drübergelegt wurde oder es die Bürger wirklich nicht behandeln wollten. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)

Auch zu begrüßen sind natürlich transparente Entscheidungsprozesse. Eine öffentliche Tagung des Rates wäre natürlich ein Schritt in die richtige Richtung. Und ja, auch der Ausbau von Hochgeschwindigkeitszügen und der Abbau von Bürokratie sind Dinge, die wir nur befürworten können. Gespannt bin ich in diesem Zusammenhang darauf, ob das auch den Beamtenapparat da draußen in der EU trifft, denn der verschlingt ja immerhin Unsummen an Geld.

Eines muss ich aber auch sagen: Ich bin ja nicht nur hierhergekommen, um dieses ganze Projekt, diese ganze Konferenz zu loben, denn es gibt doch einige kritische Punkte, die man hier aufzeigen muss. Einen davon möchte ich ganz speziell aufgreifen. (Bundesrat Schennach: Dann fang an!)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 78

Frau Ursula von der Leyen hat bereits im Jahr 2019 bei ihrer Bewerbungsrede von dieser Konferenz zur Zukunft Europas gesprochen. Dieses Projekt hätte eigentlich zwei Jahre dauern sollen, dann ist Corona gekommen und es ist ein knappes Jahr übrig geblieben.

Das große Problem dabei ist, dass dieser Konferenz sehr wenig Aufmerksamkeit in den Mitgliedstaaten geschenkt wurde. Viele Regierungen haben das skeptisch gesehen. Das zeigt ja, glaube ich, auch die Auftaktveranstaltung, diese erste physisch-hybride Ver­anstaltung, die abgehalten wurde, bei der sogar die eigentlichen Verantwortungsträger und Mitorganisatoren gesagt haben, dass es ein Desaster ist, und zähneknirschend zur Kenntnis nehmen haben müssen, dass es in Wahrheit sprichwörtlich in die Hose gegangen ist. Es sind so gut wie keine Leute gekommen, und das zeigt ja schon, was dieses Projekt in Europa wirklich wert gewesen ist.

Die Empfehlungen von 800 vermeintlich zufällig ausgewählten Bürgern, Ministern und Vertretern des EU-Parlaments sind von Fachleuten und Interessenvertretern verstärkt worden. Dann sind die Faktenchecker gekommen, die das Ganze noch geprüft haben. Das Ergebnis waren 178 Vorschläge, zusammengefasst in 49 Vorschlägen und 328 kon­kreten Maßnahmen.

Da sage ich: Wenn in der EU oder auf EU-Ebene direkte Demokratie gelebt wird, ist das etwas, das man eigentlich begrüßen muss. Dieses Projekt ist für mich aber weniger zu begrüßen, das ist ja mehr Schein als Sein, um nicht Trug und Täuschung dazu zu sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Zusammenfassend kann man dieses Experiment ja eigentlich nur als Forderungskatalog von EU-Zentralisten bezeichnen. Gefordert wird, dass die Mitgliedstaaten weiter entmachtet werden sollen, dass mehr Kompetenzen nach Brüssel befördert werden sollen und der sogenannte europäische Bundesstaat errichtet werden soll.

Die sicher nicht als EU-kritisch einzustufende „Süddeutsche Zeitung“ hat ja bitte selbst geschrieben: „In weiten Teilen liest sich das Dokument so, als hätten es die großen Fraktionen des EU-Parlaments allein verfasst – ohne die Kommission und vor allem ohne die Mitgliedstaaten.“ – Das schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ vom 30. April 2022 unter dem Titel „Eine Konferenz, die Europa verändern will“. – Ja, das spricht auch Bände, meine sehr geehrten Damen und Herren, und genau das ist eben heraus­gekommen.

Nach einer umfassenden Kompetenzverschiebung nach Brüssel gerade in den so heiklen Bereichen Gesundheit, Wohnen und Arbeit, die ja grundsätzlich nur natio­nalstaatlich gelöst werden dürfen und können, fordert dieser Abschlussbericht die Ab­schaffung des Einstimmigkeitsprinzips.

Eine derartige Reform hätte zur Folge, dass einzelne Mitgliedstaaten in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, in der Sozialpolitik, in der Steuerpolitik, in der Haus­haltspolitik nationalstaatliche Interessen nicht mehr vor Schnellschüsse und desaströ­seste Entscheidungen dieser EU stellen können. Die Forderung ist ja bitte, dass die Einstimmigkeit in allen Bereichen fallen soll.

Damit komme ich jetzt auf einen Punkt: Das Embargo betreffend russisches Gas wäre ja bitte schon lange beschlossene Sache, würde es dieses Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr geben. Da müssen doch bitte bei jedem vernünftigen Österreicher die Alarm­glocken schrillen! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau diese Sanktionen sind nämlich der Grund dafür, dass der österreichischen Industrie schön langsam die Lichter ausgehen. Genau diese Sanktionen sind mit schuld an dieser Teuerung, über die wir uns gerade beim vorhergegangenen Tagesord­nungs­punkt unterhalten haben. Genau diese Sanktionen sind auch der Grund dafür, dass in Österreich Massenarbeitslosigkeit eintreten wird.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 79

Diese EU, ich kann es Ihnen nur sagen, braucht sich bitte nicht den Kopf zwischen den Ohren von unseren Österreichern zu zerbrechen. Unsere Österreicher sind es nämlich, die diese Maßnahmen im Endeffekt ausbaden müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Der Wegfall dieses Einstimmigkeitsprinzips würde unsere tatsächlich demokratisch legitimierten Vertreter, nämlich die Regierungen in den Mitgliedstaaten, in einem unver­antwortlichen Ausmaß schwächen. Das Ende des Einstimmigkeitsprinzips wäre ein herber Schlag für die Demokratie in den Mitgliedstaaten.

Unsere Regierung und die Regierungen in den anderen Mitgliedstaaten haben sich doch primär für die Anliegen und Sorgen der eigenen Bevölkerung einzusetzen, die Forde­rungen der eigenen Bevölkerung umzusetzen, auch in Brüssel, und das auch mit einem Veto, um die Interessen des eigenen Landes vertreten zu können. Vor allem kleinere Mitgliedstaaten wie Österreich wären ohne dieses Einstimmigkeitsprinzip jeder Möglich­keit beraubt, die Interessen der eigenen Bevölkerung in der EU zu vertreten.

Dieses Einstimmigkeitsprinzip gibt es ja sowieso nur mehr in sensiblen Bereichen, und ja, das hat einen Grund, dass es dieses Einstimmigkeitsprinzip noch gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich glaube, wir alle haben gesehen, wie schnell es gehen kann. Die Missachtung der verfassungsrechtlich verankerten Neutralität Österreichs durch diese schwarz-grüne Bundesregierung im Zuge des Kriegs in der Ukraine hat uns allen, glaube ich, vor Augen geführt, wie schnell die EU-Hörigkeit vor die eigenen Grund­prinzipien in unserem Land treten kann. Und diesen Tendenzen muss mit aller Kraft entgegengewirkt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau deswegen ist die Einstimmigkeit gerade für uns als Österreich so wichtig. Wer ein Ende des Einstimmigkeitsprinzips fordert, kann die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr vertreten.

Genau aus diesem Grund darf ich an dieser Stelle folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips und der Souveränität der Mitgliedstaaten einzusetzen. Ein Kon­vent zur Umsetzung der Forderungen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ ist des­wegen abzulehnen.“

*****

Abschließend möchte ich noch ein wenig auf diese Abschlussveranstaltung vom Freitag eingehen. Dort sind einige Aussagen gefallen, nämlich von Bürgern, von Politikern, die dort gewesen sind, die mich wachgerüttelt haben.

Einer der Bürger sagte: Der Druck für uns war sehr groß. Wir kennen uns mit diesen Gesetzen ja nicht aus. Wir waren froh, dass uns Fachleute geholfen haben und wir uns großteils mit Formulierungen beschäftigt haben. – Zitatende.

Der Nächste sagte: Ich hatte das Gefühl, dass wir so lange formulieren mussten, bis es auch den Moderatoren gepasst hat. – Zitatende.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 80

Kollegin Vana sagte – ich weiß nicht, wie es den Bürgern bei der Wortmeldung von mir gegangen ist –, wie sie sich dabei fühlen, wenn ihnen unterstellt wird, dass sie bevor­mundet wurden. – Zitatende. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, das habe ich niemandem unterstellt, das habe ich festgestellt. Das haben die Bürger ja bitte selbst gesagt, dass sie so lange formulieren mussten, bis es auch dem letzten Moderator gepasst hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Othmar Karas hat dann festgestellt, dass er keine Festung Europa haben möchte und Migration in Europa gelöst werden muss – da will ich mir gar nicht vorstellen, was dabei herauskommen würde. Ich bin ja wirklich froh, dass wir da noch die Hebel in der eigenen Hand haben, und ja, es ist wesentlich, diese Dinge im eigenen Land zu lösen.

Ich habe das Gefühl gehabt, dass mit Ausnahme von uns Freiheitlichen dieses Ein­stimmigkeitsprinzip niemand mehr haben möchte, dass es jedem am liebsten wäre, europäische Listen zu erstellen und das Einstimmigkeitsprinzip so schnell wie möglich auszuhebeln.

Diese Kompetenzen an Europa abzutreten wäre unverantwortlich und der falsche Weg für ein Land wie unser Österreich. Wenn das der Weg von österreichischen Vertretern ist beziehungsweise von österreichischen Vertretern in der EU, dann muss man sich in Österreich schon überlegen, ob wir in dieser Institution wirklich noch richtig aufgehoben sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen nur sagen: Europa ist schön aufgrund seiner Vaterländer und nicht aufgrund dieses ganzen Multikulti seiner fortschreitenden Zentralisierung oder der Aushebelung von Nationalstaaten. Das ist abzulehnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.12


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erhalt des Einstimmig­keitsprinzips“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Christian Buchmann. – Bitte schön.


13.12.26

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Prä­si­dentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie hier Gäste im Hohen Haus sind oder uns via Livestream folgen! Wir diskutieren vorläufige Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas, eines demokratiepolitischen Labors, das stattgefunden hat, das in der Tat mit Fragen über seine Zusammensetzung behaftet war, das in der Tat auch von den ganz konkreten Zielsetzungen her offen gewesen ist. Das sage ich als einer, der die Ehre hatte – als einer von vier Parlamentariern des österreichischen Parlaments, drei Abge­ordnete zum Nationalrat, ein Bundesrat –, an dieser Konferenz mitwirken zu dürfen, und als jemand, der auch an dieser von Kollegen Leinfellner angesprochenen Abschluss­veranstaltung des Parlaments, des Nationalrates und des Bundesrates gemeinsam, teilgenommen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist über dieser Konferenz immer die Frage gestanden: Wie wollen wir Österreicherinnen und Österreicher, aber auch wir Europäerinnen und Europäer in den nächsten Jahren und Jahrzehnten leben? Wie wollen wir in Frieden und in Freiheit leben? Wie wollen wir die Grundfreiheiten, die uns dieses gemeinsame Europa gebracht hat – vom freien Personenverkehr über den freien Warenverkehr, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr – auch in Zukunft ausgestalten? Wie wollen wir die innere und die äußere Sicherheit Europas und damit auch unserer Heimat gewährleisten? Wie


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 81

wollen wir gemeinsam die Werte Europas hochhalten? Und wie wollen wir das, was die Frau Bundesministerin mit der Rechtsstaatlichkeit angesprochen hat, sicherstellen? Wie wollen wir dafür sorgen, dass Menschenrechte in Europa, aber auch darüber hinaus gewahrt werden? Wie wollen wir Medienfreiheit, Gleichheit und andere Prinzipien des gemeinsamen Europas gemeinsam in die Zukunft tragen?

Für mich war das Spannende, dass diese Konferenz – es wurde angesprochen – über ein Jahr gelaufen ist, vom 9. Mai 2021 bis zum 9. Mai 2022 mit dem Finale in Straßburg, der großen Schlussveranstaltung, die an sich eine sehr, sehr positive Stimmung gebracht hat, wobei die Frage im Raum stand: Wie wollen wir diese gemeinsamen Ziele in die Zukunft tragen?

Ich habe es als sehr, sehr wohltuend empfunden, Kollege Leinfellner, dass sich die europäischen Bürgerinnen und Bürger in die eigenen Angelegenheiten eingemischt haben. Ja, sie sind durch einen Zufallsgenerator ausgewählt worden, es haben aber auch viele Österreicherinnen und Österreicher in den Formaten, die die Frau Bundes­ministerin angesprochen hat, die Möglichkeit gehabt, sich entsprechend einzubringen.

Sie haben ihre Ideen investiert – ich habe das als ein Investment in die Zukunft Europas und damit der gemeinsamen Heimat gesehen –, sie haben ihre Zeit investiert, sie haben manche Mühen investiert, weil es nicht ganz so einfach ist, in Straßburg anzureisen und auch wieder in die Heimat zurückzukommen, und sie haben das mit vollem Herzen getan, in einer positiven Grundgesinnung. Sie haben das gemeinsam mit Vertretern der Europäischen Kommission getan, mit Vertretern des Europäischen Parlaments, mit Vertretern des Europäischen Rates, auch mit den Expertengremien des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, also des Sozialpartnergremiums auf europäischer Ebene, und, was für uns als Länderkammer besonders entscheidend ist, auch mit dem Europäischen Ausschuss der Regionen, wo ja die Gemeinden und die Regionen entsprechend vertreten sind. Die nationalen Parlamente konnten ihre Meinung dabei einbringen.

In diesem gemeinsamen Prozess, der ein nicht ganz einfacher war – das gestehe ich zu; das war aber auch nicht zu erwarten in dieser Konferenz –, sind 49 Vorschläge mit 320 Maßnahmen herausgekommen. Man muss nicht zu allen diesen Vorschlägen und Maßnahmen immer eins zu eins stehen, aber diese Vorschläge und Maßnahmen haben ein Bild gezeichnet, in welche Richtung Europa sich entsprechend entwickeln kann.

Für mich war es sehr spannend – ich war in der Arbeitsgruppe für die Wirtschaft, So­ziales und den Arbeitsmarkt –, dass sich seit Februar des heurigen Jahres die Tonalität und das Bewusstsein verändert haben, weil es seit diesem Zeitpunkt den Angriffskrieg Putins in der Ukraine gibt und sich manche Themenstellungen auf einmal völlig anders dargestellt haben.

Denken Sie beispielsweise an die Frage der Lieferketten, denken Sie beispielsweise an die Frage der Lebensmittelsicherheit, denken Sie beispielsweise an die Frage der Ener­gieversorgung: Plötzlich haben Themen eine ganz andere Qualität bekommen, als sie sie vorher gehabt haben. Ich habe das als sehr wohltuend empfunden und das hat auch Eingang in das finale Papier dieser Zukunftskonferenz gefunden.

Kollege Leinfellner, nur damit ich mich nicht verschweige: Du hast manche Persönlich­keiten aus der Abschlussveranstaltung zitiert. Ich habe die Zitate anders empfunden; ich möchte es hier nur sagen. Die Herrschaften können sich selbst bei dir melden, wenn sie sich missverstanden gefühlt haben. Es war aber auch die Stimmung der Bürgerinnen und Bürger in dieser Veranstaltung vergangene Woche eine sehr, sehr positive.

Es wird jetzt vom Follow-up abhängen, wie es mit diesen Ideen und Vorstellungen wei­tergeht. Dieses Follow-up ist aber auch immer von uns als Bundesrat, als Länderkammer,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 82

die sich auch mit hoher Europakompetenz ausgestattet fühlt, begleitet worden. Ich bin dem EU-Ausschuss sehr dankbar dafür, dass wir dieses Thema heute hierher gebracht haben. Wir hätten es ja auch im EU-Ausschuss erledigen können, aber ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns im Hohen Haus gemeinsam ein Bild über die Zukunft Europas machen.

Wir haben ja auch einen Entschließungsantrag formuliert, dass wir gerne möchten, dass uns die Bundesregierung auf dem Laufenden hält, wie es jetzt mit diesen Ideen und Vorschlägen aus der Zukunftskonferenz weitergeht, und dass, sollte es zu einem Kon­vent kommen, auch die Vertreter der nationalen Parlamente, in unserem Fall des österreichischen Nationalrates und Bundesrates, fraktionsübergreifend hier miteinge­bunden werden.

Wir haben sehr früh begonnen, uns einzubringen. Während der steirischen Vorsitz­führung im Bundesrat 2021 haben wir erinnerlich diese Jugendveranstaltung gemacht – ich darf auch eine Broschüre zeigen (ein Exemplar der Broschüre „Zukunft.Jugend.Europa.“ in die Höhe haltend) –, bei der wir mit jungen Leuten, mit der Bundesjugendvertretung gemeinsam über die Zukunft diskutiert haben und bei der aus meiner Sicht sehr spannende Vorschläge artikuliert worden sind. Ich weise nur auf die Wahlaltersenkung auf 16 Jahre hin, die es auch auf europäischer Ebene geben könnte, als einen der Vorschläge aus dieser Konferenz.

Subsidiarität und Proportionalität waren uns immer wichtig, aus einem ganz einfachen Grund: weil wir wissen, dass die Verantwortlichen auf Gemeindeebene, auf kommunaler Ebene, auf regionaler Ebene den besten Draht zu den Bürgerinnen und Bürgern haben. Deswegen halte ich diese Initiative von Karoline Edtstadler, mit den regionalen Vertretern auch immer den Dialog zu führen, auch für sehr gut. Das sind die Botschafter Europas, aber umgekehrt auch jene Melder, die Stimmungslagen, wie die österreichi­sche Bevölkerung zu manchen Themen steht, sehr genau tarieren können. Es ist gut, ein Gegenstromprinzip zu haben, was solche Vorschläge betrifft.

Wir waren aber nicht nur für Subsidiarität und Proportionalität, sondern immer auch für die Erweiterung in Europa. Das wird auch ein Thema des Follow-up-Prozesses sein: Wie gehen wir mit den Ländern des westlichen Balkans um? Wie ernsthaft ist das, was der Rat jetzt bezüglich Ukraine und Moldawien beschlossen hat, tatsächlich? Da werden noch einige Fragestellungen zu klären sein.

Ich glaube, dass der weitere Prozess dieser Zukunftskonferenz – und es werden sich jetzt die drei Institutionen, also die Kommission, der Rat und das Europäische Parlament, zu diesen Vorschlägen äußern müssen – auch eine Frage der Glaubwürdigkeit Europas ist: Nehmen sie Bürgeranliegen ernst oder nicht? Ich persönlich bin ein Fan davon, dass wir das tun, wenn auch nicht jede Maßnahme eins zu eins sofort umgesetzt werden kann. Es wird ein iterativer, schrittweiser Prozess sein, um Europa ein Stück weiter­zubringen.

Um mich nicht zu verschweigen, was das Einstimmigkeitsprinzip betrifft: Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin ein Fan davon, dass Europa um seine Positionen ringt, auch wenn das manchmal mühsam ist, auch wenn das manchmal Zeit braucht, auch wenn es manchmal manchen lästig erscheint. Ich glaube, dass eine Einstimmigkeit in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durchaus einen Wert für Europa darstellt, wenn es darum geht, Solidarität auszuüben, und dass wir jedenfalls sehr sorgsam mit diesem Gut umgehen müssen.

Ob es zu einem Konvent kommt, werden die nächsten Monate zeigen. Wir haben gestern mit den Vertretern des tschechischen Senats auch über die tschechische Ratspräsidentschaft im Rahmen des EU-Ausschusses sprechen können. Da kommt auch dem tschechischen Ratsvorsitz große Verantwortung zu, und die Kollegen sind


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 83

sich sehr bewusst, dass es da vieler, vieler Gespräche bedürfen wird, um einen Schritt weiterzukommen.

Ich schließe damit ab, dass natürlich der Gesprächsstoff nicht zu Ende ist. Es wurde von der Frau Bundesministerin darauf hingewiesen, dass es zwar ein finaler Bericht ist, aber nicht das Finale des Prozesses. Ich gehe davon aus, dass es, wo auch immer, mög­licherweise wieder in Straßburg, auch ein Follow-up-Event mit den Bürgerinnen und Bürgern geben wird, um sie auch über den Gang und die Lage dieses Prozesses informiert zu halten.

Ich schließe mit dem Zitat eines Franzosen, der als Schriftsteller weltberühmt ist, aber auch Politiker war, nämlich von Victor Hugo, der einmal gemeint hat: „Nichts ist so mäch­tig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ – Die Idee Europa ist von einer zeitlosen Eleganz. Ihre Zeit ist seit Langem gekommen, aber sie muss weiterentwickelt werden. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie Bravoruf des Bundesrates Himmer.)

13.23


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet: Dr. Johannes Hübner. – Bitte schön.


13.23.49

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! (Bundesrat Schennach: Ist das die ... Rede?) – Bitte? (Bundesrat Schennach: Ist das die übliche EU-kritische Rede?) – Harren Sie, dann wird es spannender. Harren Sie dessen, was da auf Sie zukommt!

Na ja, fangen wir mit Victor Hugo an: Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit ge­kommen ist, wie Kollege Buchmann vor mir so schön gesagt hat. Dem ist einmal eines voranzustellen: Wir sind hier entgegen verschiedenen Selbstbezeichnungen, die wir immer verwenden, keine Europakammer, auch keine Zukunftskammer, sondern eine Länderkammer – das hat der Kollege von der SPÖ schon einmal klargestellt –, wir vertreten hier die Interessen der Länder und wir schauen, dass deren Rechte, Rechtspositionen und jene der Leute, die in den Ländern wohnen, nicht geschmälert werden.

Was heißt also die Idee Europa? – Wenn Sie jetzt das Papierl, über das wir heute reden, diesen Abschlussbericht über die Zukunftskonferenz, anschauen, dann sehen Sie, dass die Idee Europa ein Zentralstaat ist, der möglichst mächtig wird und der die einzelnen Staaten und Regionen möglichst entmachtet. (Bundesrat Buchmann: Das habe ich nicht gesagt!) – Sie haben es nicht gesagt, sondern ich sage es. Ich bin ja auch derzeit am Rednerpult – das (erheitert) ist ja das Schlechte für Sie. Wenn ich etwas sage, heißt das nicht automatisch, dass Sie es gesagt haben. Ich sehe mich nicht als Alter Ego des Buchmann. Na ja, so ist es.

Also schauen wir uns einmal ein bisschen an, was diese Zukunftskonferenz erstens gemacht hat und was sie zweitens war. – Also sie war eines nicht – da muss ich dem Kollegen jetzt widersprechen, um klarzustellen, dass ich kein Alter Ego bin –, sie war mit Sicherheit kein demokratisches Experiment oder demokratisches Labor, sondern sie war ein Beweis dafür, wie gut es geht, etwas demokratisch zu nennen, was mit Demokratie überhaupt nichts zu tun hat.

Wenn überhaupt, war das allenfalls eine Art Rätedemokratie im leninistischen Sinn von 1919, aber mit einer Demokratie, in der das Volk entscheidet, hat es überhaupt nichts zu tun, wenn wie auch immer Leute ausgesucht werden, die in kleinen Gruppen unter der Leitung von Eurokraten, Experten, Rhetorikern und so weiter über etwas diskutieren. Wenn wir von Demokratie reden, dann heißt das Mitbestimmung des Volkes und nicht einzelner Räte, die irgendwie zusammengestellt werden. Ich verwende das Wort Räte,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 84

weil es einen Bezug zur Vergangenheit, nicht nur zur rühmlichen Vergangenheit, hat. (Bundesrat Himmer: Außer es wären Bundesräte! Da wäre es etwas anderes!)

Wenn dann 800 Räte wie auch immer ausgewählt werden – ich werde Kollegen Spanring ersuchen, dass er sich doch zu Wort meldet, obwohl das heute nicht vor­gesehen ist (Zwischenruf des Bundesrates Köck), weil er über ein Spezialwissen darüber verfügt, wie es bei der Auswahl dieser Räte tatsächlich zugegangen ist; vielleicht gibt er uns dann noch die Ehre, das werden wir sehen –, also jedenfalls, wenn diese Räte dann irgendetwas nach dem Motto: Wir liefern, was bestellt!, beschließen, nämlich genau das, was sich das Europäische Parlament und die Kommission vorgestellt haben, dann ist das kein demokratischer Prozess und kein Mitbestimmungsprozess der Bürger, sondern ein Mäntelchen, das verwendet wird, um tatsächliche demokratische Prozesse zu verhindern.

Das Einzige, was ein demokratischer Prozess wäre, wäre, zu sagen: Wir wollen diese und jene zusätzlichen Kompetenzen!, und das einer Volksabstimmung zu unterziehen. Das wäre in unserem Sinne demokratisch. Alles andere ist in unserem Sinne anti­demokratisch, weil es die Prinzipien der Demokratie aushebelt, und genau das ist die Zukunftskonferenz.

Schauen wir einmal, was diese Zukunftskonferenz an wesentlichen Dingen beschlossen hat, genau das nämlich, was bestellt war. Eines hat ja Kollege Leinfellner schon aus­geführt, das ist natürlich der Wegfall der Einstimmigkeit – ganz wichtig und nach ver­schiedenen Teilnehmern offensichtlich ganz im Interesse der Länder und ihrer Bürger, dass man möglichst wenig zu reden hat.

Dass Österreich, ein Staat, der 2,8 Prozent der Abgeordneten im Europäischen Par­lament stellt, darauf heiß ist, sein Zustimmungsrecht zu existenziellen Fragen zu verlie­ren, das ist schon allerhand. Damit würden wir unter anderem in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik, in der Sozialpolitik, in der Steuer- und Haushaltspolitik, aber auch in der Sanktionspolitik unser Mitspracherecht de facto verlieren.

Es mag sein, dass wir das wollen, dass wir den Bürgern als Ländervertreter sagen: Wir wollen nicht, dass ihr letztentscheiden könnt, wie unser Steuersystem ausschaut! Wir wollen nicht, dass ihr letztendlich entscheiden oder mitentscheiden könnt, wie der Haus­halt der EU aussieht! Wir wollen nicht, dass ihr euch dagegen wehren könnt, dass die EU sagt, es gibt jetzt einen 10-prozentigen Einkommens- und Lohnsteuerzuschlag, um die große Idee von der Weltmacht Europa, wie das die Ministerin so schön ausgeführt hat, zu finanzieren! – Das kann man machen, muss man aber den Leuten bitte sagen.

Schauen wir noch ein paar andere wesentliche Dinge an, die da herausgekommen sind: die Rolle des Außenbeauftragten zu stärken – das heißt, die Rolle des eigenen Außen­ministers, der eigenen Außenvertretung zu schwächen. Das ist ja klar: Wenn einer gestärkt wird, wird ein anderer geschwächt. So ist es leider, eine Addition der Macht gibt es nicht. Da kann man sagen: Wir wollen eigentlich nicht, dass Österreich viel im Ausland auftritt, sondern das soll der Außenbeauftragte machen! Wir wollen am wenigsten auf­fallen! – Das kann man machen, soll man dann aber bitte sagen und nicht von irgend­welchen Werten und Rechtsstaatlichkeiten daherreden.

Das Nächste, der Verlust der Kompetenz für Gesundheit und Gesundheitsvorsorge: Da kann man sagen: Wir sind so unfähig, wir haben in der jetzigen Pandemie bewiesen, dass wir im Gesundheitsbereich völlig versagen! Unsere Regierung ist nicht in der Lage, ein solch wichtiges Thema zu verwalten! Geben wir es an den Europäischen Rat, an das Europäische Parlament oder die Kommission ab, vielleicht geht es dann besser!, aber das muss man bitte sagen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 85

Nächster Punkt, transnationale Listen: Ja, das ist ja ungeheuer demokratisch, wenn die einzelnen Mitgliedstaaten nicht einmal mehr für das eigene Parlament kandidieren kön­nen, ohne sich mit anderen Staaten zusammenzutun und mit ihnen hinsichtlich der Per­son an der Spitze, hinsichtlich des Katalogs der Werte, die man dort vertritt, Kom­promisse zu schließen. Das ist ungeheuer demokratisch, wenn man als Österreicher nicht mehr zur europäischen Wahl antreten kann, wenn man keine transnationale Liste zustande bringt.

Ganz im Interesse Österreichs ist natürlich der Punkt, der herausgekommen ist: die Fähigkeit der Europäischen Union, in größerem Umfang gemeinsame Schulden zu machen und den EU-Haushalt durch neu geschaffene Quellen der EU-Eigenmittel, sprich Steuern, zu erhöhen – zu stärken, steht da natürlich, Erhöhung gibt es nicht –, zu stärken. Erhöhung ist ein Wort, das da zwecks Täuschung der Bürger natürlich nicht vorkommt.

Ist das im Interesse der Österreicher? – Ja, sicher. Die Mithaftung für immer größere Schulden für irgendwelche Dinge – jetzt heißen sie Sanierungsfonds, Zukunftsfonds –, die Mithaftung der Staatsschulden in Griechenland, Portugal, Italien, Spanien und so weiter ist nach denen, die dieses Papier bejubeln, sicher im Interesse der Österreicher, und dazu zählt auch das Europaministerium. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Was gibt es noch? – Ja, grüne Transformation. Da, möchte ich sagen, ist ja fast nichts möglich. Ganz wichtig ist aber: Beim Ausbau der Sanktionsmöglichkeiten sollen wir auch nicht mehr mitreden können beziehungsweise kein Vetorecht haben. Das ist ganz wichtig, wenn die EU beschließt, einen Staat zu sanktionieren, weil dort die demokratisch gewählten verfassungsmäßigen Organe etwas beschließen, das der EU-Mehrheit nicht passt, weil die Möglichkeit bestehen muss, demokratische Prozesse im Sinne der – unter Anführungszeichen – „neuen Demokratie“ auszuhebeln, weil die Weisen beschließen oder die Mehrheit beschließt: Das Volk dort ist zu blöd! Dessen Entscheidung dürfen wir nicht zur Kenntnis nehmen! Das gehört ausgehebelt! – Das ist wahre Demokratie im EU-Sinn, das ist wahre EU-Demokratie: Sanktionen.

An den Beispielen Polen, Ungarn konnte man das ja schon sehen. Im Falle Polens war man nicht damit einverstanden, dass das Verfassungsgericht von den langjährigen kommunistischen Beisitzern gesäubert wurde, indem man ein Pensionsalter eingeführt hat, das die gezwungen hat, nicht bis zum Tod zu bleiben, sondern in Pension zu gehen, und eine Neubesetzung ermöglicht hat. Das war natürlich gegen die Grundwerte der Europäischen Union, absolut unakzeptabel.

Im Falle Ungarns waren es verschiedene Dinge. Es hat mit der Verfassung begonnen, nachdem die Präambel einen Hinweis auf Gott erhalten hat. Das wollte man gar nicht: Unakzeptabel! Europäische Werte weg! Jetzt, beim Gesetz, das die Propaganda für gleichgeschlechtliche Beziehungen von Minderjährigen und an Schulen verbietet, musste natürlich ein Bestrafungsmechanismus eingeführt werden. Das ist die Demo­kratie, die diesem Papier, diesen Überlegungen und den Träumen der Europäischen Kommission und ihrer Verfechter zugrunde liegt, von der Stärkung der sogenannten legalen Migration, vom Solidaritätsmechanismus und den Verteilungsquoten einmal ganz abgesehen. Auch das ist offenbar in unserem Interesse: dass wir nicht selber ent­scheiden, wer bei uns einwandert, sondern dass wir das delegieren und in der Euro­päischen Union entschieden wird: So, ihr bekommt jetzt 40 000 Somalis! Oder: Ihr bekommt 30 000 – was weiß ich? – Nigerianer oder Syrer von da und dort, weil ihr sonst eure Quote nicht erfüllt!

Das kann man alles wollen, wenn man sagt: Wir sind zu blöd! Wir haben keine Regie­rung, die selber für uns sorgt, wir brauchen jemanden, der das macht! Es gibt weiterhin


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 86

Minister, aber die sind nicht mehr verantwortlich, weil alle Kompetenzen in Brüssel sind, und die Minister vollziehen ja nur Richtlinien oder Verordnungen nach! – Das kann man machen, es ist nur die Frage: Was ist das?

Da komme ich vielleicht auf das zurück, was die Frau Ministerin uns schon gesagt hat. Wenn ich jetzt polemisch wäre, was ich auch fast geneigt bin zu sein (Heiterkeit bei BundesrätInnen von FPÖ und ÖVP), würde ich der Frau Ministerin sagen: Bitte verges­sen Sie nicht, dass Sie österreichische Ministerin für Verfassung und Europa sind, wenn auch das Wort Europa drinnen steht, und in Österreich von den österreichischen Bürgern und Steuerzahlern derzeit noch bezahlt werden. (Beifall bei der FPÖ.) Sie sind kein Organ und keine Außenstelle (Zwischenruf bei der FPÖ) der EU-Propaganda­institutionen.

Es mag sein, dass die lange Beschäftigung mit der Europäischen Union und der viele Umgang mit den dortigen – sagen wir einmal – Mechanismen, die es sehr wohl schaffen, die Leute synchron denken und fühlen zu lassen, also diese Aufnahme der Schwingun­gen von Europa als einzig seligmachend, einzig Großem, dazu führt – ich habe ein paar besonders schöne Sache mitgeschrieben –, dass die österreichische Ministerin davon träumt, dass die EU „zu einer globalen Macht in der Welt“ wird – schön, ja. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) In der Politik müssen wir „die geopolitischen Interessen der Europäischen Union“ voranstellen. – Das ist interessant, ja.

Ganz wichtig ist zum Beispiel „die nachhaltige Stärkung der europäischen Institutio­nen“ – ganz wichtig! Es geht also nicht vielleicht um die Stärkung des Bundesrates – man kann ja diskutieren, ob der Bundesrat so sinnvoll ist (Bundesrätin Schumann: Na geh! Nicht wirklich!); da gibt es verschiedene Meinungen –, aber auch nicht um die Stärkung des Nationalrates, die Stärkung des eigenen Ministeriums, die Stärkung der österreichischen Stimme in der EU, sondern um die Stärkung der europäischen Institutionen und damit die Schwächung der eigenen Institutionen.

Das Ganze wurde natürlich mit den üblichen Schlagwörtern, den Propaganda­totschlag­argumenten, die jedes Diskutieren unmöglich machen, garniert. Es geht darum, „unsere Werte“ zu erhalten – da werden wir diskutieren, was „unsere Werte“ eigentlich sind –, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als Säulen zu fördern. – Ja, über die Demokratie, darüber, was unter Demokratie im Sinne von Unsere-Werte-EU zu verstehen ist, haben wir ja schon ein bisschen geredet: möglichst wenig Mitbestimmung durch die Bürger im ursprünglich demokratischen Sinn und möglichst viel Übernahme der Bestimmung durch anonyme Konferenzen, Tagungen, Institutionen, Zirkel und dergleichen.

Rechtsstaatlichkeit, eine gute Sache: Was da von der Frau Ministerin genannt wurde, war die Säule der Sanktionen, also des Mittelentzuges. Sie haben ein Fachwort verwen­det, das mir jetzt leider entfallen ist. (Bundesministerin Edtstadler: Konstitutionalitäts­mechanismus!) – Bitte? (Bundesministerin Edtstadler: Konstitutionalitätsmechanis­mus!) – Genau: Konstitutionalitätsmechanismus. Constitutio: Da steckt auch das Wort Verfas­sung drinnen. Ich weiß nicht, was der Strafmechanismus mit der Verfassung zu tun hat, aber okay. Sagen wir einmal: Konstitutionalitätsmechanismus! Das ist ja ganz wichtig. Wenn man also Staaten mit einer demokratischen Herrschaftsstruktur – und nur solche Staaten können in Europa, in der EU, überhaupt existieren und Mitglied sein – bestraft, wenn man also durch externe Gremien entscheidet: Wer darf Geld kriegen und wer kriegt nichts, wer war brav genug und wer kriegt die in der EU-Verfassung und in den Verträgen vorgesehenen Mittel nicht?, wenn man arbiträr entscheidet, welcher Mitspieler etwas kriegt oder nicht, weil man der Meinung ist, der ist böse oder nicht böse, gilt das als Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Das ist rechtsstaatlich.

Rechtsstaatlich ist natürlich auch alles, was im Zusammenhang mit der sogenannten Russland-Ukraine-Krise jetzt gemacht wurde. Rechtsstaatlich ist zum Beispiel die


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 87

Enteignung beziehungsweise Beschlagnahmung des Vermögens von Personen, die sich nicht ausreichend Putin-kritisch äußern (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ), das Beschlagnahmen von Immobilien, Jachten, Aktienpaketen von jetzt auf einmal soge­nannten Oligarchen, die Putin-nahe sind, die sich nicht von Putin distanzieren, Auf­trittsverbote für Künstler, die sich nicht ausreichend von Putin oder von Russland distanzieren. Das ist Rechtsstaatlichkeit im EU-Sinn. Ich sage das nur, damit wir wissen, was da auf uns zukommt und was hinter dieser Zukunftskonferenz und den Dingen, die sie beschließt, steht.

Diese Entmachtung der Staaten und Länder, die wir in diesem Bericht finden, ist dann mit den üblichen Worten garniert, die es Kollegen Buchmann zum Beispiel möglich machen, schöne Dinge zu sehen, wie dem Wort von der Subsidiarität. Alles ist nicht subsidiär, was da beschlossen wurde, alles ist zentralistisch und agglomerierend außer dem Wort Subsidiarität. Die Subsidiarität ist ganz wichtig, aber nur deshalb, weil nichts übrig bleibt, um subsidiär zu sein, und die Machtblöcke so verschoben werden, dass die Entscheidungen in Brüssel und Straßburg liegen.

Mit diesen einigen Bemerkungen, die etwas länger gedauert haben, als ich ursprünglich vorhatte, übergebe ich meinem Nachfolger, Kollegen Schennach, der die Dinge sicher etwas anders sieht - - (Bundesrätin Zwazl: Das geht nicht! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Ja, ja, ja, ja, ja, ich kenne die Formalismen. Ich habe gesagt: übergebe ich meinem Nachfolger, Kollegen Schennach – nicht das Wort, sondern den Raum vor diesem Mikrofon. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Das heißt, du gehst, du trittst ab!)

13.39


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


13.39.57

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin, das dürfen natürlich nur Sie. Ordnung muss sein.

Sehr geschätzte Frau Bundesministerin, an einem gewissen Selbstbewusstsein – das sage ich jetzt nicht spitz, sondern wirklich anerkennend –, fehlt es Ihnen nicht. Ich habe Ihre Broschüre, die Sie auch hergezeigt haben (den Bericht „Die Konferenz zur Zukunft Europas in Österreich“ in die Höhe haltend), aufmerksam gelesen. Dann habe ich mir gedacht, irgendetwas fällt mir auf, und dann habe ich zu zählen angefangen: 62 Fotos der Frau Bundesministerin – 62 Fotos! (Bundesministerin Edtstadler: Und 500 Ver­an­staltungen!) Was mich beeindruckt hat, ist nicht nur die Bandbreite Ihrer Garderobe, sondern auch, dass Ihr Hund es geschafft hat, auf - - (Bundesrat Kornhäusl: Das spricht für ihre Aktivität!) – Ja, es ist schon okay. Lieber Kollege Kornhäusl, wenn man so etwas macht, dann bewirbt man sich für eine andere Funktion, sodass man sieht: Das kann man alles, so gut ist man vernetzt und so weiter. Ich würde sagen, das ist eine Bewerbungsunterlage, aber es ist okay.

Ich würde sagen, Macron hat das in seiner Rede tatsächlich angestoßen, aber es gab davor noch Juncker, und als Kommissionspräsident hat Juncker das schon gebracht. Ich glaube, Macron hat es damals sogar von Juncker übernommen, aber umgesetzt hat es eine Frau, und das ist Frau von der Leyen.

Diese Diskussion, die die beiden FPÖ-Redner hier so erregt hat, ist schon eine sehr wichtige. Kollege Leinfellner ist jetzt nicht im Saal, ich wollte ihm nur zur Einstimmigkeit sagen: Im Lissabonner Vertrag steht das Ioanninaprinzip drinnen. Das ist ein Minder­heitenschutz für kleine Länder, der extra in den Lissabonner Vertrag hineingenom­men wurde. (Bundesrat Steiner: Was die Verträge in der EU wert sind, du - -!) – Bitte?


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 88

(Bundesrat Steiner: Was die Verträge in der EU wert sind, darauf verlassen wir uns besser nicht!) – Na ja, die sind schon einiges wert. Keine Sorge! (Bundesrat Steiner: Das hat man gesehen! Schuldenunion!) Du bist ja Tiroler, und du weißt ja, dass durch Schengen jene Grenze quasi gefallen ist, die in deiner politischen Umgebung immer Unrechtsgrenze genannt wurde. All diese Dinge haben sich zu einem gemeinsamen Europa entwickelt.

Beachtlich waren schon die vielen Teilnehmer und Teilnehmerinnen: Bürger und Bürge­rinnen, Sozialpartner, also eine wirkliche Breite mit den vier europäischen Bürgerforen. Ich habe zum Beispiel an jenem mit der Jugend vom Westbalkan teilgenommen, das war sehr beeindruckend.

An dieser Stelle ist es mir auch wichtig, zu sagen: Es ist okay, dass die Ukraine und Moldawien einen Kandidatenstatus bekommen haben, aber in der Erweiterung muss der Fokus auf dem Westbalkan liegen, weil die jetzt zehn bis 15 Jahre hart gearbeitet haben, sich fertiggemacht haben und Europa ganz viel versprochen hat. Das darf man nicht übersehen. Wir müssen vor allem dem Kosovo und Bosnien helfen, auch eine solche Perspektive zu bekommen. Dass aber Serbien, Nordmazedonien, Albanien und Monte­negro ready to go sind, ist, glaube ich, klar. Ohne den Westbalkan ist das Haus Europa nicht fertig. Frau Bundesministerin, ich bin froh, dass auch in Ihrem Bericht drinsteht, dass ein Ergebnis dieser Vorrang für den Westbalkan ist.

Interessant waren auch die verschiedenen Bürgerforen. Erstens zur sozialen Gerechtig­keit in der EU: Wir sagen ja immer, die soziale Dimension der EU fehlt. Das Kapital und alle Dienstleistungen lässt man drinnen, aber in der sozialen Frage ist man auf die Nationalstaaten zurückgeworfen.

Wichtig sind auch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Kollege Hübner. Die Rechts­staatlichkeit ist ganz wichtig. Wenn man eine Gemeinschaft ist, braucht man gleiche Normen, und deshalb ist die Rechtsstaatlichkeit ein ganz wichtiger Bereich.

Ganz wichtige Bereiche waren auch der Klimawandel und die Gesundheit, die EU in der Welt und die Migration.

Kollege Hübner, deine Rede war verdächtig nahe an den vielen fast gleichlautenden Anträgen, die immer und in immer derselben Regelmäßigkeit im EU-Ausschuss zu diesem Thema gestellt werden. Zu all dem, was ihr da jetzt kritisiert habt: Geh ge­schichtlich nur noch ein bisschen weiter zurück und komm zu den hanseatischen Staa­ten! Die waren im Grunde eine Vorläuferorganisation der EU. Die haben das alles gehabt: den solidarischen Ausgleich zwischen den hanseatischen Städten, auch die Relocation und so weiter. Also die hanseatischen Städte haben unglaublich viel davon umgesetzt und die haben auch das Budget tariert.

Und ja, gemeinsam Schulden aufzunehmen heißt, optimale Voraussetzungen in einer Gemeinschaft zu schaffen. (Bundesrat Spanring: Ach so! Seid ihr auch dafür?) – Natür­lich mu- - Entschuldige! (Bundesrat Spanring: Ja, dass die SPÖ fürs Schul­den­auf­nehmen ist, sieht man in Wien eh!) – Ja, sehr gut. Deshalb steht die Stadt auch so gut da und wird regelmäßig zur besten und beliebtesten Stadt der Welt gekürt. (Bundesrat Spanring: Ja, ja! Dazu kann ich auch etwas sagen!) – Passt schon. Ich nehme an, das war jetzt eine Lobpreisung. Es ist nur nicht ganz so rübergekommen. Passt. Nur nicht nervös werden!

Wenn man ein bisschen hineinschaut: Was ist bei den Bürgern und Bürgerinnen als unsere Werte herausgekommen?, dann muss man sagen, Erasmus ist eine der abso­luten Erfolgsgeschichten. Dass das trotz Brexit weitergegangen ist, halte ich für ganz, ganz wichtig. Ich schaue zu meinen Kollegen hinüber, weil es da Bundesländerkon­ferenzen gegeben hat, und ein Ergebnis der Wiener Konferenz war, mehr in Erasmus


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 89

zu investieren und auch den Lehrlingen mehr von dieser Möglichkeit zu schaffen. Sonja Zwazl als Präsidentin der Wirtschaftskammer hat da mit mir immer am selben Strang gezogen, wir haben gesagt: Nicht nur die Studenten sollen reisen und die Welt erleben und nicht Opfer von irgendwelchen Verhetzungen werden, sondern auch die Lehrlinge sollen diese Möglichkeit haben! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Das ist zum Beispiel ein Ergebnis, das bei der Wiener Konferenz herausgekommen ist.

Eine der wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union ist Schengen, und dorthin müssen wir – die derzeitigen Beschränkungen im Zusammenhang mit den Gren­zen sind ein Skandal – wieder zurück.

Eine weitere großartige Errungenschaft ist der Euro, die Stabilität, der gemeinsame Wirtschaftsraum, den wir geschaffen haben, sodass das Geld nicht durch Umrech­nun­gen, Wechselkurse und so weiter versickert.

Eine weitere große Errungenschaft – auch das ist herausgekommen – ist, dass die EU eine Gemeinschaft ist, die sich einen Grundrechtekatalog gegeben hat. Das ist mit dem Lissabonner Vertrag geschaffen worden. All das sind wichtige Fragen.

Übrigens, als Wiener Bundesrat sage ich: Noch etwas ist in Wien interessanterweise herausgekommen – normalerweise könnte da auch ein Anstoß aus Niederösterreich kommen –: die erweiterten Kooperationen in der Forschung, in der Spitzenforschung oder in der Kinderkrebsforschung. Okay, es gibt das St. Anna Kinderspital in Wien.

All diese Dinge sind von den Bürgern und Bürgerinnen da miteingebracht worden. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Zwischenbericht, Frau Bundesministerin, und hoffe, dass diese Diskussion weitergeht, dass umgesetzt wird. Auch wenn ich am Anfang spitz formuliert habe: Ich sehe das bei Ihnen in guten Händen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.49


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.


13.49.50

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Zu­allererst, weil es so aktuell ist: Das Europäische Parlament riet dem Europäischen Rat mittels Entschließung, die Ergebnisse der EU-Zukunftskonferenz, die auch Forderungen beinhalten, die auf eine Vertragsänderung hinauslaufen, in einem Konvent zu dis­kutieren. Bei seiner letzten Sitzung vor ein paar Tagen hat der Europäische Rat aber keine entsprechende Abstimmung durchgeführt. Das ist sehr schade, und wir wollen hoffen, dass eine solche für die EU wichtige Entscheidung mehr aufgeschoben denn aufgehoben ist. Die Arbeit der vielen EU-BürgerInnen, die sich engagiert haben, muss gewürdigt werden, denn BürgerInnenbeteiligung ist – wir haben das heute schon öfters gehört – eine wichtige Säule der Demokratie, was Mitbestimmung betrifft, und auch eine Bereicherung des Diskurses. Viele Leute – gut begleitet, wie das BürgerInnenforen verlangen – bilden einen immens reichen Pool an Ideen und Ressourcen. Das wird oft vergessen.

Sechs Staaten haben im Zuge dieser Konferenz solche BürgerInnenforen zur Zukunft Europas eingerichtet, Österreich leider nicht. Der Klimarat ist derzeit das erste und einzige BürgerInnenforum Österreichs, hat aber nichts mit der Konferenz zur Zukunft Europas zu tun.

Ich möchte gerne noch einmal ein bisschen erklären – was ich auch schon im Oktober getan habe –, was denn ein BürgerInnenforum ist und warum es für die Demokratie


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 90

spannend ist. Es ist ein altes und recht lange vergessen gewesenes Instrument der direkten und unmittelbaren Demokratie und soll bestimmte Entscheidungen zu bestimm­ten Themen herbeiführen beziehungsweise entsprechende Maßnahmen vorschlagen.

In Irland scheint es zum üblichen Instrument geworden zu sein, mit dem die BürgerInnen zu wichtigen Entscheidungen in die Politik miteinbezogen werden. Derzeit sind dort zwei BürgerInnenräte tätig. Die Mitglieder dieser BürgerInnenräte oder -foren werden per Zufallsprinzip, aber repräsentativ für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, ausge­lost. Sie werden im gesamten Prozess durch ExpertInnen unterstützt und für die Zeit, die sie dafür aufwenden, bezahlt. Genau das ist ein wichtiger Umstand, um es auch denen, die es sich nicht leisten können, zu ermöglichen, daran teilzunehmen.

Das Spannende ist, dass jeder und jede Mitglied werden kann. Jeder und jedem wird zugetraut, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, und jede und jeder kann da­mit rechnen, ausgewählt zu werden. Genau das macht Politik dann für die Menschen plötzlich interessanter, denn es entscheiden nicht nur die da oben, sondern eben auch die da unten mit. Daher sind wir auch den TeilnehmerInnen der Konferenz verpflichtet, uns weiterhin für die Umsetzung ihrer Vorschläge einzusetzen, denn sonst verschwindet auch wieder die Motivation, sich an der Politik zu beteiligen.

Wenn auch ein wenig paternalistisch, da gebe ich meinen Vorrednern recht, und viel­leicht ein bisschen typisch für seine josephinische Tradition hat Österreich trotzdem viele Möglichkeiten zur Teilnahme geboten und es erfolgreich durchgeführt. Viele Öster­reiche­rinnen und Österreicher haben viele Vorschläge für die Zukunft Europas einge­bracht und Österreich war eines der Länder mit der größten Beteiligung.

Auch da ein kleiner Wermutstropfen – oder eigentlich gar kein so kleiner –: Insgesamt haben sich weit mehr Männer als Frauen beteiligt und in Österreich war das Verhältnis mit circa 8 : 1,2 besonders schlecht. Das zeichnete sich schon bei Beginn der Konferenz ab. Ich habe daher im Oktober letzten Jahres noch einmal darum gebeten, dazu aufzurufen, Frauen und auch junge Menschen – auch junge Menschen waren weit unterrepräsentiert – direkt anzusprechen, da mitzumachen. Deswegen war die Veran­staltung im Bundesrat auch so spannend: weil sie junge Menschen miteinbezogen hat.

Dieses Frauen-Männer-Ungleichgewicht zeigt sich nicht nur bei dieser politischen Be­teiligung, sondern im politischen Engagement ganz allgemein, aber zum Beispiel auch bei Wikipedia. Das ist ein ähnliches Beispiel, weil es auch da um Definitionsmacht geht. Es gibt viele Gründe dafür, aber die wichtigsten sind systemimmanent. Das geschieht natürlich immer noch aus einer patriarchalen Gesellschaft heraus, die sich leider nicht so schnell aus unseren Köpfen und Handlungsmustern vertreiben lässt, sei es die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, wobei die Hauptlast der Care-Arbeit bei den Frauen liegt, sei es aber eben auch das Ernstnehmen oder Nichternstnehmen von Frauen oder das Mansplaining. Das hat alles Auswirkungen auf die Mitsprache von Frauen.

In Österreich zeigt sich bei der Teilnahme auch noch verstärkt, dass Menschen mit niedrigem Bildungsgrad überproportional wenig teilhaben. Da braucht es trotz sozialer Bildungspolitik immer noch einen scharfen Blick und unermüdliche Anstrengungen, damit Demokratie nicht vorwiegend – ich habe das schon öfters gesagt – ein Privileg der alten weißen Männer bleibt.

Klimaschutz, die Stärkung der Klima- und Nachhaltigkeitskompetenz sowie Demokratie im Sinne von Transparenz und Korruptionsbekämpfung – auch das haben wir schon gehört – waren die wichtigsten und meistgenannten Themen. Das erinnert mich stark an den Slogan: Saubere Umwelt, saubere Politik. Halten wir uns daran! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.55



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 91

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Frau Bundesministerin Edtstadler hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


13.55.50

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich habe mich am Anfang zu Wort gemeldet und jetzt noch einmal, um auch noch auf ein paar Dinge eingehen zu können.

Herr Bundesrat Schennach, ich möchte zu Beginn schon meine persönliche Ent­täu­schung über den Eingang Ihrer Rede zum Ausdruck bringen. Ich hätte mir das von Ihnen eigentlich nicht erwartet. (Rufe bei der SPÖ: Ahhh!) Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. (Bundesrätin Schumann: Und 62 Bilder!)

