Stenographisches Protokoll

37. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 12. November 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


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37. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode        Mittwoch, 12. November 2003

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 12. November 2003: 9.00 – 22.08 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung“

2. Punkt: Erklärung des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung“

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird

4. Punkt: Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)

5. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltgesundheits­organisation über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der dreiundfünfzigsten Tagung des Regional­komitees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studien­gänge (Fachhochschul-Studiengesetz) geändert wird

7. Punkt: Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation

8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (172/A)

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz und das Neugründungs-Förderungsgesetz geändert wird (201/A)

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 geändert wird (168/A)

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37. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Susanne Wegscheider ..................................... 16

Angelobung des Abgeordneten Dr. Peter Sonnberger .............................................. 16

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 16

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 720/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung .................................................................................................... 37

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         168

Redner:

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 168

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .............................................................. 171

Wolfgang Großruck ................................................................................................... 174

Doris Bures ................................................................................................................. 176

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 178

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 179

Einwendungen der Abgeordneten Peter Schieder, Kolleginnen und Kollegen gegen die Tagesordnung gemäß § 50 der Geschäftsordnung ............................................................................... 37

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung ...................... 38

Redner:

Peter Schieder .............................................................................................................. 38

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 39

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 40

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 42

Einwendungen finden keine Mehrheit ............................................................................. 43

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 44

Aktuelle Stunde (9.)

Thema: „Wo bleibt die österreichische Außenpolitik?“ ......................................... 17

Redner:

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 17

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ........................................................ 19

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 22

Peter Schieder .............................................................................................................. 24

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 25

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 27

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 28

Dr. Caspar Einem ......................................................................................................... 30

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................... 31

Dr. Evelin Lichtenberger ............................................................................................. 33


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37. Sitzung / Seite 3

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 16

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................  35, 234, 237, 240

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Fünfter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses ....................................................... 37

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Inneres betreffend Versagen des Innenministers bei der Kriminalitäts­bekämpfung und Zerschlagung des österreichischen Sicherheitssystemes (1039/J) ..................................................................................... 116

Begründung: Dr. Josef Cap ........................................................................................ 122

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ......................................................................... 127

Debatte:

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 137

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 140

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 143

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 146

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 148

Günter Kößl ................................................................................................................ 150

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................. 151

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 153

Anton Gaál .................................................................................................................. 155

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ......................................................................... 156

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 160

Dieter Brosz (tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 160

Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................. 160

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 161

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 163

Dieter Brosz ................................................................................................................ 164

Werner Miedl ............................................................................................................... 165

Karl Öllinger ................................................................................................................ 166

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Rudolf Parni­goni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfas­sungsgesetzes – Ablehnung ....................................  140, 168

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäfts­ordnung des Nationalrates zum Thema „Die Wachstumsinitiative der Bundes­regierung“ ............................................... 44

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 44


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37. Sitzung / Seite 4

2. Punkt: Erklärung des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäfts­ordnung des Nationalrates zum Thema „Die Wachstumsinitiative der Bundes­regierung“ ............................................... 44

Vizekanzler Hubert Gorbach ....................................................................................... 48

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung                  16

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 51

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 54

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 58

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 61

Friedrich Verzetnitsch ................................................................................................. 64

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ...................................................................................... 67

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 70

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 72

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 75

Vizekanzler Hubert Gorbach ....................................................................................... 76

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 78

Fritz Neugebauer .......................................................................................................... 80

Michaela Sburny ........................................................................................................... 81

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 82

Mag. Hans Moser ......................................................................................................... 84

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 86

Dr. Kurt Grünewald ...................................................................................................... 87

Josef Bucher ................................................................................................................. 89

Mag. Melitta Trunk ....................................................................................................... 90

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 92

Kurt Eder ....................................................................................................................... 93

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 95

Mag. Dietmar Hoscher ................................................................................................. 96

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 98

Hermann Krist .............................................................................................................. 99

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 101

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neuverhandlung der ÖBB-Reform unter Einbindung der Unterneh­mensführung und der Arbeitnehmervertretung – Ablehnung ....................................................................  94, 104

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (236 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (289 d.B.) ......................................... 104

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (201 d.B.): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patienten­charta) (290 d.B.) ................................ 104

5. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (132 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltgesund­heitsorganisation über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der dreiundfünfzigsten Tagung des Regionalkomitees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien (291 d.B.)                    104


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37. Sitzung / Seite 5

Redner:

Dr. Erwin Rasinger ..................................................................................................... 104

Manfred Lackner ........................................................................................................ 107

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 109

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 110

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 112

Ridi Steibl .................................................................................................................... 180

Erika Scharer .............................................................................................................. 181

Elmar Lichtenegger ................................................................................................... 182

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 183

Barbara Riener ........................................................................................................... 186

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 187

Dipl.-Ing. Günther Hütl ............................................................................................... 188

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 189

Anna Höllerer .............................................................................................................. 190

Erwin Spindelberger .................................................................................................. 191

August Wöginger ....................................................................................................... 193

Renate Csörgits .......................................................................................................... 194

Ing. Josef Winkler ....................................................................................................... 195

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 196

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 197

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 199

Annahme des Gesetzentwurfes in 289 d.B. ................................................................ 200

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 290 und 291 d.B. .................................... 200

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (217 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz) geändert wird (263 d.B.) ..................................................................... 200

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (197 d.B.): Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation (264 d.B.) ................................................................................ 200

Redner:

Josef Broukal .............................................................................................................. 201

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 202

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 205

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 207

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 208

Petra Bayr ................................................................................................................... 209

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 215

DDr. Erwin Niederwieser ........................................................................................... 216

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 218

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 220

Dr. Andrea Wolfmayr ................................................................................................. 221

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 222

Mag. Dr. Alfred Brader .............................................................................................. 223

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................... 224

Johann Kurzbauer ...................................................................................................... 225

Dr. Robert Rada .......................................................................................................... 226

Johannes Zweytick .................................................................................................... 227

Mag. Melitta Trunk ..................................................................................................... 228

Dipl.-Ing. Günther Hütl ............................................................................................... 229


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37. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensive für Fachhochschulen – Ablehnung ...........................................................................  211, 231

Annahme des Gesetzentwurfes in 263 d.B. ................................................................ 230

Genehmigung des Staatsvertrages in 264 d.B. ........................................................... 231

8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz geändert wird (172/A)                     231

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 231

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................. 232

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 232

Karl Öllinger ................................................................................................................ 233

Zuweisung des Antrages 172/A an den Finanzausschuss .......................................... 234

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteu­ergesetz und das Neugründungs-Förderungsgesetz geändert wird (201/A) ................................................................................................... 234

Redner:

Mag. Hans Moser ....................................................................................................... 234

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 235

Josef Bucher ............................................................................................................... 235

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 236

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 237

Michaela Sburny ......................................................................................................... 237

Zuweisung des Antrages 201/A an den Finanzausschuss .......................................... 237

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelge­setz 1997 geändert wird (168/A)                   238

Redner:

Rainer Wimmer .......................................................................................................... 238

Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 238

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 239

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber ................................................................................. 240

Zuweisung des Antrages 168/A an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft        240

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 36

Petition betreffend „Gegen die geplante Fahrplanänderung für die Zugverbindung Marchegg–Wien-Südbahnhof im Bezirk Gänserndorf“ (Ordnungsnummer 15) (überreicht vom Abgeordneten Dr. Robert Rada)

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 35

219: Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF), Taubenstrasse 16, CH-3003 Bern, und der Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Inneres, Sek-


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37. Sitzung / Seite 7

tion III, Herrengasse 7, A-1010 Wien, betreffend die Gründung und den Betrieb des „International Center for Migration Policy Development (ICMPD)“ in Wien

220: Vertrag über die Dritte Änderung des Vertrags über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development (ICMPD)

221: Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Änderung und Verlängerung des am 1. Juni 1993 in Wien unterzeichneten Vertrags über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development in Wien

222: Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Änderung des am 1. Juni 1993 in Wien unterzeichneten Vertrags über die Gründung und den Betrieb des „Inter­national Centre for Migration Policy Development“ in Wien

252: Bundesgesetz, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Gebüh­rengesetz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden

256: Zusatzabkommen zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern

257: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mongolei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

258: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

259: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Republik Kuba zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin­derung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

260: Wehrrechtsänderungsgesetz 2003 – WRÄG 2003

276: Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden

282: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen geändert wird (DokuG-Novelle 2003)

283: 2. Dienstrechts-Novelle 2003

284: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz geändert wird (Bedienstetenschutz-Reformgesetz – BS-RG)

285: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird

292: Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird

293: Bundesgesetz, mit dem das Tiergesundheitsgesetz (TGG) geändert wird

294: Strafrechtsänderungsgesetz 2003


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37. Sitzung / Seite 8

306: 5. Ärztegesetz-Novelle

307: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz – GlBG) erlassen und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsge­setz) geändert werden

308: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das In­solvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden

309: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

310: 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – 2. SVÄG 2003

311: Bundesbahnstrukturgesetz 2003

312: Bundesgesetz, mit dem das Informationssicherheitsgesetz geändert wird

313: Wachstums- und Standortgesetz 2003

314: Tiermaterialiengesetz – TMG

Berichte ......................................................................................................................... 35

Vorlage 16 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 3. Quartal 2003; BM f. Finanzen

III-64: Bericht über die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen im Jahr 2002; BM f. soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

III-65: Förderungsbericht 2002; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensive für Fachhochschulen (251/A) (E)

Mag. Walter Tancsits, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (252/A)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Tätigkeit der Tiertransportinspektoren (253/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutzregeln für gesund­heitsbezogene Lebensmittelwerbung im österreichischen Lebensmittelgesetz (254/A) (E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegegeldanspruch im Antrags- und Sterbemonat (255/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reduktion der unsozialen Selbstbehalte und Harmonisierung des Beitrags- und Leistungsrechts im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (256/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Festlegung von qualitativ und quantitativ messbaren Gesundheitszielen (257/A) (E)


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37. Sitzung / Seite 9

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Rechte für PatientInnen (258/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dämpfung des Zuwachses bei den Heilmitteln (259/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Versorgungs­qualität und Vermeidung von Mehrfachbefundungen und Mehrfachbehandlungen (260/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dokumentation und Auswer­tung von Schlichtungsstellenentscheidungen im Zusammenhang mit behaupteten Be­handlungsfehlern im Gesundheitsbericht (261/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern (262/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuregelung der Medizinhaf­tung (263/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Beitritt Österreichs zur Biomedizinkonvention des Europarates (264/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der PatientIn­nen- und Serviceorientierung im Bereich des Gesundheitswesens (265/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prävention und betriebliche Gesundheitsförderung zur Vermeidung arbeitsbedingter Erkrankungen (266/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausdehnung der Jugend­lichenuntersuchungen auf 18- bis 19-Jährige (267/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende Qualitätsoffensive im Bereich der niedergelassenen Ärzte und im Spitalsbereich (268/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der regionalen Vernetzung der Gesundheits- und Sozialdienste (269/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studien über den Einsatz von „Erwachsenenmedikamenten“ in der Kinderheilkunde (270/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung bei der Neuzulassung von Arzneimittel für Kinder und Jugendliche (271/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserungen bei der Zu­lassung von Arzneimittelspezialitäten für Kinder und Jugendliche (272/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Schutzimpfung für Feuerwehrleute (273/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl. Nr. 275/1992, geändert wird (274/A)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Regelungen für Lagerungs- und Stützverbandstechniker in Spitalsambulanzen (275/A) (E)


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37. Sitzung / Seite 10

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend unentgeltliche Ausbildung für alle medizinisch-technischen Dienste über die Bundesländergrenzen hinweg (276/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines bundes­einheitlichen Berufsbildes „AltenfachbetreuerIn“ und einer zeitgemäßen, in Modulen aufgebauten, umfassenden Ausbildung zur AltenfachbetreuerIn (277/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende Reform der Ge­sundheitsberufe (278/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Regelungen für eine verstärkte Qualitätssicherung bei der Verwendung von Blut und Blutprodukten (279/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbreiterung der Beitrags­grundlage zur Finanzierung des Gesundheitssystems (280/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend transparente Finanzierung der Krankenversicherung (281/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz 1996 geändert wird (282/A)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Sicherstel­lung der fairen Finanzierung des Gesundheitssystems (283/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sofortmaßnahmen zur Verhinde­rung unerwünschter und unsinniger LehrerInnenwechsel während des Schuljahres durch Frühpensionierungen (284/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Position Österreichs zur EU-Chemikalienpolitik-Reform (285/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der Kinder- und Babygesundheit vor gefährlichen Chemikalien durch Erlass einer Kinder- und Baby-Kosmetikverordnung (286/A) (E)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres wegen tagtäglichen Rechts­bruchs durch Verweigerung der Unterbringung und Versorgung von AsylwerberInnen (287/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bun­despräsidentenwahlgesetz 1971 und die Europawahlordnung geändert werden (288/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Polizeireform: Team 04 – Zusammenlegung der Wachkörper – Geheimpapier des BMI“ (1010/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Lobbying – Versorgungsaufträge an Politiker der Regierungsparteien, diesmal der ÖVP (1011/J)


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37. Sitzung / Seite 11

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „roten“ EU-Kommissar (1012/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Böhm und Grasser (1013/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Missstände im Bereich kinderheilkundlicher Versorgung und im Bereich des Umgangs mit gesundheitspolitisch relevanten Daten (1014/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungswesen (1015/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Ange­legenheiten betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungswesen (1016/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffent­lichen Beschaffungswesen (1017/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungswesen (1018/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Be­schaffungswesen (1019/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungswesen (1020/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ein­satz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungswesen (1021/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungs­wesen (1022/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungswesen (1023/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungswesen (1024/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffent­lichen Beschaffungswesen (1025/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einsatz von Blumen mit dem FLP-Gütesiegel im öffentlichen Beschaffungs­wesen (1026/J)


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37. Sitzung / Seite 12

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend pietätlose Geschäftspraktiken gegenüber ÖBB-Vorteilscard-KundInnen (1027/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend pietätlose Geschäftspraktiken gegenüber ÖBB-Vorteilscard-KundInnen (1028/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Regionalbahnstrecken, insbesondere in Niederösterreich (1029/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Konjunkturpaket III“ der Bundesregierung (1030/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend „Konjunkturpaket III“ der Bundesregierung (1031/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend „Unschuldiger von Neo-Nazis verprügelt – Vorwurf der Kinderschändung“ (1032/J)


Nationalrat, XXII.GP
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37. Sitzung / Seite 13

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Sicherheit der „Acconci-Murinsel“ (1033/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheit im Wiener Bezirk Simmering (1034/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Fahrplanänderungen der ÖBB im Raum Amstetten (1035/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Studierende ohne Recht auf subventionierte Fahr­karten (1036/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend finanzielle und personelle Engpässe bei der Agentur für Ge­sundheit und Ernährungssicherheit (AGES) (1037/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend WTO-Agrarver­handlungen in Cancún (1038/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Versagen des Innenministers bei der Kriminalitätsbekämpfung und Zerschlagung des österreichischen Sicherheitssystemes (1039/J)

Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umsetzung der Klimastrategie (1040/J)

Anna Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend § 12a Familienlastenausgleichsgesetz (1041/J)

Anna Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend § 12a Familienlastenausgleichsge­setz (1042/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend keine Freigabe für einen Mitarbeiter des Ministers nach dem Mili­tärbefugnisgesetz (1043/J)

Heidrun Walther, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Situation von Frauen in Nebenerwerbslandwirtschaften (1044/J)

Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend „Austrian College and High School Agreement“ mit der Firma Microsoft (1045/J)


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37. Sitzung / Seite 14

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Rechnungs­hofes betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1046/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend be­hindertenbenachteiligende Bestimmungen (1047/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1048/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1049/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1050/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1051/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1052/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1053/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1054/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1055/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend behindertenbenachteili­gende Bestimmungen (1056/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1057/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (1058/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Sozialplan“ bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) (1059/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend den schwierigen Weg zu einem Behindertengleichstellungsgesetz (1060/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vernichtung von Steuergeld (1061/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Schwierigkeiten und rechtliche Unklarheiten bei der Umsetzung des Universitätsgesetzes 2002 (1062/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Evaluierung der Forschungsförderungsfonds (1063/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zukunft des Forschungsstandorts Seibersdorf (1064/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Nichtigerklä­rung der Entscheidung der EU-Kommission zum Verbot des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen in OÖ (1065/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend ungerechte Aufteilung der Milch­quoten (1066/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Künstler-Sozialversicherungsfonds (1067/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Auflösung der Zollwache und künftige Aufgabengebiete der Zollverwaltung“ (1068/J)

*****

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betref­fend Verteilung einer Stellungnahme des Städtebundes zur Petition Nr. 10 „Gegen die Abschaffung der Notstandshilfe und deren Ersatz durch die Sozialhilfe neu und damit gegen weitere finanzielle Belastungen für Städte und Gemeinden“ (12/JPR)

Mag. Cordula Frieser, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des National­rates betreffend Bekämpfung der Papierflut im Parlament (13/JPR)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend behindertenbenachteiligende Bestimmungen (14/JPR)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (790/AB zu 800/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (791/AB zu 789/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (792/AB zu 791/J)


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37. Sitzung / Seite 15

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen (793/AB zu 796/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen (794/AB zu 820/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen (795/AB zu 786/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (796/AB zu 787/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (797/AB zu 792/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (798/AB zu 798/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kollegin­nen und Kollegen (799/AB zu 795/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (800/AB zu 785/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen (801/AB zu 821/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königs­berger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (802/AB zu 838/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (Zu 552/AB zu 546/J)



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37. Sitzung / Seite 16

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet.

Die Amtlichen Protokolle der 34. Sitzung vom 22. Oktober 2003 sowie der 35. und 36. Sitzung vom 23. Oktober 2003 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet ist Abgeordnete Mag. Sima.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vom Bundeskanzler ist die Mitteilung über die Entschlie­ßung des Herrn Bundespräsidenten eingelangt, wonach der Bundesminister für Lan­desverteidigung von 12. bis 14. November den Bundesminister für Inneres vertritt.

Mandatsverzicht und Angelobung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung einge­langt, dass Frau Abgeordnete Susanne Wegscheider auf ihr Mandat verzichtet hat und an ihrer Stelle Herr Dr. Peter Sonnberger in den Nationalrat berufen wurde.

Da der Wahlschein bereits vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich bitte nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Jakob Auer, um die Verle­sung der Gelöbnisformel.

 


Schriftführer Jakob Auer: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich begrüße den neuen Abgeordneten herzlich in unse­rer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

*****

Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben ihre Absicht bekannt gege­ben, zum Thema „Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung“ Erklärungen abzu­geben. Diese stehen als Punkte 1 und 2 auf der Tagesordnung.

Dazu wurden Einwendungen erhoben, auf die ich noch zurückkommen werde.

Es liegt ein Verlangen von fünf Abgeordneten vor, über diese Erklärungen gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine gemeinsame Debatte durchzuführen.


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37. Sitzung / Seite 17

Die Erklärungen sowie die anschließende Debatte werden ebenso wie die Einwen­dungsdebatte im Anschluss an die Aktuelle Stunde stattfinden.

Ich darf die Damen und Herren bitten, das Gemurmel etwas einzustellen und Platz zu nehmen, weil in wenigen Sekunden die Nation ihre Scheinwerfer auf uns richten wird.

Aktuelle Stunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Wo bleibt die österreichische Außenpolitik?“

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Cap. Seine Redezeit ist 10 Minuten. – Herr Klubobmann, Sie sind am Wort.

 


9.03

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Dies ist eine der seltenen Möglichkeiten, sich hier einmal grundsätzlich mit der Außenpolitik auseinan­der zu setzen, seit es nicht mehr üblich ist, dass der Außenpolitische Bericht im Ple­num verhandelt und diskutiert wird. Die Frau Außenministerin macht sich auch ziemlich rar hier im Hohen Haus. Daher nützen wir die heutige Gelegenheit, uns im Rahmen dieser Aktuellen Stunde grundsätzlich mit der Frage zu beschäftigen, wo die Außen­politik denn eigentlich bleibt, weil sie unserer Auffassung nach kaum erkennbar und kaum präsent ist. Die Frau Außenminister hat ja dann die Möglichkeit, das zu ent­kräften, sollte ihr das überhaupt gelingen.

Da man so wenig von ihr hört und sieht, muss man sich an die Literatur halten als einen der Orientierungspunkte. Daher habe ich mir das Buch von Bundesministerin Ferrero-Waldner: „Kurs setzen in einer veränderten Welt“ nicht nur zur Vorbereitung, sondern weil ich grundsätzlich gerne lese, angesehen. Unter dem Kapitel „Das Lächeln, das ich meine“ hat sie doch einen interessanten Gedanken formuliert, und zwar schreibt sie auf Seite 43:

„Häufig denken wir bewusst nicht zu Ende, welche Folgen eigene Handlungen für andere haben können, weil wir uns lieber nicht damit belasten wollen oder weil es unsere Effizienz beeinträchtigen könnte, wenn wir uns zu sehr mit dem Schicksal ande­rer Menschen beschäftigen.“

Das ist ein sehr interessanter Leitsatz, der hier geäußert wurde, und ich denke, das wird wohl der Leitsatz für ihr politisches Handeln sein, sonst hätte sie das ja nicht ge­schrieben.

Und da kommen wir gleich zu den Punkten. Wie wir wissen, wird sich auf der heutigen Tagesordnung der Punkt Ratifizierung, Erweiterung der Europäischen Union nicht be­finden. Wir haben das einige Wochen verschoben. Das wird seine Gründe haben, viel­leicht auch, dass das Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Europäischem Parla­ment in der Transitfrage zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet, wenn nicht zufällig der Landeshauptmann von Kärnten in dieser Auseinandersetzung mit der Vetokeule ge­schwungen hat. Was das helfen soll, ist schleierhaft.

Das ist einer der Gedanken, den Sie auf einer anderen Seite in diesem Buch formu­lieren, wo Sie auf Seite 288 meinen, die Beitrittsländer, die Nachbarn seien so quasi unsere neuen alten Partner, mit denen man in der EU fast so viele Stimmen hätte wie die drei Großen, Deutschland, Frankreich und Großbritannien, zusammen.


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Abgesehen davon, wenn Sie schon dieses Konzept – wie soll ich sagen? – in dieser gönnerhaften Art, wie es Alfred Worm formuliert hat, verfolgen, wo so ein bisschen das habsburgische Konzept ablesbar ist: die alten Kronländer vereinen, um gegen Brüssel zu marschieren, das ja wirklich mehr als zweifelhaft ist und über das man diskutieren könnte, dann muss ich Sie schon fragen: Haben Sie sich eigentlich überlegt, welches Signal an die ehemaligen Kronländer – also an jene, die jetzt erfolgreich Beitrittsan­suchen an die Europäische Union gestellt haben – gegeben wird, wenn wir diese Frage jetzt von der Tagesordnung einfach wie jeden anderen Tagesordnungspunkt auch wegschieben, zu einem anderen Zeitpunkt behandeln, somit signalisieren, dass uns das gar nicht so wichtig ist, und die Frau Außenministerin dazu einmal mehr kein Wort verliert?

Also, bitte, beantworten Sie uns doch folgende Fragen: Wie stehen Sie dazu, dass diese Erweiterung nicht so wichtig ist, sodass man sie um ein paar Wochen verschie­ben kann? Was sagen Sie zu dieser Symbolik? Und was sagen Sie überhaupt dazu, dass Sie hier aufmarschieren wollen gegen Berlin, gegen Paris und gegen London, wo­bei der tschechische Premierminister Špidla laut „Salzburger Nachrichten“ vom 14. Ok­tober ja meint, die EU sollte nicht aus Blöcken bestehen, die auf Grund von geopoli­tischen Interessen entstehen.

Ich möchte Europa nicht desintegrieren in mehrere kleine Allianzen. Sie wollen das anscheinend. Wo liegt hier der Nutzen für Österreich?, ist zu fragen. Wo denken Sie hier an Österreich? Oder wollen Sie sich mit dem Schicksal Österreichs und anderer Menschen und den Folgewirkungen nicht so beschäftigen, wie Sie es auf Seite 43 Ihres Buches beschrieben haben? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Eine tolle Werbung für ein tolles Buch!)

Da kommen wir dann zum nächsten Punkt. Der Herr Bundeskanzler hat den Weg nach Rom angetreten, um dort einmal mehr in der Transitfrage vorstellig zu werden. Lieber Silvio!, war wahrscheinlich die Anrede. Lieber Wolfgang!, war die Antwort. Und dann: Forza, forza, Wolfgang, wir gehen in Italien unseren eigenen Weg in der Transitfrage.

Frau Außenministerin! Wir haben uns ein wenig angesehen, wie oft Sie sich eigentlich zur Transitfrage geäußert haben. (Abg. Ellmauer: Zu wenig!) – Ja, zu wenig. Genau! Sie haben nämlich seit Dezember 2001 als Außenministerin nur sechsmal zur Transit­problematik Stellung genommen. 2003 überhaupt nur eine öffentliche Stellungnahme zur Transitfrage – eine Lebensfrage für Österreich, wie wir in den letzten Tagen einmal mehr erkennen mussten, übrigens verpfuscht von der Bundesregierung und von vier Ministern noch im Speziellen in dem Ressort. Aber ist es nicht eine Aufgabe der Außenministerin, auch da diplomatische Beziehungen zu entwickeln, auch da eine Lobby aufzubauen, um diese Frage für Österreich und im Interesse Österreichs zu lösen? Frau Ministerin, war Sie das nur eine einzige Stellungnahme im Jahr 2003 wert? – Das hatte für Sie anscheinend keine Wichtigkeit.

Wichtiger war es anscheinend – das ergibt sich aus der Anfrage des Bundesrates Alb­recht Konecny (Abg. Großruck: Professor Albrecht Konecny!) –, allein für Fotos rund 317 000 € auszugeben, damit man all Ihre Tätigkeiten, die für Österreich nicht diese Relevanz haben, einmal abfotografieren kann. Kiloweise, stapelweise Fotos: Ferrero da, Ferrero dort, Ferrero da, Ferrero dort, und das alles abfotografieren. Ich frage mich: Was schaute dabei für Österreich heraus? Was für die Fotografen herausgeschaut hat, das wissen wir mittlerweile: 317 000 €! Das war Ihre Antwort an Bundesrat Konecny. Aber was ist auf Grund Ihrer Tätigkeit für Österreich dabei herausgekommen?

Da komme ich zum nächsten Punkt (Zwischenruf bei der ÖVP) – Sie sollten sich kon­zentrieren –: Wo ist die Anti-Atomlobby im europäischen Rahmen aufgebaut worden, Frau Außenminister? Wir wissen, das ist eine ganz wichtige Sicherheitsfrage für uns,


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was die umliegenden Atomkraftwerke betrifft. Sie haben angedeutet, dass Sie eine EURATOM-Revisionskonferenz anstreben. Was haben Sie in diesem Bereich getan und erreicht? Ich muss Ihnen sagen, nach dem heutigen Stand der Dinge ist da eigent­lich nichts herausgekommen. Das ist bedauerlich, und das zeigt auch, welchen Re­spekt man vor Österreich hat und welches Ohr man ihm leiht. Sie sind letztlich das Aushängeschild dieses Landes. Sie müssen dafür sorgen, dass unsere außenpoli­tische Position eine andere wird. Sie wurde aber keine andere. Da muss ich Ihnen sagen, das Ergebnis ist wirklich sehr dürftig!

Ein weiterer Punkt, Frau Außenministerin: Wir alle kennen die wirtschaftliche Lage, in der wir alle uns befinden. Unter der italienischen Präsidentschaft hat man sich bemüht, eine Wachstumsinitiative in Gang zu bringen. Mühsam kam sie in Gang, wir haben erst kürzlich die Daten dazu ablesen können. Wo war Ihr Beitrag als Außenministerin in dieser Frage? Und es wäre bedeutend gewesen, ob die EU mitfinanziert beim Brenner-Basistunnel, beim Ausbau der Westbahn, bei der Achse Wien–Ödenburg. Da geht es wieder um ganz entscheidende Interessen Österreichs. Und da muss ich feststellen, dass Sie das nicht als Kernpunkt Ihrer Politik haben, und das ist für dieses Land wirk­lich bedauerlich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Nicht am Letztstand!)

Frau Außenministerin! Wir könnten die Frage der grundsätzlichen Orientierung der Außenpolitik noch endlos weiter diskutieren. Ich denke nur an die Politik in der Irak-Frage, wo Sie sich zwischen zwei Stühle gesetzt und durch besondere Positions­losigkeit geglänzt haben. Das muss man einmal sagen, wenn wir ein wahrer Freund Amerikas gewesen wären, dann hätten wir Amerika vor diesem Irak-Abenteuer gewarnt, so wie die öffentliche Meinung das jetzt immer stärker in den Vereinigten Staaten macht. Aber wo ist hier der Sicherheitsgewinn für Österreich? Wo wurde in der Summe Ihrer außenpolitischen Tätigkeiten für Österreich wirklich etwas erreicht und wirklich etwas getan?

Ich hoffe, dass Sie uns hier im Plenum eine wirklich wahrheitsgemäße und klare Ant­wort geben können. Auf Seite 3 Ihres Buches steht bloß: „Der Diplomat sollte ... mög­lichst nie die Unwahrheit sagen.“ Sie sagen also: Möglichst nie! Frau Außenministerin, beschreiben Sie mir dieses „möglichst“. Wann entscheiden Sie sich dafür, die Unwahr­heit zu sagen, und wann entscheiden Sie sich dafür, nicht die Unwahrheit zu sagen? Was soll das Wort „möglichst“, das Sie der Nachwelt auf Seite 3 in Ihrem Epoche machenden Werk vermacht haben?

Für jeden ist das zu lesen, das ist eine Fundgrube. Man könnte noch weitere Lebens­weisheiten aus diesem Buch zitieren. Eine Bereicherung unserer Literatur. Frau Außenminister, wir warten auf Ihre Antwort. (Beifall bei der SPÖ.)

9.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner. Ihre Redezeit soll 10 Minu­ten nicht übersteigen. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


9.14

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich stehe für eine Außenpolitik – ich danke Ihnen, dass ich darüber sprechen kann –, die vor allem österreichische Interessen im Ausland klar vertritt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich stehe aber auch für eine Außenpolitik, die für Menschlichkeit, für Menschenrechte, für Vertrauensbildung und für Verlässlichkeit steht. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwi­schenruf der Abg. Mag. Wurm.)


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Blicken wir zurück. Als ich als Außenministerin am 4. Mai 2000 angelobt wurde, war ich gefordert, die wirklich unfairen Sanktionen zu bekämpfen, die die Europäische Union gegen Österreich angesprochen hat. Und ich wurde dazu aufgefordert und habe es auch getan, die österreichische Realität darzustellen und zu zeigen, dass das, was in den Medien verzerrt dargestellt war, völlig unrealistisch ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es ist ein demokratisches, ein humanitäres Land.

Inzwischen konnte das Vertrauen mit allen Ländern der Welt wiederhergestellt werden, kürzlich auch mit Israel, und zwar durch die Wiederaufnahme und Normalisierung der Beziehungen, und ich freue mich darüber. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Verehrte Damen und Herren! Natürlich ist die EU-Erweiterung das Kernprojekt der österreichischen Außenpolitik, und zwar stabilitäts- und friedenspolitisch, aber selbst­verständlich auch für unsere Wirtschaft. Ich denke, wir haben sehr gut verhandelt, denn hier muss man beide Interesse abwägen, österreichische Interessen und die In­teressen der Partner. Man hat bei den Referenten der Partnerländer gesehen, wie gut hier auch die österreichische Position bewertet wurde.

Ich möchte als Beispiel die Frage der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ansprechen. Dafür gilt eine siebenjährige Übergangsperiode, ebenso wie für manche Sektoren im Bereich der Dienstleistungen. Ich glaube, das war enorm wichtig. Heute nehmen sogar Länder diese Übergangsfrist in Anspruch, die damals nicht dafür waren, wie zum Bei­spiel Finnland, Frankreich und sogar Spanien. Stellen Sie sich das vor! Ich glaube, da haben wir sehr gut in Richtung Veränderung gearbeitet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie sprechen hier zwei Themen an, die selbstverständlich sehr wesentlich waren. Das eine ist der Transit und das andere ist die Anti-Atompolitik. Ich muss sagen: Der Transit ist tatsächlich ein sehr dorniges Thema, Sie alle wissen es. Ich habe mich zusammen mit meinen Regierungskollegen auf allen Ebenen intensiv dafür eingesetzt, diese essentiellen österreichischen Interessen zu wahren. Dabei geht es mir und ging es mir nie darum, ob ich sehr stark in der Presse präsent war. Man kann sehr effektiv im Hintergrund einiges bewirken. Wenn Sie sich anschauen, wie sehr wir die Positionen im Verkehrsministerrat annähern konnten, dann erkennen Sie, dass wir da auch eine Rolle gespielt haben. Allerdings muss man sagen, es ist sehr bedauerlich, wie sich das Europäische Parlament dazu verhält. Ich denke vor allem an die Stellungnahme vom Juni 2003 und an die gravierenden Verschlechterungen, die es gegeben hat.

Sie wissen, gestern Abend ist im Vermittlungsausschuss über die Frage des Transits gesprochen worden. Es ist leider noch zu keiner Einigung gekommen, aber ich hoffe, dass wir in die Richtung des Schulterschlusses, der im Bundesrat im Rahmen des Entschließungsantrages gelungen ist, weitergehen können, denn ich denke, das zeigt auch, dass wir in schwierigen Zeiten doch zusammenstehen können. Ich sage Ihnen, das ist wichtig für ein Land. Ich lade Sie noch einmal dazu ein, auch das bis zum letzten Vermittlungsausschuss durchzuführen (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen), denn gerade das Europäische Parlament sollte den Schutz der europäischen Bevölkerung und den Schutz der österreichischen Bevölkerung wahrnehmen. Ich hoffe also, dass es in die Richtung der Lösung des Verkehrsministerrates vom 28. März 2003 geht. – Das war das eine heikle Thema.

Das zweite sehr heikle Thema ist natürlich die Anti-Atompolitik. Hier möchte ich sagen, dass für den Melker Vertrag und für das Brüsseler Abkommen, das der Herr Bundes­kanzler schließlich für die Sicherheitsinteressen der Österreicher schließen konnte, enorm viel Vorarbeit notwendig war, und zwar sowohl vom Außenministerium als auch vom Umweltministerium. Ich glaube, wir haben eine sehr gute Vorarbeit geleistet, um diesen Abschluss zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Natür-


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lich würden wir uns die Nullvariante wünschen. Ich habe vor zwei Wochen in Freistadt, als ich Kollegen Svoboda getroffen habe, diesen wieder sehr deutlich darauf hingewie­sen, aber Sie kennen alle auch die tschechische Position.

Das Zweite ist: Auch eine spezielle Regierungskonferenz für einen neuen EURATOM-Vertrag, ist selbstverständlich eine der wesentlichen Positionen jetzt in der Regierungs­konferenz, aber ich erinnere Sie nur daran, dass beim Europäischen Konvent von Ihren eigenen Abgeordneten leider auch nichts zustande gebracht wurde. Ich arbeite mit einigen Anti-Atom-Ländern zusammen wie zum Beispiel mit Irland und Griechenland. Es sind aber leider nur sehr wenige, die unsere Position vertreten. Das wissen Sie.

Verehrte Damen und Herren! Bei der Wahrung österreichischer Interessen muss man natürlich Visionen und Weitblick haben. Und ein solches Konzept mit Weitblick ist die regionale Partnerschaft.

Ich sage Ihnen, das ist ganz wesentlich, denn man muss gemeinsame Interessen selbstverständlich mit den unmittelbaren Nachbarn gemeinsam einbringen. Da ist es egal, ob es sich um tägliche Anliegen handelt, wie zum Beispiel um die Frage des Schlepperunwesens, oder ob es sich um grundsätzliche Anliegen handelt, wie zum Beispiel um die Frage ein Kommissar pro Land mit Stimmrecht, in der wir federführend sind.

Gestern war der Herr Bundeskanzler als Erster bei Berlusconi in Rom eingeladen, der natürlich ganz genau weiß, dass Österreich diesbezüglich eine führende Position hat. Glauben Sie mir: Wer Allianzen erst dann sucht, wenn es heikel wird, der kommt zu spät! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was die neue Verfassung Europas angeht, so verhandeln wir nur, verehrte Damen und Herren, über jene 5 Prozent des Konvententwurfes, die entweder nicht gut genug waren oder bei denen etwas offen gelassen wurde, denn 95 Prozent sind bereits ausverhandelt. Ich denke, der Bundeskanzler und ich werden weiterhin mit derselben Umsicht und auch mit der, so würde ich sagen, firmen Verhandlungsführung in die Verhandlungen gehen, um am Ende ein gutes Ergebnis zu erhalten, und zwar ein Ergebnis, das besser ist für uns als das Konventsergebnis. Ich sage Ihnen eines: Nur eine Union, die von niemandem dominiert wird, nur eine Union, in der niemand domi­niert, ist eine gute Union für alle Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Heute werden die wichtigen außenpolitischen Entscheidungen in der Europäischen Union getroffen; das heißt für Europa, das heißt aber auch für die gesamte Welt. Und da hat Österreich eine sehr gewichtige Stimme. Ich bin inzwischen eine der Veteranin­nen in der Außenpolitik – und ich werde gehört. Das gilt für Nahost, das gilt für den Balkan, das gilt für Afghanistan und für den Iran. Das gilt aber auch für so ferne Länder wie zum Beispiel die Demokratische Republik Kongo. Sie sollten das wissen, auch wenn es nicht immer sichtbar ist. Es liegt aber vor allem an Ihnen, wenn Sie sich nicht genau genug informieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie sagen, dass wir in der Wirtschaft nichts einbringen. Außenpolitik ist selbstverständ­lich auch Außenwirtschaftspolitik, verehrte Damen und Herren! Gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftskammer Österreich haben wir und auch ich selbst einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet. Ich möchte noch einmal die Zahlen nennen: Wir haben ein Budgetdefizit von nur 0,1 Prozent im Verhältnis zu einem EU-Durchschnitt von 1,9 Prozent. Das reale Wirtschaftswachstum in Österreich beträgt 1,4 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt bei 0,9 Prozent. Österreich hat eine der niedrigs­ten Inflationsraten.


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Woher glauben Sie, dass das kommt? – Das kommt auch von einer erfolgreichen Außenwirtschaftspolitik. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Wir waren Exportsieger im vorigen Jahr. Das erste Mal seit 1912 haben wir eine positive Handelsbilanz mit einem Exportüberschuss in der Höhe von über 300 Millionen €. Das geht nicht von selbst, sondern das geht nur, wenn man fördert und dahinter steht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein rezentes Beispiel dafür ist meine kürzliche Reise nach China, dort hatte ich eine über 50-köpfige Wirtschaftsdelegation mit. Ich muss Ihnen sagen: Nur so kann man mit einer Großmacht der Zukunft weiterarbeiten. (Abg. Dr. Cap: Wie geht es den Panda-Bären?)

Ich stehe aber auch im Rahmen meiner Außenpolitik für Menschlichkeit und für Men­schenrechte. Denken Sie daran, dass alle sieben Sekunden ein Kind an Unterernäh­rung oder Hunger stirbt (Abg. Mag. Wurm: Volxtheater!), dass nach dieser Aktuellen Stunde (Abg. Dr. Cap: Da steht das nicht!) 500 Kinder gestorben sein werden. Das ist mir daher, muss ich sagen, immer ein wichtiges Anliegen gewesen. Und ich rede nicht viel, sondern ich handle. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe im Jahr 2002 die EZA erneuert, ich habe endlich die Möglichkeit, die Mittel beginnend mit dem nächsten Jahr bis 2006 aufzustocken. Und wir haben eine neue Durchführungsorganisation geschaffen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Redezeit!)

Aber ich möchte Ihnen auch sagen: Selbstverständlich sind die Vereinten Nationen nach wie vor wichtig für uns. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Redezeit! Es gibt eine Vereinbarung!) – Ich komme schon zum Schluss.

Noch einmal: Ich stehe für eine Außenpolitik, die zuerst die Interessen der Österreicher in der Welt sieht, die aber selbstverständlich in der Welt auch eine starke Stimme hat. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer der Aktuellen Stunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Redner Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

 


9.25

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Angesichts eines ÖBB-Streiks, der heute stattfindet, stellt sich die Frage, warum die SPÖ die Aktuelle Stunde dazu nützt, die Außenministerin als Zielscheibe zu be­trachten. Darauf gibt es eine klare Antwort: Die Wahlen im nächsten Jahr werfen ihre Schatten voraus. Und die SPÖ bleibt ihrer Tradition treu. (Abg. Schieder: Ist sie Kandidatin?) Obwohl die Frau Bundesministerin noch gar nicht als Kandidatin für die Position als Bundespräsidentin nominiert ist, beginnen Sie sie schon anzupatzen, so nach dem Motto: „Irgendetwas wird schon hängen bleiben!“ Das ist Ihre Tradition, meine Damen und Herren, die wir verachten und zurückweisen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie machen auch die Rechnung ohne den Wirt. (Zwischen­ruf des Abg. Dr. Jarolim.) Wir haben eine exzellente Außenministerin, die im Aus- und Inland beliebt ist. Die Österreicherinnen und Österreicher schätzen sie, weil sie genau dem gerecht wird, was Außenpolitik sein soll. Kollege Cap hat an sich kein Wort über die Außenpolitik verloren, was mich nicht wundert, denn, meine Damen und Herren: Wie soll denn österreichische Außenpolitik heute sein?


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Ich werde Ihnen in wenigen Sätzen beweisen, wie diese Außenpolitik sein soll und wie ihr die Außenministerin gerecht wird.

Punkt eins hat die Frau Bundesministerin gleich selbst erwähnt: Österreichische Außenpolitik heißt, österreichische Interessen im Ausland zu vertreten, meine Damen und Herren! Das macht sie in exzellenter Art und Weise. – Sie träumen immer davon, dass sich Österreich in irgendwelche Konflikte der Welt einmischen und dort vermitteln soll. Nein, meine Damen und Herren! Die erste Aufgabe ist, österreichische Interessen im Ausland zu vertreten. Den Beweis dazu hat die Frau Bundesministerin in den letzten Jahren angetreten, und sie kann ihn jederzeit wieder antreten.

In der Sanktionenfrage gegen Österreich – diese liegt erst drei Jahre zurück – hat sie für die Interessen Österreichs wie eine Löwin gekämpft, meine Damen und Herren! Das ist nicht vergessen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen. – Abg. Jakob Auer: Wo war die SPÖ?)

In diesem Zusammenhang ist auch nicht vergessen, welche Rolle Sie von der SPÖ gespielt haben, meine Damen und Herren! Sie waren auf der Seite der Sanktionierer. Das vergessen Ihnen die Österreicherinnen und Österreicher auch nicht in diesem Zusammenhang! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Heute geht es darum, österreichische Interessen in der EU-Verfassung zu vertreten. Die Frau Außenministerin ist es, die darum kämpft, dass jedes Land – heutiges oder künftiges Mitglied – in jeder Institution vertreten ist. (Abg. Mag. Wurm: Transit!) Meine Damen und Herren! Das ist ein nicht nur für uns wichtiges Anliegen, sondern für alle kleinen und mittleren Staaten der Europäischen Union ist das eine zentrale Frage.

Der Herr Bundeskanzler hat gestern im Auftrag vieler Staaten begonnen, mit einem großen Land, mit Italien, diese Frage zu diskutieren. Das ist österreichische Außen­politik mit Vertretung unserer Interessen, meine Damen und Herren! Das lässt sich leicht beweisen.

Sie haben bisher dazu eine Stellungnahmen abgegeben, die besagt, eigentlich verste­hen wir die anderen und nicht die Österreicher. – Das ist mir absolut unverständlich. Wir wollen, dass jedes Land, auch Österreich, einen Kommissar in der Kommission hat. Wir werden uns mit allem, was wir dazu bieten können, einsetzen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Was soll österreichische Außenpolitik noch sein? – Sie soll Österreich im Ausland so repräsentieren, dass uns Sympathie ent­gegen kommt, dass wir gehört werden. Nennen Sie mir ein Beispiel, bei dem unsere Außenministerin irgendwo auf der Welt aufgetreten ist und keine exzellente Figur gemacht hat! Sie konnten keines nennen. Es gibt auch keines. Ganz im Gegenteil: Sie ist Gesprächspartnerin von Kofi Annan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen. Sie hat es geschafft, den russischen Außenminister vor wenigen Wochen in Österreich zu einem bilateralen Besuch begrüßen zu dürfen. Sie hat Zugang zu Colin Powell, dem amerikanischen Außenminister. Und Sie war in China. – Meine Damen und Herren! Das ist eine breite Palette, die beweist: Das ist Außenpolitik nach dem Maßstab Öster­reichs. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das, was Sie zu diesem Punkt beigetragen haben, ist, dass Herr Kollege Gusenbauer Vizepräsident der Sozialistischen Internationale geworden ist. Ob das Österreich nach vorne bringt, meine Damen und Herren, darf ich sehr wohl bezweifeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Der ist wohl nicht ganz dicht, der Knabe!)

Ich möchte daher, meine Damen und Herren, die Rolle der Frau Außenministerin auf der Suche nach Partnern in das Zentrum stellen. Eine Partnerschaft vieler Staaten mit Österreich in einem zukünftigen Mitteleuropa zu finden, das ist die Marke Benita


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Ferrero-Waldner. Sie ist eine hervorragende Außenministerin, sie erfüllt diese österrei­chischen Anforderungen, die Vertretung österreichischer Interessen im Ausland in exzellenter Weise, meine Damen und Herren! Sie ist eine hervorragende Repräsen­tantin unseres Landes. Daran ändern Ihre Versuche, sie anzupatzen, nichts. Das wird Ihnen nicht gelingen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. 5 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


9.31

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Außen­ministerin! Hohes Haus! Ich gehöre nicht zu jenen, die die Konfrontation um jeden Preis suchen, wie Sie wissen, ich bin nicht für Schwarz-weiß-Malen, und ich bemühe mich auch oft, bei politischen Gegnern nicht nur das Negative, sondern auch das Positive zu sehen, und das erst recht in der Außenpolitik (Abg. Mag. Mainoni: Aber!), aber auch ich bin überzeugt davon, dass diese Aktuelle Stunde dringend notwendig ist – aus Sorge um die österreichische Außenpolitik wegen Mängeln und Fehlern in manchen Bereichen. (Abg. Mag. Mainoni: Also bitte!)

Ich kann der Argumentation des Kollegen Spindelegger nicht folgen, der hier zu verste­hen gab, deshalb, weil die Frau Außenministerin vielleicht Kandidatin ist, darf in diesem Hohen Haus nicht mehr über Außenpolitik gesprochen werden. Dazu muss ich sagen: Da können wir ja direkt froh sein, dass nicht alle Regierungsmitglieder als Kandidaten genannt wurden, denn sonst könnten wir einen Glassturz über die Regierung stellen, uns verbeugen und nach Hause gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nein, das wollen wir nicht tun, denn es ist wichtig, über die Außenpolitik zu reden. Erstens muss Außenpolitik vorhanden und sichtbar sein. In entscheidenden Fragen der Außenpolitik muss es eine klare Linie geben, muss es Grundsätze geben, zum Beispiel wenn es um Krieg geht.

Frau Außenministerin! Ihre Politik der Mitte – ich zitiere Ihren Ausspruch vom 24. Fe­ber: Wir wussten immer schon, dass die Mitte richtig ist! – war ein schwerer außen­politischer Fehler. Mitte, so sagt man, ist gut. Man spricht sogar sehr oft in unserem Sprachgebrauch von „goldener Mitte“. Es war schon in Ordnung, dass Sie sich für eine gemeinsame Haltung aller Europäer eingesetzt haben, aber es gab keinen Mittelweg in dieser Frage. Bei der Entscheidung, entweder aus vermeintlicher Treue zu den Ver­einigten Staaten die Fehler der Administration Bush mit zu vollziehen oder sich zu Recht zur Legitimität der Vereinten Nationen zu bekennen, gab es kein Dazwischen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Gerade ein Staat wie Österreich muss mit all seinen Kräften für die Herrschaft des Rechtes auch auf internationaler Ebene kämpfen. Er kann in seiner Wortwahl modera­ter sein als die Großen, aber in seiner Haltung muss er klar sein. Österreichs Außen­politik war dies beim Irak-Krieg leider nicht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zweitens muss Außenpolitik – das ist richtig gesagt worden – Engagement, Initiativen zeigen und muss sich ein Netzwerk von Freunden für das eigene Land schaffen. Wenn dies schief geht, dann merkt man es meistens erst dann, wenn man Probleme hat, wenn man Freunde und Unterstützung braucht.

Wir erleben das jetzt bei Euratom und in der Transitfrage. Wir sind isoliert, und schuld daran sind auch Versäumnisse in der Außenpolitik. Die Strategie, sich in Europa Part­ner zu suchen – an sich eine richtige Überlegung –, wurde mit der regionalen Partner­schaft und mit dem Versuch einer Gruppenbildung der Kleinen im Rahmen des Kon-


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vents und in Bezug auf die Europäische Verfassung schlecht und in der Durchführung zu plump angelegt.

Warum erst jetzt?, gönnerhafte Art, Habsburger Nostalgie: Das waren dazu noch die mildesten Stellungnahmen von Politikern aus Nachbarländern. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) Der Versuch, uns in Europa durch Partnerschaft zu stärken, wurde leider so realisiert, dass er uns in der Endabrechnung geschwächt hat. (Abg. Steibl: Das ist aber schon sehr weit unten!)

Drittens ist eine moderne Außenpolitik nicht bloß Ressortpolitik, sie versteht den Staat als Ganzes. Sie umfasst die gesamte Regierung, das Parlament, die Opposition, die NGOs, die Interessenvertretungen und auch die Zivilgesellschaft. Andere Länder schauen sehr genau, ob die Außenpolitik eines Landes all diese Gruppen, also den gesamten Staat, vertritt oder ob es sich bloß um Ressortpolitik handelt. Je stärker, je besser eine Außenpolitik den gesamten Staat vertritt, umso stärker ist sie in ihrer Wirkung.

Was geschieht in Österreich? – Es wird mit dem Parlament nicht über alle Fragen kom­muniziert, die Opposition wird nicht eingebunden, die Strategische Partnerschaft ist nur ein Beispiel dafür. (Abg. Scheibner: Redezeit!) Über die Entwicklungspolitik wurden wir informiert, aber über die Details konnten wir nicht sprechen. (Abg. Scheibner: Redezeit!) Es wird uns die Mitsprache bei der Verlängerung von Einsätzen entzogen. – Außenpolitik muss alle umfassen, muss gemeinsam betrieben werden, nur dann hat sie Erfolg. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordne­ter Scheibner. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


9.37

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Außenministerin! Herr Abgeordneter Schieder! Ich stimme mit Ihren Grundsätzen über eine wichtige gute, dynamische Außenpolitik, die Sie hier dargelegt haben, völlig überein. Sie haben sich ausgesprochen für klare Positionen, für die Bildung eines Netzwerkes von Freunden, um die Interessen des eigenen Landes durchsetzen zu können, und für einen möglichst großen Konsens in der Außenpolitik. All das ist wun­derbar!

Ich glaube, dass diese Bundesregierung mit dieser Außenministerin genau diese Posi­tionen, die Sie hier verlangen, erfüllt. Aber schauen wir doch in die Vergangenheit zurück, weil es ja auch darum gehen soll, Alternativen aufzuzeigen, die ich bei Ihnen vermissen musste. Aber es geht jetzt nicht nur um die Außenpolitik, sondern es geht leider auch schon um den Bundespräsidentenwahlkampf. Wie war es denn bei Ihnen, als Sie mit Ihren Bundeskanzlern Außenpolitik gemacht haben? Was war mit diesen Grundsatzpositionen, die Sie hier richtigerweise dargestellt haben? Wo waren die klaren Positionen in der Außenpolitik? Haben Sie wirklich schon vergessen – wir haben es nicht vergessen –, wie Sie auf die Freiheitsbewegungen der ehemaligen Ostblock­staaten reagiert haben, als es darum gegangen wäre, diese Bewegungen zu unter­stützen? – Ihr Bundeskanzler hat stattdessen Ende der achtziger Jahre mit Staatschefs wie Honecker und tschechischen Kommunisten gefeiert und Sekt und Champagner getrunken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Als es darum gegangen ist, klare Position bezüglich des Balkans zu beziehen und Slo­wenien und Kroatien bei ihren Befreiungsbewegungen gegenüber den jugoslawischen Kommunisten zu unterstützen, hat Ihr Bundeskanzler gesagt: Für uns ist Ansprechpart­ner Belgrad und Jugoslawien und nicht Slowenien und Kroatien! – Meine Damen und


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Herren von den Sozialdemokraten, waren das die richtigen Positionierungen? – Ich meine, das war die falsche Richtung in der Außenpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Erinnern wir uns daran, was Sie gemacht haben, als es darum gegangen ist, nach 200 000 oder 300 000 Toten im ehemaligen Jugoslawien, als die Diplomatie nichts ge­nützt hat, diesem Morden und Vertreiben notwendigerweise mit militärischen Maßnah­men ein Ende zu setzen! Da haben Sie die größte Blamage in der Außenpolitik mitzu­verantworten gehabt, weil Österreich den Luftraum für die internationale Aktion zur Be­freiung des Kosovo und zum Beenden dieser Morde und dieser Vertreibungen gesperrt hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Das war die klare Positionierung, die Sie damals zu verantworten gehabt haben!

Zu den Sanktionen, Herr Abgeordneter Schieder, möchte ich Ihnen sagen, weil Sie ge­sagt haben, wir bräuchten ein Netzwerk von Freunden für die Interessen Österreichs: Wo war denn zur Zeit der Sanktionen Ihr Netzwerk von Freunden in der Europäischen Union und in der Sozialistischen Internationale? Damals gab es in der Europäischen Union in erster Linie sozialistische Staats- und Regierungschefs.

Wie haben Sie denn Ihr Netzwerk verwendet, um die österreichischen Interessen zu unterstützen? – Sie haben mit den Sanktionierern Champagner getrunken (Zwischen­ruf des Abg. Dr. Matznetter) und haben sich darüber gefreut, dass man mit unlauteren Mitteln gegen eine demokratisch gewählte Regierung zu Felde zog. So benützten Sie Ihr Netzwerk – zuungunsten der österreichischen Interessen! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Weil Sie jetzt auch den Transit aufs Tapet gebracht haben , meine Damen und Herren von der SPÖ, und den freiheitlichen Infrastruktur- und Verkehrsministern, die wirklich heldenhaft für die Interessen Österreichs in Brüssel kämpfen, hier etwas vorwerfen, muss ich Sie schon fragen: Warum haben Sie denn keine Nachfolgeregelung für den Transitvertrag ausverhandelt in einer Zeit, als wir noch nicht Mitglied der Europäischen Union waren und deshalb eine harte, eine gute Verhandlungsposition gehabt hätten? Das zu tun haben Sie verabsäumt, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Abg. Dr. Lichtenberger: Da hat es ja noch einen gegeben! Lernen Sie Geschichte!) Also tun Sie hier nicht so, als wüssten Sie alles besser. Wir haben kein so kurzes Gedächt­nis, wie Sie es sich vielleicht wünschten. Wir wissen ganz genau, welche Alternativen Sie gebracht haben (Zwischenruf des Abg. Dr. Rada) – es waren die falschen Alter­nativen für Österreich! Diese Bundesregierung mit dieser Außenministerin bringt die richtigen Alternativen zu dem, was Sie vielleicht für Österreich wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ja, meine Damen und Herren, wir brauchen eine aktive, eine dynamische Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union, durch die die Interessen Österreichs vertreten werden – und das erwarten wir uns auch, Frau Außenministerin, auch wenn es darum geht, den Menschenrechtsstandards wie etwa bei den Beneš-Dekreten und AVNOJ-Bestimmungen zum Durchbruch zu verhelfen. Das mag nicht angenehm sein, vielleicht betrifft es auch nur eine kleine Gruppe in Österreich, eine leider immer kleiner wer­dende Gruppe, aber ich meine, die Menschenrechte sind unteilbar, ebenso die Interes­sen der Österreicherinnen und Österreicher, egal wie groß die Gruppe der Betroffenen ist.

Österreich hat, meine Damen und Herren, eine Rolle auf internationaler Ebene, es kann die Brücke zwischen den verschiedenen Ländern der Welt – vor allem auch den Krisenherden – und Europa bilden. Die österreichische Außenpolitik ist in den Händen


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der Bundesregierung und dieser Außenministerin jedenfalls gut aufgehoben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Luna­cek. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


9.42

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wenn mein Vorredner sagt, dass die österrei­chische Außenpolitik in den Händen der Außenministerin gut aufgehoben sei, dann muss ich fragen, warum denn dann die Außenministerin nicht öfter bereit ist, mit uns hier im Parlament über Außenpolitik zu diskutieren. Diesmal musste die SPÖ in der Aktuellen Stunde dazu einladen – und die Frau Ministerin dankt dann dafür, dass sie zu uns und mit uns reden kann.

Frau Ministerin! Wir hätten gerne jetzt im Herbst noch eine Sitzung des Außenpoli­tischen Ausschusses oder seines Unterausschusses zum Thema Entwicklungspolitik gehabt, aber leider: Die Frau Außenministerin konnte uns nur einen Termin nennen, und sonst nichts (Abg. Mag. Molterer: Frau Lunacek, ihr Reisekalender ist dicht gefüllt, wie wir wissen!), und zu diesem einem war es nicht möglich, darüber zu diskutieren. Das ist sehr schade, Frau Ministerin, denn es wäre dringend notwendig, die Außen­politik anhand konkreter Punkte zu diskutieren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Lassen Sie mich auf drei der von Ihnen erwähnten Punkte ein bisschen näher ein­gehen.

Sie haben gesagt, dass die Erweiterung das Kernprojekt der österreichischen Außen­politik sei. – Da stimme ich Ihnen auf jeden Fall zu. Zum Glück ist es so weit, dass wir – zwar leider nicht heute, sondern erst in drei Wochen – den diesbezüglichen Vertrag ratifizieren werden. Aber Sie haben schon dem Präsentator dieser Aktuellen Stunde, Herrn Kollegen Cap, nicht geantwortet, als er an Sie, Frau Bundesministerin, die Frage gestellt hat: Warum haben denn Sie sich nicht dafür eingesetzt, dass dieses Thema heute auf der Tagesordnung steht, damit Österreich tatsächlich ganz vorne unter jenen stünde, die dieses Friedensprojekt für Europa endlich auch ratifizieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Spindelegger.) Warum erst, entgegen den parlamentari­schen Vereinbarungen, in drei Wochen? (Abg. Mag. Molterer: Das ist eine Sache des Parlaments!) – Frau Ministerin, Sie haben uns die Antwort darauf nicht gegeben; viel­leicht sagen Sie es uns doch noch.

Zweiter Punkt: die von Ihnen eingeführte und auch jetzt wieder erklärte strategische Partnerschaft, mittlerweile heißt sie „regionale Partnerschaft“. Ja, es ist wichtig, mit den Nachbarn zusammenzuarbeiten, aber es ist auch wichtig, mit anderen Staaten die Kooperation zu suchen. Aber was tun Sie denn für die Grenzregionen? Gibt es endlich eine Strategie dieser Bundesregierung für den Arbeitsmarkt beziehungsweise für die Beschäftigungspolitik in diesen Grenzregionen? (Abg. Dr. Spindelegger: Übergangs­fristen! Die Beste!) Nein, Frau Ministerin, das gibt es nicht!

Ja, die Übergangsfristen: Sieben Jahre haben Sie durchgesetzt. (Ruf: Sie hätten gar nichts durchgesetzt!) Sieben Jahre – und jetzt sind Sie nicht einmal bereit, den Ungarn, die schon darauf warten, dass endlich Vorschläge von Österreich kommen (Abg. Scheibner: Sie wissen das natürlich wieder alles!), wie man das ab dem 1. Mai 2004 mit Kontingenten für gewisse Bereiche auch ein bisschen besser gestalten kann, sodass das nicht erst in sieben Jahren möglich ist, etwas vorzulegen. Nichts machen Sie, es gibt keine Vorschläge! Das fehlt für diesen Grenzraum. Es fehlt eine Beschäfti­gungs-, eine Arbeitsmarktstrategie, um diesen Grenzraum tatsächlich für die Menschen


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zu stärken und das von der Arbeitsmarktpolitik her so zu gestalten, dass die Menschen keine Angst mehr haben müssen.

Nicht ich sage, dass Sie da tatenlos sind, sondern das sagte Kollege Mitterlehner im August im „Standard“: „Grenzraum, der früher eine Benachteiligung bedeutet hat, wird jetzt zum Vorteil. Das muss man nutzen. Wenn man jetzt tatenlos zuschaut, wird man Probleme bekommen.“ (Abg. Dr. Mitterlehner: Sehr richtig!) – Sie schauen tatenlos zu! Diese Bundesregierung macht dort nichts! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das sind Tatsachen!

Ein weiterer Punkt: Frau Ministerin, Sie betonen, wie wichtig Ihnen die Menschenrechte sind. – Keine Frage, darin stimmen wir überein: Menschenrechte sind ein sehr notwen­diger Aspekt in der Außenpolitik. Sie haben auch ein Curriculum über Menschenrechts­erziehung verfassen lassen. Wichtig, notwendig, aber was die Menschenrechte von Österreicherinnen und Österreichern im Ausland betrifft, messen Sie mit zweierlei Maß, Frau Ministerin! Ich erinnere an die „Volxtheater-Karawane“ in Genua – Menschen, bei denen Sie nicht gleich gesagt haben, man müsse schauen, was ihnen passiert ist, und man müsse sie aus dem Gefängnis holen. (Abg. Mag. Mainoni: Vollkommen richtig gehandelt!) Es hat des Protestes der Grünen und vieler NGOs bedurft, dass Sie in dieser Sache aktiv geworden sind, Frau Ministerin. Da hätten Sie sofort agieren müssen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Hingegen wurde ein österreichischer Polizist, dem im Kosovo ein Vergehen vorgewor­fen wurde, bei Nacht und Nebel von dort herausgeholt. (Abg. Scheibner: Den wollten Sie dort lassen, nicht?) Er ist jetzt verurteilt worden. – Man sieht daran: Sie messen bei den Menschenrechten mit zweierlei Maß! (Abg. Mag. Molterer: Hätten wir ihn dort lassen sollen?)

Ein anderer Bereich: EU-Präsident und italienischer Ministerpräsident Berlusconi hat Putin und seine Tschetschenien-Politik gelobt. – Wo war denn da Ihr Protest dagegen, als der EU-Ratspräsident, die befreundete Regierung, wie Sie es ausgedrückt haben, unter Berlusconi, der Freund von Bundeskanzler Schüssel sagte, die Tschetschenien-Politik Russlands sei in Ordnung? Warum haben Sie da nicht lautstark protestiert? – Frau Ministerin, das ist ein Messen mit zweierlei Maß in der Menschenrechtsfrage! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Letztes: die UNO-Reform, die UNO-Politik überhaupt. Im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg hat ja schon Kollege Schieder gesagt – und das kann ich nur voll unter­schreiben –, dass der Weg der Mitte im Irak-Krieg für Österreich nicht richtig war. (Prä­sident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Zum Thema UNO-Reform: Warum gibt es in Kofi Annans Expertenkomitee keinen einzigen Österreicher, keine einzige Österreiche­rin? Wo sind die großen Österreicher? Die sind da nicht dabei!

Ich denke, Frau Ministerin, es ist auch ein Fehler Ihrer Außenpolitik, dass Österreich in der UNO hier nicht mehr vertreten ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Großruck: Melden Sie sich an, Frau Lunacek, vielleicht nimmt Sie Kofi Annan!)

9.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr für 5 Minuten Herr Abgeord­neter Dr. Fasslabend. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


9.48

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abge­ordneter Spindelegger hat die Kritik des Abgeordneten Cap recht klar und eindeutig zurückgewiesen, und zwar deshalb, weil dahinter folgende Linie erkennbar ist: Eine


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erfolgreiche Bundesministerin soll schon im Hinblick auf in naher Zukunft anstehende Wahlen angepatzt werden. Dass das kein Zufall ist, weiß das ganze Hohe Haus, seit Herr Abgeordneter Amon aus Ihrem Wahlkampfstrategie-Papier zitiert hat (Abg. Dr. Cap: Hörbiger! Christiane Hörbiger!), in welchem die Außenministerin namentlich angeführt ist mit dem Hinweis, dass man sie anpatzen muss, um bei den österreichi­schen Wählern eine Chance zu haben. – So nicht! Das ist ein übles parteitaktisches Spiel! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mir erscheint es wesentlich relevanter, die Fragen, die der unbestritten anerkannte Außenpolitiker Peter Schieder gestellt hat, näher zu analysieren. Er hat gesagt: Außen­politik muss „vorhanden und sichtbar sein“. – Ich lese tagtäglich viele Zeitungen, nicht nur österreichische, sondern auch andere europäische, ich treffe viele Menschen in Europa, ehemalige Ministerkollegen und Diplomaten, und ich kann sagen: Einen derar­tigen Stellenwert wie jetzt hat die österreichische Außenpolitik in den letzten Jahrzehn­ten überhaupt nie gehabt (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Geh, hör auf!) – und das aus­gehend von einer Situation, die man als alles andere denn einfach bezeichnen muss!

Blenden wir zurück! Ja, es war so, dass vor drei Jahren Österreich zum ersten Mal ganz allein dagestanden ist, dass selbst unsere Partner in der EU Sanktionen gegen uns erhoben haben, und das umzudrehen und in eine Position umzumünzen, in der wir jetzt Sprecher einer 16 Länder starken Gruppe innerhalb der EU sind, ist wirklich eine Meisterleistung der Diplomatie, für die unsere Außenministerin verantwortlich ist. Dazu kann man nur gratulieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Schieder hat auch gesagt: „In entscheidenden Fragen der Außen­politik muss es eine klare Linie geben.“ – Ich meine, dass das eine berechtigte Forde­rung ist. Da stellt sich die Frage: Was ist in der österreichischen Außenpolitik gesche­hen? – Ja, wir haben uns in der Sanktionszeit mit einer ganz klaren Linie gegen die anderen gestellt. Haben wir Erfolg gehabt? – Ja. Nicht nur eine Normalisierung der Situation ist eingetreten, sondern es hat auch Rechtsfolgen innerhalb der EU gegeben, damit es in Zukunft einen derartigen Vorfall, wie man ihn Österreich zugemutet hat, nicht mehr geben kann! – Das ist ein Erfolg der österreichischen Außenpolitik mit einer ganz klaren Linie – aber nicht nur mit einer klaren Linie, sondern auch mit ungeheurem Einsatz und gleichzeitig auch diplomatischem Geschick, das dahinter gestanden ist, von dem Sie sich durchaus etwas abschneiden können, Herr Abgeordneter Cap! (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Schieder hat auch gesagt, eine moderne Außenpolitik verlange, dass ein „Netzwerk von Freunden“ aufgebaut wird. – Das haben wir zurzeit! Es war für mich beeindruckend, wie nach der Situation, die wir noch vor wenigen Jahren vorge­funden haben, hier der französische Außenminister aufgetreten ist und wie man auch im persönlichen Kontakt sehen konnte, welches Netzwerk von Freunden aufgebaut wurde. Das Gleiche kann man nicht nur im Zusammenhang mit allen anderen Ländern in Europa sagen, sondern auch für weit darüber hinaus, etwa bis nach China oder auch Israel.

Ich halte gerade den Aufbau von Beziehungen zu diesen Ländern für enorm wichtig: China auf der einen Seite – das bevölkerungsreichste Land der Welt, ein Wirtschafts­faktor nicht nur der Zukunft, sondern bereits der Gegenwart, eines der wichtigsten Devisen bringenden Länder –, auf der anderen Seite Israel und die arabischen Länder, weil dort einer der Hot Spots der globalen Politik ist, wo es wichtig ist, dass auch ein Land wie Österreich versucht, einen Beitrag zu leisten, um dort aus der Konfliktsitua­tion herauszukommen. – Man kann Ihnen, Frau Bundesministerin, nur dankbar dafür sein, dass Sie auch dazu einen Beitrag leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)


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Herr Abgeordneter Schieder hat als letzte Forderung aufgestellt: Moderne Außenpolitik versteht den Staat oder soll den Staat als Ganzes verstehen. – Herr Abgeordneter, Sie haben dann dazugesagt: „Außenpolitik“ – ich versuche, Sie wörtlich zu zitieren – „muss gemeinsam betrieben werden, nur dann hat sie Erfolg.“ – Ich möchte genau diesen Satz an Sie richten, meine Damen und Herren von der Opposition: Unterstützen Sie die Außenministerin (Abg. Gradwohl: Wobei?), statt in kleinliche Kritik zu verfallen! Unterstützen Sie sie dort, wo es notwendig ist, österreichische Positionen in Europa durchzusetzen! Helfen Sie ihr! Treten wir gemeinsam auf, dann werden wir Erfolg haben!

Ihnen, Frau Bundesministerin, kann ich nur sagen: Lassen Sie sich nicht beirren durch solch kleinliche Ärgernisse! In Ihrem Lager steht Österreich, und Sie haben allen Grund, darauf stolz zu sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


9.54

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist wichtig, hier anzuerkennen, dass Österreich tatsächlich eine starke und klare Stimme im Ausland braucht. Ich denke, es ist ebenso wichtig, anzu­erkennen, dass die Außenpolitik Österreichs eine starke Stimme innerhalb der Bundes­regierung und auch in diesem Lande braucht. – Das sollte vorneweg gesagt werden.

Das Problem, das wir sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, dass diese Außenministerin diese starke Stimme in der österreichischen Bundesregierung nicht hat. Ich werde Ihnen dann dafür den einen oder anderen Beleg liefern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Sie sind ja dort nicht einmal dabei!)

Frau Bundesministerin! Seit zwei Jahren liegt hier im Hohen Haus das Grenzgänger-Abkommen mit der Tschechischen Republik, und Sie waren in diesen ganzen zwei Jahren nicht in der Lage, dieses Grenzgänger-Abkommen in den zuständigen Aus­schuss zu bringen und dafür zu sorgen, dass es ratifiziert wird. Seit zwei Jahren wollen die Freiheitlichen diesen Vertrag mit den Tschechen nicht abschließen, und seit zwei Jahren sagt Ihr Kollege Bartenstein, dass es angeblich deswegen nicht möglich ist, weil es die Arbeitsmarktlage nicht zulässt. – Das treibt die Unwahrheit auf die Spitze, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn jetzt gibt es überhaupt kein Hindernis für die Arbeitsmarktbelastung – und mit dem Grenzgänger-Übereinkommen gäbe es eines!

Sie als Ministerin sind jedenfalls nicht in der Lage, die notwendigen Vereinbarungen im Interesse unseres Landes und im Interesse der Menschen in unserem Land zu schlie­ßen. – Erstes Beispiel. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweites Beispiel – es ist schon angesprochen worden –: Es war seit Mai vereinbart und vorgesehen – und zwar auf Druck der Bundesregierung, weil Sie sich damit in Europa berühmen wollten! –, den Beitrittsvertrag für die zehn neuen EU-Mitgliedsländer mög­lichst früh zu ratifizieren. Wir stehen dem nicht im Wege, wir haben das von Anfang an signalisiert, wir haben nur eines gesagt: Wir verlangen, dass Sie Ihre Aufgaben machen und dafür sorgen, dass der Beitritt der zehn neuen Mitgliedsländer zur EU in Österreich gut vorbereitet wird, dass die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen hier entsprechende Maßnahmen der Bundesregierung erwarten können, was Qualifikation betrifft, dass die Grenzregionen entsprechende Maßnahmen erwarten können. Doch dann verschieben Sie an dem Tag, an dem der Kärntner Landeshauptmann sagt:


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Wenn wir beim Transit nicht bekommen, was wir wollen, dann muss die Veto-Möglich­keit noch gespielt werden!, dann verschiebt diese Bundesregierung, diese Regierungs­mehrheit die Ratifizierung gleich um drei Wochen. (Abg. Scheibner: Ein „Wahnsinn“! Gleich drei Wochen!) – Doch was sagt die Außenministerin dazu? – Die Außenministe­rin sagt gar nichts, sie ist nämlich nicht hier, und man kann ja bekanntlich vom Ausland aus auch nichts sagen.

Frau Bundesministerin! Bei einer Frage von diesem Gewicht müssen Sie als Außen­ministerin etwas sagen, vor allem müssen Sie sich durchsetzen. Für uns ist nicht entscheidend, dass Sie das nach außen und öffentlich sagen, für uns ist entscheidend, dass Sie in der Bundesregierung Ihr Wort erheben und dass Sie dort Gewicht haben – aber das haben Sie nicht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Kollege Fasslabend hat soeben von der diplomatischen Meisterleistung gesprochen, die Sie angeblich erbracht haben. – Frau Bundesministerin, es gibt tatsächlich eine diplomatische Meisterleistung, die ich anerkennen möchte: Sie kämpfen seit Monaten dafür, dass jedes Land in Europa unbedingt einen Kommissar haben muss, und mit Ihnen der Herr Bundeskanzler. Wissen Sie, was die diplomatische Meisterleistung daran ist? – Dass Sie vergessen machen möchten und schon fast vergessen gemacht haben, dass es dieser Bundeskanzler war, der in Nizza mit beschlossen hat, dass ab dem Moment, ab dem mehr als 27 Mitglieder in der EU sind, nicht mehr jedes Land einen Kommissar hat. Dieser Bundeskanzler war es, und Sie haben es mitgetragen! – Sie haben versucht, das vergessen zu machen – eine diplomatische Meisterleistung, Frau Bundesministerin! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich auch ein Wort zu Ihrer Erfolgsbilanz, was Israel betrifft, sagen. – Frau Bundesministerin, ich kann da den Erfolg nicht erkennen. Ich weiß, dass es wichtig ist – wir unterstützen das voll –, dass Österreich sein Verhältnis zu Israel freundschaft­lich, korrekt und konstruktiv entwickelt, aber ich weiß nicht, worauf Sie Ihre Meinung stützen, da wäre jetzt alles in Butter, wenn es immer noch keinen israelischen Bot­schafter in Österreich gibt, sondern weiterhin ein Verhältnis auf Basis eines Geschäfts­trägers. Daher muss ich sagen: Als einen großen Erfolg kann man das, was Sie da erzielt haben, wahrlich nicht bezeichnen!

Lassen Sie mich auch zum Thema Transit etwas sagen, weil vorhin behauptet wurde, im Transit hätten die früheren Minister, die roten, nie etwas erreicht, und die jetzigen seien die Armen: Der Einzige, der beim Transit am Brenner etwas erreicht hat, war ich damals als Verkehrsminister (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), ich war es, der da eine Lösung zustande gebracht hat, nur ist diese vom schwarzen Verkehrs­minister und vom schwarzen Landeshauptmann nicht umgesetzt worden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Die vier blauen Minister und Sie haben diesbezüglich nichts zustande gebracht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

 


9.59

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Außenministe­rin! Den Sozialdemokraten scheint bei der Auswahl des Themas der Aktuellen Stunde, das da lautet: „Wo bleibt die österreichische Außenpolitik?“, ein Regiefehler unterlaufen zu sein. – Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Ist Ihnen völlig ent­gangen, dass es ein ganz anderes aktuelles Thema gibt, das ganz Österreich gegen­wärtig berührt, betrifft und verunsichert?