Ich komme auf das zurück, was ganz am Anfang gesagt worden ist. Am Anfang ist mir vorgehalten worden, dass ich nicht bei der Abschlussveranstaltung am Freitag war. Ja, ich sage Ihnen da ganz offen: Die Bilokation ist leider noch nicht erfunden; ich warte wirklich händeringend darauf. Ich habe von Anfang an klargemacht, dass ich bei diesem Termin nicht dabei sein kann. Warum? – Weil vor mehr als einem Jahr der Termin für das Europaforum Wachau festgelegt worden ist und ich dort nicht nur einen aktiven Part hatte, sondern auch meinen Gast Edi Rama, der am nächsten Tag auch Gast des Bundeskanzlers war, betreut habe. Bei solch einer Gelegenheit entstehen Fotos. Wenn man viel unterwegs ist, wenn man im Rahmen der Zukunftskonferenz an so vielen Veranstaltungen teilnimmt wie ich, entstehen noch mehr Fotos. Wir haben nur einen Teil dieser Fotos in den Bericht aufgenommen. Im Übrigen sind auch Europagemein­de­rätinnen und Europagemeinderäte abgebildet. Sie können mir jetzt vorwerfen, dass 62 Fotos in diesem Bericht sind – ich habe sie nicht gezählt –, was ich aber eigentlich wirklich als übergriffig empfinde, ist, dass Sie die Bandbreite meiner Garderobe reflektieren. Da zeigt sich leider, wie Frauen in der Politik behandelt werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich muss da tatsächlich auch emotional werden, denn ich habe noch nie von irgend­jemandem einen Kommentar dazu gehört, wie eine Krawatte ausschaut, welche Farbe eine Krawatte hat oder ob ein Sakko heller oder dunkler ist. (Bundesrätin Schumann: Doch, das haben wir schon gehabt! Nein, das haben wir heute schon gehabt!) Ich möchte das zum Anlass nehmen, um ein ganz klares Statement dazu abzugeben, wie anders man in der Politik mit Frauen umgeht als mit Männern. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Die 62 Bilder sind es! Das ist das Problem!)

Ich komme aber auch auf Ihr versöhnliches Ende zurück und freue mich darüber, dass Sie die Sache bei mir in guten Händen wissen. Ich kann Ihnen allen versichern, dass wir einen Follow-up-Prozess nicht nur anstreben, sondern aktiv vorantreiben, dass wir selbstverständlich darauf achten werden, dass wir die Ideen, die hier vorgebracht wurden, auch umsetzen. Ich darf auch sagen, dass von den über 300 Ideen nur rund 19 tatsächlich eine Vertragsänderung nach sich ziehen würden und viele davon auch schon in Vorhabensberichte der Kommission aufgenommen worden sind oder das in Zukunft geschehen wird. Wir haben die Ideen nämlich auch klassifiziert. Das ist mir also ein ganz besonderes Anliegen, genauso wie der Westbalkan und auch die Betreuung von Edi Rama am Freitag, als die Abschlusskonferenz stattgefunden hat.

Ohne es in die Länge ziehen zu wollen, möchte ich noch einmal darauf zurückkommen, was Bundesrat Dr. Hübner gesagt hat. Es heißt natürlich Konditionalitätsmechanismus, von conditio, also conditio sine qua non gleichsam, denn das ist das, was die Rechts­staatlichkeit für mich ist, nämlich eine Bedingung, die nicht irgendwie umgangen werden oder bei der es auch keine Kompromisse geben kann. Deshalb ist es auch mein Be­streben, das in die Verträge aufzunehmen. Das ist nicht irgendein Baustein, sondern das


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 92

ist wirklich das Fundament, auf dem unsere gemeinsame Zusammenarbeit aufbaut. Das sind auch nicht irgendwelche Werte, sondern das sind die Grundwerte, mit denen wir in der Vergangenheit unser Europa gebaut haben und mit denen wir auch das Europa der Zukunft bauen werden.

In diesem Sinne kann ich Ihnen versichern, dass es, solange ich in dieser Funktion bin – und ich gehe davon aus, dass das doch noch eine Zeit lang so sein wird –, auch weiterhin Fotos von Veranstaltungen geben wird. Ich werde weiterhin mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen, und zwar bei jeder Gelegenheit, egal ob das auf Gemeindeebene im Wirtshaus ist oder bei der digitalen Sprechstunde mit den Europagemeinderäten. Im Europäischen Rat werde ich mit Vizepräsidenten und mit anderen Ministern sprechen. Ich werde auch nicht aufhören, Allianzen zu schmieden, damit wir gemeinsam an einer guten Zukunft für Europa bauen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.00


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Heute sind einige Schulklassen bei uns im Hohen Haus. Wir begrüßen die neu hinzugekommenen Schülerinnen und Schüler bei uns. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Es gibt eine weitere Wortmeldung von Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte sehr.


14.00.48

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Es gibt keine Bemerkungen in meinen Reden über Garderobe, und ich möchte mich aufrichtig bei Ihnen entschuldigen. Das war nicht richtig, und ich hoffe, Sie können die Entschuldigung, dass ich diese Worte mit Bedauern zurückziehe, so akzeptieren. Allerdings habe ich heute schon eine Bemerkung zu einer Krawatte ge­macht. In dem Fall hat es sich um einen Mann gehandelt. (Bundesrat Bader: Das sind halt seichte Argumente, die da verwendet werden!) In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie meine Entschuldigung annehmen können. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.01


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Kollege Spanring hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte sehr. (Bundesrätin Zwazl: Völlig unvorbereitet! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


14.02.00

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Schön, dass jemand hier ist. (Unruhe im Saal. – Präsidentin Schwarz-Fuchs gibt das Glockenzeichen.) Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Die Begriffsbestimmung für Manipulation von Menschen lautet: Einflussnahme, bei welcher die Annahme einer Meinung, Ware oder Dienstleistung durch die Zielperson zu einem Nachteil für diese führen kann.

Warum sage ich Ihnen das? – Weil wir von der politischen Elite ständig manipuliert werden, und manipulieren sage ich nur deshalb, weil wir Wörter oder Wendungen wie für dumm verkaufen oder auch verarschen im Hohen Haus nicht verwenden sollen, damit das eben der Würde und dem Anstand nicht abträglich ist.

Heute habe ich mir aber Folgendes gedacht, als ich der Frau Minister zugehört habe – und ich habe sehr genau zugehört –: Ich habe immer geglaubt, dass die Lobbyisten nur in der Europäischen Union sind, aber heute habe ich geglaubt, dass ein Lobbyist der Europäischen Union bei uns hier im Hohen Haus ist! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 93

Kollege Hübner hat es vollkommen richtig angesprochen und ich werde es jetzt noch einmal in kurzen Worten sagen: Ihre Aufgabe ist es, die Interessen der Österreicher in der Europäischen Union zu vertreten, und nicht umgekehrt. (Bundesrätin Zwazl: Das weiß sie aber!) Aber vielleicht ist es ja so, dass sie dort auch schon einen Mascherl­posten haben; ich weiß es nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Vorige Woche war ich selbst in Brüssel (Bundesrat Bader: Warst du lobbyieren?), durfte dort viele interessante Gespräche führen und habe auch einige Neuigkeiten erfahren, unter anderem zum heute bereits oft diskutierten Zustandekommen der vermeintlich ganz zufälligen und völlig unabhängigen Auswahl der 800 Teilnehmer an dieser Konferenz zur Zukunft Europas. Da gibt es zum Beispiel eine Firma, die heißt Kantar. Diese Firma wurde beauftragt, diese 800 Bürger auszusuchen. Was man wissen muss, ist, dass genau diese Firma Kantar einen Gutteil ihrer Aufträge direkt von der Europäischen Union erhält. Diese Firma wird also natürlich in erster Linie einmal Interesse daran haben, dass auch in Zukunft ihr Geld aus europäischen Mitteln fließen kann.

Die Auswahl der vermeintlich zufällig ausgewählten 800 Bürger war von Beginn an intransparent, mit der Zeit kam aber dann doch einiges ans Licht. Laut Aussage von Betroffenen haben einige ihre Einladungen, die sie bekommen haben, dann einfach an mehr an EU-Angelegenheiten Interessierte weitergegeben. Was bedeutet das? – Lo­gisch! Wer interessiert sich mehr für die Europäischen Union? – Das sind in der Masse jene Bürger oder jene Leute, die der EU gegenüber positiv eingestellt sind, denn die anderen wollen ja mit der EU so wenig wie möglich zu tun haben. Menschen haben ja auch nur dann eine Ahnung von Fußball, wenn sie sich für Fußball interessieren, also wenn sie Fußballfans sind, und so verhält sich das natürlich auch da.

Dann gab es Organisationen, zwei davon kann ich nennen, nämlich einmal das Euro­pean Movement und die Spinelli-Gruppe – ich weiß nicht, wie man die ausspricht –, die während des Aufenthalts in Straßburg großzügige Empfänge für diese Bürger orga­nisierten.

Meine Damen und Herren! Das ist nichts anderes als eine unzulässige Beeinflussung, sonst nichts. Dann wurden die Bürger wahllos in Arbeitsgruppen eingeteilt, ohne dass man sie vorher gefragt hat, welche Interessen oder welche Fähigkeiten sie haben. Somit haben sich dann auch nach einiger Zeit viele gar nicht mehr engagiert, weil sie einfach gesagt haben: Da kenne ich mich nicht aus, das interessiert mich nicht, das ist nicht mein Fach. – Überspitzt formuliert ist dann am Ende eine handverlesene Gruppe an Pro-EU-Aktivisten übrig geblieben, und so schaut auch der Bericht in Wahrheit aus. Viele waren Pro-EU-Studenten, die vereinzelt sogar in Pro-EU-Organisationen und -Vereinen verwurzelt sind. Das sind sicher intelligente Menschen, darum geht es jetzt gar nicht, aber das ist doch keine Demokratie und keine Bürgerbeteiligung. Minderheiten, behin­derte Menschen, Bauern, Bürger aus der Arbeiterklasse sind da in Wahrheit komplett unterrepräsentiert, die kommen da so gut wie nie vor.

Die Manipulation ist dann noch weitergegangen. Geführt wurden diese Gruppen von Experten, die in Wahrheit selbst euroföderalistische Politiker und Aktivisten sind oder waren. Mit euroföderalistisch ist gemeint: mehr Rechte für die EU und weniger Rechte für die Nationalstaaten. Das sind also quasi jene, die für einen Zentralstaat EU eintreten.

Frau Minister Edtstadler hat es heute hier selbst gesagt: Auch sie ist im Zuge einer Veranstaltung beratend zur Seite gestanden. Na, wir kennen ihre Einstellung. War das objektiv, was sie dort beratend gesagt hat, oder war es eher beeinflussend? Genau so muss man sich solch eine Veranstaltung vorstellen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Jeder sagt das, wofür er eintritt! Das ist Politik!)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 94

Zu den Experten, zu den unabhängigen Experten: Insgesamt 17 der 27 unabhängigen Experten haben eine klare berufliche Abhängigkeit von EU-Mitteln. Das ist im höchsten Grade unehrlich, meine Damen und Herren. Das ist genau so, als würde man in Öster­reich Leute, die direkt Geld von der Pharmaindustrie kassieren, in das Nationale Impf­gremium hineinsetzen. (Beifall bei der FPÖ.) – Ups, das ist ja so gewesen – ganz ver­gessen! Das ist so, als würde ich meinen eigenen Hund auf die Knackwurst aufpassen lassen.

Meine Damen und Herren! Ganz ehrlich: Wie kann jemand den Anspruch erheben, die Zivilgesellschaft zu vertreten - - (Bundesrat Bader: Der arme Hund! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Bitte um Ruhe im Saal!


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Wie kann jemand den Anspruch erheben, die Zivilgesellschaft zu vertreten, wenn diese Herrschaften direkt von der EU bezahlt werden? Somit braucht es auch niemanden zu überraschen, dass diese dann mehr Macht und mehr Geld für jene Institutionen unterstützen, von denen sie selbst finanziell abhängen.

Dann gab es da noch, das wurde auch von der Frau Minister heute angesprochen, eine mehrsprachige digitale Plattform. Ich sage Ihnen etwas zu dieser Plattform: Das ist eine Supersache, die ist wirklich super, das Problem ist nur, dass das niemand gewusst hat. Unsere eigenen Abgeordneten in der Europäischen Union haben das nicht gewusst, wir hier hierinnen haben es nicht gewusst. Niemand wurde informiert. (Bundesrat Buchmann: Eure haben es vielleicht nicht gewusst! Unsere haben es schon gewusst!)

Wollen Sie sich jetzt wundern? Die Frau Minister hat gesagt, es wurden 1 400 Stel­lungnahmen abgegeben. Das ist schön, wenn es eure gewusst haben, und das würde dann genau dazu passen, dass am Anfang zufällig nur rein positive Stellungnahmen abgegeben wurden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, Herr Kollege, was dann passiert ist, als die Plattform dann doch etwas be­kannter geworden ist? – Auf einmal sind da relativ viele negative Stellungnahmen einge­prasselt. Und wissen Sie, was man dann gemacht hat? – Man hat die Plattform ganz einfach geschlossen. Das ist Ihre Demokratie! Das ist zum Schämen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen jetzt auch noch weitere Angaben zu dieser Plattform machen: Nur vier von neun Arbeitsgruppen, also weniger als 50 Prozent, und nur 23 der 325 Emp­feh­lun­gen der Zukunftskonferenz, also viel weniger als 10 Prozent, beziehen sich auf Beiträge dieser Plattform. Der Arbeitskreis Migration zum Beispiel hat kein einziges Schreiben von dieser Plattform genommen, sie wurde komplett ignoriert. Und warum? – Weil dort in Wahrheit die migrationsskeptischen Meinungen dominiert haben. Ist das die Ver­tretung von Bürgerbeteiligung? Ist das Demokratie, dass Bürgermeinungen einfach ignoriert werden? Das ist im höchsten Grade undemokratisch, und das wird uns dann hier als unabhängige Bürgerbeteiligung verkauft. Das ist eine reine Pflanzerei, meine Damen und Herren! Das ist Manipulation im schlechtesten Sinne des Wortes. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Ganze geht noch weiter: Nicht nur die Bürger werden da für dumm verkauft, nein, auch wir Bundesräte werden leider wissentlich oder unwissentlich für dumm verkauft. Wir haben in der vorletzten Sitzung, der Herr Vorsitzende des EU-Ausschusses wird das bestätigen, die Auskunftspersonen und die Experten gefragt, wie die Auswahl der Bürger war. Sie haben es übrigens heute hier herinnen noch einmal gesagt, Sie haben gesagt: per Zufallsgenerator. Die Aussage im Ausschuss war: rein zufällig. Wenn ich aber alles das weiß, was ich jetzt gerade gesagt habe, dann muss ich mich fragen: Wie rein zufällig


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 95

ist das? Da ist nichts rein zufällig. Und wenn sogar wir Bundesräte absichtlich oder unabsichtlich – warum auch immer – falsch informiert werden, meine Damen und Her­ren, dann führt sich der Parlamentarismus ad absurdum, dann sperren wir zu und gehen heim, dann brauchen wir nicht mehr hier herinnen zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann brauchen Sie von der Regierung sich auch nicht zu wundern, dass Ihnen niemand mehr etwas glaubt. Unsere Regierung braucht überhaupt nie mehr irgendetwas Abfäl­liges über andere Staaten, über Korruption in Dritte-Welt-Ländern und so weiter zu sagen, denn wir selbst kommen genau dorthin, wenn das so weitergeht. Und die ÖVP zeigt das ja ganz klar vor. Ihnen ist ja leider wirklich alles zuzutrauen – mit freundlicher Unterstützung von Grün und Van der Bellen. In anderen Ländern würde man zu dieser freundlichen Unterstützung Mittäterschaft sagen, aber das nur nebenbei. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt noch ein paar Punkte: Angesprochen wurde bereits der Wegfall des Einstim­mig­keitsprinzips, also quasi die Abschaffung des nationalen Vetos. Ein zweiter Punkt: die Wiederaufnahme der Verfassungsdebatte, die ja in Wahrheit mit dem Lissabonner Vertrag durch die Hintertür schon irgendwie hineingekommen ist. Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass irgendein Bürger in der Europäischen Union zufällig darüber sinniert, ob die Europäische Union eine Verfassung braucht oder nicht – den Bürger, den finden und zeigen Sie mir!

Drittens: die vermehrte Schuldenaufnahme der EU. Herr Schennach stellt sich hier ans Rednerpult und sagt: Wien ist so super, denn Wien hat so viel Schulden, und darum sind sie so super. – Das wäre dasselbe, als würde ich sagen: Ich fliege so gerne nach Griechenland, weil sie so hoch verschuldet sind. – Na, geht es mit euch noch? Was ist denn das für eine Einstellung? Natürlich kann ich bis zu einem gewissen Punkt Schulden aufnehmen, das kann jeder privat machen, aber dann wird es einen aufstellen. (Bun­desrätin Schumann: Ich zitiere Kreisky: Lieber Millionen Schulden mehr als einen Arbeitslosen mehr!) Ich bin gespannt, was einmal in Wien sein wird, denn ihr seid, glaube ich, an der Grenze der Schulden, ihr seid sogar, glaube ich, über der Grenze der möglichen Schulden.

Dann: neu geschaffene Quellen für EU-Mittel (Bundesrätin Schumann: Und daran ist Schennach schuld?), das verstärkte Mitspracherecht der Europäischen Union im Rahmen der legalen Migration, aber auch im Bereich von Asyl, Stichwort Verteilungs­quote. Meine Damen und Herren! Das sind nur einige Punkte aus diesem Bericht, die ich hier jetzt aufgezählt habe, die wir nicht einmal zur Kenntnis nehmen werden. Nicht einmal zur Kenntnis werden wir das nehmen! (Beifall bei der FPÖ.)

Zusammengefasst steht in diesem Bericht: mehr Rechte für die EU, noch mehr Zen­tralisierung und der Entzug von Kompetenzen der Nationalstaaten. Und dazu gibt es ein ganz klares Nein von der Freiheitlichen Partei.

Dann gibt es noch einen zweiten Punkt, den ich heute hier anspreche, denn die Frau Minister hat das auch angesprochen. Sie hat gesagt, es ist gut, dass die AUA im Zuge der Coronapandemie von Österreich mit 767 Millionen Euro unterstützt wurde – also keine Kleinigkeit –, damit wir dann zukünftig nicht von den Chinesen abhängig sind. – Da kann ich Ihnen bis zu einem gewissen Punkt zustimmen, allerdings muss ich sagen, dass ich es jetzt seit meiner Brüsselreise auch schon wieder ein bisschen anders sehe.

Am Freitagabend war unser Rückflug geplant. Zweieinhalb Stunden, bevor wir den Rückflug antreten konnten, wurde uns mitgeteilt, dass unser Flug gestrichen ist. Ich war Gruppenleiter einer elfköpfigen Delegation. Und was war am Flughafen? – Es war Chaos. Jetzt raten Sie einmal, wer zwei Tage lang nicht erreichbar war? – Die Austrian Airlines. Gott sei Dank haben wir am Freitagabend in Eigenregie über ein Reisebüro in


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 96

Österreich dann doch noch Zimmer bekommen. So, wir haben dann Zimmer organisiert, das hat funktioniert.

Wir haben schauen müssen, dass wir einen Rückflug bekommen, unser Problem war aber, dass wir nicht gewusst haben, ob der Rückflug geht oder ob er nicht geht. Dann war der Rückflug von Brüssel einmal für Sonntag avisiert. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Zug fahren!) Alle Menschen, die am Flughafen waren, waren im Chaos; niemand hat gewusst, wie es weitergeht, elf Personen. Am Samstagabend sind wir dann auf Anraten des Reisebüros zweimal zum Flughafen gefahren. Unsere Flüge waren zwar gebucht, aber wir konnten nicht einchecken und sie waren auch nicht zu sehen. Kein Wunder! Am Flughafen hat man uns gesagt, dass wir eingecheckt sind, aber nicht ins Flugzeug, sondern auf einer Warteliste.

Ich ziehe das jetzt nicht in die Länge, aber ich sage Ihnen, wie es dann war: Von den elf Personen sind fünf am nächsten Tag mit dem Flieger geflogen, vier mit einem anderen Flieger oder anderen Fliegern und zwei sind mit dem Zug nach Hause gefahren. (Bun­desrat Schreuder: Gut! Bravo!) Und so, wie es uns ergangen ist, ist es dort Tausenden ergangen. Ich finde es schön, dass Sie das lustig finden, Herr Kollege Schreuder.

Warum ich Ihnen das erzähle, Herr Kollege, ist ganz einfach zu beantworten: Sie alle, wie Sie hier herinnen sitzen – ausgenommen unsere Fraktion –, tragen einen Gutteil der Schuld daran. Sie waren es, die mit einer völlig überzogenen und evidenzlosen Corona­politik samt Impfpflicht die Fluglinien und natürlich auch viele andere Sparten in Geiselhaft genommen haben. Die Fluglinien haben daraufhin das gemacht, was von Ihnen vorgegeben war: Sie haben die Mitarbeiter unter Druck gesetzt. Sie haben gesagt: Lass dich impfen oder du wirst gekündigt! Was ist passiert? – Viele vom Boden- und vom Bordpersonal haben gekündigt oder sind gekündigt worden. Und jetzt: zu wenig Personal. (Bundesrätin Schumann: Da waren extrem viel in Kurzarbeit!)

Mehr als 90 Prozent bei der AUA, meine Damen und Herren, sind jetzt geimpft, und trotzdem haben wir jetzt Ausfälle aufgrund von Corona. Also die Impfung wirkt wirklich sehr gut. Das sieht man übrigens auch hier herinnen: Auch Sie alle sind ja dreimal geimpft und viermal geboostert, und trotzdem sind Sie immer wieder krank, öfter als die Ungeimpften, wie es ausschaut. By the way: Alles Gute und gute Besserung den Minis­tern! (Bundesrätin Grimling: Wie viele waren denn von euch krank, und das hat keiner angesprochen!)

Das wirklich Schlimme an der Situation in Brüssel war: Ich sage, ich bin so resilient, ich traue mir zu, dass ich in einer solchen Situation kühlen Kopf bewahren kann, und wir haben geschaut, dass alles ein gutes Ende findet. Es gibt aber viele Menschen, die in der Situation keinen kühlen Kopf bewahren konnten, ältere Menschen, die nicht gewusst haben, was sie machen sollen, Eltern mit Kindern. Ich glaube nicht, dass es lustig ist, wenn man mit zwei kleinen weinenden Kindern am Flughafen steht und bei den Austrian Airlines niemand da und niemand erreichbar ist. Warum? – Weil sie aufgrund Ihrer Maß­nahmen, die Sie vorgegeben haben, kein Personal mehr haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein freundschaftlicher Tipp von mir an die Austrian Airlines – bevor ich schließe –: Wenn man gutes Personal halten will, dann muss man sich wirklich vorher gut überlegen, wie man mit diesem Personal umgeht. Und mein Tipp für alle betroffenen Fluggäste: Holen Sie sich alles, was geht, zurück und lassen Sie sich für dieses Martyrium ordentlich ent­schädigen!

Ich weiß, Ihnen hier herinnen – ich merke es ja an Ihrer Reaktion – ist es egal, wie es den Leuten draußen geht. (Bundesrätin Zwazl: Das stimmt ja überhaupt nicht!) Sie machen sich nur lustig darüber, Hauptsache Sie sitzen hier herinnen im Warmen. (Bun­desrätin Zwazl: Ist euch kalt? Ist euch nicht warm?) Aber ich kann Ihnen eines sagen: Ihnen wird das Lachen auch noch vergehen! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 97

Ich habe jetzt gelesen - -


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Kollege! Wir haben zwar keine Redezeitbeschränkung, trotzdem möchte ich Sie bitten, bald zum Ende zu kommen.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Wir haben keine Redezeit­be­schränkung. Warum werde ich überhaupt unterbrochen? Das verstehe ich nicht!

Ich habe gelesen, dass die Europäische Union den Gaseinkauf jetzt gemeinsam orga­nisieren will. Wenn das auch nur ansatzweise so funktioniert, wie die gemeinsame Impf­stoffbeschaffung, dann können wir uns alle auf einen langen, dunklen, kalten Winter vorbereiten, dann frieren wir nicht für den Frieden, sondern dann frieren wir wegen unfähiger Politiker in Österreich und in der Europäischen Union. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

14.20 14.20.09


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des EU-Ausschusses gemäß Art. 13a Abs. 2 Z 7 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf Abgabe der dem Ausschussbericht angeschlossenen Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

14.21.285. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022) (2597/A und 1489 d.B. sowie 10985/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Ich bitte um den Bericht.


14.21.49

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föde­ralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 ge­ändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 98

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile dieses.


14.22.50

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin, auch ich darf dir noch alles Gute zum Geburtstag wünschen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor dem Fernsehapparat! Die vorliegende Novelle betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden, ist das Ergebnis der jüngsten, mehrfachen Regierungsumbildungen. Sie soll einschneidende Veränderungen durch zahlreiche Kompetenzverschiebungen mit sich bringen.

Bei der Durchsicht erinnert man sich an die bekannte Methode des römischen Impe­rialismus zur Schwächung der Gegner (Bundesrat Bader  erheitert : Nicht schon wieder!): Teile und herrsche! Unangenehme Vorhaben in unübersichtliche Bausteine zu zerlegen, das ist die Teile-und-herrsche-Strategie zum Erreichen von Zielen. Konkret sind die Zusammenlegung des Bundesministeriums für Arbeit und des Bundes­minis­teriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zu einem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft sowie weitere einzelne Kompetenzverschiebungen vorgesehen. (Bundesrat Bader: In Wien hui, im Bund pfui!)

Im Gegensatz zu anderen Regierungsumbildungen ist diesmal eine Reihe von Bediens­teten betroffen, was natürlich deren dienstrechtliche Situation erschwert und die Ver­tretung durch die von ihnen gewählten Personalvertretungen zum Teil verunmöglicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Zaggl-Kasztner.)

Künftig soll es kein eigenes Wirtschaftsressort mehr geben. Vielmehr wird ein Großteil der Agenden des Bundesministeriums für Wirtschaftsstandort und Digitalisierung in das Arbeitsministerium verschoben und dieses gleichzeitig in Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft umbenannt. Auch die derzeit noch im Landwirtschaftsministerium angesiedelten Tourismuskompetenzen wandern in dieses Ressort.

Nicht mit in das neue Arbeits- und Wirtschaftsministerium übersiedeln die Agenden für Digitalisierung. Sie sind künftig dem Finanzressort zugeordnet. Dieses ist damit für die Digitalisierungsstrategie der Regierung, den Bereich E-Government, das Rechtsinfor­mationssystem des Bundes, das ressortübergreifende elektronische Bürgerinforma­tions­system sowie für das Bundesrechenzentrum zuständig.

Vom Landwirtschaftsministerium wandern Kompetenzen an das Finanzministerium ab, und zwar nicht nur jene für die Regulierung des Post- und Telekommunikationswesens, sondern auch jene für das Bergwesen.

Die Eigentümerrechte des Bundes in der Hauptversammlung der Österreichischen Beteiligungs AG, Öbag, sollen künftig vom Arbeits- und Wirtschaftsminister ausgeübt werden, wenn es um Angelegenheiten von Unternehmen geht, die der Aufsicht des Finanzministeriums unterliegen.

Komplizierter geht es nicht mehr. Es geht aber doch noch weiter: Die Zivildienstagenden wechseln vom Landwirtschaftsministerium in das Bundeskanzleramt. Hingegen verblei­ben die Zuständigkeiten für die Raumordnung und die finanzielle Abwicklung von EU-Regionalförderungen im Landwirtschaftsministerium, das in Hinkunft den schönen Namen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasser­wirt­schaft tragen soll.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 99

Die Übergangsregelungen in Bezug auf die Zuständigkeit der jeweiligen Personalver­tre­tungsorgane in den von Kompetenzverschiebungen betroffenen Ministerien sind völlig unzureichend. Aus meiner Sicht als frühere langjährige Personalvertreterin darf nicht übersehen werden, dass bei derartigen Maßnahmen die für die Besorgung dieser Auf­gaben bisher vorgesehenen Planstellen in den entsprechenden Planstellenbereich des übernehmenden Bundesministeriums übergehen. Die betroffenen Personen finden sich damit in die Personalhoheit des aufnehmenden Ressorts überführt. Dort müssen sie zwar ihre Berufserfahrung einbringen, finden aber neue Organisationsformen vor, die nicht immer mit der persönlichen Berufsplanung übereinstimmen. Es wird aber damit offensichtlich eine günstige Gelegenheit geschaffen, neue Vorgesetzte einzusetzen, die dem politischen Willen der Regierungsparteien entsprechen. (Bundesrat Preineder: Ist ja klar!)

Heute erfahren wir: Das Gesetz wird heute nicht beschlossen, es muss zuerst korrigiert werden! – Ich kann nur sagen: Arme Kolleginnen und Kollegen der betroffenen Ressorts! Sie dürfen weiter warten, mit wem sie jetzt tatsächlich verhandeln. Es heißt also: Bitte warten, bitte warten! (Bundesrat Steiner: Hoch drei! – Bundesrat Bader: Leider!)

Im Hinblick auf diese vielen aufgezählten Mängel sieht sich meine Fraktion gezwungen, diesem Gesetzeswerk die Zustimmung zu verweigern. Es ist eh uninteressant, weil es wird eh wieder alles vertagt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.29


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir begrüßen weitere, neu hereinge­kommene Schulklassen auf der Galerie. Herzlich willkommen bei uns im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile dieses.


14.29.45

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin, auch von meiner Seite noch einmal alles Gute zum Geburtstag! Ein Grüß Gott nochmals der Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren oben auf der Galerie, es freut mich, dass die Galerie wieder besetzt ist, unser Haus wieder ein Ort der Begegnung ist und Sie uns live hören und sehen können! (Bundesrat Steiner: Die Galerie ist schon seit drei Monaten wieder besetzt ...! – Bundesrat Raggl: Man darf sich auch länger freuen!) Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ja, Kollegin Grimling hat die diversen Änderungen im Bundesministeriengesetz sehr gut herausgearbeitet, dafür ein herzliches Danke! Ich glaube, das ist schon sehr gut durch­dacht. Unser Bundeskanzler hat sich bei dieser Neustrukturierung der Bundes­regierung wirklich etwas gedacht und hat auch die notwendigen Personen für die notwendigen Ressorts gefunden.

Ich bin doch über 30 Jahre in der Privatwirtschaft tätig gewesen, und auch wir haben immer wieder Fusionen und Neuaufstellungen erlebt. Da gab es neue Abteilungen, da gab es neue Chefs, da gab es Änderungen, Strukturänderungen. Ich denke, das ist ein­fach ein Zeichen der Zeit, und es ist ein gutes Zeichen der Zeit: Man passt sich an. (Bundesrätin Grimling: Ja, aber ich kann nicht Monate warten, bis endlich etwas passiert! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Man passt sich den Gegebenheiten an.

Unser Bundeskanzler hat rasch gehandelt, hat rasch diese Struktur auf den Weg ge­bracht (Bundesrätin Grimling: Es ist weder rasch noch irgendetwas geändert worden!), und daher sehe ich es naturgemäß etwas anders als Sie, liebe Kollegin Grimling, nämlich als Herausforderung und als gute Antwort auf die Herausforderungen der Zeit.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 100

(Bundesrätin Grimling: Das ist doch keine Herausforderung!  Bundesrätin Schumann: Geh, Herausforderung?! – Bundesrätin Grimling: Das ist keine Herausforderung, das ist ein Albtraum! – Bundesrätin Schumann: Ihr macht es ja nicht aus Inhaltsgründen, sondern aus Personalgründen! – Bundesrätin Grimling: Ja, es darf nicht wahr sein!)

Sie haben die Aufstellungen schon genannt, wir werden das ja hier im Bundesrat auch noch einmal zu behandeln haben und wir zeigen heute wieder Stärke als Bundesrat, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Steiner: Na jetzt machen wir uns selber nicht lächerlich! Bitte! Peinlich, was da wieder passiert! – Bundesrätin Grimling: Das ist eine rein politische Entscheidung, und die Kolleginnen und Kollegen haben keine Möglichkeit, irgendetwas genau zu machen!) Der Nationalrat hat dieses Gesetz auf den Weg gebracht, und es war dann so – vielleicht auch für die Damen und Herren auf der Galerie kurz erklärt, warum wir jetzt diesen Beschluss fassen –, dass der Parlaments­direktion ein Fehler passiert ist – no na, wo gehobelt wird, da fallen Späne (Bundesrätin Grimling: Das ist aber komisch!), wir bringen ja sehr viele Gesetze auf den Weg. Aufgrund eines redaktionellen Versehens wurde ein Abänderungsantrag nicht im dem Ausschussbericht angeschlossenen Gesetzentwurf mitberücksichtigt, und damit wurde im Nationalrat am 15.6. ein fehlerhafter Beschluss gefasst. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Wir hier im Bundesrat können oder werden nun diesen Gesetzesbeschluss nicht fassen, wir beschließen also nicht, keinen Einspruch zu erheben, denn es könnte sein, dass es dann im Hinblick auf das gesetzmäßige, rechtmäßige Zustandekommen dieses Ge­setzes problematisch wird. Wir gehen heute auf Nummer sicher, und wir werden jetzt diesen Beschluss wieder zurück an den Nationalrat schicken. (Ruf: Das ist ein Ein­spruch!)

Ich stelle daher folgenden Antrag:

Antrag

§§ 20 Abs. 2 iVm 43 Abs. 1 GO-BR

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen

zu TOP 5) Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert wer­den (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022) (2597/A und 1489 d.B. sowie 10985/BR d.B.)

in der 942. Sitzung des Bundesrates

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.

Begründung

Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat den gegenständlichen Gesetzes­ent­wurf in seiner Sitzung am 30. Mai 2022 in Verhandlung genommen. Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kollegin­nen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

‚Zu Z 1 und 3 [...]:

Hier handelt es sich um redaktionelle Berichtigungen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 101

Zu Z 2 [...]:

Zur Abgrenzung der vorgesehenen Ausnahme soll statt der Formulierung ‚Aufsicht oder Kontrolle‘ die treffendere Formulierung ,Regulierung oder Aufsicht‘ gewählt werden. Damit sind nicht die Abgaben- und Zollbehörden gemeint, sondern spezifische regula­torische und aufsichtsbehördliche Tätigkeiten zur Sicherstellung eines diskriminierungs­freien und transparenten Marktzugangs und Wettbewerbs.‘

Aufgrund eines redaktionelles Versehens wurde dieser Abänderungsantrag nicht im dem Ausschussbericht angeschlossenen Gesetzesentwurf berücksichtigt, sodass am 15. Juni 2022 die fehlerbehaftete Fassung des Gesetzentwurfes im Plenum des Natio­nalrates beschlossen wurde.“

*****

(Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

14.35


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend eine Bundesministeriengesetz-Novelle 2022 mit der beige­gebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung. (Bundesrat Schennach: Ah, doch Einspruch? Doch Einspruch! Ja, aber die Frau Eder-Gitschthaler hat gesagt, es ist kein Einspruch! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Schon! Habe ich ja gesagt!)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile dieses.


14.36.17

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Kollegin Gitschthaler, das spricht ja eh Bände, diese ganzen Vorgänge, dass wir jetzt wegen redaktionellen Änderungen von Fehlern, die dann nicht mehr berücksichtigt werden konnten, Einspruch erheben müssen. Geschuldet ist das einer Gesetzesflut, die vollkommen außer Rand und Band geraten ist. Es werden Dinge in Gesetzesform gebracht, die das überhaupt nicht verdienen. Auch der nächste Punkt, was wir da an Gesetzen beschließen – Verlängerungen um sechs Monate von irgendwelchen Maß­nahmen –: Klar, das kostet aber alles Geld, das überlastet die legistischen Abteilungen, das überlastet natürlich das Parlament und den Bundesrat und alle, die das vorbereiten. Dadurch passiert das.

Dieses Hin-und-Herschieben von Kompetenzen, was da mit den Bundesministerien ständig gemacht wird, ist auch heute nicht gute Tradition in der Wirtschaft. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: So sehen Sie das!) Das sind Dinge, die einen gewaltigen Ver­waltungsaufwand bedeuten. Das Umbenennen bringt überhaupt nichts, außer dass neue Tafeln produziert werden und die Computer umgestellt werden müssen, damit sie dann den neuen Briefkopf ausdrucken. Dinge, die einfach passieren, weil Minister ab­handenkommen oder abhandenkommen müssen, zum Anlass – oder zu was auch immer – zu nehmen, um Kompetenzen hin- und herzuschieben, wo man sich dann selber nicht mehr auskennt: Das geht so weit – die Kollegin von der SPÖ hat es eh sehr gut dargestellt –, dass man das ÖIAG-Gesetz ändern muss, weil man eine Kollision zwischen dem Finanzministerium als Aufsichtsbehörde und Eigentümervertretung her­beiführt, und dass in diesen Bereichen, in denen Kollision besteht, der Eigentümer­vertreter die Eigentümerrechte in Aufsichtsratssitzungen der ÖIAG nicht mehr ausüben


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 102

darf und deshalb dann der Arbeits- und Wirtschaftsminister da reinkommt. Das spricht ja eh schon Bände, so etwas sollte nicht beschlossen werden!

Wir werden in diesem Fall aber Ihren Antrag unterstützen, aber nicht weil wir der Meinung sind, es sei so wichtig, dass diese Änderungen eingearbeitet werden, sondern weil das Ganze ein Unfug ist, weil es eine Verschwendung von Ressourcen und Steuer­geldern ist und so etwas gar nicht stattfinden sollte. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.38


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses.


14.38.23

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin, jetzt habe ich Sie schon zur Präsidentschaft beglückwünscht, aber noch nicht zum Geburtstag! Das möchte ich an dieser Stelle noch nachholen.

Auch wenn wir, sehr geehrte Damen und Herren, dieses Thema jetzt eigentlich eh schon mehrmals diskutiert haben – bei jeder Regierungserklärung, die wir hier hatten, haben wir das auch schon diskutiert –, können wir diese Debatte jetzt gerne wiederholen. Natürlich steht jetzt aber vor allem einmal ein redaktioneller Fehler zur Debatte, der passiert ist, der leider passiert ist, und ich möchte an etwas erinnern:

Wie wir heute gehört haben, bin ich ja schon relativ lange im Bundesrat, und immer, wenn es um Reformvorschläge dazu ging, was man denn mit dem Bundesrat alles so machen könnte, war eine ganz entscheidende Frage – und da waren wir, alle Parteien, uns immer einig –, dass es eigentlich eine gute Idee ist, wenn der Bundesrat auch eine Institution, eine Stelle ist, in der redaktionelle Fehler behoben werden können. (Bun­desrat Hübner: Dazu brauche ich aber nicht den Bundesrat! Das könnten wir auch billiger haben!) – Ja, das könnte man auch anders haben, Herr Kollege Hübner, Sie können gerne ein paar Vorschläge einbringen! Einen Österreich-Konvent gibt es derzeit nicht, soweit ich weiß. (Heiterkeit des Redners.) Es war aber tatsächlich immer Konsens zwischen allen Fraktionen, denn wir haben ja immer darüber diskutiert. Das wird auch eine Diskussion sein, die wir immer wieder führen, gerade wenn es um den Bundesrat geht. Das werden wahrscheinlich die Schülerinnen und Schüler diskutieren, wenn sie in politischer Bildung über Parlamentarismus, Zweikammernsystem und dergleichen reden – gerade eine Verfassungsjuristin wird das auch wissen –, das werden wir natürlich immer wieder diskutieren, welche Änderungen möglich sind. Jetzt machen wir etwas, was immer Konsens war: Wir korrigieren einen Fehler, der passiert ist. Das kann passieren. Ich finde, da sollten wir auch niemandem einen - -, ja, wir sollten uns darüber nicht aufregen, sagen wir es einmal so. (Bundesrätin Schumann: Hat eh keiner gemacht!)

Ich sage schon auch noch inhaltlich etwas zu diesem Gesetzentwurf. Die Sitzung in zwei Wochen wird ja auch sehr üppig sein, vielleicht sparen wir uns dann diese Debatte, weil wir sie heute schon abgeführt haben. Mit der BMG-Novelle werden wir den Wechsel innerhalb des Regierungsteams ja nachvollziehen, das ist auch schon gesagt worden. Warum werden wir das nur teilweise machen?  Das ist so, weil die Betrauung von Staatssekretären – das muss man immer wieder betonen nämlich durch die Verord­nung des zuständigen Bundesministers erfolgt, das ist so festgelegt.

Das ÖIAG-Gesetz wird geändert, denn zukünftig ist der Finanzminister sowohl Eigen­tümervertreter der ehemaligen Telekom Austria als auch oberstes Vollzugsorgan des Telekommunikationsgesetzes 2021 und des KommAustria-Gesetzes. Die Richtlinie über den Europäischen Kodex für elektronische Kommunikation sieht eine wirksame und auch wichtige strukturelle Trennung zwischen der Eigentümerschaft und der hoheitlichen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 103

Funktion des Staates vor. Um diese Trennung zu wahren und Interessenkonflikte zwi­schen Eigentümerstellung und behördlicher Tätigkeit künftig generell zu vermeiden, wird die Wahrnehmung der Eigentümerrechte in derartigen Konfliktfällen generell dem Bun­desminister für Arbeit und Wirtschaft übertragen.

Das tun wir dann in zwei Wochen, denn jetzt müssen wir, wie gesagt, einen kleinen Fehler reparieren; gut, dass es den Bundesrat gibt. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.41


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.


14.42.04

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bei den Regierungserklärungen, bei der Vorstellung der neuen Staatssekretärin und des Staats­sekretärs und des Landwirtschaftsministers gesagt, dass ich mir die Rede zu den Zuständigkeitsverschiebungen für den Zeitpunkt aufhebe, wenn wir tatsächlich die Zuständigkeitsverschiebungen beschließen (Bundesrat Schreuder: ... Fehler passiert, jetzt haben wir mehr Zeit!) – das wäre heute gewesen, jetzt wird es erst in zwei Wochen passieren.

Der Zusammenhang zwischen der Verschiebung dieses Beschlusses und der Zustän­digkeitsverschiebung ist aber genau der, dass es um die Kompetenzen des Finanz­ministeriums oder des Wirtschaftsministeriums für die Telekomregulierungen geht. Des­wegen hat die ganze Zuständigkeitsverschiebung ja auch so lange gedauert, weil – eher unsystematisch – die Regierungsparteien bei ihren ganzen Personalrochaden erst nach­her draufgekommen sind, dass im Finanzministerium als Eigentümervertreterin – über die Öbag – der Telekom Austria nicht auch die Regulierungskompetenzen liegen können.

Deswegen musste dann in Wochen und Monaten diese Konstruktion, diese Verrenkung gefunden werden, dass die Eigentümerrechte in diesen speziellen Fällen dann aus­nahmsweise nicht vom BMF ausgeübt werden sollen. Mit der Formulierung, die dann im Gesetzentwurf der Regierungsparteien, der in den Ausschuss gekommen ist, drinnen war, waren sie dann aber noch immer nicht zufrieden oder wieder nicht zufrieden, und wollten die dann wieder ändern. Also sie wollten aus der Phrase „Aufsicht oder Kontrolle“ dann doch die Phrase „Regulierung oder Aufsicht“ machen. Dabei ist dann die Panne passiert, woran jetzt nicht die Regierungsparteien schuld sind, aber sie haben sie zumindest dadurch mitverursacht, dass sie bei der Zuständigkeitsverteilung für die Telekomaufsicht gepfuscht haben, muss man sagen. Deswegen werde ich mir den Großteil der Rede für das nächste Mal aufheben, wenn das wirklich dran ist.

Man merkt leider wieder, dass bei Gesetzen, die von den Regierungsparteien kommen, geschludert wird. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

14.44 14.44.42


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beige­ge­benen Begründung Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 104

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. (Bun­desrat Schreuder: Friede!) Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

14.45.506. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das KommAustria-Gesetz, das Presseförderungs­gesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden (2499/A und 1490 d.B. sowie 10986/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Be­gleit­gesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (2500/A und 1491 d.B. sowie 10987/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 6 und 7, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 6 und 7 ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Ich bitte um die Berichte.


14.46.30

Berichterstatter Mag. Christian Buchmann: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus betreffend den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das Komm­Austria-Gesetz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsge­setz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf gleich mit dem nächsten Bericht fortfahren.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls vor, ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 105

Ich ersuche um Annahme.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile dieses. (Bundes­rat Hübner – auf dem Weg zum Rednerpult zu Präsidentin Schwarz-Fuchs –: Alles Gute übrigens auch von mir!) – Danke.


14.48.35

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Es ist mit der Stärke des Bundesrates und mit der Einigkeit schon wieder aus, denn hier werden wir nicht zustimmen – nicht, weil wir dagegen sind, dass man auf elektronischem Weg Sitzungen oder Besprechungen abhalten kann; darum geht es ja in diesem Gesetz. Es geht darum, dass die Möglichkeit, in diversen Gremien – angefangen vom ORF-Stiftungsrat bis zum Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat – elektronisch und nicht persönlich zu konferieren, um sechs Monate verlängert wird.

Wir sind wirklich dagegen, für sechs Monate ein neues Gesetz zu machen, denn wir sind der Meinung, irgendwann muss einmal Schluss sein. Entweder wir sagen generell: Ab­gehen von der Verpflichtung persönlicher Anwesenheit bei Gremialbeschlüssen, Abge­hen vom persönlichen Diskutieren, und wir erlauben, alles elektronisch zu machen, oder wir lassen es; jetzt, da wir sogar im Bundesrat ohne Plexiglasscheiben sitzen und nie­mand mehr Masken trägt – eine Kollegin trägt sie noch, zumindest sofern die Kameras eingeschaltet sind, aber sonst sehe ich weit und breit niemanden – und im Wesentlichen, ausgenommen von Wien, die Bestimmungen außer Kraft treten. (Zwischenruf des Bun­desrates Schreuder.) – Ach, da ist noch ein Kollege, entschuldige! (Bundesrat Schreuder: Es sind keine Kameras da, und ich habe sie immer noch auf!) – Na ja, irgendwie sieht man es auf Youtube dann immer (Heiterkeit bei der FPÖ), irgendwo müssen Kameras sein, ich habe schon Reden gesehen, da war vom ORF keine Spur mehr.

So, zurück zum Thema: Ich glaube, da müssen wir uns jetzt einmal einigen. Es wird immer eine Welle – eine Grippewelle, eine Pandemie – oder etwas geben, die den Anlass oder den Vorwand bieten könnte, eine Sitzung nicht persönlich abzuhalten. Wenn wir also wollen, dann diskutieren wir darüber, ob wir davon abgehen, aber wir sollten nicht ewig mit der Pandemie weitertun. Die WHO wird die Pandemie wahrscheinlich die nächsten 50 Jahre nicht abblasen, eine Pandemie wird die andere jagen. Das ist jetzt so, jetzt sind die schon richtig fit in der ganzen Geschichte.

Das heißt, aus den genannten Gründen, und damit bin ich auch am Ende, werden wir hier einer weiteren Verlängerung nicht zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.50


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Florian Krumböck. Ich erteile dieses.


14.50.50

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher oben auf der Galerie beziehungsweise zu Hause vor den Geräten! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, bei mir ist es eher der Fall, dass sich die Zahl der Videokonferenzen mittlerweile drastisch reduziert hat. Jeder freut sich zurzeit wieder darauf, face to face diskutieren zu können.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 106

Dennoch ist es, glaube ich, meiner Meinung nach und auch der Meinung der Expertinnen und Experten nach sinnvoll und richtig, mit den heutigen Beschlüssen die Fortführung dieser Möglichkeiten zu schaffen, es überhaupt zu ermöglichen, sollte es die gesund­heitliche Lage im Herbst erfordern, dass bestimmte Gremien, vom ORF-Stiftungsrat über die Rundfunk- und Telekomregulierungsbehörde und so weiter und so fort, eben auch online tagen dürfen.

Wenn Sie mich fragen, Herr Kollege Hübner, ich schätze es eigentlich schon so ein, dass die Verlängerung dieser Möglichkeiten über die Zeit der Pandemie hinweg in vielen Bereichen auch begrüßenswert wäre, aber ich glaube, da kann man noch einmal genau darüber diskutieren.

Warum sehe ich das so? – Wir haben in Niederösterreich eine Untersuchung dazu gehabt: 600 000 Kilometer allein an Dienst- und Arbeitswegen könnten Videokonferenz­systeme ersparen. Rechnet man noch die Homeofficeregelungen dazu, reden wir von 1,9 Millionen Kilometern an Wegen, die weniger zurückgelegt werden müssten, oder knapp 3 Prozent der Verkehrsleistung Niederösterreichs. Ich glaube schon, dass das auch für die Zukunft eine Chance sein kann, aber – und da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Herr Kollege – das ist ein Punkt, der zu den Fragen gehört, wie wir mit Covid in Zukunft umgehen werden, was wir uns denn von der Pandemie behalten wollen, was die Pandemie vielleicht auch ermöglicht hat.

Darüber werden wir uns dann hoffentlich über den Sommer und im Herbst klar werden. Für heute ist es aber einmal sinnvoll, wenn wir diese Möglichkeiten verlängern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

14.52


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.


14.52.58

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ja, das ist sehr sinnvoll, dass wir diese Möglichkeiten haben, dass zum Beispiel der RTR-Fachbeirat oder die KommAustria-Vollversammlung oder auch der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat, der Publikumsrat, der Publi­zistikbeirat, die Presseförderungskommission auch weiterhin solche Formate nützen und zusammenkommen können. Da sind wir auch voll dafür.

Ich meine, es kann nicht ewig so rennen. Was wir alle erwarten, das hat man ja ver­sprochen: dass es irgendwann einen zeitgemäßen Pandemieplan geben wird. Den ken­nen wir noch nicht, der ist offensichtlich auch noch nicht da. Wir werden dem zustimmen.

Kollege Hübner, gut, dass Sie gerade Platz nehmen. (Der Redner nimmt sein Handy in die Hand und wischt suchend darauf herum.) Ich rufe Sie nicht an, ich spreche jetzt mit Ihnen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie geben hier immer den nonchalanten und charmanten Mann des rechten Lagers (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ist er ja auch! Sehr charmant ist er!), aber durch Zufall habe ich ein E-Mail bekommen, in dem über die Frau Bun­desministerin geschrieben wurde, das an Sie gegangen ist und wofür Sie sich bedankt haben. Derselbe Absender hat dann auch noch hässliche Worte über mich gefunden, dass ich ein schwerer Alkoholiker bin – was absolut nicht der Fall ist. Was er jetzt aber über die Frau Bundesminister schreibt, wofür Sie sich bedanken (Zwischenruf des Bundesrates Hübner), für so etwas bedankt man sich nicht. Man kann mit der Frau Bundesminister zigfach unterschiedlicher Meinung sein, aber für so eine Zusendung bedankt man sich nicht.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 107

Hier steht drinnen: Das war eine unglaublich manipulative schmiedeiserne Kadergehirn­wäsche wie für die Hitlerjugend. Ständig betont eine ehemalige Richterin, wie wahrheits­getreu und kritisch sie wäre, möchte gleichzeitig mit Minimalbeteiligung an gelenkten und regimemoderierten Konferenzen die Mehrheitsmeinung ausschalten.

Zum Schluss gipfelt das: Das ist so der Endsieg der SS, ich kann meinen Zorn nicht verbergen. Edtstadler behauptet, das Europa, das wir kennen, ist unter Druck. Ja, genau, unter Druck ist Europa durch das Europa, das wir kennen. Schwindlige Konferenzen bilden nicht den Volkswillen ab. Wenn man im Namen des Volkes die Heimatländer entmachtet – da geht es um euer Thema der Einstimmigkeit –, entmachten will, dann hat man gefälligst eine komplette Volksbefragung zu machen. – Zitatende.

Und da schreiben Sie: Danke für die Zusendung. (Bundesrat Spanring: „Danke für die Zusendung“ wird man wohl schreiben dürfen!) – Nein, für so eine Zusendung kann man sich nicht bedanken. Das muss man zurückweisen, das ist einfach unerhört. (Rufe bei der SPÖ: Boah! Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Das ist jenseits dessen, was wir einen Dialog oder eine Kritik nennen. Das ist einfach nur dumm und gehässig und verhetzend. Frau Bundesminister, es tut mir leid, dass hier solche Dinge geschrieben werden und dass auch ein Mitglied des Bundesrates sich (Bundesrat Spanring: Weil die ÖVP innerparteilich ganz anders agiert!) für die Zu­sendung bedankt. Herr Spanring, vielleicht haben Sie sich auch bedankt, das weiß ich nicht. Die Zusendung, die an mich gegangen ist, war nur der Schriftverkehr dieses Absenders mit Herrn Hübner, aber vielleicht haben sich da noch mehrere beteiligt.

In diesem Sinne, im Sinne des demokratischen Teils unseres Österreichs und des Bundesrates, weisen wir das mit aller gebotenen Schärfe zurück. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.57


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses.


14.57.50

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler auf der Galerie! Ja, vielen Dank, Herr Kollege Schennach. Jetzt bin ich natürlich auch ein bisschen aus dem Konzept geraten, ich gebe zu, das hat mich jetzt sehr betroffen gemacht. (Bundesrat Spanring: Oj, da ist der Nächste! Bundesrätin Steiner-Wieser: Was ist los?) Ja, Sie können es mir auch nicht glauben. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Also wissen Sie, Herr Kollege Spanring, es hat gerade eine Ärztin ihre Ordination wegen diesem Hass, diesem unglaublichen Hass, der ihr entgegenkommt, geschlossen (Bun­desrätin Steiner-Wieser: Was hat die ...?) Es ist die Ärztin von Frau Hauschildt-Buschberger. Sie können gern mit Kollegin Hauschildt-Buschberger reden, es ist ihre Ärztin. (Bundesrat Steiner: Die mit den Impfzentren, oder?) Es gibt einen Ton (Bun­desrätin Steiner-Wieser: Sie hat angefangen!), der hier als selbstverständlich akzeptiert wird, es wird mit Spott, Häme, Hass und Gehässigkeit über Menschen hergezogen. (Zwischenrufe des Bundesrates Ofner.) Ich erwarte mir von demokratischen Parteien, dass sie sich dagegen stemmen und dass sie sich nicht für Hass bedanken. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Ich würde mir erhoffen, dass Sie von der FPÖ hier rausgehen und sagen: Jawohl, für so etwas bedankt man sich nicht (Zwischenruf bei der FPÖ), auch wir wollen nicht, dass ÄrztInnen ihre Ordinationen zusperren müssen und dass Minister mit schusssicheren Westen durch die Stadt gehen müssen. (Bundesrat Spanring: Das war ja bei uns nie


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 108

der Fall, aber ihr seid ja so ...!) – Ihr seid ja immer so unschuldig, ja, ja. Ihr von der FPÖ schürt überhaupt keinen Hass, ja, ja – alles gut, alles gut. Wissen Sie: Wenn das nicht verstanden wird, dann bin ich auch am Ende meines Lateins. (Bundesrat Steiner: Ja, Gott sei Dank! Beifall des Bundesrates Steiner.)


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege Steiner, bitte! Bitte, Herr Kollege Steiner! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Bundesrat Marco Schreuder (fortsetzend): Ich kann nur feststellen, dass es schade ist, dass wir da keinen demokratischen Konsens mehr in diesem Haus haben. (Bundesrat Spanring: Sollen wir zitieren, was du damals gesagt hast beim Vorbeigehen ...? Das war voll der Hass!) – Ja, und ich habe mich damals bei Frau Mühlwerth entschuldigt, aber ihr nehmt ja meine Entschuldigung nicht an, das ist der große Unterschied. (Bun­desrätin Schartel: Weil sie falsch ist!) – Das können Sie beurteilen, ja, klar. (Bundesrätin Schartel: Ja, das kann ich beurteilen!)

Was haben wir heute hier zu beschließen? – In Wahrheit geht es wirklich nur um etwas nicht so Großartiges, Kollege Krumböck hat es schon gesagt. Bei mir nehmen eigentlich die Videokonferenzen jetzt wieder zu, muss ich sagen. Institutionen wie der Unab­hängige Parteien-Transparenz-Senat, die KommAustria-Vollversammlung, der Komm­Austria-Senat, der RTR-Fachbeirat, die Presseförderungskommission, der ORF-Publ­izistikbeirat, der ORF-Stiftungsrat und der ORF-Publikumsrat sind gesetzlich organisiert, und in unserem Gesetz steht, dass die sich physisch treffen. Das wird übrigens wirklich noch eine interessante Diskussion werden, inwieweit sich Videokonferenzen jenseits einer Pandemie grundsätzlich durchsetzen werden, gerade für solche Institutionen, aber jetzt ist es so: Die Pandemie ist nicht zu Ende, wir verlängern das.

Nebenbei bemerkt: Wir verlängern zum Beispiel auch, dass auf Gemeindeebene Um­laufbeschlüsse möglich sind. Wir tun eigentlich nichts anderes, als einen Beitrag zu leisten, dass die Demokratie weiter funktioniert. Das finde ich wichtig. Ich wiederhole: Zu einer Demokratie gehört auch, dass wir frei von Hass sind. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.01


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.


15.01.47

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich meinem Vorred­ner, Klubobmann Schreuder, nur anschließen: Demokratie ist ein zartes Pflänzchen, das von uns allen, welcher Meinung wir auch immer sind, wirklich mit allen Mitteln gepflegt und auch verteidigt werden muss.

Heute auf der Tagesordnung steht die gefühlte – ich weiß nicht – hundertste Verlänge­rung der coronabedingten Verfahrensänderungen, die Sinn machen, um die Beschluss­fähigkeit der Gremien weiter zu erhalten und natürlich auch – weil auch Gemeindebe­schlussfähigkeit angesprochen ist – die Demokratie am Laufen zu halten, aber auch Verwaltungsverfahren, Verwaltungsstrafverfahren sollen in einer Pandemie entsprechend handlungsfähig bleiben.

Zu beachten – wir haben die Argumente schon ausgetauscht – ist natürlich die Un­mittelbarkeit des Verfahrens, das ist ganz klar. Ich möchte aber noch einmal anregen, dennoch diese Entwicklungen vielleicht auch in weiterer Folge genau anzusehen und zu evaluieren, was davon durchaus auch ins Dauerrecht übernommen werden kann und was besser nicht.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 109

Kollege Krumböck hat auch den Umweltgedanken eingebracht, das ist auch ein wich­tiges Argument, weil sehr viele Wegstrecken wegfallen. Ich selbst biete in den Bereichen, in denen ich als Vorsitzende verschiedenster Gremien verantwortlich bin, Hybridveran­staltungen an. Wer hinkommen will, soll hinkommen, wem es aus Entfernungsgründen nicht möglich ist, der soll sich per Video zuschalten. Das hat sich durchaus bewährt. Da kann man auch einen Beitrag zur Eindämmung von Emissionen leisten und einen Ener­giespareffekt erzielen.

Das könnte man übrigens auch hier in unseren öffentlichen Räumlichkeiten, denn hier wird viel für die Kühlung ausgegeben, obwohl – wenn man sich umsieht – manche hier mit Schal und wie im Winter gekleidet sitzen, andere zittern, wie auch ich ohne Jacke zittern würde. Wir sollten uns das vielleicht auch überlegen, ob wir nicht auch bei der Raumkühlung etwas einsparen und damit einen Beitrag leisten könnten. Da würde ich sogar in Kauf nehmen, wenn die Herren vielleicht nur mit Hemd und ohne Krawatte hier erscheinen. (Bundesrat Buchmann: Das tät’ dir gefallen! Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja genau, zum Beispiel. Wir haben heute über Bekleidung schon genug gesprochen, aber aus Gründen der Energieeffizienz könnten wir alle einen Beitrag leisten, damit wir nicht so viel Energie für die Kühlung verbrauchen. (Bundesrat Bader: Worüber würde dann der Schennach lästern?)

Das wäre mein ergänzender Beitrag. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.04


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. (Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Es wünscht noch jemand das Wort. – Herr Kollege Steiner, bitte.


15.05.16

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Zu der aufgesetzten Bestürzung des Herrn Kollegen Schennach und des Herrn Kollegen Schreuder (Bun­desrat Preineder: Das ist nicht aufgesetzt!) darf ich jetzt schon noch etwas sagen.

Logischerweise verurteilen wir das genauso, wenn Sie da als Alkoholiker betitelt wer­den – ich trinke auch gerne einmal ein Glaserl Wein (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) –, oder wenn über die Frau Ministerin – ich weiß jetzt gar nicht, was da noch drinnen steht, ich habe es mir jetzt nur kurz angeschaut – etwas Abwertendes drinnen steht, dann ist das natürlich, da brauchen wir nicht zu diskutieren, zu verurteilen. Das tun wir auch, und somit hat sich die Sache für uns erledigt.

Ihr werdet auch E-Mails bekommen, in denen Bürger über die Freiheitlichen schimpfen und herziehen, und dann hat sich das auch für euch erledigt. Ich glaube nicht, dass Sie dann mit dem Bürger Kontakt aufnehmen, um ein persönliches Gespräch bitten und dem dann sagen: Bitte schreib gegen die Freiheitlichen nicht mehr so böse! – Also wenn, dann seien wir ehrlich.

Jetzt kommen wir zu einem Punkt – wenn wir schon bei der Bestürzung sind, wenn andere Opfer von Attacken werden –, brandaktuell heute in Tirol passiert: Ich lese euch jetzt einmal etwas vor, dazu habe ich aber noch von keiner Partei irgendeine Verurteilung wahrgenommen, von keinem dieser heuchlerischen Abgeordneten da herinnen, die sich jetzt hier hingestellt haben (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP Bundesrätin Schumann: Das geht nicht, wir sind nicht heuchlerisch!) – hört mir einmal zu, was ich sage! –, von keinem dieser heuchlerischen Abgeordneten, die sich jetzt hier hingestellt haben und über andere geurteilt haben, habe ich etwas gehört. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 110

Sie, Herr Schennach, befassen sich eh immer so massiv mit Tirol, dann werden Sie wohl wissen, was da heute passiert ist. (Bundesrat Schennach: Nein, ich weiß nix!) Jetzt hört zu, ich zitiere:

„Farbanschlag, Tampons:“ Vandalenakt bei FPÖ-Zentrale. „Die Parteizentrale der Tiroler Freiheitlichen“ (Bundesrat Buchmann: Ja, ja!) „wurde“ - - Ja, ja, ja, Herr Buchmann, ja, ja, ja! (Bundesrat Buchmann: Wir haben das in der Steiermark auch!) – Lest das! „Die Parteizentrale der Tiroler Freiheitlichen wurde in der Nacht auf Mittwoch – wieder ein­mal – Zielscheibe von unbekannten Vandalen. Beim Eingangsbereich verstreuten die Täter“ rote Tampons an Tür und Wänden, sie wurden „mittels umfunktioniertem Feuer­löscher mit Lackfarbe verunstaltet.“ – Es war grüne Lackfarbe, ich weiß ja nicht, was das zu bedeuten hat. – „Die Tat wurde von der Überwachungskamera festgehalten [...]“ (Bundesrat Schennach: ... Polizei ...!)

Immer wieder wird die FPÖ-Zentrale Opfer von solchen Vandalenakten, und jetzt kommt es: in zwei Jahren zum 14. Mal! Und 14 Mal habe ich nichts von ÖVP, von Grünen, von SPÖ gehört, dass man so etwas verurteilt. (Bundesrätin Schumann: Woher sollten wir das wissen?) Nichts habe ich gehört, aber wenn dann irgendein E-Mail von irgendwem daherkommt, dann ist immer das große Bahöl.

Dann zu den Frauenrechten: Wir haben vier Mitarbeiterinnen in der Landes­parteizen­trale, die um 7 Uhr ihren Dienst beginnen, und dann stehen die vor Türen mit roten Tampons. (Bundesrätin Schumann: Was erzählst du denn da?) Ja was ist denn mit den Frauenrechten? Was ist denn mit eurer scheinheiligen Moral? – Nichts hört man! Da ist es dann lässig, wenn linksradikale Weiber ihre blutigen Tampons an die Tür von der freiheitlichen Parteizentrale hängen, dann ist alles egal (Bundesrat Schreuder: Was soll das? Zwischenrufe bei der SPÖ), Hauptsache, ihr könnt hier herinnen heucheln! Irgendwann reicht es dann einmal! (Bundesrätin Schumann: Was soll das? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Überhebt euch nicht künstlich, denn wenn Frauen blutige Tampons irgendwohin hängen, sind das keine ordentlichen Frauen mehr, dann darf ich sie als Weiber bezeichnen! Wo sind wir denn überhaupt? (Beifall bei der FPÖ.) Das lasse ich mir von euch moralis­tischen Sozialisten nicht verbieten! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.09


Vizepräsident Günther Novak: Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten uns wieder beruhigen.

Herr Kollege Steiner, „heuchlerische Abgeordnete“ und „scheinheilige Moral“ – das ge­hört doch bitte nicht hier ins Parlament! Wir sollten doch versuchen, die Würde des Parla­ments zu wahren. (Bundesrat Schreuder: Zur Geschäftsordnung!) – Bitte, Herr Kollege.

*****


15.10.06

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Ge­schäftsordnung: Ich würde jetzt um eine Stehpräsidiale bitten. (Bundesrat Steiner: Aus was für einem Grund?) – Wegen verbaler Entgleisung.

15.10

*****


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege Schreuder bittet um eine Stehpräsidiale wegen verbaler Entgleisung.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 111

Wir treffen uns links neben dem Präsidium, bitte. Ich unterbreche die Sitzung.

15.10.39*****

(Die Sitzung wird um 15.10 Uhr unterbrochen und um 15.18 Uhr wieder aufge­nom­men.)

15.18.09*****


Vizepräsident Günther Novak: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und bitte die Kolleginnen und Kollegen, die Plätze wieder einzunehmen.

Ich begrüße bei uns im Plenum den Herrn Bundesminister für Arbeit, Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Dr. Martin Kocher. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Nach dieser Stehpräsidiale bitte ich Herrn Kollegen Steiner um einen Wortbeitrag.


15.18.54

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Wir haben in der Stehpräsidiale über dieses Wort „Weiber“ kurz diskutiert. Wenn jemand blutige oder rot gefärbte o.b.s an einen Eingang hängt, wo am nächsten Tag in der Früh dann die Mitarbeiterinnen um 7 Uhr den Dienst antreten, dann tut es mir leid, wenn ich das Wort „Weiber“ verwendet habe, nur ist mir in diesem Moment kein anderes Wort für so einen Menschen, der das gemacht hat, eingefallen. (Oh-Rufe. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Können auch Männer gewesen sein!) Mir tut es leid, dass mir das Wort „Weiber“ heraus­gerutscht ist. Es ist passiert. Hoffentlich passiert das sonst niemandem hier herinnen, dass ihm einmal ein Wort herausrutscht. Ich werde noch überlegen, welche anderen Ausdrücke es für diese Art von Personen gibt, die blutige o.b.s in die Gegend hängen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.19 15.19.55


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Schreuder: „Heuchlerische Abgeord­ne­te“?! – Bundesrat Bader: Hat er eh schon gemacht, der Herr Präsident! – Bundesrat Schreuder: Ah so!) – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. – Haben Sie schon gemacht.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesen­heit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmungen erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 112

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

15.22.388. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungs­gesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden (2592/A und 1506 d.B. sowie 10992/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (2593/A und 1507 d.B. sowie 10993/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Kollege Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um die Berichte.


15.23.15

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumenten­schutz über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Sandra Gerdenitsch. Ich erteile ihr das Wort.


15.24.18

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 113

und Zuschauer zu Hause! In TOP 8 geht es um das Thema Kurzarbeit. Das ist das Instrument, das sich in Krisenzeiten bewährt hat. Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen: Eingesetzt dafür haben sich die Sozialpartner, wir werden dem auch zustimmen.

Was allerdings sauer aufstößt, ist der andere Tagesordnungspunkt. Den diskutieren wir heute zum wiederholten Male. Es geht um die Freistellung von Schwangeren. Ich frage mich, ob das jetzt wirklich notwendig ist und ob man sich nicht endlich bemühen kann, das Thema ein für alle Mal ordentlich im Sinne der Betroffenen zu lösen. Gerade bei dieser schützenswerten Gruppe wird immer zizerlweise vorgegangen. Es sind immer diese Last-Minute-Aktionen, immer kurz vor knapp, immer auf den letzten Drücker.

Der nun vorliegende Antrag zur Änderung des Mutterschutzgesetzes ist irgendwie nicht zu verstehen. Durch diese Änderung verlieren schwangere Frauen ihren Rechts­an­spruch auf Freistellung. Der Arbeitsminister, also Sie, und auch der Gesundheitsminister regeln dann mittels Verordnung, unter welchen Voraussetzungen die werdenden Mütter freigestellt werden. Im Klartext: Die Herren Kocher und Rauch entscheiden, wann die Covid-19-Infektionsgefahr für Schwangere hoch ist und wann sie niedrig ist. Ich weiß nicht: Trifft man sich da zum Schnapsen, oder wie macht man das?

Die Freistellung über eine Verordnung zu regeln bedeutet für Arbeitnehmerinnen zukünftig auch eine Verschlechterung zur bisherigen Situation, bei der ein klar geregelter Rechtsanspruch besteht.

Zudem ist diese Verordnungsermächtigung lediglich als eine Kannbestimmung geregelt. Das verunsichert auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Ich frage mich, ob man sich auch einmal diese Seite der Medaille angeschaut hat. Aus vielen Gesprächen mit Betroffenen wissen wir auch, dass sich die schwangeren Arbeitnehmerinnen dann auch oft gar nicht trauen, ihre Rechte einzufordern, weil sie einfach Angst um ihren Arbeitsplatz haben.

Die aktuellen Covid-Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Coronaprobleme wer­den so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden. So viele Dinge sind noch offen: Wie wird sich der Sommer entwickeln? Wie schaut es dann im Herbst aus? Schwangere sind nicht nur für ihre Gesundheit verantwortlich. Kollegin Eder, deren entzückenden Sohn ich heute schon kennenlernen durfte – herzlichen Glückwunsch! – wird das bestätigen können: Man macht sich auch Gedanken über die Gesundheit des unge­borenen Kindes.

Deshalb verdienen und brauchen schwangere Frauen Planungssicherheit. Sie setzen nämlich die schwangeren Frauen und deren ungeborene Kinder einem gesundheitlichen Risiko aus, und das bedeutet immensen Druck in einer ohnehin schon oftmals schwie­rigen Situation. Einmal mehr stehen Sie nicht an der Seite der Menschen in diesem Land. Wir fordern eine Verlängerung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz von Mutter und Kind, und das unabhängig vom Impfstatus, von der Branche oder von der Art der Tätigkeit. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.27


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr das Wort.


15.27.23

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim! Ich freue mich, dass ich mich mit zwei wichtigen Beschlüssen in der Tagesordnung jetzt wieder aus der Babypause zurückmelden kann. Zum einen geht es ja um die Verlängerung der Kurz­arbeit bis 31. Dezember 2022 und zum anderen um eine Verordnungsermächtigung zur Freistellung von Schwangeren.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 114

Während meiner Babypause konnte ich mit verschiedensten Leuten reden, und ich möchte gerne zwei Aussagen zum Thema Kurzarbeit mit euch teilen: Iris, 58 Jahre, ist Mitarbeiterin in einer Fahrzeugtechnikfirma in Vorarlberg, die sich aktuell gerade in Kurzarbeit befindet. Sie sagt: Ich bin so froh, dass ich in Kurzarbeit bin, in meinem Alter würde ich mir schwertun, einen gleichwertigen Job mit so netten Kolleginnen und Kollegen zu finden, da nehme ich die vorübergehende Arbeitszeitreduktion gerne in Kauf.

Bernd, er ist Geschäftsführer einer Autoindustriezulieferfirma, sagt: Durch die Kurzarbeit kann ich meine Mitarbeiter halten, denn die kennen den Betriebsablauf, sie kennen die Produktion, sie kennen unsere Produkte, und gute Mitarbeiter findet man nicht so leicht.

Das zeigt: Kurzarbeit ist ein wichtiges Arbeitsmarkt-, aber auch wirtschaftspolitisches Instrument. Bereits vor Corona hat es ein Kurzarbeitsmodell gegeben, und jetzt passiert eigentlich nichts anderes, als dass wir wieder zu einem Modell der Kurzarbeit wie vor Corona zurückkommen, denn wie vor der Coronakrise gibt es jetzt auch immer wieder Sonderfälle wie Unterbrechungen der Lieferketten, wie wir sie jetzt im Zuge der Ukrainekrise erleben, oder auch Naturkatastrophen, durch die Arbeitsplätze vorüber­gehend und kurzfristig gefährdet sind. Genau für solche Fälle soll es die Kurzarbeit auch weiterhin geben. Wir sind der Meinung, das ist durchaus sinnvoll, und werden deshalb natürlich zustimmen.

Ebenso sinnvoll ist eine weitere gesetzliche Anpassung: Mit 30. Juni können wir auf­grund der derzeitigen Coronasituation die bestehende Regelung zur Freistellung von schwangeren Frauen auslaufen lassen. Durch die heute beschlossene gesetzliche Anpassung können aber der Arbeits- und der Gesundheitsminister bis Jahresende kurzfristig, je nach epidemiologischer Lage, ganz flexibel reagieren und eine Freistellung von Schwangeren erneut regeln. Wir halten das für eine gute Lösung, um auch im Herbst ganz flexibel und situationsangepasst reagieren zu können, und deshalb werden wir auch da zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

15.30


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr das Wort.


15.30.25

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Meine Vorrednerin, Frau Eder, hat gerade so von dem einen Geschäftsführer geschwärmt, der wegen der Kurz­arbeit gesagt hat: Mei, wie super und wie toll!

Ich gebe Ihnen recht, dass das, was die Coronakurzarbeit betrifft, sicherlich berechtigt war. Wenn man sich jetzt aber diese neue Gesetzesänderung anschaut, wo es eine Verlängerung der Kurzarbeit für betroffene Betriebe aufgrund neuer wirtschaftlicher Schwierigkeiten gibt – das heißt, man ist hergegangen und hat die Kurzarbeit alt, die es immer schon gegeben hat, einfach an die Gegebenheiten adaptiert –, dann muss ich Ihnen ehrlich sagen: Da würde der gleiche Geschäftsführer diese Aussage nicht mehr treffen. Aufgrund der komplizierten Hürden, die man eingezogen hat, hat man wieder etwas gemacht, was typisch Regierung ist: Man kündigt etwas toll an, was super klingt, aber wenn es dann um die Umsetzung geht, wenn es um die Praxis geht, ist es in Wirklichkeit eigentlich wieder ein Rohrkrepierer, weil kaum jemand diese Kurzarbeit in Anspruch nehmen wird, und ich sage Ihnen jetzt, warum.

Jetzt gibt es die neue Sozialpartnervereinbarung noch immer nicht. Nach wie vor gibt es noch keine Richtlinien, das heißt, man weiß noch nicht, was ab 1. Juli definitiv Gesetz ist, hat aber sehr wohl das AMS beauftragt, dass alle Betriebe, die voraussichtlich


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 115

eventuell mit 1. Juli, aufgrund vor allem von Materiallieferschwierigkeiten und hohen Energiekosten, Kurzarbeit benötigen, bis 9. Juni entscheiden hätten müssen, dass sie Kurzarbeit beantragen möchten. Wozu man den Arbeitskreis aus AMS, Kollektiv­ver­tragspartnern und Wirtschaftskammer braucht, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Warum? – Wenn ich als Unternehmer Kurzarbeit beantrage, dann mache ich das ja in erster Linie, weil ich keine Arbeit für meine Mitarbeiter habe oder die Arbeit nicht im vollen Ausmaß. Welche Alternativen kann das AMS dann bitte in so einer Situation vorschlagen? Habt ihr eigene Lager für Glas, für Metall oder irgendwas? Also ja, es ist gut, dass man das Instrument Kurzarbeit weiterdenkt, beibehält, unabhängig von Corona; aber so begeistert würde dieser Geschäftsführer die jetzige Kurzarbeit sicherlich nicht interpretieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die zweite Sache ist wieder diese Verordnungsermächtigung. Schön langsam habe ich das Empfinden, dass ihr aufgrund dieser permanenten Ministerwechsel schauen müsst, dass ihr die Minister halten könnt, so nach dem Motto: Je mehr Macht ihr einem Minister gebt, umso eher bleibt er, denn es gibt jetzt nur mehr Verordnungsermächtigungen – das Parlament, Diskussionen, wirklich auf Situationen reagieren, das ist eigentlich mehr oder minder abgeschafft.

Zu dieser Sonderfreistellung in Bezug auf besonders schützenswerte werdende Mütter; das habe ich vom ersten Moment an gesagt – ich weiß, das liegt nicht in Ihrem Ressort, weil da eigentlich der Sozialminister dafür zuständig wäre –: Warum kann sich die Regie­rung nicht durchringen, diese besondere Art einer Pandemie einfach bitte auch als Grund für ein vorverlegtes Beschäftigungsverbot anzuerkennen? Dann kann die werdende Mutter zum Frauenarzt, zum Amtsarzt gehen, der überprüft das eh, sie bekommt die Bestätigung, der Arbeitgeber muss nicht wieder in Vorleistung treten – die verrechnen das ja jetzt auch mit der ÖGK –, der Arbeitgeber wird nicht in eine sogenannte Prüfungs­verantwortung gezogen, ob das wohl alles stimmt, was die sagt. Was ist daran so schwierig?

Auch jetzt bezahlt die ÖGK praktisch das fortgezahlte Entgelt zurück, und ein vorver­legtes Beschäftigungsverbot, sprich früherer Wochengeldbezug, ist auch eine Versiche­rungsleistung. Was ist da daran so schwierig? Ich verstehe es nicht. Warum kann man das im Interesse dieser werdenden Mütter nicht einfach so machen? Und wir hätten vielleicht auch ein Instrumentarium für künftig auftretende Viren oder irgendwelche Dinge, die sicherlich noch auf uns zukommen. Also ich würde Sie wirklich einmal bitten, Herr Arbeitsminister: Sprechen Sie mit Herrn Rauch darüber, vielleicht gäbe es wirklich diese Lösung, das wäre eine endgültige Lösung, und man könnte sie in jeder Situation anwenden. (Beifall bei der FPÖ.)

15.34


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte.

15.35.02


Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, wir diskutieren hier eine adaptierte Verlängerung der Kurzarbeit. Die Kurzarbeit ist ein österreichisches Erfolgsmodell, um das uns viele beneiden und das auch von vielen Ländern in der einen oder anderen Form übernommen wurde.

Gerade in den ersten Phasen der Coronapandemie war das Modell Kurzarbeit ganz ent­scheidend, um Beschäftigte in den Betrieben zu halten. Zu diesen Rekordzeiten waren – und das muss man sich vorstellen! – bis zu 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 116

Die Kurzarbeit gibt es aber schon viel länger, und sie ist weit mehr als ein Instru­mentarium in der Covid-Krise. Das Ziel war und ist, die Beschäftigten bestmöglich im Betrieb zu halten, wobei die Arbeitszeit kurzfristig gesenkt und eine Einkommensersatz­leistung vonseiten des AMS geleistet wird, damit der Betrieb dann eben rasch wieder hochfahren kann.

Mit der vorliegenden Novellierung der Kurzarbeit und der Kurzarbeit für Lehrlinge wird dieses Erfolgsmodell wieder an die aktuellen Problemlagen angepasst. Im Fokus steht nicht mehr Covid, sondern unmittelbare ökonomische Krisen, wie etwa Lieferketten­prob­leme. Ein großer Dank gilt auch den Sozialpartnern, die da wieder – man muss sagen: in bewährter Manier – ihre Kompetenz eingebracht haben.

Im zweiten Tagesordnungspunkt, den wir jetzt gemeinsam diskutieren, geht es um die Änderung des Mutterschutzgesetzes, konkret um die Sonderfreistellung für Schwan­gere. Im Kern geht es darum, dass der Arbeitsminister im Einvernehmen mit dem Ge­sundheitsminister per Verordnung die Regeln für eine Covid-bedingte Sonderfreistellung festlegen kann. Das ist auch sinnvoll. Das soll nämlich eine rasche Reaktion auf neue Virusvarianten ermöglichen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.37


Vizepräsident Günther Novak: Recht herzlich willkommen heißen will ich zahlreiche Schülerinnen und Schüler mit ihren Pädagogen, die hier zu uns ins Plenum gekommen sind: Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Abschließend zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher. Ich erteile ihm das Wort.


15.37.40

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Zu Beginn zur Kurzarbeit: Wir haben die Kurzarbeit als Kriseninstrument sehr, sehr umfangreich genutzt. Glücklicherweise sind wir jetzt bei einer Voranmeldungszahl von in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern von nur noch 28 000 Menschen.

Der Großteil dieser 28 000 Menschen befindet sich im Bereich Warenproduktion. Da sind es die Lieferkettenprobleme, die Engpässe, die zur Kurzarbeit führen. Wir glauben aber, dass wir die Kurzarbeit im Laufe der nächsten Wochen noch weiter zurückfahren können. Wir haben 140 000 offene Stellen. Es gibt sehr, sehr viele Chancen. Es gibt eine Mitarbeiter-, Mitarbeiterinnenknappheit in vielen Bereichen, in vielen Bundesländern, und deshalb ist die Kurzarbeit in vielen Fällen nicht mehr nötig. Man sieht es ja, in vielen Bereichen ist es eher umgekehrt: Das Fachkräfteproblem, der Mitarbeitermangel führen zu Schwierigkeiten. Trotzdem ist die Verlängerung der Kurzarbeit wichtig, nämlich einer­seits in dieser jetzigen Form mit einer strengen Zugangskontrolle, das ist wichtig, um die Kurzarbeit nur für die Betriebe zur Verfügung zu stellen, die sie wirklich brauchen, und andererseits als Versicherungsinstrument für ökonomisch schlechtere Zeiten.

Wir wissen nicht, was im Herbst passiert. Wir wissen nicht, welche Szenarien eintreten werden, was die ukrainische Krise betrifft, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, was bei Lieferengpässen noch kommt. Es gibt Vorhersagen, dass die Halbleiter noch eine Zeit lang nicht geliefert werden können oder nicht in ausreichendem Umfang. Wir wissen nicht, wie sich die chinesischen Entscheidungen bezüglich der Covid-Politik auf die Containerhäfen in China auswirken, und so weiter – deshalb die Kurzarbeit weiterhin als Versicherungsinstrument für die Betriebe in Österreich. Der Entwurf, der vorliegt, gewährleistet aus meiner Sicht eben genau diese Balance zwischen die Kurzarbeit jetzt


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 117

zurückfahren, den Zugang reglementieren und streng halten, sie aber gleichzeitig zur Verfügung haben, wenn man sie wirklich wieder in größerem Umfang braucht; ein guter Kompromiss, eine gute Balance.

Im Bereich der Sonderfreistellung bin ich froh, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, ge­meinsam mit dem Gesundheitsressort per Verordnung sehr rasch die Sonderfreistellung wieder in Kraft zu setzen. Das ist ja zusätzlich zu dem, was ohnehin passiert, einer Evaluierung des Arbeitsplatzes im Falle der Schwangerschaft. Die Sonderfreistellung ist also eine zusätzliche Möglichkeit, und wenn es Varianten gibt, wenn es Entwicklungen gibt, dann kann das Gesundheitsministerium gemeinsam mit dem Arbeitsministerium sehr rasch darauf reagieren.

Sie können sich sicher daran erinnern: Letztes Jahr im Herbst war das nicht möglich, da gab es die Verordnungsermächtigungen nicht. Wir haben einen gesetzlichen Prozess gebraucht, der länger gedauert hat. Das Gesetz ist rückwirkend in Kraft getreten. Damit gab es keine Unterbrechung der Möglichkeiten, das in Anspruch zu nehmen, aber es gab Unsicherheit. Diese Unsicherheit wollen wir jetzt vermeiden, und ich bitte um Unterstützung dieses Vorschlags. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.40 15.40.49


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.42.1710. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert wird (2571/A und 1522 d.B. sowie 10988/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Bericht.


15.42.37

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschafts­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 118

Der Bericht liegt Ihnen allen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr das Wort.


15.43.15

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Beim sperrigen Begriff Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, kurz auch WGG genannt, handelt es sich um ein Gesetz mit einer nicht zu unter­schätzenden Tragweite. Mit dieser vorliegenden Gesetzesnovelle soll verhindert wer­den, dass Wohnraum, der mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, irgendwann zum Profit eines Privaten wird. Unter anderem geht es um die Herstellung von Wohnungen zu erschwinglichen, und zwar unter dem allgemeinen Marktniveau liegenden Preisen bezie­hungsweise um die Errichtung und Bereitstellung von Klein- und Mittelwohnungen für breite Schichten der Bevölkerung. (Bundesrat Preineder: Die niederösterreichische Wohnbauförderung!) In Österreich wohnt immerhin jede/jeder vierte Österreiche­rin/Öster­reicher in einer solchen Wohnung. Gemeinnützige Bauvereinigungen spielen daher eine sehr bedeutsame Rolle in Österreich.

Die Teuerungswelle hat auch eine Kostenexplosion beim Thema Mieten verursacht. Die Mieten sind erheblich teurer geworden, und zwar leiden laut einer von der Mieterver­einigung Österreich und der Gewerkschaft Vida beauftragten Studie 58 Prozent, also nahezu 60 Prozent, der ÖsterreicherInnen unter den erhöhten Wohnkosten. Aufgabe der Politik ist es allerdings, für leistbares Wohnen und somit auch für faire Mieten zu sorgen.

Was ist jedoch nach diesen zweieinhalb Jahren der Koalition aus ÖVP und Grünen festzuhalten? – Wohnungen und das Wohnen selbst werden immer mehr zum Luxus, den sich viele Personen nicht leisten können (Bundesrat Preineder: Die nieder­öster­reichische Wohnbauförderung!), Herr Kollege. Vor allem jüngere Menschen, Familien, PensionistInnen mit kleinen und mittleren Einkommen können sich das Wohnen bald nicht mehr leisten. Die Richtwert- und Kategoriemieten sind auch heuer schon zweimal gestiegen, einmal im April und einmal im Juni, und bei den Kategoriemieten wird jetzt sogar noch eine dritte Verteuerung Ende des Jahres in Aussicht gestellt.

Laut der Arbeiterkammer belastet die Erhöhung vom Juni die betroffenen Haushalte mit 150 Euro pro Jahr, bei den freien Mieten sind es sogar 300 Euro. Die MieterInnen werden also kräftig zur Kasse gebeten, bei den VermieterInnen hingegen sprudeln die Einnahmen. Das ist ein Ungleichgewicht, das einfach nicht mehr zusammenpasst. Seit Jahren legen die Immobilienpreise überproportional zu. 2021 kletterten die Preise in bisher nicht gekannte Höhen. Der Kauf von Häusern und Wohnungen verteuerte sich laut Statistik Austria im Jahresschnitt um 12,3 Prozent. Der Immobiliendurch­schnitts­preis je Quadratmeter Wohnfläche für Eigentumswohnungen liegt bei 3 889 Euro, für Häuser bei 2 578 Euro. Die Preisanstiege betreffen allerdings nicht nur den urbanen Raum, sondern auch den ländlichen. Beispielsweise sind die Anstiege in Oberkärnten, in der östlichen Steiermark, im Mühl- oder im Waldviertel zu bemerken. Leerstehende Wohnungen treiben die Preise weiter an. Das ist ein breites Versagen der Politik.

Es müssen dringend dämpfende Maßnahmen gesetzt werden, um dieses Ungleich­ge­wicht zu ändern und um die Teuerung einzubremsen. Es bedarf angesichts der Teue­rungswelle raschest einer Gesetzesvorlage, die Wohnen wieder erschwinglich werden


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 119

lässt. Ebenso ist eine Abgabe auf Leerstand, die in mehreren Bundesländern bereits geplant oder auch schon beschlossen ist, längst überfällig. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Tiroler Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Einhebung der Leerstands­ab­gabe beschlossen. Es ist vorgesehen, dass für eine Wohnung, die ein halbes Jahr lang nicht benutzt wurde, pro Monat zwischen 10 und 215 Euro – die Spanne ist sehr groß, aber immerhin – Abgaben eingefordert werden.

Die Bundesregierung sollte gemeinnützige Bauträger dabei unterstützen, leistbare Miet­wohnungen bereitzustellen. Einige gemeinnützige Bauträger verkaufen auch frei finan­zierte Wohnungen, die billiger sind als die von gewerblichen Bauträgern. Diese Woh­nungen können dann sofort zu Marktpreisen vermietet werden. Die vorliegende Novelle lässt es zu, dass die gemeinnützigen Bauträger Wohnungen errichten, die als Anleger­wohnungen missbraucht werden können und auch missbraucht werden. Daher können wir dieser Novelle auf keinen Fall zustimmen. Wir sagen: einmal WGG, immer WGG.

Die detaillierten Complianceregelungen und auch das zeitlich begrenzte Spekulations­verbot begrüßen wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion. Das alleine ist uns aber zu wenig. Es müssen Maßnahmen gegen die Teuerungswelle in Angriff genommen werden, und vor allem fordern wir ein Universalmietrecht. Am Wohnungsmarkt warten viele Herausforderungen auf eine rasche Lösung, die Politik der kleinen Schritte ist hier fehl am Platz. Bitte kommen Sie diesbezüglich in die Gänge! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.48


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Bitte.


15.48.55

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen, liebe Schülerinnen und Schüler! Das Thema Wohnen ist ja eines, das auch besonders die junge Generation betrifft. Es ist auch eines, das uns natürlich alle in der Politik auf allen Ebenen beschäftigt. Es ist in allen Bundesländern Thema. Ich traue mich aber doch zu behaupten, es ist vor allem auch in den westlichen Bundesländern aufgrund des flächen­mäßig oftmals sehr begrenzten Platzangebotes eine besonders schwierige Situation.

Ich habe mir gestern interessehalber einige Immobilienangebote aus meinem Heimat­bezirk angesehen, und die Preise, die man dort findet, sind schon dramatisch. Da steht zum Beispiel eine 29,2-Quadratmeter-Einzimmerwohnung mit Balkon mit 249 000 Euro Nettopreis in der Stadt Kufstein drinnen. Da gibt es auch eine Wohnung mit 132 Quadrat­metern, die um 990 000 Euro angeboten wird. Es ist aber nicht nur ein urbanes Thema, sondern auch beispielsweise in der Gemeinde Ellmau  natürlich hochtouristisch, unge­fähr 15 Fahrminuten von mir entfernt  kostet eine 92-Quadratmeter-Wohnung 1,1 Mil­lio­nen Euro.

Das alles sind Nettopreise. Das hat sich in den letzten Jahren natürlich schon auch sehr zugespitzt. Das Ganze betrifft nicht nur Tirol, es betrifft auch nicht nur Österreich, es betrifft eigentlich auch viele andere Länder in Europa, wenn man sich das anschaut. In der Schweiz beispielsweise ist es mittlerweile Usus, dass Immobilien nur mehr über Mehrgenerationenkredite finanziert werden können.

Ich glaube, das sind Entwicklungen, bei denen wir schon versuchen müssen, alles zu tun, um entgegenzuwirken. Möglichkeiten gibt es durchaus, auch wenn die Experten sagen, einer der Haupttreiber für diese Preise ist natürlich die niedrige Zinslage auf den Finanzmärkten. Das ermöglicht zwar auf der einen Seite vielen auch, ihren Wohntraum zu finanzieren, aber auf der anderen Seite kommt deshalb auch sehr, sehr viel Kapital


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 120

in den Immobilienmarkt hinein und macht Grundstücke, Häuser und Wohnungen auch zu Spekulationsobjekten.

Das ist ein Problem, weil ein Dach über dem Kopf eben nicht irgendetwas ist, was ich mir aussuchen kann oder auch nicht, sondern es ist ein Grundbedürfnis, das auch wir alle versuchen müssen für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Möglichkeiten gibt es durchaus auf vielen Ebenen, und ich glaube, wir müssen diese auch konsequent nutzen. Woran ich dabei denke, ist: Auf Gemeindeebene haben wir das Instrument der Raumordnung, der Flächenwidmung, der Vertragsraumordnung, das zum Glück auch in vielen Gemeinden bereits angewandt wird. Wir haben Möglichkeiten, bei der Bebau­ungsdichte über Bebauungspläne nach oben zu fahren, es dann auch wirklich zu ermöglichen, ein zusätzliches Stockwerk zu errichten. Man kann über die Ortskern­revitalisierungen einiges machen.

Auf Landesebene haben wir über den Grundverkehr einige Möglichkeiten, natürlich auch immer im engen Rahmen der EU-gesetzlichen Regelungen, aber Spielräume gibt es auch dort. Wir haben die Möglichkeit, über die Wohnbauförderung einige Stellschrauben anzuziehen, und es gibt auch die Möglichkeit, auf Landesebene Abgaben einzuführen. Das passiert auch. Es ist bereits erwähnt worden, wir haben in Tirol die Freizeitwohn­sitzabgabe eingeführt, nicht flächendeckend, weil die bereits einmal verfassungsrecht­lich von Österreich entsprechend einkassiert worden ist. Wir haben sie jetzt aber in den Gemeinden eingeführt, wo der Wohndruck besonders hoch ist und uns Juristen sagen, dort ist die Chance sehr, sehr hoch, dass es auch hält.

Die Leerstandsabgabe ist ebenfalls erwähnt worden, die möchten wir ab 1. Jänner 2023 einführen. Das ist natürlich etwas, was durchaus für Debatten sorgt. Ich verstehe das auch. Es argumentieren auch viele, das ist ein Eingriff ins Eigentum. Dazu möchte ich aber zwei Dinge sagen. Erstens: Es wird in diesem Gesetz viele Ausnahmen geben, beispielsweise wenn Wohnungen im eigenen Wohngebäude sind, sind diese davon ausgenommen, beispielsweise wenn man einen Eigenbedarf hat, dann ist das aus­genommen. Wenn es eine Wohnung ist, die baufällig ist, dann muss man diese nicht instand setzen und vermieten, sondern dann ist das ebenfalls von der Leerstandsabgabe ausgenommen.

Das Zweite, warum ich in diesen Diskussionen eigentlich immer auch die Leerstands­abgabe vehement verteidige, ist: Wir sind eine Eigentumspartei und dazu stehen wir auch, aber für mich bedeutet Eigentumspartei zu sein auch, dass ich nicht nur Eigen­tümer und Eigentum schütze, sondern vor allem auch, dass ich jungen Leuten ermög­liche, sich Eigentum zu schaffen. Die Leerstandsabgabe hat zwar vielleicht nicht diesen Mobilisierungseffekt, dafür ist sie vielleicht auch zu niedrig – auch da, glaube ich, sollten wir über das Volkswohnungswesen etwas machen –, aber sie ist trotzdem einmal auch ein Signal, dass wir auf diesem Feld auch wirklich handeln wollen, und das finde ich sehr, sehr wichtig.

Das sind Dinge, die man auf Landesebene regeln kann, und dann gibt es die Bundes­ebene. Da beschäftigen wir uns heute mit dem WGG. Ich habe es zuvor erwähnt, das Volkswohnungswesen ist ebenfalls eine Gesetzesmaterie, bei der man meines Erach­tens schon auch noch wirklich etwas machen kann, um auch die Länder zu unterstützen, beispielsweise eben bei der Höhe der Leerstandsabgabe, wo es jetzt zum Glück den einstimmigen Vorschlag der Landeshauptleute gibt, zumindest Teile des Volkswoh­nungs­wesens zu verländern. Ich hoffe, dass man da auch wirklich dranbleibt, ich würde das sehr wichtig finden.

Dann gibt es das WGG, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das ja bereits erwähnt worden ist, in dem es ebenfalls einen Passus gegeben hat, der sich zu einem Schlupf­loch entwickelt hat. Wir sehen das auch in Tirol. Wir haben viele Gemeinnützige, die jetzt


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 121

nicht Mietwohnungen bauen, sondern Eigentumswohnungen, die dann erworben wer­den können. Da war es bisher so, dass es beim Sofortkauf eine unzureichende Frist gegeben hat. Bis zur Spekulation waren es nicht diese 15 Jahre, die man jetzt einführt. Das hat schon dazu geführt, dass natürlich findige Investoren begonnen haben, auch in den gemeinnützigen Wohnbau reinzugehen, und versucht haben, diese Preissteige­rungen zu nutzen, um entsprechende Geschäfte zu machen. Das kann und darf nicht Sinn und Zweck der Gemeinnützigen sein, deshalb ist es gut, dass wir dem jetzt auch einen Riegel vorschieben.

Das Zweite sind natürlich wieder die Revisionsverbände, dass man die Kontrollrechte stärkt und damit auch sicherstellt, dass diese Objekte auch ihrem Sinn entsprechend genutzt werden.

Ein bisschen verwundert es mich schon, dass die SPÖ dieser Novelle heute nicht zustimmt. Es erinnert mich schon ein wenig auch an die Diskussion zum Entlastungs­paket, die wir heute Vormittag geführt haben. Es war auch im Nationalrat ersichtlich, dass Vertreter der SPÖ eigentlich durchaus dieser Novelle inhaltlich zugestimmt haben, aber immer gesagt haben: Das ist zu wenig, wir müssen noch mehr machen! Ich ver­stehe das deshalb nicht ganz (Bundesrat Schennach: Wir helfen euch gerne!), denn man stimmt dem Ganzen schon zu, aber dann macht man es irgendwie trotzdem nicht, weil man ja noch mehr machen könnte. Diese Logik erschließt sich mir nicht ganz. Ich finde es ein bisschen schade, hoffe aber trotzdem auf eine breite Mehrheit, weil es eine wichtige Novelle ist, um der Spekulation entgegenzutreten. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Bundesrat Schennach: Aber Chalets bauen in Tirol! Solange ihr Chalets baut, braucht ihr nicht zu jammern!)

15.55


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm das Wort.


15.56.05

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Werter Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Gäste auf der Galerie! Werte Zuseher zu Hause! Bezüglich der Bundesgesetzänderung beim Woh­nungs­gemeinnützigkeitsgesetz darf ich folgende Punkte festhalten:

Wie bereits ausführlich im Nationalrat diskutiert, ist eine Handhabe gegen die Woh­nungsspekulation mehrheitlich beschlossen worden. Das soll jedoch nur der Beginn von verschiedenen Änderungen sein. Gerade beim gemeinnützigen Sozialwohnbau ist es wichtig, ständig Anpassungen vorzunehmen, denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Für immer mehr Familien ist eine zeitgerechte Wohnung nicht mehr leistbar, daher muss in weiterer Folge eine Mietkostenobergrenze angedacht werden.

Die in Österreich seit 1.4.2022 geltenden Mietrechtsoberwerte zeigen einen großen Un­terschied beim Quadratmetermietpreis. Am billigsten ist er im Burgenland mit 5,61 Euro pro Quadratmeter und am teuersten in Vorarlberg mit 9,44 Euro. Wir in Oberösterreich haben einen Richtwert von 6,66 Euro pro Quadratmeter und liegen damit im Mittelfeld. Der Preis wird grundsätzlich vor Ort durch Angebot und Nachfrage geregelt. Daher gibt es in Oberösterreich einen sehr hohen Neubauanteil von rund 2 400 Wohn­einheiten pro Jahr. Bezüglich der Preisexplosion ist heuer ein Sonderwohnbauprogramm mit 1 500 Wohneinheiten geplant und auch in Umsetzung.

Die Frage, die sich für mich in der Politik stellt, ist: Wie können wir nachhaltig gemeinsam den Wohnbau absichern? In Oberösterreich haben wir gemeinsam mit der Wohnbau­abteilung des Landes, mit den Wohnbauträgern und mit dem Landesratsbüro eine gemeinsame Lösung für das Jahr 2022 erarbeitet. Jedem von uns ist klar, dass es


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 122

aufgrund der Preissteigerungen nicht möglich ist, die geplanten Vorgaben einzuhalten. Genau weil die Bauwirtschaft der Konjunkturmotor ist, bin ich auf unsere oberösterreichi­sche Lösung stolz.

Ziel muss es auch im Bund sein, die Neubauleistung zu erhalten. In Oberösterreich haben wir einen Fördersatz von 1 800 Euro pro Quadratmeter. Der ist nicht mehr einzu­halten. (Bundesrat Schennach: Das ist eine Werberede!) Deswegen gibt es bei uns in Oberösterreich das bereits erwähnte Sonderwohnbauprogramm mit 1 500 Wohnein­heiten, wo jede Wohnung zusätzlich mit 20 000 Euro unterstützt wird und ein Volumen von 30 Millionen Euro budgetiert ist.

Bei uns gibt es verschiedenste Überlegungen, wie es weitergehen kann und muss, wobei die wichtigste Überlegung meiner Meinung nach ist: Es ist besser, Wohnungen bei der Errichtung zu fördern und somit langjährig die Miete abzusichern, die um die 7 Euro sein soll, beziehungsweise Wohnbeihilfe an die Wohnungsmieter zu zahlen. In Oberöster­reich haben wir die Möglichkeit, Wohnbeihilfe bei einem Nettoeinkommen von 1 050 Euro auszuzahlen. Im letzten Jahr gab es 25 000 Wohnbeihilfebezieher mit einem Volumen von 50 Millionen Euro. Anhand der aktuellen Situation ist heuer von einem Anstieg der Förderwerber auszugehen, was auch im Budget berücksichtigt ist.

Bei uns in Oberösterreich wird anhand eines Förderkatalogs nachhaltig geplant, und damit ist die erneuerbare Energie gefordert und wird auch gefördert, was meiner Mei­nung nach Sinn macht.

Eine ganz wesentliche Aufgabe der Politik ist auch, die industrielle Produktion von Baustoffen sicherzustellen, welche in der Bauwirtschaft großteils nur mit Gas möglich ist. Daher gab es am 2. Juni eine Petition vom Oberösterreichischen Landtag, einge­bracht von der FPÖ, unterstützt von ÖVP, FPÖ, SPÖ, NEOS und sogar der MFG. Leider sehen die Grünen das anders.

Interessant dabei ist, dass vom Oberösterreichischen Landtag entsandte Bundesräte von ÖVP und SPÖ nicht mitstimmten und gegen ihr eigenes Bundesland stimmten.

Bemerkenswert ist für mich auch, dass am Montag bei der Wirtschaftsausschusssitzung für diesen so wichtigen Tagesordnungspunkt keine Auskunftsperson anwesend war, was ich wiederum für den Bundesrat als nicht wertschätzend einstufe.

Abschließend darf ich festhalten, dass die FPÖ-Bundesratsfraktion dem Tagesord­nungspunkt 10 geschlossen zustimmen wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.01


Vizepräsident Günther Novak: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über Punkt 10 der Tagesordnung.

16.01.47Besprechung: „Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie“


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nunmehr zur Besprechung der schrift­lichen Anfragebeantwortung 3715/AB-BR/2022 (4006/J-BR/2022) an den Herrn Bun­deskanzler, der durch Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm vertreten wird, die ich recht herzlich bei uns im Plenum begrüße. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Da die Anfrage und die Anfragebeantwortung inzwischen allen Mitgliedern des Bundes­rates zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Bevor ich dem ersten Redner beziehungsweise der ersten Rednerin das Wort erteile, mache ich darauf aufmerksam, dass gemäß § 60 Abs. 5 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 123

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


16.02.51

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Diese Anfragebesprechung ist notwendig geworden, weil es um etwas geht, was uns allen, die wir hier im Bundesrat als Bundesrätinnen und Bundesräte tätig sind, so sehr am Herzen liegt. Es geht um unsere Demokratie und es geht um den Erhalt der Demokratie. Darum zu kämpfen und sich dafür einzusetzen, das ist unser aller Ziel. Ich denke, dass nicht nur wir als Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten mit großer Bestürzung im April erfahren haben, dass das internationale V-Dem Institute der Uni Göteborg im Demokratiereport 2022 Österreich beschieden hat, dass unser Land von einer liberalen Demokratie zu einer Wahldemokratie abgestiegen ist.

Ich denke, die Bestürzung bei allen war sehr groß, denn Fakt ist, da passiert etwas in einem Land, worauf man in keiner Weise stolz sein kann, sondern etwas, was uns allen große Sorgen machen muss. Anscheinend macht es dieser Bundesregierung aber nicht wirklich Sorgen, aber ich darf vielleicht darauf hinweisen, was es bedeutet.

Eine liberale Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass es eine unabhängige Kontrolle durch die Justiz gibt, die maximale Möglichkeit für die Kontrolle durch die Opposition und dass es freie Medien gibt. Das haben wir verlassen. Wir sind jetzt nur mehr eine Wahldemokratie, das heißt, bei uns finden freie und faire Wahlen statt. In diesem Abstieg sind wir gemeinsam mit Ghana, Trinidad und Tobago. Ich denke schon, all das sollte mehr als alarmierend sein. Darum haben wir eine Anfrage an den Kanzler gestellt, nicht nur an den Kanzler, auch an den Vizekanzler und auch an die Ministerin für EU und Verfassung.