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Das aktuelle Thema wäre – wenn Sie sich getraut hätten – die Situation gewesen, dass der öffentliche Verkehr hier in Österreich derzeit quasi steht. Dieses Thema scheinen Sie sich hier nicht anzurühren zu trauen, aus dem ganz einfachen Grund, weil Sie natürlich solidarisch mit den Gewerkschaftsstreikenden sind und eine Welle der Entrüs­tung in Österreich über uns hinweg schwappt, weil niemand versteht, dass von diesem Streik Menschen betroffen sind, die es wirklich nicht verdient haben. Das sind nämlich ältere Menschen, das sind vor allem Menschen, die nicht so bemittelt sind, weil sie keine Autos haben. Das sind die Themen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, die hier heute als aktuelle Themen zu besprechen gewesen wären, aber nicht die österreichische Außenpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mir ist schon klar, warum dieses Thema gewählt wurde: Es ist ein Frühstart zum Präsi­dentschaftswahlkampf. Das ist vollkommen klar. Da greift man sich eine mögliche Kan­didatin und befragt sie, wo die österreichische Außenpolitik bleibt. Aber ich glaube, da ist Ihnen der nächste Regiefehler unterlaufen. Sie sollten das Thema Außenpolitik sehr sorgsam behandeln. Wir erinnern uns noch alle – und es ist uns noch sehr gegen­wärtig, obwohl es doch einige Zeit her ist – an Ihren sehr geehrten Parteivorsitzenden Fred Sinowatz, der sich bemüht hat, die „braune Vergangenheit“ Waldheims ans Licht zu bringen. Das war Außenpolitik, mit dem Ergebnis, dass Österreich wie ein Nazistaat in der Weltöffentlichkeit dagestanden ist, worunter wir bis heute zu leiden haben, meine Damen und Herren! Das ist Ihre Außenpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit Schrecken, meine Damen und Herren, erinnern wir uns auch noch an diese legen­däre Holocaust-Sitzung der Sozialistischen Internationalen im Jahre 1999, bei der sich Ihr damaliger Bundeskanzler Klima redlich bemüht hat, alle zusammenzubringen, um die Sanktionen gegen Österreich zu erreichen. Das war 1999 eine aktive Außenpolitik der Sozialdemokraten, die dazu geführt hat, dass über Österreich die Sanktionen ver­hängt worden sind. – Das nenne ich eine aktive Außenpolitik, aber nicht zu Gunsten, sondern zum Schaden Österreichs! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Sie haben mit dieser Holocaust-Konferenz, mit Ihren Aktivitäten – Herr Klubobmann Gusenbauer, Sie waren ja an vorderster Front aktiv mit dabei, ich erinnere mich an die Fotos aus Paris, auf denen zu sehen war, dass Sie Champagner schlürfend die Sank­tionen gegen Österreich sogar noch gefeiert haben – natürlich auch der Europäischen Union eine Totalblamage geliefert, der diese nur entgehen konnte, indem so genannte drei Weise nach Österreich gekommen sind, um dieses Dilemma aufzulösen. Das ist Ihre Außenpolitik! Es geht also nicht darum, die österreichische Außenministerin hier zu kritisieren, sondern schauen Sie zuerst einmal selbst, wie Ihre Außenpolitik ausge­sehen hat, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da ist mir schon viel lieber eine Außenpolitik wie jene unserer Außenministerin, die so aussieht, dass wir unter Wahrung unserer Neutralität in der Irak-Krise den kriegführen­den Parteien jeglichen Transit und jegliche Überflugrechte verweigert haben, zumal der amerikanisch-britische Vormarsch durch eine UN-Resolution eben nicht legitimiert war. Diese Außenpolitik ist mir zehn Mal lieber als jene, die Sie vorgezeigt haben.

Ich sage Ihnen jetzt noch etwas: Drei Redner der Sozialdemokraten waren hier her­außen, von keinem einzigen habe ich das Wort „Neutralität“ gehört. Es scheint offen­sichtlich im Sprachschatz der Sozialdemokraten in Österreich nicht mehr zu existieren. Kein einziges Mal habe ich den Begriff „Neutralität“ gehört! Auch Außenpolitik hat Be­dacht zu nehmen auf die Neutralität Österreichs. Das scheinen Sie völlig vergessen zu haben. Das haben Sie ja auch schon bei der Diskussion um die Abfangjäger verges-


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sen. Da gab es auch keine Neutralität mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein wichtiges Thema ist die österreichische Entwicklungszusammenarbeit. Vor dem Hintergrund der Globalisierung erhalten die Probleme der Dritten Welt eine neue Dimension. Armut, ungerechte Ressourcenverteilung, Ausbeutung, Krieg, Seuchen, all das gilt es zu bekämpfen. Auch diesbezüglich ist eine aktive Außenpolitik notwendig, die aber auch betrieben wird, meine Damen und Herren!

Österreich braucht und hat eine gute, ausgewogene und auf Neutralität bedachte Außenpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als letzte Rednerin hiezu gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger zu Wort. – Bitte.

 


10.05

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Meine werten Kollegen Fasslabend und Mainoni! Zu Ihnen zuerst, Herr Mainoni: Sie erzählen das, was seit zwei Jahren sozusagen auf dem Zettel für freiheit­liche Redner zur Außenpolitik draufsteht, da kommt also nichts Neues. Aber, Herr Kollege Fasslabend, von Ihnen bin ich schon irgendwie enttäuscht. Sie bezeichnen Kritik generell als Anpatzen. Also so etwas wie Kritik gibt es offensichtlich nicht mehr in diesem Staat, und wir kommen von immer stärker grassierenden ständestaatlichen Vorstellungen innerhalb der ÖVP schön langsam in Richtung Metternich. Und das macht mir demokratiepolitische Sorgen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nun aber zur Außenpolitik unserer Außenministerin. Ich bin nicht der Ansicht, Frau Außenministerin, dass Sie zu wenig tun, ganz und gar nicht! In vielen Bereichen tun Sie mir zu viel, nämlich absolut das Falsche, etwas, was österreichischen Interessen so etwas von nicht zuträglich ist, dass wir das in diesem Hause viel öfter und viel deutlicher diskutieren müssten. Deswegen beginne ich beim ersten großen Kapitel, wo dies zutrifft, das ist die Frage des Konvents.

Herr Kollege Farnleitner hat mit uns Konvents- und Ersatzmitgliedern im Europäischen Konvent eine relativ gute Basis für die Zusammenarbeit gehabt, hat zum Teil auch äußerst interessante, positive Vorschläge eingebracht. Sie, Frau Ministerin, haben offensichtlich mit Farnleitner die letzten zwei, drei Jahre kein einziges Wort gewechselt, denn sonst könnte es ja nicht sein, dass all das, was bis zum Ende des Konvents gegolten hat, jetzt plötzlich in den Papierkorb wandert und die Bundesregierung mit 12 Punkten gegen den Konvent auftaucht und an vorderster Front dafür kämpft, dass ein Ergebnis, das in erster Linie von Parlamentariern entwickelt wurde, von den Regie­rungen kaputtgemacht wird. Das ist Ihre Leistung, Frau Ministerin, und das ist beileibe keine positive Leistung für Österreich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Deutlich haben Sie das gezeigt, Frau Ministerin, als es um die Frage der Geheimver­handlungen im ECOFIN gegangen ist, als die Finanzminister versucht haben, tunlichst alle demokratischen Elemente aus dem Entwurf des Konvents wieder herauszubrin­gen, ihn wieder zu entdemokratisieren, wieder die Hinterzimmer-Diplomatie in Finanz­fragen einzuführen. Dazu haben Sie zuerst gesagt: Ja, natürlich ist das ihr legitimes Recht, und dann haben Sie gesagt, Sie wüssten gar nichts davon. Wenn das eine Außenpolitik in Sachen Europäischer Union ist, dann müssen wir uns eher ins Winkerl


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setzen und mit Ihnen schämen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was Sie vertreten, das sind Fragen, die die Demokratie aus dem Konventsentwurf herausnehmen, die nicht mehr Demokratie bedeuten, sondern weniger, die weit hinter das zurückfallen, was der Konventsentwurf bedeutet hätte.

Damit komme ich auch zu Fragen der Neutralität beziehungsweise zu Fragen der zukünftigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa. Sie, Frau Ministerin, sagen bei jeder unpassenden und passenden Gelegenheit, dass Österreich einer der ersten Staaten sein sollte, die bei diesem neuen Verteidigungsbündnis mitmachen. (Abg. Murauer: Das ist richtig!)

Meine Damen und Herren, auch von der ÖVP, ist Ihnen klar, dass das bedeutet, dass wir die Verteidigungsausgaben mehr als verdoppeln müssen, wenn wir die, wie es heißt, „anspruchsvollen Kriterien“ für die „strukturierte Zusammenarbeit“ erfüllen wollen? (Abg. Murauer: Was ist Ihr Vorschlag? Nur einen Satz dazu, was Sie sich in Sachen Sicherheitspolitik vorstellen!) Ist Ihnen klar, dass das ein vollständiges Ende der Neutralität und sogar der Bündnisfreiheit bedeutet?

Das ist die Wahrheit hinter dem, was diese Außenministerin öffentlich verkündet, und das ist entgegen jedem verfassungsmäßigen Zustand, den wir derzeit in Österreich haben, und gegen die breite Mehrheit in Österreich, die die Aufgabe der Neutralität nicht akzeptieren wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend zum Thema Transit. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Wenn das, wenn der Punkt, wo wir derzeit im Transit stehen, ein Beispiel sein soll für österreichische Bündnispolitik und für Effizienz in der Außenpolitik, dann ist Ihr Ausweis, den Sie sich damit ausstellen, Frau Außenministerin, ein dramatischer: Wir stehen vor dem Ende jeder funktionierenden Regelung, denn weder im Rat noch im Parlament – Sie schimpfen immer nur auf das Parlament, aber nie auf den Rat! – sind Lösungen vorhanden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete! Sie haben schon drei Schlusssätze gehabt – jetzt bitte den letzten!

 


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (fortsetzend): Jetzt den letzten Schlusssatz: Weder die Lösung, die im Rat vorliegt, noch die, die im Parlament vorliegt, wird irgend­eine Minimierung des Transits bedeuten, sondern im Gegenteil der Transitlawine Tür und Tor öffnen – und dafür tragen Sie, Frau Ministerin, Mitverantwortung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1010/J bis 1038/J.

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 12/JPR.


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2. Anfragebeantwortungen: 790/AB bis 802/AB.

Ergänzung zur Anfragebeantwortung: Zu 552/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Gebührengesetz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden (252 der Beilagen),

Wehrrechtsänderungsgesetz 2003 – WRÄG 2003 (260 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Pensions­kassengesetz geändert werden (276 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheits­wesen geändert wird (DokuG-Novelle 2003) (282 der Beilagen),

2. Dienstrechts-Novelle 2003 (283 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz geändert wird (Be­dienstetenschutz-Reformgesetz – BS-RG) (284 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (285 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird (292 der Bei­lagen),

Bundesgesetz, mit dem das Tiergesundheitsgesetz (TGG) geändert wird (293 der Bei­lagen),

Strafrechtsänderungsgesetz 2003 (294 der Beilagen),

5. Ärztegesetz-Novelle (306 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehand­lungsgesetz – GlBG) erlassen und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz) geändert werden (307 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarkt­servicegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Insolvenz-Entgelt­sicherungsgesetz geändert werden (308 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (309 der Beilagen),

2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – 2. SVÄG 2003 (310 der Beilagen),

Bundesbahnstrukturgesetz 2003 (311 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Informationssicherheitsgesetz geändert wird (312 der Bei­lagen),

Wachstums- und Standortgesetz 2003 (313 der Beilagen),

Tiermaterialiengesetz – TMG (314 der Beilagen).

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 3. Quartal 2003 (Vorlage 16 BA);


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Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 15 betreffend „Gegen die geplante Fahrplanänderung für die Zugverbin­dung Marchegg–Wien-Südbahnhof im Bezirk Gänserndorf", überreicht vom Abgeord­neten Dr. Robert Rada;

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiati­ven an andere Ausschüsse:

Justizausschuss:

Petition Nr. 13 betreffend „Nein zur Biomedizin-Konvention des Europarates“, über­reicht von der Abgeordneten Theresia Haidlmayr,

Bürgerinitiative Nr. 10 betreffend „Höhere Strafen für Kindesmissbrauch“;

Verkehrsausschuss:

Petition Nr. 4 "für eine rasche Verbesserung der Lärmschutzmaßnahmen in Prinzers­dorf/NÖ entlang der Westbahn", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Petition Nr. 9 „für einen Schutz der steirischen Gemeinden Werndorf und Wundschuh vor den Auswirkungen einer undurchdachten Gesetzesbestimmung“, überreicht vom Abgeordneten Dr. Günther Kräuter,

Bürgerinitiative Nr. 7 betreffend „Änderung des Österreichischen Generalverkehrs­planes“.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Zusatzabkommen zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern (256 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mongolei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (257 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (258 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kuba zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (259 der Beilagen);

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch das Bun­desamt für Flüchtlinge (BFF), Taubenstrasse 16, CH-3003 Bern, und der Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Inneres, Sektion III, Herren­gasse 7, A-1010 Wien, betreffend die Gründung und den Betrieb des „International Center for Migration Policy Development (ICMPD)“ in Wien (219 der Beilagen),

Vertrag über die Dritte Änderung des Vertrags über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) (220 der Beilagen),

Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Änderung und Verlängerung des am 1. Juni 1993 in


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Wien unterzeichneten Vertrags über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development in Wien (221 der Beilagen),

Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Änderung des am 1. Juni 1993 in Wien unter­zeichneten Vertrags über die Gründung und den Betrieb des „International Centre for Migration Policy Development“ in Wien (222 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Budgetausschuss:

Förderungsbericht 2002 der Bundesregierung (III-65 der Beilagen);

Familienausschuss:

Bericht über die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen im Jahr 2002, vorgelegt vom Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (III-64 der Beilagen).

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters gebe ich bekannt, dass der Fünfte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an alle Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt: Die Abgeordneten Bayr, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1039/J der Abgeordne­ten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Versagen des Innenministers bei der Kriminalitätsbekämpfung und Zerschlagung des österreichischen Sicherheitssystems dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 720/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 720/AB der Anfrage 722/J der Abgeordneten Dr. Gab­riela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwertung der Bundeswohnbau­gesellschaften durch den Herrn Bundesminister für Finanzen abzuhalten.

Da wir in der heutigen Sitzung eine Dringliche Anfrage um 15 Uhr beraten, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß § 50 GO

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Schieder, Kolleginnen und Kollegen haben gemäß § 50 der Geschäftsordnung Einwendungen gegen die ausgegebene Tagesordnung dieser Sitzung erhoben.


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Die Einwendungen richten sich auf die Ergänzung der Tagesordnung um folgende Punkte 1 bis 3: die Regierungsvorlagen 230 der Beilagen: Beitrittsvertrag einiger Län­der zur Europäischen Union samt Schlussakte; 209 der Beilagen: Beschluss des Rates der Europäischen Union zur Änderung des Aktes zur Einführung allgemeiner unmittel­barer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments samt Erklärungen; sowie den Antrag 250/A der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Scheibner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein Bundesgesetz über die Europawahl 2004 erlassen wird.

Die Fraktion der Grünen unterstützt diese Einwendungen.

Es soll also die Debatte zur Genehmigung des EU-Erweiterungsvertrags vor den Er­klärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zur Wachstumsinitiative stattfin­den. Diese Einwendungen wurden von den Sozialdemokraten und den Grünen erho­ben. Ich trete diesen Einwendungen nicht bei, weshalb der Nationalrat durch Abstim­mung zu entscheiden hat.

Auf Grund einer Vereinbarung in der Präsidialkonferenz wird in der jetzt stattfindenden Debatte je ein Redner pro Klub mit einer Redezeit von 5 Minuten zu Wort gelangen und zu dieser Einwendung gegen die Tagesordnung Stellung beziehen.

Als Erster gelangt Abgeordneter Schieder zu Wort. Er hat 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


10.14

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Hohe Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung an Sie, Herr Präsident: Bei der letzten Ein­wendungsdebatte waren Sie besonders streng und haben einen Oppositionsredner zur Sache gerufen. Damit Sie sich, Herr Präsident, bei mir nicht die Sorge machen müssen, dass ich vom Thema abgleite, und auch einen Ruf zur Sache in Erwägung ziehen müssen, quasi als „Serviceleistung“ eine Inhaltsangabe (Heiterkeit): Ich spreche zuerst zum Umfeld der Sache, dann zur Dimension der Sache – und schließlich zum Kern der Sache, also immer zur Sache. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Übrigens haben Sie es gerade Herrn Abgeordnetem Mainoni erlaubt, dass er auch darüber spricht, welche Themen heute eigentlich in diesem Parlament behandelt wer­den sollten. Und da hat er Recht: Die Öffentlichkeit hätte sich erwartet, dass heute vor allem die Frage der Bundesbahnen diskutiert wird, aber nicht im Rahmen einer Aktuel­len Stunde, sondern einer Erklärung der Bundesregierung.

Die Frage ist: Warum ist die Regierung trotz vielfacher Bedenken und vernichtender Kritik von Experten und des Rechnungshofes nicht von ihren Zerschlagungsplänen bei der Bundesbahn abgegangen? Warum wird die ÖBB-Belegschaft zum Widerstand ge­reizt und provoziert und zum Streik gezwungen? (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder: Vielleicht hätte die Regierung eine Erklärung abgeben können und es nicht einer Dringlichen Anfrage überlassen müssen, zu thematisieren, warum der Innenminister sich immer mehr Machtfülle „anreorganisiert“, gleichzeitig die Kriminalität zunimmt und die Aufklärungsrate sinkt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die europäische Öffentlichkeit erwartet sich, dass, nachdem der Verfassungsaus­schuss die diesbezüglichen Vorlagen rechtzeitig gebilligt hat, auch das Plenum des Nationalrates die Erweiterung der Union und die Anträge zur Europawahlordnung be­schließt.


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Was aber tut die Regierung? – Sie gibt eine Erklärung zum Wachstumspaket ab statt zu den anderen wichtigen Punkten, und die Frage der EU-Erweiterung wird gleich gar nicht auf die Tagesordnung gesetzt.

Ersteres können wir nicht beeinflussen, Letzteres können wir beeinspruchen – und das tun wir! Deshalb unser Verlangen, die Punkte 286, 287 und 288 der Beilagen als Punkte 1 bis 3 auf die heutige Tagesordnung zu setzen und zu behandeln.

Das Verschieben auf Dezember, das Zuwarten Österreichs wird unserem Ansehen nicht nützen und zu vielfachen Interpretationen führen: Gibt es wieder Zwist in der Regierung?, wird man Sie fragen. Will die FPÖ nicht, vielleicht wegen der Transitfrage oder wegen der Beneš-Dekrete? Will man nicht unter den Ersten ist? – Nein!, sagt die Regierung. Der Grund sei nur, dass wir es dann im Dezember ganz festlich tun wollen.

Selbst wenn das so ist, niemand wird uns das glauben! Alle werden spekulieren und enttäuscht sein! Deshalb: Machen wir es heute! Bekennen wir uns zu einer klaren, konsistenten und solidarischen Europapolitik Österreichs! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen wir keine Zweifel an unserem Land aufkommen! Wir haben es den anderen versprochen, und es gilt auch hier der Spruch: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.18

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Apropos „zum Streik zwin­gen“, Herr Abgeordneter Schieder: Haben Sie das mitbekommen, was die Eisenbah­nergewerkschaft in St. Pölten gemacht hat? Haben Sie mitbekommen, dass die Eisen­bahnergewerkschaft in St. Pölten arbeitsbereite Postbuschauffeure am Arbeiten gehin­dert hat? (Pfui-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Skandal! Skandal!) Haben Sie mitbekommen, Herr Abgeordneter Schieder, wer hier zum Streik gezwungen werden soll? Haben Sie mitbekommen, Herr Abgeordneter Schieder, dass die Vorstandsvorsitzende der Postbus-Gesellschaft, Frau Goldmann, sich von dieser Aktion massiv distanziert, weil sie Arbeitswillige auch tatsächlich arbeiten lassen will?

Entschuldigung, das ist Zwang zum Streik, und den lehne ich ab, denn diese diktato­rische Politik der Eisenbahnergewerkschaft ist nicht unsere! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit, meine Damen und Herren, möchte ich nur die Chronologie dieser von der Opposition künstlich herbeigeführten Aufregung kurz darstellen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wissen Sie, was die Wahrheit ist, Herr Abgeordneter Schieder? – Ich sage es Ihnen: Es hat einen Vorschlag der Österreichischen Volkspartei und der FPÖ für die zeitliche Behandlung des gesamten Komplexes des Beitrittsvertrages gegeben. Diesen Vor­schlag haben die Österreichische Volkspartei und die Freiheitliche Partei den anderen Klubs übermittelt.

Es hat dann am 17. Juni heurigen Jahres eine Besprechung auf Ebene der Mitarbeiter stattgefunden, und ich zitiere jetzt aus dem Protokoll dieser Besprechung. Der SPÖ-Vertreter hat Folgendes gesagt: Entweder erfolgt der Beschluss des Beitrittsvertrages im Ministerrat früher, oder die Beschlussfassung im Nationalrats- und Bundesratsple­num kann erst im Dezember 2003 erfolgen. – Aussage des SPÖ-Vertreters im Juni des


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heurigen Jahres. (Ah-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, bleiben Sie bei der Wahrheit!

Es hat dann in der Folge zwischen den Klubs – leider, ich bedauere das – keine Ver­einbarung gegeben.

Die erste Vereinbarung hat es im November dieses Jahres gegeben, als die Klubdirek­toren einen gemeinsamen Vorschlag für die Tagesordnung des heutigen Plenums aus­gearbeitet haben. In diesem gemeinsamen Vorschlag sind die Erklärungen des Kanz­lers und des Vizekanzlers als Tagesordnungspunkte 1 und 2 festgehalten und wird in keinem einzigen Wort die Frage der Erweiterung und der Beschlussfassung erwähnt. – Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Wir haben daher in der Präsidiale festgehalten, dass die Tagesordnung heute so abge­wickelt werden soll, wie das schon von den Klubdirektoren gemeinsam vorgeschlagen worden ist, und wir haben – und ich halte das für richtig – gemeinsam festgehalten – Präsident Fischer hat sich im Anschluss an die Präsidiale darüber sogar zufrieden geäußert –, dass im Plenum am 3. Dezember als erster Tagesordnungspunkt die Er­weiterung der Europäischen Union beschlossen wird. – Das ist aus meiner Sicht das richtige und wichtige Signal.

Daher lautet die heute wichtige Botschaft für die Öffentlichkeit und für die Kandidaten­länder: Am 6. November hat der Erweiterungsvertrag im Verfassungsausschuss die Zustimmung aller vier Parteien dieses Hohen Hauses bekommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist die wichtige Botschaft, meine Damen und Herren: Alle vier Parteien stehen zu der Erweiterung der Europäischen Union!

Weiters ist festgehalten – und das ist die zweite wichtige Botschaft –: Am 3. Dezember erfolgt die Beschlussfassung in diesem Hohen Haus!

Die dritte wichtige Botschaft: Diese Bundesregierung vertritt auch in diesem Zusam­menhang die österreichischen und die europäischen Interessen in großartiger Weise!

Somit: Lassen Sie diese künstlichen Aufregungen und bleiben Sie bei der Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Sie schaden mit diesen Kunstpro­dukten der Sache, und die Sache ist uns viel zu wichtig, als sie durch diese künstlichen Aufregungen zu gefährden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawisch­nig. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.23

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Klubobmann Molterer, die Fähigkeit der Regierungsparteien, so etwas wie Selbstreflexion zu machen, ein bisschen über sich nachzudenken, ein bisschen Kritik, egal, von wem sie kommt, ernst zu nehmen, einen Funken Selbstkritik zu haben – so weit davon entfernt zu sein und so eine Über­heblichkeit an den Tag zu legen in allem, was man macht, zu 100 Prozent Recht zu haben, egal ob Ihnen der Rechnungshof sagt, dass die ÖBB-Reform in dieser Weise – man kann es nur zusammenfassen – als dumm zu bezeichnen ist, dass das keinerlei Einsparung bringen wird – man kann Ihnen auch in keiner Weise irgendwie nachwei­sen, dass Sie darüber nachgedacht haben, dass Sie das heute oder gestern im Minis­terrat beschließen –, auf überhaupt niemanden einzugehen – ob auf die Gewerkschaft, den Rechnungshof, die Opposition, die europäische Öffentlichkeit –, das ist schon eine herausragende Eigenschaft dieser Regierung Schwarz-Blau II! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Wir sind mit der Tagesordnung nicht einverstanden, und wir sind aus gutem Grund mit dieser Tagesordnung nicht einverstanden. Die Außenministerin hat heute wieder ein­mal betont, das wichtigste und größte Projekt der österreichischen Außenpolitik sei die europäische Erweiterung. – Die Beschlusslage ist reif. Wir haben es im Ausschuss beschlossen, es ist seit Monaten vorbereitet, und es war auch vereinbart, dass dieses Thema heute auf der Tagesordnung stehen wird.

Es ist, glaube ich, Konsens zwischen allen Parteien in diesem Haus gewesen – und das ist ein sehr wichtiger Konsens gewesen –, dass wir als Zeichen der Freundschaft und Verbundenheit gerade zu unseren direkten Nachbarländern als einer der ersten der alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union diesen Beitritt so rasch wie möglich ratifizieren – als Zeichen der Freundschaft und Verbundenheit gegenüber unseren Nachbarländern. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Wo ist das vereinbart? Mit wem haben Sie das vereinbart?)

Besonders vor dem Hintergrund, dass Nachbarländer wie zum Beispiel Slowenien mit einer 90-prozentigen Mehrheit den Beitrittsvertrag beschlossen haben und dass eine sehr große Mehrheit der Bevölkerung entschlossen dahinter steht und seit Monaten große Anstrengungen in all diesen Ländern unternommen werden, um die Voraus­setzungen zu schaffen, wäre dies wichtig! – Wie wir damit umgehen, ist, so meine ich, bezeichnend, wie wir uns in diesem Verhältnis zu unseren Nachbarländern gerieren und wie wir es auch falsch machen. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Die Begründung für die Verschiebung – ich möchte es noch einmal sagen –, war (Abg. Mag. Molterer: Es hat keine Verschiebung gegeben!): Es ist eh nichts vereinbart ge­wesen! – Stimmt nicht! Und ich sage: Traurig! Es war vereinbart. (Abg. Großruck: Wo? Wer hat vereinbart?) Wenn es für Sie nicht wichtig ist, so etwas zu vereinbaren, dann tut es mir Leid.

Ein Weiteres: Ist eh Wurscht, beschließen wir es halt im Dezember! – Ich finde, das ist kein Umgang mit solch einem großen Friedensprojekt.

Die dritte Erklärung: Wir müssen erst das Konjunkturpaket von der Regierung abwar­ten. – Dazu sage ich: Das ist überhaupt keine Begründung, denn das Konjunkturpaket wird nicht einmal eingebracht. Es wird hier nur darüber gesprochen, wir werden nur informiert. Das ist wiederum eine verlängerte Pressekonferenz der Regierung.

Wegen so etwas  die Ratifizierung des Beitrittsvertrages zu verschieben, das halte ich für unerträglich und untragbar! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheib­ner: Wegen so etwas?! – Abg. Mag. Molterer: „So etwas“, was heißt das? Ist Ihnen die Arbeitsplatzpolitik egal?)

Es hat noch weitere Erklärungen gegeben. Im Ausschuss hat Kollege Mainoni gemeint, zuerst müsse man die Konjunktur ankurbeln und ein Konjunkturpaket beschließen, be­vor man die Erweiterung in Angriff nehme. Kollege Scheibner hat im Hohen Haus von irgendwelchen mysteriösen Geheimverhandlungen gesprochen, die so geheim sind, dass man mit den Nachbarländern noch gar nicht darüber reden kann. (Abg. Scheib­ner: Was habe ich? Wo sind Sie eigentlich? Was Sie alles mitbekommen!)

Ich möchte Sie ernstlich bitten, das nicht in irgendeiner Weise klein zu machen. Er­klären Sie uns, was der Hintergrund war und ist und warum wir das heute hier nicht beschließen können, warum wir es angesichts dieser umfassenden Vorgeschichte von Vetodrohungen, von Verunsicherungen gegenüber unseren Nachbarländern heute wie­der nicht schaffen, hier im Parlament einen Konsens zu erzielen!

Es ist besonders bedauerlich, dass gerade aus dem Nachbarland zu Slowenien, näm­lich aus Kärnten, dass gerade vom Kärntner Landeshauptmann wiederum Blockade­politik kommt: Die Erweiterung ist in Frage gestellt (Abg. Scheibner: Das wünschen


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Sie sich vielleicht!), ein Veto steht wieder im Raum, und noch dazu werden sachliche Fragen betreffend Verkehr und Transit damit in Zusammenhang gebracht, wo doch auf der Regierungsbank in den letzten Jahren im Zusammenhang mit diesen Sachfragen eine Galerie der Inkompetenz gesessen ist, anders kann ich es nicht bezeichnen. (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bei den Sachfragen kommen wir so keinen einzigen Schritt weiter – im Gegenteil! So machen wir uns in Europa nur unglaubwürdig und lächerlich.

Zu diesem großen Projekt – das sage ich auch als Kärntnerin –: Ein ordentliches Sig­nal in Richtung all jener Nachbarländer, die sich jetzt monatelang vorbereitet haben, wäre heute dringender denn je gewesen. Aber Sie haben es geschafft, wieder einmal Verunsicherung, wieder einmal große Projekte in der Tagespolitik zu Manövriermasse zu machen, als Taktiermasse zu verwenden, anstatt endlich einmal die großen Dinge außer Streit zu stellen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Scheibner ans Rednerpult. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


10.28

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Kollegin Glawischnig! Wir haben verunsichert? Wir verun­sichern in der Frage der EU-Erweiterung beziehungsweise des Zeitpunktes? (Abg. Mag. Mainoni: Wo? Wer? Wann?) Wer von uns hat gesagt: Wir verschieben jetzt, weil dieses und jenes noch nicht passiert ist!? Haben wir das gemacht? Haben wir deshalb verunsichert? – Das haben wir nicht gemacht. Sie versuchen, hier eine Verunsicherung in die Debatte hereinzubringen, indem Sie über eine Verschiebung reden, die über­haupt nicht auf der Tagesordnung steht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kollege Molterer hat es bereits gesagt: Am 3. Dezember wird die Ratifizierung der EU-Beitrittsverträge auf der Tagesordnung stehen. Ich frage Sie wirklich: Wen interessiert es, ob Österreich diese Ratifizierung drei Wochen früher oder später durchführt? In Europa – Sie wissen es – finden jetzt die Ratifizierungen statt. Es gibt Länder, die machen das früher, es gibt Länder, die machen das erst im nächsten Jahr. – Wo ist darin ein Kern für Verunsicherung oder Sonstiges, was Sie krampfhaft zu inszenieren versuchen, zu sehen?

Frau Kollegin Glawischnig! Interessant ist, wenn Sie im Zusammenhang mit dem Kon­junkturpaket, mit dem Wachstumspaket, worüber wir dann noch diskutieren werden, sagen, „wegen so etwas“ werde die Erweiterung verschoben. Ich frage Sie schon: Was heißt: „wegen so etwas“? – Für uns ist ein Paket nicht „so etwas“, sondern von ganz besonderer Bedeutung, wenn es darum geht, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu setzen, wenn es darum geht, forschungspolitische Maßnahmen zu setzen, wenn es darum geht, wirtschaftspolitische Maßnahmen zu setzen, damit der Standort Österreich nicht nur gesichert ist, sondern weiter entwickelt wird. – Das ist nicht „so etwas“, son­dern das hat höchste Priorität für die österreichische Bundesregierung und auch für uns. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Schieder! Wenn Sie sagen, Sie hätten hier gerne über den ÖBB-Streit diskutiert (Abg. Schieder: In der Erklärung der Bundesregierung!), dann wissen Sie aber schon, dass gerade Ihre Fraktion es gewesen ist, die gesagt hat, sie wolle nicht, dass kurzfristig angesetzte Erklärungen auf die Tagesordnung gesetzt werden. Das hätten wir aber machen müssen, denn bis gestern haben wir gehofft – und ich hoffe, auch Sie haben das gehofft –, dass die Personalvertreter bei den ÖBB, die von Ihnen beeinflussten Gewerkschafter, sozialdemokratische Gewerkschafter, endlich ver-


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nünftig sind und ihre politischen Streiks nicht auf dem Rücken von zwei Millionen Österreichern weiterführen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Von der österreichischen Bundesregierung wird niemand gezwungen, zu streiken, höchstens von einigen Gewerkschaftern wird die Belegschaft zu diesen Streiks ge­zwungen. (Ruf: Zerschlagung!)

Was heißt Zerschlagung? – Es geht darum, die Österreichischen Bundesbahnen für den Wettbewerb fit zu machen. Es geht darum, dort auch Gerechtigkeit einzuführen, und für jene, die es wirklich brauchen, die schwer arbeiten, eine noch bessere Rege­lung einzuführen. Es geht aber auch darum, zu verhindern, dass – wie der Rechnungs­hof angeführt hat – das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei 52 Jahren liegt.

Dafür kämpfen 2 600 teilweise freigestellte Betriebsräte – auf dem Rücken von 40 000 Bediensteten bei den Österreichischen Bundesbahnen und auf dem Rücken von zwei Millionen Pendlern und Betroffenen, meine Damen und Herren! – Sie betrifft es ja nicht. (Abg. Dr. Puswald: Nur Ihre Politik!) Es ist ja schon auch interessant, dass die Streiks so eingerichtet wurden, dass Sie gestern noch alle per Bahn nach Wien fahren konnten und am Freitag wieder nach Hause fahren können. – Eine wunderbare Streikplanung, auch für die sozialdemokratischen Abgeordneten! Aber die vielen Pend­ler haben nicht diese Möglichkeiten, und deshalb würde ich mir mehr Verantwortungs­bewusstsein Ihrerseits erwarten, anstatt diese politischen Streiks zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gab, das ist richtig, am 7. November eine Vereinbarung zu dieser Tagesordnung – eine Vereinbarung aller vier Klubdirektoren auf eine Tages­ordnung in der Form, wie sie heute hier vorliegt! Es gab keinen Protest, meine Damen und Herren! Ja, die Grünen haben protestiert, weil es so viele Erklärungen gibt. Gut, darüber kann man diskutieren, aber es gab keine Diskussion darüber, dass eine andere Tagesordnung als die jetzt vorliegende gefasst werden sollte.

Sie sind im Nachhinein darauf gekommen, dass das eine Möglichkeit wäre, eine poli­tische Diskussion und wieder nicht zu Gunsten Österreichs, sondern zum Schaden Österreichs zu führen.

Meine Damen und Herren! Ich würde mir von Ihnen erwarten, dass Sie gemeinsam mit uns jederzeit, vor und auch nach der Ratifizierung der EU-Beitrittsverträge, die Interes­sen Österreichs vertreten – und da gibt es noch sehr viel zu tun –, auch gegenüber der Europäischen Union, aber nicht versuchen, aus derart kleinlichen politischen Debatten Ihr politisches Kleingeld zu schlagen.

Das ist der falsche Weg für Österreich, und das ist auch der falsche Weg für eine aktive, im Interesse Österreichs stehende Europapolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.33

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die den Einwendungen der Sozialdemokraten und der Grünen Rechnung tragen wollen, das heißt: Ergänzung der Tagesordnung um die von mir eingangs bekannt gegebenen Punkte, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Es bleibt somit bei der ausgegebenen Tagesordnung für die heutige Sitzung.


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Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 3 bis 5 sowie 6 und 7 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir gehen so vor.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer und Gestaltung der Debatten erzielt.

Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 Wiener Stunden vereinbart, aus der sich Redezeiten wie folgt ergeben: ÖVP und SPÖ je 140 Minuten, Freiheitliche 96 Minuten sowie Grüne 104 Minuten.

Darüber hinaus wurde, da der ORF überträgt, folgende Redezeitvereinbarung für die Debatten in der Zeit bis 13 Uhr gefunden: Erklärung des Bundeskanzlers 15 Minuten, Erklärung des Vizekanzlers 12 Minuten, jede Fraktion eine Wortmeldung zu 12 Minu­ten, dann eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 8 Minuten, in weiterer Folge eine Wort­meldung des Bundeskanzlers mit 5 Minuten, des Vizekanzlers mit 5 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten, wobei in dieser Runde der vorsitzführende Präsident sicherstellt, nach Rücksprache mit den Klubvorsitzenden, dass alle vier Fraktionen in der gleichen Weise drankommen.

Weiters besteht Einvernehmen darüber, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach 13 Uhr aufgerufen werden.

Das ist der Vorschlag der Präsidialkonferenz, über den wir sogleich eine Abstimmung durchführen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen. Wir gehen daher so vor.

1. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung“

2. Punkt

Erklärung des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zu den ersten beiden Punkten der Tages­ordnung.

Ich erteile Herrn Bundeskanzler Dr. Schüssel zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte.

 


10.36

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass es in den letzten Tagen möglich war, einige wichtige Entscheidungen zu treffen, unter anderem eben, dass der Verfassungsaus­schuss den Erweiterungsvertrag einstimmig gebilligt hat. – Das ist, glaube ich, die rich-


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tige Antwort auf die Sorgen, die vorhin in der Einwendungsdebatte geäußert wurden. Wir haben einen Konsens sowohl im Inhalt als auch in der Vorgangsweise, und ich begrüße das ausdrücklich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich ersuche das Hohe Haus und vor allem die Damen und Herren von der Opposition aber schon um Verständnis dafür, dass es für die österreichische Bundesregierung auch andere Themen gibt, die genauso prioritär oder in der jetzigen Situation vielleicht sogar noch prioritärer zu behandeln sind, nämlich die Fragen in Bezug auf Wachstum, Standort und Arbeitsplätze.

Ich meine, dass die jetzige Diskussion mehr als angebracht ist, zumal wir einen begin­nenden Konjunkturaufschwung vor uns haben, am 1. Mai die Erweiterung der Europäi­schen Union um zehn neue Mitgliedstaaten stattfinden wird und eine ganze Reihe von Entwicklungen, Reformen in Österreich, aber auch um uns herum, internationale Be­wegungen spürbar sind.

Wir legen daher ein sehr ambitiöses Wachstumsprogramm vor, dass uns dem Ziel, Österreich bis zum Jahr 2010 unter die besten drei der Europäischen Union zu brin­gen, ein großes Stück näher bringt. Wir halten Österreich damit genau so in Bewegung wie mit den zwei Wachstumspaketen im vorigen Jahr, die uns immerhin rechtzeitig jenen Handlungsspielraum geschaffen haben, den uns jetzt im Nachhinein die Wirt­schaftsforscher bestätigen. (Zwischenruf der Abg. Bures.)

Wer die Herbstprognose der Europäischen Kommission gelesen hat, Frau Abgeord­nete Bures, weiß, dass etwa Deutschland zwei Jahre lang kein Wachstum hatte, dass die Schweiz kein Wachstum hatte, dass Frankreich heuer praktisch null Wachstum hat, Italien ein ganz kleines, nämlich eines von zwei oder drei Zehntelprozent, dass die Holländer, das vormalige Vorzeigeland, sogar einen Rückgang des Wirtschaftswachs­tums und der Leistung zu verzeichnen haben, während Österreich mit immerhin plus 1 Prozent ein halbes Prozent über der ganzen Eurozone liegt.

Ich denke, das zeigt, dass wir uns selbst in schwierigen Zeiten sehr gut behauptet haben. Und das ist die Grundlage unserer Politik: das Schicksal der Menschen, der Arbeitnehmer zu fördern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Grundlage dafür ist natürlich eine solide Finanz- und Budgetpolitik, weil das einfach die Voraussetzung dafür ist, dass wir politisch handlungsfähig bleiben. Wir haben diesen Weg der Budgetsanierung in der Hochkonjunktur erfolgreich umgesetzt. Jene Länder, die das damals nicht gemacht haben – Deutschland, Frankreich etwa –, haben in der jetzt schwierigen Konjunktursituation überhaupt keinen Spielraum mehr, gegenzusteu­ern, und liegen bei weit über 3, vielleicht sogar über 4 Prozent Defizit.

Wir haben unsere Finanzen im Griff. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Sta­bilitätspakt, zu einem starken Euro, vor allem aber – wichtig für unsere Bürger, beson­ders für die Ärmeren – zu einer niedrigen Inflation. – Das ist der eigentliche Nutzen die­ser Stabilitätspolitik, die Ihnen Karl-Heinz Grasser und die gesamte Bundesregierung vorleben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich haben wir auf der einen Seite gespart – manche Sparanstrengungen haben Sie ja kritisiert und tun dies bis heute –, wir haben aber im Jahr 2001 auch die Einnah­men erhöht. Wir haben damit einen sehr hohen Einnahmenpegel gehabt; wir waren immerhin bei 45,5 Prozent. Wir liegen jedoch heute – und darauf bin ich schon stolz – bei einem Wert von unter 44 Prozent, und mit der Steuersenkung, mit der vorgezoge­nen Entlastung vor allem für die niedrigen Einkommen – 14 500 € pro Jahr werden steuerfrei gestellt – kommen wir nächstes Jahr auf 43,6 Prozent. Damit erreichen wir auch unser Ziel: 43 Prozent bis zum Jahr 2006, und bis zum Jahr 2010 wollen wir auf unter 40 Prozent kommen.


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Meine Damen und Herren! Erfreulich ist, dass es verschiedene Anzeichen dafür gibt – und sie mehren sich –, dass die Konjunktur anspringt. Wir wollen diesen Trend mit dem vorliegenden Wachstumspaket unterstützen und verstärken.

Zunächst zu Bildung und Forschung, einem ganz wichtigen Schwerpunktthema für uns alle, vor allem für den hauptzuständigen Forschungsminister und Vizekanzler Hubert Gorbach. – Wir haben ja unser gemeinsames Ziel im Forschungs- und Reformdialog zum Ausdruck gebracht: eine Forschungsquote von 2,5 Prozent bis zum Jahr 2006, 3 Prozent vier Jahre später.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist nun nach langen Mühen und vielen intensiven Ver­handlungen ein wirklicher Wurf gelungen, nämlich eine Nationalstiftung mit einem Kapital von über 3 Milliarden €. Ich möchte an dieser Stelle sowohl dem ERP-Fonds – den Amerikanern, die zustimmen müssen und auch zugestimmt haben – als auch der Notenbank, die diese Stiftung mit immerhin eineinhalb Milliarden € dotiert, ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen, denn das ist etwas, wofür viele Generationen von Forschern und Forschungspolitikern gekämpft haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Überdies schaffen wir eines der wohl attraktivsten Steuersysteme für Forschung und Entwicklung mit Freibeträgen von 35, 25 Prozent beziehungsweise Prämien von 8 Pro­zent. Wir investieren auch in die Hochschulen: 22 Millionen € für die Verbesserung der Übergangsleistungen; die Sanierung der Wirtschaftsuni ist im Paket mit 58 Millionen € enthalten; weiters ein eigenes Haus der Forschung und viele andere Dinge mehr.

Zum zweiten großen Thema: Arbeitsplätze, vor allem Jugendbeschäftigung und Lehr­lingsausbildung. – Gestern haben Hubert Gorbach und ich in der Bundesregierung vor­geschlagen, dass wir – eine neue Idee! – einen Regierungsbeauftragten für dieses so wichtige Thema einsetzen. Wir haben dafür Egon Blum gewonnen, der sich zuerst einige Bedenkzeit ausbedungen hat. Egon Blum ist nicht irgendjemand, er ist der „Va­ter des so genannten Vorarlberger Modells“, von dem viele geschwärmt haben. Auch wir haben uns davon überzeugt, dass hier eine erstklassige Leistung geboten wird.

Wir sind, was die Jugendbeschäftigung und die Ausbildung betrifft, das beste Land innerhalb der Europäischen Union. Und wir wollen diese aktive Politik weiterführen, so­gar noch verbessern. Heuer stehen für die Zielgruppe der Jugendlichen 200 Millionen € zur Verfügung. Die Lehrlingsausbildungsprämie von 1 000 € pro Lehrling wurde bereits 65 000 Mal in Anspruch genommen. Die Zahl der Lehrverträge (Abg. Bures: 1 000 pro ...?) – Frau Abgeordnete, Ihr Zwischenruf ist nicht hörbar, aber meine Zahlen schon – ist seit Oktober 2002 um fast 2 Prozent gestiegen. Ich finde es ganz toll, dass die Wirtschaft so mit diesem Programm mitgeht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Daher soll und muss dieses Schwerpunktthema – und ich lade Sie hier, auch die Sozialpartner, alle politischen Parteien, ein, Egon Blum bei seiner Arbeit zu unterstüt­zen – ein rot-weiß-rotes Thema, weitab von jeder parteipolitischen Polemik, werden. Die Zukunft der Jugend liegt uns allen am Herzen. Sie ist entscheidend für den künfti­gen Wohlstand des Landes! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Im Bereich der Arbeitsplätze und der Mittelstandsförderung gibt es einige ganz ent­scheidende Verlängerungen: Die Investitionszuwachsprämie wird um ein Jahr verlän­gert. Für Klein- und Mittelbetriebe, vor allem in den Grenzregionen, für die wir etwa ein­einhalb Milliarden € aus den Strukturprogrammen der Union und jenem für den länd­lichen Raum zur Verfügung haben, wollen wir ganz bewusst die Weichen in Richtung Erweiterungs- und Modernisierungsinvestitionen stellen, sie werden mit 5 bis 20 Pro­zent gefördert. Eigens dafür sind für Klein- und Mittelbetriebe 100 Millionen € vorgese-


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hen. Wir unterstützen sie vor allem in den Grenzregionen mit zusätzlichem Risikokapi­tal; zur Erhöhung des Eigenkapitals kommt noch einmal eine staatliche Garantie in gleicher Höhe dazu, Ausmaß der Garantie: 120 Millionen € – ein ganz wichtiger Schritt zur Stärkung des Mittelstandes in Österreich, besonders in den Grenzregionen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Export ist für uns Österreicher langsam ein absolutes Lebensmittel, ja Überlebens­mittel geworden. Praktisch 50 Prozent unseres Wohlstandes werden durch Güter- oder Dienstleistungsexport erwirtschaftet. Wir stellen über Martin Bartensteins Budget 50 Millionen € extra, aufgeteilt auf zwei Jahre, zur Verfügung, um die Zahl der Expor­teure deutlich zu erhöhen. (Abg. Dr. Niederwieser: Ist das sein eigenes Geld, oder was?) Unser Ziel ist es, die Zahl der Exportfirmen bis 2007 auf 30 000 zu verdoppeln. Das ist deswegen sehr wichtig, weil von diesen Exporten praktisch zwei Millionen Arbeitsplätze abhängen, die von einem liberalen Welthandel und einem guten Export­regime natürlich profitieren.

Nicht zu vergessen ist natürlich, dass, gerade bei den Eurofightern, auch das Start­paket von 1 Milliarde € bis Mitte des nächsten Jahres abzuwickeln ist. (Abg. Mag. Kog­ler: Das ist ein Schwindel! Sie schwindeln schon wieder!) Das wird in dieser jetzigen Situation einen ganz wichtigen zusätzlichen Impuls bringen.

Der ländliche Raum wird gestärkt, ebenso die Biomasse und verschiedene andere Dinge, auch durch Verlängerung der Hilfen für Naturschäden, steuerlich und durch Direktbeiträge.

Dazu kommt natürlich der ganze Themenkomplex Infrastruktur. – Es ist dies klarer­weise das Hauptthema von Hubert Gorbach, aber auch ich – das sage ich hier ganz offen – unterstütze jeden seiner Schritte, denn wir investieren mehr als früher, um die Hälfte mehr an Geld (Abg. Eder: Wo?) – nachweisbar in allen Budgets! – in Schiene und Straße gegenüber der Zeit vor dem Jahr 2000. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen. – Abg. Eder: Wo bitte? Das ist ja nichts Neues!)

Aber ich sage auch dazu: Dieses Mehr an Investitionen macht ja nur dann Sinn, wenn erstens die Projekte gut sind und wenn zweitens die Organisation gut ist. Warum, glau­ben Sie, hat etwa Hubert Gorbach die gesamte Straßenorganisation neu geordnet? Die Bundesstraßen sind an die Länder gegangen, die Sondergesellschaften sind zusam­mengefasst worden. Warum haben wir ein Road-Pricing-System, das funktioniert, wäh­rend in anderen großen Nachbarländern diesbezüglich das Chaos nicht gerade fern ist, vor der Tür steht? (Rufe bei der SPÖ: Wo? Wo bitte? Wo funktioniert es bei uns?) Ich halte es für ganz wichtig, diese Organisationsstrukturänderungen zu unterstützen, weil das für die Bürger und für die Standortfrage in Österreich von ganz entscheidender Bedeutung ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dies gilt natürlich ebenso für eine moderne Bahn. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wollten, dass wir über die ÖBB reden. Ich tue es gerne! Jeder Kunde dieser Bahn, jeder Kunde weiß, dass die Bahn reformiert und moderner gestaltet wer­den muss. Das ist doch gar keine Frage! Und wir brauchen die Bahn! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abgeordnete der SPÖ halten blaue Tafeln mit der weißen Aufschrift „Rettet die Bahn“ beziehungsweise „Keine Zer­schlagung der ÖBB“ in die Höhe.)

Danke, Herr Abgeordneter Cap. Wir retten die Bahn! Diese Reform ist überlebensnot­wendig für die Bahn, denn ehrlich gesagt: Mit Strukturen des vorigen Jahrhunderts können Sie heute und morgen nicht bestehen. (Ruf bei der ÖVP: Rettet die Bahn vor der SPÖ!) Das wissen die Österreicherinnen und Österreicher sehr genau. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich appelliere daher an die Bahn, ich appelliere an die Bahngewerkschaft und an den ÖGB insgesamt: Ruinieren Sie nicht das Fundament, das Image der Bahn, indem Sie auf dem Rücken der Pendler, auf dem Rücken der Unternehmen, auf dem Rücken der Kunden und der Benützer der Bahn den Kredit verspielen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Bahn nicht zerschlagen (neuerliche Zwi­schenrufe bei der SPÖ), ganz im Gegenteil, ganz im Gegenteil! Ich gebe Ihnen ein gutes Beispiel: In der Voest, die Sie ja alle gut kennen, gab es die gleiche Diskussion (Ruf: ... zerschlagen!), nämlich: Die Voest soll zerschlagen werden! – Wahr ist: Erst als Apfalter und sein Assistent Strahammer die Voest mit Unterstützung der Politik in lebensfähige Einheiten teilen konnten, ab diesem Zeitpunkt ist die Voest zur Weltspitze aufgestiegen. Das heißt: Wir retten mit diesen Reformen die Bahn! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Bahn ist ein Dienstleistungsunternehmen. (Abg. Grad­wohl: Lassen Sie es ein solches bleiben!) Darin steckt „Dienst“ – Dienst am Kunden; Streik ist kein Dienst am Kunden, meine Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen) – und „Leistung“, und beides wollen wir, damit wir eine starke, moderne Bahn haben, mit mehr Geld als früher. Wir investieren mehr als je zuvor in der Geschichte (Abg. Eder: Stimmt ja nicht!), aber mit neuen Strukturen, mit neuer Motivation und auch mit der Bereitschaft der Mitarbeiter, hier mitzuarbeiten. (Abg. Eder: Lauter Schmäh!)

Meine Damen und Herren, wir wollen der Bahn Flügel verleihen! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Seien Sie daher nicht der Bremsklotz auf dem Weg in die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Abschließend: Hohes Haus! Mit diesem Wachstumsprogramm investieren wir in den nächsten Jahren zusätzlich 2,5 Milliarden € in die Zukunft unseres Landes. Mit den In­vestitionen in die Infrastruktur sind es insgesamt 34,5 Milliarden € (Abg. Mag. Kogler: Schwindel!), der richtige Zeitpunkt, die Taferln verschwinden zu lassen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

10.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr ergreift Herr Vizekanzler Gorbach das Wort. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

 


10.51

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine geschätzten Damen und Herren Regierungskollegen! Hohes Haus! Der Erstredner des heutigen Vormittags in der Aktuellen Stunde, Klubobmann Cap, hat einen Rückblick gebracht und dabei etwas sehr Wichtiges und auch Richtiges gesagt, nämlich: Die Transitfrage ist eine Lebensfrage für die Österreicherinnen und Österreicher. (Abg. Reheis: Das stimmt! – Abg. Parnigoni: Da hat er vollkommen Recht!) Er hat dann in der Geschichte ein bisschen zurückgeschaut – für mich allerdings zu wenig weit – und gemeint, die letzten vier Verkehrsminister hätten in dieser Frage keine gute Rolle gespielt.

Ich appelliere an Sie, Herr Kollege Cap, in dieser wirklich wichtigen Frage für Öster­reich ein bisschen weiter zurückzuschauen. Da hat es vorher ein paar sozialdemokra­tische Verkehrsminister gegeben – einer sitzt noch unter uns, wenn er nicht gerade draußen wäre, nämlich Herr Kollege Einem (Abg. Parnigoni: Er hat ja einen Vertrag ausgehandelt!) –, die es damals in der Hand gehabt hätten, diesen Vertrag so zu ge­stalten, dass wir heute diese Diskussionen, die wir leider haben, nicht führen müssten.


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Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es war aber interessant, so eine Debatte einmal mitzuerleben, denn ich finde es ge­radezu lustig, dass sich die Opposition in diesem Hause offensichtlich darüber be­schwert, dass die Außenministerin zu viel im Ausland unterwegs sei. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das ist etwas, was jeder, der auf dem Markt tätig ist, aus der Wirtschaft kommt, weiß: Das Geschäft, die wichtigen Gespräche, die Vertragsabschlüsse, macht man vor Ort. Nicht daheim in der warmen Stube, nicht hier in Österreich, sondern vor Ort macht man Außenpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe nichts gegen Aktionismus. Die Tafeln, die Sie von der SPÖ vorhin hochge­halten haben, haben mir sehr gut gefallen. (Ruf bei der ÖVP: Taferlklassler!) Als Eigen­tümervertreter fühle ich mich immer besonders berührt, wenn es um die Österreichi­schen Bundesbahnen geht, ein immens wichtiges Unternehmen, verkehrspolitisch in Zukunft wahrscheinlich das wichtigste Unternehmen überhaupt in unserem Lande, aber auch über die Grenzen hinweg. Aus meiner Sicht können Sie diese Tafeln ruhig in die Höhe halten, auch während meiner ganzen Rede. Sie passen nämlich sehr gut, ich identifiziere mich mit den Aufschriften: „Rettet die Bahn“ – wir sind dabei! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) – und „Keine Zerschlagung der ÖBB“ – das wollen wir auch nicht!

Aber es könnte auch heißen: Weckt die Bahn! – Es gibt einen neuen Markt, es gibt neue Konkurrenzverhältnisse. Der Markt ist liberalisiert, er ist Gott sei Dank im Wachsen. Und wir wecken jene in der Bahn, die noch nicht so munter und eingestellt auf den internationalen Wettbewerb sind, auf. Also: Die Sprüche sind gut, weil richtig, und die Farbe war auch sympathisch. Ruhig wieder hervor mit den Tafeln! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir reden heute über eine Wachstumsoffensive, über ein Konjunkturpaket. Man hat schon beim Konjunkturpaket I und II mitverfolgen können – und das Wifo hat es be­stätigt –, dass diese Regierung richtigerweise antizyklische Maßnahmen gesetzt hat, da die letzten Konjunkturpakete 0,75 Prozent an Wachstum gemessen am BIP ge­bracht haben. Das ist genau jener Wert, den wir überhaupt an Wachstum haben, näm­lich 0,7/0,8 Prozent. Hätten wir diese Maßnahmen also nicht eingeleitet, hätten wir ein Nullwachstum oder sogar ein Minuswachstum – wie das so schön heißt –, wie das andere Länder nicht weit von uns entfernt auch haben. Diese wären froh, hätten sie ein Nullwachstum. Wir haben, eben weil die richtigen Maßnahmen gesetzt wurden, dieses Wachstum von 0,75, 0,8 Prozent.

Man sollte deshalb dazusagen, dass bei einem solchen Paket natürlich auch der Standort, der Wirtschaftsstandort, eine Rolle spielt. Das ist ein ernstes Thema, denn es geht dabei auch um Arbeitsplätze, eine Entwicklung, die uns allen Sorge bereitet. Der Wirtschaftsstandort wird sehr wesentlich von Faktoren geprägt, die die Gewerkschaft der Eisenbahner offensichtlich noch nicht intus hat. Einer dieser Faktoren ist nämlich die Verlässlichkeit der Verkehrsträger, die Verlässlichkeit des öffentlichen Verkehrs, die Verlässlichkeit auch der Bahn im jeweiligen Land. Und Verlässlichkeit wird nicht gerade durch Streik demonstriert. (Abg. Silhavy: Aber dafür haben ja wohl Sie die politische Verantwortung! Das ist ja ungeheuerlich!) Verlässlichkeit ist vielmehr etwas, das in einem wachsenden Europa ganz wichtig ist. Verlässlichkeit ist etwas, das derzeit in Österreich durch die Gewerkschaft der Arbeitnehmer bei den Österreichischen Bun­desbahnen aufs Spiel gesetzt wird. (Abg. Mandak: Sie gefährden die Verlässlichkeit, nicht die Gewerkschaft! – Abg. Eder: Sie sind verantwortlich! Nicht die kleinen Eisen­bahner!)


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Meine Damen und Herren! Überlegen Sie, was hier passiert! (Abg. Dr. Fischer: Viel­leicht sollten Sie auch einmal überlegen!) Es passiert nämlich Folgendes: Jeder Unter­nehmer, jeder wirtschaftlich denkende Mensch weiß, dass das wichtigste Element der zufriedene Kunde ist. (Abg. Mandak: Ich bin Kundin ...!) Die Gewerkschafter aber sind derzeit dabei, diesen mehr oder weniger zufriedenen Kunden zu verärgern. Das ist eine Fehlentwicklung, die man nur verurteilen kann und die hoffentlich bald wieder vor­bei ist! Ich gratuliere dem Postbus-Unternehmen, wo gesagt wurde: 24 Stunden sind genug, morgen fahren wir wieder! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, es war Frau Dr. Glawischnig, die heute gesagt hat, wir würden Meldungen oder Bemerkungen des Rechnungshofes ignorieren. – Das tun wir nicht! (Abg. Dr. Gla­wischnig: Na selbstverständlich!) Im Gegenteil: Wir folgen einer Empfehlung des Rechnungshofes. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.) Wir nehmen diese sehr ernst. Es war der Rechnungshof, der im Frühjahr dieses Jahres gemeint hat, es sei dringender Reformbedarf vorhanden. (Abg. Mag. Kogler: Sie haben ja genauso wenig Ahnung wie Ihre Vorgänger! – Abg. Eder: Da war ja die Forstinger noch besser!), der gemeint hat, Frühpensionen mit 52,2 Jahren sollte es nicht mehr geben – und das Antrittsalter ist in den letzten Jahren sogar zurückge­gangen. Auch die durchschnittliche Dauer der Krankenstände bei den über 50-jährigen Bediensteten von 70 Tagen pro Mann und Nase im Jahr – im Vergleich zu 20 Komma irgendetwas Tagen bei ASVG-Bediensteten, im Vergleich zu 11 Tagen bei der Rest-BB – könne man nicht so belassen, das hat der Rechnungshof festgestellt, lesen Sie es nach! (Abg. Silhavy: Was ist mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen? – Gar nichts!)

Die Sonderrechte, die Unkündbarkeit, die automatische Verlustabdeckung nach § 2 und damit die Vollkasko-Mentalität – das muss sich aufhören, hat der Rechnungshof gesagt. Wir folgen diesen Empfehlungen, nichts anderes tun wir. Wir nehmen also das, was der Rechnungshof sagt, sehr, sehr ernst! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Heinzl.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Wie schon vom Herrn Bundeskanzler erwähnt wurde, sind laut Wifo-Bericht zwei Maßnahmenbereiche der letzten beiden Konjunktur­pakete als ganz besonders wirkungsvoll aufgefallen, nämlich einerseits die Investitio­nen in den Infrastrukturbereich und andererseits die Förderung von Forschung und Entwicklung.

Zu Forschung und Entwicklung. Wir hatten letzten Mittwoch einen Forschungsdialog. Es ist für einen Forschungsminister eine Freude, dort dabei zu sein, einen angesehe­nen, international renommierten Forscher wie Dr. Penninger, der aus den USA zurück nach Österreich gekommen ist, um hier mit seinem Team tätig zu sein, weil die Rahmenbedingungen so gut sind, zu hören. Er ist aufgestanden und hat gesagt: Ich wundere mich eigentlich jetzt noch darüber, ich bin geradezu angenehm überrascht und davon angetan, welche Bedingungen diese österreichische Bundesregierung den Forschern und Entwicklern in diesem Land bietet. Hut ab! (Abg. Dr. Einem: Das war ja nicht diese Regierung, das war die vorvorige!) – Das sind seine Worte gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Investitionen in die Infrastruktur sind nachvollziehbar noch nie so hoch gewesen wie in diesem Jahr, im nächsten Jahr und in den Jahren darauf. (Abg. Öllinger: Für die Straße!) Sie wissen ganz genau, dass das Finanzie­rungsvolumen für Investitionen in Schiene und Straße in den nächsten Jahren ein Aus­maß angenommen wird haben, dass man sagen kann: Mehr kann die Bauwirtschaft gar nicht ertragen und verarbeiten. (Abg. Mandak: Aber klar!)


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Die 1 bis 1,2 Milliarden € an Investitionen, die im Schienenbereich sichergestellt sind, sind eines (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist doch gar nicht finanziert!); die über 1 Mil­liarde € im Straßenbaubereich ist das andere. Das sind Beträge, die noch niemals da waren. Akzeptieren Sie das doch einmal! (Abg. Öllinger: Wer zahlt das dann?) Das bedeutet doch auch Arbeitsplatzsicherung: Das hat in den letzten drei Jahren 14 000 bis 18 000 Arbeitsplätze gesichert! – Das sollte doch auch Ihnen von der Opposition ein Anliegen sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ein paar Worte zur Forschung, auch was die Finanzierung betrifft: Der Forschungslandschaft in Österreich eine neue Struktur zu geben, ist eine wichtige Sache – lange angekündigt, jetzt wird sie umgesetzt –, die optimale Finanzie­rung ist die andere Sache. Da, glaube ich, können wir stolz darauf sein, in den nächs­ten drei Jahren 1,2 Milliarden € an Mitteln zusätzlich zum Budget – das auch nicht schlecht ist – einräumen zu können. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Sie wissen es: Die 600 Millionen € für die Forschungsoffensive II sind die eine Sache. 300 Millionen € über die Stiftung und 100 Millionen € über Einrichtungen wie For­schungsprämie, wie Freibeträge – sie wurden schon erwähnt. Damit sind wir im Be­reich Forschung in Europa Nummer eins, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Lassen Sie mich abschließend, weil die rote Lampe schon wieder leuchtet – die macht mich eines Tages noch fertig hier (Heiterkeit bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Frei­heitlichen sowie des Abg. Schieder), die leuchtet immer so schnell –, nur noch die Breitband-Initiative anschneiden, ein altes Anliegen von mir: dass auch im ländlichen Bereich der Zugang zum Internet rasch erfolgt, dort das Internet auch schnell ist und der gleiche Zugang wie in Ballungszentren besteht. 10 Millionen € sind dafür vorgese­hen; aus dem Fonds der EU und aus den Ländern sollten auch noch einmal je 10 Mil­lionen € kommen. Dann sind das 30 Millionen € pro Jahr – eine tolle Initiative, die ge­rade dem ländlichen Raum insbesondere zugute kommt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In Summe kann man das, was die Bundesregierung hier wieder tut, zusammenfassen mit dem Spruch:

„Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt; der andere packt sie kräftig an und handelt.“

Diese Bundesregierung ist angetreten, um zu handeln, meine Damen und Herren. Sie ist nicht angetreten, um auf bessere Zeiten zu warten (Abg. Mandak: Die kommen nach dieser Bundesregierung!), sie macht die besseren Zeiten! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.02

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Vizekanzler – ich kann allerdings keine blaue Lampe versprechen.

Ich stelle fest, dass wir nunmehr in die Debatte über die beiden Erklärungen eingehen. Die nächsten vier Redner haben eine Redezeit von je 12 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt geht’s bergab!)

 


11.03

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Vizekanzler, Sie haben völlig Recht: Bessere Zeiten für Österreich wird es erst nach dieser schwarz-blauen Bundesregierung geben! Darin sind wir uns völlig einig. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Angesichts all dessen, was Sie uns heute an Maßnahmen präsentiert haben, bin ich gerne bereit, das kritisch zu würdigen. Ich sage dazu: Es gibt einige Elemente in die­sem Maßnahmenpaket, die ich für sinnvoll und gut erachte. (Rufe bei der ÖVP: Aber?) Das Einzige, was dazu zu bemerken ist: Wieso ist dieses Paket heute nicht ins Haus gekommen, sodass man im Detail überprüfen kann, wie die Ansätze wirklich in der Realität gestaltet sind? (Ruf bei der ÖVP: ... zugewiesen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die zweite Frage, die sich stellt ... (Zwischenbemerkung auf der Regierungsbank: Es ist im Haus!) – Wir haben es nicht bekommen! (Abg. Dr. Fekter – auf die SPÖ wei­send –: ... schlechte Organisation! – Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es wurde bis jetzt nicht eingebracht. – Herr Molterer ist heute wie das Rumpelstilzchen und behauptet dauernd Dinge, die nicht stattfinden. Das ist schon das zweite Mal der Fall, Herr Klubobmann! (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens stellt sich die Frage: Wieso kommt ein solches Paket so spät, am Ende des Jahres, wo wir es nach wie vor mit einer steigenden Arbeitslosigkeit zu tun haben (Ruf bei der ÖVP: In Wien!) und wo leider, Herr Bundeskanzler, auch alle Prognosen für das nächste Jahr voraussagen, dass trotz dieser Maßnahmen die Arbeitslosigkeit nicht sinken, sondern weiter ansteigen wird?

Ich finde es überhaupt nicht witzig, Herr Abgeordneter Molterer, dass diese schwarz-blaue Bundesregierung seit ihrem Antritt einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 50 000 Menschen in Österreich zu verantworten hat. Hier ist dringender Handlungsbe­darf gegeben – und kein Bedarf nach Schönwetterreden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler.)

Wenn sich auf dem Sektor Forschung und Entwicklung etwas tut, dann begrüße ich das, Herr Vizekanzler. Aber dann gleich so zu tun, als ob wir die Besten in Europa wären? – Bitte die Kirche im Dorf lassen! Österreich gibt nicht einmal ganz zwei Pro­zent seines Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung aus. Fortgeschrit­tene Staaten wie Schweden oder Finnland geben 3,5 Prozent aus. Dieser Unterschied wird auch durch einzelne, wenige Maßnahmen nicht kompensiert. Machen Sie eine solide langfristige Politik, aber tun Sie nicht bei jeder kleinen Maßnahme so, als ob wir bereits die Spitze Europas darstellen würden! Das ist nicht seriös, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben darauf hingewiesen, dass das Vorgehen bei der voestalpine – nicht jetzt die Totalprivatisierung, sondern in der Vergangenheit die Auf­gliederung in unterschiedliche Unternehmungen – die Grundlage dafür war, dass die voestalpine zur Weltspitze aufgestiegen ist. – Sie haben völlig Recht. Aber wissen Sie, was der Unterschied ist? – Seinerzeit ist diese Aufgliederung der voestalpine in völli­gem Konsens zwischen den politisch Verantwortlichen, dem Management und der Be­legschaft geschehen (zustimmendes Nicken von Abgeordneten der SPÖ), und daher ist es auch erfolgreich gewesen. (Abg. Scheibner: ... missbraucht hat für die Partei­politik!) Das ist der Unterschied zur jetzigen Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mandak.)

Da Sie heute schon die Frage der Infrastruktur und der Bahn angesprochen haben und der Herr Vizekanzler gesagt hat, es werde genau das gemacht, was der Rechnungshof fordert, würde ich sagen: Lassen wir den Präsidenten des Rechnungshofes selbst darauf antworten! Dieser stellt heute in einem „Presse“-Interview fest:

„Sicher haben wir Einsparungen gewollt. Doch gerade was die Struktur des Bahn­wesens angeht, ist in unserem Bericht 2001 genau das Gegenteil von dem empfohlen, was jetzt geschieht: nicht eine weitere Aufsplitterung der einzelnen Organisationsein-


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heiten, sondern wir haben darauf verwiesen, dass man das eher sparsam strukturieren sollte.“

Das ist die Antwort des Rechnungshofpräsidenten. Der Rechnungshof wollte das Ge­genteil von dem, was Sie jetzt mit der ÖBB-Reform vorhaben. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Und es ist auch ein zweiter interessanter Satz in diesem Interview enthalten, den Sie sich auch zu Herzen nehmen sollten. Der Rechnungshofpräsident sagt: 

„Wir haben ... darauf verwiesen, dass die Belastungen auf Dauer nicht tragbar sind.“ – Das haben Sie auch erwähnt. – „Das heißt aber nicht, dass jede Reform, die vorge­schlagen wird, unsere Billigung finden muss, wenn sie nicht zielführend ist.“ Und: „Wenn die entsprechenden Einsparungsvolumina nicht dargestellt werden, dann muss der RH seine Stimme erheben.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird also im Ministerrat eine Reform der Bundesbahnen beschlossen, zu der der Rechnungshof feststellt: Die Richtung dieser Reform ist falsch, die Einsparungen sind nicht darstellbar, und es ist sogar damit zu rechnen, dass einzelne Bereiche der Bundesbahnen in den Konkurs getrieben wer­den. – Und Sie stellen sich hierher und tun so, als ob das das Wunderbarste von der ganzen Welt wäre! (Abg. Ellmauer: Sie sprechen nie über den „Konsum“!)

Meine Damen und Herren! Die Wahrheit ist, dass mit Ihrer so genannten ÖBB-Reform das wichtigste österreichische Verkehrsunternehmen in seiner Existenz gefährdet ist. Daher ist dieser Weg schleunigst zu stoppen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es bleibt eben bei all dem, was Sie erklären, ein schlechter Nachgeschmack, denn es ist ja nicht so, dass bei der Bundesbahn nicht reformiert worden wäre. Es hat ja dort einen Generaldirektor Draxler gegeben, der bei den Österreichischen Bundesbahnen eine Reform durchgeführt hat, die dazu geführt hat, dass der Güterverkehr gewinn­bringend und konkurrenzfähig ist.

Alle werden sich noch daran erinnern: Dieser Generaldirektor Draxler ist von der schwarz-blauen Regierung weggeschoben worden, weil er Ihnen politisch nicht ge­passt hat! Das ist es, was immer bei Ihren Machenschaften bei der Bahn übrig bleibt: Man hat immer den Eindruck, es geht nicht um die Bahn, sondern es geht darum, dort politisch Verhältnisse zu erreichen, die Ihnen lieber sind. – Schade um die Bahn und schade um die Verkehrspolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es besteht überhaupt kein Zweifel darüber, dass weitere Reformen bei der Bundes­bahn notwendig sind, damit das Service für die Passagiere besser wird, damit es bessere Verkehrsverbindungen gibt und damit man den steigenden Bedarf an Ver­kehrsdienstleistungen decken kann. Aber, meine Damen und Herren, mit dieser Re­form – wie der Rechnungshof und alle Experten feststellen – wird das nicht gelingen, denn durch diese Reform wird das Unternehmen nicht gestärkt, sondern geschwächt werden!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo bleibt die demokratische Diskussionskul­tur? Wenn alle Experten, wenn der Rechnungshof, die Beschäftigten, der Vorstand, der Aufsichtsrat der Meinung sind, dieser Weg ist nicht zielführend, wäre es da nicht be­deutend besser gewesen, die Bundesregierung hätte gesagt: Dann überlegen wir uns, wie wir das besser machen können, und setzen uns mit denjenigen, die Kritik üben, an einen Tisch!? – Nein, im Ministerrat haben Sie gestern einen Beschluss gefasst und wollen auf Biegen und Brechen diese Zerschlagung der Eisenbahn durchsetzen!


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Meine Damen und Herren! Das ist ein schlechter Weg für Österreich. Das ist ein Weg des Konflikts um jeden Preis – und nicht ein Weg zu einer besseren Eisenbahn! Und genau das muss man heute im österreichischen Parlament verurteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Am Ende muss man auch fragen: Wo sind denn Ihre Vorbilder geendet? – Ich habe schon vor Monaten gehört, welche Experten für die ÖBB-Reform eingeladen wurden, nämlich all jene, die mit ihrer Bahnreform in Großbritannien bereits gescheitert sind, wo das Ergebnis dieser Eisenbahn-Zerschlagungspolitik auf der Hand liegt: niedrigere Sicherheitsstandards, schlechtere Services und höhere Preise.

Soll ich Ihnen sagen, was der Unterschied ist? – In Großbritannien zahlt man für eine Monatskarte bei einem Weg von 90 Kilometern 488 €! (Abg. Dr. Fasslabend: Und in der Schweiz? Was kostet das in der Schweiz?) Dieselbe Monatskarte kostet in Ös­terreich 111 €. (Abg. Dr. Fasslabend: Sagen Sie einmal, was das in der Schweiz kostet! – Abg. Miedl: Wer zahlt denn das, Herr Kollege? – Das zahlt erst wieder der Steuerzahler!) Soll ich Ihnen etwas sagen: Die Zeche für Ihre verfehlte Bahnpolitik werden leider die Passagiere der Österreichischen Bundesbahnen zahlen müssen, die Pendler und die Menschen in unserem Land. – Das ist der falsche Weg! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das Ergebnis dieser fehlgeschlagenen Bahnreform in Großbritannien ist übrigens, dass sich jetzt eine Regierung seit Jahren mit diesem Desaster auseinander setzen muss, dass es wahrscheinlich zu Reverstaatlichungen kommen wird, weil dieser Weg in die Sackgasse geführt hat.

Meine Damen und Herren! Eine vernünftige Bahnpolitik in Österreich – gemeinsam mit einem fähigen Management, wie es das einmal gegeben hat, und gemeinsam mit den Beschäftigten – würde so ausschauen, dass man sagt: Die großen Erfolge, die es auf der Ebene der Gütertransporte gegeben hat, wollen wir jetzt auch auf der Ebene des Personenverkehrs verwirklichen und die günstigen Voraussetzungen, die wir dafür haben, mit einem integrierten Gesamtunternehmen nützen. – Damit würde Österreich ein guter Dienst erwiesen werden.

Mit Ihrer Politik – alle vor den Kopf zu stoßen, die Beschäftigten dort in einer unglaub­lichen ÖVP-Gräuelpropaganda jeden Tag zu beschimpfen und den Konflikt, der die Menschen sogar zum Streik zwingt, dort jeden Tag weiter anzuheizen –, mit diesem Weg wird kein Erfolg beschieden sein! Dieser Weg führt zur Zerschlagung der Bahn, dieser Weg ist schlecht für Österreich!

Meine Damen und Herren! Es ist Zeit für einen Kurswechsel: Umdrehen, zur Besin­nung kommen und vernünftige Lösungen anstreben – und diese Hauruck-Politik end­lich beenden! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei den Grünen.)

11.15

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Gleiche Redezeit: 12 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.15

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich möchte Sie bitten, dass Sie Ihren Klub besser organisieren. Hier habe ich das Schreiben des Bundeskanzlers mit gestrigem Datum. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe. – Ruf bei der ÖVP: Gusenbauer, pass auf!) Eingangsstempel des Parlaments, Herr Abgeordneter Gusenbauer (Abg. Dr. Gusenbauer: Es ist nicht da!): 11. November 2003 – der gestrige Tag! (Abg.


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Dr. Gusenbauer: Es ist nicht da! – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Prammer, Bures und Reheis.)

Es ist eingelangt: ein „Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Nationalstif­tung für Forschung, Technologie und Entwicklung ... erlassen wird,“ (Abg. Dr. Gusen­bauer: Wo hat es der Khol versteckt? – Der Khol hat es versteckt!) „das Einkommen­steuergesetz 1988, das Bundesfinanzgesetz 2003 und das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert werden, ..., das ERP-Fonds-Gesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz“ (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter) „geändert wird, ... sowie das ASFINAG-Gesetz ...“ und eine Reihe anderer Gesetze geändert werden. (Zwischenruf der ein Schriftstück in Richtung des Redners haltenden Abg. Mag. Prammer.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Begeben Sie sich bitte in Ihrem Verantwortungsbe­reich auf Suche! Die Bundesregierung hat gestern den Beschluss gefasst, gestern dem Parlament den Regierungsbeschluss übermittelt, mit Eingangsstempel des gestrigen Tages. – So weit zu dieser Sache. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Es ist aber bezeichnend, dass es Ihnen offensichtlich nicht einmal möglich ist (Abg. Dr. Gusenbauer – auf ein Schriftstück verweisend –: Wo hat es der Khol? – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Cap, Mag. Prammer und Reheis), dass Sie sich diese Grundlagen selbst beschaffen. Ich werte es eventuell als Entschuldigung, dass Sie vielleicht das Paket nicht lesen konnten, was Sie heute ge­sagt haben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Was Sie hier aufführen, ist unerträglich! Unerträg­lich! Sollen wir vielleicht die Gesetze suchen gehen? – Das ist ja unfassbar!) Ich glaube aber, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass, auch wenn Sie es gehabt hätten, offen­sichtlich Ihr Grundverständnis in dieser wirtschaftspolitischen Konzeption fehlt (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist unerträglich, Herr Molterer!) – oder ein Grundverständnis von wirtschaftspolitischer Konzeption in der SPÖ vorhanden ist, das sich diametral von dem unterscheidet, was wirtschaftspolitisch für Österreich vernünftig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wirtschaftspolitisch vernünftig für Österreich ist, dass wir das klare Ziel Nummer eins der Wirtschaftspolitik definieren, und das heißt: Vollbeschäftigung in Österreich. – Voll­beschäftigung in Österreich ist das erklärte Ziel dieser Bundesregierung. Alle Men­schen in diesem Land, die arbeiten wollen, sollen Arbeit haben, weil Arbeit zu haben die beste soziale Absicherung ist, die den Menschen gegeben werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Vollbeschäftigung und Arbeit für alle, Herr Abgeordneter Gusenbauer, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedeutet aber, dass Vollbeschäftigung nur möglich ist, wenn die Wirtschaft wächst. Wachstumspolitik ist daher Voraussetzung für Vollbe­schäftigung in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Wachstumspolitik braucht attraktive Standortbedingungen. Daher halte ich es für abso­lut richtig und begrüße es ganz außerordentlich, dass die Bundesregierung genau jetzt – nämlich zum richtigen Zeitpunkt – das Wachstumspaket für Österreich vorlegt, hier dem Hohen Haus präsentiert und damit uns Abgeordneten die Möglichkeit gibt, dieses Wachstumspaket nicht nur zu diskutieren, sondern in guter Zeit auch zu be­schließen, damit diese Wachstumsimpulse für Österreichs Wirtschaft und für Öster­reichs Arbeit ab dem 1. Jänner des nächsten Jahres auch tatsächlich zur Verfügung stehen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Dieses Wachstumspaket baut einerseits auf dem wirtschaftspolitischen Konzept dieser Bundesregierung auf, nämlich einer soliden Budgetpolitik für Österreich. Eine solide Budgetpolitik, meine Damen und Herren, ist Voraussetzung für Wachstum, für Vollbe-


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schäftigung und für eine erfolgreiche Sozialpolitik in diesem Land. Wir sind nicht in der Liga der Letzten, die sich mit 3 oder 4 Prozent Budgetdefizit herumplagen – nein, wir liegen in Europa an der Spitze mit einer erfolgreichen Budgetpolitik!

Unser zweites wirtschaftspolitisches Ziel besteht darin, dass wir die Abgabenquote, die Belastung für die Unternehmen, für die Arbeitnehmer senken wollen, damit mehr Geld in der Tasche verbleibt und tatsächlich auch die Attraktivität des Standortes von der Abgabenseite her entsprechend erhöht wird.

Drittens ist dieses Wachstumspaket wesentlich, das – es ist mir wichtig, dies auch der Öffentlichkeit noch einmal klarzumachen – am 1. Jänner kommenden Jahres gleich­zeitig mit der vorgezogenen ersten Etappe der Steuerreform in Kraft treten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Gesamtkomposition ist fol­gende: Wir haben die erste Etappe der Steuerreform, nämlich die Entlastung der klei­nen Einkommen, die Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen – Stichwort: nicht entnommene Gewinne – oder etwa auch die Entbürokratisierung – Stichwort: Wegfall der 13. Umsatzsteuervorauszahlung – in Angriff genommen. Die Wachstums­impulse des Wachstumspakets und das in Kombination sind genau die richtige Ant­wort, die der Wirtschaftsstandort Österreich jetzt braucht, um das Ziel Wachstumsim­puls und Vollbeschäftigung zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieses Wachstumspaket, meine Damen und Herren, muss jetzt kommen. Karl Aiginger vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung hat meiner Meinung nach völlig richtig festgehalten, dass das, was jetzt vorgesehen ist, kein Konjunkturbelebungs­programm, sondern ein Wachstumspaket zur Sicherung des langfristigen Wachstums darstellt. Genau diese Zielsetzung des Wachstumspakets findet sich selbstverständlich auch in seinen Inhalten.

Ich war Teilnehmer an diesem Forschungs- und Reformdialog – wie andere Kollegen des Hohen Hauses auch. Was mich fasziniert hat, ist, dass dort die Profis aus der Szene – schon zitiert wurde beispielsweise Professor Penninger; aber auch Professor Consemüller, Professor Bonn oder etwa der Chef des IHS Felderer – erklärt haben, dass mit dieser Forschungsinitiative absolutes Neuland im positiven Sinne betreten wird.

Sie haben zwei wesentliche Elemente genannt: Einerseits wird die steuerliche Attrakti­vierung und andererseits die budgetäre Attraktivierung den Forschungsstandort Öster­reich zum Standort Nummer eins in Europa machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit wir auch wissen, über welche Dimensionen wir reden, sage ich Ihnen: Wir reden – Vizekanzler Gorbach hat es schon gesagt – von 600 Millionen € zusätzlich. Manchmal habe ich bei der politischen Debatte den Eindruck, dass die Euroumstellung noch nicht gänzlich verkraftet wurde. Wissen Sie, was 1,2 Milliarden € in Schilling aus­gedrückt sind? – Das sind plus 17 Milliarden Schilling für den Forschungsstandort Österreich. Das ist der richtige wirtschaftspolitische Impuls, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Bereich der Forschung ist etwa auch von den Forschern selbst diese National­stiftung als ein wesentliches Zukunftselement absolut begrüßt worden. Warum? – Weil nun die Forschungsvorhaben in einem längeren Zeitraum geplant werden können und nicht von der Jährlichkeit des Budgets abhängen. Daher ist dieser Forschungsimpuls genauso wie etwa die Infrastrukturoffensive, genauso wie die Wachstums- und Grün­dungsinitiative für Jungunternehmer, genauso wie die Arbeits- und Beschäftigungs­initiative wichtig. Ich danke auch dezidiert Herrn Blum dafür, dass er die Verantwortung


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für diesen Bereich mit übernimmt, weil hier ein Profi zusätzliche Impulse für die Jugendbeschäftigung gibt.

Von unserer Seite zu begrüßen sind auch die Maßnahmen für den ländlichen Raum oder die Maßnahmen für den Export.

Was ist die Antwort der SPÖ? – Sie haben Herrn Gusenbauer heute gehört. Er hat gesagt, das, was wir gemacht haben, sei teilweise ganz interessant. Das hat ungefähr eine Minute seiner Redezeit ausgemacht, die restliche Redezeit war mit lauter Abers gespickt. Und es bleibt der SPÖ vorbehalten, Herr Abgeordneter Gusenbauer, in diesem Land jene Partei zu sein, die die Zukunft in der Vergangenheit sucht. Das ist Wirtschaftspolitik Marke SPÖ! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was machen Sie? – Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer, und die SPÖ verharren im alten Konzept des Schuldenmachens. Sie meinen nach wie vor, dass Kreisky in der Wirtschaftspolitik der Maßstab aller Dinge ist. Ich würde sagen, er ist der Maßstab der Probleme, die wir heute haben. Wir sind dazu nicht bereit.

Wenn Sie mir das nicht abnehmen, dann zitiere ich Ihnen, Herr Abgeordneter Gusen­bauer, den Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik, den ich am vergangenen Wochenende getroffen habe. (Abg. Brosz: Haben die auch ein Konjunkturpaket gehabt?) Er hat einen sehr interessanten Satz gesagt: Die Schuldenpolitik ist der Feind der sozialen Marktwirtschaft. – Und er hat Recht mit dieser Aussage. Daher: Gehen Sie Ihren Irrweg nicht weiter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Sie machen Steuererhöhungen, Sie lehnen Steuersenkungen in diesem Hohen Hause ab und Sie verteidigen Strukturen, die längst überholt sind. Sie machen wirtschaftspoli­tische Vorschläge, die in Richtung Re-Verstaatlichung führen. Sie verteidigen Struktu­ren bei den Österreichischen Bundesbahnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, die nicht zu verteidigen sind. (Abg. Mag. Posch: Wer hat Ihnen diese Rede aufge­schrieben?)

Ich sage Ihnen Folgendes: Die Zeiten sind vorbei, dass sich Gewerkschaften in diesem Land ein Unternehmen halten. Die Zeiten sind vorbei, dass sich Gewerkschaften in diesem Land einen Vorstand halten. Diese Zeiten sind beendet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist die Zeit des Handelns, auch heiße Eisen anzugreifen. Wenn jeder Österrei­cher/jede Österreicherin, unabhängig davon, ob er/sie Bahn fährt oder nicht, pro Jahr 7 500 S für die ÖBB hinlegen muss, dann ist das doch der beste Beweis: Es ist Zeit zum Handeln! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen daher, meine Damen und Herren von der SPÖ: Sie haben hiemit ganz klar gemacht, dass die Vergangenheit Ihr Maßstab ist und nicht die Zukunft.

An die Gewerkschaft sei nochmals der Appell gerichtet: Dies ist ein politischer Streik, den wir ablehnen – in aller Klarheit! Dies ist ein politischer Streik, der den Menschen schadet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Denkt denn in der Eisenbahnergewerkschaft niemand an die Tausenden Kinder, nie­mand an die Schülerinnen und Schüler, niemand an die Tausenden Pendler, die nicht zum Arbeitsplatz kommen können? (Ruf bei der SPÖ: Also bitte!) Denkt denn in der Gewerkschaft niemand an die Wirtschaft, wo heute beispielsweise die Voest bereits sagt, dass sie mit diesem Streik Probleme an ihrem Unternehmensstandort bekommt? (Abg. Dr. Gusenbauer: Die Scheinheiligkeit ...! – Abg. Silhavy: Sie sollten sich schä­men!) Sie verantworten damit auch Probleme in Wirtschaftsunternehmen.

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

 



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Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (fortsetzend): Sie schaden dem Standort, Sie schaden den Mitarbeitern (Abg. Silhavy: Sie schaden den Menschen mit dieser Poli­tik!), und Sie schaden den Österreichischen Bundesbahnen. Wir gehen einen anderen Weg: Wir bieten Zukunft für das Land und für die Bahn. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mandak: Sie schaden ihr nicht, Sie machen sie kaputt! – Abg. Mag. Posch: Mit dieser Rede haben Sie sich selbst geschadet!)

11.28

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächster Redner Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.28

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Molterer, im Interesse des Parlaments und im Interesse der Abgeordneten der Opposition: Sie haben den Zuschauern und den Zuhörern gegen­über den Eindruck vermittelt, dass es längst schriftliche Unterlagen über diese so genannte Wachstumsinitiative der Bundesregierung gibt. Das war der Eindruck, der entstehen musste. (Abg. Mag. Molterer: Nicht „längst“; seit gestern!) Ich möchte nur auf Folgendes hinweisen: Diese Regierungsvorlage, auf die Sie sich offenbar be­ziehen – 313 der Beilagen, benannt „Wachstums- und Standortgesetz 2003“ –, habe zumindest ich – ich nehme an, es geht allen meinen KollegInnen im grünen Klub und allen KollegInnen bei den Sozialdemokraten so – erst heute früh erhalten, bitte schön. Heute früh! (Abg. Mandak: Das ist der Unterschied, Herr Molterer!)

Sie werden das natürlich schon eine Zeit lang kennen. Sie kennen die Aussagen, die Gesetzesbestimmungen, die darin enthalten sind. (Abg. Mag. Molterer: Herr Kollege Gusenbauer hat gesagt, er hat sie nicht!) Sie wissen vielleicht sogar, welche Daten da drinnen sind oder was man daraus herauslesen kann. Aber wir, die beiden Opposi­tionsparteien, sind dazu gezwungen, nur auf Hörensagen und auf Zeitungsberichte zu reagieren. (Abg. Dr. Fekter: Darum brauchen wir diese Debatte! – Abg. Dr. Fassl­abend: Die SPÖ hat es noch gar nicht!) Also tun Sie nicht so, als ob die beiden Oppo­sitionsparteien den gleichen Informationsstand hätten wie Sie selbst. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich finde es aber richtig, dass das, was bis vor kurzem in den Medien als Konjunktur­paket III bezeichnet worden ist, jetzt zur Wachstumsinitiative der Bundesregierung mutiert ist. Ich finde es deswegen richtig, weil es kein Konjunkturpaket ist. Aus, basta, es gibt kein Konjunkturpaket III! Es gibt bestimmte Maßnahmen, über die man im Einzelnen reden kann, die ich zum Teil sogar für wachstumsfördernd halte, aber ein Konjunkturpaket, das auf kurze Sicht für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wirksam ist, gibt es nicht.

Das heißt nicht, dass jede Maßnahme in dieser Regierungsvorlage, die wir ja schon heute früh erhalten haben, von uns bekämpft werden würde. Mein erster Eindruck ist – ich habe sie noch nicht gelesen –, dass die Maßnahmen im Bereich Forschung und Entwicklung zumindest richtige Schritte beinhalten. Das ist mein erster Eindruck; beim Studium der Regierungsvorlage kann sich das noch ändern. Aber mein erster Eindruck ist, dass zumindest die Planungssicherheit in einigen Institutionen der Forschungsför­derung verbessert wird, namentlich durch diese so genannte Nationalstiftung.

Herr Blum, glaube ich, findet sich nicht in dieser Regierungsvorlage, zumindest beim flüchtigen Blättern habe ich seinen Namen nicht gefunden. (Abg. Mag. Molterer: Per­sonen grundsätzlich nicht!) Herr Blum ist Regierungsbeauftragter für Jugendbeschäfti­gung und Lehrlingsausbildung. Ich muss dazusagen: Ich kenne Herrn Blum flüchtig, ich kenne die Firma Blum in Vorarlberg. Ich habe dort einen Betriebsbesuch gemacht, und


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mein Eindruck war hervorragend. Hervorragend! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Wattaul.)

Diese Firma hat eine mustergültige Lehrlingsausbildung, soweit ich das als Besucher beurteilen konnte. Ich war wirklich beeindruckt davon – das ist nur eine kleine Anek­dote in diesem Zusammenhang –, dass bei unserem Betriebsbesuch ein großer Teil der Führung nicht von den Direktoren oder vom Meister (Abg. Dr. Fekter: Von den Lehrlingen selbst!) oder von den sozusagen höheren Menschen in der Hierarchie durchgeführt wurde, sondern von den Lehrlingen selbst. Das heißt, dass sie dort nicht nur eine gute fachliche Ausbildung erhalten, sondern auch eine in Rhetorik und in sozialen Fähigkeiten.

Insofern kann ich Herrn Blum nur das Allerbeste wünschen. Ich weiß aber nicht, welche Kompetenzen er haben wird, was er zu sagen haben wird, wie mühsam es für ihn sein wird, seine Vorstellungen von Lehrlingsausbildung, Lehrlingsbeschäftigung und Lehrlingsfinanzierung in der Industrie und in der Wirtschaft allgemein durchzu­setzen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Weil die Wirtschaftskammer immer verhindert!) Ich glaube, er wäre der Richtige mit den richtigen Ideen, aber was dann daraus wird, werden wir erst sehen. – So viel zu den richtigen Dingen.

Aber dann müssen wir uns wieder die Eurofighter-Geschichte anhören. Dieses Gerede und Geschwafel von den Kompensationsgeschäften ist, bitte, nicht Konjunkturpolitik! Das ist nicht Wachstumspolitik, das ist Luftblasen-Politik. Verschonen Sie uns doch bitte damit! (Beifall bei den Grünen.)

Die ÖBB-Reform steht übrigens nicht in dieser Regierungsvorlage, oder? (Abg. Mag. Molterer: Nicht in dieser, in einer anderen!) Wahrscheinlich deswegen, weil die ÖBB-Reform, die Sie vorhaben, ja auch weder konjunkturfördernd noch wachstumsför­dernd, geschweige denn schienenverkehrsfördernd ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir würden uns sehr wünschen, dass eine Bundesregierung – und angesichts des Transitdebakels besonders diese Bundesregierung – dem Verkehr auf der Schiene eine echte Chance einräumt, und zwar sowohl im Personenverkehr als auch im Güter­verkehr. Ich bin bis jetzt außerstande gewesen zu verstehen, was die Zerschlagung der ÖBB in mindestens zehn Kapitalgesellschaften für die Dynamik des Unterneh­mens, für das Wachstum des Unternehmens, für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene oder für die Verlagerung des Personenverkehrs vom PKW auf die Schiene bringen soll. (Abg. Mandak: Posten!) Ich bin völlig außerstande, das zu sehen. Ich glaube, das ist einfach eine Maßnahme zu Lasten der dortigen Ge­werkschaften; das ist alles. Einen anderen Sinn kann ich in diesen Maßnahmen nicht erkennen.

Das ist auch kein Wunder, wenn man sich Äußerungen von Politikern zu Gemüte führt, die in erster Linie mit dieser Reform befasst sind. Die APA hat gestern zwei Aussen­dungen gemacht. (Abg. Mag. Molterer: Mehr!) – Mehrere, aber ich beziehe mich jetzt auf zwei – offenbar nach oder vor dem gestrigen Ministerrat.

Ich zitiere: „Der Finanzminister selbst gestand ein, dass es bei ihm mehrere Jahre her sei, dass er mit der Bahn gefahren ist: ,Ich mache es nicht mehr, weil dieses Produkt Bahn für mich nicht wettbewerbsfähig ist.’ Er habe keine Zeit, fünf Stunden in der Bahn zu sitzen, wenn er es nach Kärnten in zwei bis drei Stunden mit dem Auto schaffe.“ (Oh-Rufe bei den Grünen. – Abg. Öllinger – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministers Mag. Grasser –: Wie schnell fahren Sie denn?)


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Diese Meldung wurde einige Minuten später korrigiert. Es heißt nun: „Er habe keine Zeit, fünf Stunden in der Bahn zu sitzen, wenn er es nach Kärnten in zweieinhalb bis drei Stunden mit dem Auto schaffe.“ (Abg. Mag. Wurm: Er lässt sich fahren!)

Herr Finanzminister, das ist purer Zynismus (Abg. Mag. Wurm: Das ist gemeingefähr­lich!), denn die Route zeigen Sie mir, auf der Sie – selbst bis zur Landesgrenze, selbst wenn Sie sämtliche Termine in Kärnten in Wolfsberg haben – von Wien nach Kärnten in zweieinhalb Stunden mit dem Auto fahren! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich kenne die Route über den Semmering, ich kenne die Route über den Wechsel: Wenn Sie die einschlägigen Geschwindigkeitsbeschränkungen einhalten, ist es völlig ausgeschlos­sen, in zweieinhalb Stunden, also in der Hälfte der Zeit, die Sie mit der Bahn brauchen, mit dem Auto nach Kärnten zu fahren. Sie können gesetzwidrig mit Ihrem Dienstwagen dort hinrasen, das können Sie (Bundesminister Mag. Grasser: Stimmt nicht!), aber nicht auf legalem Weg. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn das die Einstellung ist, die ein wichtiger Minister der Bahn gegenüber hat, was wird damit suggeriert? – Jemand, der mit der Bahn fährt, muss entweder Pensionist sein und viel Zeit haben oder ein Kind sein und keinen Führerschein haben. Aber ein Mensch, der etwas auf sich hält – und daher keine Zeit hat wie der Herr Finanz­minister –, muss mit dem Auto auf der Autobahn rasen. – Das ist die Message.

Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, einschlägige Daten anzuschauen, Herr Kollege Molterer. Ich kann mich erinnern, dass Sie bezüglich des Gesamtverkehrsplanes noch vor einem halben Jahr, einem Jahr gesagt haben: Ein Drittel der Finanzmittel geht in die Straße, zwei Drittel gehen in die Schiene. – Wahr ist genau das Gegenteil. Genau das Gegenteil! Wenn man sich die Projekte anschaut, bei denen die Finanzierung halb­wegs gesichert erscheint – halbwegs! –, dann ist das Verhältnis zwischen Straßen­ausbau und Schienenausbau 85 Prozent Straße : 15 Prozent Schiene. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Das stimmt ja gar nicht!) Und da meinen Sie, dass wir an ein Re­formprojekt Bahn glauben sollen? (Abg. Dr. Lichtenberger: Das sind Zahlen der ASFINAG!)

Ich gebe Ihnen gerne die Daten. Das geht aus den Milliarden an Euro hervor, das kann man sich immer noch ausrechnen. (Abg. Mag. Molterer: Der Gesamtverkehrsplan ...!)

Der Gesamtverkehrsplan spricht teilweise eine klare Sprache. Dort, wo er nachvollzieh­bar ist, geht daraus genau hervor, dass in den Augen von ÖVP und FPÖ die Straße absolute Priorität vor der Schiene hat. Und wenn es nach dem Finanzminister geht, muss es ja auch so sein. Das ist ganz klar. (Beifall bei den Grünen.) – Ich habe mir gedacht, 12 Minuten Redezeit sind lang; sie sind natürlich wie immer zu kurz.

Um noch ein paar Worte über den Finanzminister zu verlieren: Es mag schon sein, Herr Kollege Molterer, dass die Budgetlage in Österreich – was den Bund und zumin­dest die Länder betrifft – besser ist als in einigen anderen EU-Staaten beziehungs­weise Staaten in der Euro-Zone. Aber liegt es im Interesse Österreichs, liegt es im Interesse der österreichischen Exportwirtschaft, wenn der Finanzminister in der EU Stimmung dafür macht, dass Deutschland, dass Frankreich, dass Italien, dass alle so genannten Defizitsünder in kürzester Zeit – nämlich schon für das nächste Jahr – ihre Defizite um mindestens einen Prozentpunkt des BIP herunterfahren sollen? (Abg. Mag. Hakl: Ja, natürlich!) Das liegt im österreichischen Interesse? – Das, Frau Kollegin von der ÖVP, würde ich Sie bitten, unserer österreichischen Exportwirtschaft klarzu­machen. Aufträge in Milliardenhöhe gehen auf diese Art für die österreichischen Ex­porteure verloren, wenn sich das durchsetzt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und es ist niemand anderer als Finanzminister Grasser, der in diesen Fragen in der EU zu den Hardlinern gehört, der versucht, in einer Rezession, in einer Konjunkturkrise die öffentliche Nachfrage in den wichtigsten Industriestaaten neuerlich zu drosseln. Das


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kann angesichts der außenwirtschaftlichen Verflechtung nur zu Lasten Österreichs gehen. Das ist eben mit plumpen Marketing-Argumenten nicht zu machen.

Noch etwas, Herr Finanzminister. Sie sind auch für den österreichischen Kapitalmarkt zuständig. Für das, was sich heuer in diesem Bereich getan hat – nämlich der dritte Fall von Insiderpolitik in diesen Tagen –, sind Sie mitverantwortlich! (Abg. Eder: Das sind die Freunde!)

Dass ein Aufsichtsratsmitglied der ÖIAG an der Privatisierung von Böhler-Uddeholm in dieser Weise mitwirkt, das kann die österreichische Börse, den österreichischen Kapi­talmarkt auf die Dauer nur beschädigen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Herr Schalle sein Aufsichtsratsmandat vor wenigen Tagen zurückgelegt hat und dass diese Gruppe jetzt nicht zum Zug kommt. Im Ausland beziehungsweise bei Investoren, die sich überlegen, in Wien an der österreichischen Börse zu investieren, wird einmal mehr der Ruf Österreichs durch diese Art einer Insiderparty auf das Äußerste beschä­digt. Das ist die Politik des Finanzministers, für die allein er und niemand anderer sonst zuständig und verantwortlich ist! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Redezeit: ebenfalls 12 Minuten. – Bitte.

 


11.41

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Van der Bellen hat in seiner Rede, zumindest in einigen Passagen, dieses Wachstumspaket durchaus diffe­renziert und, etwa was den Forschungsbereich betrifft, auch sehr positiv beurteilt. Er hat es sich nämlich, wie er gesagt hat, vorher angeschaut und durchgelesen. (Abg. Mandak: Das hat er nicht gesagt!) – Natürlich hat er das gesagt!

Herr Klubobmann Gusenbauer hat diese differenzierte Betrachtungsweise vermissen lassen. Obwohl er es, wie er gesagt hat, nicht gelesen hat, weiß er, dass es zu spät kommt, und ist einfach dagegen. Das ist eine „interessante Betrachtungsweise“, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Sie von der SPÖ deuten da oben. Deuten Sie einmal ein bisschen etwas zu „Eu­roteam“ – da kann man eine Menge deuten (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) –, aber nicht da herunter! Führen wir jetzt eine sinnvolle Debatte über das Wachstumspaket durch! Vom Deuten haben wir nichts, Kollege Matznetter! (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Aber wir haben etwas von einer wirklich dynamischen, aufgabenorientierten Politik, so wie sie die österreichische Bundesregierung macht. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich weiß, da sind Sie nervös und rufen gleich herunter. Haben wir Sie wieder einmal ertappt? Schön. Wenn man so laut redet, dann wird man halt auch einmal gefragt, ob man vielleicht nicht selbst etwas zu verbergen hat.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wir kümmern uns um Österreich, und deshalb haben wir dieses längst fällige und äußerst notwendige Wachstumspaket geschnürt, das wir aus ganzer Kraft und aus vollster Überzeugung nur begrüßen können.

Herr Kollege Gusenbauer, das ist ja nicht das erste Konjunktur- beziehungsweise Wachstumspaket, das diese Bundesregierung beschlossen hat, sondern es ist das dritte Paket. Auch dieses dritte Paket ist sehr notwendig. Die ersten zwei Pakete waren notwendig, um Österreich in einer konjunkturell sehr schwierigen Zeit vor einer Re­zession zu bewahren, und das ist auch gelungen. Das jetzige, dritte Wachstumspaket


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wird dazu führen, dass die hoffentlich anspringende Konjunktur eine entsprechende Dynamik bekommt. Es werden damit in die Zukunft gerichtete beschäftigungspoli­tische, forschungspolitische und wirtschaftsbelebende Maßnahmen gesetzt werden. Dies tun wir in einer Zeit, in welcher das auch im Hinblick auf die EU-Erweiterung von ganz besonderer Bedeutung ist.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Uns geht es nicht darum, ob wir die Ratifizierung heute oder in drei Wochen hier beschließen, das ist nicht das Wichtige, sondern uns geht es darum, dass auch Österreich auf diese Erweiterung hin aus­gerichtet wird, und zwar vor allem der Wirtschaftsstandort Österreich. Das sind die Aufgaben, mit denen wir uns hier zu beschäftigen haben! Das sollten auch Sie sich ansehen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Wir wissen, dass schon heute in den Konzernzentralen beziehungsweise in den Firmenzentralen sehr genau gerechnet wird, wo ab dem Mai nächsten Jahres die Standorte gesetzt werden, ob das noch in Österreich sein wird oder ob das in den neuen Mitgliedsländern der Europäischen Union sein wird. Darauf haben wir uns einzurichten, und genau darauf geht dieses Wachstumspaket ein, nämlich dass wir den Standort Österreich nicht nur erhalten, sondern ihn auch noch attraktiver machen, und das wollen wir mit wirtschaftsbelebenden Maßnahmen tun. Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Warum können wir drei Wachstumspakete beschließen? – Ganz einfach deshalb, weil wir die Hausaufgaben gemacht haben, weil wir den Schuldenberg, die Rekorddefizite, die Sie, meine Damen und Herren von der Sozial­demokratie, uns hinterlassen haben, abgebaut haben – im Gegensatz zu Ihrem großen Vorbild, der rot-grünen Koalition in Deutschland! Jetzt haben wir Gott sei Dank dort, wo es notwendig ist, den nötigen Spielraum, um entlastende Maßnahmen im Bereich der Wirtschaft, aber auch – und das ist wichtig – im Bereich der Kaufkraftsteigerung bei den Steuerzahlern setzen zu können.

An dieser Stelle möchte ich auf das Steuerentlastungspaket hinweisen. Erste Stufe: 1. Jänner 2004: Steuerfreistellung aller Einkommen bis 14 500 € Jahreseinkommen. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme zur Steigerung der Kaufkraft (Abg. Mag. Molte­rer: Das wurde von der SPÖ abgelehnt!), und das ist auch ein wichtiges Signal, denn da geht es um die Bezieher kleiner Einkommen. Daher verstehe ich bis heute nicht, warum die Sozialdemokratie, die sich als Vertreter genau dieser Gruppe von Erwerbs­tätigen sieht, diese so wichtige steuerliche Entlastung hier im Hohen Haus ablehnt. (Abg. Dr. Stummvoll: Unverständlich!)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, das sollten Sie der Bevölkerung auch einmal erklären! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie reden dauernd davon, dass es eine hohe Steuer- und Abgabenquote gebe, aber wenn es darum geht, wirklich eine Entlastung für die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen zu unterstützen, dann stimmen Sie hier dagegen. Politische Ankündigung ist das eine – Realisierung ist das andere. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Nun zum Schwerpunkt Forschung, der auch vom Vize­kanzler heute hier angesprochen wurde. Sie sagen auch da wieder, die Forschungs­förderung sei zu wenig, insbesondere im internationalen Vergleich gesehen. Sie sagen aber immer, den internationalen Vergleich dürfe man nicht ziehen. Natürlich wollen Sie den internationalen Vergleich bei den Arbeitslosenzahlen, wo wir sehr gut dastehen, nicht haben. Es ist klar, dass wir gegen den weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit etwas tun müssen, aber diesbezüglich wollen Sie den internationalen Vergleich nicht hören. Beim Bereich Forschung machen Sie ihn.


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Ich mache nun den nationalen Vergleich bei den Forschungsaufwendungen. Sie sagen, es sei zu wenig. Schauen wir uns einmal an, wie das unter Ihrer Regierung war! Sie haben zwischen 1995 und 1999 die Forschungsquote, obwohl damals schon als großes Ziel 2,5 Prozent im Raum gestanden sind, um nur 0,4 Prozent erhöht, nämlich von 1,59 Prozent auf 1,63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das waren Ihre Leistun­gen unter Ihren Forschungsministern!

Wir haben gehandelt, wir haben nicht nur angekündigt, sondern ernst gemacht: Wir sind jetzt bei einer Forschungsquote von 2 Prozent und werden diese mit diesem Wachstumspaket bis zum Jahre 2006 auf 2,5 Prozent erhöhen, und 2010 werden wir bei 3 Prozent sein. Das ist eine moderne, dynamische Forschungspolitik, die garantiert, dass der Standort Österreich auch in Zukunft abgesichert ist. Das sind keine bloßen Ankündigungen, sondern konkrete Handlungen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Weitere Maßnahmen sind: die Nationalstiftung, ein wichtiges Element in diesem Be­reich, Investitionsförderungen gerade für die kleinen und mittleren Unternehmungen in Österreich, auch zur Eigenkapitalstärkung, eine Arbeitsplatz- und Beschäftigungsoffen­sive – stimmen Sie da auch dagegen? –, und da vor allem die im Wachstumspaket ent­haltene Lehrlingsförderung. Es werden jene Maßnahmen, die bis jetzt gesetzt wurden, was die Lehrlingsprämie betrifft, verlängert und noch intensiviert, sodass wir wirklich garantieren können, dass die Jugend einen Arbeitsplatz oder einen Ausbildungsplatz bekommt. Diese Verantwortung, die wir hier im Hohen Haus haben, müssen wir wahr­nehmen, anstatt parteipolitische Polemik auf dem Rücken der Betroffenen zu üben, wie Sie das machen. Das sollten Sie sich einmal überlegen und darangehen, gemeinsam mit uns diese zukunftsweisenden Maßnahmen zu beschließen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Nächster Punkt in diesem Wachstumspaket: die Infrastrukturmaßnahmen, Ausbau der Infrastruktur. – Sie haben auch da wieder gesagt, es sei alles zu wenig, man habe falsche Schwerpunkte gesetzt.

Meine Damen und Herren, haben Sie sich die Entwicklung angesehen? – Auch da wer­den Meilensteine gesetzt. 1999: 1 Milliarde € für die Schiene, 350 Millionen € für die Straße. 2004, Ergebnis dieses Wachstumspakets: 1,2 Milliarden € für die Schiene und über 1 Milliarde € an Investitionen in den Ausbau der Straßeninfrastruktur. Das sind die Schwerpunkte, die wir zu setzen haben: Straßennetz und Schienennetz für die Zukunft ausbauen! Das wird gemacht, nicht nur für unsere Bauindustrie, sondern auch um den Standort Österreich interessant und attraktiv zu machen. (Abg. Gradwohl: Dann macht es und redet nicht nur davon!)

Wir machen es, Herr Kollege, und reden nicht nur davon so wie Sie! Wir wollen die Bahn ausbauen und die Verlagerung des Transits auf die Bahn wirklich attraktiv machen. (Abg. Gradwohl: Dann macht es!) Ja, aber dann helfen Sie auch mit – und schaffen Sie nicht durch diese politisch motivierten Streiks genau das Gegenteil, denn dadurch zerstören Sie die Attraktivität des Gütertransits auf der Bahn! (Abg. Grad­wohl: Ihr seid das!)

Meine Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, dass die Entscheidung der Wirt­schaft, ob man ein Gut auf der Straße oder auf der Bahn transportiert, natürlich auch eine Kostenfrage ist, aber auch eine Frage der Sicherheit. Es geht darum, mit welcher Sicherheit ein Transporteur davon ausgehen kann, dass sein Gut vom Ort A zum Ort B in einer bestimmten Zeit transportiert wird.

Zum jetzigen Zeitpunkt geben Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemo­kratie, durch diese Streiks für Österreich ein sehr schlechtes Signal – zum Schaden


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der österreichischen Wirtschaft, zum Schaden der Österreichischen Bundesbahnen, zum Schaden des Images Österreichs! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Gesichtsausdruck der Abgeordneten Gusenbauer und Cap während der Rede des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers – das war wirklich interessant – hat Bände ge­sprochen, er zeigte eine Nachdenklichkeit, weil man gesehen hat, dass wieder einmal eine Ihrer Aktionen – nicht die mit den Taferln, sondern die Streiks – völlig nach hinten losgeht, weil die Österreicher das sehr genau durchschauen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Gradwohl.)

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, machen Sie Ihre Aktionen hier im Parlament mit Taferln und womit immer Sie wollen, aber unterlassen Sie Ihre auf dem Rücken der Österreicher ausgetragenen politischen Aktionen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) 2 Millionen Österreicher sind von diesen politisch motivierten Streiks betrof­fen. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist der falsche Weg, wenn es darum geht, Unternehmungen wie die Österreichi­schen Bundesbahnen für die Zukunft fit zu machen, die Arbeitsplätze in diesen Unter­nehmungen zu erhalten und diese Unternehmungen auch konkurrenzfähig zu machen. Da darf nicht so vorgegangen werden, wie Sie es etwa beim „Konsum“ gemacht haben, wo sich gezeigt hat, dass dort, wo Unternehmer eine derartige Branche führen, Gewinne gemacht werden, und dort, wo Betriebsräte und Gewerkschafter und Politiker solche Unternehmungen führen, diese in den Konkurs, in die Pleite geführt werden. Daher würde ich sagen: Lassen Sie die Experten arbeiten!

Wir sind für Gemeinsamkeiten, meine Damen und Herren! Der Vizekanzler hat Woche um Woche mit der Gewerkschaft verhandelt, einen Kompromiss nach dem anderen angeboten, aber man wollte den Kompromiss nicht, sondern man will den Streik, man will die Auseinandersetzung, um die eigenen Privilegien auch weiterhin erhalten zu können!

Ein durchschnittliches Pensionsalter von 52 Jahren ist ungerecht, meine Damen und Herren. Das ist ungerecht! Uns geht es da um Gerechtigkeit, um nachvollziehbare Reformen, Ihnen jedoch geht es um Streik und Auseinandersetzung.

Meine Damen und Herren! Dieses Wachstumspaket zeigt einmal mehr, dass diese Bundesregierung aus ÖVP und Freiheitlichen verantwortungsbewusst für Österreich agiert. Uns geht es darum, auch für die Zukunft Österreichs – wir denken nicht nur in Legislaturperioden – Gutes zu tun, und zwar für die Beschäftigung in Österreich, für die österreichische Wirtschaft und auch für das Ansehen Österreichs. Das wollen wir ent­sprechend auch in der Zukunft positionieren, und davon lassen wir uns durch nichts und niemanden abbringen, meine Damen und Herren – nicht durch Ihre Obstruktions­politik, nicht durch politisch motivierte Streiks und nicht durch Ihre ablehnende Haltung, auch wenn es um positive Maßnahmen wie etwa eine Steuersenkung geht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.53

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die nächsten Wortmeldungen steht vereinbarungs­gemäß eine Redezeit von je 8 Minuten zur Verfügung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

 


11.53

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Werte Bundesregie­rung! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Scheibner, Sie reden davon, dass die Arbeits­plätze bei der Bahn gesichert werden sollen, während diese Bundesregierung meint,


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dass es um 12 000 Mitarbeiter zu viel sind. – Erster Punkt. (Abg. Scheibner: Was war beim „Konsum“? Da waren alle weg!)

Zweiter Punkt: Sie reden davon, dass die Experten verhandeln sollen. Diese Bundes­regierung sagt jedoch, dass der Vorstand nicht verhandeln darf, sondern dass sie ver­handelt. (Abg. Scheibner: Wer sagt das?) – Das sagt diese Bundesregierung und nie­mand anderer!

Sie kritisieren, dass wir andere Vorstellungen zur Steuer haben. (Abg. Scheibner: Weil Sie dagegen stimmen!) Ja, wir haben andere Vorstellungen zur Steuer. Sie haben nämlich Wortbruch begangen: Sie haben in der Koalitionsregierung Schüssel I den Ös­terreicherinnen und Österreichern versprochen, dass im Jahre 2003 die große Steuer­reform kommen wird. Wo ist sie, Herr Abgeordneter Scheibner? (Abg. Scheibner: Sie ist mit 2004 beschlossen! Sie waren dagegen!) Unsere Steuerreform würde den Bürge­rinnen und Bürgern mehr bringen, als Ihre kleine Steuerreform bringen wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir reden heute über die Wachstumsinitiative. Ich glaube, das ist gut und wichtig. Was wir aber brauchen, das ist vor allem ein beschäftigungsinitiatives Wachstum, und dies­bezüglich ist, ganz trocken gesagt, zu wenig im Wachstumspaket enthalten. Was ist die Antwort an die rund 270 000 Arbeitsuchenden, die wir jetzt, Ende Oktober, leider in unserem Land haben: der Verweis auf andere Länder oder aktive Maßnahmen im eigenen Lande? Wo sind – ganz konkret! – die Beschäftigungsinitiativen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? – Es sind in diesem Paket leider keine enthal­ten. Genau das kritisieren wir!

Wenn jetzt Herr Blum als ein Beauftragter der Bundesregierung eingesetzt wird – und da stehe ich nicht an, zu sagen: Das ist eine exzellente Entscheidung! –, dann stellt sich für mich schon die Frage: Was ist denn bisher die Aktivität unseres Arbeits­ministers gewesen, wenn man jetzt einen Beauftragten der Bundesregierung braucht?

Ich bin überzeugt davon, dass Sie dann, wenn Sie Herrn Blum mit den Kompetenzen ausstatten, die er braucht, um seine Ideen umzusetzen, den vollen Applaus von uns haben. Wir sind hier in diesem Hohen Haus kritisiert worden, als wir gesagt haben: Schaffen wir einen Berufsbildungsfonds! Da haben Sie gesagt, das sei eine Verstaat­lichung, das bräuchten wir alles nicht. Herr Blum vertritt das in Vorarlberg mit großem Erfolg, und ich bin gespannt, wie Sie dann in der Wirtschaft agieren werden, wenn er seine Pläne, die er schon öffentlich gemacht hat, bei Ihnen einfordern wird, ob Sie dann zwar so wie bisher nach Vorarlberg, so wie nach Mekka, pilgern werden, aber in dem Moment, in welchem Sie Vorarlberg verlassen, sagen werden: So einen Berufs­bildungsfonds brauchen wir nicht, die freie Entscheidung wird da stattfinden! (Abg. Kopf: Er ist freiwillig dort!) – Ich bin gespannt, wie sich das abspielen wird. Ich begrüße diese Maßnahme, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie hier von Wachstumsmaßnahmen sprechen, dann muss ich Ihnen sagen: Es ist doch ein Faktum – Sie brauchen es nur nachzulesen; es geht hier ja nicht um an den Haaren herbeigezogene Ideologie, sondern um ganz konkrete Maßnahmen –, dass Sie das Inlandswachstum und vor allem die inländische Kaufkraft bei den Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern geschwächt haben. Denken Sie da an Ihre Belas­tungspakete, im Jahr 2000 begonnen bis heute, bis zum Jahr 2004!

Schafft das Wachstum, wenn Sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit der Ein­führung von Gebühren, mit der Erhöhung von Beiträgen, aber auch mit Verminderun­gen ihrer zusätzlichen Leistungen die Kaufkraft wegnehmen?

Man könnte natürlich auch der anderen Ideologie anhängen und sagen: Gut, aber dafür haben wir für die Unternehmer etwas gemacht, und das schafft Arbeitsplätze!


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Ich frage Sie ganz konkret: Hat die Veränderung bei der Getränkesteuer Arbeitsplätze geschaffen? Hat die neue Werbeabgabe Arbeitsplätze geschaffen? (Abg. Mag. Molte­rer: Welche „neue Werbeabgabe“? Sie meinen die Herabsetzung!) Hat die Urlaubs­aliquotierung, die Sie eingeführt haben, neue Arbeitsplätze geschaffen? Hat der Entfall der Postensuchtage neue Arbeitsplätze geschaffen? Hat der Entfall der Börsenumsatz­steuer neue Arbeitsplätze geschaffen?

Das ist das, was wir kritisieren! Wachstum alleine reicht überhaupt nicht, sondern wir brauchen Wachstum, das Beschäftigung schafft, und da haben Sie zu wenige Ansätze, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde heute von mehreren Rednern der Regierungskoalition die Frage gestellt: Wer treibt denn den Konflikt auf die politische Ebene?

Herr Abgeordneter Molterer! Tränenreich haben Sie hier gesagt: Jessas Maria, wer denkt denn an diese armen Menschen?! (Abg. Mag. Molterer: Nicht tränenreich!) – Sie werden in Kürze, wenn sich Ihr Konzept durchsetzt, antreten müssen – genauso tränenreich – und den Fahrern der Bundesbahnen erklären müssen, was denn tatsäch­lich besser geworden ist, wenn Ihr Konzept Wirklichkeit wird!

Erklären Sie den österreichischen Bürgern, dass dann dort, wo bisher vier Unterneh­men tätig waren, zehn Gesellschaften nötig sind, die ungefähr 130 Millionen € an Mehrkosten verursachen, weil es überall dort Vorstände und Aufsichtsräte gibt! Erklä­ren Sie den Leuten, was dadurch an dieser Bahn wirklich besser wird! (Abg. Mag. Mol­terer: Viel!) Sagen Sie ganz konkret, was dadurch verbessert wird! In Ihrem Konzept kann man es nämlich überhaupt nicht erkennen. (Abg. Mag. Molterer: Die Kunden­orientierung des Betriebes! Das Service!)

Die Kundenorientierung?! – Wer hat Sie denn bisher daran gehindert, da etwas zu tun? Sie tragen als Eigentümer die Verantwortung dafür, dass die Österreichischen Bundes­bahnen auf die wahnwitzige Idee gekommen sind, dass man, wenn man im Zug eine Fahrkarte löst, 10 € Schaffnerzuschlag zahlen muss. Das haben nicht die Beschäftig­ten dort zu verantworten, sondern der Vorstand. Das ist Ihre Eigentümerverantwortung, und die nimmt Ihnen niemand ab, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Unglaublich!)

Wenn der Herr Finanzminister sagt, die Bahn sei nicht mehr wettbewerbsfähig und es dauere ihm zu lange nach Kärnten, dann muss ich ihm sagen: Wer hindert denn die Bundesregierung daran, zum Beispiel die Bahn nach Kärnten zu beschleunigen? (Abg. Dr. Gusenbauer: Landeshauptmann Pröll!) Denken wir an die endlose Debatte hier im Parlament, was den Semmering-Basistunnel betrifft! Ist das eine Aufgabe der Beschäf­tigten, oder ist das eine Aufgabe der Eigentümervertretung, die da zur Debatte steht?

Wer ist denn in den letzten drei Jahren in der Lage gewesen, den Bundesbahnen die nötigen Mittel zu geben, damit sie tatsächlich expandieren können? Ihre neuen Vor­schläge lauten, sie sollen sich weiter verschulden. Ich bin der Meinung: Wir brauchen eine andere Bahn! Ich wehre mich dagegen, dass Sie – und da sind Sie in Ihrer Eigenschaft als Abgeordnete angesprochen – Vorgänge, die in der Privatwirtschaft üblich sind, den Bundesbahn- und Postbusbeschäftigten als „Privileg“ unterstellen.

Gibt es in der Privatwirtschaft keine Nachtdienstzuschläge? Gibt es in der Privatwirt­schaft keine Zusatzurlaube für Schwerarbeiter? Das werfen Sie doch alles den Bundesbahnern vor! (Abg. Mag. Molterer: Das haben wir sogar ausgeweitet!) Da Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ÖBB vorwerfen, dass die Krankenstände steigen: Herr Bundesminister Gorbach, Sie wissen es besser. Warum steigt denn die Zahl der Krankenstände? – Weil jeder Pensionsfall heute in das Finanzministerium zur


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Bestätigung kommen muss, und dieser Verwaltungsvorgang dauert. – Daher: Geben Sie den Beschäftigten in der Bahn eine echte Chance zur Verhandlung!

Der Herr Bundeskanzler hat jetzt wieder einen neuen Verhandlungstermin angeboten – super! –, aber damit gleich die Bemerkung verbunden, dass an den Eckpunkten nicht gerüttelt werden dürfe. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist Zeitver­schwendung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Setzen wir uns an den Verhandlungstisch – und suchen wir eine Lösung für die ÖBB-Beschäftigten und für die Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen keine Bahn, bei der die Sicherheit schlechter wird, wie das ja in England der Fall war – und jetzt die dortige Schieneninfrastruktur sozusagen wieder an die Regie­rung zurückgeht. Oder Neuseeland, wo genau dasselbe passiert, Dänemark oder Schweden, wo all diese Konzepte in die falsche Richtung laufen. (Abg. Dr. Fassl­abend: Schweiz!)

Wir wollen auch kein Bahngesetz, das in private Verträge eingreift. Und Sie von ÖVP und FPÖ werden es dann zu verteidigen haben, wenn es durch Eingriffe dieser Bun­desregierung um bis zu 25 Prozent weniger Einkommen bei den Bundesbahnen geben wird – und das bei Löhnen von 1 300 bis 2 500 € brutto pro Monat! Das ist ein Eingriff, der die Bahn wettbewerbsfähiger machen soll?!

Eine gute Infrastruktur, motivierte Mitarbeiter machen die Bahn wettbewerbsfähig – nicht aber ein Kürzungsprogramm, wie Sie von ÖVP und FPÖ es vorsehen: mit Druck – und dass an Eckpunkten „nicht gerüttelt“ werden darf.

Sie werden den Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erklären müssen, wie denn die neue Bahn mit Ihrer Struktur besser ausschaut! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glo­ckenzeichen.)

Wir wollen eine moderne Bahn, wir wollen motivierte Mitarbeiter, wir wollen Arbeits­plätze für Österreich. Handeln wir danach! (Lang anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

12.01

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Gleiche Redezeit. – Bitte.

 


12.02

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der heutige Tag stellt meiner Ansicht nach einen unglaublichen Kontrast dar: Hier im Hohen Haus präsentiert die Regierung – aus Verantwortung für die Zukunft – ein Wachstums- und Standortpaket als Voraussetzung für Arbeitsplätze, Einkommens­chancen und soziale Sicherheit, auf der anderen Seite erleben wir hingegen eine be­wusste Machtdemonstration sozialistischer Gewerkschafter, mit der Absicht, das Land lahm zu legen, indem man die „Blutader“ der Wirtschaft, den Verkehr nämlich, lahm zu legen versucht.

Hier im Nationalrat kommt Herr Präsident Verzetnitsch zum Rednerpult – und sagt kein einziges Wort zu dieser gewerkschaftlichen Machtdemonstration, sagt kein Wort dazu, dass eine starke Fachgewerkschaft des ÖGB, nämlich die Eisenbahnergewerkschaft, Österreich lahm zu legen versucht.

Herr ÖGB-Präsident Verzetnitsch, darf ich ein paar Fragen an Sie stellen. (Abg. Ver­zetnitsch: Sicher!) Wie ernst nehmen Sie es mit der Harmonisierung des Pensions­rechtes? (Abg. Mag. Wurm: ... das hat diese Bundesregierung zu verantworten!) Und wenn Sie es ernst nehmen: Gilt das auch für die ÖBB? (Abg. Gaál: Das ist ein Kür-


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zungsprogramm! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wie ernst nehmen Sie es mit der Kodifikation des Arbeitsrechtes? Sie vom ÖGB fordern seit Jahrzehnten die Kodifi­kation des Arbeitsrechtes. Und das hat doch auch für die ÖBB zu gelten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm: Vier Pensionen haben Sie, Herr Stummvoll! – Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Sagen Sie, Herr Präsident Verzetnitsch, Ihren Eisenbahnergewerkschaftern Folgen­des: Diese notwendige Reform lässt sich nicht wegstreiken! Diese Reform ist notwen­dig! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Bures: Wie viel Pension haben denn Sie, Herr Stummvoll? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Diese Reform, meine Damen und Herren, soll die ÖBB aus der Vergangenheit in Gegenwart und Zukunft führen. Wir von den Regierungsparteien sind gegen eine Zer­schlagung der Bahn, aber für deren Sicherung. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Und wir sind weiters für eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur! (Rufe und Gegen­rufe zwischen Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Freiheitlichen.) Versuchen Sie doch nicht, die Wahrheit anders darzustellen, meine Damen und Herren von der SPÖ! – Das, was wir machen, ist Verantwortung für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Bures und Dr. Puswald.)

Zurückkommend auf das Wachstums- und Standortpaket: Dieses Paket ist doch ein weiterer Beweis für die Leistungsfähigkeit, für die Reformkraft dieser Regierung, auch der Beweis dafür, dass diese Regierung bereit ist, schwierigste Herausforderungen mit intlelli ..., mit intelligenten Lösungsansätzen in Angriff zu nehmen. (Ruf bei der SPÖ: Da stottert er jetzt ganz schön! – Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) – Seien Sie, Herr Kollege, nicht so nervös mit Ihren Zwischenrufen!

Es ist eine schwierige Aufgabe, wie ein kleines und außenhandelsverflochtenes Land eine eigene Wachstumspolitik machen kann. Das ist eine wirklich unglaublich schwie­rige Frage. Daran sind schon viele Rezepte gescheitert. (Abg. Dr. Puswald: Ja, Ihre Politik! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

„Rezepte“ der Sozialdemokratie, zu glauben, man könne Arbeitsplätze und Wirtschafts­wachstum mit Schulden kaufen, sind weltweit gescheitert: eben zu glauben, man könne Schulden machen und Milliarden in die Nachfrage hineinpumpen! Wo stehen denn heute die Länder Deutschland, Frankreich, Italien oder Portugal, die versucht haben, Wachstum zu Lasten der Stabilität zu erzeugen: eben mit Schulden? – Diese Länder stehen jetzt in der unteren Rangordnung der Skala!

Für uns von der ÖVP bedeutet Wachstumspolitik nicht einfach, Schulden zu machen und Milliarden in die Nachfrage hineinzupumpen, sondern für uns bedeutet Wachs­tumspolitik die Kombination aus Stabilitäts- und Strukturpolitik.

Weltweit hat sich gezeigt, meine Damen und Herren, dass ein nachhaltiges Wirt­schaftswachstum erst dann möglich ist, wenn es zu einer dauerhaften Sanierung der Staatsfinanzen kommt. Stabilität und Wachstum sind keine Widersprüche, sondern be­dingen einander gegenseitig! Daher dieser Schwerpunkt der Regierung auf die Stabili­tät in der Finanz-, Steuer- und Budgetpolitik – bei gleichzeitiger Dynamik in der Wirt­schaftspolitik.

Was heißt denn Strukturpolitik? – Strukturpolitik heißt, dass jene Spielräume geschaf­fen werden, eben durch diese Politik, sodass Wachstumspotentiale genützt werden können, dass Anreize für Forschung, Entwicklung, Innovation, Technologie, et cetera gesetzt werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) Das ist Verantwortung für die Zukunft, Herr Kollege – und selbst mit noch mehr Zwischenrufen können Sie das nicht kompensieren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren, dazu kommt ein weiterer Punkt: Wie wir alle wissen, spielt in der Wirtschaft das Klimatische, das Atmosphärische, das Vertrauen in die Zukunft eine unglaublich große Rolle. Und: Diese Regierung sendet vertrauensbildende Sig­nale. – Sie von der Opposition hingegen machen das Land schlecht, meine Damen und Herren! Und das ist schlecht für die Wirtschaft, schlecht für die Arbeitsplätze und schlecht für den Wirtschaftsstandort Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Wie notwendig wir dieses Wachstums- und Standortpaket brauchen, zeigt auch die Tatsache – Herr Klubobmann Scheibner hat ja bereits darauf Bezug genommen –, wie sehr mit der kommenden EU-Erweiterung, die wir alle wollen, die wir jahrelang ange­strebt haben, womit unser Land wieder in das Zentrum Europas rückt, sowohl wirt­schaftspolitisch als auch was den Standortwettbewerb anlangt, Chancen und Risken neu verteilen werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Deshalb ist dieses Standortpaket so richtig, und deshalb ist es so wichtig, 100 Millio­nen € in die Wirtschaftsförderung für Klein- und Mittelbetriebe in den Grenzregionen zu geben, ebenso weitere 120 Millionen € für Klein- und Mittelbetriebe in den Grenzregio­nen zur Eigenkapitalstärkung. – Das ist Verantwortung für die Zukunft – nicht Zwi­schenrufe hier im Plenum, Herr Kollege!

Genauso wichtig ist es, Forschung, Entwicklung und Innovation entsprechend zu för­dern. Und ich muss ehrlich sagen: Die Stellungnahmen von Experten hiezu sind ja beachtlich: Herr Dr. Consemüller, Vorsitzender des Rates für Forschung und Techno­logieentwicklung, spricht von einem „Quantensprung“ in der Forschungspolitik; Herr Professor Felderer vom Institut für Höhere Studien meint, mit diesem Paket wird Österreich zum „attraktivsten Forschungsstandort“ in Europa; Herr Professor Aiginger vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung spricht in diesem Zusammen­hang von einem „großen Wurf“. Diese Stimmen haben doch Gewicht – und solche Stellungnahmen, solche Urteile erzeugen doch auch Vertrauen in die Zukunft.

Österreichs Unternehmen und Betriebe haben dieses Vertrauen. Meine Damen und Herren! Machen Sie von der Opposition unser Land nicht ständig schlecht! Sie überse­hen, dass Sie nicht nur die Regierung kritisieren, sondern dass Sie das Land schlecht machen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wirtschaftlicher Erfolg basiert nicht nur auf Regierungspolitik, sondern stellt selbstver­ständlich auch die Arbeit und Leistungsfähigkeit hunderttausender Unternehmen und deren Mitarbeiter dar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Bures: Ja, das trotz Ihrer Politik!)

Zusammenfassend zu den Konjunkturpaketen I und II: Wirtschaftsforscher meinen dazu – und das ist nachweisbar –, dass es ohne diese Pakete in Österreich kein Wirt­schaftswachstum gegeben hätte. Dann folgt dieses Standort- und Wachstumspaket. Weiters anzuführen ist die Steuerreform erster Teil mit 1. Jänner 2004, durch die alle „kleinen“ Einkommensbezieher, somit rund 200 000 Menschen von der Steuerpflicht ausgenommen werden. Es werden auch die Betriebe gestärkt; das Eigenkapital von Kleinbetrieben wird durch den steuerbegünstigten nicht entnommenen Gewinn ge­stärkt. Die 13. Umsatzsteuervorauszahlung wird – Bürokratie und Nonsens ist das gewesen! – rückgängig gemacht.

Das ist Verantwortung für die Zukunft, meine Damen und Herren!

All das bedeutet, dass diese Regierung bereit ist, diese Herausforderung anzunehmen, bereit ist, mit ihrer Politik die Balance zu halten zwischen Stabilität und wirtschaftlicher Dynamik – und damit die Voraussetzungen schafft für Arbeitsplätze, Einkommens­chancen und soziale Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


12.09


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Gleiche Redezeit. – Bitte. (Abg. Wattaul – in Richtung des sich zum Rednerpult bege­benden Abg. Mag. Kogler –: Die Wahrheit sprechen!)

 


12.10

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben, jedenfalls ich als Oppositionsabgeordneter, sehr oft die Bereitschaft des Bundeskanz­lers anerkannt, sich dem Hohen Haus zu erklären und hier zu diskutieren. Und in der Tat: Das ist bei Bundeskanzler Schüssel viel öfter der Fall, als das seine Vorgänger gemacht haben. Wir haben aber auch immer wieder darauf hingewiesen, dass eine eigenartige „Anhäufung“ von so genannten Erklärungen dann existiert, wenn eigentlich andere Themen vordringlich auf der Tagesordnung stünden. Und das muss ich auch heute wieder anmerken.

In der Sache selbst – Herr Bundeskanzler, wenn Sie mir kurz Ihr Ohr leihen, denn ich habe vor, mich mit Ihren Ausführungen auseinander zu setzen (Abg. Parnigoni: Das interessiert ihn nicht!) –: Wenn Sie sich hier schon erklären, muss ich ein paar Punkte erwähnen, die tatsächlich nicht nur unsere Anerkennung verdienen, sondern für die wir gleichfalls – auch schon in der Vergangenheit – eingestanden sind beziehungsweise einstehen, Dinge, die wir hier gemeinsam beschlossen haben.

Deshalb kann ich auch dieses „Kampfkauderwelsch“ (Ruf bei der ÖVP: Schön spre­chen!), das hier dauernd von der Regierungsbank herüberkommt, überhaupt nicht ver­stehen. Schön langsam wird es, glaube ich, Zeit, sich die Redezeit bei Oppositions­reden anders einzuteilen.

Ich habe bis jetzt immer den Eindruck gehabt, dass wir sehr lange über gemeinsame Maßnahmen, wenn es um so etwas Wichtiges wie um die Wirtschafts- und Sozialpolitik unseres Landes geht, gemeinsame Redezeit verbraucht haben.

Ich habe heute vor – ich sage Ihnen das ganz offen, Herr Bundeskanzler –, diese weni­gen Minuten in der umgekehrten Proportion hier aufzubereiten. Zuerst zum tatsächlich Positiven: Jawohl, das Wirtschaftsforschungsinstitut anerkennt bestimmte Effekte der letzten so genannten Konjunkturpakete, aber: Diese haben eher noch als das jetzige diesen Namen verdient! Und dabei ging es genau um jene Maßnahmen, die wir gemeinsam beschlossen und die nachweisbare Effekte gezeitigt haben.

Dabei ging es um jene Maßnahmen, Herr Kollege Molterer – weil Sie hier nicken –, die tatsächlich, jedenfalls kurzfristig, mit fiskalpolitischen Veränderungen und Maßnahmen zu tun hatten: die Investitionszuwachsprämie und die restlichen Investitionen, welche die öffentliche Hand gerade noch getätigt hat. Diese hatten nachweisbar kurzfristige Effekte.

Das heißt nicht, dass mittelfristige und langfristige strukturpolitische Maßnahmen falsch wären. Im Gegenteil: Auch solche sind richtig, sofern man sich jeweils darauf verstän­digen kann, nur: Das hat mit Konjunkturpolitik nichts zu tun! Und das sollten Sie, meine Damen und Herren Regierungsmitglieder, jetzt endlich einmal zur Kenntnis nehmen, wenn Sie von hier heroben verkünden, das Wirtschaftswachstum sei sozu­sagen durch das Wirtschaftsforschungsinstitut bewiesen. – Von diesem wurde nämlich bloß bewiesen, dass fiskalpolitische Maßnahmen wirken.

Das jedoch haben Sie, Herr Minister Bartenstein, im Jahre 2001 hier heroben (der Redner deutet auf die Regierungsbank) heftig bestritten. Das war ja damals das Pro­blem! Erst infolge des Drucks der Wirtschaftslage haben Sie sich langsam herange­wagt, hier tatsächlich – wie man so schön sagt – gute wirtschaftspolitische Maßnah­men, durchaus auch im alten Sinn, zu treffen.


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Das sollte uns jedoch nicht daran hindern, uns auch den Strukturvorschlägen und For­schungsinitiativen etwa für die Zukunft zuzuwenden. Sie sollten endlich einmal aner­kennen, dass das, was damals richtig war, auch heute noch richtig sein kann – zumin­dest dann, wenn die Ausgangslage vergleichbar ist. Deshalb ist es vernünftig und gut, wenn die Investitionszuwachsprämie verlängert wird. Keine Frage! Entgegenhalten muss ich Ihnen jedoch: Das ist jedoch leider auch schon die allereinzige konjunktur­politische Maßnahme!

Da haben Sie jedoch offensichtlich noch rechtzeitig den „Braten“ gerochen und das Ganze daher in „Standort- und Wachstumsinitiative“ umgetauft. Allein: Es gibt deshalb noch immer keine Konjunkturpolitik! Das müssen Sie sich jetzt einmal entgegenhalten lassen: Eine solche Konjunkturpolitik im nächsten halben beziehungsweise im nächs­ten Jahr anzustrengen, wäre sehr wohl sinnvoll, weil eben Wachstumsdaten, Wachs­tumsprognosen und vor allem auch die Beschäftigungslage nicht gerade rosig sind.

Klären Sie diesen Widerspruch auf, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zur Forschung und Entwicklung nur so viel: Dafür haben Sie tatsächlich die ausge­streckte Hand – wahrscheinlich die beider Oppositionsparteien –, was die Mittelerhö­hung betrifft. Eine solche findet statt, allerdings: Diese findet bei weitem nicht in jenem Ausmaß statt, wie Sie von den Regierungsparteien das darstellen. In Wahrheit nehmen Sie das Gros der Mittel, die Sie hier verkünden, aus alten Maßnahmen – und schlagen lediglich etwas hinzu. (Abg. Mag. Molterer: Planstellen!)

Es ist gut, wenn es Planungssicherheit gibt. Ich sage Ihnen aber schon, dass For­schungsförderung auch in Zukunft nicht nur Förderung von privaten Initiativen sein kann, sondern dass das sehr wohl auch noch etwas mit der Universitätspolitik zu tun haben wird.

Wenn auf den Universitäten weitere Zustände wie heuer einreißen und diese nicht schleunigst beseitigt werden, dann können wir hier zwar lange von Forschungs- und Entwicklungsinitiativen reden – und trotzdem werden die Zustände an Universitätsinsti­tuten, etwa an der Technischen Universität Wien – wir haben uns das dort ange­schaut – oder aber auch in der Universität Graz geradezu zum Himmel stinken. Ja, die „Zustände stinken zum Himmel“ – und das ist ein Zitat der Rektoren, nicht von mir. Das sollten Sie von den Regierungsparteien mit Ihrer Aushungerungspolitik im universitären Bereich endlich zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jedenfalls: Der Existenzbeweis für ein Konjunkturpaket oder eine Konjunkturpolitik ist kräftig misslungen; das gibt es nicht. Das Einzige, was hier im Sinne einer Konjunk­turpolitik vorliegt, ist sozusagen eine kleine und muffige Schuhschachtel mit abgestan­denen Schlapfen, weil Sie nur alte Maßnahmen aufwärmen – und das im Großen und Ganzen mit uralten Hüten. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler, Sie müssen sich das einmal sagen lassen – und ich werde Sie in der Folge mit ein paar Fragen und Zahlen konfrontieren, Fragen, die Sie beantworten sollten, wenn Sie schon das Privileg haben, sich hier noch einmal zu Wort melden zu dürfen.

Die „größte Steuerreform aller Zeiten“ wird hier angekündigt, eine „GRÖSTAZ“ sozu­sagen. – Das ist eine Ankündigungspolitik, wie wir sie schon gewöhnt sind. Und wenn wir am Ende dieser Legislaturperiode zusammenzählen werden, was Schwarz-Blau I und Schwarz-Blau II miteinander veranstaltet haben, werden wir draufkommen, dass der Nettoeffekt der abgaben- und steuerpolitischen Maßnahmen bei weitem nicht das ausmacht, was Sie dauernd verkünden. Eine Nullmeldung kann das im schlimmsten


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Fall werden! Und das Tragische dabei ist, dass die kleinsten EinkommensbezieherIn­nen dies zu tragen haben, weil diese von Ihren Entlastungsmaßnahmen, die vielleicht noch kommen mögen, überhaupt nicht profitieren, weil Sie von der Regierung nämlich in erster Linie an Spitzensteuersätze und an „Leistungsträgerförderung“, wie Sie das auszudrücken pflegen, denken. – So aber kann es nicht bleiben! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Haben Sie etwas gegen Leistungsförderung? – Abg. Dr. Fekter: Was ist schlecht an Leistung?)

Mit Konjunkturpolitik hätte das dann etwas zu tun, wenn Sie diese Maßnahme vorge­zogen hätten. Ähnlich verhält es sich mit der KöSt-Debatte. Anstatt dass Sie endlich einsehen würden, dass Österreich, was dieses Aufkommen betrifft, diesbezüglich ganz hinten liegt, verkünden Sie lediglich eine Satzänderung – und damit werden Sie ein Budgetloch produzieren.

Kümmern Sie sich doch lieber einmal um eine Senkung der Lohnnebenkosten, von der Sie früher immer gesprochen haben; diesbezüglich ist Österreich europaweit Spitzen­reiter! Im Sinne einer effizienten Konjunktur- und Strukturpolitik sollten wir uns dazu bekennen, auch da einmal internationale Standards herbeizuführen – und nicht die Arbeit in einer Art und Weise zu belasten, wie das sonst nirgends mehr der Fall ist. Und das gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmer.

Als Letztes möchte ich eingehen auf die Frage ÖBB und Infrastrukturinvestitionen; das hängt ja unmittelbar zusammen. Dieser „Generalverkehrsplan“, den Sie von FPÖ und ÖVP hier strapaziert haben und immer wieder aufwärmen – von der Regierungserklä­rung bis heute –, enthält keine einzige neue Maßnahme. Ich möchte wissen, was das mit Konjunktur und Wachstum zu tun haben soll! Sie verkünden immer die gleichen alten Zahlen – noch dazu die falschen!

Wenn man Tabellen der ASFINAG oder auch andere Quellen heranzieht, dann sieht man, dass von diesem Generalverkehrsplan à la Forstinger – diese Namensgebung beschreibt ja nur das Problem – nichts übrig bleibt. Und das wundert einen auch nicht!

Wenige Milliarden Euro bleiben über – und noch dazu in einem „Mischungsverhältnis“ von, wie bereits erwähnt wurde, 85 Prozent Straße und 15 Prozent Schiene. Erklären Sie doch jetzt einmal, wie Sie so eine ÖBB-Reform machen wollen! Ihr „Konzept“ ist: teilen und aushungern! – Das wirkliche Konzept hingegen wäre: zusammen lassen, was sinnvoll zusammen gehört, und investieren – genauso, wie es Ihnen der Rech­nungshof ausgerichtet hat. (Beifall bei den Grünen.)

12.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Die Redezeit ist unverändert. – Bitte.

 


12.19

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Verzet­nitsch, wenn Sie sagen, es hat keine Steuerreform gegeben, dann dürfte Ihnen etwas entgangen sein. (Abg. Verzetnitsch: Im Jahre 2003!) Dann, Herr Kollege Verzetnitsch, ist Ihnen entgangen, dass es einen Beschluss im Nationalrat gab, mit dem 2003 eine Steuerreform festgeschrieben wurde. (Abg. Verzetnitsch: Wo ist die große Maß­nahme?) – Klar ist Ihnen das entgangen; Sie haben ja dagegen gestimmt!

Sie von der SPÖ haben gegen Entlastungsmaßnahmen für 2,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Österreich gestimmt. Das heißt, dass den Arbeitnehmern bis zu 475 € im Jahr mehr in der Tasche bleiben werden, dass den Pensionisten bis zu 450 € mehr bleiben werden. (Abg. Gradwohl: Lediglich 2 €!) Das ist die Steuerreform, die die


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Regierungsparteien beschlossen – und wogegen Sie gestimmt haben! Das ist die Politik, die Sie machen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.)

Wir Freiheitlichen haben vor den Wahlen versprochen, dass es zu einer Steuerreform kommen wird. Und 2003 ist das beschlossen worden, ab 1. Jänner 2004 in Kraft – und die Bürgerinnen und Bürger werden das Positive daran spüren – auch wenn Ihnen von de SPÖ das nicht passt. Und weitere Schritte werden folgen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Ich frage Sie schon auch, wenn Sie sich hier so groß mokieren: Wo war denn die Ge­werkschaft, wo waren Sie, als all diese Ungerechtfertigkeiten und Privilegien geschaf­fen worden sind (Abg. Verzetnitsch: Welche denn?), die es bei der ÖBB noch jetzt und heute gibt? (Abg. Verzetnitsch: Erklären Sie!) Die ja so große Probleme machen, dass das Durchschnitts-Pensionsalter bei den beamteten ÖBB-Bediensteten – und das sind 43 000 – 52,2 Jahre beträgt; das Durchschnittsalter 52,2 Jahre! (Abg. Verzet­nitsch: Wer schickt sie in Pension? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nur 12 von den 43 000 Bediensteten sind über 60; nur 12 – davon können viele andere wie die ASVGler nur träumen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die durchschnittliche Pensionshöhe beträgt 2 116 €. (Abg. Verzetnitsch: Wer schickt sie in Pension?) 2 688 Personalvertreter sind teilweise dienstfrei gestellt. Das sind Dinge, von denen ASVGler nur träumen würden. Wo waren Sie, die Sie angeblich so viele Menschen in Österreich vertreten, wo waren Sie, als all diese Privilegien geschaf­fen worden sind? – Schmähstad waren Sie! Und warum? – Kein Ruf nach Gerechtig­keit, kein Ruf nach Privilegienabbau! Sie waren ganz ruhig auf Ihrer Bank, weil es um Ihre Privilegien von Ihrer Gewerkschaft gegangen ist und weil Ihre Fraktion da oben auf der Regierungsbank gesessen ist! Da waren Sie ruhig. Da ging es darum, sich unter der Tuchent alles für Einzelne auf Kosten von vielen kleinen auch Eisenbahnern und ASVG-Bediensteten auszumachen. Da waren Sie nicht hier, da haben Sie sich nicht eingesetzt. Das ist es, was wir Ihnen ankreiden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie von der SPÖ sind nicht die Vertretung der gesamten ASVGler! Sie bewahren Privi­legien von Einzelnen aus Ihrer eigenen Fraktion, aus Ihrer Gewerkschaft, und Sie bedauern es einfach, dass Sie nicht mehr da oben sitzen. Denn sonst gäbe es heute keinen Streik, wenn es Reformen in der ÖBB gäbe. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie fragen: Wo bleibt denn das Wirtschaftspaket? (Abg. Verzetnitsch: Das Wachs­tumspaket!) Das Wachstumspaket, ja: Wo bleibt es denn? – Es ist heute und hier vorhanden, aber Sie gefährden das gesamte Wachstum in Österreich! Sie gefährden den Wirtschaftsstandort Österreich mit der Art und Weise, wie Sie den Streik ansetzen. Haben Sie heute die Aussendungen gelesen? – „Jetzt ist der Spaß vorbei“ – Sie ge­fährden den Wirtschaftsstandort, da die Unternehmen sich nicht mehr zu helfen wissen, weil Sie streiken! Pro Tag sind es 2,7 Millionen € bei der Bahn, 700 000 € beim Postbus – pro Tag! – an Schaden für die ÖBB und somit auch für Österreich – denn das ist Geld von den Österreichern in der Höhe von 3,4 Millionen € pro Tag! (Abg. Dr. Fekter: Steuergelder!) 3,4 Millionen € an Schaden, den Sie mit Ihrem Streik, mit Ihrer Gewerkschaft Österreich zufügen – das heißt, Sie zerstören die Bahn und gefähr­den den Wirtschaftsstandort Österreich. Das ist die Wahrheit, auch wenn sie Ihnen wehtut! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sind diejenigen, die die Konflikte schüren. Sie sind ja nicht einmal gesprächsbereit mit der Regierung. Es hat sehr viele Angebote gegeben, auf Ihre Forderungen einzu­gehen, zwölf Gesprächsrunden – Sie wollen es nicht hören. Aber Sie sind diejenigen, die die Konflikte schüren. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Und niemand versteht es!


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Fragen Sie einmal Ihre Kunden bei der ÖBB, ob sie das verstehen. Die Pendler sind verärgert, Familien sind verärgert, Mütter mit kleinen Kindern, die auf die Bahn ange­wiesen sind, die Schüler und die Lehrlinge, die auf die Bahn angewiesen sind – all ihre Kunden sind verärgert! Aber Kundenfreundlichkeit, das haben Sie ja noch nie verstan­den.

Wissen Sie, wer noch verärgert ist? – Einzelne Mitarbeiter bei Ihnen, die das nicht ver­stehen, die uns Briefe mit Hilferufen schreiben. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Was sie schreiben, lese ich Ihnen vor. (Abg. Verzetnitsch: Wie viele Briefe kriegen Sie denn?) Ein Zugbegleiter schreibt, er muss Ihr Propagandamaterial verteilen und damit die Kunden belästigen; Ihr Propagandamaterial vom ÖGB muss verteilt werden. (Abg. Verzetnitsch: Es wird ihm gedroht vom Vorstand!) Genau, es wird ihm gedroht – Sie wissen es! Sie sagen es selber: Es wird ihm gedroht! (Abg. Verzetnitsch: Vom Vor­stand wird ihm gedroht!) Nein!

„Wenn man sich allerdings so verhält wie ich“, schreibt der Zugbegleiter, „und sich an dieser Verteilaktion nicht beteiligt, dann läuft man Gefahr, von Kollegen, die natürlich von der Gewerkschaft sind, verpfiffen zu werden, was eine Einvernahme und zumin­dest eine Belehrung nach sich zieht, wo für die Dauer eines Jahres“ (Zwischenrufe bei der SPÖ) – warten Sie doch, bevor Sie lachen! –, „wo für die Dauer eines Jahres schriftlich geschrieben steht, dass man ein unzuverlässiger Mitarbeiter ist.“ (Ruf bei der SPÖ: Glauben Sie diesen Blödsinn denn auch noch?) Ich glaube dem, was besorgte Mitarbeiter der ÖBB uns schreiben. Das glaube ich. Ich glaube es ihnen, Sie nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie zwingen Mitarbeiter zur Verteilung Ihres Propagandamaterials. So wie Sie die Mit­arbeiter zwingen, so wollen Sie auch die Regierung erpressen. Eine Regierung hat noch nie gut daran getan, sich erbrechen, sich erpressen zu lassen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, da kommt einem das Brechen, das ist richtig.

Wenn Sie sagen, dass das, was hier mit dem Wachstumspaket gemacht wird, „alte Schlapfen“ sind, dann sage ich Ihnen auch, Kollege Kogler: Viele Menschen in Öster­reich wären froh, wenn sie alte Schlapfen bekommen würden! Denn es gibt viele, die Probleme haben, sich Schuhe zu kaufen. (Rufe bei der SPÖ: Bartenstein! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Aber wir in der Regierung ziehen den Menschen jedes Jahr mit einem neuen Wachstumspaket neue Schuhe an, damit wir wieder gut und ordentlich vorangehen können.

Wir in der Regierung wollen nicht weiterhin – so wie Sie es alle wollen – Schuldenpoli­tik, sondern wir wollen die Konjunktur wieder ankurbeln. Sie zerstören die Bahn – wir retten die Bahn und retten damit auch das gesamte Unternehmen. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Sie verärgern Ihre Kunden und somit auch viele von Ihren Mitarbei­tern – wir modernisieren die ÖBB, die Bahn, wir wollen ein kundenfreundliches Unter­nehmen. Sie wollen Ihre Privilegien bewahren, Sie wollen all das bewahren, was Sie sich gemeinsam erarbeitet haben – wir fordern Gerechtigkeit und Privilegienabbau ein.

Deshalb wollen wir auch in Österreich blauen Fortschritt – statt rote Bremser! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.26

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist vereinbart, dass an dieser Stelle der Debatte zwei Stellungnahmen von der Regierungsbank erfolgen können, wenn dies gewünscht wird. Die Redezeit beträgt jeweils 5 Minuten.

 


Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. Nach ihm wird der Herr Vizekanz­ler das Wort ergreifen. – Bitte, Herr Bundeskanzler.


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37. Sitzung / Seite 75

12.26

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einige Worte noch zum Beauftragten für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbil­dung, Egon Blum. Wir kennen ihn alle, und ich danke auch sehr für die positive Akzep­tanz. Das ist wichtig, denn er wird ja nicht herumgehen und die Arbeitgeber und Arbeit­nehmer zwingen können, ein Modell zu machen.

Aber was in diesem ganzen Bereich wirklich wichtig ist, ist Motivation. Wir beide haben uns gestern in der gemeinsamen Pressekonferenz eigentlich auch gefreut über das Feuer, das von ihm ausgegangen ist, wie er mit Liebe, mit Lust und Engagement von den verschiedenen Ebenen gesprochen hat, die wichtig sind: auf der einen Seite die Notwendigkeit, High-Tech-Berufe auf höchstem Niveau anzubieten; ferner Bereiche, in denen die Standards einfach vorgegeben sind und durch die Modernisierung der Be­rufsausbildung eigentlich auch gut funktionieren. Dann hat er das Wort von den „schulscheuen“ Jugendlichen in die Diskussion gebracht, was die Journalisten natürlich sofort zu Gelächter veranlasst und viele zum Schmunzeln gebracht hat. Aber das ist ein Thema! Es ist ganz wichtig, dass wir uns nicht nur mit High Tech beschäftigen, sondern wirklich in die Breite hineingehen und den Standortvorteil absolut nützen, den unser Land mit dieser dualen Ausbildung hat. Das ist es, was wir von ihm erwarten: Motivation. Volle Unterstützung hat er selbstverständlich von den zuständigen Minis­tern, von Martin Bartenstein, von Liesl Gehrer, und natürlich auch von Hubert Gorbach und von mir. Ich bitte wirklich, ihn zu unterstützen. Er bekommt hier auch von uns die notwendige Rückendeckung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Abgeordneter Kogler hat einige sehr positive Worte über das Wachs­tumspaket gefunden, und er hat auch moniert: Was ist kurzfristig und was ist mittel­fristig? – Das halte ich für eine absolut berechtigte Frage. Wenn man jetzt abseits der Schwarzweißzeichnung hineinschaut, dann muss man ehrlich sagen: Ein mittleres Land wie Österreich kann flächendeckend, unabhängig oder gar gegen die euro­päische oder Weltkonjunktur, relativ wenig bewegen. Das muss man ehrlich sagen.