Besonders die Antwort, die wir vom Kanzler bekommen haben, hat uns schon mit einem gewissen Erstaunen, wenn nicht sogar mit einer Bestürzung erfüllt, weil er sinngemäß geschrieben hat: Es tut mir leid, da bin ich nicht zuständig, das ist nicht mein vom Bundesministeriengesetz zugeschriebener Auftrag. Nein, da beantworte ich nichts.

Na gut, darauf kann man sich zurückziehen, aber wir als Sozialdemokratinnen und So­zialdemokraten sagen schon, wenn sich der Bundeskanzler einer Republik nicht den Fragen stellt, warum ein Land wie Österreich, das immer so stolz darauf war, ein starkes, gutes und demokratisches Land zu sein, im Ranking abstürzt, und die Fragen nicht beantwortet: Na bitte, das ist aber mehr als beschämend, und darum gibt es heute diese Anfragebesprechung. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist um die Demokratie zu kämpfen. Es ist nicht ausreichend, eine Wahldemokratie zu sein. Es genügt nicht, zu sagen, ist ja egal, wurscht, macht ja nichts. Uns Sozial­demo­kratinnen und Sozialdemokraten ist es nicht gleichgültig, und zwar in keiner Weise, denn um die Demokratie gilt es zu kämpfen. Heute wurde schon gesagt, die Demokratie ist ein feines Pflänzchen, das gepflegt und geschützt werden will.

Jetzt ist die Frage, was man denn tut, damit wir in diesem Ranking nicht in dieser Wahl­demokratiesituation bleiben, sondern wie wir in die Situation kommen, dass wir wieder eine liberale Demokratie sind. Diese Fragen müssen beantwortet werden, und wir sind, noch einmal gesagt, mehr als bestürzt, dass der Kanzler dieser Republik die Fragen nicht beantwortet hat. Da geht es nicht darum, zu sagen, ich ziehe mich zurück, da bin ich nicht zuständig, sondern da geht es um unser Land. Auch die Beantwortung des Vizekanzlers war mehr als dürftig, auch da waren zwei lapidare Sätze, sozusagen: Redet es uns in ein Sackerl und stellt es mir vor die Tür! – Uninteressiert, ganz, ganz schlimm! (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 124

Die Frau Bundesministerin für EU und Verfassung hat sehr wortreich nicht geantwortet, vieles über die EU und überhaupt geschrieben, aber nicht wirklich geantwortet. Auch das macht Sorge. Ich weiß, auch in ihrer Beantwortung war die Argumentation, es waren so schwere pandemische Zeiten, da kann es schon einmal passieren, dass die Demokratie abrutscht. Nein, es kann nicht passieren! Andere Länder waren auch von der Pandemie betroffen, genauso schwer wie Österreich. Deutschland ist immer noch eine liberale Demokratie, wir sind es nicht mehr. (Bundesrat Preineder: Linksliberal!)

Jetzt ist schon die Frage, was denn getan wird. Was muss man denn jetzt an Hand­lungsschritten setzen? Bevor man diese Frage stellt, kann man sich schon auch die Frage stellen, wie es denn so weit gekommen ist, dass wir im Ranking abgerutscht sind. Wir stehen fast schon wöchentlich vor der Situation, dass es schwere Korruptions­vorwürfe in diesem Land gibt. (Bundesrat Preineder: Vorwürfe, ja! Vermuten tun Sie es!) Das macht uns mehr als Sorgen. Einen nach dem anderen! Die Justiz ermittelt in vielen Fällen. Wir stehen vor der Tatsache, dass die Justiz größten Angriffen ausgesetzt wurde, besonders von der ÖVP in einem Ausmaß, dass es beschämend ist. Alles das trägt dazu bei, dass unsere Demokratie beschädigt ist. (Bundesrat Bader: Aber dass so viele Ver­fahren eingestellt werden?)

Wir wissen, dass wir im Pressefreiheitsranking ganz wesentlich abgesunken sind. Alles das macht uns keine Sorgen? Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten macht es Sorgen. Es gibt genug Vorwürfe und auch berechtigte Vorwürfe, dass Finanzmittel besonders im Finanzministerium dafür genützt worden sind, um sich positive Bericht­erstattung zu erkaufen. Ich nenne nur das Beinschab-Tool, es ist eines von vielen. Es steht im Raum, dass man sich Vorteile und Posten erkauft hat. Das sind schwere Vor­würfe. Wir alle sind noch von dem bestürzt, was in den Chats geschrieben wurde, wie über Menschen gedacht wird, in welchem Auftrag sich die ÖVP gegenüber den Reichen sieht. (Ruf bei der ÖVP: Gebt eure Chats einmal her!) Alles das macht mehr als Sorgen. Wir sind im Demokratieranking abgerutscht, und das ist in keiner Weise gleichgültig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir alle müssen darum kämpfen, dass die Demokratie erhalten bleibt. Wenn wir uns darüber freuen – das tun alle Bundesrätinnen und Bundesräte –, dass Schulklassen zu uns kommen – jetzt sind keine mehr hier, weil es zu spät ist –, dann sagen wir: Super, ihr seid hier! Bitte seht die Demokratie, lernt, wie wichtig der Parlamentarismus ist, wie wichtig es ist, auch Kompromisse zu schließen, wie wichtig all das ist! Und dann müssen wir sagen: Ihr wisst aber schon, wir sind im Demokratieranking leider auf eine Wahl­demokratie herabgestuft worden? Freie, faire Wahlen: Das ist das, was uns noch aus­zeichnet, und das ist zu wenig.

Darum hoffen wir heute ganz, ganz dringend: Wir bedauern, dass der Herr Bundes­kanzler nicht da ist, aber wir sind ganz sicher, dass die Frau Staatssekretärin alle Fragen, die wir gestellt haben, beantworten wird. Das sind wesentliche Fragen, das sind nicht nur Fragen, mit denen sich halt die Opposition wieder wichtigmacht  – nein, nein, nein, da geht es um die Demokratie, und es sind die Fragen: Wie wird man zukünftig vorgehen und wie kann man sicherstellen, dass besonders junge Menschen eine Demokratie­bildung bekommen und auch dagegen kämpfen werden, dass wir im Ranking weiter absinken? Wie können wir es gemeinsam erreichen und welche Anstrengungen kann auch diese Bundesregierung setzen, damit wir wieder in das Ranking einer liberalen Demokratie kommen?

Wir freuen uns auf Ihre Beantwortung. Es ist nichts Leichtfertiges, es ist ein wichtiges Thema: Es geht um nichts weniger als um unsere Demokratie, um die wir gemeinsam kämpfen sollten. Ich hoffe auf eine umfassende und zukunftsgerichtete Beantwortung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.11



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 125

Vizepräsident Günther Novak: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


16.11.19

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg darf ich noch einmal betonen, dass unser Bundeskanzler Karl Nehammer, der sich für heute ent­schuldigt hat, beim heutigen Nato-Gipfel in Madrid vertreten ist und unser Land dort ordentlich vertritt. (Bundesrat Steiner: Das ist nicht der Nato-Gipfel, aber es ist wurscht! Der Nato-Gipfel war gestern! ... befreundete Länder!) Gemäß Art. 73 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz werde ich daher in seiner Vertretung das Verlangen auf Be­sprechung der Anfragebeantwortung im Bundesrat wahrnehmen.

Nun zur konkreten Anfragebeantwortung durch den Bundeskanzler zur Anfrage 4006/J-BR/2022 betreffend „Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie“, die von der Frau Bundesrätin schon eingeleitet wurde, darf ich eingangs ausführen, dass die zuständige Verfassungsministerin die idente Anfrage – bis auf eine Frage, auf die ich nachher noch eingehen werde –, die auch an sie ergangen ist, bereits ausführlich beantwortet hat. (Bundesrätin Schumann: Nein, hat sie nicht, nein! – Bundesrätin Grimling: Nein, hat sie nicht! – Bundesrätin Hahn: Was verstehen Sie unter ausführlich?) In der Beantwortung des Bundeskanzlers wurde daher auch auf die erwähnte Beantwortung durch die Verfassungsministerin verwiesen.

Die Fragen, werte Frau Schumann, die in Ihrer Anfrage gestellt wurden, fallen in die Zuständigkeit der Verfassungsministerin Edtstadler und nicht in jene des Bundeskanz­lers. Dem Bundeskanzler kommt für diese Angelegenheiten auch kein Weisungsrecht zu. Die Bundesministerin ist für die Beantwortung der Fragen in ihrem Zuständigkeits­bereich alleinig verantwortlich. Der Bundeskanzler kann keine Anfragen beantworten, die in den Vollzugsbereich eines anderen Ministers fallen.

Zur vorher erwähnten Frage 2 Ihrer Anfrage, die das Thema betrifft, ob der Bundes­kanzler die Tagesordnung des Ministerrates aufgrund dieser Studie hat ändern lassen: Nein, der Bundeskanzler hat den Bericht nicht auf die Tagesordnung setzen lassen, da dies von der dafür zuständigen Fachministerin für EU und Verfassung in die Wege geleitet werden müsste. Zusammengefasst darf ich deshalb noch einmal betonen: Die heute vorliegenden Fragen wurden von der zuständigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler am 22. Juni sehr ausführlich beantwortet. Da die Fragen nicht in die Zustän­digkeit des Bundeskanzlers fallen, dürfen sie auch nicht durch die Vertretung beant­wortet werden. (Heiterkeit bei Bundesrätinnen der SPÖ.) Dies gesagt, werde ich jetzt gerne politisch auf die Debatte eingehen und das Thema gerne auch mitbehandeln.

Der jährlich vom schwedischen V-Dem Institute im März veröffentlichte Democracy Report bewertet anhand verschiedenster Indikatoren das Level der Demokratien in den unterschiedlichsten Ländern der Welt. Im Bericht wurde Österreich, wie Sie richtiger­weise angeführt haben, im Ranking heruntergestuft. Ausschlaggebend dafür waren Wahrnehmungen und Veränderungen der Berechenbarkeit und der Vorhersehbarkeiten von Gesetzen.

Die vergangenen beiden Jahre waren insbesondere für die Gesetzgeber – egal, ob im Nationalrat oder im Bundesrat – in einer noch nie dagewesenen Art und Weise irrsinnig schwierig und herausfordernd. Zahlreiche Entscheidungen im Kampf gegen das Corona­virus mussten schnell getroffen werden. Nicht immer konnten da beispielsweise Begut­achtungsfristen in ihrer gewohnten Art und Weise durchgeführt werden. (Bundesrätin Hahn: Ja, das betrifft aber auch andere Dinge, wo der Stress nicht gegeben war!) Ich möchte trotzdem auch betonen, dass mittlerweile die Begutachtungsverfahren außer­halb der Covid-Pandemie wieder in gewohnter Manier ausreichend lange stattfinden.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 126

Diese Umstände spiegeln sich in der Bewertung Österreichs im genannten Democracy Report wider. Dieser bezieht sich auf das Jahr 2021.

Dieser Report ist aber bei Weitem nicht der einzige Indikator, die einzige Studie, die einzige Grundlage, auf Basis derer die Demokratie in Österreich zu bewerten ist. Auch der renommierte Democracy Index 2021 des „Economist“ beschreibt die Pandemie als weltweit größte Belastung für die demokratische Freiheit. (Bundesrätin Grimling: Aber die Pandemie hat nicht bei der österreichischen Grenze aufgehört!) Laut diesem Ranking leben lediglich 6,4 Prozent der Weltbevölkerung in vollständigen Demokratien. 45,7 Pro­zent leben bloß in Formen von Demokratien. Wir in Österreich befinden uns hier in der höchsten Kategorie, in einer vollständigen Demokratie.

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind aber definitiv keine Selbstläufer. Das sehen wir einerseits anhand dieser wissenschaftlichen Berichte und Rankings, aber andererseits sehen wir das auch ganz klar mit einem Blick in die Welt. Während der Coronapandemie haben zahlreiche Menschen ein Ende der Demokratie in europäischen Ländern herbei­beschworen. Wohlgemerkt wurde das meist nur auf Demonstrationen herbeibeschwo­ren. Diese Demonstrationen waren sogar während der Coronapandemie durch die Meinungsfreiheit, eines der höchsten Güter der Demokratie, geschützt.

Über die Hälfte der Weltbevölkerung hat nicht das Privileg, in einer Demokratie zu leben oder in einer Demokratie auch aufzuwachsen. Demokratische Werte stehen gerade in Wochen und Monaten wie diesen durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine auf dem Spiel. (Bundesrat Steiner: Wir müssen der ÖVP dankbar sein, dass man was sagen darf!) In einer Demokratie zu leben ist absolut keine Selbstverständlichkeit. Selbst­verständlich ist Demokratie nie als fertiger oder gar als abgeschlossener Prozess zu verstehen, denn wir alle – egal ob Abgeordnete, Regierungsmitglieder oder politische Parteien – müssen Tag für Tag daran arbeiten, dass das demokratische Verständnis hochgehalten wird und das Bewusstsein gerade an die nächsten Generationen auch weitergegeben wird. (Bundesrätin Grimling: Das sieht man, wie man mit uns umgeht!)

(In Richtung Bundesrätin Schumann:) Sie, Frau Bundesrätin, haben in Ihrer Anfrage ganz konkret gefragt, „welche Schritte“ die Bundesregierung setzt, um die Demokratie im Land zu stärken. (Bundesrätin Grimling: Aber das kann er nicht beantworten!) Ins­besondere im Aufgabenbereich der Verfassungsministerin und auch der Justizministerin sind das die Reform der Parteienfinanzierung, das Informationsfreiheitsgesetz oder auch die geplante Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft.

In meiner Funktion als Jugendstaatssekretärin möchte ich abschließend auch noch auf einige Punkte eingehen. Sie haben die spezifische Frage nach gezielten „Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie“ im Bildungsbereich gestellt. Demokratiebildung in Schulen wie auch die Partizipation Jugendlicher an demokratischen Prozessen müssen in unser aller Interesse sein. Österreich ist neben Malta das einzige europäische Land, in dem junge Menschen bereits ab 16 Jahren wählen dürfen. Dieses Privileg für junge Men­schen, mitzuentscheiden, feiert im heurigen Jahr 2022 sein 15-jähriges Bestehen. Lang­zeitstudien seit diesen 15 Jahren zeigen auch ganz deutlich, dass das Interesse junger Menschen an Politik seit 2007 stark zugenommen hat. Das ist ein absolut positiver Trend und genau daran knüpfen wir als Bundesregierung auch an.

Zur Stärkung der Demokratiebildung, ganz explizit in Schulen und unter jungen Men­schen, wurde erst kürzlich im Nationalrat ein überparteilicher Entschließungsantrag ein­gebracht, der ganz viele Maßnahmen zur Stärkung der Demokratiebildung beinhaltet – darunter beispielsweise die Schaffung von fächerübergreifenden Schwerpunkten zu politischer Bildung und auch zur Medienbildung in den neuen Lehrplänen, die ja aktuell überarbeitet werden, dann die Stärkung und den Ausbau der Jugend- und Schüler­parlamente für mehr Jugendpartizipation, insbesondere auch auf lokaler Ebene, die


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 127

Aufbereitung von Materialien für Schulen sowie Lerninhalte für die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit.

Wollen wir die Demokratie in unserem Land nachhaltig stärken, dann müssen wir ganz einfach auch bei den nächsten Generationen ansetzen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.18


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Staatssekretärin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.


16.18.54

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Das, was Sie da jetzt gemacht haben, war eine knappe Geschichte.

Wie geht es dem Kanzler? Wir sorgen uns. Seit zwei Monaten haben wir ihn im Par­lament nirgendwo mehr gesehen. Ich hoffe, Sie richten ihm Grüße aus. Er kann ja über eine Aktuelle Stunde vielleicht das Thema bestimmen, über das er mit uns reden kann, wenn er die anderen Themen nicht unbedingt beantworten möchte. (Bundesrat Steiner: Da kommt auch die Vertretung! Für das hat’s ja ein Staatssekretariat gebraucht!)

Nun, gehen wir einmal formal vor: Formal wäre der Kanzler zuständig, er hat nur die Zuständigkeit an die Verfassungsministerin abgetreten. (Bundesrat Bader: Aber nicht wegen eurer Anfrage!) – Ja! (Bundesrat Bader: Nicht wegen eurer Anfrage!) Diese Anfrage hat er an die Ministerin abgetreten, damit sie sie beantwortet.

Eigentlich ist ein Kanzler in erster Linie, weil er ja der Chef der stärksten Partei ist, für den Zustand einer Demokratie verantwortlich (Beifall bei der SPÖ), und darüber sollte er sich mindestens täglich Gedanken machen: Wie schaut die Situation aus und wie schaut das Vertrauen in die Politik in unserem Lande aus?

Sie haben wortreich gesagt, wie großartig und umfangreich die Beantwortung der Ver­fassungsministerin war. Die Verfassungsministerin ist also da relativ schnell ausge­wichen, und zwar ist sie auf die Untersuchung der Europäischen Kommission ausge­wichen: was die Europäische Kommission da alles macht, der Rechtsstaatlich­keits­begriff. Da ist sie tatsächlich ausführlich geworden. Was aber den „Democracy Report“ betrifft – was ja das Bedenkliche ist –, da ist nicht viel da. Im Ernst, das sind vielleicht eineinhalb Absätze, aber dann ist man schon, noch bevor der zweite Absatz zu Ende ist, bei der Europäischen Kommission, und dann geht es Absatz um Absatz um die Euro­päische Kommission und den Rechtsstaatlichkeitsbericht der Kommission. – Sorry, das war nicht gefragt! (Bundesrätin Hahn: Themenverfehlung!)

Es geht darum, dass ein Bericht vom renommierten V-Dem Institute vorliegt, und wir haben uns erlaubt, elf Fragen – zugegeben mit einigen Unterpunkten – zu stellen. Es ist auch sehr ausführlich in den Medien berichtet worden, was das bedeutet, was das heißt: Den Ruf einer liberalen Demokratie zu verlieren und auf eine Wahldemokratie down­gegradet zu werden ist nämlich hart. Während man auf der anderen Seite sieht, dass zwei Staaten von einer Wahlautokratie zu einer Wahldemokratie upgegradet wurden, gibt es vier Länder, die dort downgegradet wurden.

Da nutzt es gar nichts, wenn man jetzt schreibt, was in der Kommission und so weiter alles los ist, sondern wir haben ganz klar an drei Mitglieder der Bundesregierung Fragen gestellt: an den Chef, an den Vizechef und an die Verfassungsministerin. Wir haben da eine Antwort der Verfassungsministerin, die über zwei Drittel etwas anderes behandelt als die Frage.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 128

Der Herr Vizekanzler – gut, das gebe ich zu, das klingt auch eher nach Scherz – beant­wortet zwar zwei Fragen, aber er schreibt überall, er ist überhaupt nicht zuständig. Er hätte zwei Sätze mehr machen können, um vielleicht seine Sorge zum Ausdruck zu bringen. Denn als eine Wahldemokratie – europäisch oder international – hingestellt zu werden, ist für ein Land, das auf seine Demokratie stolz ist, wirklich nicht ruhmreich. Da könnte auch ein Herr Vizekanzler etwas dazu sagen.

Oder er hat einfach so viel Disziplin gegenüber seinem Regierungspartner  der ja mit Korruption und anderen Dingen dermaßen beschäftigt ist, dass unter Umständen bei der Bevölkerung, die da befragt wurde, genau dieser Eindruck, nämlich Korruption, entstan­den ist: Korruption (Ruf bei der ÖVP: Korruptionsvorwürfe, nicht Korruption!), dann zig – ich weiß nicht, 26 – Spitzenfunktionäre, die sich mit Anklagen herumschlagen müssen, ein ehemaliger Verfassungsrichter, der zurücktreten musste, der aber kurzfristig sogar die Regierung geführt hat, und, und, und.

Das sind also schon alles Dinge, von denen die Menschen den Eindruck haben: Irgend­etwas stimmt da nicht! – Wenn etwas nicht stimmt, dann kann man sich als parlamen­tarische Versammlung zumindest erwarten, dass der Regierungschef, und wenn es nur 15 Sätze sind, etwas schreibt. Wir hoffen also sehr, dass es ihm gut geht. Wir hoffen sehr, dass er vielleicht über den Umweg einer Aktuellen Stunde, in der er das Thema bestimmen kann, wieder im Parlament – entweder im Nationalrat oder im Bundesrat – auftaucht.

Wie wir gestern von der tschechischen Delegation erfahren haben, ist der dortige Pre­mierminister auch seit zwei Monaten nicht im Parlament gesehen worden. Wir – Kollege Buchmann und ich – haben dann gefragt: Was mögen denn da die Gründe sein? – Die beiden Herrschaften haben gemeint: Vielleicht bereitet er sich auf die Präsidentschafts­wahl vor. – Ich würde das bei Karl Nehammer jetzt einmal ausschließen, dass er die zwei Monate Abstand vom Parlament für die Präsidentschaftswahl nützt.

Trotzdem darf man als Volksvertretung überrascht sein, dass der Kanzler weder zum Antiteuerungspaket noch zu einer Dringlichen Anfrage noch zu einer Anfrage­be­sprechung Zeit hat, und so nebenbei – als PS – frage ich mich, was der Kanzler eines neutralen Landes am Rande eines Nato-Gipfels zu suchen hat. Erdoğan kann er auch direkt treffen, da muss er nicht zu einem Nato-Gipfel fahren. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

In diesem Sinne: Liebe Frau Staatssekretärin, Sie verstehen, dass wir mit Ihrer Antwort nicht zufrieden sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.26


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm das Wort.


16.26.29

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Nun, dass Bundesrat Schennach von der SPÖ die Abwesenheit des Bundeskanzlers beklagt, ist nicht weiter überraschend und ist jetzt natürlich auch nicht illegitim. Tat­sächlich ist der Regierungschef ein relevantes Mitglied (Heiterkeit des Redners), das wichtigste Mitglied dieser Regierung. (Bundesrätin Grimling: Aber!) In Zeiten wie diesen aber nicht zu verstehen, warum der Bundeskanzler am Rande eines Nato-Gipfels in der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Lage für Europa, in dem ja letztendlich auch Österreich liegt, dabei ist und sich mit anderen Regierungschefs austauscht, ist für mich schlicht nicht nachvollziehbar. Für diese Prioritätensetzung des Bundeskanzlers – in


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 129

Madrid zu sein – dürfte man eigentlich meiner Auffassung nach von einer staats­tragen­den Partei wie der Sozialdemokratie Verständnis erwarten.

Zum Gegenstand selber: Ich glaube, es ist üblich, dass man über den Zustand der Demokratie in einem Land unterschiedliche Meinungen hat. Man hat auch immer unter­schiedliche Meinungen über die Qualität der Regierung, und obwohl alle Experten sind, hat halt jeder Experte von einer anderen Partei eine andere Meinung. (Bundesrätin Schumann: Wir haben die Studie nicht geschrieben!) So ist es natürlich auch bei Meinungsbildungen so, dass man zu einem Meinungsbild kommt, je nach Fragestellung und je nachdem, wen man befragt.

Nun hat es da von einem renommierten Institut eine Befragung gegeben, in deren Rahmen über 3 000 Experten zu unterschiedlichen Themenbereichen befragt worden sind und das bekannte Ergebnis herausgekommen ist, was also einiges an Aufregung ausgelöst hat. (Bundesrätin Schumann: Jetzt wird die Studie angezweifelt ...! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.) Mich hat heute mein Kollege Florian Krumböck auf einen Artikel in der „Wiener Zeitung“ aufmerksam gemacht, den ich sehr interessant gefunden habe – ich glaube, ich habe ihn (ein Schriftstück aus der Innentasche des Sakkos ziehend) irgendwo dabei. Das ist ein Gastkommentar, verfasst von einem gewissen Assistenzprofessor Laurenz Ennser-Jedenastik.

Dieser Assistenzprofessor schreibt über die Befragung, die also von diesem Institut durchgeführt worden ist, durchaus mit einer gewissen authentischen Kompetenz, weil er selber einer dieser 3 000 Experten ist, die da befragt worden sind.

Er ist nicht zu dem Thema Demokratie befragt worden, er ist zu anderen Themen­be­reichen befragt worden. Er führt also in diesem Artikel – Sie können ihn ja eh ohnehin alle selber nachlesen – aus, wie es da zu diesen Indikatoren kommt. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Da war es so, dass früher für diese Befragung für dieses Teilsegment – also da geht es um das Thema transparente Gesetze mit berechenbarem Vollzug – in Österreich unge­fähr acht bis zehn Personen befragt worden sind. (Bundesrätin Grimling: Aber zu der Studie haben wir ja jetzt nicht gefragt! – Bundesrätin Schumann: Ja, die muss jetzt schlechtgeredet werden, die Studie, nicht? – Bundesrätin Grimling: Ach so!) Ich glaube, das kennen Sie alle oder kennt ihr alle von so einer Befragung, was man bei so einer Meinungsbefragung macht (Bundesrätin Hahn: Wie war das dann bei der Beinschab-Studie? ... qualitativ natürlich ...! – Bundesrätin Schumann: Nein, es geht jetzt darum, die Studie schlechtzureden, ganz einfach ist das!), wo es quasi einen Wert von null gibt mit: Ist überhaupt nicht existent!, und einen Wert mit vier: Ist sehr stark ausgeprägt! – Also: null – ganz schlecht, vier – hurra, hurra! (Bundesrätin Schumann: Genau, jetzt tun wir schönreden! – Bundesrätin Grimling: Anstatt dass man sagt, wir machen uns Sorgen über den Zustand! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Er schreibt, dass da über die Jahre fünf von diesen Experten sowieso immer die Höchst­note gegeben haben und dass die Schwankungen – dass dann manche statt einem Vierer einen Dreier gegeben haben – auch nicht damit zusammengehangen sind, dass da ein Experte seine Meinung geändert hat, sondern eher, dass neue Experten dazugekommen sind, die dann fürs Erste einmal kritischer waren. Die haben halt dann bei einem Dreier statt bei einem Vierer angekreuzt. (Bundesrätin Hahn: Ist ja auch nicht illegitim, oder?)

Über die Jahre sind es dann immer weniger Experten geworden und im Jahr 2021 sind in diesem Segment zwei Experten befragt worden. Das heißt, es sind zwei Experten zu einem Teilsegment befragt worden, und bei einer Meinungsbefragung, bei der man zwischen null und vier angekreuzt hat, hat vermutlich einer von den beiden oder haben möglicherweise sogar beide, das weiß ich nicht, statt einen Vierer einen Dreier angekreuzt.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 130

(Bundesrätin Schumann: Ein Irrtum! Ein Irrtum! – Bundesrätin Grimling: Das ist aber jetzt eine Interpretation Ihrerseits!)

So, und wenn jetzt bei einem Teilsegment bei einer Meinungsbefragung, in der man viele, viele Sachen ankreuzt, zwei Österreicher statt eines Vierers einen Dreier ankreu­zen – oder vielleicht auch nur einer statt eines Vierers einen Dreier ankreuzt –, dann schlägt natürlich das Ganze im System sofort um – dass man nicht mehr diese liberale Demokratie ist. (Bundesrätin Schumann: Eine üble Studie ist das, na schau einer an!)

Das Ganze ist dann eine Riesenbefragung, das Ganze ist von der Universität Göteborg, und es scheppert die ganze Erde, obwohl tatsächlich nur zwei Personen die Grund­menge - - (Bundesrätin Schumann: Na geh, so eine Studie! Also wirklich! – Bundesrätin Grimling: Wer hat die Studie in Auftrag gegeben? – Bundesrätin Hahn: Das war natürlich ... qualitativ ...!) – Das ist für Sie irrelevant? Das ist irrelevant? (Bundesrätin Schumann: Also Sie reden jetzt das Institut schlecht und die Studie!) Also ich finde das eigentlich, muss ich sagen, eine sachlich sehr relevante Information (Bundesrätin Schumann: Jetzt reden wir das Institut schlecht und die Studie! Ja, genau! Wissenschaft schlechtreden, nicht?), denn bei einer Meinungsumfrage für die empirische Sozialfor­schung können Sie dann gleich hergehen und mit der Einzelstichprobe beginnen, nicht?

Schumann befragt Schumann (in die Hände klatschend): super, Meinungsumfrage abgeschlossen! (Bundesrätin Schumann: Genau! Wissenschaft schlechtreden, das ist eine gute Idee, großartig!) – Schumann befragt auch Nachbarin: ist schon mehr, weil es schon zwei sind. Damit wären Sie schon ungefähr bei dieser Stichprobe, die da also durchgeführt wurde. (Bundesrätin Schumann: Ah geh! Na geh! – Bundesrätin Grimling: Warum wird die Studie jetzt schlechtgeredet? Die Studie wird schlechtgeredet! – Bundesrätin Schumann: Jetzt sind wir noch einmal wissenschaftsfeindlich – gratuliere, ÖVP, ihr seid top! – Bundesrat Schennach: Weil es so ÖVP ist! – Bundesrätin Grimling: Weil es ÖVP ist! – Bundesrätin Schumann: Weil es ÖVP ist, ja!)

Jetzt muss ich ganz ehrlich sagen: Ich weiß nicht, warum Sie das nicht hören wollen. Ich meine jetzt ehrlich: Sie stellen hier eine Anfrage, Sie wollen hier im parlamentarischen Raum etwas debattieren. (Bundesrätin Schumann: Die Studie ist schlecht! – Bundesrat Krumböck: Die Studie hat methodische Schwächen, nix anderes ...!)

Frau Fraktionsvorsitzende und künftige Präsidentin! Wenn Sie einen Zwischenruf machen wollen: Bitte, machen Sie einen Zwischenruf, aber reden Sie nicht immer parallel dazu! (Bundesrätin Schumann: Wieso?) Wollen Sie mir etwas sagen? Dann gebe ich Ihnen gerne eine Antwort. – Bitte, gibt es einen Zwischenruf? (Bundesrätin Hahn: Seit wann ist das verboten? – Bundesrätin Grimling: Seit wann ist das verboten? Nur weil das Sie stört? ... Das macht ihr nie?) – Es ist überhaupt nichts verboten, aber es ist einfach störender für den Redner (Bundesrätin Grimling: Ja! ... Müssen wir aber alle durch! Müssen wir alle durchhalten!), die ganze Zeit eine Parallelmusik zu veranstalten, als einfach eine konkrete Zwischenfrage zu stellen. Sie wollen einfach den Redner stören und machen die ganze Zeit Zwischenmusik, anstatt einfach eine Frage zu stellen oder einen Zwischenruf zu machen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie auch immer, ich stelle fest: Es ist Ihnen die Demokratie unwahrscheinlich wichtig. Es ist Ihnen so wichtig, dass Sie hier eine Anfrage stellen. (Bundesrätin Hahn: Richtig! Richtig!) Sie wollen, dass der Herr Bundeskanzler nicht in Madrid, sondern hier im Parlament ist, aber Sie wollen nicht wissen, wie diese Umfrage zustande gekommen ist. (Bundesrätin Grimling: Nicht von Ihnen, sondern vom Herrn Bundeskanzler! ... Das kann uns ja der Herr Bundeskanzler sagen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das interessiert Sie nicht, denn wenn das nicht das ist, was Sie hören wollen, dann soll es nicht sein. Das ist ein sehr, sehr seltsames Verständnis. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 131

Dann frage ich Sie ehrlich auch zur Medienfreiheit: Die Medienfreiheit in Österreich ist (Bundesrätin Steiner-Wieser: So, wie es die ÖVP bestimmt!) eingeschränkt. Sie machen sich um die Medienfreiheit große Sorgen, ja? (Bundesrat Schennach: Ja!) Und wir, die wir hier sind, würde ich einmal sagen, sind alle so weit Profis, um zu wissen, dass schon jede Partei einmal besser und einmal schlechter in den Umfragen und so weiter beisammen war und wir zum Beispiel auch schon bessere Zeiten hatten. Ich hätte also diese Tonalität, dass die Medien so gelenkt sind und die ÖVP so hypen und so weiter verstanden, wenn es vielleicht vor einem Jahr oder vor eineinhalb Jahren gewesen wäre, aber gerade diese Kritik, die Sie ja so wichtig finden, haben alle Medien übernommen. „Österreich“ hat geschrieben (Bundesrätin Hahn: Ha, Qualitätsmedium!), Österreich sei nur mehr minimal demokratisch. (Bundesrätin Grimling: Das ist die beste Zeitung, die man nennen kann!) „Der Standard“ hat aufgrund dieser Zweierumfrage von einer zweit­klassigen Demokratie gesprochen. – Daher muss man schon sagen: Ich weiß jetzt nicht, welche Medien Sie da eigentlich kritisieren wollen, von denen Sie meinen, dass diese Freiheit eingeschränkt ist.

Ich möchte daher aufsummieren, indem ich sage: In der Debatte, die hier geführt wird, kann jeder von uns mit Recht eine eigene Meinung haben und die inhaltlichen Bereiche, die Sie ansprechen, sind alle - - (Bundesrätin Grimling – erheitert –: Danke, großzügig heute! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, irgendwie war es schon einmal lustiger. Es ist echt unglaublich, aber ist ja egal. (Heiterkeit des Redners. – Bundesrätin Hahn: Wir haben ein Interpellationsrecht und wir wollen davon ausgehen, dass unsere Anfragen beantwortet werden, das ist alles! Sollte sich auch bis zur ÖVP herumgesprochen haben!) Die Zweierstichprobe ist also das Maß aller Dinge und etwas anderes wollen wir nicht hören. Ich nehme das zur Kenntnis.

Ich will nur sagen: Wir müssen aufgrund dieser Umfrage nicht beunruhigt sein, dass die demokratischen Verhältnisse in Österreich aus den Bahnen brechen. Wir können und wir sollen jederzeit immer die Debatte darüber führen, wie wir im Wettbewerb mit­einander noch fairer, noch demokratischer, mit einer noch besseren Streitkultur, mit noch unabhängigeren Medien miteinander umgehen können. Ich bin aber überzeugt davon, dass mir jeder empirische Sozialforscher recht geben wird, dass eine Zweierstichprobe keine wirklich breite Basis ist. (Beifall bei der ÖVP.)

16.37


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Christoph Steiner. – Bitte.


16.38.01

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsidentin! Jetzt muss ich nur schnell meinen Saustall ordnen. (Der Redner ordnet seine auf dem Rednerpult liegenden Unterlagen.) – So, ja: Die ÖVP und die Demokratie ist bekanntlich ein schwieriges Thema. Seit die Grünen in der Regierung sind, ist das Thema mit der Demokratie nicht einfacher geworden, das wissen wir nun.

Wenn man das jetzt vielleicht ein bisschen von unten aufrollen will und ein bisschen auch in ÖVP-geführte Gemeinden, in ÖVP-geführte Länder schaut, dann sieht man, es wird noch schwieriger mit der Demokratie, denn da wollen die ÖVP-Funktionäre – je weiter es hinuntergeht – umso weniger von der Demokratie wissen. Ich glaube, es gibt hier herinnen nicht viele, die mir da dagegenreden können, wie schnell in einer Gemeinde mit ÖVP-Bürgermeistern – der SPÖ wird es auch oft passieren – über die Leute, über die Gemeinderäte drübergefahren wird, dass es nur so raschelt im Gebälk.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 132

Aber das ist halt die ÖVP. Mit dem haben wir gelernt umzugehen, da haben sich in Gemeinden Bürgerbewegungen gebildet, die dann dagegen aufstehen – und, und, und. Das ist dann aber auch Demokratie, und wenn vorhin dann von – ich weiß jetzt nicht mehr, wer das war – ÖVP oder SPÖ zu hören war: Ja, und die Meinungen gehen so weit auseinander und das ist dann oft ein Problem! – Nein, eben das ist kein Problem, auch das ist Demokratie: wenn ganz, ganz viele verschiedene Meinungen einen Platz kriegen, um sie kundzutun, und das ist halt einmal das Parlament, das ist der Gemeinderat, das ist der Landtag, das ist das Wirtschaftsparlament, das ist – ein bisschen weniger – das EU-Parlament, aber das ist dann Demokratie, in der wir alle leben.

Wenn Kollege Himmer von der ÖVP dann herausgeht und an dem Bericht, den es da gegeben hat, kritisiert, dass es quasi die falschen Experten waren (Bundesrat Bader: Nein, nicht die Falschen! – Ruf bei der ÖVP: Zu wenige!), dann darf ich bitte nur daran erinnern, mit welchen Experten diese Regierung zweieinhalb Jahre lang die Corona­geschichte gemacht hat, was das für Experten waren. Also mit der ÖVP berate ich mich zumindest nicht mehr über Experten, denn das waren Chaoten und keine Experten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind also ganz weit weg davon, dass ein ÖVPler irgendwelche Experten bewertet. Das liegt uns fern, aber natürlich, wenn es nicht in euren Kram passt, dann sind es plötzlich keine Experten mehr, dann waren es zu wenige, dann waren es die falschen, die haben sich zu wenig damit befasst, das ist dann nicht empirisch und dann wischen wir das einfach so weg.

Liebe ÖVP, das ist aber nicht Demokratie. Man kann nicht immer nur – das geht in Österreich, ja – jene Experten aussuchen, die eh das sagen, was man hören will. Das geht halt dann nicht mehr, wenn wir plötzlich einen internationalen Bericht kriegen. Der war halt international und das waren halt über 3 700 Experten, es hilft nichts. Das waren 3 700 Experten, von denen jeder Einzelne wahrscheinlich zehnmal mehr Experte war als die Regierungsexperten in der Coronazeit – denn das waren ja auch noch Tierärzte. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Da hättest du aber die EU-Reform auch ...! Du hast ja bei der EU-Reform nicht so ...!)

Gut, dann hat sich Kollege Schennach darüber beschwert, dass man den Kanzler nicht mehr sieht. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wasser predigen und Wein trinken!) Ich kann mich noch daran erinnern – ich weiß gar nicht, bei welcher Regierungsumbildung die Frau Staatssekretärin zur Staatssekretärin wurde –, als ich bei der Regierungserklärung gesagt habe: Ja, Herr Kanzler, das wird es jetzt gewesen sein, auf Wiederschauen, wir werden Sie nicht mehr sehen. – Und genau so ist es gewesen. Ja, logisch, das Staats­sekretariat wurde dafür geschaffen – der Ressortname Jugend ist ja nur ein Mascherl, damit man etwas drauf hat, weil es passiert ja nichts –, damit die Frau Staatssekretärin den Kanzler im Parlament vertritt, sodass er sich hier herinnen vor dem gewählten Natio­nalrat oder vor dem Bundesrat nie für das, was er da aufführt, rechtfertigen muss. Deswegen haben wir dieses Staatssekretariat. (Beifall bei der FPÖ.)

Als ich mir dann die Anfragebeantwortung, um die es eigentlich geht, angeschaut habe – ich habe sie erst heute durchgeschaut, als ich gesehen habe, dass die SPÖ sie im Plenum diskutieren will –, habe ich mir schon gedacht: Zu Recht wollt ihr diese Anfrage­beantwortung! Bisher hat noch keiner die Fragen und die Antworten, zumindest in Stichworten, vorgelesen. Ich mache das jetzt einmal, denn die Leute draußen sollen wissen, wie hier herinnen seitens des Kanzlers mit Fragen der Parlamentarier umge­gangen wird.

Da wird die Frage gestellt: „Waren Sie als Bundeskanzler vorab über die schlechtere Einstufung Österreichs im Democracy Report 2022 informiert?“ – Die Antwort: nichts. Ja


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 133

oder nein – was ist denn daran so schwer? Entweder war ich informiert oder ich war nicht informiert. Warum kann man das nicht beantworten?

Zweite Frage: .„Haben Sie als Bundeskanzler das Thema auf die Tagesordnung des Ministerrates setzen lassen [...]?“ – Keine Antwort – ja oder nein? Heute ging es dann auf einmal leicht: Ja, er hätte es ja gemacht, aber er war nicht zuständig, denn zuständig ist Frau Verfassungsministerin Edtstadler. – Anscheinend kennen sich die zwei nicht, denn wie sonst kann so etwas passieren? Entweder ich will es auf der Tagesordnung haben oder nicht – also: eine Katastrophe!

„Welche Schritte werden Sie konkret setzen, um Österreich wieder zu einer Einstufung als liberale Demokratie zu verhelfen [...]?“ – Keine Antwort (Bundesrätin Steiner-Wieser: Und das von einem Kanzler!), null, und das von einem Kanzler, der eine Staatssekretärin für Jugend hat, und obwohl man zuerst davon geredet hat, dass die Jugend für die Demokratie so wichtig ist. (In Richtung Staatssekretärin Plakolm:) Ja, Sie werden doch wohl zu Ihrem Kanzler gesagt haben: Bitte, Karli, da werden wir eine Antwort geben müssen, also gebe ich als Jugendstaatssekretärin die Antwort darauf, was wir mit der Jugend vorhaben, um Österreich wieder zur liberalen Demokratie zu verhelfen! – Null, auch heute nichts, kein Wort.

Das ist abgehoben und hat mit Demokratie genau gar nichts zu tun. Da haben die Kollegen von der linken Seite recht. Das ist ein massives Problem dieser Regierung. Sie sind ja selber als Abgeordnete hier herinnen gesessen. Natürlich haben Sie es sich als ÖVP-Abgeordnete gefallen lassen, das ist mir schon bewusst, aber Sie werden sich wohl damals auch oft einmal gedacht haben: Ich als Abgeordnete will es wissen, ich will Informationen haben! – Nur weil man ein bisschen aufgestiegen ist, kann man sich doch nicht hierhersetzen und das dann plötzlich so herunterkanzeln, die Fragen herunter­kanzeln, quasi: Ihr kennt euch nicht aus, ihr dürft so eine Frage nicht stellen. – Natürlich dürfen sie das!

Es gibt nämlich mittlerweile eine rechtliche Einschätzung und Sie werden sie wohl gelesen haben; es ist nämlich die rechtliche Einschätzung zur Dringlichen Anfrage von der Freiheitlichen Partei im Nationalrat vor Kurzem, wo der Herr Kanzler auch durch seine Staatssekretärin vertreten wurde, weil er da ja auch nicht mehr hingeht. Da haben Sie sich in einer Abgehobenheit hingestellt, also wirklich. Ich empfehle jedem Öster­reicher, das noch einmal in der Mediathek nachzuschauen, ich habe es heute gemacht. Es ist unglaublich, dass man als ehemalige Abgeordnete dann als Staatssekretärin von der Ministerbank aus die ehemaligen Abgeordnetenkollegen so abkanzelt. Das ist wirklich tiefste Schublade, das sage ich Ihnen, Frau Staatssekretärin. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist die Einschätzung vom Wissenschaftlichen Dienst im Parlament. Ich lese Ihnen jetzt nur zwei, drei Sachen vor, weil Sie mich so anschauen, als ob Sie das noch nie gesehen hätten. Wenn ich es habe, dann werden Sie es wohl auch haben.

Da geht es um das allgemeine Interpellationsrecht, auf das Sie sich heute berufen haben: Es ist ein „zentrales Instrument der Kontrolle der Vollziehung durch die Gesetz­gebungsorgane“ – (in Richtung Staatssekretärin Plakolm:) das verstehen wir hoffent­lich – und der Sinn davon ist, dass man „Kenntnis von der Tätigkeit der Bundesregierung [...]“ erlangt. Das heißt, wir alle hier herinnen, aber auch die Abgeordneten der Regie­rungsparteien hätten die verdammte Pflicht, solche Fragen zu stellen. Natürlich hättet ihr (in Richtung ÖVP) auch die Pflicht, euch zu informieren. Ich weiß schon, das macht ihr nicht gern, weil man dann wahrscheinlich auf noch mehr Skandale draufkommen würde. Dann steht da noch drinnen: Man kann es nur dann zulässig verweigern, „wenn die Unmöglichkeit der Beantwortung begründet wird“ oder wenn die Antwort tatsächlich


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 134

unmöglich ist. Das war bei einem Gros der Fragen aber nicht der Fall. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Es geht weiter: „In der parlamentarischen Praxis werden auch Fragen beantwortet, die sich nicht konkret auf ‚einen Gegenstand der Vollziehung‘ beziehen.“ – Ich habe jetzt deswegen so viele Zetteln mit, weil das ein relativ umfänglicher Bericht ist, und da ging es dann um die Fragen 1 bis 33. Dazu schreibt der Wissenschaftliche Dienst, der sich wohl besser auskennen wird als die Jugendstaatssekretärin: Hierbei handelt es sich um Fragen betreffend die Arbeit der Bundesregierung bzw. die Tätigkeit und Verant­wortlich­keit des Bundeskanzlers und somit um einen ‚Gegenstand der Vollziehung‘.“ – Natürlich hätten diese Fragen beantwortet werden müssen, logischerweise, aber diese abgeho­bene Bundesregierung steht ja über allem und denkt: Die minderen Abgeordneten brauchen nicht zu wissen, was wir alles Gutes tun und Perfektes machen. Dann entzieht man sich halt der Beantwortung – zu Unrecht, wie wir wissen, seit der Bericht da ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Es geht so weiter – zu den Fragen 5, 6, 8, 10, 14, 15 und 18: “Derartige legistische Maßnahmen sind nach der überwiegenden Meinung in der Literatur vom Vollziehungs­begriff [...] umfasst [...] und wären insofern“ – natürlich –„zu beantworten gewesen.“

Das heißt, eigentlich hätten Sie, wenn Sie Anstand gegenüber unserer Demokratie, unserem Parlamentarismus und vor allen Dingen gegenüber den Abgeordneten im Nationalrat gehabt hätten, von den über 40 Fragen alle bis auf zwei natürlich beant­worten müssen. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist halt eine Unart. Nennt man es so? – Ich weiß es ja nicht. Unart wird da wahr­scheinlich nicht ausreichen. In der Regierung ist es mittlerweile eingerissen, dass sich der Kanzler nicht mehr ums Parlament schert. Der heilige Sebastian hat das ja auch immer wieder versucht, aber der hat halt keine Staatssekretärin gehabt, die er schicken konnte. Er hat das Parlament aber auch nicht gemocht. Der 100-Prozent-Karli war ein bisschen gescheiter und hat sich gedacht: Ich setze mir die Staatssekretärin da hinein, denn dann betrifft mich das Parlament oder der eventuell lästige Bundesrat ohne Redezeitbeschränkung nur noch peripher. – Ja, das hat er jetzt natürlich geschafft.

Jetzt müssen Sie sich das halt antun, aber Sie haben sich ja dafür entschieden und Sie haben gewusst, was auf Sie zukommt und dass Sie nur noch als Vertretung fungieren werden.

Dann stellt sich halt wirklich die Frage, wie ernst es der ÖVP mit der Demokratie im Land ist. Ich gehe da jetzt gar nicht auf eure ganzen Skandale ein, es reicht nämlich, wenn man sich den Umgang dieser Partei mit den Medien anschaut: Hier kaufen wir uns diese Zeitung und da kaufen wir uns diese Zeitung. Hier inserieren wir ein paar Millionen Steuergelder, da inserieren wir ein paar Millionen Steuergelder. Der in Vorarlberg geht überhaupt keilen und droht, wenn man nicht im Parteiblatt inseriert. – So geht man in der ÖVP mit öffentlichen Geldern, den Medien und der Demokratie um. Das kennen wir ja.

Der Kanzler ist jetzt – ich habe dazu vorhin noch etwas gelesen – ja auf einem Nato-Gipfel, wie es die Frau Staatssekretärin gesagt hat. Na, Gott sei Dank ist er nicht auf dem Nato-Gipfel, weil wir kein Nato-Mitglied sind, sondern er ist am Rande des Nato-Gipfels und sitzt natürlich nicht mit den Nato-Ländern am Tisch. Gott sei Lob und Dank, denn wir sind neutral, Frau Staatssekretärin. Ich gebe da gerne Nachhilfe. (Beifall bei der FPÖ.)

Und es ist natürlich weitaus wichtiger, zum Rande eines Nato-Gipfels zu fahren, als hier herinnen Rede und Antwort zu stehen. Das verstehe ich schon, das ist weitaus wichtiger. (Bundesrat Buchmann: Das glaube ich auch!)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 135

Ja, Herr Kollege Buchmann sagt: Das glaube ich auch. – Schaut, das ist die ÖVP! (Bun­desrat Buchmann: Wenn es um Frieden in der Welt geht, wird das wohl wichtiger sein!) Herr Kollege Buchmann von der ÖVP, der Herr Landesrat außer Dienst – Sie können googeln, warum er Landesrat außer Dienst ist – sagt: Das glaube ich auch, dass das wichtiger ist, als dem Parlament von da, wo der Bundeskanzler herkommt, Rede und Antwort zu stehen. (Bundesrat Buchmann: Das hab ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, es ist wichtig, dass der Bundeskanzler hinfährt!) Das ist die ÖVP, wie sie leibt und lebt. Perfekt, Herr Buchmann, darauf hab ich jetzt gewartet. (Beifall bei der FPÖ.) Also unglaublich – unglaublich!

Jetzt grattelt er da irgendwo durch die Weltgeschichte, und dann trifft er noch Bürger­meister Klitschko. Ich bin mir aber nicht ganz sicher: Ist es dann der Bürgermeister? Ist es ein Hologramm? – Keine Ahnung. Wir wissen es nicht. Der Wiener Bürgermeister hat mit ich weiß nicht wem telefoniert, aber halt nicht mit Klitschko. Jetzt hoffen wir einmal auf das Gespür des außenpolitischen Dienstes, des diplomatischen Dienstes von Österreich, dass sie den Kanzler zum richtigen Klitschko schicken und nicht zu einem Hologramm. Schauen wir einmal und beurteilen wir dann nachher, ob er nicht doch besser im Bundesrat gestanden hätte, denn sonst wird es eh wieder noch peinlicher für den Kanzler der Fettnäpfchen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den Fragen, die da nicht beantwortet wurden, die auch heute nicht beantwortet wurden, und zu der kurzen Stellungnahme von Ihnen kann ich nur eines sagen. Es wird die Zeit kommen, Frau Staatssekretärin, wo Sie nicht mehr auf diesem Sessel sitzen, sondern die Rollen vielleicht vertauscht sind. Ich hoffe, dass Ihre Abgehobenheit dann nicht zu einem Bumerang verkommt. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

16.53


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Karl Bader zu Wort gemeldet. – Ich bitte.


16.53.36

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Steiner hat vom Rednerpult aus in seiner Büttenrede behauptet (Bundesrätin Steiner-Wieser: Bütten­rede?!), dass gemäß der Expertise des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes bis auf zwei Fragen alle Fragen dieser Dringlichen Anfrage, die gar nicht Gegenstand der heutigen Debatte ist, hätten beantwortet werden müssen. (Bundesrat Steiner: Richtig!)

Ich berichtige tatsächlich und lese – es hängt auch mit der Lesekompetenz zusammen – Seite 7 dieses Berichtes vor: Es sind die „Fragen 1, 2 und 33“, die nach Auffassung des Legislativdienstes – entgegen der Auffassung des Ministerratsdienstes – zu beantwor­ten gewesen wären. Es ist klar gesagt: Acht Fragen sind beantwortet worden, elf Fragen sind nicht Gegenstand der Vollziehung des Bundes, also überhaupt nicht Gegenstand der Vollziehung, elf sind Gegenstand der Vollziehung eines dafür zuständigen anderen Ministers und drei sind eben strittig. Das ist die Tatsache. Hier steht nämlich: „Fra­gen 1“ – Beistrich –„, 2 und 33“, und nicht: bis 33. (Bundesrat Steiner: Unten, letzter Absatz, Herr Kollege! Letzter Absatz! – Ruf bei der ÖVP: Da müsste man lesen kön­nen! – Bundesrat Steiner – in Richtung Vizepräsidentin Zwazl –: Ich habe einen Rede­beitrag!)

16.55


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Du meldest dich noch einmal? – (Bundesrat Steiner: Ja, hinten dran werde ich das korrigieren! Man muss halt das Untere auch lesen.) – Okay, gut.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 136

Ich begrüße unsere ehemalige Kollegin - - (Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesrat Bader –: Da muss man halt fertig lesen! – Bundesrat Bader: Du hast behauptet ...! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Ruhe!) – Also bitte, wenn eine Ruhe sagt, dann bin das ich von hier oben, gell! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.) Ich möchte schon, dass wir hier jetzt wieder Ordnung einkehren lassen.

Jetzt lasst mich endlich einmal unsere ehemalige Kollegin Rosa Ecker auf der Galerie recht herzlich begrüßen. Es freut mich sehr. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Marco Schreuder. – Bitte.


16.56.01

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verzeihen Sie vorab alle, dass ich nicht unbe­dingt große Lust verspüre, hier in Polemiken einzusteigen. Ich finde, gerade als Parla­mentarier sollte es uns Sorgen bereiten, wenn ein renommiertes Institut sagt, Österreich sei keine liberale Demokratie, sondern eine Wahldemokratie, und wir sollten darüber diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.) Ich finde es durchaus richtig, dass wir hier im Haus darüber diskutieren. (Bundesrätin Grimling: Da klatschen nicht einmal die eigenen Leute!)

Ja, selbstverständlich hatten wir in den letzten zweieinhalb Jahren eine außerge­wöhn­liche Situation. Man kann – im Übrigen berechtigterweise – darüber diskutieren. Wir alle haben die Sondersitzungen noch lebhaft in Erinnerung, in denen wir hier sehr, sehr lange gesessen sind und eine Saison Bundesrat mit so vielen Sitzungen wie noch nie in der gesamten Geschichte der Zweiten Republik stattfand. (Bundesrat Schennach: Fein war es!)

Es gab sehr, sehr viele Gesetze, die wir – das haben wir hier auch sehr oft bedauert, das möchte ich schon auch betonen – aufgrund der Notsituation verabschieden und – man kann im Nachhinein gescheiter sein – tatsächlich ohne Begutachtungen auf den Weg bringen mussten, nichtsdestotrotz möchte ich mein Hauptaugenmerk – weil dieses Thema so wichtig ist – eigentlich darauf legen, welche Möglichkeiten wir haben, welche Chancen wir haben, was uns bevorsteht, wo es noch hakt und wo wir alle zusam­men­helfen können und woran wir arbeiten können, damit wir wieder hinaufgestuft werden.

Eine ganz wichtige Sache für eine Demokratie – das möchte ich hier schon auch betonen – ist tatsächlich, dass Parteien oder Politiker und Politikerinnen nicht immer alles besser wissen, sondern dass sie auch zuhören müssen. Ich glaube, Zuhören ist ein ganz wesentlicher demokratischer Bestandteil. (Bundesrat Kovacs: Na dann, bitte anfangen!) – Herr Kollege Kovacs, eine der Maßnahmen, die zum Beispiel genau dafür gemacht wurden, war etwas, gegen das die Opposition gestimmt hat: es war die Errich­tung des Klimarates. Der Klimarat war tatsächlich eines genau jener Instrumente, bei denen man sagt: Wir wollen zuhören, und wir haben das institutionell geschaffen, damit wirklich einmal zugehört wird. – Das wurde übrigens abgelehnt, was ich nach wie vor bedauere. Das ist zum Beispiel eines der Instrumente, die für eine Demokratie ganz, ganz wesentlich sind.

Ich möchte hier – auch wenn es noch immer in Diskussion steht – doch auch die Werbe­trommel für das Informationsfreiheitsgesetz rühren, auch weil ich weiß, dass gerade in den Ländern darüber noch sehr, sehr viel diskutiert wird. Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein ganz wichtiger Beitrag für die Demokratie. Wir würden damit das Amtsgeheimnis abschaffen, und der Entwurf war ja bereits am 22. Februar 2021 in Begutachtung. Da möchte ich auch die Stadt Wien bitten, den Widerstand aufzugeben, einen Beitrag zu leisten, damit die Informationspflicht, zum Beispiel auch von öffentlichen Unternehmen, möglich ist. Auch das wäre ein Beitrag für mehr Demokratie, bei dem wir alle helfen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 137

können. (Bundesrat Kovacs: Wienbashing!) – Das ist kein Wienbashing, das ist einfach nur eine Bitte. Es geht hier um das Informationsfreiheitsgesetz, Herr Kollege Kovacs – geh, bitte! (Bundesrätin Schumann: Hauptsache, wir finden ein Beispiel aus Wien!) – Was hat das damit zu tun? Ich bitte Sie.

Das Parteiengesetz: Der Entwurf wurde am 27. April als Initiativantrag eingebracht. Da geht es um umfassende Rechnungshofkontrollen, um die Offenlegung des Vermögens und der Schulden der Parteien, um ganzjährige Spendentransparenz und um die Einfüh­rung eines Wahlwerbungsberichts. Derzeit gibt es noch keine Zweidrittelmehrheit. – Liebe SPÖ, wenn ihr mehr Demokratie wollt (Bundesrätin Schumann: Stärken wir den Rechnungshof! Unbedingt!), dann lade ich euch ganz herzlich ein, mit uns mitzugehen und eine Zweidrittelmehrheit für dieses Parteiengesetz zu schaffen, um eine Transpa­renz­offensive für diese Republik und für mehr Demokratie zu erreichen.

Wir haben auch ein Whistleblowergesetz in der Pipeline (Bundesrat Schennach: Ja, das wird Zeit, da sind wir nämlich im Rückstand!), eigentlich ein HinweisgeberInnen­schutz­gesetz, wie es in Wahrheit heißt. Da wollen wir interne und externe Stellen für den privaten und öffentlichen Sektor, Schutzmaßnahmen für Hinweisgeberinnen und Hin­weisgeber und gegen Vergeltungsmaßnahmen schaffen. (Bundesrat Schennach: Hätten wir aber schon längst machen können! – Bundesrat Obrecht: Wir sind säumig!) Das ist aktuell in Begutachtung, das ist auch ein ganz wichtiger Beitrag für die Demokratie. Ich will damit nur sagen: Es ist nicht so, dass nichts getan wird. (Bundesrat Schennach: Aber noch ist nix getan!)

Wir haben das Informationsweiterverwendungsgesetz – eine Novelle, die noch vor dem Sommer beschlossen werden soll. Wir haben noch vieles in der Pipeline: Wir wollen eine Bundesstaatsanwaltschaft einrichten – dazu gibt es noch viele Diskussionen, dessen sind wir uns bewusst, aber auch das ist übrigens Teil einer Demokratie: dass man lange diskutieren muss –, wir haben eine Reform der Medienförderung vor und wir haben Verschärfungen des Korruptionsstrafrechts vor. Es wird viel getan.

Wenn wir als parlamentarische Parteien zusammenarbeiten, dann schaffen wir es auch, dass wir wieder eine liberale Demokratie werden. Ich für meinen Teil und wir als grüne Fraktion sind mehr als bereit dafür. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

17.02


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Ich bitte.


17.02.24

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist tatsächlich rich­tig – wie Kollege Himmer und Kollege Krumböck aus dem Artikel, dem Gastkommentar von Laurenz Ennser-Jedenastik, wie er wirklich heißt, zitiert haben –, dass diese spezifische Herabstufung zu einer Wahldemokratie methodische Mängel aufweist und man tatsächlich allein aus dieser Studie den Befund nicht schlüssig ziehen kann.

Gleichzeitig ist das natürlich nicht die einzige Untersuchung, die den Zustand der Demokratie in Österreich beschreibt. Es gibt auch andere, es gibt Antikorruptionsindizes, wobei man jetzt wieder sagen kann: Die betreffen ja nur die Wahrnehmung der Korrup­tion, weil man Korruption selber schwierig an Indikatoren messen kann, aber gerade bei Korruption und gerade beim Niveau der Demokratie in einem Land kommt es auch darauf an, wie hoch das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen ist und wie bereits die Wahrnehmung von Korruption – selbst vermutete Korruption – wahr­genommen wird. Da zeigt sich leider, dass Österreich bestenfalls im europäischen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 138

Mittelfeld zu finden ist und unser Land oft Nachzügler bei den Antikorruptionsmaß­nahmen ist. (Bundesrat Schennach: Richtig!)

Korruption – selbst, wenn sie nur vermutet ist, noch schlimmer natürlich, wenn sie auch vorhanden ist – reduziert die Legitimation staatlichen Handelns und schwächt auch die Compliance der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Gesetzen und Verordnungen. Eine Bevölkerung, die politische Eliten und staatliche Institutionen für korrupt hält, neigt selbst verstärkt zu illiberalen Tendenzen, die sich dann unter anderem in Wahlergebnissen widerspiegeln.

Die Korruption sorgt für einen dysfunktionalen öffentlichen Sektor, sie senkt die Qualität von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen. Länder mit Korruptionsproblemen haben international einen Wettbewerbsnachteil, denn diese erschweren Unternehmensansie­delungen und Investitionen in bestehende Unternehmen.

Intransparenz ist ein wesentlicher Nährboden für korruptes Handeln. Eine gut informierte Bevölkerung, die rasch und mühelos an Informationen kommt, und Medien, die über staatliches Handeln kritisch berichten können, sind essenziell. Österreich ist bei der Informationsfreiheit aber leider Schlusslicht in Europa, vorhandene Daten sind oft lückenhaft und internationale Best-Practice-Beispiele zur Datenerhebung werden nicht eingesetzt. In diesem Zusammenhang muss ich auch ganz tagesaktuell darauf einge­hen, dass leider die Finanzierung des Austrian Corona Panel Project schwer im Zweifel ist.

Leider ist es in Österreich mehr als ein Einzelfall, dass sich ehemalige oder noch aktuelle Regierungspolitikerinnen und -politiker Strafverfahren im Zusammenhang mit Korruption stellen müssen. Eine Politik, die nicht käuflich ist, muss danach trachten, einen Mentali­tätswandel herbeizuführen: von strafend zu bereits präventiv. Korruption und Betrug können potenziell im Vorfeld erkannt und verhindert werden. Dazu gibt es von uns NEOS speziell in einem Policypaper unserer Parteiakademie NEOS Lab herausgearbeitete Empfehlungen, wie wir uns vorstellen, das Ziel, in die Top Ten der saubersten Länder zu kommen, Korruption zu unterbinden und bestmöglich im Ansatz verhindern, zu er­reichen.

Punkt 1: Gesetzeslücken schließen und den Rechtsstaat stärken – dazu braucht es eine Reform der Parteienfinanzierung, neue Straftatbestände im Bereich des Mandatskaufs oder die Umsetzung der Empfehlungen der Greco, um Korruptionsprävention bei Abgeordneten, Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu maximieren und den Rechtsstaat zu stärken.

Punkt 2: Wir müssen die Maßnahmen auf Basis der Nationalen Antikorruptionsstrategie umsetzen. Die bereits im Jänner 2018 beschlossene Nationale Antikorruptionsstrategie war ein wichtiger Meilenstein zur Korruptionsbekämpfung, zentral sind jedoch die Maß­nahmen, die auf Basis dieser Strategie gesetzt und durchgeführt werden. Dabei ist bisher leider wenig passiert. Dies zeigt nicht zuletzt die Gründung der Cofag. Alleine im Jahr 2020 wurden über 8,7 Milliarden Euro intransparent und ohne effektive Kontrolle ausgeschüttet. Standards zur Korruptionsvorbeugung oder -kontrolle spielten bei der Ausgestaltung keine Rolle.

Punkt 3: Die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes, die Abschaffung des Amts­geheimnisses. Österreich ist Schlusslicht bei der Informationsfreiheit und hat als einziges Land in Europa noch ein rigides Amtsgeheimnis. Das seit Jahren und derzeit immer noch in Verhandlung befindliche Informationsfreiheitsgesetz muss internationalen Standards entsprechen. Aus diesem Grund müssen Schwachstellen des österreichischen Ent­wurfs, wie beispielsweise die unklare Definition für Geheimhaltungsgründe oder die lange Verfahrensdauer bei Einsprüchen, vor der in unklarer Zeit kommenden Beschluss­fassung dringend behoben werden.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 139

Punkt 4: Die Aufwertung der Rechnungshöfe und die Stärkung von Governance. Ge­setzliche Rahmen sind nur so gut wie der Alltag, in dem sie gelebt werden. Aus diesen Gründen müssen die Governancestrukturen verbessert werden. Beispiele dafür wären ein verbessertes Meldesystem für Einkünfte und Nebenbeschäftigungen von Abgeord­neten oder interne Regeln und Orientierungshilfen zur Annahme und Offenlegung von Geschenken. Eine Verbesserung der Governancestrukturen kann nur funktionieren, wenn es auch Kontrollinstanzen gibt, die diese überprüfen können. Aus diesem Grund ist auch eine Kompetenzausweitung der Bundes- und Landesrechnungshöfe uner­läss­lich – Stichwort Landesrechnungshof Niederösterreich ohne Prüfkompetenz für Ge­meinden unter 10 000 Einwohnern.

Der letzte, aber nicht der unwichtigste Punkt ist die Sicherstellung der Medienfreiheit und die Senkung der Ausgaben für öffentliche Inserate. Freie Berichterstattung von Medien ist in einer liberalen Demokratie essenziell, insbesondere wenn es um Korruption geht. Um die Medienfreiheit sicherzustellen, braucht es eine Reform der Medienförderung, Transparenz und Qualitätskriterien für Inserate der öffentlichen Hand und eine Be­schränkung der im internationalen Vergleich sehr großen Medienetats öffentlicher Stel­len, die Inseratenkorruption begünstigen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte.


17.09.30

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Democracy Report 2022 müsste wirklich alle Alarmglocken, dass etwas im Staate Österreich nicht stimmt, läuten lassen. Das ist der ÖVP natürlich sehr unangenehm, und da ist es eine bewährte Strategie, dass man diese Studien dann einfach in Zweifel zieht. Sie werden schlecht­gemacht, Fakten und auch die dahinterstehenden Personen werden hinterfragt.

Also diese Strategie kennen wir schon, aber – Kollege Arlamovsky hat es schon ausgeführt – es ist nicht der einzige Befund, der für Österreich gestellt wird und der hier ein negatives Ergebnis zeigt. Wir fallen ja überall zurück: In den Korruptionsindizes, beim Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU oder auch, wenn es um den Befund der Pressefreiheit geht – überall fällt Österreich zurück, seit die ÖVP die Regierungsspitze stellt. Das zieht sich jetzt schon durch. (Bundesrat Schennach: So ist das, tragisch, tragisch!)

Es ist nicht nur so, dass das durch Studien und internationale Vergleiche festgestellt wird – wir als Opposition machen regelmäßig darauf aufmerksam –, sondern die Men­schen spüren das auch. Schauen Sie sich die Vertrauensindizes, die Vertrauenswerte der Regierungsmitglieder an! Die Menschen verlieren insgesamt das Vertrauen in die Politik, und das ist demokratiepolitisch ganz, ganz gefährlich, brandgefährlich.

Auch angesichts all der Äußerungen, die heute gefallen sind, die wir uns anhören muss­ten, fällt das Vertrauen immer mehr zurück, und das muss uns allen große Sorgen bereiten (Beifall bei der SPÖ) und da sind wir alle wirklich in höchstem Maße gefordert.

Und wenn nun gerade zu dieser Kernaufgabe der Politik, zum Zustand der Demokratie, eine Anfrage gestellt wird und die Spitze der Bundesregierung bestehend aus Bun­deskanzler und Vizekanzler sich einfach für unzuständig erklärt – es geht sie einfach nichts an, wie es um die Demokratie in diesem Staat bestellt ist –, ja was sollen denn die Menschen dann davon halten? Also in Wahrheit ist das ein Skandal, denn das ist Chefsache!

Jetzt ist die Frau Staatssekretärin hierher entsandt worden, hier Rede und Antwort zu stehen. Sie bemüht sich auch sichtlich, aber das ist Chefsache. – Es ehrt Sie sehr, dass


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 140

Sie da sind und Sie machen da Ihren Job, aber das ist wirklich ein Grundproblem, wenn Österreich hier zurückfällt – mit anderen Staaten gemeinsam, von denen wir wissen, dass da sehr vieles im Argen liegt: mit Ghana, Trinidad und vielen anderen Staaten – auf ein Niveau, das man nicht mehr als liberale Demokratie bezeichnen kann, sondern eben als Wahldemokratie.

Wir lernen das – in politischer Bildung und wo auch immer sollte man das gelernt haben –: Demokratie ist mehr als nur eine Mehrheitsentscheidung, Demokratie ist eine Haltung. Demokratie, das sind Werte, das sind Prinzipien wie eben Rechtsstaatlichkeit, das ist vor allem politische Kultur (Bundesrat Schennach: Ja, aber die ist verloren bei der ÖVP!), das ist die Kultur des Miteinanders, die Akzeptanz des Andersdenkenden. Da geht es auch darum, wie man zu Entscheidungen kommt, da geht es um Meinungs­austausch, um Respekt voreinander. Das sind natürlich auch die Kontrollrechte, die Rechte der Opposition, und wenn nun mit Oppositionsrecht, dem Interpellationsrecht so umgegangen wird, dann ist das ein Skandal und dann ist es natürlich klar, dass das auch in entsprechenden Berichten festgestellt wird.

Wir müssen das eben leider feststellen – ich habe es schon angeführt –, seit die ÖVP vor allem die Regierungsspitze stellt. Dabei können wir uns noch an Slogans erinnern, mit denen Sie beispielsweise bei einer Präsidentschaftswahl hausieren gegangen sind: „Macht braucht Kontrolle“, hat es da einmal geheißen – und wie sieht denn das jetzt aus?

Das passiert alles mit Duldung der jeweiligen Koalitionspartner. Einmal war es die FPÖ – da war es, muss man schon auch dazusagen, wirklich am allerärgsten (Bundesrat Steiner: Was?!), da sind die meisten Gesetze wegen Verfassungswidrigkeit im Nach­hinein aufgehoben worden –, aber man muss auch sagen, mit den Grünen – es tut mir leid, auch wenn heute einige selbstkritische Geständnisse vom Klubobmann gekommen sind – ist es nicht viel besser geworden. (Bundesrat Schreuder: Es waren keine Ge­ständnisse!)

Da sind Sie übrigens Ihren Prinzipien untreu geworden. Ihre Fraktion hat sich immer gerühmt, Hüterin von Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu sein, und sich entsprechend inszeniert. Wir können uns noch an den Slogan erinnern: „Wen würde der Anstand wählen?“ – Also sicherlich nicht das, was Sie hier mit Ihrer Regierungsbeteiligung mit unterstützen.

Wir erleben immer wieder Fälle, die einen einfach aufrütteln, Angriffe auf rechtstaatliche Institutionen durch den Regierungschef. Zum Beispiel hat der jetzige Bundeskanzler und ehemalige Innenminister Karl Nehammer nach dem wirklich mehr als schrecklichen Terroranschlag in Wien nichts Besseres zu tun gehabt, als die Justiz zu attackieren, anstatt eigene Ermittlungsfehler im Innenministerium einzugestehen.

Eine Flut von Skandalen erschüttert unser Land eigentlich am laufenden Band. Diesen Befund hat auch – weil heute schon Gastkommentare zitiert worden sind – Hans Rauscher gestellt und gemeint: „eine Flut von Skandalen [...]. Der Machtanspruch der türkisen ÖVP, nur ja jede Verwaltungsposition bis zur Bezirksebene zu besetzen, aber auch die Justiz zu dominieren und zu instrumentalisieren [...] lässt den Staat ziemlich verrottet aussehen.“ – So eben der Kommentar in den Medien, also jetzt nicht nur von Vertre­terinnen und Vertretern der Oppositionsparteien.

Frau Staatssekretärin, da Sie ja auch JVP-Funktionärin sind oder waren: Ein ausge­tretener JVP-Funktionär hat in den Medien mitgeteilt, was ihn tatsächlich zum Austritt bewogen hat: „Dieses bauernschlaue Denken, den unmittelbaren Vorteil persönlich zu verfolgen und nicht mittel- und langfristig zu denken, ist heute eine Krankheit des Konservatismus.“ (Bundesrat Preineder: Also Bauern denken langfristig, Frau Kollegin! Das sollten Sie wissen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sagt ein ausgetretener JVP-


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 141

Funktionär in Richtung seiner ehemaligen Partei. Das kommt in der Bevölkerung und auch in Ihrer Parteibasis an, dass da einfach vieles nicht stimmt.

Wenn parlamentarische Kontrollrechte immer mehr ausgehöhlt werden, dann kann uns das keineswegs egal sein, dann ist auch für uns als Opposition akuter Handlungsbedarf gegeben. Deshalb stelle ich den

Antrag

gemäß § 60 Abs. 6 GO-BR

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen, eingebracht im Zuge der Besprechung der schriftlichen Anfrage am 29. Juni 2022

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen den Antrag:

„Die der Besprechung zu Grunde liegende Anfragebeantwortung 3715/AB-BR/2022 des Bundeskanzlers gem. § 60 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates nicht zur Kenntnis zu nehmen.“

*****

Werte Frau Staatssekretärin, Sie haben heute auch die Wahlaltersenkung ange­sprochen. Das war ursprünglich mein Verhandlungsgegenstand vor vielen Jahren im Nationalrat. Ich habe damals mit den Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus allen Fraktionen eindeutig gesagt: Das muss begleitet werden von Maßnahmen zur politischen Bildung. Im Zuge dessen haben wir dann auch den Prototyp für die Demokratiewerkstatt entworfen, um gerade den jungen Menschen die Mechanismen der Demokratie und der Willensbildung näherzubringen.

Da würde ich Ihnen – zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Bundesregierung – einen Besuch in der Demokratiewerkstatt des Parlaments empfehlen, aber nicht als Vortragende, sondern als Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dort können Sie nämlich wirklich einiges darüber lernen, wie Demokratie funktionieren sollte. Da ist der Lernbedarf noch sehr groß. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Antrag auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeant­wortung ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Christoph Steiner. – Christoph, ich mache dich darauf aufmerksam: Deine Redezeit darf jetzt nur 5 Minuten sein. Bitte.


17.19.52

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Es ist jetzt nicht mein Ziel, die Anfragebeantwortung vor der SPÖ zu retten, aber, lieber Karl Bader, wenn es um das richtige und sinnerfassende Lesen geht, dann muss ich jetzt schon noch einmal herausgehen. (Bundesrätin Schumann: Du brauchst auch nicht reden! Wir haben schon alles gehört, was du ...!)

Wir hoffen, wir haben beide denselben Bericht, es wird ja nicht zwei unterschiedliche Berichte geben, und du hast gesagt, auf Seite 7 steht das. Nur, wenn man den Bericht liest, dann sollte man eventuell auch umblättern auf die Seite 8. Und da steht dann, beginnend auf Seite 7:


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 142

„Fragen 5, 6, 8, 10, 14, 15 und 18: [...] Derartige legistische Maßnahmen sind nach der überwiegenden Meinung in der Literatur vom Vollziehungsbegriff des Art.“ – Artikel – so und so – und auf Seite 8 – „umfasst (siehe oben Punkt 1.b.)“ – das wäre dann wieder auf der Seite 7 – „und wären insofern zu beantworten gewesen.“

Dann haben Sie recht mit den „Fragen 16, 19, 20, 23 und 32“. Da schreibt der Bericht Folgendes: „Diese Fragen beziehen sich auf Wissen in der Eigenschaft als Mitglied bzw. Funktionär der ÖVP (z.B. ‚aus ihrer Partei bekannt‘, ‚Sie selbst als Bundesparteiobmann der ÖVP ... gezeichnet [...]‘) und somit [...] Gegenstände der Vollziehung.“ (Bundesrat Bader: Nicht!) – Pardon, „nicht auf Gegenstände der Vollziehung.“

Da geht es jetzt und auch danach meines Wissens um den Bericht an den Rechnungshof von der Wahlkampfkostenobergrenze, wobei Herr Nehammer damals seines Zeichens Generalsekretär war. Jetzt geht es vielleicht nicht direkt um die Vollziehung als Bun­deskanzler, nur interessant für den Österreicher wäre es sehr wohl gewesen, ob man da wissentlich gelogen hat und den Rechnungshof versucht hat, hinters Licht zu führen und weitaus mehr Steuergeld hinausgeblasen hat als man durfte oder nicht. Es gehört zwar nicht zur Vollziehung, aber interessant für den österreichischen Bürger wäre es natürlich sehr wohl gewesen. Also darüber brauchen wir hoffentlich nicht länger zu diskutieren. Nur, weil es nicht zur Vollziehung gehört, heißt das noch lange nicht, dass die Schandtaten dieser Partei legitimiert werden. (Beifall bei der FPÖ.)

17.22


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster ist Karl Bader zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


17.22.22

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jawohl, lieber Herr Kollege Steiner, auch ich habe diese Seiten 7 und 8 weitergelesen.

In der ersten Zeile der Seite 8 heißt es auch: „siehe oben Punkt 1.b.“.

Und bei Punkt 1.b. – auf der Seite 6, im ersten Absatz – gibt es einen letzten Satz, und dort ist auch tatsächlich der Hinweis: „Es gibt dazu keine einhellige Meinung.“ (Bundesrat Schennach: Nein, bitte, so wichtig nimmt man die Frage der Demokratie, jetzt tut euch um die Punkte streiten!) Das heißt, es gibt dort strittige Dinge, die passieren. (Bundesrat Steiner: Du machst es jetzt auch nicht besser!)

Ich möchte aber trotzdem ein paar Anmerkungen machen, weil unterschwellig immer verschiedenste Vorwürfe gemacht werden, beginnend bei Frau Schumann, die von Vorwürfen spricht – und Vorwürfe sind nun einmal Vorwürfe. (Bundesrätin Schumann: Ihr seht nie das Problem! – Bundesrätin Grimling: Ihr seht das Problem nicht!) Die Justiz ermittelt, weil es Anzeigen gibt.

Es gibt in der letzten Zeit auch einiges, das sehr zu hinterfragen ist. Das sind natürlich öffentliche Vorverurteilungen, egal ob diese von politischen Mitbewerbern oder von den Medien kommen. Eines ist klar, und dafür steht die ÖVP: Was nicht in Ordnung ist, ist entsprechend von der Justiz und von niemandem sonst zu bestrafen.

Ein Zweites ist aber auch klar: Vorverurteilung ist ein ganz, ganz massives Unrecht. Das ist etwas, das auch Kommentatoren in den Zeitungen schreiben, beispielsweise Ernst Sittinger. Er sagt: „Anzeigen von politischen Kontrahenten untereinander sollten so sparsam wie möglich erfolgen. An ihnen klebt immer der Verdacht, dass jemand rechtlich diskreditiert werden soll, weil man ihm politisch nicht beikommt.“

Es gibt auch einen Artikel von Reinhard Haller zum Thema Chatprotokolle, und es gab auch – und das ist Tatsache, und daher glaube ich schon, dass wir in Österreich davon


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 143

sprechen können, dass der Rechtsstaat funktioniert –, ich habe mir das jetzt angeschaut, mit Stand vom 11.4., gegen ÖVP-nahe Personen rund 18 Anzeigen und Verfahren, die bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingebracht wurden. Ja, aber was sind die Ergebnisse? Diese 18, die ich hier anspreche, sind nämlich nur die, die jetzt eingestellt wurden. Die Hälfte davon sind anonyme Anzeigen. Die andere Hälfte, das ist genau das, was Sittinger in seinen Bericht beklagt, dass man dem politischen Mitbe­werber scheinbar nicht beikommen kann (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) und daher mit Anzeigen arbeitet, ob das Krainer ist, ob das Krisper ist, Hafenecker. Vier anonyme Anzeigen sind im Casag-Komplex eingestellt worden.

Die Anzeigen gegen den Nationalratspräsidenten: viermal anonym, eine von Krisper und Krainer – allesamt eingestellt, fünfmal. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Auch das ist ein Sittenbild, ein Sittenbild dessen, wie die Opposition in diesem Land arbeitet, und auch das trägt nicht zur Verbesserung der Demokratie bei. Das muss man klar und deutlich sagen.

Daher glaube ich, dass wir alle entsprechend unsere Argumente austragen sollen und nicht über solch einfache und primitive Machenschaften wie Anzeigen Politik gestalten sollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.26 17.26.17


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesrätin Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 60 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, die schriftliche Anfrage­beantwortung betreffend „Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie“ nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich für diesen Antrag auf Nicht­kenntnisnahme der gegenständlichen schriftlichen Anfragebeantwortung aussprechen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag ist somit abgelehnt.

17.27.14Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf. Wir sind bei Tagesordnungspunkt 10.

Der Herr Minister ist auch wieder anwesend.

Als nächster Redner ist Marco Schreuder genannt. – Bitte.


17.27.29

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Schön, dass Sie wieder da sind – wegen einer einzigen Rede, so ist das manchmal. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dabei ist das gar nicht meine Rede, sondern die Rede meiner Kollegin Elisabeth Kittl. Sie fühlt sich leider nicht wohl und ist nach Hause gegangen, und ich darf jetzt ihre Rede einfach vorlesen. Ich möchte das extra betonen, weil manchmal eine Ichform gewählt wird. Das bin aber nicht ich, da müssen Sie sich denken: Es geht um Frau Kollegin Kittl.

Die UN-Menschenrechtscharta, der wir uns verpflichtet haben, beinhaltet auch das Recht auf Wohnen. Das kann natürlich nur verwirklicht werden, wenn Menschen es sich leisten können, zu wohnen. Einer, der dafür sorgen kann, ist natürlich der Staat.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 144

Das Europäische Parlament bekundet in einer Entschließung, dass die Mitgliedstaaten als Ergänzung zu dem Angebot des privaten Immobilienmarkts ein Parallelangebot an sozialem Wohnraum aufbauen und organisieren sollen.

Österreich hat verschiedene Instrumente, um leistbaren Wohnraum einer breiten Masse an Menschen zur Verfügung zu stellen. Das Ziel ist eben, die Höhe der monatlichen Mietzinskosten zu beschränken und sie nicht alleine dem Markt zu überlassen.

Das ist einerseits das Mietrechtsgesetz mit seinen Mietpreisdeckelungen für Wohnun­gen in Häusern, die bis 1945 gebaut wurden, aber leider nicht oder nur eingeschränkt für die danach erbauten Häuser, was Frau Kittls Erachtens, aber auch meines Erachtens eine nicht erklärbare Ungleichbehandlung von Wohnimmobilien ist. Da wäre es wün­schenswert, dass in Richtung Mietzinsobergrenzen auch des Neubaus, nach Amor­tisation, gedacht wird.

Die anderen Instrumente, um Mietzinse zu beschränken, sind Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln entweder gleich von der öffentlichen Hand selbst gebaut und ver­mietet werden, wie die Gemeindebauten, oder solche, die gefördert werden und von gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen vulgo Genossenschaften gebaut werden.

Um die Letzteren geht es heute, und darum, dass Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln gebaut werden, auch dem Allgemeinwohl zugutekommen sollen. Das tun sie, indem die Mieten günstig bleiben.

Warum sind sie günstig?  Weil die Vermietung nicht auf den Gewinn der Vermie­terInnen ausgerichtet ist, sondern auf die Abzahlung der Darlehen und danach auf die gute Instandhaltung des Hauses. Das schafft, umgelegt auf die Menschen, die die Häuser nutzen, also die Mieter, sehr günstige monatliche Mieten und damit langfristig leistbaren Wohnraum.

Eine Musterstadt im sozialen Wohnbau wird von der ganzen Welt als Good-Practice-Beispiel angesehen, und das ist Wien, mit weit mehr als 40 Prozent der Wohnungen, die entweder Genossenschafts- oder Gemeindewohnungen sind. (Bundesrätin Schumann: Hört, hört!)

Frau Kittl ist sehr stolz darauf, ich auch im Übrigen. Kollegin Kittl durfte schon einmal in Deutschland davon erzählen, vor Hunderten von Menschen, die sehr lange dazu geklatscht haben. Sie selbst ist in einer Gemeindewohnung aufgewachsen, und ohne diese Gemeindewohnung wäre sie nicht dort, wo sie jetzt ist. Ich darf dazusagen: Ich wohne in einer Genossenschaftswohnung und auch das, Gott sei Dank, durch ein damaliges Darlehen der Stadt Wien.

Seit der Finanzkrise gingen die Wohnungspreise, Eigentum und Miete gleichzeitig, in Wien in schwindelerregende Höhen. Viele verdoppelten sich, in der Zwischenzeit ver­drei­fachten sie sich. Das ließ natürlich auch Immobilienentwickler und -entwicklerinnen tüfteln, wie man zu günstigen Wohnungen kommt, um sie dann mit großem Gewinn weiterzuverkaufen. Genossenschaftswohnungen waren da ein unentdeckter Markt, den man sich einverleiben wollte. Es gab das bekannte Beispiel eines großen privaten Investors, der mutmaßlich mehrere gemeinnützige Bauvereinigungen mittels Treuhän­derInnen gekauft hat, deren Sitz von Wien ins Burgenland verlegt hat und dort die Aberkennung der Gemeinnützigkeit beantragt hat.

Das wurde genehmigt, mit einer Bewertung der Immobilien, die sich als viel zu niedrig herausstellte. Der Investor konnte mit Wohnungen, die aus Mitteln der Allgemeinheit und mit dem Zweck, leistbaren Wohnraum für viele Menschen zur Verfügung zu stellen, sehr viel Gewinn machen. Das läuft eindeutig gegen den Willen des Gesetzgebers.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 145

Heute nun wird die Revision präzisiert und erweitert sowie die Offenlegung von ver­wandtschaftlichen oder treuhandschaftlichen Naheverhältnissen in der Verwaltung oder Bauvereinigung gegenüber der Revision und der Aufsichtsbehörde eingeführt. Die Auf­sichtsbehörde muss nun auch sogenannten Paketverkäufen zustimmen, das heißt, wenn mehr als drei Wohnungen oder Geschäftsräume verkauft werden. In Wien ist das Ziel, die günstige Miete zu erhalten. Hier wäre sehr stark darauf zu pochen, dass Grundstücke, die direkt oder indirekt der öffentlichen Hand gehören, nur mehr dem sozialen Wohnbau zur Verfügung gestellt werden, und wenn sie an gemeinnützige Bauvereinigungen vergeben werden, diese nur als Baurechte vergeben werden, denn das verhindert die Umwandlung in Eigentumswohnungen und ermöglicht den lang­fristigen Erhalt von leistbaren Mietwohnungen.

Das ist auch deshalb so wichtig, weil damit das Gesamtangebot an günstigen Mieten hoch bleibt. Die Mieten in Wien sind im weltweiten Vergleich für eine beliebte Großstadt verhältnismäßig günstig, und das deshalb, weil weit mehr als die Hälfte der Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen in Wien einen Preisdeckel haben und damit auch die Preisbildung am privaten Wohnungsmarkt beeinflussen beziehungsweise nach unten drücken. Wien ist, das ist so, eine Stadt der Mieten.

Am Land herrscht beim Wohnen die Form des Eigentums vor, daher tendiert man in den Bundesländern eher in Richtung Eigentumsaufbau. Aber auch hier soll die öffentliche Förderung nicht der Spekulation dienen, sondern dem Eigenbedarf. Daher wird heute auch die 15-Jahre-Spekulationsfrist auf neue geförderte Wohnungen, die sofort gekauft werden, ausgedehnt. Wird die Wohnung über dem Verkehrswert weiterverkauft, muss die Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis, also der Gewinn, an die Bauver­einigung zurückgezahlt werden. Zur Absicherung erhält die gemeinnützige Bauvereini­gung ein Vorkaufsrecht. Zusätzlich werden diese sofort erworbenen Wohnungen 15 Jahre unter den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes gestellt, damit gilt der Richt­wert.

Ich weiß, das sind keine großen Sprünge, aber es sind Zeichen, die eindeutig gegen Spekulation und für leistbaren Wohnraum sprechen. Daher bittet Frau Kollegin Kittl, aber auch ich, Sie, liebe SPÖ, um Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

17.34


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister Dr. Martin Kocher hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


17.34.24

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! In der Debatte hat sich gezeigt, wie wichtig das Thema Wohnen ist. Ich konzentriere mich jetzt allerdings auf die konkrete Novelle und auf die zwei Aspekte, die in dieser Novelle berücksichtigt sind, die ich für wichtig halte.

Es ist deshalb so wichtig, weil davon fast jeder vierte Österreicher, jede vierte Öster­reicherin betroffen ist. So viele Menschen sind es nämlich, die derzeit in einer durch eine gemeinnützige Bauvereinigung gebauten Wohnung wohnen. In der hundertjährigen Geschichte waren es bisher fast eine Million leistbare Miet- und Eigentumswohnungen, die von gemeinnützigen Bauvereinigungen errichtet wurden.

Das Gesetz stärkt erstens die Aufsicht, zweitens ist es eine Maßnahme gegen eine Spekulation, die wir mit öffentlichen Mitteln nicht zulassen dürfen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 146

Wie stärkt das Gesetz die Aufsicht? – Die gemeinnützigen Bauvereinigungen werden ja zum Teil von den Landesregierungen überprüft, unterliegen der Aufsicht der Landes­regierungen, aber auch von Revisionsverbänden. Wir stellen sicher, dass es eine hoch­qualitative Revision gibt und dass die Revisoren durch einen ständigen Prüfungsbetrieb ausgezeichnet sind, damit Verstöße im Gebaren der jeweiligen Träger besser festgestellt werden können.

Weiters geht es – das wurde schon angesprochen – um die Verhinderung von Speku­lation beim Sofortkauf. Auch da wird die Regelung so angepasst, dass beim Sofortkauf die Regeln analog wie beim Erwerb nach einer gewissen Zeit gelten. Das ist eine Maßnahme, damit gewinnmaximierende Spekulation mit durch öffentliche Mittel preisge­stütztem Wohnraum nicht mehr möglich ist, und das halte ich für wichtig und gut.

Es ist ein Schritt, um den Bereich der gemeinnützigen Errichtung und des Erwerbs von Wohnungen hin zu leistbaren Wohnungen zu bringen, und das ist aus meiner Sicht eine gerade in der jetzigen Zeit wichtige Maßnahme. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

17.36 17.36.39


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Ich begrüße recht herzlich Herrn Bundesminister Johannes Rauch. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit mehrheitlich angenommen.

17.37.1811. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2591/A und 1503 d.B. sowie 10980/BR d.B. und 10994/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (2589/A und 1504 d.B. sowie 10995/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz ge­ändert werden (2493/A und 1505 d.B. sowie 10981/BR d.B. und 10996/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 11 bis 13, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 147

Als Berichterstatterin zu den Punkten 11 bis 13 ist mir Frau Bundesrat Claudia Hauschildt-Buschberger genannt worden. – Ich bitte um die Berichte.


17.38.07

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittel­gesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme auch da gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Ingo Appé. Ich bitte darum.


17.39.26

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute im Ple­num schon tagespolitische Meldungen aus den Bundesländern erfahren. Auch ich möchte eingangs meiner Wortmeldung als Kärntner Bundesrat, aber auch im Namen meines Salzburger Kollegen David Egger hier in der Länderkammer abseits der Tagesordnung auf die dramatische Lage in unseren Bundesländern Bezug nehmen.

Seit mehreren Wochen versetzen uns im gesamten Bundesgebiet Wetterwarnungen fast täglich in Angst und Schrecken – mit nachfolgenden massiven Schäden an Hab und Gut, insbesondere in der Landwirtschaft.

Gestern hat es besonders unsere Bundesländer Kärnten, Salzburg und teilweise auch Oberösterreich getroffen. Aufgrund von heftigen Unwettern mit schweren großräumigen Überflutungen, Hangrutschungen, Schäden an Gebäuden und Muren wüteten diese


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 148

Unwetter in der Nacht auf heute im Bereich Villach, Villach-Land, am Ossiacher See, im Gegendtal und im Bereich Tamsweg. So musste heute in Tamsweg und im Gegendtal Zivilschutzalarm ausgerufen werden. Dieser ist immer noch aufrecht.

In der Gemeinde Treffen wurden Personen vermisst, Rettungskräfte kamen in den Mor­genstunden wegen neuerlicher Gewitter kaum voran. Leider konnte eine vermisste Person nur mehr tot geborgen werden. Die zweite Person ist vor Kurzem erfreulicher­weise noch lebend gerettet worden.

In der Gemeinde Treffen ist das Ortsgebiet völlig überflutet und Dutzende Häuser wur­den beschädigt. Arriach ist noch immer von der Außenwelt abgeschnitten. Die Schäden sind enorm. Das Bundesheer wurde zur Hilfe angefordert, 100 Mann sind dort im Einsatz.

Ich möchte den Betroffenen im Katastrophengebiet unser Beileid und Mitgefühl ausdrücken und wünsche viel Kraft für die Aufräum- und Aufbauarbeiten. An dieser Stelle aber auch einen herzlichen Dank an die vor Ort pausenlos im Einsatz stehenden Einsatzkräfte, die, wie es der für Katastrophenschutz zuständige Landesrat Daniel Fellner ausdrückt, Sensationelles leisten. (Allgemeiner Beifall.)

An dieser Stelle noch ganz kurz ein Abriss, damit man sich vielleicht im Kopf ein bisschen ein Bild machen kann: In Kärnten hat es so ein Ereignis seit 100 Jahren nicht gegeben. Die Teuchenstraße ist auf 2 Kilometern nicht mehr existent, und auch die Treffener Bundesstraße ist auf einer Länge von 300 Metern weggerissen. Man kann sich in den Medien Bilder anschauen. Es ist erschreckend, und ich hoffe, dass den Betroffenen vom Land und vom Bund auch bald die entsprechende Hilfe zuteilkommt.

Doch nun zurück zur Tagesordnung, zum Tagesordnungspunkt 11, Änderung des Epidemiegesetzes 1950 und des COVID-19-Maßnahmengesetzes: Was bedeutet das inhaltlich? – Sie, Herr Bundesminister, können damit zukünftig per Verordnung fest­legen, dass kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen nicht mehr abgesondert werden, sondern bestimmten Verkehrsbeschränkungen unterliegen.

Ebenso wird die Elga GmbH aufgefordert, Erinnerungsschreiben zur Auffrischungs­impfung zu versenden, und dies unabhängig davon, ob die Person auch tatsächlich geimpft ist oder überhaupt geimpft werden darf. Leider wurden diese Änderungen wieder kurzfristig und ohne Begutachtung beschlossen. Weder die Elga GmbH noch die Länder wurden davon in Kenntnis gesetzt, und wieder einmal wurden datenschutzrechtliche Folgen vorab nicht geklärt – wieder ein Beispiel dafür, aus dem Chaos der letzten zwei Jahre nichts dazugelernt zu haben.

Herr Bundesminister, wir begrüßen nun eben in unserer Runde die zweite Corona­som­merwelle 2022. BA.4 und BA.5, die Omikronsubvarianten, treiben bei tropischen Tem­peraturen gerade jetzt die Infektionszahlen in die Höhe der Fünfstelligkeit. Heute waren es über 12 500. Gleichzeitig zeigt die Statistik, dass von den über 20 000 bisher mit oder an Corona Verstorbenen ein Großteil der Altersgruppe der über 65-Jährigen zuzuzählen ist. Dies betrifft gerade jene Altersgruppe, welche wir zu Beginn der Pandemie eigentlich schützen wollten.

Wir stehen heute am Beginn einer neuen Welle, und wie Sie, Herr Bundesminister, selbst im Nationalrat festgestellt haben, werden wir im Herbst und in weiter folgenden Wellen mit Infektionszahlen zu rechnen haben, die die derzeitigen noch weit übersteigen.

Maßnahmen gibt es kaum mehr. Der Schutz der eigenen Gesundheit wurde mittlerweile zur Privatsache erklärt. Herr Bundesminister, ich erinnere mich noch an Ihre Worte hier im Parlament, dass Sie nicht dieselben Fehler wie Ihre Vorgänger machen möchten. Ich zitiere Sie aus Ihrer Wortmeldung im Nationalrat, Herr Bundesminister: „Lernen, mit dem


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 149

Virus zu leben, Vorsicht walten lassen und so wenig Einschränkungen wie möglich ver­hängen.“

Ihre Empfehlung an die sogenannte vulnerable Gruppe der über 65-Jährigen ist jene, sich mit dem vierten Stich abzusichern. Laut Experten ist der angepasste Impfstoff der­zeit jedoch noch nicht verfügbar. Biontech/Pfizer und Moderna weisen darauf hin, dass erst im Herbst mit dem Einsatz dieses wirksamen Impfstoffes zu rechnen ist. Dass diese Welle uns nun erreicht hat, war seit Wochen abzusehen. Leider sieht es so aus, dass auch das Pandemiemanagement in dieser Republik recht vulnerabel ist.

Zu TOP 13: Der Verfassungsgerichtshof hat im Dezember 2019 die Bestimmungen über den Eignungstest für die in die Organe der Sozialversicherungsträger zu entsendenden VertreterInnen der Dienstnehmer und Dienstgeber als verfassungswidrig erklärt. Angeb­lich konnten coronabedingt nicht alle Informationsveranstaltungen vollständig abgehal­ten werden. Somit soll die im Übergangsrecht vorgesehene Frist bis 31.12.2022 ver­längert werden. Herr Bundesminister, es ist eigentlich erschreckend, dass Urteile des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2019 nach zweieinhalb Jahren noch nicht vollständig umgesetzt sind. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass diese Regierung Verwaltung nicht kann.

In den Sozialversicherungssätzen wurde die rechtliche Basis für die Sonderregelung betreffend die Vergütung von Covid-19-Heilmitteln in den öffentlichen Apotheken vorge­sehen. Dabei wurde ein Pauschalbetrag von 15 Euro pro abgegebenem Heilmittel fest­gelegt. Diese Regelung soll nun rückwirkend mit 21.3.2022 auf ärztliche Hausapotheken ausgedehnt werden und die geltende Regelung bis 31.12.2022 verlängert werden.

Warum dabei für Hausapotheken und öffentliche Apotheken die gleiche Vergütung er­folgt, ist für uns nicht nachvollziehbar, da der Aufwand in den Hausapotheken wesentlich geringer ist. Die Begründung im Ausschuss durch die Fachbeamten, die 15 Euro würden eh 50 : 50 zwischen Großhandel und Apotheken aufgeteilt, macht das nicht gerade nachvollziehbarer. Warum bei der Impfregelung für den niedergelassenen Bereich eine Verlängerung nur bis 31.12.2022 beschlossen wird, ist für uns auch nicht verständlich, da ja davon auszugehen ist, dass auch nach dem 1.1.2023 Impfungen im niederge­lassenen Bereich durchgeführt werden.

Aus den angeführten Gründen stimmen wir diesen beiden Tagesordnungspunkten nicht zu.

Betreffend den Tagesordnungspunkt 12 halte ich mich kurz: Dies ist eine absolut sinn­volle Maßnahme. Nicht nur wir, auch die Experten des Ministeriums befürworten dabei eine Dauerlösung und keine Befristung. Wir stimmen diesem Punkt jedoch zu. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.48


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


17.48.38

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (In Richtung Galerie, auf der sich nur eine Person befindet:) Lieber Gast! Kollege Appé hat es schon gesagt: Die Infektionszahlen steigen, aber die Situation in Österreich und in Europa unterscheidet sich doch sehr wesentlich von der Situation in den beiden vorangegangenen Jahren. Warum? – Wir verfügen über einen Impfstoff, der zwar keine sterile Immunität gegen das Virus liefert, uns aber sicher vor schweren Verläufen der bekannten Virusvarianten schützt. Das hat wiederum zur Folge,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 150

dass unser Gesundheitssystem durch das derzeitige Infektionsgeschehen in keiner kritischen Situation ist. (Bundesrat Steiner: Wegen Omikron, nicht wegen der Impfung!)

In diesen mehr als zwei Jahren haben wir unglaublich viel dazugelernt, was die Pan­demie für einen Staat, für uns alle bedeutet. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass wir nun wissen, wie es möglich ist, für zukünftige Infektionsgeschehen und Pandemieereignisse gut gerüstet zu sein (Bundesrat Leinfellner: Per Notverordnungen! Unglaublich!), insbesondere dann, wenn schneller Handlungsbedarf gegeben ist.

Zweieinhalb Jahre Pandemie und die aktuellen Ereignisse in der Welt haben aber auch deutlich gemacht, dass wir den Alarmstatus nicht länger aufrechterhalten können und es in Wirklichkeit so ist, dass wir den Weg des Lebens mit der Pandemie einschlagen müssen beziehungsweise auch schon eingeschlagen haben. Im dritten Jahr der Pan­demie können wir nun nicht mehr im Dauerkrisenzustand bleiben. Sowohl die derzeitige Virusvariante als auch die weitreichenden und schweren anderen Krisen machen es notwendig, dass wir langsam dazu übergehen, ein Leben mit Corona zu ermöglichen.

Wir wissen nicht, was im Herbst genau sein wird, um aber für mögliche Szenarien ge­rüstet zu sein, hat das Ministerium unter Zuhilfenahme von ExpertInnen bereits mögliche Vorgehensweisen im Rahmen des Virusvarianten-Managementplanes erarbeitet. Darüber habe ich in der letzten Sitzung schon gesprochen beziehungsweise hat es der Herr Bundesminister auch schon mehrfach ausgeführt.

Ja, und das hat uns die Pandemie gezeigt: Jede Coronamaßnahme, egal ob Schul­schließungen oder das Schließen von Gastronomie oder Geschäften, zieht weite Folgen nach sich. Auf diese weiten Folgen stützen sich auch die heutigen Beschlüsse.

Eine der heute zu beschließenden Änderungen stellt beispielsweise die Flexibilisierung im Contacttracing dar. Durch Priorisierung soll dieses Instrument in Zukunft besser und zielgerichteter eingesetzt werden. Zukünftig sollen auch nicht mehr alle Kontaktpersonen einfach abgesondert werden, sondern es soll dort, wo es möglich ist – sofern es die Virusvariante eben möglich macht –, mit sogenannten Verkehrsbeschränkungen gear­beitet werden.

Eine Person, die jetzt als Kontaktperson unter hohem Verwaltungsaufwand abgesondert werden müsste – das waren übrigens auch die Rückmeldungen, die aus allen Bundes­ländern gekommen sind –, könnte beispielsweise in Zukunft, wenn es die epidemio­logische Lage beziehungsweise auch die Virusvariante eben hergibt, möglicherweise mit einer Maske, mit gezieltem Testen oder Ähnlichem weiterhin am gesellschaftlichen Leben, am Alltagsleben teilnehmen.

Ein anderes Thema, das heute beschlossen wird, sind die Erinnerungsschreiben an eine mögliche Auffrischungsimpfung, die verankert werden, und etwas, das meiner Ansicht nach auch sehr wichtig ist, weil ich damit persönliche Erfahrung gemacht habe: Impf­zertifikate und Genesungszertifikate bleiben länger im System abrufbar. Das ist beson­ders für Reisen in die USA notwendig, weil es dort durchaus passieren kann, dass man Genesungszertifikate, die älter als ein Jahr sind, noch einmal vorlegen muss. Daran wird jetzt auch gedacht.

Ja, auch der Verdienstentgang ist nochmals konkretisiert worden, damit Betroffene leichter zu ihren Entschädigungsleistungen kommen.

Ich fasse zusammen: Alles in allem sind es für mich heute wieder einmal wichtige und notwendige Maßnahmen in Bezug auf Corona. Daher bitte ich auch heute wieder um breite Zustimmung zu den Änderungen und sage Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

17.53



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 151

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Markus Leinfellner. – Bitte.


17.53.38

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Gesund­heits­minister! Hohes Haus! Geschätzte Besucher auf der Galerie! Liebe Österreicher! Herr Bundesminister, wie fühlt man sich eigentlich dabei, wenn man eine Impfpflicht, die man ja bei Omikron eingeführt hat und selbst bei Omikron doch rechtfertigen hat müssen, aufgrund einer Omikronvariante wieder beseitigen muss? Wie fühlt man sich dabei, wenn man selbst auf einmal zum Schwurbler oder, wie ihr das bezeichnet habt, zum Aluhutträger wird? Wie fühlt man sich dabei, Herr Gesundheitsminister?

Ich kann nur sagen, ich bin stolz darauf, von Ihnen von der ÖVP als Schwurbler und von den Grünen als Aluhutträger bezeichnet worden zu sein. Da kann man stolz darauf sein, denn jetzt haben sogar Sie inzwischen zugeben müssen, dass wir Freiheitliche von Beginn an recht hatten. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen noch etwas sagen: Wir werden Corona nicht besiegen, und das Coronavirus wird auch nicht verschwinden. Dieses Coronavirus ist gekommen, um zu bleiben. Nein, es ist nicht 2020 gekommen, sondern diese Corona­viren gibt es ja bitte schon, solang es die Menschheit gibt, Herr Bundesminister. Ja, es gibt auch Grippewellen. Es gibt stärkere Grippewellen, es gibt schwächere Grippewellen. So verhält sich das Ganze auch bei den Infektionswellen mit Corona.

Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass wir mit diesem Virus leben lernen und zu einer Normalität zurückkehren. Normalität bedeutet aber auch: weg mit all diesen Notstands­verordnungen, weg mit den Verordnungsermächtigungen, weg mit Zwängen, Bevormun­dungen, Drangsalierungen und Einsperrfantasien dieser Bundesregierung. Dann kann die gewohnte Normalität in unserem Land wieder einkehren. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Bundesregierung hat zwei Jahre lang Schäden in unserem Land, Schäden in der Bevölkerung angerichtet, und es ist höchst an der Zeit, dass ihr genau das dafür notwendige Werkzeug wieder genommen wird. Das dafür notwendige Werkzeug sind die Verordnungsermächtigungen, und diese Verordnungsermächtigungen müssen wie­der weg – zurück zu einer tatsächlichen Normalität, denn ich sage: Es grenzt an Wahnsinn, die österreichische Bevölkerung als Präventionsmaßnahme in einem Aus­nahme­zustand zu halten, weil man nicht weiß, was kommen könnte.

Für uns steht fest: Dieses Virus wird bleiben. Das werden auch Sie von der Bun­desregierung inzwischen so sehen, das können wir nicht mehr leugnen, und ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir das Ganze wirklich in ein Normsystem überführen müssen. Wir müssen weg von diesen Verordnungsermächtigungen, wir sind nicht mehr in einer Ausnahmesituation, wir haben beinahe das dritte Pandemiejahr. Wir müssen das in unser Normsystem integrieren und an die Herausforderungen anpassen. Diese Notverordnungen sind inzwischen ja völlig fehl am Platz. Diese Notverordnungen gehören schlicht und ergreifend im Altpapiercontainer entsorgt und unser Normsystem dementsprechend angepasst.

Sie wollen sich auf den Herbst vorbereiten? – Ja, dann frage ich mich schon, warum all unsere Anträge in den Ausschüssen vertagt werden: Anträge zur Etablierung von funk­tionierenden Visitendiensten für Abgesonderte oder Erkrankte, Anträge zur Stärkung des niedergelassenen Bereiches, Anträge zur Stärkung der Gesundheitsbehörden. All das vertagen Sie. Das alles sind Vorbereitungsmaßnahmen für den Herbst – und nicht die Verlängerung von irgendwelchen Notmaßnahmen. Da sind wir ja weit darüber hinaus, Herr Gesundheitsminister! Diese Verlängerungen braucht es wirklich nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 152

Genau das wollen Sie aber nicht. Sie wissen, dass Sie wieder Unsummen für Impfstoffe ausgegeben haben und nur auf den Knopf zu drücken brauchen, damit die Zwangsmaß­nahmen im Herbst wieder da sind. Irgendwie müssen Sie Ihre Impfstoffe ja anbringen. Vielleicht etikettieren Sie diese Impfstoffe um, denn ich gehe ja davon aus, dass Sie gegen Affenpocken gleich viel helfen wie gegen Corona, Herr Gesundheitsminister! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Das ist ein Experte!)

Das würde mich schon auch interessieren: Wenn es noch keine Vorbereitungs­maß­nahmen gibt oder diese Zwänge noch nicht in den Köpfen dieser Bundesregierung herumschwirren, dann würde es mich interessieren, warum Arbeitssuchende zum AMS kommen und bereits Einstellzusagen für Teststraßen ab 1. September vorlegen können.

Das sind Ihre Vorbereitungsmaßnahmen auf den Herbst, Herr Gesundheitsminister, und das im dritten Pandemiejahr: Impfen, Zwangstesten, eine Regierungsburka, Mund-Nasen-Schutz, FFP2-, FFP3-Masken, Zusperren, Einsperren, Heimunterricht, geschlossene Geschäfte, ausgestorbene Innenstädte (Bundesrat Schreuder steht an der Regierungs­bank und spricht mit Bundesminister Rauch)  also den interessiert das nicht, dann erzähle ich es euch –, ein Testchaos, Firmen vor den Scherben ihrer Existenz, und das durch Ihre herbeigetesteten Fallzahlen. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Das Coronamanagement dieser Bundesregierung ist schlicht und ergreifend gescheitert. Der Gesundheitsminister tratscht lieber, statt dass er bei seinem eigenen Tagesord­nungspunkt zuhört. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Treten Sie geschlossen zurück! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.00


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile dieses.


18.00.23

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsi­den­tin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Der wahre Experte!) Meine Damen und Herren auf der Galerie und jene, die noch zugeschaltet sind! Vielleicht kommen wir jetzt von der Polemik wieder ein bisschen zurück und zur Ruhe. (Bundesrat Steiner: Immer dasselbe! Immer dasselbe!) – Das stimmt, das ist immer dasselbe, die Rede haben wir gefühlt zum 17. Mal gehört. Es macht es nur nicht besser oder richtiger. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Leinfellner und Steiner-Wieser.)

Meine Damen und Herren, worum geht es? – Es ist schon vieles gesagt worden. Es geht um Anpassungen, es geht um Verlängerungen, es geht um die eine oder andere Adaptierung. (Bundesrat Steiner: Verschärfungen!) Warum brauchen wir das bezie­hungsweise warum ist das auch sinnvoll? (Bundesrat Steiner: Weil ihr Allmachts­fantasien habt!) – Weil wir einfach vor einer neuen epidemiologischen Phase stehen und neue Rahmenbedingungen vorfinden, weil sich Rahmenbedingungen teilweise geändert haben.

Weil das immer wieder belächelt wird und es dann immer heißt: Ja, so ein Zickzackkurs, da kennt man sich nicht aus!, sage ich Ihnen: Na ja, das ist ja nichts, was sich jemand aus dem Finger saugt, bitte! (Bundesrat Steiner: Doch, das glaub ich schon!) Diese Adaptierungen basieren auf Erfahrungen der letzten zweieinhalb, drei Jahre. (Bundes­rätin Steiner-Wieser: Dann muss es aufhören!) Liebe Frau Kollegin, das ist ja auch das Wesen der Wissenschaft: dass man beobachtet, dass man hinschaut, dass man erhebt und dass man dann Schlüsse daraus zieht. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 153

Wieser.) Jetzt stellen Sie sich vor, wir hätten nie solche Adaptierungen oder Verbesse­rungen vorgenommen! (Bundesrätin Schartel: Welche Verbesserungen? Dass ich von Wien-Meidling eine Maske brauche?) – Na dann würden wir erst in der Kritik stehen, berechtigterweise würden wir dann in der Kritik stehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was sind jetzt die Schlüsse, zu denen man gekommen ist? Was sind die Erfahrungen der letzten zweieinhalb Jahre? – Das eine ist einmal: Das Virus mutiert. Das ist mittler­weile bekannt. Ich habe es schon gesagt: Wir haben mittlerweile eine neue, eine andere epidemiologische Ausgangssituation als noch vor sechs Monaten oder ein, einein­halb Jahren. Wir kennen die Krankheit heute viel, viel besser, ich glaube, das werden Sie mir wohl zugestehen. Da haben wir in den letzten zwei Jahren einfach so viele Erkenntnisse erlangt, dass wir mit den erkrankten Patientinnen und Patienten viel besser umgehen können. Wir haben Waffen gegen die Infektion, sei es die Impfung, seien es Gott sei Dank und zum Glück auch neue Medikamente, die helfen, die Erkrankung abzumildern, wenn sie denn einmal ausgebrochen ist. All das haben wir mittlerweile. (Bundesrat Spanring: Die ihr so lange ignoriert habt!) – Na ja, von Ihrem Pferde­entwurmungsmittel rede ich nicht. Da gibt es mittlerweile andere Präparate als Ihr Ivermectin, das kann ich Ihnen versichern. (Bundesrat Spanring: Und das von einem Arzt! Das ist wirklich traurig! Ich würde gern wissen, wie du Arzt geworden bist! – Bundesrat Steiner: Lotto! Toto! – Bundesrat Spanring: Jetzt ist mir klar, warum der nicht Landesrat geworden ist!)

Was wir aber nicht können, was wir definitiv nicht können, ist, den Blick in die Kristall­kugel zu werfen und die Zukunft vorherzusagen. Was wir können, ist, aus der Vergan­genheit zu lernen und für die Zukunft vorzubereiten. Das ist es, was wir jetzt auch tun, denn eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist klar – ich glaube, da brauchen wir uns nichts vorzumachen, und der Gesundheitsminister hat es auch gesagt –: Ja, natürlich werden wir in irgendeiner Form mit diesem Virus leben lernen müssen und einen neuen Umgang mit ihm Virus brauchen.

Welchen Fehler wir aber nicht machen dürfen – und ich hoffe, da sind wir dann doch alle einer Meinung –, ist, dass wir die Vorsicht gänzlich über Bord werfen und vergessen. Ich denke, das wäre fatal. Es ist wichtig, nach wie vor Vorsicht walten zu lassen, damit wir auch gut weiterfahren und am Ende des Tages gut aus dieser Pandemie rauskommen. (Bundesrat Spanring: Wir kommen aus der Pandemie raus, wenn ihr zurücktretet!)

Die einzelnen Punkte sind angesprochen worden, ich will es auch nicht unnötig in die Länge ziehen: Es geht bei diesem Gesetzespaket einerseits um die Entlastung der Be­hörden und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort. Es geht um ein flexibleres Handling im Contacttracing. Es geht um den unkomplizierten Versand von Erinnerungsschreiben, wenn es zum Beispiel um eine Auffrischungsimpfung geht. Es besteht die Möglichkeit, Verkehrsbeschränkungen anders zu verfügen, um eben gänzliche Absonderungen möglichst zu verhindern. (Bundesrat Steiner: Bürger einsperren ohne Verdacht!) Im Suchtmittelgesetz wird eine Verlängerung vorgenommen, sodass auch weiterhin ohne ein ärztliches Vidit die Abgabe von Medikamenten möglich ist; und – das ist auch schon von Kollegen Appé angesprochen worden – auch in Hausapotheken können Covid-Medikamente abgegeben werden.

All das sind sinnvolle, notwendige Anpassungen und Verlängerungen. Ich darf hier um breite Zustimmung ersuchen und möchte mit einer Pandemieformel schließen, die Kol­lege Saxinger letztens im Nationalrat gebracht hat, nämlich seine ganz persönliche Pandemieformel, die er jedem ans Herz legt. Natürlich sind wir nach zweieinhalb, drei Jahren alle müde geworden, aber er sagt: Mit etwas Hausverstand, mit der nötigen Gelassenheit und dem Blick immer auf die Wissenschaftlichkeit werden wir das ge­meinsam gut meistern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 154

der Grünen. – Bundesrat Steiner: Hausverstand?! Spielplätze zugesperrt! Dann haben Sie die Bundesgärten zugesperrt! Eine Wortmeldung der ÖVP zum Hausverstand!)

18.05


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte sehr.


18.05.52

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Vielleicht ein paar Anmerkungen zur Einordnung. Ich werde augenblicklich, werte Kolleginnen und Kolle­gen von der FPÖ-Fraktion, gescholten, und zwar ziemlich massiv. Nicht von Ihnen  von Ihnen werde ich sowieso immer gescholten , aber von einem Teil der Öffentlichkeit, der meint: Das geht sich alles gar nicht aus, man muss viel strenger sein, man muss jetzt sofort die Maskenpflicht wieder einführen, Ausgangsbeschränkungen einführen, bis hin zu Aufforderungen, wir müssen, weil ja jetzt eine Sommerwelle auf uns zukommt, über Lockdowns nachdenken. (Ruf bei der FPÖ: Von uns? – Bundesrätin Schartel: Nein, von ...!) – Nicht von Ihnen, von einem Teil der Öffentlichkeit. (Bundesrat Steiner: Die ihr so narrisch gemacht habt!) Das heißt, das ist viel zu wenig weitgehend, wir sind viel zu wenig vorsichtig.

Ich habe die Meinung vertreten, wir müssen jetzt einen Weg finden, wie wir verant­wortungsbewusst mit dieser Pandemie umgehen, das heißt, ein Stück weit auch zu lernen, mit Covid zu leben. Was heißt das? – Das heißt nicht, alle Vorsicht fahren zu lassen. Das heißt auch nicht, auf Maßnahmen zu verzichten, sondern, sie dann einzu­führen, wenn sie notwendig sind. Das heißt aber sehr wohl, ein Stück weit auch Normalität zuzulassen und zu überprüfen, wie wir das schaffen.

Das heißt eben erstens, die Vorbereitungen zu treffen, die notwendig sind, um auch die Mittel zu haben, wenn es darauf ankommt. Das tun wir im Übrigen heute. Das ist ja kein Freibrief an den Gesundheitsminister, sondern schlicht der Vorsicht geschuldet, allen­falls – wir wissen das halt einfach nicht –, dann, wenn im Herbst eine Virusvariante auftauchen sollte, die wesentlich gefährlicher und ansteckender als BA.4, BA.5 ist, die Maßnahmen zu haben.

Im Übrigen heißt es auch – ich habe das schon gesagt –, darüber nachzudenken, wie wir mit Absonderungs-, Quarantäneregeln umgehen, und da auch zu einem Weg zu kommen, das natürlich im Sinne einer – wie soll ich sagen? – schwereren Krankheit, schwereren Grippe zu machen und nicht permanent nur mit Quarantäneregeln. Das braucht aber Voraussetzungen. Die Voraussetzungen müssen sein, dass die Wissen­schaft sagt: Ja, das geht sich aus!, und wir auch Wege finden, wie das gesetzlich abbildbar ist. Das ist der Weg, den wir gehen. Darauf bereiten wir uns vor.

Ein Satz noch zur Impfung und zur Impfpflicht: Mit der Abschaffung der Impfpflicht ist ja nicht die Impfung abgeschafft worden. Das wäre eine Fehleinschätzung. Ich habe jetzt wieder die aktuellen Zahlen aus Europa bekommen und mir angeschaut. Selbstver­ständlich bleibt es dabei: Die Auffrischung und die Impfung schützen vor schweren Verläufen. Sie schützen auch davor, im Spital oder auf der Intensivstation zu landen. Ja, es wird dieses Impfangebot auf freiwilliger Basis geben.

Ich kann Ihnen mitteilen, dass der überwiegende Teil der über 65-Jährigen – das sind etwa 70 oder 80 Prozent in dieser Altersgruppe – von sich aus bereit ist, sich auffrischen zu lassen (Bundesrat Spanring: Ja, das ist eh in Ordnung! Jeder der will, der soll! Alles gut!), weil sie überzeugt sind, das dass ein guter Schutz ist und sie damit auch gut durch den nächsten Winter kommen. – Ich danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Eine richtige Kehrtwendung! – Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesrat


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 155

Kornhäusl –: Eigentlich hat er jetzt genau das Gegenteil von dir gesagt! – Bundesrat Kornhäusl: Wieso? – Bundesrat Steiner: Hör dir doch deine alten Reden an, Herr Doktor!)

18.08


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile dieses.


18.08.56

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Mit dem ständigen Verlängern der Covid-Maßnahmen und -Gesetze kommt es mir vor wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Ich kann es nicht mehr hören und es reicht mir. (Beifall bei der FPÖ.) Nicht nur mir, sondern sehr, sehr vielen Österreichern reicht es. Sie können es nicht mehr hören!

Zur Normalität, wie Sie sagen: Mit dem Verlängern der Krisengesetze erreichen Sie genau das Gegenteil vom Herauskommen aus dem Krisenmodus: Der Krisenmodus wird dadurch nur verlängert. Es bleibt bei den Absonderungen, es bleibt bei den Kosten­ersätzen. Statt Covid als normale Krankheit zu behandeln, werden die Möglichkeiten für Verkehrsbeschränkungen erweitert: wieder die Leute einsperren, sprich Absonderung, Quarantäne. Jeder kriegt ein Erinnerungsschreiben, der bereits drei Impfungen hat  das wird nur sehr viel Geld kosten, die vierte Impfung ist ja nicht einmal für alle empfohlen, sondern für 80-Jährige beziehungsweise jetzt seit Kurzem für 65-Jährige.

Herr Bundesminister, das angekündigte Aus für die Impfpflicht wäre ein Schritt oder ist ein Schritt aus der gesellschaftlichen Spaltung heraus hin zu einem neuen Miteinander, ein Einlenken in Richtung Vernunft. Das Aus für Impfpflicht ist auf jeden Fall ein Erfolg für die Freiheit. Dennoch hätte es niemals so weit kommen dürfen, dass Sie zuerst Angst und Schrecken verbreiten, dann durch widersprüchliche Maßnahmen Chaos verur­sachen und letztlich dann so tun, als sei nichts gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Also, geschätzte Damen und Herren, ich und viele Österreicher werden nicht vergessen (Bundesrat Bader: Viele Österreicher und ich!), wer sie eingesperrt hat, wer sie zwang beziehungsweise gezwungen hätte, sich impfen zu lassen. Zwang und Unfreiheit in einer Gesellschaft Sie, Herr Minister, haben es bei der Pressekonferenz zugegeben  führen zu keiner Lösung. Es führt zu einer gespaltenen Gesellschaft. Lernen Sie daraus!

Ich würde mich ja freuen, wenn wir tatsächlich gemeinsam einen gesundheitspolitischen Plan erarbeiten würden, denn sowohl die Menschen als auch die Wirtschaft brauchen Planungssicherheit für den Herbst. Seit einem halben Jahr zirkuliert Omikron mit den verschiedensten Untervarianten. Der Großteil der europäischen Staaten hat alle ein­schränkenden Maßnahmen aufgehoben und den Ausnahmezustand bereits verlassen. Nur bei uns in Österreich müssen wir uns Tag für Tag anhören, dass wir im Daueraus­nahmezustand bleiben müssen, weil wir ja nicht wissen, was uns der Herbst bringen wird.

Das kann nicht der Lösungsvorschlag sein, das kann auch nicht die einzige Lösung sein. Was machen Sie? Sie schaffen wie gesagt die Möglichkeit, Personen, die eigentlich eben nicht abzusondern sind, in ihren Grund- und Freiheitsrechten zu beschränken, und zwar bis in den privaten Bereich hinein. Sie wollen festschreiben, wie bestimmte Perso­nengruppen am sozialen Leben teilhaben können, ob sie zur Geburtstagsfeier gehen dürfen oder nicht. Das wollen Sie mit diesen Verkehrsbeschränkungen in Zukunft per Verordnungsermächtigung am Parlament vorbei festlegen. Wenn ein Mensch keine Gefahr für andere darstellt, dann gibt es überhaupt keinen Grund, ihn in seinen Grund- und Freiheitsrechten einzuschränken. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 156

Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Über zwei Jahre schwarz-türkis-grüne Regierung sind mehr als genug! In allen Ministerien herrscht Stillstand, auch im Gesundheits- und Sozialministerium. Sie sind mit sich selbst beschäftigt, ob es die Ministerwechsel sind oder die ständigen Korruptionsvorwürfe.

Gerade in Ihrem Bereich gibt es große Herausforderungen und offene Themen. Da wäre zum Beispiel die Apothekengesetznovelle. Der Personalmangel in der Pflege hat bereits große Auswirkungen. Das wurde schon mehrmals angesprochen. Pflegeheime haben bereits zugesperrt, Stationen in Krankenanstalten wurden geschlossen. Neben der Pflege müsste auch die Allgemeinmedizin dringend attraktiver werden, denn gerade für den ländlichen Raum ist es notwendig, dass wir die ärztliche Versorgung auch in Zukunft sicherstellen können. Herr Minister, es ist höchste Zeit, dass Sie als Minister Verant­wortung übernehmen und den Strukturplan einfordern, damit diese Stellen auch tat­sächlich mit Ärzten besetzt werden.

Die Regierung hat nicht mehr die notwendige Kraft und vor allem auch nicht mehr das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung, um die richtigen und notwendigen Maß­nahmen zu setzen. Daher: Treten Sie zur Seite und machen Sie den Weg frei für Neu­wahlen! Das ist dringend notwendig. Je früher, desto besser! (Beifall bei der FPÖ.)

18.14


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir begrüßen bei uns im Haus Herrn Bundesminister Martin Polaschek, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses.


18.14.26

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Wenn man dem Herrn Minister jetzt so zugehört hat, dann könnte draußen der trügerische Eindruck entstehen, dass eh alles halb so wild ist und auch die Gesetzgebung, die heute hier von ÖVP und Grünen verabschiedet wird, halb so wild ist. Nur, das ist ein Täuschungsvorgang. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ach so?) Frau Eder-Gitschthaler hat gesagt, dass die Gesetz­gebung halb so wild ist. – Haben Sie sich das durchgelesen? Wissen Sie, was da drin­steht? Nicht, gell? – Ja, sie schüttelt den Kopf, sie weiß es nicht, redet aber herein. Das ist eben der Vorteil von einem Ordnungsruf, den man versteht. Dann kann man nämlich darauf reagieren.

Ich werde Ihnen aber jetzt erklären, was alles drinnen steht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Gerne! Danke!) Das ist nämlich eine Gefahr und klingt ganz, ganz anders als vom Herrn Minister gerade dargestellt. – Das ist das Trügerische bei Ihnen, Herr Rauch, im Gegensatz zu Ihren Vorgängern, das muss man auch dazusagen.

Heute wird das Epidemiegesetz noch einmal, zum zigsten Mal, ich weiß ja schon gar nicht mehr wie oft, verschärft. Wenn man sich das so durchliest und wenn es keine deutschen Worte wären, könnte man eigentlich glauben, man lebt in China. Das ist, was Corona betrifft, eine Anlehnung an chinesische Gesetzgebung. (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein! Weit entfernt! Das ist weit entfernt! – Bundesrat Buchmann: Was du alles weißt!)

Es ist eben einmal leider Gottes auch so, dass wir auf dieser Ministerbank ein Sam­melsurium haben, das sich dauernd im Ausnahmezustand wiederfindet. Ob das jetzt Corona ist, ob das der Bildungsminister ist, der durchgehend überfordert ist, ob das die Korruptionsfälle bei der ÖVP sind, ob das die Teuerung ist, ob das die Sanktionspolitik ist, dazu findet sich auf der Ministerbank ein Sammelsurium des durchgehenden Chaos.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 157

Und heute beschließt man die Verlängerung des Chaos und des Notstands in Verbindung mit Corona, Herr Minister Rauch. Denn was passiert denn heute? – Frau Eder-Gitschthaler, jetzt hören Sie gut zu, denn Sie haben ja behauptet, das sei alles nicht so schlimm! Jetzt geht es um die Verlängerung des Bespitzelns von freien Bürgern. Es geht um das willkürliche Zusperren von Betrieben und Bildungseinrichtungen. Es geht um das Absondern von ganzen Personengruppen. Und was passiert dann? Das ist die Fortsetzung von ganz viel Leid und psychischen Problemen, speziell bei Kindern. Und das nennen Sie nicht so schlimm? Da sehen Sie einmal, in was für einer Welt Sie leben, Frau Kollegin!

Ihr beschließt da heute, man sieht es ja, mit einem Lächeln im Gesicht weitere Ein­schnitte ins persönliche, private und freie Leben der österreichischen Bevölkerung, und das auch noch – darauf ist noch niemand eingegangen – mit einem stümperhaften Ge­setz, das noch während der Nationalratssitzung abgeändert wurde. Das muss man sich einmal vorstellen: Da ändern Abgeordnete der Regierungsparteien das Gesetz kurz noch einmal ab, obwohl es um so massive Verschärfungen im Epidemiegesetz geht, – wir sind es ja gewohnt, ohne Begutachtungsverfahren, husch, pfusch! Aber was soll man sich denn von dieser Regierung anderes erwarten?

Nicht umsonst haben wir ja schon den dritten Gesundheitsminister, den dritten oder vierten Kanzler, den zweiten Bildungsminister, ein paar Staatssekretäre dazu, ein paar Staatssekretäre weg. Wenn Sie es nur einmal ernst nehmen würden, ja, und wenn Sie Ihren Sonntagsreden auch einmal Taten folgen lassen würden! Ich kann mich erinnern, dass es immer, wenn die Frau Rechnungshofpräsidentin oder der vorige Rechnungs­hofpräsident im Nationalrat gesessen ist, geheißen hat, dass der Rechnungshof so wichtig ist. Und wenn es dann aber einmal darum geht, dass der Rechnungshof euer Pandemiemanagement bewertet, dann ist euch das völlig egal. Das liest sich wahr­scheinlich niemand durch. Ich weiß aber gar nicht, ob man das überhaupt als Pande­miemanagement bezeichnen kann, eher Pfuschergewurschtel, aber seiʼs drum, es war auf jeden Fall ein vernichtendes Urteil.

Statt euch endlich einmal damit zu befassen, das vielleicht einmal durchzulesen und über eure Fehler nachzudenken, legt ihr jetzt ein Gesetz vor, das das Ganze noch weit schlimmer macht, und bemerkt gar nicht, wie weit ihr da mit eurer verkorksten Politik nicht nur im Bereich Corona in eine Abwärtsspirale geht. Und da rede ich jetzt nicht nur von Corona, denn das sind auch die Korruption, die Sanktionspolitik und die Teuerungswelle. Es ist mittlerweile einfach ganz, ganz schwer, euch da zuzuschauen, und ihr tut mir ja schon ganz leid, wie ihr versucht, euch da überall durchzuwurschteln, wobei sich das Mitleid dann wieder in Grenzen hält, weil ihr euch ja nur deshalb durch­wurschtelt, damit ihr eben noch länger auf den Ministersesseln sitzen könnt. Wenn Neu­wahlen wären, würdet ihr diese Plätze wahrscheinlich schon lang nicht mehr einnehmen können. (Bundesrätin Zwazl: Ach, du machst es sicher besser!)

Und eure Verschärfungen beweisen halt schon eindrucksvoll, wie ihr mit den Leuten umgeht, nämlich ganz anders, als Sie, Herr Rauch, gerade vorhin gesagt haben. (Bun­des­rätin Eder-Gitschthaler: Minister!) Sie wollten nämlich sogar automatisierte, ano­nyme Absonderungsaufforderungen per Mail da hineinschreiben. Es hat dann Gott sei Dank einen großen Aufschrei in der Öffentlichkeit gegeben und Sie haben das wieder zurückgezogen. So viel zu Ihren Wort hier herinnen und zum wahren Gedankengang, den Sie eigentlich vertreten.

Mittlerweile geht es ab heute, wenn das mit ihrer Verordnungsermächtigung in Kraft tritt, dann so weit, dass einzelne Verdächtigungen schon ausreichen, um Leute einzusperren. Da sprechen wir jetzt dann wahrscheinlich von den Ungeimpften, obwohl das so nicht drinnen steht. Der Minister, oder wer auch immer im Herbst dann Gesundheitsminister ist, kann also quasi ganz nach Lust und Laune jene Personen, die vielleicht nicht in euer


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 158

System der Gehorsamen passen, einfach per Verordnung einsperren und aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließen, ganz ohne ärztlichen Befund, ganz ohne Test­ergebnis. Euch reicht der Verdacht. Das ist aber ganz praktisch, denn man weiß ja nie, es kann ja wieder einmal passieren, dass es eine regierungskritische Demonstration gibt, dass es eventuell Aktionen gibt, und dann stellt man diese Personen halt einfach unter Verdacht, und schon sind sie weggesperrt. Da merkt man dann halt schon, in welche Geistesrichtung man sich in den letzten zweieinhalb Jahren entwickelt hat. Ich will aber die österreichische Geschichte gar nicht länger bemühen.

Das Coronatracking wurde auch schon erwähnt. Der Minister kann es jetzt machen, wie er gerade drauf ist, auf welchem Trip er halt gerade ist. Das macht er dann einmal so und einmal so, und man weiß halt nicht, auf welchem Trip dann jeder Minister, der im Gesundheitsministerium daherkommt, gerade unterwegs ist.

Das sind also brandgefährliche Änderungen und nicht so läppische Anpassungen, wie das hier jetzt darzustellen versucht wurde. Es sind Verschärfungen im Epidemiegesetz ohne Epidemie, Herr Rauch, denn wenn ich Ihre Worte ernst nehmen kann, dann haben Sie vorhin gesagt: Nehmen wir diese Erkrankung als schwere Grippe, behandeln wir sie wie eine schwere Grippe!  Jetzt weiß ich nicht, inwieweit man sich hier herinnen noch erinnern kann. Als wir das vor einem, eineinhalb Jahren hier vom Rednerpult aus gesagt haben, ja, frage nicht, was da für ein Shitstorm über uns hereingebrochen ist. (Bundesrat Schreuder: Das waren doch andere Varianten! Da gab es noch viel mehr Intensiv­patienten!) Frage nicht, was da los war, frage nicht! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Das war doch eine andere Variante!) Jetzt, da Herr Rauch das sagt, sitzt Herr Dr. Kornhäusl da und klatscht wie ein Narrischer. (Bundesrat Buchmann: Jessas na! Herr DDDr. Steiner!) Also das ist schon interessant, nicht? (Bundesrat Bader: Du kennst dich halt nicht aus!)

Jetzt haben wir da eine Regierung sitzen, die nicht einmal von 30 Prozent der Bevöl­kerung akzeptiert wird. Corona, darüber müssen wir uns jetzt endlich einmal im Klaren sein, ist für die klar denkenden Menschen und jene, die ihren Hausverstand nicht beim Billa kaufen müssen, schon längst zu einer normalen Lebensrealität geworden. Die Angst, die ihr in den letzten zweieinhalb Jahren geschürt habt, weicht langsam, aber sicher einer selbstbewussten, ablehnenden Haltung gegenüber diesen Verrücktheiten. Es dämmert auch jenen, die anfänglich noch alles geglaubt haben, euren Lügen und Schreckgespenstern auf den Leim gegangen sind. Langsam, aber sicher kommen die Bürger wieder zurück in den normalen Denkmodus, selbstredend  das muss man voraussetzen mit Ausnahme dieser Regierung.

Mittlerweile ist klar, dass diese Impfung weit, weit weniger Nutzen als Schaden ange­richtet hat. Ich spreche jetzt nicht von den Milliarden Euro, die ihr für Impfstoffe, die dann ja für den Sondermüll waren, für eure Impfstraßen, in denen die Leute wie bei Tier­seuchenimpfungen durch Schleusen in Zelten, Hallen und Kellern durchgetrieben wur­den, hinausgeschmissen habt. Nein, nein, ich rede jetzt von den teilweise brutalen Impfschäden, die ihr in der Bevölkerung angerichtet habt.

Jetzt kommt es heraus, und man wird es nicht glauben, aber sogar das ZDF und auch der NDR, also zwei Regierungssender in Deutschland, berichteten vor Kurzem über die unzähligen Impfschäden eurer Gamechangerimpfung. Darunter waren auch eine Weltmeisterin im Gewichtheben und eine bekannte Schauspielerin, die nun den Mut haben, mit ihren persönlichen Impfschicksalen an die Öffentlichkeit zu gehen. Diese Weltmeisterin im Gewichtheben ist heute aufgrund des bestätigten Impfschadens nicht einmal mehr in der Lage, mit ihrem Hund eine Gassirunde zu drehen. – So viel zu eurem Gamechanger.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 159

Endlich, kann ich nur sagen, bricht euer Konstrukt der Angst, der Panikmache, der Lügen ganz einfach in sich zusammen, denn mittlerweile haben wir weit mehr Impfschäden in den Krankenhäusern zu behandeln als Coronapatienten. (Bundesrat Novak: So ein Blödsinn!) Es ist nur gut, dass die Impfschäden nun endlich an die Öffentlichkeit kom­men. Was aber macht diese Regierung? – Diese Regierung reitet weiter auf ihrem toten Impfpferd. Im Übrigen, weil Sie ja auch für den Tierschutz zuständig sind, Herr Minister, ist das auch noch pietätlos.

Jetzt wurden allen Ernstes Briefe an die Bürgermeister geschickt. Das muss man sich einmal vorstellen! Jetzt schicken sie von der Regierung aus Briefe an die Bürgermeister, diese mögen doch ihre Macht in den Gemeinden nützen, um fünfjährige Kinder dazu zu bekommen, sich impfen zu lassen. Dann stellen sie dieser Gemeinde auch noch eine Belohnung von Zigtausenden Euro in Aussicht, wenn sie das tun. Das ist fahrlässig, das ist ein Wahnsinn, was Sie sich da herausnehmen, ganz ehrlich, Bürgermeister mit Geld zu gängeln, damit sie ihre fünfjährigen Gemeindebürger in eine Impfung zwingen! (Beifall bei der FPÖ.) Aber Gott sei Dank kenne ich mittlerweile genug Bürgermeister aller Couleurs, die diesen Irrsinn nicht mitmachen und auf dieses moralisch dreckige Geld gut und gerne verzichten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Bravo!)

Jede 69. Impfdosis führt zu massiven – nicht zu leichten – Nebenwirkungen. (Bundesrat Kornhäusl: Sagt Herr Steiner!) Das ist nicht – nein, nein, Herr Kollege Kornhäusl, auf Sie komme ich schon noch zu sprechen – von Herrn Steiner, sondern das ist die Statistik des KBV. (Bundesrat Kornhäusl: Von Dr. Google!) Wer ist der KBV? Das sollten Sie als Arzt wissen. – Ah, Sie wissen es nicht. Schauen Sie, ich erkläre es Ihnen: Das ist die Kas­senärztliche Bundesvereinigung in Deutschland. Das ist nicht der Experte Dr. Kornhäusl, sondern das sind 183 000 Ärzte, also ein bisschen mehr als unsere schwindligen Regie­rungsexperten. Diese haben das in ihrer Statistik erhoben, Herr Dr. Kornhäusl. (Bun­desrat Kornhäusl: Passt schon!) Mir ist aber schon bewusst: Ihre Experten zählen, aber 183 000 Ärzte in Deutschland, die das erheben, zählen natürlich nicht. Das ist aber halt die kleine, kleine Welt des Herrn Coronadoktors Kornhäusl. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist halt einmal so: Man will es nicht hören, aber mittlerweile – euch wird es nicht anders gehen – kennt jeder jemanden, der mit einem Impfschaden zu kämpfen hat. (Bundesrätin Zwazl: Nein, ich nicht! – Bundesrat Kornhäusl: Na geh, bitte! – Bundesrat Raggl: Ich kenne keinen!) Das ist die traurige Realität, und somit holt einen der Schwachsinn, den man hier oft vom Rednerpult aus zum Besten gegeben hat und gibt, wieder ein, gell, Herr Dr. Kornhäusl?

Ich habe ja gehört, Sie waren als Landesrat in der Steiermark im Gespräch. Aber der zukünftige Landeshauptmann wird sich dann ein paar Coronareden von Ihnen angehört haben und dann wird er sich gedacht haben: Ui, ui, das tue ich mir jetzt nicht an! (Bundesrat Kornhäusl: Das ist jetzt aber schon tief, wirklich!) Ich finde es gut, denn dann haben wir zwei noch ein bisschen länger Spaß miteinander hier im Bundesrat. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Raggl: Das ist so primitiv!)

Euer Schwachsinn oder der Schwachsinn, den viele oft einmal in Coronazeiten erzählt haben (Bundesrat Bader: Der Schwachsinn steht am Rednerpult!), holt halt jetzt mittler­weile auch den einen oder anderen Landeshauptmann ein. Ich appelliere jetzt einmal an eure Erinnerung: Könnt ihr euch noch an den Vater der Impfpflicht vom Achensee erin­nern?  Ich denke schon, denn viele Österreicher werden das lange, lange nicht ver­gessen. In der „Krone“ stand am 20.11.2021 – ich darf zitieren : „Impfpflicht ändert alles. [...] Die von mir eingeforderte begleitende Impfpflicht‘, so betonte Platter, ‚hat die Rahmenbedingungen geändert.‘“

Vor ein paar Monaten war dieser Günther Platter also ganz, ganz stolz auf seinen Schwachsinn, Vater der Impfpflicht zu sein. Und jetzt beweise ich euch im nächsten Zitat,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 160

wie die ÖVP wieder einmal versucht, in der Bevölkerung die Unwahrheit – um sie nicht Lüge zu nennen, denn sonst bekomme ich wieder einen Ordnungsruf – zu streuen; nur, so auf den Leim gehen tut euch die Bevölkerung jetzt nicht mehr: Am 24.6., vor ein paar Tagen, ließ sich Herr Platter wirklich zur nächsten Wortmeldung herab: „Tirols LH Platter begrüßt das Aus für die Impfpflicht.“ – Und jetzt kommt der Überhammer! Platter weiter: „Er betonte gestern erneut, dass er beim damaligen Treffen der Landeshauptleute am Achensee im November als Einziger gegen die Impfpflicht gewesen sei.“ (Heiterkeit des Redners sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.) Also, na bumm, sage ich da gerade noch. Was soll man denn von solchen Leuten halten? Was soll man mit denen für eine Gesprächsbasis haben? Wie kommt er zu solch einer Aussage? Zuerst ist er der Vater der Impfpflicht und ganz stolz, dass er sie in seinem Bundesland am Achensee um­gesetzt hat, dann fällt die Impfpflicht gottlob, und dann stellt er sich hin und sagt, er war der Einzige, der im November gegen die Impfpflicht gewesen sei! Also es ist halt einmal so, wieder der Unwahrheit, um es nicht Lüge zu nennen, überführt, und das bestätigt halt wieder einmal: Die ÖVP ist und bleibt halt eine Partei - - Nein, ich will es nicht sagen, ich hätte fast: der falschen Fünfziger, gesagt. Ich sage es jetzt nicht, die Leute draußen kennen sich ohnehin aus. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch aus ganz, ganz vielen anderen Gründen  – ihr habt in Sachen Corona, in Sachen Teuerungspolitik, in Sachen Ukraine und Sank­tionspolitik versagt helfen wir euch ja gerne auf die Sprünge. Ihr sagt ja immer, wir haben keine Ideen und keine Vorschläge, aber ich glaube, es ist mittlerweile der hun­dertste oder zweihundertste Antrag zu diesem Thema ist ja wurscht, wir haben ja keine Anträge.

Ich bringe jetzt einen Entschließungsantrag ein, damit dieser Wahnsinn endlich aufhört:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Außer­krafttreten des COVID-19-Maßnahmengesetzes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage, in der das Bundes­gesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG) mit 8. Juli 2022 außerkrafttritt, zu­zuleiten.“

*****

Jetzt würde ich sagen, das ist nicht der schlechteste Vorschlag, wenn man heute Herrn Minister Rauch zugehört hat, denn dieser will es ja anscheinend auch nicht mehr haben, macht es aber trotzdem. Stimmt diesem Antrag heute noch zu, tretet danach alle ge­schlossen zurück und ihr werdet sehen, wie schnell Österreich wieder normal wird! Darauf warten wir ganz, ganz dringend.

Jetzt bleibt mir schon noch etwas übrig, denn nur über die Regierung zu schimpfen, ist zu wenig: Man muss schon daran erinnern, wie sich die Sozialisten so verhalten. Diese schicken jetzt ernsthaft einen Brief an alle Schulen in Wien. Kommen tut er vom Impfservice Wien, und da steht drin: Abschluss der Grundimmunisierung. Allen Personen im Alter von fünf Jahren oder älter ist eine dritte Impfung sechs Monate nach der zweiten Impfung dringend empfohlen, um die Grundimmunisierung damit abzu­schließen. – Ja welche Grundimmunisierung? Jetzt wissen wir ja genau, dass die


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 161

Immunisierung nach zwei, drei Monaten erledigt ist, und dann wird da von einer Grund­immunisierung geredet!

Als mittlerweile sehr häufiger Zugfahrer frage ich mich schon, was in Wien an Haus­verstand überhaupt noch da ist. Ja gut, zum Hausverstand von Kollegen Kornhäusl muss ich auch noch etwas sagen, weil er den vorhin bemüht hat, aber jetzt einmal zum Wiener Hausverstand, zum Hausverstand der Wiener Landesregierung: Als Tiroler fahre ich mit dem Zug – ich steige in Tirol ein, das sind circa 4 Stunden bis Wien – bis kurz vor Wien Meidling ohne Maske, das heißt, ungefähr 3 Stunden und 40 Minuten lang sitzen wir alle – ich, die Touristen, die Kinder, die Älteren – ohne Maske im Zug. (Bundesrätin Schumann: Bei einer Millionenstadt ist das schon erstaunlich!) Dann kommt die Durch­sage: Vorsicht, jetzt überfahren wir die Landesgrenze nach Wien. Bitte setzen Sie zu Ihrem eigenen Schutz eine Maske auf! (Bundesrätin Schumann: So redet man, wenn man nicht in einer Millionenstadt wohnt!) – Alle im Zug brüllen immer, lachen die Wiener Stadtregierung aus. Natürlich findet sich dann vielleicht einer, der sie dann aufsetzt, aber der Rest setzt sie natürlich nicht auf, zu Recht, denn das hat ja mit Hausverstand genau nichts zu tun. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: 1,9 Millionen wohnen in Wien! – Bundesrätin Schumann: Zwei Millionen haben wir mittlerweile! Zillertal!)

Herr Kollege Kornhäusl! Sie haben heute hier herinnen Herrn Kollegen National­rats­abgeordneten Saxinger bemüht, der im Nationalrat von Hausverstand geredet hat und der das im Übrigen nachher schon bereut hat, weil ihn dann Kollege Wurm schon daran erinnert hat, wie viel eure Coronapolitik mit Hausverstand zu tun gehabt hat. Ich sage ich Ihnen eines: Wenn man als ÖVP Hausverstand in der Coronapolitik einfordert, aber Kindergärten zugesperrt hat, die Bundesgärten zugesperrt hat, Leute drangsaliert hat, ohne Gründe abgesondert hat, dann reden wir zwei bitte nicht von Hausverstand, Herr Coronadoktor Kornhäusl. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.36


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Außer­krafttreten des COVID-19-Maßnahmengesetzes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Kollege Spanring, bitte sehr. Ich erteile dieses. (Ah-, Oh-, Nein- und Ach-Rufe bei ÖVP und SPÖ. – Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Spontanrede! – Bundesrat Schreuder: Das Spontanredemapperl!)


18.37.16

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Die Herrschaften Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Kollege Steiner hat es schon gesagt: In einem Bundesland in Österreich gibt es tatsächlich noch eine Maskenpflicht, und das bei 30 Grad und mehr Außentemperatur. (Bundesrätin Schumann: Bei zwei Millionen Ein­wohnern!) Mehr sage ich dazu gar nicht mehr. Das ist Wien, und das richtet sich in Wahrheit von selbst. (Bundesrätin Schumann: Ja, super! Wir haben eine Metropole, eine Millionenmetropole!)

Diese Regierung, meine Damen und Herren, ist wirklich, wirklich schlecht (Bundesrat Bader: Ja, wenn Sie das sagen!), aber aufgrund der Coronapolitik, die die SPÖ an den Tag legt, muss ich sagen, dass ich jetzt im Moment froh bin, dass die SPÖ nicht in der Regierung ist, denn dann hätten wir diesen Wahnsinn in ganz Österreich. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Leider nicht! – Bundesrätin Zwazl: Weiterreden!)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 162

Aber auch diese Regierung lässt über die Medien  auch der Herr Minister und Herr Kornhäusl haben es heute schon wieder anklingen lassen  die Stimmung aufkommen, dass wir uns darauf vorbereiten müssen, dass wir im Herbst wieder Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie brauchen.

Meine Damen und Herren, ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis: Wenn diese Regierung endlich mit nassen Fetzen verjagt wird, dann, kann ich Ihnen sagen, ist für Österreich diese Pandemie vorbei. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Vielleicht geht es bei einer Wahl und nicht auf der Straße! – Bundesrätin Schumann: Aber nur für Österreich! Für die anderen Länder nicht! – Bundesrat Schreuder – in Richtung SPÖ –: Und ihr dürft auch nicht mitregieren, habe ich gerade gehört!)

Diese sinnlosen Tests müssen ein Ende finden, und wir müssen, so wie viele andere Länder auch, Corona ganz normal wie eine Grippe behandeln. Das hat heute sogar der Herr Minister gesagt! Vor einem Jahr sind wir dafür gesteinigt, geteert und gefedert worden, als wir das gesagt haben. (Bundesrätin Schumann: Das war etwas anderes!)  Das ist überhaupt nichts anderes! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man mit den depperten Tests aufhört, und ich muss es leider so sagen, dann hat das Ganze wirklich ein Ende. Meine Damen und Herren, ich war vor einigen Wochen in England. Sie reden immer von der Pandemie. Eine Pandemie kann es nur sein, wenn es weltweit ist – einige hier herinnen, ich habe es heute schon wieder gehört, reden von der weltweiten Pandemie –, es gibt aber genügend Länder, die haben den ganzen Blödsinn nicht mehr. (Bundesrätin Zwazl: Geh!) Also brauchen wir schon gar nicht mehr von einer Pandemie zu reden. Viele Länder leben schon wieder in der alten Normalität, nur in Österreich, wo einige anscheinend sehr viel Geld damit verdienen, da will man nicht davon ablassen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Was redest du denn da?! So etwas gibt es ja normal nicht! – Bundesrat Schreuder: So ein Blödsinn!)

Die Quarantäneregeln sind auch sofort aufzuheben. Auch das ist zum Beispiel in England so. Das wäre ein gutes Beispiel für Eigenverantwortung: Die, die krank sind und sich krank fühlen, bleiben zu Hause, und die, die gesund sind und sich gesund fühlen, die können wieder arbeiten gehen. (Bundesrätin Schumann: Genau! Da sagt der Arbeitgeber: Super! ... bleib daheim!) – Nein, warum war denn das so? Warum ist das jetzt mit der AUA so? – Wegen eurer Quarantäneregeln! (Zwischenrufe der Bundesrätin­nen Grimling und Schumann.) Einer ist positiv getestet und fünf Leute müssen daheim­bleiben, und das in einer Riesenfirma. Das sind dann Hunderte, die fehlen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, Frau Kollegin, ich spüre mich noch, ja, ich spüre mich noch. (Bundesrat Bader: Der Steiner hat schon Unsinn geredet, ...! – Bundesrätin Hahn: Sollen jetzt alle Arbeitneh­mer krank arbeiten kommen, weil du dir das einbildest?) Komisch: Wenn es bei euch ist, seid ihr immer sehr empfindlich: Uh, er hat etwas Böses gesagt!, aber wenn ihr etwas herausschreit, dann ist das vollkommen in Ordnung. Ich habe kein Problem damit, ich vertrage es locker, aber dann seid nicht selber immer so empfindlich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Meine Damen und Herren, die Impfpflicht ist grandios gescheitert. Sie ist gescheitert! Von Beginn an gab es keine Verhältnismäßigkeit für diese Zwangsmaßnahme. Das vorübergehende Aussetzen war zu wenig, das haben wir von Anfang an immer gesagt. Jetzt ist die Impfpflicht Geschichte, und das ist zum Gutteil natürlich ein Erfolg der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich mahne aber zur Vorsicht. Auch das haben wir heute gehört: Diese Regierung in der Person dieses Ministers kann mit dieser Verordnungsermächtigung jederzeit wieder Maßnahmen verordnen, wenn sie will, die unsere Grund- und Freiheitsrechte einschrän­ken. Dazu sage ich Ihnen eines: Sobald Sie das machen, Herr Minister, sind wir wieder


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 163

Seite an Seite mit der österreichischen Bevölkerung zu Hunderttausenden auf der Straße und werden gegen diesen Irrsinn vorgehen! (Beifall bei der FPÖ.) Das Wort Freiheit steht nicht nur in unserem Namen, sondern wir leben das auch.

Vorhin haben wir gehört: Wien. Es gibt ein Bundesland, das noch verrückter ist, und das ist leider mein Heimatbundesland, das ist Niederösterreich. (Zwischenruf des Bundes­rates Steiner.) Nicht nur, dass Johanna Mikl-Leitner in der letzten Zeit jede Landtags­sitzung zum Thema Teuerung geschwänzt hat, nein, sie gibt uns dafür auch noch gute Spartipps – wir haben es heute auch schon gehört –: Nicht zehn Ballkleider kaufen! Wir brauchen nur drei Ballkleider! (Bundesrat Bader: So ein Blödsinn, was du da daher­redest! Das hat ja mit der Teuerung nichts zu tun!) – Bitte, schau es dir an! Das gibt es sogar im Fernsehen. (Bundesrätin Grimling: Ja, das hat sie gesagt! – Bundesrätin Schumann: Das hat sie gesagt!)  Das hat sie gesagt, Herr Kollege! Hör dir das an! Sogar die SPÖ stimmt mir zu. Das ist einmal ein Novum, aber gut. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Mich wundert ja, dass sie sich nicht hinstellt und sagt: Es ist ja kein Problem, wenn die Leute kein Brot zu essen haben, dann sollen sie doch Kuchen essen! Genau so etwas passt zu Landeshauptfrau Mikl-Leitner. (Beifall bei der FPÖ.)

Darauf wollte ich aber nicht hinaus, meine Damen und Herren, sondern auf etwas ganz anderes. Diese Landeshauptfrau Mikl-Leitner war es, die im September 2021 de facto ein Berufsverbot für Ungeimpfte eingeführt hat, und das ist eine Schande. Da kann sie jetzt zurückrudern, soviel sie will, das werden wir ihr nicht vergessen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben auch viele andere Dinge von ihr nicht vergessen: wie sie 2015 die Innenminis­terin und Bahnhofsklatscherin war, jene Frau, die Sebastian Kurz großgemacht hat und in der Bundesregierung und im Staat der Korruption damit Tür und Tor geöffnet hat. Sie ist noch immer die, die in Wahrheit sagt, wo es in der ÖVP langgeht. Da brauchen Sie nicht so bedröppelt zu schauen. Sie ist die Chefin, das wissen Sie ganz genau. (Zwi­schenruf des Bundesrates Bader.) Nehammer ist Kanzler, weil sie sagt, er darf das sein. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Haben wir Plenarsitzung oder Wahlkampf­auftakt?)

Meine Damen und Herren, wissen Sie, die schlechte Nachricht ist, dass diese Regierung trotz einer Zustimmung von weniger als 30 Prozent in der Bevölkerung nicht gewillt ist, in Neuwahlen zu gehen. Die gute Nachricht aber ist: Johanna Mikl-Leitner kann es sich nicht aussuchen, spätestens im März sind Neuwahlen (Bundesrätin Zwazl: Aber normale Wahlen!), und wir hoffen, dass dann dieses System abgewählt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

18.44 18.44.52


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. (Ruf bei der FPÖ: Sehr knapp! – Bun­desrat Schreuder: Aber die Mehrheit!) Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 164

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Außerkrafttreten des COVID-19-Maßnahmen­gesetzes“ vor. Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesrat Appé –: Ja was willst du jetzt? Entweder Abschaffen oder Beibehalten! Beides geht nicht!)

Wir wiederholen diese Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Bundesrat Steiner: Ingo!) – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag des Ausschusses ist somit angenommen.

18.48.0714. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G) (1435 d.B. und 1509 d.B. sowie 10997/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


18.48.25

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (Fachzahn­arzt-Kieferorthopädie-Gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. 18.49.01


Vizepräsident Günther Novak: Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung der sich bereits auf dem Weg zum Rednerpult befindenden Bun­desrätin Hahn weisend –: Wohl! O ja! – Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.) – Okay. Auf meinem Bildschirm sehe ich keine Wortmeldungen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 165

Frau Kollegin Hahn, eine Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, zum ersten Mal an diesem Tag. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrätin Zwazl: Den Einspruch haben wir auch einstimmig gemacht!) – Danke, dass Sie mich darauf aufmerksam machen.

18.49.5915. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunter­richtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schul­zeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden (1487 d.B. und 1495 d.B. sowie 10984/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 15 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Bericht.


18.50.22

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Hohes Präsidium! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Doris Hahn. – Bitte, Frau Bundesrätin.


18.51.35

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Ja, ich wollte schon unbedingt mit unserem Herrn Bundesminister sprechen – darum meine Eile –, aber jetzt ist es ja so weit.

Kurz umrissen: Es gibt Licht und Schatten in dieser Gesetzesvorlage. Worum geht es genau? – Es geht um die semestrierte Oberstufe, um Maßnahmen, Möglichkeiten be­treffend Covid-19, um individuelle Lehrplanbestimmungen, um Wahlpflichtfächer, um die Bildungsanstalten für Leistungssport, um Lehrgänge für Elementarpädagogik, um Sprachkenntnisse von Lehrkräften an Privatschulen und um vieles andere mehr. Es geht also um viele unterschiedliche Themen, wenn man so will, um ein Sammelsurium an Themenbereichen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 166

Der eine oder andere Bereich ist durchaus als positiv zu bewerten, andere Bereiche sind dagegen leider wieder einmal als nicht genügend oder nicht zufriedenstellend im Lichte der jetzt kommenden Zeugnisverteilung zu bewerten.

Für uns wäre, glaube ich, eine getrennte Abstimmung in diesem Fall eine Möglichkeit, damit wir zumindest einem Teil hier unsere Zustimmung erteilen könnten, aber diese Möglichkeit haben wir im Bundesrat nicht, wie wir wissen, und diese Möglichkeit wollen offensichtlich auch die Regierungsfraktionen nicht, aber sei’s drum.