Kurzfristig haben wir einiges gemacht. Ich möchte es nur Stakkato-artig aufzählen: Da ist natürlich die Entlastung mit dem 1. Jänner für die kleinen Einkommen zu nennen; das ist ein ganz wichtiger Schritt, der unmittelbar wirkt. Dass wir in Österreich zum Beispiel eine Erhöhung der Pensionisteneinkommen ab Jänner machen werden, zum Unterschied etwa von Deutschland, ist ein solcher Schritt. Andere Dinge wirken auch sofort. Ich habe noch nicht davon gesprochen, dass wir 5 Millionen mehr für den Denk­malschutz zur Verfügung stellen; das geht direkt hinein in beschäftigungsintensive Maßnahmen, die absolut sinnvoll sind. Auch die Exportanstrengungen sollen ja jetzt helfen, etwas zu bewegen.

Wir haben übrigens auch etwas gemacht, was vielleicht Ihrer Aufmerksamkeit entgan­gen ist: Ab Jänner gibt es immerhin eine Lohnnebenkostensenkung von 2 Milliarden Schilling oder 140 Millionen € für ältere Mitarbeiter. Das ist ein ganz wichtiger Schritt, und 2 Milliarden Schilling sind nicht gerade wenig! Die werden massiv entlastet, und das ist auch richtig so. Und dass durch die Prämie von 1 000 € für die Lehrlinge prak­tisch die Kosten der Berufsschule für die lehrlingsausbildenden Betriebe quasi in einem Solidarmodell vom Steuerzahler übernommen werden, ist ja auch nicht von der Hand zu weisen und ist, glaube ich, eine sehr vernünftige Sache. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Auch die Baumaßnahmen sind kurzfristig wirksam.

Aber andere Dinge – und dazu stehe ich – sind noch wichtiger, weil sie mittel- und län­gerfristig unseren Standort verbessern: die Infrastruktur, die Forschungsanstrengun­gen, die Erweiterung, die Investitionen in die Grenzregionen. Das sind die Themen, bei denen wir jetzt ansetzen müssen. Daher verdient dieses Programm wirklich den Namen eines Wachstumspakets und einer Standortsicherung!


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Nun zu der Frage: Belastung oder Entlastung: Da darf ich schon auch die Zahlen nennen, aber ich juble nicht. Natürlich wird die nächste Steuerreform die größte sein – das ist auch keine Kunst, weil wir einfach mehr an Bruttoinlandsprodukt haben, und in absoluten Zahlen wird das auf jeden Fall die größte sein. Unser Ehrgeiz muss aber sein, daraus eine strukturelle Reform zu machen. Das müssen wir zusammenbringen: nicht nur ein paar Zuckerln verteilen, sondern eine Strukturänderung, die langfristig wiederum Österreich gut tut.

Was die Entlastung betrifft: Sie haben Recht, wir haben manche Dinge gemacht, ja machen müssen, die eine Belastung bedeutet haben. Manches war auch durchaus von der Opposition angeregt in der Gewichtung. Was wir jetzt aber seit dem Höhepunkt der Abgabenquote 2001 auch zu verzeichnen haben, ist eine Senkung der Abgabenquote um 1,8 Prozent. Und 1,8 Prozentpunkte bedeuten, auf praktische Terms übersetzt, eine Entlastung von fast 4 Milliarden €. Hören wir also bitte auf mit den Legenden vom Höhepunkt der Belastungswelle! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir haben seither eine Entlastungswelle von rund 4 Milliarden €.

Letzter Punkt: Herr Präsident Verzetnitsch, Sie wissen, ich schätze Sie außerordent­lich, auch wenn wir hundertmal anderer Meinung sind. Aber das ist nicht der Punkt. Mir ist wichtig, was jetzt geschieht angesichts einer Entscheidung, die die Regierung zu treffen hatte – und glauben Sie mir, wir haben uns das nicht leicht gemacht; wir tun das ja auch aus bestem Wissen und Gewissen heraus! –, einer Reform, die wir jetzt dem Parlament vorlegen und die im Parlament beraten wird. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich glaube, es wäre klug, wenn die Tatsache, dass jetzt im Parla­ment ein Entwurf zur Diskussion vorliegt, nicht zum Streik benützt wird.

Ich glaube, es gibt genügend Möglichkeiten zum Gespräch. Sie wissen – und ich rede nie über private Gespräche –, die Tür ist offen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Meine Bitte an Sie und an Sie alle hier im Hohen Haus ist: Versuchen wir, die Gesprächs­brücken wieder aufzubauen, und versuchen wir vor allem, die Menschen, die sich draußen Sorgen machen und Belastungen hinzunehmen haben, die sie ärgern, von diesen Belastungen zu entlasten. Das würde ich mir für heute als Botschaft des Hohen Hauses wünschen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich habe jetzt nach kurzem Überlegen 1 Minute mehr zugelassen, weil der Herr Bundeskanzler bei einer wichtigen Passage war. Ich ziehe dem nächsten ÖVP-Redner 1 Minute ab.

Zu Wort gelangt Herr Vizekanzler Gorbach. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.33

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Regierungskollegen! Hohes Haus! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann dort fortsetzen, wo der Herr Bundeskanzler in seiner Replik das Schlusswort gefunden hat, nämlich was diese Regierung ganz besonders tut: Es ist nicht nur eine Reformregierung, sondern es ist auch eine Dialogregierung. Wir suchen den Dialog immer und überall, wo es geht, denn nicht zufällig habe auch ich persönlich in der ÖBB-Reformdiskussion 14 Mal mit dem Chef der Eisenbahnergewerkschaft diskutiert, und zwar nicht bloß pro forma eine halbe Stunde lang. Nein, wir haben das ehrlich gemeint, haben auch sehr viele Vorschläge von ihm übernommen, und diese sind eingeflossen in den Gesetzentwurf und in das Gesetz, wie wir es am vergangenen Dienstag, also gestern, im Ministerrat beschlossen haben.


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Nur, meine Damen und Herren, es bringt nichts – ich bin da auch ganz beim Bundes­kanzler –, sich in so einer wichtigen Frage parteipolitisch ausschließlich das Hölzchen zuzuwerfen oder andererseits den Schwarzen Peter zuzuschieben. Ich glaube, es muss ein Interesse von uns allen sein, diesen wichtigen Verkehrsträger – diese wich­tige Verkehrseinrichtung, wie heute schon festgestellt worden ist – wieder zu einem modernen, zu einem dynamischen und wettbewerbsfähigen Unternehmen zu machen, auf das wir alle stolz sein können, das ein Stück österreichischer Identität ist und in dem die Mitarbeiter motiviert sind, weil sie in einem modernen, flotten, zukunftsorien­tierten Unternehmen beschäftigt sind. Das muss es doch sein! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Herr Präsident Verzetnitsch, Sie haben uns vorgeworfen, wir wären unbeweglich. Diesen Vorwurf kann ich nicht gelten lassen. Aber es geht eben auch nicht, dass mein Partner, mein Visavis sagt: Okay, wir können reden über ein Nicht-Streiken, wenn zum Beispiel alles, was Dienstrecht ist, nicht in ein Gesetz gegossen wird, sondern wir das verhandeln. – Ja das hätte man bisher auch tun können!

Oder wenn er sagt: Die Struktur der ÖBB darf nicht so sein, wie ihr sie vorhabt, sondern wir teilen nur in Absatz und in Infrastruktur. – Aber das wollen wir nicht. Das sind ja die Eckpunkte, die Kernpunkte dieser Reform, und wenn man will, dass diese zurückgenommen werden, dann wird es schwierig sein, sich so weit zu bewegen, dass man beieinander ist.

Ich habe mich übrigens auch über Folgendes gewundert. Vorgestern, am Montag, haben wir fünf Stunden verhandelt, von 10 Uhr bis 15 Uhr. Am Nachmittag habe ich mich dann darüber gewundert, dass schon eineinhalb Stunden später dieses Inserat in einer Zeitung zu lesen war. Man muss also schon gewusst haben, dass diese Ver­handlungen nicht mit einem friedlichen Kompromiss enden: dass man nicht zusam­menkommt, sondern dass man streiken will, meine Damen und Herren! Das hat mich schon ein bisschen gewundert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Geschätzte Abgeordnete! Es ist heute davon gesprochen worden, dass die Gewich­tung zwischen dem Mitteleinsatz für die Straße und dem für die Schiene nicht stimme. Um das ein für alle Mal klarzumachen: Es gibt einen Generalverkehrsplan Österreich, an den ich mich selbstverständlich halte. In diesem Generalverkehrsplan Österreich sind insgesamt Investitionsvorhaben in der Größenordnung von 45 Milliarden € vorge­sehen, davon 30 Milliarden für die Schiene, 15 Milliarden für die Straße, 0,5 Milliarden für Schifffahrt. Die Gewichtung ist also: zwei Drittel Schiene, ein Drittel Straße, und das ist, wie ich meine, sehr gut und in Ordnung. (Abg. Dr. Lichtenberger: ... nicht finanzie­ren!) Darin beinhaltet ist auch – (in Richtung SPÖ) und ich muss jetzt in Ihre Richtung schauen – ein gewisser Nachholbedarf, der sich eben in den letzten Jahrzehnten ange­sammelt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gehört auch zu einem Wachstumsprogramm, dass man international unterwegs ist und schaut, dass in der internationalen Vernetzung zum Beispiel die TEN, die Transeuropäischen Netze, nicht an Österreich vorbeigehen, sondern dass das akkordiert ist. Es ist erfreulich – das war auch ein Grund, warum ich gestern gerne nach Brüssel gefahren bin –, dass in der so genannten „Quick-Start List“ jener Vorhaben, die sofort begonnen werden, Europäisches Wachstum- und Wirt­schaftsinitiativen-Programm, nicht weniger als insgesamt sechs Vorhaben Österreichs aufscheinen, und dabei sehr wichtige. Die Nummer eins ist dort der Brenner-Basis­tunnel, weiters sind drinnen die A 5 Wien–Brünn, das München–Freilassing-Schienen­netz, das Wien–Bratislava-Schienennetz, die Wasserstraße Wien–Bratislava, das Schienennetz Budapest–Sopron–Wien. Die sind drinnen, die werden mit 30 Prozent bei der EU kofinanziert.


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Glauben Sie, das kommt von selbst? – Nein, da muss man oft dort sein, muss diese Projekte wichtig machen, muss selbst vorbereitet sein, muss sie baureif gemacht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Parnigoni: ... alles heraus­gestrichen!)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlusssatz!

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach (fortsetzend): Am Schluss, meine Damen und Herren, weil Sie Sorgen um die Österreichischen Bundesbahnen haben: Herr Dr. Gusenbauer hat gesagt, die ÖBB ist in der Existenz gefährdet. Ich gebe Ihnen schon wieder Recht, sie ist noch gefähr­det. Aber die Reform kommt, deshalb ist sie sicher für die Zukunft! Wir machen das ganz im Sinne von Goethe, der einmal gesagt hat: „Um Bewahrenswertes zu erhalten, müssen wir es verändern.“ (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das tun wir! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.38

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich schlage vor, dass die restlichen Redezeiten je 5 Mi­nuten betragen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall, daher werden wir das so machen. Kollege Neugebauer wird einen kleinen Beitrag leisten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Matznetter. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.39

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Man muss dem Herrn Vizekanzler wieder zustimmen: Damit es besser wird, bräuchten wir eine Veränderung. Nur bräuchten wir eine Ver­änderung auf der Regierungsbank, das wäre das Entscheidende! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Das wird nicht leicht sein!)

Ich komme jetzt zum Herrn Kollegen Scheibner. Er hatte vorhin Probleme mit dem Hören; er hat sie auch mit dem Lesen und mit dem Rechnen. (Der Redner hält ein Schriftstück mit einer Graphik in die Höhe.) Ich nehme ein ÖVP-Papier, damit Sie nicht über Oppositionspapiere beleidigt sind: „Zwischen 1995 und 1999 wurde die F&E-Quote um 0,29 Prozent von 1,57 auf 1,86 gesteigert.“ (Abg. Scheibner – eine Graphik in die Höhe haltend –: Das interessiert ja nicht!) – Ja, die ÖVP lügt vielleicht in diesem Fall; das sagen Sie, nicht ich ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Matznetter, bitte nicht!

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (fortsetzend): Ich habe das nicht gesagt! Kollege Scheibner sagt das. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Und von 1999 bis zum Jahr 2002 0,09 Prozent, Herr Kollege. Das sind die Daten, wie sie wirklich sind, außer die ÖVP gibt falsche Unterlagen heraus. (Abg. Scheibner: Meine Daten sind vom ÖSTAT – und nicht von der ÖVP!)

Kommen wir aber zum Hauptproblem, meine Damen und Herren! Wir befinden uns in einer Situation, in der das Land eine schwierige konjunkturelle Entwicklung durch­macht. Es gibt heftige Kritik der OECD an unserer Wirtschaftspolitik. In diesem Fall – wo ist Herbert Haupt heute? (Ruf bei den Freiheitlichen: Hinter dir auf der Regierungs­bank!) – muss man dem Herrn Ex-Vizekanzler zustimmen: Die Wirtschaftspolitik von Bartenstein und Grasser ist gescheitert. Sie haben Recht gehabt! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Jawohl!)

Wenden wir uns aber nunmehr dem zu, was Sie verschämt nicht einmal mehr selber als Konjunkturpaket zu bezeichnen wagen. Punkt eins ... (Abg. Dr. Stummvoll: Ist


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Wachstum etwas Schlechtes?) Nein, Herr Kollege Stummvoll. Ich komme schon noch darauf zurück!

Es gab ein Packerl, auf dem stand „Konjunkturpaket“. Enthalten sind einige Punkte, und das hat Kollege Van der Bellen schon gesagt und auch Kollege Gusenbauer, die durchaus Zustimmung verdienen. Ein Punkt ist die Frage der Strukturentwicklung bei der Forschung. Was aber vermisst wird, ist mehr Geld. Professor Kramer sagt dazu im heutigen „Standard“ einen wichtigen Satz: „Wir haben noch immer nichts, aber das ist jetzt zumindest fix!“ – So viel zum Kommentar der Wirtschaftsforscher zur Anhebung des Forschungsbudgets. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Zitieren Sie vollstän­dig!)

Es ist schade, meine Damen und Herren! Wieder wird mit großem Zinnober etwas an­gekündigt, was bei genauer Betrachtung im Detail keine Erhöhung der Mittel bringt. Der Jubiläumsfonds der Nationalbank war bisher mit 70 Millionen € dotiert. Jetzt wer­den dort 9 Millionen belassen, 61 der bisher 70 Millionen € genommen und auf 75 Mil­lionen aufgestockt. Natürlich freuen wir uns über die 14 Millionen €, meine Damen und Herren, aber das ist zu wenig! Sie könnten unsere volle Unterstützung haben, wenn Sie hier deutlichere und mutigere Schritte setzen würden. (Beifall bei der SPÖ und Abgeordneten der Grünen.)

Das, Herr Kollege Molterer, war das, was um 8 Uhr im verschlossenen Kuvert den Ab­geordneten, nicht aber den Klubs übermittelt wurde. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Und Sie wussten warum: Zwei Drittel davon sind ganz normale Gesetzes­maßnahmen – Budgetüberschreitungsgesetz – und haben gar nichts mit unserem Konjunkturkapitel zu tun. Mit dem Wenigen, das darin umgesetzt ist, beschäftige ich mich später noch. (Abg. Mag. Molterer: Sie haben es also doch gehabt!)

Damit komme ich zum Aktionsplan der ÖVP, 13 Seiten Text. Das kam anlässlich der ÖVP-Tagung in St. Wolfgang. – Übrigens ist es lustig, dass man gerade diesen Ort dafür gewählt hat. – In diesem Plan gibt es ein paar Punkte, die wir ausdrücklich begrü­ßen, zum Beispiel unsere Forderung nach Verlängerung der Investitionsförderung – gescheit, aber zu wenig. Hätten Sie unserem Antrag zugestimmt, hätten wir einen erweiterten IFB und daher mehr Mittel für die Wirtschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir finden seitenweise Beweihräucherung der Vergangenheit: Investitionen 1999 bis 2006 – der Großteil davon ist Vergangenheit. Aber mitten darunter befindet sich – und wir sollten einmal das Augenmerk darauf legen, was die Schwerpunkte der ÖVP sind –eine eigene Bestimmung, damit es Personen – wie heißt es hier so schön? – „Top-Führungskräften“ – ermöglicht wird, ins Land zu kommen und dabei ihr angestammtes Support- und Hauspersonal mitzunehmen. Die, die meinen, dass ihre Kammerzofe besser ist als – aus ihrer Sicht! – die „Eingeborenen“ aus Österreich, solche Top-Schlüsselkräfte werden wir, so meine ich, nicht brauchen.

Das sind also die Schwerpunkte, die die ÖVP setzt. Sie sollten hier einmal erklären, für welche Einzelpersonen Sie hier eigene Gesetze machen. Das würde gut tun, um die Wahrheit dieser Politik darzustellen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Ikrath: Und was sind Ihre Vorschläge?)

Lassen Sie mich zum Abschluss zu Ihrem „Entlastungspaket“ etwas sagen. – Wo ist die Kollegin Bleckmann? – Da oben sitzt sie! – Es gibt einen Rechenfehler, den Herr Professor Van der Bellen schon bei der Vorstellung angeführt hat: Es ergibt sich näm­lich eine Belastung von 221 Millionen € und keine Entlastung, Frau Kollegin. Sie haben ein Belastungspaket beschlossen! Sie konnten nicht einmal richtig rechnen. Und ge­scheit war, dass wir das abgelehnt haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

 


12.44


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37. Sitzung / Seite 80

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neugebauer. – Bitte.

 


12.45

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Abseits der Schwarzweißmalerei – man müsste geradezu meinen, Österreich stünde unmittelbar vor dem Abgrund, wenn man einige Wortspenden der Kolleginnen und Kollegen der Opposition ernst nähme – möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf 2000 richten, nämlich auf den Europäischen Rat von Lissabon und seine Zielsetzung, Europa bis 2010 zum wettbewerbfähigsten, auf Wissen basierenden Wirtschaftsraum der Erde zu machen.

Die aktualisierten Syntheseberichte enthalten unter anderem Strukturindikatoren, die das Ranking der Mitgliedstaaten in Sachen Wettbewerbsfähigkeit darstellen. Und da ist Österreich – von wegen am Rande des Abgrunds – im Durchschnitt aller Einzelplatzie­rungen an siebenter Stelle.

Besonders interessant und aufschlussreich ist aber ein Blick auf Stärken und Schwächen: Wir belegen beim Zusammenhalt im europäischen Ranking den dritten Platz, bei der Qualität der Umwelt den ersten Platz und was Lebensqualität betrifft nicht nur europaweit, sondern weltweit den ersten Platz. Ich denke, dass wir darauf stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist die besonders erfreuliche Seite. Natürlich aber gibt es auch Schwächen, Schwächen im Ranking etwa bei Innovation und Forschung und in der gesamtwirt­schaftlichen Entwicklung. Hier liegen wir auf dem elften Platz. Daher: Wann, wenn nicht jetzt, ist eine Stärkung der direkten Forschungsförderung besonders wichtig, und dieses Wachstumspaket leistet genau dazu einen ganz wesentlichen Beitrag. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ist Herr Mag. Kogler nicht hier, dem ich immer sehr gerne lausche und dessen Argumente, die er stets gut würzt, ich goutiere. Aller­dings: Das, was hier verpackt ist und was verantwortungsbewusst an Steuergeldern eingesetzt wird, mit einer alten Schachtel, mit muffigen Pantoffeln zu vergleichen, halte ich dem Anlass und der Bedeutung dieses Pakets nicht für angemessen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kolleginnen und Kollegen! Neben Forschung ist die Kapitalstärkung der Klein- und Mittelbetriebe ein wichtiger Punkt. Das ist gerade im Hinblick auf den 1. Mai 2004 hin­sichtlich der Wettbewerbsfähigkeit nach der Ostöffnung wichtig. Die Infrastrukturoffen­sive wurde bereits vom Herrn Vizekanzler angesprochen.

Mir ist der Input in Arbeit und Beschäftigung wichtig, Schwerpunkt Jugend und Ausbil­dung. Und es gehört natürlich (in Richtung des Abg. Verzetnitsch), lieber Präsident, auch dazu, dass man schwarz-weiß-malt. Natürlich ist jeder Arbeitslose einer zu viel. Es darf auf der anderen Seite aber auch gesagt werden, dass wir durch das Zusam­menwirken auch der Sozialpartner derzeit einen Beschäftigungsstand in Rekordhöhe erreicht haben. Das ist die positive Seite der Beschäftigungsmedaille. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mit diesem Paket werden nunmehr knapp 200 Millionen € für die Zielgruppe Jugend­liche einsetzt. Wie bereits ausgeführt wurde, wurden die 1 000 € im Zuge der steuer­lichen Veranlagung bereits von 65 000 Förderfällen in Anspruch genommen. Wenn die abgeschlossenen Lehrverträge sich mit Ablauf des vergangenen Monats gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahrs um 1,8 Prozent vermehrt haben, dann spricht diese Maßnahme deutlich für sich. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)


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37. Sitzung / Seite 81

Ein wichtiger Punkt, den wir auch seitens der Gewerkschaftsbewegung immer formu­liert haben, ist die Modularisierung des dualen Systems. Das duale Ausbildungssystem in der Wirtschaft ist ein österreichisches Vorzeigeprojekt, das wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, nun mit einer Basiszusammenfassung von 206 Lehrberufen auf insge­samt 100 Basismodelle künftig jedenfalls besser bewerkstelligen können als bisher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gratuliere dazu, Egon Blum mit an Bord geholt zu haben. Er steht nicht nur für eine hervorragende Lehrlingsausbildung, er hat auch ein Herz für die Arbeitnehmer und er ist in der Gewerkschaftsbewegung kein Unbekannter. Ich darf dazu gratulieren, einen solchen Mann der Wirtschaft auch für die Lehrlingsoffensive herangezogen zu haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Es ist besser, nicht auf den Beleg einer Krise zu warten, sondern ihr durch eine selbstbewusste Wachstumsstrategie den Boden zu ent­ziehen.“ – Zitat Professor Aiginger vom Wifo. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sburny. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.50

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren der Regierung! Hohes Haus! Investitionen in Forschung und Entwicklung sind nachweislich wichtig für das Wirtschaftswachstum eines Landes, und in diesem Sinn begrüßen wir grundsätzlich den Versuch, hier stärker Mittel fließen zu lassen. Das heißt, wir finden es im Prinzip richtig, hier zu investieren. Genau des­wegen, weil wir das eben wichtig finden, haben wir uns aber auch genauer ange­schaut, was tatsächlich unter den großartigen Worthülsen verborgen ist. Einen Teil da­von hat Kollege Matznetter bereits angesprochen. Zusätzliche Mittel gibt es nur ganz wenig.

Ich möchte ganz speziell auf die Nationalstiftung eingehen, weil die aus Ihrer Sicht und so, wie Sie das immer wieder präsentieren, der zentrale Punkt ist in Ihrem Paket, was Forschung und Entwicklung angeht. Da gibt es doch einigen Aufklärungsbedarf. Selbst der Gouverneur der Nationalbank, die dafür wesentliche Mittel zur Verfügung stellt, sagt: Es gibt hier keine zusätzlichen Mittel.

Das ist auch leicht verständlich, wenn man sich anschaut, wie das bis jetzt war. Bis jetzt sind Erträge aus der Nationalbank ins Budget geflossen, und diese Erträge fließen jetzt nicht mehr ins Budget, sondern in die Nationalstiftung. (Abg. Dr. Fekter: Eben!) Das heißt, das Einzige, was passiert, ist, dass ein Teil der Mittel nicht ins Budget, son­dern in die Stiftung fließt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, denn wenn man sich an­schaut, was der Finanzminister mit den Mitteln im Budget macht, kann man ja nur froh sein, wenn sie wenigstens einmal für die Forschung zweckgewidmet sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

So weit, so gut! Es sind aber keine zusätzlichen Mittel. Sie sind einmal für die For­schung zweckgewidmet. Dasselbe betrifft die Mittel aus dem ERP-Fonds, die im Übri­gen nicht, wie immer wieder behauptet wird, gesichert sind. Sie sind nach wie vor nicht gesichert, und es gibt hier noch keine Vereinbarung mit den USA; das möchte ich hier auch feststellen. Aber wir wünschen es uns, wir wünschen es uns natürlich auch.

Schauen wir uns doch einmal die Konstruktion dieser Nationalstiftung an! – Sie soll letztlich etwa 125 Millionen € zur Verfügung haben. Bis jetzt ist das Geld, das aus der OeNB gekommen ist, aus deren Erträgen, direkt an den FFF und den FWF gegangen,


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also an die zwei großen Forschungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft und der Universitäten. Jetzt sind sie im Nationalfonds. Wer entscheidet jetzt dort darüber? Insofern bin ich ja dankbar, dass uns Kollege Molterer darauf aufmerksam gemacht hat, dass das Stiftungsgesetz seit heute in der Früh vorliegt, denn jetzt haben wir es ja schwarz auf weiß.

Es gibt zwei Organe dieser Stiftung, und zwar den Stiftungsrat und den Vorstand, und es lohnt sich, beide anzuschauen.

Der Stiftungsrat besteht aus fünf stimmberechtigten Personen, die aus dem Finanz­ministerium, dem Wirtschaftsministerium, dem Bildungsministerium und dem BMWA kommen – Infrastruktur, Entschuldigung, jetzt habe ich das BMWA doppelt genannt. Vier Minister beziehungsweise drei Minister und eine Ministerin sitzen da drinnen und jemand aus der OeNB, die eben die Mittel zur Verfügung stellt. Das sind die Mitglieder des Stiftungsrats plus zwei beratende aus dem Rat für Forschung und Technologieent­wicklung.

Punkt zwei: Der Vorstand, zwei Vorstandsmitglieder, die vom Bundesministerium für Finanzen und Wirtschaft und Arbeit genannt werden und die – und das ist jetzt interes­sant, tatsächlich im Gesetz zu sehen – auch aus einer Einrichtung kommen können, die durch die Mittel begünstigt ist, und das ist zum Beispiel, so wie es auch in einem Papier vom Forschungsdialog vorliegt, auch die AWS, die  Austria Wirtschaftsservice, in der sämtliche Bundesförderungen zusammengefasst sind und die Minister Barten­stein untersteht. Das bedeutet eine Personalunion zwischen Geschäftsführern des AWS, so wie es genannt worden ist, und dem Vorstand der Nationalstiftung. Dazu kommt noch ein Stiftungsrat, der fast ausschließlich aus Ministerien besetzt ist, die eins zu eins das Kompetenzwirrwarr abbilden, das es bis jetzt schon in der Forschungs­förderungslandschaft gegeben hat. Ich wünsche Ihnen wirklich viel Vergnügen bei der Vergabe der Mittel aus diesem Nationalfonds! (Beifall bei den Grünen.)

Man kann sich ja vorstellen, wie so etwas passiert: Ursprünglich gab es den Wunsch, das aus dem Budget wegzubekommen, Mittel für die Forschung außerbudgetär fixiert zu haben. Das wird jedoch völlig aufgehoben, und zwar negativ dadurch, dass vier Ministerien plus zwei Geschäftsführer, die wahrscheinlich aus der AWS kommen wer­den, bestimmen werden, wo es hingeht. Das heißt, ob tatsächlich die Grundlagenfor­schung genug Geld bekommen wird und wie das ansonsten ausschaut, das wird man erst sehen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Mein Schlusssatz: Wer beim Forschungsdialog war und gesehen hat, dass unter 50 Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung keine einzige Frau war, der weiß, warum wir damit ein Problem haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Sie waren doch dabei! – Ruf bei den Frei­heitlichen: Und Kollegin Bleckmann auch! – Abg. Sburny – das Rednerpult verlas­send –: Ich meinte, keine Nicht-Politikerin!)

12.55

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

 


12.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kanzler! Herr Vizekanzler! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich habe die Hoffnung, dass heute Vormittag möglichst viele Zuschauer und Zuschauerinnen der Fernsehübertragung zusehen, denn dann werden sie den Unterschied merken: Sie werden die Polemik der Opposition verfolgen, sie werden die konstruktive Arbeit der


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Koalition verfolgen. Und eines ist sicher: Der Vergleich wird sie sicher machen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Es bewegt sich etwas in diesem Land, es verändert sich etwas in diesem Land, es verbessert sich etwas in diesem Land. Sehr viele Dinge des heute präsentierten Pakets wurden bereits genannt. Viele Eckpunkte wurden bereits erwähnt, und man möchte wirklich nichts wiederholen, was heute schon einmal gesagt worden ist. Es tut aber vielleicht gut, einiges zu wiederholen, einerseits eben für die Zuschauer, die in der Mittagspause Zeit haben, das zu verfolgen, anderer­seits für die Kolleginnen und Kollegen der Opposition, die noch nicht die Zeit gefunden haben, es zu lesen, sehr wohl aber permanent die Zeit finden, Dinge zu kritisieren, so etwa die Steigerung der Investitionen, die Stärkung des Arbeitsmarkts, die Verbesse­rung der Wettbewerbsfähigkeit für dieses Land.

In Kombination mit dem Inkrafttreten der Steuerreform mit 1. Jänner 2004 – und sie ist beschlossen und sie wird kommen – wird es eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen geben. 14 500 € steuerfrei! Es wird eine Halbierung des Steuersatzes für nicht entnommene Gewinne geben, es wird einen Wegfall der 13. Umsatzsteuer geben. Das sind Dinge, die etwas bewegen.

Das ist auch in Kombination mit weiteren Fakten aus diesem Paket zu sehen. Ich möchte nicht auf die großen Punkte eingehen; es sind aber auch zwei kleine Dinge beschlossen worden, die gerade für die Vertreter der Agrarpolitik wichtig sind: Wir haben ein Maßnahmenpaket von über 50 Millionen € für eine Biomasse-Offensive beschlossen. Die Stärkung erneuerbarer Energie bedeutet auch eine Stärkung des ländlichen Raumes. Das sind Anreize, für die wir auch von der Opposition, also sozu­sagen vom linken Reichsflügel einmal Zustimmung erwarten würden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.)

Gemeinsam mit Kollegen Grillitsch haben wir uns dafür eingesetzt, für die Agrar­gemeinschaft etwas zu machen, Besteuerungen zu verbessern. Es ist uns einiges gelungen. Das alles, kombiniert mit Milliarden Euro für Schiene, Straße, Verkehr und für die KMUs, meine geschätzten Damen und Herren, zeigt: Wir arbeiten für dieses Land, während Sie raunzen, jammern und streiken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wattaul: Jawohl! – Abg. Dr. Glawischnig: An den Wahlergebnissen in Oberösterreich kann man es sehen!)

Frau Kollegin Glawischnig, ich komme ohnehin auf Ihre Ausführungen zu sprechen, das passt ganz genau, dass Sie so aufmerksam zuhören. Wenn Sie heute hier heraußen stehen und mit der Vetokeuledrohung ein Problem haben, dann outen sich damit die Grünen endlich einmal als jene, die sich vom Einstimmigkeitsprinzip der EU in wichtigen Dingen verabschieden wollen. Was ist denn die Vetodrohung? Es ist nichts anderes, als mit der Einstimmigkeit zu arbeiten!

Es wird auch noch andere Punkte geben. Wir werden über das Wasser sprechen, über den Ausverkauf der Heimat, und dann werden wir schauen, wo die Grünen zu Hause sind. Wir Freiheitlichen und auch unsere Kollegen von der Koalition werden das nicht zulassen. Wir stehen dazu, dass es in der Europäischen Union eine Einstimmigkeit in wichtigen Fragen geben muss und dass diese auch erhalten bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Brosz: Was hat das mit der Vetokeule zu tun?)

Da heute auch schon sehr viel über den Transit gesprochen wurde: Kollege Puswald – er ist wahrscheinlich gerade beim Mittagessen, er hat Hunger bekommen – hat heute einen interessanten Zwischenruf geahndet hier heraußen. Während irgendeiner von unseren Kollegen über die Eisenbahn gesprochen hat, ist ein Zwischenruf zu ihm gekommen: Ja, bist du denn heute oder irgendwann einmal schon mit der Bahn gefah-


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ren? – Wissen Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Roten, was er geantwortet hat? – Ich bin ja nicht deppert!

Danke für diese Solidarität, kann ich nur sagen. Bravo! Das ist gelebter Sozialismus – das muss ich wirklich sagen –, wenn ein Abgeordneter sagt: Ich bin ja nicht deppert! Ich muss ehrlich sagen, darauf haben wir die Antwort, denn wir haben kein Problem. Wir von der Koalition werden das übernehmen! Und als kleine Antwort auf Ihre Tafel von heute Vormittag „Rettet die Bahn“ haben wir eine Antwort: „Wir retten die Bahn!“ –Das ist keine Frage! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult.)

Herr Vizekanzler Gorbach wird die Bahn retten! Davon können Sie überzeugt sein, denn wir, meine geschätzten Damen und Herren, werden die ÖBB nicht entgleisen lassen! Wir werden die Weichen neu stellen! (Abg. Dr. Glawischnig hält eine Tafel in die Höhe.) Wir werden dafür sorgen, dass diese verrosteten Weichen, die Jahrzehnte lang rote Raunzer nicht gestellt haben, endlich neu gestellt werden – aber nicht, um Privilegien fortzuschreiben, nicht, um den Proporz zu prolongieren, und schon gar nicht, um es den Österreicherinnen und Österreichern zu erschweren, zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen, in die Schule zu kommen und damit den Wirtschaftsstandort Österreich zu gefährden.

Frau Kollegin Glawischnig, jetzt muss ich noch einmal auf Sie zu sprechen kommen, weil Sie so eine tolle Tafel haben. Dass Finanzminister Grasser, nicht zu meinen Intim­freunden zählt, ist ja bekannt, aber eines muss ich schon sagen: Ich habe mir die Ar­beit angetan – Ihr Klubobmann hat irgendetwas in die Richtung gesagt, dass Grasser zu schnell durch das Land fährt –: Gehen Sie einmal auf geolook.at und geben Sie in den Routenplaner Wien – Bad St. Leonhard ein. Laut Routenplaner sind das 2 Stunden 23 Minuten. Wenn man irgendwo hinkommen will, um zu arbeiten, schafft man es. Wenn man nur raunzt, jammert und streikt, wird die Republik kein gutes Ende neh­men! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mandak: Mit welchem Tempo?)

13.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Moser. – Bitte.

 


13.00

Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Also man soll Österreich sicherlich nicht schlechter machen, als es ist, und auch nicht krankjammern, aber wichtig ist es auch, dass man sich die Realität an­schaut, und eine Bewertung von außen ist für diese Sicht der Realität, glaube ich, sehr sinnvoll. Im letzten OECD-Bericht beginnt die Einschätzung im Empfehlungskapitel mit folgendem Satz:

Austria has been a well performing economy, but less so in recent years.“

Das heißt, Österreich hat eine gute Volkswirtschaft betrieben, aber nicht so gut in den letzten Jahren. Ich glaube, das ist ein Punkt, den man wirklich sehr ernst nehmen muss, denn ansonsten kann man überhaupt nicht einschätzen, wovon wir hier eigent­lich sprechen.

Eigentlich war es diese schwarz-blaue Regierung, die Österreich in die Situation ge­führt hat, in der wir uns momentan befinden, sodass auch die internationale Bewertung das so ausdrückt: Die Wachstumsraten in Österreich reichen nicht mehr aus, um die Beschäftigung zu sichern, ganz im Gegenteil, die Arbeitslosigkeit nimmt ständig zu, dramatisch zu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diesen Sachverhalt noch einmal darstellen. Wir haben 240 000 Arbeitslose in Österreich – das entspricht der Einwoh-


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nerzahl von Graz –, und diese Zahl wird zunehmen. Ich habe mir auch ausgerechnet, was das kostet. Diese Arbeitslosigkeit kostet die Österreicherinnen und Österreicher 5 Milliarden €. Das ist eine dramatische Situation, die wir eigentlich nicht auf sich beruhen lassen können.

In diesem Zusammenhang bin ich dem Herrn Molterer sehr dankbar, denn er hat heute etwas aus meiner Sicht Sensationelles gesagt. Ich höre von dieser Bundesregierung zum ersten Mal seit vier Jahren, dass sie die Vollbeschäftigung als ihr wichtigstes wirtschaftspolitisches Ziel ansieht. (Abg. Dr. Brinek: Sie hören zu wenig zu! – Abg. Mag. Molterer: Da haben Sie nicht richtig zugehört! Da haben Sie heute das erste Mal zugehört!) Ich hoffe, die anderen wissen das auch, denn Sie haben in einem zweiten Satz wiederholt, dass ganz andere Ziele im Vordergrund stehen.

Wir sind selbstverständlich immer für dieses Ziel eingetreten, nur trennt uns der Weg. (Abg. Mag. Molterer: Jawohl!) Uns trennt der Weg. Was machen Sie dagegen? – Sie haben heute ein Paket vorgelegt, das ursprünglich unter dem Namen Konjunkturpa­ket III firmiert hat. Da gab es ein Gespräch mit dem aus der ÖVP ausgetretenen Herrn Aiginger, und der hat gesagt, dass das gar kein Konjunkturpaket ist. Es hat zwar mittel­fristig die eine oder andere Wachstumswirkung, aber konjunkturell ist da überhaupt nichts zu beobachten. Sie aber legen uns das gestern und heute als Wachstums- und Standortsicherungspaket vor. Von Konjunkturpolitik ist absolut nichts zu sehen, und das kann auch bewiesen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe es schon wiederholt hier gesagt: Nicht nur, dass die österreichische Wirt­schaftsservice Förderungsgesellschaft nicht mehr funktioniert und mit neuen Ge­schäftsführern aufgepäppelt werden muss, werden auch Gelder aus Brüssel nicht in Anspruch genommen. Wir lassen allein im Strukturbereich 100 Millionen € liegen, weil eine Kofinanzierung auf Bundes- oder Länderebene nicht gegeben ist. Wir lassen 100 Millionen € in Brüssel liegen! Das Gleiche gilt für Infrastrukturmaßnahmen. Auch da hat die Inanspruchnahme von diesen Mitteln für entsprechende Projekte nicht statt­gefunden. Das einzige, wo es funktioniert und wo Österreich ein Nettoempfänger ist, ist die Landwirtschaft. Dort kriegen wir mehr heraus, als wir hineingeben. Aber dass sie die anderen Bereiche nicht in Anspruch nimmt, das ist eigentlich schon ein Punkt, wes­wegen man die Regierung massiv kritisieren muss. (Abg. Grillitsch: Nennen Sie die Zahlen!)

Ein nächster Punkt, den ich als sehr wichtig hervorheben möchte, weil Herr Gorbach gesagt hat (Abg. Grillitsch: Nennen Sie die Zahlen!) – dazu komme ich dann schon –, er sei für den Breitbandinfrastrukturausbau. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt, um die Erreichbarkeit der letzten Regionen zu gewährleisten. Er hat eine Summe von 30 Millionen € genannt. Ich habe mich erkundigt und habe das ausgerech­net: Es liegt hier ein Programm von 160 Millionen € vor. Das könnten wir sofort umset­zen. Das wird nicht gemacht, weil man diesen Aspekt nicht entsprechend unterstützen möchte. (Abg. Kopf: Sie hätten 30 Jahre dazu Zeit gehabt!)

Meine berufliche Erfahrung hat Folgendes gezeigt: Immer, wenn jemand in einem Unternehmen kurzfristig nichts zusammenbringt, dann flüchtet er in die Zukunft, dann macht er Langfristprogramme, und genau dieses Langfristprogramm ist eigentlich auch wiederum so ein Punkt, um aus der Gegenwart zu flüchten, denn hier hat man nichts zusammengebracht.

Ich möchte hier zum Schluss einen sehr bekannten Ökonomen, dessen Lehrmeinung nach wie vor in vielen Bereichen für die Gestaltung wesentlich ist, nämlich John Maynard Keynes, zitieren: John Maynard Keynes hat gesagt: In the long run we are all dead. – Also langfristig sind wir alle tot. Daher fordere ich die Regierung auf, jetzt zu agieren, jetzt Maßnahmen zu setzen, damit die Wirkung nächstes Jahr eintritt, sofort


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eintritt und nicht in zehn Jahren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Da gibt es interessantere Zitate von Keynes als dieses!)

13.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


13.05

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren im Parlament! Heute hat sich wieder einmal die einmalige Chance geboten, den Österreicherinnen und Österreichern zu zeigen, wer in diesem Land wirklich die Kompetenz hat, wer dieses Land wirklich mit Verantwortungsbewusstsein regiert und wer den Menschen auch Berechenbarkeit bietet. Das ist diese Bundes­regierung, die nicht mit Konzepten aus der Vergangenheit an Reformen herangeht, sondern die ganz einfach mit neuen Konzepten, mit dem Willen zur Veränderung, mit Unternehmungsgeist und auch mit Risikobereitschaft Reformen durchführt, um unsere Strukturen der Zeit anzupassen und so den Menschen auch Sicherheit für die Zukunft zu geben. Nicht zerschlagen, nicht zerstören, nicht verunsichern ist der Weg dieser Bundesregierung, sondern wichtig ist, den Menschen in diesem Land Sicherheit zu geben, jene Sicherheit zu geben, die erforderlich ist, um auch die Zukunft verantwor­tungsbewusst gestalten zu können.

Eines hat sich sicher verändert, und das hat sich heute wieder gezeigt, und zwar das Bild der SPÖ. Ich bin immer davon ausgegangen, dass die SPÖ eine staatstragende Partei ist. Seit heute sage ich: Sie war es! Spätestens seit heute sage ich: Sie war es. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Sie haben sich verän­dert zu Verunsicherern; Sie haben sich verändert zu Krankjammerern; und ich bitte Sie ... (Abg. Verzetnitsch: An die Bauerndemonstrationen denken Sie nicht mehr!) Wo waren Bauerndemonstrationen in den letzten Jahren, Herr Präsident Verzetnitsch? – Ihre Konservierungspolitik wird keine Zukunft haben. Davon bin ich überzeugt. Sie schaden diesem Land in einem hohen Maße. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Wer die Antwort hat, um Österreich regieren zu können, ist, glaube ich, wiederum spätestens seit heute eindeutig und klar: Diese Bundesregierung (Abg. Dr. Einem: Ach so?), dieses Team von Wolfgang Schüssel kann das. (Abg. Dr. Einem: Wie kommen Sie darauf?)

Daher glaube ich, dass hier heute auch wiederum zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen vorgestellt wurden. Die Steuerreform mit 2004 ist bekannt: 200 000 Öster­reicher mit einem Jahresbruttoeinkommen bis zu 14 500 € werden steuerfrei gestellt. Auch die Nachhaltigkeit – ebenfalls ein Zukunftsthema, wenn auch wahrscheinlich nicht für alle hier in diesem Hohen Haus – ist in der Steuerreform entsprechend festge­schrieben. Da geht es darum, die Arbeit der Menschen entsprechend zu entlasten, Ressourcen und Umwelt jedoch entsprechend zu belasten. Hinzu kommt dieses Wachstumspaket, das heute vielfach genannt worden ist.

Gerade für den ländlichen Raum, für den ländlichen Raum als Wirtschaftsstandort, sind darin zwei ganz entscheidende Punkte enthalten. Das ist zum einen die Forcierung von Biomasse – da geht es darum, mit neuen Technologien heimische Potentiale verstärkt zu nutzen, um Arbeit zu schaffen und gleichzeitig auch einen wesentlichen Beitrag für die Umwelt zu leisten, da geht es um Arbeitsplätze im ländlichen Raum im Bereich der heimischen Wirtschaft, im Bereich der heimischen Industrie –, das ist zum anderen die Breitbandtechnologie. Da bin ich insbesondere unserem Infrastrukturminister Gorbach und dieser Bundesregierung wirklich sehr, sehr dankbar, weil diese Technologie die Möglichkeit bietet, die Welt ins Dorf zu bringen und umgekehrt das Dorf in die Welt zu


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bringen. Hier muss es die Möglichkeit geben, dass alle an dieser Breitbandtechnologie teilhaben können, weil wir damit auch einen Distanzabbau leisten, Informationen schneller austauschen, unsere Leistungen, unsere Ideen, unsere Landschaft und der­gleichen mehr in die Welt stellen und auch mit neuem Marketingstrategien entspre­chend vermarkten können. Daher bin ich überzeugt davon, dass dieses Wachstums­paket wirklich ein gutes ist, weil die darin enthaltenen Maßnahmen auch darauf abzie­len, den ländlichen Raum nachhaltig als Wirtschaftsstandort zu sichern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben heute gesehen, wer verantwortungsvoll, wer kompetent die Zukunft Österreichs gestaltet. Das sind wir, das ist diese Koalition, das ist diese Bundesregierung! Das sind sicher nicht Sie! Hier sieht man klar, wer die Zu­kunftsgestalter – und wer die Zukunftsverweigerer sind.

13.10

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Grünewald. – Bitte.

 


13.10

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir haben hier jetzt schon mehrere Male gehört, dass man nicht schwarz-weiß malen sollte – ich gebe Ihnen Recht, ich werde es daher auch nicht tun –, ich gebe auch zu, dass Österreich nicht vor dem Abgrund steht, aber zwischen Abgrund und Weltklasse sind ja noch einige Kilometer oder, wie Sie sagen würden, Quantensprünge, und darüber gilt es zu reden.

Van der Bellen hat natürlich richtig festgehalten, dass es ein Fortschritt ist, wenn durch Ihre Initiativen eine gewisse Planungssicherheit für die Forschungsfonds existiert. Ich möchte da sozusagen meinen Chef nicht korrigieren, aber wissen Sie, Planungssicher­heit ist in der Forschung etwas Elementares, etwas international Selbstverständliches und nicht etwas, was man jetzt am Silbertablett servieren und dann bejubeln muss. Diese Planungssicherheit ist notwendig, weil sonst eben langfristige Strategien in der Planung nicht zu halten sind.

Da Sie – sicher sehr geschickt und werbewirksam – im Reformdialog Ihre Initiativen vier Wochen vor dem 6. Dezember vorgestellt haben, erinnert mich das schon irgend­wie an das Gehabe eines Nikolos, der erwartet, dass alle Kinder sehr artig sind und dann auch artig klatschen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) In diesem Vorhaben sind aber doch einige – ich würde sagen – harte Nüsse versteckt, die es zunächst einmal zu knacken gilt.

Sie haben Anreize steuerlicher Natur gesetzt, die Forschung in Betrieben, in der Wirt­schaft, in der Industrie auslösen sollen. Das ist gut und richtig, das würde ich auch unterstreichen und mich auch dazu bekennen. Aber Expertinnen und Experten stellen fest, dass die Wirtschaft, was Forschungsförderung betrifft, einen Nachholbedarf von satten 2 Milliarden € aufweist. Ob diese steuerlichen Anreize Investitionen in der Höhe von 2 Milliarden € bis zum Jahre 2006 auslösen können, steht in den Sternen, und ich meine, Regieren kann ja nicht nach Horoskopen stattfinden. Also mir ist das zu wenig, man wird das beobachten müssen.

Sie haben jetzt neben „Weltklasse“, „Meilensteinen“ und „Quantensprüngen“ ein neues Vokabel erfunden, es nennt sich „new money“. – Wenn man sich anschaut, was an dem „money“ „new“ ist, dann wird man draufkommen, dass da einige Blüten, das heißt, falsche Noten, versteckt sind insofern, als vieles von dem, was Sie nun als Zuwachs titulieren, an und für sich Versprechungen und vertragliche Bindungen der letzten Jahre waren. So hat etwa die Nationalbank, die Geld in eine Stiftung fließen lassen


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soll, bis jetzt, in den letzten drei Jahren, ohnehin schon zwischen 60 und 70 Millionen € jährlich in die Fonds investiert. Aber mehr Planungssicherheit ist vorhanden.

Während Sie sich das hohe Ziel gesetzt haben – und das ist wichtig für Österreich, für den Wohlstand, für den Wirtschaftsstandort –, Forschung und Technologie zu fördern, und sich 2,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt für das Forschungs- und Technologie­budget wünschen, sagt Ihr eigener Technologiebericht, Herr Bundeskanzler – der Technologiebericht der Bundesregierung, teilweise federführend verfasst vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung –, dass da eine Finanzierungslücke zum Ist-Stand in der Höhe von 3,2 Milliarden € besteht. Davon habe ich bis jetzt auch noch nichts gehört. (Abg. Mag. Molterer – da ein Bediensteter des Hauses Tafeln aus den Reihen der SPÖ-Abgeordneten entfernt –: Geh bitte, lasst doch die Tafeln da!)

Wenn ich weiters sehe, welche Häuser Sie planen – etwa das Haus der Forschung – und wie Sie sie strukturieren, wie Sie sie besetzen wollen – wie ein vierblättriges Klee­blatt; vier Ministerien sollen da vertreten sein, vier Minister sollen da drinnen sitzen –, dann muss ich sagen: Es bringt so ein vierblättriges Kleeblatt, glaube ich, der For­schung wenig Glück, weil es doch die Gefahr einer politisch gesteuerten Einflussnah­me in sich birgt. Es ist auch irgendwie ein Etikettenschwindel darin versteckt, weil Sie nicht scharf trennen können zwischen angewandter Forschung, Strukturverbesserung und reiner Wirtschaftsförderung.

Hätte ich meiner geliebten Großmutter vor 20, 30 Jahren ihren Schneebesen genom­men und einen Handmixer zu Weihnachten oder zu Ostern oder zum Nikolo ge­schenkt, dann wäre das ein Zeichen der Sympathie, vielleicht ein Zeichen dafür, dass mir ihre Küche schmeckt, gewesen, aber ich hätte es nicht als Technologieschub ver­kaufen können. Aber so etwas findet meiner Meinung nach in der Bundesregierung laufend statt. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ganz zum Schluss: Die politische Einflussnahme auf die Fonds liegt ja fast auf der Hand, wenn man sagt, sie sollen ihre Kuratorien und Delegiertenversammlungen ver­schlanken. Ich bin in so einem Kuratorium gesessen – in dem des FWF –, und ich kann Ihnen sagen, dass die Arbeit da sauber und absolut nach internationalen Maßstäben gemacht wurde. Ich glaube nicht, dass vier Minister und von ihnen bestellte weitere Räte das sauberer und unverdächtiger machen könnten, als es bisher geschehen ist. (Abg. Dr. Brinek: Das ist auch nicht beabsichtigt, Herr Kollege!)

Da Sie die Universitäten in diesem Programm nicht direkt und unmittelbar erwähnen, sage ich Ihnen zum Schluss noch eines: Die Rektorenkonferenz hat eine Arbeits­gruppe gegründet, die die Mehrkosten der Loslösung der Medizin von der Gesamtuni­versität berechnet hat. (Abg. Mag. Molterer: Redezeit!) Allein in Innsbruck als Standort so einer neuen medizinischen Universität sind die unmittelbaren Implementierungs­kosten über 1 Milliarde € und die jährlichen laufenden Kosten 4 Millionen €. Der Vor­sitzende des Gründungskonvents, der Transplantationschirurg Magreiter, hat ausge­rechnet, dass um dieses Geld 85 Stellen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissen­schaftler hätten geschaffen werden können.

Das ist zu überlegen, und Sie sollten wirklich auch überlegen, welche Maßnahmen, die Sie gesetzt haben, der Forschung und Technologie dienlich sind und welche nicht. Ich nehme den Dialog gerne auf, wenn er nicht damit endet, dass wir im Februar oder März nur das hören dürfen, was Sie hinter verschlossenen Türen vereinbart und aus­gemacht haben. Ich würde gerne mitdiskutieren – nicht in schwarz-weiß, auch nicht in blau-schwarz, aber in einer Zeichnung, die die Wirklichkeit widerspiegelt. Doch an Wirklichkeit fehlt mir an Ihrem Programm einiges. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

 


13.17


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


13.17

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns ja heute von den Oppositionsparteien schon einiges anhören dürfen über leere An­kündigungen, leere Versprechungen, über heiße Luft, was das Konjunkturpaket betrifft, was die Regierung betrifft. (Abg. Dr. Einem: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!) Ich möchte da schon noch etwas hinzufügen, Herr Kollege Einem, nämlich einen Ent­schließungsantrag.

Ich habe mir die Mühe gemacht, Ihnen einmal auf die Spur zu kommen, was Sie eigentlich vorhaben, welche wirtschaftsfördernden Maßnahmen Sie sich vorstellen, die die Wirtschaft auf Vordermann bringen sollten.

Sie haben am 22. Oktober einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem Sie Ihr Konjunkturbelebungspaket vorgestellt haben. Es beginnt sehr staatstragend mit dem sozialdemokratischen Programm zur Konjunkturbelebung, führt hin zu Infrastruktur­investitionen, zu mehr Kaufkraft in Österreich – alles natürlich rühmliche Ziele, denen man nicht widersprechen will und nicht widersprechen kann –, bis hin zu der Aus­sage – dieses Bekenntnis ist sehr bemerkenswert, meine Damen und Herren –, dass die SPÖ sich dazu bekennt, über den Konjunkturzyklus hinaus einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen. (Abg. Dr. Brinek: Da schau her!)

Ich komme noch darauf zu sprechen, wie schwerwiegend das ist, denn es ist auf alle Fälle richtig, wie es in dem Antrag heißt, dass es wirksame Maßnahmen geben soll und geben muss, um die Wirtschaft in Österreich anzukurbeln. – So weit sind wir daccord.

Sieht man sich aber im Detail an, was alles Sie machen wollen – ich weiß nicht, wie viele von Ihnen sich diesen Entschließungsantrag angeschaut haben; das ist die Rede von einer Steuersenkung bis zu einer Milliarde €, weiters soll die Wirtschaft eine Milli­arde € erhalten, für Aus- und Weiterbildung, für Universitäten sollen einige hundert Mil­lionen zur Verfügung gestellt werden, für Entwicklungshilfeprojekte einige hundert Mil­lionen, auch für Betriebsansiedelung, Betriebsnachfolge, Venture Capital –, und sich ausrechnet, was das an Kosten ausmacht, dann stellt man fest: Das sind in Summe 4 bis 5 Milliarden €. – Das ist das Programm der SPÖ: 4 bis 5 Milliarden € einfach so mit der Gießkanne für alle Begehrlichkeiten, die es gibt, über unser Land auszuschütten. Das ist Ihr Wirtschaftsförderungsprogramm!

In diesem Entschließungsantrag ist aber in keinem einzigen Satz zu lesen, wie Sie das finanzieren wollen, was Sie gedenken, zu unternehmen, damit Sie Ihr Ziel erreichen, einen über den Konjunkturzyklus hinaus ausgeglichenen Haushalt zu schaffen. (Abg. Kopf: Das kennen wir von früher schon!) Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, Sie machen eine aktive Steuerschuldenpolitik, die unser Land natürlich noch weiter in die Schuldenfalle hineinrutschen lässt. Das kann nicht Ziel einer Bun­desregierung sein!

Ich bin sehr glücklich darüber, dass Sie nicht die Verantwortung zu tragen haben, was den Haushalt und die Haushaltsführung unseres Landes betrifft, denn Sie werden um die Frage nicht herummanövrieren können, wie Sie diese Gießkannenpolitik, diese Zuwendung von Mitteln im Ausmaß von über 4 Milliarden €, die Sie hier in den Raum stellen, finanzieren wollen. Gleichzeitig verweigern Sie sich, bei den Reformen mitzu­machen, ob das jetzt die ÖBB ist, die Postbusse oder die AUA.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ja aberwitzig, dass sich die Gewerk­schaft dafür verwenden lässt, für die Piloten und für die Kapitäne, die 12 000 bis 13 000 € im Monat verdienen, als Gewerkschaft auftreten und sie in ihren Forderungen zu unterstützen. Es ist ja auch noch anzumerken, dass es nicht einmal darum ge­gangen ist, dass sie weniger verdienen, sondern nur darum, dass sie künftig bei den Biennalsprüngen etwas bescheidener sein müssen.

Wie Sie da herumwerken, um eine Steuerpolitik glaubhaft zu vertreten beziehungs­weise ein Wirtschaftswachstum anzukündigen, das sind für uns keine Ansätze, an die wir uns annähern können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, dass diese Bundesregierung mit diesem Konjunkturpaket, diesem Wachs­tumspaket, genau auf dem richtigen Weg ist. Mit diesem Wachstumspaket werden in Summe sehr geeignete Maßnahmen gesetzt, die ab 1. Jänner 2004 in Kraft treten und sowohl eine gute Basis für die wirtschaftliche Weiterentwicklung unseres Landes dar­stellen als auch eine gute konjunkturelle Entwicklung für die nähere Zukunft sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. – Bitte.

 


13.22

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ganz kurz zum Kollegen Bucher: Deine Rede war weniger von konjunk­turpolitischem Manövrieren, als eher von Lavieren gezeichnet!

Auch einen Satz zum Kollegen Scheuch, der vorhin von den Raunzern und Streitern gesprochen hat: Raunzen und streiten ist mit einem Namen verbunden, und zwar mit Jörg Haider. Das tut er permanent in Kärnten, und wenn Kollege Scheuch zufällig in Kärnten an seiner Seite ist, macht er exakt das Gegenteil! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nun zur eigentlichen Regierungserklärung – übrigens der x-ten dieses Bundeskanzlers und der x-ten eines Vizekanzlers, denn die wechseln ununterbrochen. (Abg. Neudeck: Sie waren schon lange nicht in Kärnten, Frau Kollegin! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wo­von tu ich das Gegenteil?)

In aller Kürze: Was verbindet all diese Erklärungen und auch diese „Konjunkturpäck­chen“? – Erstens eine Konsequenz, nämlich die Realitätsverweigerung; zweitens die Gesprächsverweigerung auf Biegen und Brechen – die ÖBB streikt nicht aus Lust und Laune, sondern Sie treiben sie zu diesen Maßnahmen! –; und drittens ein kurzfristiger Aktionismus, den Sie von der Regierungsbank aus dann Wirtschafts- oder Finanzpolitik nennen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ja nur Ihr Ärger, weil Sie nicht Spitzenkandidatin in Kärnten geworden sind!)

Der Herr Bundeskanzler verwendete dreimal den Begriff „Wachstum“. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Verhinderte Spitzenkandidatin!) Was ist denn in Österreich gewach­sen? – Gewachsen ist die Zahl der arbeitslosen Menschen, gewachsen ist die Armut der Menschen, gewachsen ist die Unsicherheit und gewachsen ist die Perspektivlosig­keit nicht nur aber auch insbesondere der jungen Menschen in Österreich. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: In Kärnten ist es anders!) Eine Zunahme von 10 Prozent bei den arbeits- und perspektivlosen Jugendlichen macht Sorgen. Das ist ein dramatisches Wachstum, und Sie haben kein Konzept dagegen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Hauptsächlich in Wien!)


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Letzter Punkt: Kollege Neugebauer hat vorhin auf Lissabon und die Ziele hingewiesen. Gewachsen ist natürlich auch die Nicht-Präsenz einer so genannten Frauenministerin und das langatmige konsequente Schweigen – natürlich auch in diesem Zusammen­hang – auch der Frauensprecherin der ÖVP, die nicht per Zufall Spitzenkandidatin in Kärnten ist.

Das ist die Bilanz dieser Regierung. – Was ist zu ihren Maßnahmen anzumerken? Die­se Regierung hat die letzte Steuer – aber vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein – erhöht. Sie hat die letzte Pension gekürzt, hat das letzte staatliche Vermögen verscherbelt, und jetzt sind Sie dabei, gegen die ÖBB und gegen die Sicherheit in Österreich Krieg zu führen. – Der Herr Innenminister ist gleich gar nicht da.

Bundeskanzler Schüssel hat für vieles die Verantwortung zu tragen, aber für eines ganz besonders: Er ist der Bundeskanzler der Zweiten Republik, der die meisten Kriegserklärungen gegen betroffene Menschen und Gruppen in Österreich ausgespro­chen hat, und das nennt er dann Regierungsprogramm. (Abg. Dr. Brinek: Warum reden Sie von „Krieg“?) Sie zerschlagen jetzt die ÖBB, Sie kürzen jetzt die Exekutive kaputt. (Abg. Kopf: Da verwechseln Sie die Richtung der Kriegserklärung!) – Dazu sollten Sie Stellung beziehen, Sie schauen dem Herrn Strasser ja ziemlich ähnlich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Sie verharmlosen das Wort „Krieg“!)

Was sind die Perspektiven? – Ich kann mich kurz fassen. Ihr Wirtschaftskammerpräsi­dent Leitl hat die von Ihnen geführte Diskussion zu Konjunkturmaßnahmen und Steuer­reform – ich zitiere Leitl! – „erbärmlich“ genannt und mit einem glatten Nichtgenügend bewertet. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Da ist der Ambrozy dafür verantwortlich!)

Ich gebe ihm Recht, denn Ihre Konjunkturpakete zeichnen sich vor allem durch drei Eigenschaften aus – ich formuliere es etwas charmanter als Leitl –: zu spät, zu wenig und zu wenig wirksam. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Charmant ist an Ihnen gar nichts!) Da­zu ein treffendes Beispiel: Der Herr Bundeskanzler hat gestern in seiner Presseerklä­rung auf ein Konjunkturmaßnahmen-„Rekord-Ding“ hingewiesen, und zwar darauf, dass in Wien ein Gefangenenhaus gebaut werden muss. Das nennt der Bundeskanzler ein Beispiel für die Konjunkturbelebung! Wissen Sie, was das ist? – Das ist kein Bei­spiel für Konjunkturbelebung, das ist eine gnadenlose Peinlichkeit! Dass wir Gefäng­nisse bauen müssen, ist hingegen ein Beispiel und ein Beleg für die verfehlte Law-and-Order-Politik dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Letzter Punkt: Kollege Scheucher von der FPÖ, der Sie hier die Bemerkung „Spitzen­kandidatin“ machten, und Herr Bundeskanzler – er ist nicht da, also muss sich das der Herr Staatssekretär Finz anhören –, Sie werden es sich gefallen lassen müssen, dass ich Ihnen Fakten über Kärnten bringe, zumal Sie, Herr Scheuch, vorhin schon ein Plädoyer für die Missregierungspolitik gehalten haben: Kärnten ist leider Spitzenreiter bei der Pro-Kopf-Verschuldung und Schlusslicht bei der Kaufkraft und bei den Pro-Kopf-Einnahmen, und die Arbeitslosenzahl nimmt leider auch dramatisch zu. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: 30 Jahre roter Landeshauptmann ist nicht in ein paar Jahren gutzumachen!) Doch was macht der Bund? – 12,3 Prozent mehr Arbeitslose, und der zuständige Minister kürzt die AMS-Mittel um exakt 12 Prozent. Das ist eine Politik, die wir nicht teilen können! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist doch ein Blödsinn! – Abg. Dolinschek: Wo haben Sie diese Zahlen her?)

Gleiches passiert auch im Sicherheitsbereich. Die Menschen in Kärnten – ich sage das nicht aus Lokalpatriotismus, sondern weil es ein Faktum ist – haben all das mit doppel­ter Härte und Brutalität zu ertragen, weil sie von der schwarz-blauen Bundesregierung getroffen werden und zu Hause in Kärnten genauso. Das unterscheidet uns leider von Wien und den Wienrinnen, die wir zwar nicht beneiden (Abg. Neudeck: Das glaube ich! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das stimmt! Die Wiener sind wirklich nicht zu benei-


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den!), aber ich denke, dieses Nicht-Regieren wird ein Ende haben, und wir werden sie nicht länger beneiden müssen. Diese Bundesregierung wird ein Ende haben und diese dramatische Nicht-Regierung in Kärnten auch! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein letztes Wort zu Ihnen von der FPÖ und auch zum Herrn Bundeskanzler, der das Wort „Wahrheit“ so gerne in den Mund nimmt: Die Wahrheit ist den Menschen zumut­bar. Ihre Regierungsperformance und Ihre Maßnahmen sind für die Menschen aller­dings unzumutbar, und Gleiches gilt auch für das gnadenlose Schweigen – nicht den Charme! – der Spitzenkandidatin der ÖVP aus Kärnten, Elisabeth Scheucher, die sich zu all diesen Fragen konsequent verschweigt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Möchten Sie gerne Spitzenkandidatin sein?)

13.28

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

 


13.28

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Trunk, damit keine Verwechslung passiert: Ich bin nicht der Herr Minister Strasser, aber ich identifiziere mich sehr wohl mit seiner Politik. (Abg. Mag. Trunk: „Ähnlich“ hab ich gesagt! – Abg. Dr. Puswald: Das qualifi­ziert Sie aber nicht ...!)

Meine Damen und Herren! Kollege Moser hat vorhin versucht, den Unterschied zwi­schen Konjunkturpaket und Wachstumspaket herauszuarbeiten. Es ist in der Tat richtig, dass dieses Paket, das wir hier vorgelegt haben, bewusst den Namen „Wachs­tumspaket“ trägt. Professor Kramer, den Sie ja heute schon sehr selektiv und nicht vollständig zitiert haben, hat dazu beispielsweise gesagt, zum Glück stelle das Paket keinen Versuch dar, kurzfristig Konjunkturnachfrage zu schaffen. Rezepte einer rein nachfrageorientierten Politik seien laut Kramer längst passé.

Moser hat Keynes zitiert, der gesagt hat: „In the long run we are all dead.“ – Das stimmt schon. Nach diesem Leitsatz haben Sie sich tatsächlich lange gerichtet. (Abg. Mandak: Gilt das für Marathonläufer auch? – Abg. Mag. Hans Moser: Auch Sie!) – Herr Kollege Moser, Sie haben nämlich in den früheren Jahren auf Kosten der Zukunft eine Politik des kurzfristigen Machterhalts betrieben.

Wir sind mit dem derzeitigen Verschuldungsgrad und der derzeitigen Zinsbelastung also tatsächlich nahe an dem Ausspruch von Keynes, den Sie vorher zitiert haben. Ge­nau deswegen haben wir diesen Kurswechsel auch vorgenommen. (Abg. Mag. Hans Moser: In the short run!)

Mit dem Paket, das jetzt auf dem Tisch liegt, wird also tatsächlich nicht versucht, auf Kosten der Zukunft kurzfristig Ausgaben zu generieren, die, wie Kramer ja richtig sagt, rein nachfrageorientiert wirken würden und eben nicht ihre Wirksamkeit entfalten würden. Er sagt, diese Politik ist längst passé und entfaltet keine Wirkung mehr. Sie führt zwar zu höheren Ausgaben, aber sie kann in gar keiner Weise garantieren, dass damit Nachfrage generiert und die Konjunktur belebt wird. Also konzentrieren wir uns mit unserer Politik auf strukturell wirksame Maßnahmen im Bereich Forschung und Entwicklung. Das ist wohl unbestritten, denn dadurch kann der Wirtschaftsstandort langfristig abgesichert und ihm auch langfristig Wachstum ermöglicht werden.

Dasselbe gilt auch für den Bereich der Investitionen und der Förderung derselben, für den Bereich der Stärkung der Eigenkapitalbasis von Betrieben, für die Unterstützung von Exporten – es waren letzten Endes die Exporte, die uns in den letzten Monaten und ein, zwei Jahren das Wirtschaftswachstum beschert haben –, für das Thema Neu­gründungen und für die Unterstützung im Bereich Infrastruktur. – Das sind alles keine


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Maßnahmen, die kurzfristig Nachfrage schaffen, aber sie stärken die Wirtschaftsstruk­tur eines Landes und sind geeignet, diesem Land langfristig jene Stabilität und jenes Wirtschaftswachstum zu bringen, das es braucht, um seine sozialen Verpflichtungen erfüllen zu können und den Menschen den Wohlstand zu sichern, den sie sich in den letzten Jahren auch erarbeitet haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch eine abschließende Bemerkung zum Thema ÖBB: Der Herr Vizekanzler Gor­bach hat völlig zu Recht und notwendigerweise darauf hingewiesen, wie wichtig dieses Unternehmen für die Wirtschaft und die Menschen dieses Landes ist. Sozialdemokra­tische Verkehrsminister der letzten Jahrzehnte haben es geschafft, dieses Unterneh­men in eine Situation zu führen, in der es in Summe jährlich 4,4 Milliarden € Bundeszu­schuss aus Steuermitteln braucht (Abg. Dr. Lichtenberger: Inklusive der Pensionen! Sagen Sie das doch fairerweise dazu!) und trotzdem in vielen Bereichen nicht wett­bewerbsfähig ist, obwohl es in manchen Bereichen durchaus Fortschritte gegeben hat. So ist beispielsweise der Güterverkehrsbereich besser und wettbewerbsfähiger gewor­den.

Was ist mit diesen Geldern geschehen? Man hat damit in diesem Unternehmen Struk­turen in Form von Pensionssystemen (Abg. Mandak: Wollen Sie keine Pensionen?) und überhöhten Personalständen geschaffen, die vor allem rein ausgabenwirksam, nämlich konsumwirksam sind, aber leider ist dieses Geld nicht in eine wettbewerbs­fähige Infrastruktur der Bahn geflossen. Was wir jetzt tun ist nichts anderes, als das zu verhindern, was die Folge Ihres Nichthandelns beziehungsweise Ihres falschen Han­delns der letzten Jahrzehnte wäre. Setzte man das fort, würde dieses Unternehmen tatsächlich in den Ruin geführt werden. Mit den Reformen, die wir jetzt durchführen, verhindern wir das und sichern der Bahn eine gute Zukunft, nicht zuletzt zum Wohle der Menschen in Österreich, aber auch nicht zuletzt zum Wohle der Menschen, die in der Bundesbahn tätig sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

 


13.34

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Bundesminister Gorbach hat vorhin gemeint: Weckt die Bahn! Er hat das in den Saal gerufen, so quasi um zu sagen, sie schläft. – Ich habe mir das auch gedacht. Solange der Generaldirektor Draxler dort gearbeitet hat, musste man die Bahn nicht wecken. Da hat sie sehr fortschrittlich gearbeitet und da hat der Güterverkehr, wie Abgeordneter Kopf das gerade bestätigt hat, ordentliche Erträge gebracht und der Personenverkehr ebenfalls.

Seit aber die Frau Forstinger ein neues Management eingesetzt hat, muss der neue Minister rufen: Weckt die Bahn! Anscheinend liegt die Verantwortung dafür doch nicht bei den Sozialdemokraten, sondern sehr wohl bei dieser Regierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tragen einzelne Personen allein die Ver­antwortung für die derzeitige Situation in Österreich (Abg. Großruck: Haberzettl!), nämlich die Regierung, der Minister Gorbach, der Herr Bundeskanzler und der Finanz­minister (Abg. Großruck: Haberzettl, Verzetnitsch und so weiter!): All die tragen die Verantwortung dafür, dass wir in Österreich zurzeit eine Situation haben, in der die aus der Wirtschaft kommenden ÖVP-Abgeordneten auf einmal den Wirtschaftsstandort ein­klagen und sagen, wie wichtig die Bahn für Österreich ist und wie wichtig dieses Kon­junkturpaket, das da jetzt geschnürt wurde, sei.


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Wenn man sich das genau anschaut, bemerkt man sehr rasch, dass es derzeit über­haupt keine zusätzlichen Mittel gibt und dass man ein Drittel mehr an Investitionen bräuchte, um die österreichische Wirtschaft halbwegs anzukurbeln. Was geschieht aber in der Tat? – Ich habe eine Finanzierungsunterlage – Quelle: ÖBB – bekommen, nach welcher die veranschlagten Mittel seitens des Finanzministers sehr wohl 1,95 Mil­liarden € pro Jahr betragen.

Sieht man sich aber alle Kosten in Zusammenhang mit den 6 Milliarden Entlastung und Hin- und Her-Geldgeschäften genau an (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Hin- und Her-Geld­geschäft? Was ist denn das für ein Geschäft?), dann kommt man drauf, dass die Bahn nach Abzug all dieser Mittel – zum Beispiel Finanzierungskosten, gemeinwirtschaftliche Leistungen und so weiter – pro Jahr nur 0,4 Milliarden € investieren kann. – Das ist die Realität! Daran kann man nichts gesundbeten, sondern das ist einfach so, wie es hier in einer Statistik des Finanzchefs der Bahn steht, und der muss ja schließlich wissen, wovon er spricht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Deswegen müssen wir es ja verändern!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen heute in Form eines Entschließungsan­trags aber auch Gelegenheit geben, das, was Sie dem Parlament als Regierungsvor­lage überreicht haben, noch einmal zu überdenken. Bei diesem Regierungsentwurf gab es eine Reihe kritischer Einwendungen. Ich spreche da überhaupt nicht von der sozial­demokratischen Opposition, sondern von Einwendungen der Experten und – das ist ja heute schon genannt worden – selbst des Rechnungshofes. Die wurden alle vom Tisch gewischt.

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat zum Beispiel geäußert, dass er bei diesem Gesetzesvorschlag verfassungsrechtliche Bedenken hat. Von Seiten ver­schiedener Bundesländer wurden schwere Bedenken gegenüber dieser Reform ge­äußert, wobei auf Grund der vorgesehenen nahezu Verdoppelung des Schienenver­kehrsentgeltes die Anrufung des Konsultationsmechanismus im Raum steht. Das heißt im Klartext – und das sagt auch der Städtebund sehr kritisch und sehr deutlich –, dass es ganz einfach zu Teuerungen und Qualitätsverschlechterungen für die Bürgerinnen und Bürger kommt, wenn dieses Konzept so umgesetzt wird. (Abg. Großruck: Der Städtebund ist kein unverdächtiger Zeuge!)

Trotz all dieser Kritik hat die Bundesregierung im gestrigen Ministerrat ganz einfach diesen Beschluss gefasst. Es gibt eine Reihe anderer kritischer Bemerkungen, die ich aber in der kurzen Zeit gar nicht auflisten wollte.

Wir bringen daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neuverhandlung der ÖBB-Reform unter Einbindung der Unternehmensführung und der Arbeitnehmervertre­tung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vorlagen zur Änderung des Bundesbahn­gesetzes sowie zur Änderung des Dienstrechtes der Österreichischen Bundesbahnen zurückzuziehen und aufbauend auf einem mit den Unternehmensorganen auszuarbei­tenden langfristigen Unternehmenskonzept eine ÖBB-Reform dem Nationalrat bis 1. Juni 2004 vorzulegen.

*****


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Meine Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag hat sehr wohl auch seinen Grund, denn ich habe in vielen Gesprächen mit allen Vorstandsdirektoren der Bahn gehört, dass sie zu dem Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, sehr wenig wirklich beitragen konnten. Es gibt bis heute keinen einstimmigen Vorstandsbeschluss über ein zukünftiges Konzept. Der Aufsichtsrat der Bahn, also die Organe einer Aktiengesell­schaft sind mit der ganzen Sache überhaupt nicht beschäftigt worden.

Wenn ich also von dem, was ich an Informationen des Vorstandes der Bahn habe, aus­gehe, haben wir es hier mit einem reinen Diktat der Regierung gegenüber einem Unter­nehmen zu tun, das sich im privatwirtschaftlichen Bereich in Konkurrenz zu anderen Unternehmen bewähren muss.

Erlauben Sie mir ganz zum Schluss noch eine Anmerkung, um die Situation, in der sich die Republik Österreich bereits befindet, zu entschärfen. Der ÖBB-Vorstand schreibt in einem Brief an die Belegschaft:

„Sie werden darauf hingewiesen, dass neben sonstigen Konsequenzen der Nichterfül­lung der vertraglichen Arbeitspflicht die durch Streikteilnahme bedingten Dienstpflicht­verletzung mit disziplinären Maßnahmen, die bis zur Entlassung reichen können, geahndet werden können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit von Schadenersatz­forderungen des Unternehmens gegen streikende Mitarbeiter.“

Ich halte das in dieser Situation, in der man für Deeskalierung sorgen sollten, nicht für eine sehr produktive Vorgangsweise. Ich würde alle Verantwortlichen ersuchen, auch auf die Unternehmensleitung in dieser Form einzuwirken. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Missethon: Fragen Sie die Fahrgäste, Herr Kollege!)

13.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


13.41

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Eder, es wundert mich ein bisschen, dass Sie hier ge­rade den