Kommen wir zunächst zur Überführung der Schulversuche Most, also der modularen Oberstufe, und Novi, der neuen Oberstufe mit verstärkter Individualisierung, wie es so schön heißt, ins Regelschulwesen! Für uns ist nicht wirklich nachvollziehbar, warum diese gesetzliche Implementierung wieder nicht flächendeckend umgesetzt wird. Schul­ver­suche dazu laufen ja bereits seit vielen Jahren, nämlich seit dem Schul­jahr 2005/2006. Es wurde also inzwischen, glaube ich, genügend evaluiert und optimiert, um einen tatsächlichen und echten Systemwandel angehen zu können.

Aus unserer Sicht ist es natürlich gut und sinnvoll, dass nicht gleich ein ganzes Schuljahr mit allen Gegenständen wiederholt werden muss, wenn ein Nicht genügend im Zeugnis steht, sondern dass nur das jeweilige Fach, in dem das Nicht genügend zum Tragen kommt, wiederholt beziehungsweise mit diesem einen Semester wiederholt werden muss. Das war auch immer eine Forderung der Sozialdemokratie.

Dass unter Umständen auch ein Fach in einem höheren Semester besucht werden kann, ist aus unserer Sicht eine gute Sache. Damit können vor allen Dingen auch Stärken und Interessen von SchülerInnen besser abgebildet werden.

Es bleibt ein Aber. Das große Aber bleibt nämlich aufgrund der Tatsache, dass jede einzelne Schule selbst im Schulgemeinschaftsausschuss, im SGA, entscheiden kann oder vielmehr muss, ob sie auf die Sost umstellen möchte oder nicht. Schulautonomie heißt es so schön. – Ja, eh.

In Wahrheit entsteht aber – und diese Befürchtung haben wir – ein gewisses Misch­masch an verschiedenen Schulsystemen, bei dem wir uns dann doch fragen: Wo bleibt die Vergleichbarkeit innerhalb dieses Systems? Wo bleibt die Transparenz, vor allen Dingen auch bei Übertritten in eine andere Schulform? Wo bleibt auch die Transparenz, was die Beurteilung betrifft?

Ein ganz konkretes Beispiel, bei dem Sie mir vielleicht eine Erhellung geben können: Wenn zum Beispiel ein Schüler aus einer semestrierten Oberstufe kommt, seinen Wohnsitz wechselt und dann in eine andere Schule gehen muss, die nicht modular geführt wird, wenn also dieser Schüler vielleicht dann noch Fächer eines anderen Semesters besucht hat, dann ist die Frage: Wie stellt sich ein Übertritt sinnvoll im Interesse und im Sinne des Schülers dar? Wie kann der vollzogen werden? Da bleibt ein großes Fragezeichen. Im Ausschuss haben wir dazu ganz eindeutig gehört, das Modell folgt der Schule, nicht dem Schüler. Wir haben auch gehört, man wird irgendwie Übertrittsregeln erarbeiten müssen, aber wie diese ganz konkret ausschauen sollen, bleibt offen.

Zu den individuellen Lehrplanbestimmungen: Es soll jetzt also möglich gemacht werden, dass Schulen ein schulindividuelles Kurssystem entwickeln, einzelne Bereiche aus den Fachlehrplänen herausnehmen und sie dann als neue Wahlpflichtfächer in den Fächer­kanon integrieren. Das ist insofern ebenso positiv, als dadurch natürlich Schülerinnen und Schüler ganz individuell nach Interessen, nach Stärken, auch nach ganz beson­deren Kompetenzen ihren individuellen Stundenplan gestalten können. So weit, so gut. Etwas Ähnliches leben wir auch bereits an meiner Schule, auch wenn es eine Mittel­schule ist. Das kann durchaus positiv sein.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 167

Was mir persönlich aber in dem Gesetzentwurf gänzlich fehlt, sind Erläuterungen dahin gehend, wie Qualität sichergestellt werden kann. Da hat mir sogar der Experte im Ausschuss recht gegeben. Er hat überspitzt das Beispiel vom Hamsterweitwurf formu­liert. Also wenn man in der Schule das Wahlpflichtfach Hamsterweitwurf einführen möchte, wäre das theoretisch gesetzlich möglich. Die Frage ist nur, ob es qualitätsmäßig auch möglich ist. Er hat also bestätigt, dass da eine Form von Qualitätssicherung auf alle Fälle gewährleistet sein muss. Er hat aber auch hinzugefügt, dass die SQMs einen verstärkten Blick darauf haben werden müssen. Die werden sich dann, glaube ich, über eine zusätzliche Aufgabe sicherlich freuen.

Es bleiben also aus unserer Sicht Fragen über Fragen, viele Unklarheiten, und deshalb gibt es keine Zustimmung unsererseits dazu.

Noch ein Wort zu den Zahlen, die Sie in der letzten Nationalratssitzung genannt haben, nämlich betreffend das Förderstundenpaket. Sie haben ja da sozusagen die vielen zusätzlichen Förderstunden und Lehrerplanstellen angepriesen, die im vergangenen oder jetzt ablaufenden Schuljahr zur Verfügung gestellt wurden: Ja, es ist zumindest etwas in die richtige Richtung und zumindest ein bisschen etwas an Ressourcen, was da in die Hand genommen wird, aber aus meiner Sicht wird die Problematik durchaus verkehrt angegangen. Ich empfinde es eher als ein Kleben von Pflastern auf Wunden, aber die Ursache dieser Wunden wird nicht wirklich bekämpft.

Wenn ein Kind Lernschwierigkeiten in einem Fach hat, dann bekommt es zusätzlich Förderstunden. Das ist grundsätzlich gut. Ich denke aber – und da sind wir uns hoffent­lich einig –, es muss das Ziel sein, dass schon zu Beginn des Lernprozesses verstärkte Förderung möglich wird, damit eben nicht erst dann, wenn Schwierigkeiten auftreten, eingegriffen und reagiert werden kann, sondern schon von Beginn weg. Das heißt, es muss ganz vorne am Lernweg, schon in der Volksschule, beginnen.

Ich wiederhole deswegen auch noch einmal ganz laut unsere Forderung: Es braucht endlich eine flächendeckende Doppelbesetzung von Lehrkräften, zumindest in den ers­ten beiden Schuljahren, aber wenn möglich sogar in allen vier Jahren in der Volksschule und auch in den Mittelschulen, wo diese Doppelbesetzungen in den letzten Jahren ja sukzessive reduziert wurden. Das wäre ganz, ganz wichtig für eine wirkliche Individu­alisierung und Differenzierung, damit das auch wirklich gut über die Bühne gehen und umgesetzt werden kann.

Sie haben gesagt, es gibt dazu Verhandlungen mit den Ländern und mit dem Bund. Ich bitte darum, auch um wirklich rasche Verhandlungen. Für das kommende Schuljahr ist es ohnehin gelaufen – der Stellenplan steht –, aber für das übernächste Schuljahr wäre meine eindringliche Bitte, das wirklich rasch und eindeutig zu verhandeln.

Auch ein Thema im Ausschuss war die Sommerschule. Natürlich ist das gerade jetzt, am Ende des Schuljahres, ein heißes Thema. Jetzt soll diese ja auch schul­arten­über­greifend möglich sein, was auch grundsätzlich gut klingt. Wir haben aber gehört, sie soll jetzt vor allen Dingen von Lehramtsstudierenden betreut werden. Das stelle ich mir ein bisschen schwierig vor, ohne jetzt den Studierenden ihre Fähigkeiten abzusprechen, ganz im Gegenteil, die sind sicher hoch motiviert und freuen sich über Praxis, Übung und Erfahrung, die sie sammeln können. Stellen wir uns aber einmal die Situation vor: Es gibt eine Gruppe von 15 Jugendlichen, da sind Kinder aus der Volksschule, aus der Mittelschule oder aus der AHS dabei, Kinder, die Förderung in Deutsch brauchen, die Nächsten in Mathematik, dann wieder braucht einer Vorbereitung auf einen Wettbewerb oder eine Aufnahmeprüfung. Also ich stelle es mir schon sehr schwer vor, diesen unterschiedlichen Bedürfnissen wirklich gerecht zu werden.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 168

Ja, es ist positiv: Jetzt sollen die Studierenden zumindest ein bisschen besser dafür entlohnt werden, nämlich statt mit 25 Euro mit 30 Euro. Auch das ist also zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Dennoch wage ich aber zu bezweifeln, dass die Studierenden auch wirklich die pädagogische Routine schon mitbringen. Vor allen Din­gen werden sie auch noch nicht die Sammlung an Material für solche unterschiedlichen Bedürfnisse zur Verfügung haben. Insofern darf ich an Sie ganz konkret die Frage richten, wie in diesem Zusammenhang die nötige Qualität sichergestellt werden kann.

Noch ein letzter Punkt zum Schulpaket, das Sie angekündigt haben: Demnach sollen ja künftig JunglehrerInnen auch aufgrund ihrer fehlenden Praxisausbildung nicht mehr fachfremd eingesetzt werden können, was zunächst einmal gut klingt, man nimmt also Rücksicht darauf. In der Praxis hat das aber auch wieder den einen oder anderen Haken.

Man stelle sich beispielhaft einen Kollegen vor, der in Spanisch und Musik geprüft ist. Wie setzt man so einen Kollegen voll, also mit einer vollen Lehrverpflichtung, in einer kleinen Mittelschule ein? Oder: Wie setzt man eine Kollegin ein, die in Latein und BU geprüft wurde, wenn es zum Beispiel Latein an einer Mittelschule gar nicht gibt? Wie das in kleinen Mittelschulen überhaupt funktionieren soll, ist und bleibt mir persönlich ein Rätsel. Müssen dann erfahrene Lehrkräfte ihre Lehrverpflichtung vielleicht sogar redu­zieren, weil die Schulen in ihren Gegenständen womöglich gar keine Stunden mehr übrig haben? Wie soll das funktionieren? Mir ist das wirklich nicht klar. Was macht man mit einem Kollegen, wenn man beispielsweise einen Mathematiker braucht und einen Ger­manisten bekommt?

Diese Fragen stellen sich wie gesagt in Zeiten akuten Lehrerinnen- und Lehrermangels. Ich glaube, das ist kurzsichtig und zeigt leider einmal mehr eine eher mangelnde Wert­schätzung für die Lehrkräfte.

Von der Ankündigung der Ankündigung bezüglich des Schulstarts im Herbst in puncto Corona spreche ich gar nicht und vom Chaos bei der Geräteinitiative und den Windows-Tablets auch nicht. Leider war das eher ein Spektakel, muss man sagen. Ich habe es Ihnen in der letzten Sitzung schon gesagt, verbunden mit meinem Wunsch oder meiner Hoffnung, dass das bis Ende des Schuljahres noch besser wird. Leider ist dieser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen, aber sei’s drum.

Abschließend, weil ja bereits übermorgen im Osten Österreichs und nächste Woche im Westen das Schuljahr zu Ende geht: Die letzten zweieinhalb Schuljahre waren mehr als anstrengend und herausfordernd für alle Beteiligten und, glaube ich, alles andere als normal. Sie haben den SchülerInnen, aber auch den LehrerInnen und den LeiterInnen alles abverlangt und sie wahrscheinlich schon das eine oder andere Mal an ihre Grenzen gebracht.

Ich wünsche daher allen Schülerinnen und Schülern wunderbare, erholsame Sommer­ferien. Ich glaube, ein bisschen Abschalten darf jetzt wirklich einmal sein. Auch den Lehr­kräften und den SchulleiterInnen wünsche ich ein paar Wochen, in denen die Batterien wieder aufgeladen werden können. Sie alle leisten, glaube ich, unter den gegebenen Umständen tagtäglich Großartiges. Dafür sage ich ein großes Dankeschön, und ich wün­sche Ihnen einen geordneten, planbaren und guten Start ins neue Schuljahr im Herbst, damit dann auch wirklich mit Freude und mit Elan gelernt und gelehrt werden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.03


Vizepräsident Günther Novak: Vielleicht können wir den nächsten Rednerinnen und Rednern wieder mehr Aufmerksamkeit zuwenden.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 169

Eine Rednerin ist es in diesem Fall: Frau Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Ich erteile Ihnen das Wort.


19.03.33

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Vielleicht eingangs: Was mich wundert, ist, dass die SPÖ dieser Regierungsvorlage nicht zustim­men wird. Wenn wir uns erinnern: Die ehemalige Bildungsministerin und Bildungs­sprecherin Sonja Hammerschmid hat ja diesen Prozess befürwortet.

Vielleicht kommen wir jetzt auch gleich zur vorliegenden Novelle. Kollegin Hahn hat ja schon erläutert, worum es geht. Ich möchte es noch einmal kurz zusammenfassen. Es geht in erster Linie um die Überführung zahlreicher Schulversuche zu verschiedenen Lehr- und Lernformen, es geht vor allem auch um die schulautonomen Entscheidungen über die Führung der semestrierten oder ganzjährigen Oberstufe, und es geht um die Überführung der Novi und weitere Eckpunkte.

Was wollen wir? – Wir wollen die Autonomie in vielfältiger Weise vergrößern und vor allem die Eigenverantwortung, die Selbstständigkeit und die Selbstorganisation in den Schulen stärken. Durch diese Novellierung soll künftig mehr als nur ein alternativer Pflichtgegenstand gewählt werden können, und dadurch wird eine möglichst hohe Flexibilität für die Organisation des Unterrichts vor Ort auf gesetzlicher Ebene ermöglicht.

Die Schülerinnen und Schüler können daher in Zukunft noch besser ihre eigenen Kompetenzen vertiefen, ihren eigenen Interessen nachgehen, und so können Begabun­gen und Talente optimal gefördert werden. Um der Individualität der Schulen und der Schüler und Schülerinnen gerecht zu werden, wollen wir mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf schulautonome Entscheidungsmöglichkeiten ausweiten.

Es geht wie gesagt um die Eigenverantwortung der Schulen und die eigenen Ent­scheidungen der Schulen für eine bestimmte Art von Angebot. Das ist meiner Meinung nach wirklich ein großer Fortschritt für unser Schulsystem.

Ich bin seit vielen, vielen Jahren im Hochschulwesen tätig, und dort leben wir die Auto­nomie. Wir brauchen diese Autonomie auch, weil wir nur so unsere Aufgabe in der Bildungs- und Wissensvermittlung wahrnehmen können. Selbstverständlich haben auch wir Rahmenbedingungen: ein vorgegebenes Curriculum, einen Syllabus, der für alle meine Kollegen und Kolleginnen gleich ist. Es liegt aber tatsächlich an uns, was wir aus diesem Syllabus, aus diesem Curriculum machen, welche Qualität wir bieten wollen und welchen Fokus wir für unsere Studierenden legen wollen.

Worum geht es weiters? – Es geht des Weiteren um die Ausweitung des Förder­unter­richts. Ich halte das wirklich für sehr, sehr wichtig. In Zukunft kann der Förder­unterricht vorgesehen werden, wenn beispielsweise die Lehrkraft feststellt, dass ein Bedarf an Förderung vorliegt, oder auch, wenn der Schüler oder die Schülerin das selber ein­meldet. Das bedeutet auch, dass besonders begabte Schüler und Schülerinnen Förde­rungen beantragen können, weil wir wollen, dass diejenigen, die ganz aktiv noch weiter­gefördert werden wollen, diese Möglichkeit auch haben.

Meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen, wir schaffen mit dieser Novelle des Schul­unterrichtsgesetzes und des Schulorganisationsgesetzes auch die Möglichkeit, Unter­richts­gegenstände autorisiert vorziehen zu können, zu wiederholen und auszutauschen. Wir stärken somit unsere Schulen und wir entwickeln gemeinsam die Bildung weiter.

Ich komme schon zum Schluss: Wir haben ein sehr, sehr intensives Schuljahr hinter uns, in dem wahnsinnig viel geleistet wurde. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Päda­gogen und Pädagoginnen für ihr großes tägliches Engagement, aber auch bei allen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 170

Schülern und Schülerinnen und wünsche jetzt vor allem einmal einen erfolgreichen Ausklang des heurigen Schuljahres und dann auf alle Fälle erholsame Ferien. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.07


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


19.08.02

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Autonomie an Schulen: Das hört sich beim ersten Hinhören ja ganz gut an. Schaut man aber das geplante Regelwerk ein bisschen ge­nauer an, dann kommt man schnell darauf, dass, sagen wir, die Einheitlichkeit fehlt und dass das, was da jetzt geschaffen wird, eher an einen Fleckerlteppich erinnert, weil mit der sogenannten Wahlfreiheit, die geplant ist, die in dieser Novelle ja präsentiert wird, das österreichische Bildungssystem noch uneinheitlicher und noch verwirrender wird.

Eigentlich wollte man mit dem Versuchsmodell der modularen Oberstufe das Bildungs­system flächendeckend moderner, einheitlicher und zeitgemäßer machen, aber davon ist man leider Gottes meilenweit entfernt. Das ist aber wirklich schade.

Was überhaupt fehlt, sind Lösungen, zum Beispiel zur verlorenen Bildungszeit, zur Bildungszeit, die in den letzten zweieinhalb Jahren den jungen Menschen gestohlen wurde, sage ich jetzt einmal. Wie werden die Bildungsdefizite der letzten zweieinhalb Jahre, die die schwarz-grünen Sinnlosmaßnahmen verursacht haben, wieder kompen­siert, wie wird das aufgeholt? Die Antwort, die ich auf meine Nachfrage im Ausschuss bekommen habe, war für mich nicht gerade ausreichend. Es wurden auch keine ordentlichen Lösungen präsentiert. Eigentlich als einzige Lösung nur zu sagen, man darf auch mit einem Nicht genügend aufsteigen, ist meiner Meinung zu wenig.

Stattdessen fängt man schon wieder an, laut darüber nachzudenken, wie man im Herbst Schüler und Jugendliche drangsalieren kann: mit dem Testwahn, mit Maskenzwang, mit dem Schüren von Angst und Panik.

Ja sogar über wiederholte Schulschließungen und über Lernen zu Hause wird mittler­weile schon gesprochen und diskutiert. Das alles auf den Rücken von Kindern, Eltern und Lehrern auszutragen wäre ein echter Horror und Wahnsinn. Wir haben ja mittler­weile genug Erfahrungen gesammelt, dass wir sehen, dass die schwarz-grünen Corona­maßnahmen außer Leid, Not und Verzweiflung gar nichts gebracht haben. Seit fast zweieinhalb Jahren warnen wir Freiheitliche immer wieder davor, dass man nicht ver­gessen darf, auf die Kinder und Jugendlichen zu achten. Genau das, vor dem wir gewarnt haben, ist aber eingetreten, genau das ist eingetreten, vor dem wir zweieinhalb Jahre gewarnt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei Kindern und Jugendlichen sind ganz massive gesundheitliche Probleme aufgetreten. Ich spreche da nicht von Corona, sondern von einem Coronakollateralschaden. 20 Pro­zent der Kinder sind mittlerweile durch eure Maßnahmen suizidgefährdet, es wurden 41 Prozent mehr Antidepressiva und 35 Prozent mehr Antipsychotika verschrieben. Wegen schwarz-grüner Coronamaßnahmen gab es keine sozialen Kontakte, Verein­samung, Schulschließungen, die Überforderung durch das Alleinlassen der Schüler, der Eltern wurde diesen jungen Menschen oftmals einfach zu viel.

Herr Minister, sorgen Sie dafür, dass bei den Schülern endlich die in der Pandemie auf­getretenen Bildungslücken und -rückstände und Bildungsverluste wieder aufgeholt wer­den! Anstatt die Kinder mit stundenlangem Maskentragen zu drangsalieren und zu sekkieren, wäre es besser, wenn man sich dafür einsetzt, dass zumindest ein Teil des


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 171

versäumten Unterrichtsstoffs aufgeholt wird und parallel dazu auch aktueller Unterrichts­stoff vermittelt wird.

Wir Freiheitliche haben dazu schon etliche Vorschläge im Nationalrat und auch hier im Bundesrat eingebracht, die bis dato leider von ÖVP und Grünen abgelehnt wurden. Vielleicht gehen Sie einmal kurz in sich, vielleicht finden Sie doch einen Ansatz, dass Sie unsere Anträge annehmen können. Sorgen Sie vor allem dafür, dass keine staat­lichen Repressionsmaßnahmen gegenüber unseren Kindern stattfinden, ganz beson­ders kein Mobbing von Lehrern gegen ungeimpfte Kinder! Pfeifen Sie, wenn es so ist, jene Lehrer zurück, die nachweislich ungeimpfte Kinder im Unterreicht unter Druck setzen! (Beifall bei der FPÖ.) Pfeifen Sie jene Lehrer zurück, die nachweislich ihre Kompetenzen überschreiten und Stimmung gegen ungeimpfte Kinder machen!

Noch etwas, Herr Minister: Setzen Sie sich bei Ihren Regierungskollegen dafür ein, dass die finanziellen Mittel für die Schülertransporte gesichert sind! Es gibt dazu partei­übergreifend mehrere Initiativen  von den Sozialdemokraten: Kollegin Grossmann, von den Freiheitlichen: aus der Steiermark Kollege Leinfellner. Es muss sichergestellt werden, dass Kinder verlässlich und vor allem sicher im Unterricht ankommen. Auch dafür müssen Sie sich als Bildungsminister starkmachen.

Ich habe momentan einen ganz krassen Fall aus Salzburg zu berichten. Ab diesem Herbst, im Schuljahr 2022/23 soll in Kuchl im Tennengau ein Schülertransport gestrichen werden. Das würde die Republik Österreich über den Flaf 20 000 Euro kosten, das ist kein großer Betrag. Für die Gemeinde ist es nicht zu finanzieren, daher wird der Schüler­transport gestrichen.

In den vergangenen fünf Jahren hat es genau an der Strecke, wo die Schüler verkehren müssen, fünf Unfälle mit Personenschaden gegeben. Die Schulkinder haben an dieser Stelle oft gar keine Möglichkeit, einen Linienbus zu benutzen, und es gibt auch Verkehrs­gutachten, dass es, wenn die Kinder an der Stelle zu Fuß gehen, aufgrund der hohen Verkehrsfrequenz  von 10 000 Kfz täglich  viel zu gefährlich ist.

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auf­forderung an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung sich für Auf­rechterhaltung der Schulbushaltestelle Bachbauer bei der Gaismaier-Siedlung an der B159 einzusetzen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, sich bei der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und beim Bundesminister für Finanzen für die Aufrechterhaltung der Schulbushaltestelle Bachbauer bei der Gaismaier-Siedlung an der B159 einzusetzen und die Finanzierung nachhaltig zu sichern.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Ich hoffe, dass alle – speziell die Salzburger Bundesräte – diesem Antrag zustimmen wer­den, dass Sie einmal in sich gehen und unsere Anträge annehmen.

In diesem Sinn: Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

19.14



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 172

Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Marlies Steiner-Wieser, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Aufforderung an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung sich für Aufrecht­erhaltung der Schulbushaltestelle Bachbauer bei der Gaismaier-Siedlung an der B159 einzusetzen“, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


19.15.29

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte kurz auf die Bereiche, welche die Autonomie betreffen, eingehen. Jede Form der Öffnung von Spielräumen, von Unterrichtsgestaltung sehe ich positiv, vor allem wenn sie Individualisierung ermöglicht.

Die Überführung des Schulversuchs war für uns ein großes Anliegen. Wir waren auch daran beteiligt, dass es überhaupt möglich war, die Novi ins Regelschulwerk zu über­führen und auch, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch gesetzt haben. Das war ein relativ langer Prozess.

Wir erweitern den Spielraum für die Unterrichtsorganisation. Es sind nunmehr unter­schiedliche Modelle möglich, angefangen von Semestereinteilung über geblockte Unter­richtsteile bis hin zur Möglichkeit, Gegenstände vorzuziehen oder Schwerpunkte zu setzen. Das kann nun schulautonom festgelegt werden. Das ist nicht nur gut so, das ist auch wichtig, weil die Schule vor Ort eben am besten weiß, was umsetzbar ist und was nicht. Ein Schulstandort am Land mit 150 Schülerinnen und Schülern hat eine ganz andere Voraussetzung als ein städtischer Standort mit 2 000 Schülerinnen und Schü­lern.

Ich mache es kurz: Diese Novellierung ist ein klarer Fortschritt und findet daher auch unsere klare Zustimmung.

Nun ist es für mich wirklich so weit, es ist für mich persönlich so weit, mich von euch zu verabschieden. Ich werde nächsten Dienstag als Abgeordneter zum Steirischen Landtag angelobt. Ich freue mich auf die neue Aufgabe, die auf mich zukommt, aber ich sage es euch ganz ehrlich (Bundesrätin Zwazl: Wir gehen dir ab!) – genau – (allgemeine Heiter­keit): Ich gehe auch mit etwas Wehmut. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Viel, hoffentlich!)

Ich habe in den letzten zweieinhalb Jahren wirklich viel dazugelernt, ich bin auch per­sönlich gereift. Alleine wenn ich daran denke, als ich im Dezember 2019 hier zur ersten Rede herausmarschiert bin: wie da die Knie geschlottert haben – da hat sich schon etwas getan. Ich hatte jetzt wirklich zweieinhalb Jahre die Gelegenheit, einen Blick in den Maschinenraum der Republik zu werfen. Wer hat das schon? Ich habe jetzt eine viel klarere Vorstellung darüber, wie unsere Republik funktioniert. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar. Diese Erfahrungen und auch die Kontakte, die ich geknüpft habe, nehme ich gerne in die Steiermark mit und ich glaube, da kann ich auch etwas einbringen.

Ich weiß nicht, ob es uns allen hier immer so bewusst ist, in welch privilegierter Position wir hier sind. Wer hat schon die Möglichkeit, mehr oder weniger live mitzubekommen, wie Gesetze entstehen, wie unser Staat funktioniert?

Bedanken möchte ich mich zuallererst bei der Parlamentsdirektion und allen Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern dieses Hauses. So eine Mischung aus Kompetenz und Wert­schätzung, wie sie hier Tag für Tag gelebt wird, sucht wirklich ihresgleichen. – Vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit und für die Art und Weise, wie Sie diese machen. (Allge­meiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 173

Danke auch an alle Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat. Ich habe mit vielen von euch viele bereichernde Gespräche geführt und dabei war fast immer spürbar, dass ihr euch ernsthaft – jeder und jede für sich, auf seine Art und Weise – für eine Weiter­entwicklung, für eine Verbesserung einsetzt.

Last, but not least, natürlich not least, liebes grünes Bundesratsteam: Liebe Claudia, liebe Elisabeth, lieber Marco, lieber Adi, liebe Liese, lieber Gregor, ich bin stolz darauf, Teil dieses wunderbaren Teams zu sein. Ihr werdet mir sehr fehlen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) Aus meiner Sicht haben wir das bisher sehr gut gemacht und ich bin mir auch sicher, dass ihr das mit meiner Nachfolgerin weiterhin sehr gut machen werdet.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Zitat einmal verwenden werde, aber es passt jetzt einfach: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.“ (Bundesrätin Schumann: Jössas na! Ein Monarchist! Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und ÖVP.)

Macht es gut alle miteinander!  Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.20


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Kollege Lackner. Auch wir wünschen Ihnen alle, so wie wir hier in diesem Plenum sind, alles Gute im Steirischen Landtag. Ich glaube, sagen zu dürfen, wir haben Sie als ruhigen, bescheidenen und ausgeglichenen Menschen kennengelernt, bei dem man immer das Gefühl hatte, dass er ein Ziel vor Augen hat, um etwas umzusetzen. So haben wir Sie als wertvollen Menschen kennen­gelernt. Alles, alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Polaschek zu Wort gemeldet. –Bitte, Herr Bundesminister.


19.21.15

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! In dem Fall sehr geehrter Herr Lackner! Danke, dass ich bei diesem schönen Moment auch dabei sein darf. Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich darf auf einige Punkte der Novelle noch einmal eingehen. Vorab zwei Sätze zur Sommerschule: Die Sommerschule wird selbstverständlich nicht nur von Studierenden bespielt (Bundesrätin Hahn: Das habe ich auch nicht gesagt!), sondern sehr wohl auch von vielen Lehrerinnen und Lehrer.

Durch die Dienstrechts-Novelle, die gerade jetzt in der Beschlussfassung ist, haben wir für die Rahmenbedingungen gesorgt, dass auch Lehrerinnen und Lehrer die ent­sprechende Abgeltung bekommen, entweder direkt oder durch Anrechnung für die Unterrichtszeiten im kommenden Schuljahr. Dadurch, das haben wir gesehen, ist die Motivation der Lehrerinnen und Lehrer auch noch einmal stark gestiegen und wir haben dankenswerterweise genügend Lehrerinnen und Lehrer, die sich dort neben Studie­renden einbringen können. Wir werden selbstverständlich für die entsprechende Qua­litäts­sicherung sorgen, die Sommerschule wird natürlich auch entsprechend evalu­iert.

Um aber auf die Novelle zu kommen: Zentral ist eben die Stärkung der Eigenverant­wortung, Selbstständigkeit und Selbstorganisation in der Schule. Das Verständnis über die Vermittlung von Bildung, der Bildungsbegriff an sich und das Verständnis davon, wie eine Schule verwaltetet, geführt oder gemanagt werden soll, unterliegen einem stetigen Wandel. Um der Individualität der Schulen und der SchülerInnen gerecht zu werden, will eben der vorliegende Gesetzentwurf schulautonome Entscheidungsmöglichkeiten aus­weiten und nicht einen generellen Kamm über alles scheren und ein neues System oktroyieren, sondern es liegt in der Eigenverantwortung der Schulen und eben in der Eigenständigkeit und Selbstorganisationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, die sich nun auch selber ihr Programm zusammenstellen und sich für einen entsprechenden Schultyp entscheiden können.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 174

Gestaltungsmöglichkeiten für die nächste Generation von Lehrplänen der Sekundar­stufe II werden daneben erweitert. Es wird die gesetzliche Regelungsdichte für die kom­mende Generation der Lehrpläne der Sekundarstufe II so weit zurückgenommen wer­den, dass eben zusätzliche Freiräume entstehen und neue, zusätzliche Möglichkeiten für individuell wählbare Angebote geschaffen werden, wie eben zum Beispiel schul­autonome Wahlpflichtgegenstände oder Kurse, die semesterweise oder ein Unterrichts­jahr lang dauern. Ich würde auch da einfach auf die Schulen vertrauen, auf die Lehrerin­nen und Lehrer vertrauen, dass sie sinnvolle, gute Angebote für die Kinder machen, etwas, das die Schülerinnen und Schüler interessiert und von dem sie wirklich auch pro­fitieren.

Diese Wahlfreiheit zwischen jahresweiser oder semestrierter Führung der Oberstufe wird etabliert. Die Entscheidung wird in die Autonomie der Schulleitungen und Schul­partner vor Ort übertragen werden. Auch der Schulversuch der neuen Oberstufe mit verstärkter Individualisierung wird ins Regelschulwesen übernommen. Diese Schulen, die die semestrierte Oberstufe führen, können sich auch für diese sogenannte Novi ent­scheiden, müssen es aber nicht. Für einen Antritt bei der Reifeprüfung müssen alle Gegenstände positiv abgeschlossen werden, um auch für die entsprechende Qualität zu sorgen.

Wichtig ist mir auch, dass es Möglichkeiten zur Befreiung vom stundenplanmäßigen Regelunterricht gibt, wenn die Schülerinnen oder Schüler an anderen Unterrichts­ange­boten teilnehmen wollen. Da kommt es zu einer erheblichen Erweiterung und auch dadurch werden Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler erweitert und neue Lehr- und Lernformen forciert.

Es kommt auch zu einer Ausweitung des Förderunterrichts. Bisher konnte ein Förder­unterricht nur für Schüler vorgesehen werden, die wesentliche Anforderungen nur man­gelhaft erfüllt haben. In Zukunft kann jetzt auch ein Förderunterricht vorgesehen werden, weil die Lehrkraft feststellt, dass ein Bedarf für eine Förderung vorliegt, oder auch die Schülerin oder der Schüler sich selbst dafür anmeldet, was bedeutet, dass auch beson­ders begabte Schülerinnen und Schüler aktiv eine solche Förderung direkt einmahnen können und wir sie verstärkt berücksichtigen können.

Zuletzt werden auch die im Schulrecht vorgesehen Möglichkeiten für die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie um ein Schuljahr verlängert werden. Einsatz und Umfang der Maßnahmen hängen natürlich wie bisher davon ab, ob die Maßnahmen sachlich notwendig, zweckmäßig und verhältnismäßig sind. Offene Schulen müssen aber weiterhin oberstes Ziel bleiben. Ich werde mich sehr dafür einsetzen, dass wir die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür gewährleisten können.

Auch ich möchte mich den Wünschen anschließen. Auch ich möchte mich bei allen Schülerinnen und Schülern, allen Lehrerinnen und Lehrern, auch bei den Eltern und bei all den Personen in der Schulverwaltung bedanken – aber auch bei all den Personen in den Kindergärten, die werden dabei gerne vergessen –, auch bei all den Personen, die sich auch in diesem Jahr wieder wirklich sehr engagiert haben. Ich wünsche allen schöne Ferien und danke dem hohen Bundesrat für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.26


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Mag. Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr das Wort.


19.26.30

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen und


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 175

Kollegen! Lieber Andreas Lackner, auch von mir alles Gute und an dieser Stelle Danke für die Kollegialität! Ja, ich schließe mich den guten Wünschen an alle SchülerInnen, an alle PädagogInnen, an alle LehrerInnen, alle, die im Bildungssystem arbeiten, auch an die Eltern mit an. Alle haben sich jetzt einen erholsamen Sommer verdient. Es liegt eine nicht unturbulente Zeit hinter ihnen allen.

Einer meiner Söhne, mein jüngerer, hat gestern und heute mit seiner Schule in einer Papageienstation arbeiten dürfen. Manchmal werden diese letzten Schultage ein bisschen belächelt, aber wenn man sich selber erinnert, was die Dinge waren, an die man sich besonders gerne erinnert oder wo man besonders viel gelernt hat, dann waren das diese besonderen Exkursionen, durch die man ein bisschen über den Tellerrand hinaus­geschaut hat. Ich gönne das allen Schülerinnen und Schülern und auch den LehrerIn­nen, wenn man so etwas macht.

Das Besondere an diesen letzten Schultagen, wenn man sie nicht nur mit: Wir schauen jetzt schnell einen Film an!, verbringt – viele machen da wirklich etwas Besonderes –, ist, dass es gelingen kann, Lernen mit Spaß zu verknüpfen. Wir wissen, dass dann besonders viel hängenbleibt. Das ist doch wunderbar.

Apropos Spaß beim Lernen: Ich bin froh, dass Sie jetzt auch gerade die Kindergärten erwähnt haben. Dieser Spaß beim Lernen ist das Geheimnis des Erfolgs im Kinder­garten. Kinder lernen da tatsächlich, ohne es zu merken, ohne Leistungsdruck und ohne Angst vor dem Versagen. Das ist etwas Großartiges. Trotzdem ist es eine Glückssache, auch diesen Sommer wieder, ob Kindern in Österreich der Kindergarten zur Verfügung steht, den Eltern der Kindergarten zur Verfügung steht, weil die Schließwochen öster­reichweit so dermaßen unterschiedlich sind, von bis zu sechs Schließwochen in manchen Bundesländern und einer in Wien.

Ich möchte heute insbesondere von dieser Glückssache im Bildungssystem reden, weil das für mich in vielen Bereichen des Bildungssystems so eine Schlüsselfrage ist. Hat man das Glück oder hat man das Glück im Bildungssystem nicht? Es ist zum Beispiel eine Glückssache, ob man als Kind, als Schüler, als Schülerin, als Lernende Päda­gogInnen hat, die einen bestmöglich fördern können. Es ist eine Glückssache, ob man Eltern hat, die in der Lage sind, bei Aufgaben zu unterstützen. Es ist auch eine Glücks­sache, ob man eine Schule in der Nähe hat, die am Nachmittag begleiten kann.

Es ist eine Glückssache, ob man im Bildungssystem die Chance bekommt, den Bil­dungsweg anhand eines Talents oder anhand der vorgegebenen Möglichkeiten zu gehen. All das ist eine Glückssache und diese Glückssache ist der Punkt, warum wir uns mit dieser Gesetzesvorlage so schwer tun und nicht zustimmen können.

Wobei ich dazusagen muss – Kollegin Hahn hat es schon erwähnt –, wir hätten in Teil­bereichen gerne zugestimmt, aber in diesem Strauß an Themen war das leider nicht möglich. Wir finden es aber durchaus notwendig und legitim, die Oberstufen zu reformie­ren und bestmöglich an den Bedürfnislagen der Schülerinnen und Schüler auszurichten.

Die Situation, so wie das mit der Freiwilligkeit und der Schulautonomie jetzt kommt, wird aber wieder eine Glückssache sein, nämlich ob man als Lernender in einer Schule ist, die sich das zutraut. Das werden höchstwahrscheinlich wieder die Schulen sein, die eh progressiv sind, die sich trauen, etwas Neues auszuprobieren, die auf Individualisierung setzen, aber wir wissen, nicht jeder Schüler, nicht jede Schülerin in Österreich wird davon profitieren können, und wahrscheinlich derweil nur wenige und nicht die Mehrheit. Wir finden einfach, das ist ein Grundsatz bei uns in der Sozialdemokratie: Die Qualität dieser Bildung und dieses Angebots soll kein Glücksfall sein. Beste Bildung soll jedem und jeder Lernenden zur Verfügung stehen und kein Zufall sein.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 176

Der Beamte im Ausschuss hat es tatsächlich treffend gesagt: Es wird sich an der Möglichkeit der Schule orientieren und nicht an der Möglichkeit und dem Bedürfnis der Lernenden. Eigentlich sollten wir da hinkommen, dass man die Schulen dabei unterstützt und dafür Ressourcen schafft, dass die Schulen das anbieten können, egal wo sie sind, egal wie sie aufgestellt sind – das ist ein Ressourcenthema.

Dieses Ressourcenthema betrifft auch den LehrerInnenmangel, den wir tatsächlich akut haben. In den meisten Bundesländern wird attestiert, dass LehrerInnen in verschiedenen Bereichen fehlen. Wir wissen das schon länger, das hat wieder mit der Demografie und mit anderen Dingen zu tun. Da in größerem Stil entgegenzuwirken, das wäre dringend notwendig.

Im Herbst werden uns auch wieder die Menschen fehlen, die direkt bei den Kindern stehen. Es wird oft im System ein bisschen justiert, aber wir brauchen die Personen, die bei den Kindern sind und mit ihnen die Zeit verbringen, denn dazu ist gerade vorhin schon viel gesagt worden  genau jetzt, nach zwei Jahren Pandemie, brauchen manche Kinder verstärkt Aufmerksamkeit, um Versäumtes nachzuholen. Dieses Förderstunden­paket, das es jetzt im Zusammenhang mit Covid schon einmal gab, diese Covid-Förder­stunden, die sind dringend notwendig, damit man tatsächlich gegensteuern und die Kinder in dieser schwierigen Zeit auffangen kann.

Aus den Bildungsdirektionen hört man, dass man diesem Lehrermangel und Lehrerin­nenmangel teilweise begegnet, indem bestehendes Personal mehr Überstunden bekommt. Es wird auch mit Supplierstunden gearbeitet, was immer so eine Sache ist. Was macht man mit solchen Supplierstunden? Teilweise wird tatsächlich auch auf pen­sionierte LehrerInnen zurückgegriffen. Wenn man sozusagen Menschen aus der Pen­sion wieder ins System zurückholt, heißt das schon: Die Not ist groß. Das heißt, da ist auch nachhaltig im größeren Stil entgegenzuwirken. Ich vermisse irgendwie diese großen Maßnahmen, die diesem LehrerInnenmangel begegnen.

Noch ein weiteres Thema, bei dem es um Ressourcen geht, ist mir ein Anliegen, nämlich die Förderstunden für die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Es ist einfach nicht in Ordnung, wenn es da eine Deckelung gibt. Alle Kinder, die einen besonderen Bedarf haben, müssen den bekommen, sie müssen das bekommen, was sie brauchen, das ist einfach ein Gebot der Inklusion. Wir sind für eine inklusive Bildung, und da muss man sozusagen die Ressourcen entsprechend adaptieren.

Es gibt ein weiteres Ressourcenthema, wenn wir Richtung Herbst blicken. Alle fragen sich natürlich, wie der Herbst werden wird. Wir haben keine Glaskugel, aber wir haben nach den zwei Jahren Pandemie gelernt, dass man in Szenarien denken kann. Ich höre, dass mittlerweile in vier Szenarien gedacht wird. Das ist auch unterstützenswert, nur wären diese Informationen jetzt, sozusagen am Ende des Schuljahres, wenn alle versuchen, mit einer gewissen Sicherheit in den Sommer zu gehen, sehr hilfreich.

Sie sagen aber, die Informationen werden jetzt noch nicht kommen. Wir teilen ganz sicher das Ziel von sicheren und offenen Schulen im Herbst. Je früher diese Infor­ma­tionen bei den Betroffenen ankämen, desto hilfreicher wäre es für alle, sich auf diesen Herbst einstellen zu können.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dringend notwendige Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst 2022“

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 177

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umgehend ein umfassendes Schulpaket vorzulegen, das sicherstellt, dass ab Herbst ein qualitativ hochwertiger Unterricht und nicht nur ein Minimalbetrieb an Österreichs Schulen möglich ist. Insbesondere wird er aufgefordert, die benötigten Planstellen zur Unterstützung der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine und zum Aufholen von Lernrückständen aufgrund der Coronapandemie zur Verfügung zu stellen. Zusätzliche Planstellen sind auch zur Doppeltbesetzung des Lehr­personals in den ersten beiden Volkschulklassen nötig. Nach wie vor braucht es auch Sicherheitskonzepte, die sicherstellen, dass Schulen trotz Covid-19 im Normalbetrieb bleiben können.“

*****

Herr Minister! Sie haben im Nationalrat oft gesagt, man müsse noch evaluieren, man sei in Gesprächen, man sei am Beobachten. – Ich habe das Gefühl, man müsste jetzt in die Umsetzung kommen, damit man garantieren kann, dass der Herbst und das nächste Semester für alle – für die Kindergärten und für die Schulen – ein guter, qualitativ hochwertiger Lernort wird.

Wir SozialdemokratInnen wollen eine gute Bildung und eine hohe Qualität für alle Kinder, für jedes einzelne Kind. Es soll keine Glückssache sein. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37


Vizepräsident Günther Novak: Der von den BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Drin­gend notwendige Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst 2022“ ist genügend unter­stützt und steht demnach in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.


19.37.44

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir NEOS haben dieser Sammelnovelle für die Oberstufe bereits im Nationalrat zugestimmt. Ich mache das hier auch heute, weil wir es sinnvoll finden, dass eben nicht alle Schulen über einen Kamm geschoren werden, weil es ein guter Schritt in die richtige Richtung eines Kurssystems ist und weil wir es für wichtig und sinnvoll erachten, dass es Schulen leichter gemacht wird, Schwerpunkte zu setzen. – Was diese Sammelnovelle aber leider nicht schafft, ist eine Systemänderung und eine echte Autonomie, wie sie viele andere Länder schon längst haben. Davon sind wir nach wie vor weit entfernt. (Vizepräsidentin Zwazl über­nimmt den Vorsitz.)

Wir wissen, dass der größte Hemmschuh für echte Schulautonomie die Schulbürokratie mit ihren unzähligen Ebenen ist. Das wissen wir aus Erhebungen. Wir haben ein System, das Innovation bremst, Entscheidungen erschwert und Engagement nicht fördert. Wir haben ein System, in dem Schulleitungen zwar Führungskräfte sind, aber Führungs­kräfte ohne Entscheidungskompetenzen, weil sie weder über Finanzhoheit noch über Personalhoheit verfügen.

Wir haben ein System, das dermaßen überreguliert ist, dass niemand mehr die Vielzahl an Gesetzen, Verordnungen und Erlässen überblicken kann. Das ist ein Riesenproblem, mit dem die Schulen zugeschüttet werden. Jede Novelle, die ein bisschen Autonomie in dieses System bringt, ist gut gemeint und zum Großteil auch gut, aber autonome,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 178

selbstbewusste, starke und selbstbestimmte Schulen erreichen wir damit noch nicht. Wir brauchen ein System, in dem Subsidiarität und Autonomie die Regel und nicht die Ausnahme sind. Bei uns ist die Bürokratie die Regel und die Autonomie die Ausnahme, das muss sich ändern, damit – wie in vielen anderen Ländern – die Schulen am Standort die Entscheidungskompetenzen übergeben bekommen.

Im bestehenden System gibt es jetzt schon Autonomiemöglichkeiten, die aber von den Schulen nicht genutzt werden. Da werden die Möglichkeiten nicht ausgenützt, weil die Schulen genau wissen, dass es ihnen eigentlich keine großen Erleichterungen bringt. Die Befürchtung ist, dass diese Novelle auch nicht die große Autonomie bringt.

Das Problem ist, dass die Bürokratie abgebaut werden muss, damit sich die Lehrkräfte auf den Unterricht konzentrieren können, damit nicht nur – so wie derzeit – Assistenz­kräfte und Verwaltungspersonal an die Schulen geschickt werden.

Sie müssen den Direktorinnen und Direktoren und den Lehrerinnen und Lehrern zutrauen, vor Ort Entscheidungen zu treffen, wir sind nämlich davon überzeugt, dass die Personen an den Schulen das sehr wohl wissen, sehr wohl können und dass wir es ihnen zutrauen sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.40


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Korinna Schumann. – Bitte.


19.40.37

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich darf eigentlich nur hier stehen und im Namen der sozialdemokratischen Fraktion Bundesrat Lackner alles, alles Gute für den Wechsel vom Bundesrat in den Landtag wünschen. Möge er die Dinge mit so viel Schwung wie hier angehen!

Kollege Lackner ist ja eine erstaunliche Mischung aus sozusagen AMSler und einer gleichzeitig bäuerlichen Struktur im Hintergrund. Das ist schon eine tolle Mischung! Was ihn immer sehr ausgezeichnet hat, war ein sehr soziales Gespür, und das haben wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer sehr geschätzt .

Möge dir auch der Humor erhalten bleiben! Mit einem Franz-Joseph-Zitat zu enden, das noch dazu im Zusammenhang mit dem Architekten van der Nüll steht, der leider tragisch verstorben ist, weil die Wienerinnen und Wiener und auch andere ihn in die Richtung kritisiert haben, dass er die Staatsoper wie eine versunkene Schuhschachtel gebaut hat: Dieser Humor möge dir erhalten bleiben. Alles Gute für die Arbeit im Land! (Allgemeiner Beifall.)

19.41


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Günther Novak. – Bitte.


19.41.45

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin bei Weitem kein Sprecher, was Schulen anbe­langt, aber ich habe einfach das Gefühl, dass ich ein paar Sätze sagen muss, weil die Kinder vom Herrn Bundesminister und von der Kollegin Gruber-Pruner so in den Mittel­punkt gestellt worden sind.

Ich kann Ihnen als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde, einer Nationalparkgemeinde mit rund 1 000 Einwohnern, nur eines sagen: Wir sind seit einem Jahr eine Mint-Schule mit 23 Kindern, die in dieser Volksschule sind, und mit 30 Kindern in einem Kindergarten, der bei uns Kindergruppe Tauernzwerge heißt – auch ein Mint-Kindergarten, seit zwei


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 179

Monaten ausgezeichnet vom Herrn Bundesminister. Wir sind ein Ort, der relativ wenige Einwohner hat und zweimal so viele Gäste beherbergt.

Warum ist das so? – Weil wir das forschende Lernen in den Vordergrund gestellt haben. Es gibt in Mallnitz – das ist ein Glück – Frau Mag. Batek. Mit ihr haben wir Programme aufgestellt und haben versucht, das forschende Lernen in der Schule und im Kinder­garten unterzubringen. Die Kinder sind begeistert!

Ich war im Zuge einer Einladung bei Frau Dr. Herlitschka, das ist die Vorstands­vorsit­zende von Infineon, die zu mir gesagt hat: Das ist genau der richtige Weg, die Kinder zu begeistern, weil diese Kinder alle diese Versuche machen, die bei uns im National­parkzentrum stattfinden, in den Labs, wo man zum Thema Luft, zum Thema Klima, zum Thema Wald in der Gemeinschaft verschiedene Versuche macht. Das strengt beide Hirnhälften an, damit dieses mathematische Gefühl entsteht, mit dem man sich im Grunde genommen beim Lernen manchmal schwertut, das aber dann von Haus aus gefördert wird.

Es war für mich jetzt einfach ein Bedürfnis, das hier in dieser Runde zu sagen. Ich kann nur jedem empfehlen, in dieser Hinsicht etwas für die Kinder zu tun. Wenn ihr es selber nicht zusammenkriegt, dann kommt zu uns nach Mallnitz ins Nationalparkzentrum, dann machen wir das für euch. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

19.44


19.44.05Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte auch ich mich bei Kollegen Lackner recht herzlich bedanken. Du wirst uns schon abgehen, du bist eine große Bereicherung. Korinna hat schon gesagt, dass dich vor allem deine ungeheure Menschlichkeit aus­zeichnet. Das finde ich ganz wichtig, wenn man politische Funktionen hat: dass der Mensch nicht zu kurz kommt. Dafür bist du ein gutes Beispiel. Wir wünschen dir alles, alles Gute, und du sollst dich so wohl fühlen wie bei uns. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit mehrheitlich angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Aufforderung an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung sich für Aufrechterhaltung der Schulbus­halte­stelle Bachbauer bei der Gaismaier-Siedlung an der B159 einzusetzen“, vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Da sind die Salzburger gar nicht dabei! Warum kann man gegen so etwas sein? – Ruf bei der ÖVP: Das ist bei euch auch oft!)

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Dringend notwendige Vorbereitungen


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 180

für den Schulstart im Herbst 2022“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

19.46.3416. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (2600/A und 1501 d.B. sowie 10979/BR d.B. und 10989/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizierung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen (Gasdiversifizierungsgesetz 2022, GDG 2022) (1502 d.B. sowie 10990/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Als Berichterstatter zu den Punkten 16 und 17 ist mir Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross genannt worden. – Ich bitte um deine beiden Berichte.


19.47.13

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 geändert wird. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizierung des Erdgasbezugs aus an­deren Quellen (Gasdiversifizierungsgesetz).

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


19.48.31

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute zum wiederholten Mal darüber,


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 181

dass wir unabhängig von fossiler Energie und natürlich vor allem unabhängig von rus­sischem Gas werden müssen, weil es nicht nur, wie wir schon öfter hier besprochen haben, klimaschädlich ist, sondern vor allem auch, weil wir jetzt in Kriegszeiten tatsäch­lich in hohem Maße erpressbar geworden sind.

Die künstliche Gasverknappung führt auch zu unvertretbaren Preissteigerungen, die wir alle spüren, vor allem jene Menschen, die halt ein bisschen weniger haben, und natürlich auch am Energiesektor insgesamt.

Ein Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Gasversorgung, in welchem die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen für Speicheranlagen und Speicherfüllstände ver­pflichtet worden sind, ist auch eine Grundlage der nun vorliegenden Änderung im Gas­wirtschaftsgesetz. Es müssen sich ja die EU-Kommission oder alle Länder schluss­endlich nur einmal einigen, damit wir einen gemeinsamen Gaseinkauf oder in weiterer Folge -verkauf schneller machen und umsetzen können.

Frau Bundesministerin Gewessler hat ja in den letzten zwei Wochen, glaube ich, fünf Staaten mit einer Absichtserklärung gemeinsam gebunden, also die Deutschen, die Tschechen, die Polen, die Slowaken und die Ungarn, um gemeinsam Strom bezie­hungs­weise Gas auf Europa aufzuteilen, wenn es Probleme gibt, dass wir zu wenig haben, was wir bei Gott nicht hoffen.

Um diese Gasversorgung sicherzustellen – das ist ja eigentlich der Grund dieses Ge­setzes –, sollen sämtliche Speicheranlagen auf dem Hoheitsgebiet Österreichs auch an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden müssen. Das gilt in erster Linie für die Speicheranlage Haidach, die bislang nur an das deutsche Marktgebiet ange­schlossen ist, aber wenn es dort jetzt schon Vereinbarungen gibt, wird das wahrschein­lich dann auch kein Problem sein, oder wir werden es heute hören. Außerdem sind ungenutzte Speicherkapazitäten von Speichernutzern unverzüglich anzubieten und zurückzugeben.

Es sind dies sinnvolle Maßnahmen in diesen Zeiten, in welchen wir alles daransetzen müssen, um für den Winter durch ausreichend Speicherung von Gas vorzusorgen, denn eine Reduktion der Gasabhängigkeit kann bestenfalls mittelfristig erfolgen.

Es ist sehr positiv, dass diese Möglichkeiten nun geschaffen werden, allein es steht eine Frage im Raum. Ich habe ein bisschen Fernsehen geschaut, auch in Deutschland und in anderen Ländern gibt es dieses Problem, es ist ja nicht nur bei uns so, auch wenn wir immer davon reden, dass uns Deutschland um Meilen voraus ist. Auch dort wird dis­kutiert: Warum erst jetzt und nicht schon früher? Wie auch immer, ich glaube, wir müssen uns einigen, auch wenn andere Staaten augenscheinlich in dieser Lage, was die Versorgungssicherheit anbelangt, uns eine Nasenlänge voraus sind. Die Lage ist ernst und sollte auch so kommuniziert werden und entsprechend rasch gehandelt werden.

Warum das nicht so schnell passiert, erschließt sich dem Betrachter nicht immer. Die Regierung ist auch in vielen anderen Dingen säumig. Ich glaube, ich stehe heute das fünfte Mal hier, um es zum wiederholten Male zu sagen. Ich verstehe es immer noch nicht, aber ich glaube, wir haben die Möglichkeit, dass es uns die Frau Bundesministerin sagt: Warum haben wir in den letzten Jahren noch immer nicht das Klimaschutzgesetz umgesetzt? Warum ist das Energieeffizienzgesetz noch nicht umgesetzt? Da sind uns die Deutschen schon ein bisschen voraus, die den Leuten sagen, mit welchen Maß­nahmen sie jetzt einsparen sollten und in welche Richtung es gehen könnte, um die Menschen zu sensibilisieren. Das soll bei uns im Herbst kommen.

Beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz ist schon einiges passiert, aber es ist bei Weitem noch nicht am Boden. Meine Lieblingskritik ist, dass die 20 Verordnungen beim EAG noch nicht umgesetzt worden sind, sondern nur eine.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 182

Die Zeit des Diskutierens und Verhandelns, glaube ich, muss endlich ein Ende finden, und wir müssen ins Tun kommen. Natürlich werden wir diesem Gesetz heute zustimmen.

Beim Gasdiversifizierungsgesetz haben wir auf jeden Fall Bedenken – das ist das Inter­essante an der ganzen Geschichte –, weil wir heute etwas beschließen werden, was anscheinend am Montag im Budgetausschuss schon mit einem Abänderungsantrag versehen wird und dann nächste Woche mit einem Initiativantrag im Nationalrat be­schlossen wird. Wir beschließen das Gasdiversifizierungsgesetz, das bereits abgeändert ist: Statt der 100 Millionen Euro pro Jahr bis 2025 können künftig per Verordnung des Ministeriums von der Bundesministerin im Einvernehmen mit dem Finanzministerium bis Ende 2023 zusätzliche Mittel in ungenannter Höhe – das unterstreiche ich jetzt einmal – bereitgestellt werden.

Zur Erklärung: Dieses Gesetz sah bisher vor, dass Unternehmen in Summe 400 Mil­lionen, also 100 Millionen pro Jahr, für Kosten von Lieferung und Einsatz von nicht russischem Gas beziehungsweise für die Umrüstung von Strom-, Wärme- und Kälte­erzeugungsanlagen auf andere Energieträger, also keine fossilen, erhalten sollten. Sämtliche Förderdetails werden in einer Förderrichtlinie des Ministeriums wiederum im Einvernehmen mit dem Finanzministerium erlassen und die Förderungen sollen von der Austria Wirtschaftsservice GmbH abgewickelt werden. Das Gesetz ist dann bis Ende 2025 befristet.

Dieses Gesetz stellt eigentlich schon in seiner ursprünglichen Fassung einen Blanko­scheck, einen Fast-Blankoscheck, sage ich jetzt einmal, in Höhe von insgesamt 400 Mil­lionen für die Klimaschutzministerin dar. Nun soll das Gesetz bereits Wochen oder Tage nach dem Nationalratsbeschluss schon wieder abgeändert werden. Das haben wir heute bei einem anderen Gesetz schon einmal gehört, dass die budgetären Limits bis Ende 2023 lediglich im Gesamtbudget der UG 43 zu sehen sind. Wir haben Ähnliches schon bei Bundesministerin Köstinger gehabt, dass durch Verordnungsmaßnahmen dann selbst entschieden werden kann, was mit dem Geld passiert. Ich glaube, dass das nicht der richtige Weg ist.

Alle Details werden erst in der Förderrichtlinie des Klimaschutzministeriums festgelegt und die Gestaltung dem Nationalrat im Grunde genommen entzogen – außer ich bin jetzt falsch informiert.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Wir glauben, nicht die Energie­großversorger sollen davon profitieren, die ohnedies als Krisengewinner derzeit ihre Gewinne nicht nur verdoppeln, sondern vervielfachen. Das haben wir heute schon auf und ab vielfach in vielen, vielen Beiträgen gehört. Es muss vielmehr klargestellt werden, dass der Endverbraucher nicht weiter belastet wird und dass nicht sein Steuergeld den Falschen zugutekommt. Wir vertrauen darauf, dass das so ist. Vielmehr ist es an der Zeit, konkret darüber nachzudenken, überzogene Übergewinne von Energiekonzernen abzuschöpfen und sie in weiterer Folge der Finanzierung von Antiteuerungsmaßnahmen zuzuführen. Der Herr Bundeskanzler hat selbst in dieser Hinsicht etwas geäußert, ich habe nur das Gefühl, dass er da von den Wirtschaftlern wieder zurückgepfiffen worden ist.

Ich habe noch einen Entschließungsantrag mit. Gestern im Umweltausschuss wurde er ins Nirwana geschickt, ich bin gespannt, wie die Grünen heute reagieren. Es geht um „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“. Wenn ich mich jetzt an den Schluss mit Ölheizungen in Neubauten erinnere, dann haben wir das ja schon zusammen­bekom­men. Warum das nicht zusammenzubringen ist und warum wir da zumindest von den Grünen keine Zustimmung bekommen, verstehe ich nicht, weiß ich nicht, denn ich glaube, Frau Bundesministerin, dass Sie sich in dieser Hinsicht auch schon geäußert haben, das zu tun.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 183

Man muss sich ja vorstellen, wenn jetzt neue Wohnanlagen gebaut werden, heuer oder Anfang nächsten Jahres gebaut werden und dann dort Gasheizungen eingebaut wer­den, widerspricht das ja komplett den CO2-Richtlinien, die wir alle im Kopf haben, die wir umsetzen wollen.

Ich stelle deshalb folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Aufstellung und der Einbau von Gasheizungen in neu errich­teten Gebäuden mit 1. Jänner 2023 verboten wird und die Förderung kostengünstiger Alternativen dauerhaft gesichert wird.“

*****

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, heute können Sie berühmt werden und uns unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

19.58


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile ihm dieses.


19.59.22

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Das Gaswirtschaftsgesetz ist eine nicht alltägliche Maßnahme in einer nicht alltäglichen Zeit. Die Besitzer der Anlagen wurden aber zeitig genug gewarnt, und jetzt wird diese Maßnahme umgesetzt. Ich denke, die Regierung zeigt mit dieser Maßnahme enormes Leadership, um uns eben für den kommenden Winter vorzubereiten und zu schützen.

Man könnte sich natürlich vor Putin auf die Knie werfen und versuchen, das Gas aus Russland anzubeten, aber ich denke, es ist wichtiger, dass wir uns auf den Fall vor­bereiten, dass es kein Gas mehr von dort gibt.

Es ist heute schon angesprochen worden, man müsste mit den Leuten reden, was sie machen sollen. Nun, da habe ich aus unserem Bereich sehr viel anzubieten, was man den Leuten erzählen kann. Wir in unserer Region machen das auch.

Wir werfen 30 Prozent des Brotes, das wir jeden Tag produzieren, weg. Das allermeiste Brot wird mit Gas produziert. Ich denke, wir werden Maßnahmen brauchen, damit es diese Retouren in Zukunft ganz einfach nicht mehr in dieser Größenordnung gibt.

Wir werfen 7 Prozent des Fleisches, das wir täglich produzieren, weg. Man muss sich das vorstellen: Wenn ich 14 Lämmer zu einer Verladung fahre, dann wird eines davon


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 184

weggeworfen. Das wird geschlachtet, verarbeitet, mit viel Energie acht bis zehn Wochen gekühlt und dann weggeworfen. Auch da haben wir sehr viel Potenzial.

Wir könnten die Heizung um 2 Grad zurückdrehen und 12 Prozent der Energie sparen und wir könnten die Klimaanlage zurückdrehen, wir könnten die Kühlschranktür nicht zu lange offen lassen, und es gäbe viele andere Dinge, die wir den Bürgern nahebringen können, wie wir einsparen können.

Ich glaube, das ist jetzt der letzte und wichtigste Fingerzeig, dass wir aus dieser Abhängigkeit bei der Energie herausmüssen. Wir haben kein Öl, wir haben kein Gas, wir haben keine Kohle und wir wollen keine Atomenergie. Was bleibt uns also, wenn wir in Zukunft nicht mehr abhängig sein wollen? – Wir können nur auf Erneuerbare setzen. Das möchte ich auch hier noch einmal unterstreichen.

Wenn Kollege Novak sagt, man würde hier zu wenig umsetzen, zu wenig schnell um­setzen und nicht alle Bereiche umsetzen, dann möchte ich schon erinnern: Es ist, glaube ich, zwei Jahre her, als wir die Nachfolgeregelung für Biomassekraftwerke beschlossen haben, bei der wir einen Zweidrittelbeschluss gebraucht haben, und ihr es blockiert habt. (Bundesrat Novak: Ja, weil wir ...!) Ihr habt aus Parteitrotz (Bundesrätin Grimling: Na, na, na, na! Geh, das ist eure Feststellung!), weil ihr zeigen wolltet, dass ihr noch Macht habt, das Werk in Wien stillgelegt, welches mit Altholz 48 000 Haushalte mit Strom ver­sorgt, 12 000 Haushalte mit Wärme, in Kärnten stillgelegt. (Bundesrätin Schumann: Na geh! Was spricht der?) Wir in Niederösterreich haben auf der Basis des Nachfolge­gesetzes sofort die Verordnungen geschaffen, dass unsere Werke weitergelaufen sind. (Bundesrat Novak: Das waren Initiativanträge, ohne mit uns zu reden! – Ruf bei der SPÖ: Schaut lieber, dass das Kohlekraftwerk rennt! – Bundesrat Novak: Unsere sechs Punkte sind ein Jahr später mit in das Gesetz gekommen! – Bundesrätin Grimling: Genau! Aber alle sechs Punkte, aber nicht eure Sachen!) Hätten wir das nicht getan, hätten wir jetzt vier Industrieleichen im Waldviertel stehen, stattdessen produzieren diese Anlagen jetzt 8 Megawatt Strom. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Novak: Die Frau Köstinger ist über uns drübergefahren! – Bundesrätin Grimling: Aber wie! Und du mit! – Bundesrat Novak: Mit uns wurde nicht gesprochen hier!) Aus reiner Parteiräson habt ihr ein wichtiges Werk eineinhalb Jahre stillgelegt. (Bundesrat Novak: Einer wird bei euch schon umfallen, hat es geheißen! – Bundesrätin Grimling: Ja, einer wird schon bei euch noch umfallen! Das habt ihr geglaubt, ja!) Das war dasselbe Gesetz, welches wir vier Jahre zuvor mit der SPÖ beschlossen haben, genau das gleiche. Das war also wirklich reine Parteitaktik. (Bundesrätin Grimling: Ja, Parteitaktik ist es von euch, aber nicht von uns!) Und das können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten. (Bundesrätin Schumann: Wir haben leider eine gute Erinnerung!)

Wir müssen jetzt alle Möglichkeiten, die uns Wind, Wasser, Sonne und Biomasse bieten (Bundesrat Novak: Im Gegensatz zu Frau Köstinger redet Frau Gewessler mit uns! – Bundesrätin Schumann: Und die Kohle und den Atomstrom, weil den brauchen wir jetzt! – Bundesrätin Grimling: Jetzt auf einmal, ja!), ganz einfach nutzen und das auch umfassend mit unseren Betrieben besprechen. (Bundesrätin Schumann: Wir kaufen genug Atomstrom! Man kann schon viel lügen, aber zu viel geht auch nicht!) Wir sind zum Beispiel seit einigen Monaten mit einem Betrieb in unserer Region im Gespräch, der Gas als Rohstoff nutzt, wo wir schon nach Möglichkeiten suchen, wie wir das erset­zen können. Bei diesem Betrieb wird es wahrscheinlich Biogas sein, welches die einzige und sinnvolle Lösung sein wird. Deshalb brauchen wir sehr unterschiedliche Lösungen für alle Bereiche, und deshalb braucht es auch einen ganz starken Schulterschluss. (Bundesrätin Grimling: Ja, Kohle wird jetzt interessant!) Da ist wirklich kein Platz für derartige Spielchen, das zu bedenken würde ich schon für die Zukunft bitten.

Das Gebot der Stunde sind eben nicht der Kniefall vor Putin, nicht parteipolitisches Kalkül (Bundesrätin Grimling: Komisch, das ist immer nur bei bestimmten Sachen, sonst


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 185

agiert ihr nur parteipolitisch!), wir brauchen die Transformation in der Energieerzeugung und des Verbrauches. Die Regierung zeigt Leadership, zeigt, wie es geht, packt an und hat ein klares Ziel vor Augen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Geh bitte! Da muss er selber lachen! – Bundesrätin Schumann: Leadership?! Da muss er selber lachen, der Kollege Köck!) Deshalb, denke ich, ist es ein gutes Gesetz. Stimmt alle zu, wir werden damit Österreich auf sicherere Beine stellen! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Novak: Ich glaube, ihr verhindert ...! Das ist das Prob­lem! – Bundesrätin Grimling: Da kann er sich selber nur amüsieren!)

20.05


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Mit etwas Verspätung begrüßen wir noch Frau Bundesministerin Leonore Gewessler bei uns im Haus. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


20.05.22

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Frau Minister, es freut mich, dass ich jetzt die Möglichkeit habe, Ihnen das, was ich Ihnen heute in der Früh beim Thema Klimabonus sagen wollte – da waren Sie leider nicht hier –, noch kurz zu erläutern.

Was Sie und Ihre Regierungskollegen mit dem Mittragen der EU-Sanktionen gegen Russland gemacht haben, ist verantwortungslos gegenüber den österreichischen Bür­gern und gegenüber dem österreichischen Steuerzahler. Diese beiden Gesetzesmate­rien, die jetzt zur Abstimmung stehen, kann man unter Sanktionsauswirkungsgesetze zusammenfassen. Das sind nämlich die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland.

Zum Gaswirtschaftsgesetz: Wozu brauchen wir das? – Es wird festgelegt, dass – so wie vorhin schon erwähnt – sämtliche Speicheranlagen auf dem Hoheitsgebiet Österreichs auch an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden müssen. Ergänzend dazu – haben wir vorhin schon gehört – werden die angeführten Pflichten von Speicher­unternehmen und die Anschlusspflicht erweitert.

Es hat vorhin auch Kollege Köck schon davon gesprochen, im Gesetzestext ist von sämtlichen Speicheranlagen auf dem Hoheitsgebiet Österreichs die Rede. Weil dabei in der Mehrzahl gesprochen wird, lautete meine Frage an die Experten im Ausschuss, von wie vielen Speicheranlagen mit wie viel Speichervolumen ausgegangen wird. Die Ant­wort war für mich überraschend, dass es, wenn man in der Mehrzahl spricht, aus­schließlich um den Speicher in Haidach geht.

Der Speicher hat ein Volumen von 30 Terawattstunden, das ist fast ein Drittel des jähr­lichen Verbrauchs von Österreich. Er ist leer, weil ihn die Russen nicht befüllen, weil Sie Sanktionen gegenüber Russland befürworten und unterstützen. Es ist eine Reaktion darauf, dass der Speicher in Haidach von der Gazprom dann natürlich nicht befüllt wird.

Das zweite Gesetz, das wir heute beschließen wollen, ist das Gasdiversifizie­rungs­gesetz. Was heißt das überhaupt? – Sie wollen den Ausstieg aus russischem Erdgas fördern, Sie fördern, dass wir kein russisches Gas mehr nehmen und geben Unter­neh­men Geld dafür, in den nächsten vier Jahren jeweils 100 Millionen Euro, sprich insge­samt 400 Millionen Euro. Diese 400 Millionen Euro Steuergeld werden verschleudert, nur weil Sie sich einbilden, Sie wollen kein Gas mehr aus Russland nehmen. Dazu kommt auch noch, dass die OMV langfristige Verträge abgeschlossen hat, weshalb der ehemalige Generaldirektor Roiss sagt, egal, ob wir das Gas aus Russland beziehen oder nicht, wir müssen es trotzdem zahlen. Das heißt, der Steuerzahler zahlt es trotzdem, wir


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 186

zahlen es doppelt. Wir kaufen mit dem Steuergeld teures Gas, das heißt, es wird auch alles wieder teurer werden. Die Inflation wird noch einmal weiter steigen, die Heizkosten werden noch höher, das Gas wird noch teurer werden, und die Russen müssen wir auch noch extra bezahlen.

Was haben denn diese Sanktionen für einen Sinn? Eigentlich sollten Sanktionen ja den wirtschaftlich schädigen, der sanktioniert wird, aber nicht die eigene Bevölkerung. Sie machen es genau umgekehrt, Sie richten einen wirtschaftlichen Schaden für die eigene Bevölkerung an. (Beifall bei der FPÖ.)

Was Sie da aufführen, ist betriebswirtschaftlicher Wahnsinn, es ist vorsätzliche Schädi­gung des österreichischen Steuerzahlers. Deshalb werden wir dieses Gasdiversifizie­rungsgesetz auch ablehnen.

Zusätzlich erwähnt sei, dass nach Informationen, die auch schon in deutschen Medien veröffentlicht werden, Russland Öl und Gas nach Indien verkauft. Die Frage, die sich für mich stellt, ist, ob wir dann so wie Deutschland mit diesen 400 Millionen Euro das russische Gas über Indien wieder zu uns holen. Mein Frage an die Experten, ob Frackinggas mit den 400 Millionen Euro genauso gefördert wird, wurde von den Experten im Ausschuss mit Ja beantwortet. Frau Minister, meine Frage bei der letzten Bundesratssitzung, als ich Sie darauf ansprach, ob Sie jetzt zur Jasagerin auch zum Frackinggas und zur Förderungsministerin für Frackinggas geworden sind, haben Sie damit beantwortet.

Wäre es nicht sinnvoller, endlich Ihre Sanktionsmaßnahmen zu überdenken und damit den Gasengpass zu beenden, gleichzeitig aber zum Beispiel das Geld zu nehmen und damit 400 regionale Biogasanlagen in der Größe wie die derzeit größte ins Gasnetz einspeisende im südlichen Niederösterreich zu fördern, dann den Inhalt der gesam­melten Biotonnen aus der Haussammlung, der derzeit kompostiert wird und nur Erde produziert, zu nutzen, um Gas zu produzieren? Dies würde Arbeitsplätze in den Regio­nen schaffen und dies würde derzeit und zukünftig wieder Versorgungssicherheit gewährleisten. Das wäre freiheitliche Politik, geprägt durch Hausverstand.

Ich habe es mir überlegt: Auf der einen Seite, Herr Kollege Lackner, wünsche ich Ihnen auch alles Gute für den steirischen Landtag, auf der anderen Seite aber haben Sie uns heute als Geisterfahrer in der Umweltpolitik bezeichnet, weshalb ich hier zeigen möchte, wer Geisterfahrer ist. Da schwenke ich jetzt hinüber zur Frau Bundesminister – denn Sie haben ja damals erklärt: Es gibt keine Probleme für Schwerlast-Lkw beim Beladen durch die E-Ladetankstellen! Dann habe ich Ihrerseits keine Antwort bekommen. Ich habe sie urgiert, aber nicht bekommen. Dann haben wir die parlamentarische Anfrage gemacht, und dann ist herausgekommen – ich habe es ja im Plenum schon mitgeteilt –, dass es keine einzige E-Ladetankstelle für Schwerlast-Lkw gibt. Und Sie wollen alle Unternehmer dazu bringen, Schwerlast-Lkw auf Elektro umzustellen! Das ist für mich Geisterfahrer, das ist für mich fahrlässig. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.11


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.12.08

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Ich möchte eine tatsächliche Berichtigung zu den Aussagen von Herrn Kollegen Köck machen, damit Ihnen das noch einmal vor Augen geführt wird, und zwar ist es um das Ökostromgesetz gegangen. Damals ist es von uns verhindert worden, nämlich die Zweidrittelmehrheit – ja, darauf sind wir auch nicht stolz. Warum das aber so passiert ist, war einzig und allein deswegen, weil Frau Bundesministerin Köstinger nicht mit uns geredet hat. (Bundesrätin Hahn: Nicht nur! ...


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 187

Generalvollmacht ...!) Sie hat mit uns nicht geredet! Zwei Tage vorher – bevor das in den Bundesrat gekommen ist – hat sie sich mit uns zusammengesetzt und hat die sechs Punkte, die wir aufgestellt haben – das würde jetzt zu weit führen: sechs Punkte sind aufgestellt worden –, nicht akzeptiert. (Bundesrat Köck: Das ist ja keine tatsächliche Berichtigung!)

Ja, okay: war so, ist so. Das Gesetz ist dann von uns abgelehnt worden. Die sechs Punkte – unsere sechs Punkte – sind übrigens danach, nach sechs Monaten, wieder in das Gesetz hineingekommen. (Bundesrat Köck: Das ist keine tatsächliche Berich­tigung!) – Das ist eine tatsächliche Berichtigung, weil Sie es falsch berichtet haben, ganz sicher ist das eine tatsächliche Berichtigung! – Dann hat noch ein Tiroler Abgeordneter, der im Nationalrat dafür zuständig war und diesen Initiativantrag dann eingebracht hat, festgestellt: Einer von den Roten wird schon umfallen! – So habt ihr mit uns damals gearbeitet. So wird das aber in Zukunft nicht passieren, weil man mit Frau Bundes­ministerin Gewessler darüber reden kann.

Deswegen funktionieren viele Dinge nicht: weil ihr Dinge der Grünen verhindert. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Köck: Das stimmt nicht!)

20.13


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


20.13.58

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Bundesminister! Hintergrund der vorliegenden und einer Reihe bereits umgesetzter Gesetzesvorhaben ist eine mögliche Verknappung der Erd­gas­versorgung durch einen Lieferstopp seitens Russlands – seitens der EU ist das ja nicht zu befürchten. Ich halte einen Lieferstopp seitens Russlands übrigens für realis­tisch. Russland ist es gelungen, die Gaspreise in einzigartige Höhen zu treiben: je höher die Gaspreise, desto höher die Einnahmen für das russische Regime, desto mehr Geld für den Vernichtungskrieg in der Ukraine, der leider immer weiter aus der Wahrnehmung rutscht, aber jeden Tag werden da unzählige Fleischwunden in junge Körper gerissen, jeden Tag werden Gesichter zerfetzt, jeden Tag werden Frauen vergewaltigt und jeden Tag werden Seelen traumatisiert. Da verstehe ich Sie, Herr Kollege Bernard, und die FPÖ nicht: Ist Ihnen das wurscht?

Natürlich braucht es Sanktionen, natürlich darf sich Europa das nicht gefallen lassen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Selbstverständlich ist es so, dass Sanktionen, die wirken, die in Russland wirken, Rückwirkungen auf uns haben – no na –, aber das ist ja nun keine Überraschung. Das werden wir aushalten müssen, und es ist überhaupt keine Relation zu dem, was dort passiert, was die Menschen dort aushalten müssen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Richtig weh tun mir dann so manche Postings in den sogenannten sozialen Medien, die meinen – ich habe mehrere solcher Postings in meinem Briefkasten –: Was kümmert mich die Ukraine? Ich habe keinen Bock, wegen denen nächsten Winter einen Pullover anzuziehen oder weniger Auto zu fahren! – Da ist es, ganz ehrlich, nicht leicht, ruhig zu bleiben, solche Debatten mit Blick auf die menschlichen Katastrophen, die ein paar Hundert Kilometer von hier passieren, zu führen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Aber zurück: Putin wird – meine Prognose! – bis in den Herbst unfassbar viel Geld durch den Gasverkauf gehortet haben. Er setzt weiters alle Energie dafür ein, möglichst viel der fossilen Energie Russlands woanders zu verkaufen. Mithin: Er ist gerüstet. Er wird mit Vergnügen zusehen, wie Europa Notmaßnahmen setzt und mit einem Wirtschaftseinbruch


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 188

konfrontiert sein wird, wenn er kommenden Winter mit einem siegessicheren Grinsen am Ventil drehen wird. Das ist meine Prognose. Er übersteht den Winter ohne Probleme, er hat genug Geld.

Ein Indiz dafür, warum dafür die Wahrscheinlichkeit hoch ist, ist die strategische Nichtbefüllung der Gasspeicher in Europa durch russische Gasunternehmen. (Unruhe im Saal.) – Ihr Schwätzen ist schon ein bisschen anstrengend. Ich meine, Sie dürfen das, aber es ist anstrengend. – Ein Indiz ist die strategische Nichtbefüllung der Gas­speicher in Europa durch russische Gasunternehmen. Das war übrigens bereits letztes Jahr so. In ganz Europa wurden russische Speicherkontingente nicht befüllt, und selbst­verständlich war das kein Zufall. (Unruhe im Saal.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Entschuldigung, darf ich um etwas Auf­merksamkeit im Raum bitten! (Bundesrat Steiner – erheitert –: Hat nichts mit der Rede zu tun!) – Der Geräuschpegel ist ziemlich hoch, ich bitte also um Ruhe.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (fortsetzend): Und es hat funktioniert. Genau das hat maßgeblich zur Preishausse und zum Milliardenfluss entgegen der Gasströmungs­richtung beigetragen.

In Österreich ist der Speicher Haidach – den kennen, denke ich, inzwischen alle – betroffen. Ausgerechnet dieser ist mit Abstand der größte Speicher in Österreich und sogar einer der größten in ganz Europa. Damit sind wir mitten im wichtigsten Inhalt der diskutierten Gaswirtschaftsgesetz-Novelle: Der Speicher wird ans österreichische Netz angeschlossen. Bislang wird er physikalisch im Wesentlichen von Deutschland aus bewirtschaftet, und dessen Teilbewirtschaftung kann und wird den Russen nun entzogen werden und dem österreichischen beziehungsweise europäischen Markt verfügbar ge­macht werden. Das ist richtig so.

Die Detailinhalte haben wir jetzt mehrfach gehört, darauf gehe ich jetzt nicht mehr ein. Ich möchte aber einen Aspekt, nämlich den bereits kurz erwähnten europäischen, noch herausheben. Es ist nämlich wirklich essenziell, dass Europa in der Krise solidarisch handelt. Wenn jedes Land jetzt hergeht und beginnt, egoistisch zu agieren und anderen Ländern dringende Zugänge zu Gas verweigert, wird das geradewegs ins Fiasko führen und in kaum wiedergutzumachende Verwerfungen des europäischen Gefüges.

Grundvoraussetzung muss sein, dass man sich gegenseitig hilft, um zumindest in allen europäischen Ländern die Versorgung der geschützten Kunden aufrechtzuerhalten: Das sind die Haushalte, das ist die ganze Grundversorgung. Zu diesem Zweck ist es eben unter anderem wichtig, europaweit die Speicher – und das ist auch das jetzt noch einmal vom Europäischen Rat bestätigte Ziel – bis im November zu 80 Prozent gefüllt zu haben.

Wie schon mehrfach gesagt, gibt es einen logischen Ablauf im Krisenmanagement oder besser eigentlich in der Verhinderung einer Krise, und das sind die in den letzten Wochen viel diskutierten Notfallpläne. Die sind sehr weit gediehen beziehungsweise ist Österreich da sehr gut vorbereitet. Da gehört die Speicherfüllung dazu. Gerade auch in der letzten Sitzung haben wir zum Beispiel die Möglichkeit besprochen, dass Unter­nehmen jetzt auch Eigenvorsorge in der Speicherung von Erdgas durchführen können.

Das Zweite ist die Diversifizierung. Was heißt das eigentlich? – Das hat ja mehrere Aspekte: Das heißt einerseits, den Lieferanten zu wechseln – also weg von russischem Gas hin zu anderen Gasbezugsoptionen. Die sind allerdings beschränkt und auch nicht immer mit den freundlichsten Demokraten abzuschließen. Keinesfalls aber sind sie, das muss man halt sagen, billiger. Andererseits heißt Diversifizierung, andere fossile Ener­gie­träger in bestehenden Anlagen – alles andere dauert ohnehin zu lange – einzusetzen. Da geht es um Kohle, da geht es um Öl in Industriebetrieben.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 189

Um die höheren Preise, die damit verbunden sind, abzufangen, beschließen wir heute das Gasdiversifizierungsgesetz. Das bildet einen Förderrahmen – wir haben es gehört – zur Finanzierung erhöhter Transportkosten durch andere Lieferoptionen oder zur Finanzierung des Umstiegs auf andere Energieträger.

Einen wichtigen Aspekt dabei möchte ich schon herausheben: dass nämlich genau damit verhindert werden soll, dass die höheren Kosten an die Kunden weitergegeben werden – sei es direkt über Energiepreise, sei es indirekt über höhere Produktkosten –, oder jedenfalls, dass dieser Effekt gedämpft wird. Es ist sicher die bessere Lösung, als das – wie es in anderen Ländern angedacht wird – etwa auf die Netztarife umzulegen, weil dann die Preise für alle wieder steigen.

Ja, leider ist das so, dass wir derzeit klimapolitisch, sozial- und wirtschaftspolitisch in einer sehr unangenehmen Situation sind. Das ist unerfreulich. – Wissen Sie, warum das so ist? – Ich sage es jedes Mal und ich sage es heute noch einmal: Es ist schlicht und einfach die verschuldete Abhängigkeit unserer Gesellschaft von fossilen Energieträgern. Das ist eine Sucht, die krank macht, und darum zum wiederholten Mal: Das Aller­wichtigste ist, aus der Abhängigkeit herauszukommen, keinen Kubikmeter Gas, keinen Liter Öl und sowieso kein Kilo Kohle mehr zu verbrennen – egal, woher es kommt.

Die Entzugsnotwendigkeit aus der fossilen Droge hat noch einen anderen und aus meiner Sicht absolut zentralen Grund, und das ist die Klimakrise, die eigentliche Mega­krise, die wissentliche Verbrennung der Erde. Die sozialen und wirtschaftspolitischen Folgen der aktuellen Preisentwicklung können mit den skizzierten Krisenmaßnahmen abgefedert werden, die Klimakrise aber nicht.

Leider ist die öffentliche klimapolitische Debatte – nicht nur bei uns – ein weiteres Mal in den Hintergrund geraten. Dabei ist die Klimakrise sehr, sehr präsent. Sehen Sie beispielsweise nur nach Italien: Jahrhundertdürre, Wassermangel, Wasserrationierung. Schauen Sie nach Kärnten, nach Salzburg: die Unwetter, die gerade stattgefunden haben. Schauen Sie nach Skandinavien, in der aktuellen Meldung: um 20 Grad über der Normaltemperatur. 20 Grad über Normaltemperatur!

Die Klimawissenschaft bestätigt das und untermauert das: Extremereignisse mit ihren verheerenden Folgen nehmen zu. Es darf also kein Zögern mehr geben im Setzen von klaren Rahmenbedingungen für den Klimaschutz. Es darf kein Zögern geben bei der Definition des planbaren Ausstiegs aus fossilen Energieträgern. Es darf kein Zögern geben beim verbindlichen Rahmen für die Reduktion des Energieverbrauchs – gerade jetzt.

Es geht um strukturelle Maßnahmen. Der Umbau der Energieversorgung geht nicht in drei Jahren, geht nicht in fünf Jahren, geht nicht in zehn Jahren. Das braucht Zeit und damit langfristige Sicherheit und langfristige Planbarkeit. Das ist ein Punkt, der oft schwer verstanden zu werden scheint. Jedenfalls lernt das zumindest jede TechnikerIn, jede NaturwissenschafterIn: Bei einem System, das langsam reagiert – also bei einem System, das träge ist –, ist es unerlässlich, sofort gegenzusteuern. Das Energiesystem ist kein Schnellboot, bei dem man das Ruder herumreißen kann.

Ich sage es jetzt ganz offen mit einer gewissen Sorge: Genau die notwendige sofortige Setzung der Bedingungen für den Ausstieg sehe ich durch zahlreiche Widerstände durchaus in Gefahr, weil einfach noch nicht hinreichend klar geworden ist, dass es essenzieller Teil der Verhinderung künftiger Krisen – auch Energiekrisen und Preis­krisen – ist, mutig und klar auszusteigen.

Ich möchte noch eine ganz kleine Geschichte erzählen. Gestern, als ich über meine heutige Rede nachdachte, setzte ich mich in den Innenhof des kleinen Hotels, in dem ich immer bin. Da kam der Eigentümer vorbei und wir begannen ein Gespräch – no na –


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 190

zum Thema Energiekosten und deren Folgen. Er erzählte mir, dass sich laut Prognosen seine gesamten Energiekosten, auch dadurch verursacht, dass er neue Verträge ab­schließen muss, im nächsten Jahr fast verdreifachen werden.

Da stellt sich natürlich die Frage: Ja was mache ich jetzt? – Natürlich ist ihm klar, dass die einzige zukunftsfähige Möglichkeit darin besteht, seinen Verbrauch zu reduzieren. Allerdings, sagt er – und das ist für mich nachvollziehbar –, hat er jetzt das Problem, dass die aktuell hohen Energiekosten – diese zu schnelle Steigerung der Energie­kos­ten – einen Gutteil seiner Liquidität auffressen. Er hat Sorgen, dass das eine Reihe sei­ner Kollegen nicht aushalten wird.

Kein Problem wäre es gewesen, wenn man vor zig Jahren, als man die Notwendigkeit des Klimaschutzes schon erkannte und die Fatalität, die Abhängigkeit von den Fossilen sehen musste (Bundesrat Steiner: Zurück in die Kohle, oder? ... Kohle ...!), langfristige planbare Bedingungen mit kalkulierbarer Preisentwicklung eben über ansteigende CO2-Bepreisung verankert hätte. Wir predigen das ja schon 30 Jahre.

Das sieht übrigens auch mein Hotelier so. Genau das, sagt er, wäre das, was sie brauchen, um in Ruhe zu investieren. Das wäre ja nicht so schwer zu verstehen. Jeden­falls wird er – Klimaschutz ist ihm auch sonst ein Anliegen – den Architekten kommen lassen und ein Sanierungskonzept für die thermische Sanierung ausarbeiten lassen. Das wird allerdings auch bei bestem Willen Jahre dauern.

Was ist die Botschaft? Warum erzähle ich das? – Ja und Mut zu einem breiteren Ver­ständnis des Krisenmanagements! So, wie die kurzfristige Entwicklung selbstver­ständ­lich einem Krisenmodus unterworfen gehört, ist es auch für den Ausstieg aus den fos­silen Energieträgern und für den Klimaschutz erforderlich, ebenso klare Rahmenbedin­gungen zu setzen.

Das richte ich natürlich nicht an die, die sich darum mit aller Kraft bemühen und mehr als jemals bisher in der Klimapolitik in dieser Republik geschafft haben, und das be­obachte ich jetzt schon wirklich hinreichend lange. (Bundesrat Steiner: Ja, das Kohle­kraftwerk wieder aufsperren! ... Prima!) Ich erinnere nur beispielsweise an das Erneuer­ba­ren-Wärme-Gesetz, das in Europa seinesgleichen suchen wird. (Bundesrätin Schumann: Wer war denn Umweltminister über Jahrzehnte? – Die ÖVP!) Ich erinnere daran: Gerade heute ist die Marktprämienverordnung in Begutachtung gegangen – klar, es ist für die Energiewende noch viel zu tun.

Ich richte das an jene, die meinen: Klimaschutz machen wir übermorgen!, beziehungs­weise an jene, die meinen: Da machen wir gar nichts, das überlassen wir dem Markt, der richtet das ganz von selbst! – Da kann ich nur sagen: Welch ein Irrtum! – Tun wir das Notwendige, um die Zukunftschancen der nächsten Generationen zu sichern!

Einen Satz noch zum Antrag der SPÖ: Kollege Novak, der Einbaustopp von Gashei­zungen im Neubau ist im EWG drin, das wird auch halten. Das ist ein Teil, der ist unbestritten, das ist eigentlich so der Stand der Debatte. (Bundesrätin Schumann: Da bin ich aber gespannt! – Na dann stimmt mit, wenn es Stand der Debatte ist! Bitte mitstimmen!)

Ganz zum Schluss möchte ich noch einmal, da ich ja quasi formal – außer der Ministerin natürlich – der letzte Redner bin, auch im Namen unserer Fraktion meinem Kollegen Andreas Lackner alles Gute wünschen. Für uns ist das sachlich und persönlich ein herber Verlust. Es geht ein exzellenter Bundesrat und es geht ein guter Freund. – Alles Gute, Andreas! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

20.28


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Leonore Gewessler. – Bitte sehr.



BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 191

20.28.49

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundes­rates! Vielen Dank für die Möglichkeit, dass ich heute hier auch die zwei Novellen, die vorliegen, kurz erläutern kann und auch über die Maßnahmen der Bundesregierung informieren kann.

Wie Sie wissen, sind wir in einer angespannten Situation. Wir sind aufgrund der über viele, viele Jahre politisch gewollten und vorangetriebenen Abhängigkeit von Russland in einer kritischen Situation. Leider liegt die sichere Energieversorgung unseres Landes in der Hand eines Kriegstreibers im Kreml. Wir sollten hier schon Ursache und Wirkung gut auseinanderhalten.

Sie wissen auch, dass es Ziel der Bundesregierung ist, die Menschen in unserem Land gut durch den nächsten Winter zu führen und vor allem gut und schnell – da kann ich an die Rede anschließen – in eine sichere, in eine unabhängige Energieversorgung zu füh­ren. Was heißt unabhängige Energieversorgung? – Das ist eine effiziente Energiever­sorgung, das ist eine erneuerbare Energieversorgung, das ist Energieversorgung, die auf mehr als einem Bein Richtung Russland steht.

Deswegen müssen wir kurzfristig Maßnahmen treffen, deswegen müssen wir aber auch mittelfristig und langfristig wirksame Maßnahmen jetzt treffen. Worum geht es bei der kurzen Frist, mit der wir uns heute hier beschäftigen? – Wir müssen alles dafür tun, um kurzfristig die Erdgasspeicher in unserem Land zu befüllen und gleichzeitig für die nächsten Jahre die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten aus Russland insgesamt zu reduzieren, also um den Klotz an Abhängigkeit, den wir jetzt haben – 80 Prozent –, Schritt für Schritt abzutragen. Dafür hat die Bundesregierung bereits eine Reihe von Maßnahmen gesetzt und der Gesetzgeber hat auch bereits gesetzliche Änderungen auf den Weg gebracht.

Heute liegen zwei Novellen vor, sie sind inhaltlich schon vorgestellt worden. Ich möchte trotzdem noch ein paar Punkte aus der Diskussion herausgreifen.

Der erste betrifft das Gaswirtschaftsgesetz. Ein Punkt, der noch nicht erwähnt wurde, der aber auch – und gerade anschließend an Herrn Bundesrat Gross zum Thema europäische Solidarität und europäische Zusammenarbeit – wichtig ist: Sie ermächtigen mit diesem Gesetz auch das BMK und mich als Ministerin, ein Ressortübereinkommen mit Deutschland zu schließen. Da geht es insbesondere um die Befüllungsziele für den Speicher Haidach. Wir sind auf europäischer Ebene verpflichtet, gemeinsam mit Deutschland den Speicher Haidach zu füllen. Sie ermöglichen also mit diesem Gesetz auch mir, diese europäische Verpflichtung für Österreich zu erfüllen, indem wir die rechtliche Grundlage für ein Übereinkommen schaffen.

Wir wollen zweitens, dass alle Speicher auch an das österreichische Netz angeschlos­sen werden, zur Versorgungssicherheit Österreichs beitragen. Speicherunternehmen sollen verpflichtet werden, ihren Speicher an das sogenannte Marktgebiet Ost anzu­schließen.

Als dritten Punkt – auch das ist erwähnt –: Es gibt eine Regelung für den Fall, dass österreichische Speicher nicht mit Gas befüllt werden – und zwar systematisch nicht mit Gas befüllt werden –, darauf zurückgreifen zu können, also den Speicherplatz zu nutzen. Wenig überraschend ist diese Norm neutral formuliert, das heißt potenziell für alle Speicher in Österreich gültig. Es kann ja auch eine Situation auftreten, in der das in einem anderen Speicher genauso passiert.

Aktuell sehen wir die Situation genau bei einem Speicher, das ist der Speicher Haidach. Mit dem sogenannten Use-it-or-lose-it-Prinzip, das wir mit dieser Novelle verankern, das


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 192

es zum Beispiel im Bereich der Leitungen schon gibt, sagen wir einfach: Wenn jemand Speicherkapazitäten nicht nützt – und Speicher sind eine kritische, eine begrenzte Infrastruktur –, dann soll dieser Speicher von jemand anderem auch genützt werden können, um sicherzustellen, dass nicht nur in einer so angespannten Situation wie in der, in der wir jetzt sind, sondern ganz generell eine kritische, eine begrenzte Infra­struktur auch im Sinne der Versorgungssicherheit, im Sinne der Volkswirtschaft genützt werden kann.

Auch beim Gasdiversifizierungsgesetz geht es um genau diesen Ansatz. Da geht es um die Förderung des Ausstiegs aus der russischen Abhängigkeit und um eine Diver­sifizie­rung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen. Was ist das politische Ziel, das mit diesem Gesetz erreicht werden soll? – Wir haben eine Erdgasinfrastruktur, die sich seit Jahr­zehnten Richtung Russland orientiert, die auf russisches Erdgas ausgelegt wurde. Diese Ausrichtung lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen, auch nicht über Nacht oder in wenigen Wochen ändern. Trotzdem müssen wir jetzt die Entscheidungen treffen, unsere Abhängigkeit zu reduzieren. Bei einem Ausfall russischer Lieferung ist die größtmögliche Substitution durch andere Lieferländer natürlich eine der drei Säulen, wie wir uns absichern können, neben Gasspeichern, neben Gassparen und Ersetzen durch erneuerbare Quellen natürlich auch die Diversifizierung.

Ich beglückwünsche jeden hier in diesem Raum, der meint: Das brauchen wir nicht! – Ganz ehrlich gesagt: Das Einzige, bei dem ich mir sicher bin, ist, dass Russland kein verlässliches Gegenüber ist. Russland ist in dieser Situation kein verlässliches Gegen­über. Russland – und wir sehen es – setzt Energielieferungen, setzt Gasliefe­rungen als Waffe in einer Auseinandersetzung ein. Deswegen unterstützen wir natürlich die Diver­sifizierung von Gasquellen, und mit voller Überzeugung stehe ich hier und sage: Natürlich unterstütze ich im Sinne der Versorgungssicherheit dieses Landes die Diversi­fizierung von Gasquellen. Und genau das ermöglichen Sie mit diesem Gasdiver­sifizie­rungsgesetz: erhöhte Kosten für andere Lieferungen für Unternehmen oder für jene, die Erdgas nach Österreich importieren, abzufangen.

Wir haben auch noch einen weiteren Anwendungsfall, der, glaube ich, jetzt in der Debatte auch noch nicht im Detail gefallen ist. Wir wollen nämlich auch Unternehmen unterstützen, die ihre Anlagen auf einen bivalenten Betrieb umstellen, das heißt, die im Notfall auf einen anderen Energieträger außerhalb des Energieträgers Gas ausweichen können. Auch das wollen wir im Notfall unterstützen.

All diese Maßnahmen sind für die Versorgungssicherheit gesetzt. Im Notfall ist es wich­tig, jeden Kubikmeter Gas zu sparen, ist jede Ausweichmöglichkeit ein wichtiger Beitrag für die Versorgungssicherheit, und auch das ermöglichen Sie mit diesem Gesetz.

Für diese Novellen gab es im Nationalrat breiteste Zustimmung. Sie erhöhen in Summe die Versorgungssicherheit in Österreich als eine der Säulen, an denen wir arbeiten.

Ich glaube, es ist uns allen bewusst – und es war in der Rede des Herrn Bundesrates auch sehr schön ausgeführt –: Unabhängig in unserer Energieversorgung, sicher in unserer Energieversorgung – so, dass unsere Betriebe nicht mehr zittern müssen, ob Gas kommt – werden wir nur, wenn wir energieunabhängig werden, wenn wir unsere Versorgung möglichst selbst in die Hand nehmen.

Deswegen ist heute auch ein schöner Tag, weil wir die Marktprämienverordnung nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz in Begutachtung geschickt haben. Diese wird einen richtigen Investitionsschub in die Erneuerbaren in Österreich auslösen – auch das ein ganz, ganz wichtiger Beitrag, um unsere Versorgungssicherheit und den Klimaschutz nicht nur unter einen Hut zu bringen, sondern voranzubringen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 193

Ich darf Sie im Sinne der Versorgungssicherheit unseres Landes, auch im Sinne der Debatte, die wir hier heute geführt haben, um breite Zustimmung zu diesen zwei No­vellen bitten. Es ist eine Investition in die Absicherung in einer wirklich angespannten Situation. Ich bedanke mich bei allen Abgeordneten, die hier auch ihren Teil der Verant­wortung übernehmen, um dieses Land bestmöglich auch durch diese angespannte Situation zu führen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

20.36


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses.


20.36.54

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Bevor Sie wieder jammern: Ich mache es ganz kurz, aber es ist uns auch von der freiheitlichen Fraktion ein Anliegen:

Lieber Herr Kollege Lackner, auch wenn wir natürlich politisch und ideologisch ganz, ganz weit auseinander sind – logischerweise, liegt in der Natur der Sache –, persönlich wünschen wir dir aber natürlich alles, alles Gute im Landtag. Das ist eine schöne Aufgabe, eine neue Aufgabe, eine andere Aufgabe. Dafür auch eine gute Hand und alles Gute für deine Zukunft! Mach’s gut! (Allgemeiner Beifall.)

20.37 20.37.30


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 geändert wird.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehr­heit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art.44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 194

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Juni 2022 betreffend ein Gasdiversifizierungsgesetz 2022.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Ruf bei der SPÖ: Zählen!) – Ich bitte die Schriftführung mitzuhelfen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

20.40.5918. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/in­nen für das 2. Halbjahr 2022


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Mit 1. Juli 2022 geht der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Wien über. Gemäß Art. 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ist die an erster Stelle entsendete Vertreterin dieses Bundeslandes, Frau Bundesrätin Korinna Schumann, zum Vorsitz berufen. Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsidenten/innen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich werde die Wahl der beiden Vizeprä­sidentinnen beziehungsweise -präsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wählenden Vizepräsidentin beziehungsweise des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Bernhard Hirczy lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 195

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Bernhard Hirczy bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

*****

Vielen Dank, ich gratuliere.

Wir kommen nunmehr zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin beziehungs­weise des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Günther Novak lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Günther Novak bedankt sich und nimmt die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

*****

Vielen Dank, ich gratuliere ebenfalls.

Wahl der Schriftführer/innen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftfüh­rerinnen beziehungsweise Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner, Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Andreas Arthur Spanring, Johanna Miesenberger, Günter Kovacs für das zweite Halbjahr 2022 zu Schriftführerinnen beziehungsweise zu Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Mag. Dr. Doris Berger-Grabner, Mag. Daniela Gruber-Pruner, And­reas Arthur Spanring, Johanna Miesenberger und Günter Kovacs nehmen die Wahl an.)

*****

Herzliche Gratulation den Gewählten. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 196

Wahl der Ordner/innen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordnerinnen beziehungsweise Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Dr. Peter Raggl, Elisabeth Grimling, Josef Ofner, Claudia Hauschildt-Buschberger für das 2. Halbjahr 2022 zu Ordnerinnen beziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Dr. Peter Raggl, Elisabeth Grimling, Josef Ofner und Claudia Hauschildt-Buschberger nehmen die Wahl an.)

*****

Herzliche Gratulation den Gewählten. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.46.32Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Es liegt mir ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tages­ordnungspunkte 1 bis 17 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

Tagesordnungspunkt 1:

„Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird ange­nom­men.“

Tagesordnungspunkte 2 und 3:

„Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 2 den Entschließungsantrag Beilage 2/1 ein.

Die Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 2 den Entschließungsantrag Beilage 2/2 ein.

Die Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 2 den Entschließungsantrag Beilage 2/3 ein.

Die Bundesräte Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 2 den Entschließungsantrag Beilage 2/4 ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 2: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

Der Entschließungsantrag Beilage 2/1 wird abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 197

Der Entschließungsantrag Beilage 2/2 wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 2/3 wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 2/4 wird abgelehnt.

TO-Punkt 3: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.“

Tagesordnungspunkt 4:

„Die Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Ent­schließungsantrag ein.

Abstimmungen: Berichterstattung: Antrag, auf Abgabe der dem Ausschussbericht angeschlossenen Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.“

Tagesordnungspunkt 5:

„Die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen bringen einen begründeten Einspruchsantrag ein.

Abstimmung: Der Antrag, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, wird angenommen.“

Tagesordnungspunkte 6 und 7:

„Abstimmungen:

TO-Punkt 6: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

TO-Punkt 7: Berichterstattung: Antrag, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen, 2. dem vorliegenden Be­schluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen, wird bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates (und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit) angenommen.“

Tagesordnungspunkte 8 und 9:

„Abstimmungen:

TO-Punkt 8: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

TO-Punkt 9: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.“

Tagesordnungspunkt 10:

„Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.“

Tagesordnungspunkte 11 bis 13:

„Die Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Ent­schließungs­antrag ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 11: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 198

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

TO-Punkt 12: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

TO-Punkt 13: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.“

Tagesordnungspunkt 14:

„Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.“

Tagesordnungspunkt 15:

„Die Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Ent­schließungsantrag Beilage 15/1 ein.

Die Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Entschließungsantrag Beilage 15/2 ein.

Abstimmungen: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenom­men.

Der Entschließungsantrag Beilage 15/1 wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 15/2 wird abgelehnt.“

Tagesordnungspunkte 16 und 17:

„Die Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Entschließungs­antrag ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 16: Berichterstattung: Antrag, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen, 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen, wird bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates (und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit) angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

TO-Punkt 17: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird ange­nom­men.“

*****

Das Amtliche Protokoll ist nun verlesen.

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amt­lichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 17 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 199

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen, 4014/J-BR/2022 bis 4021/J-BR/2022, eingebracht wurden.

Eingelangt sind der Entschließungsantrag 344/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „arbeits- und sozial­versicherungs­recht­liche Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 345/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ÖBB-Sommerticket für alle Menschen unter 26 kostenlos zur Verfügung stellen“, der dem Ausschuss für Verkehr zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 346/A(E)-BR/2022 der Bundesräte David Egger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Immerwährende Neutralität für Österreich“, der dem Landes­verteidigungsausschuss zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 347/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schülergelegenheitsverkehr Kuchl“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 348/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“, der dem Aus­schuss für Verfassung und Föderalismus zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 349/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Öster­reich“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 350/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“, der dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen wird, sowie

der Entschließungsantrag 351/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Schließung von Bezirksgerichten“, der dem Justizaus­schuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 14. Juli 2022, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 12. Juli 2022, 14 Uhr, vorgesehen.

Abschließend möchte auch ich Herrn Bundesrat Andreas Lackner, der heute ja seine letzte Bundesratssitzung hier mit uns hat, alles Gute wünschen.

Da dies nun meine letzte Sitzung als Bundesratspräsidentin war, möchte ich ab­schließend auch noch meinen beiden Vizepräsidenten Sonja Zwazl und Günther Novak sowie den


BundesratStenographisches Protokoll942. Sitzung, 942. Sitzung des Bundesrats vom 29. Juni 2022 / Seite 200

Fraktionsvorsitzenden für die gute Zusammenarbeit in der Präsidiale während der letzten sechs Monate danken. (Allgemeiner Beifall.)

Wie mit den Fraktionsvorsitzenden vereinbart, treffen wir uns jetzt gleich im Anschluss noch zu einer Stehpräsidiale.

Ich wünsche einen schönen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

20.55.43Schluss der Sitzung: 20.55 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien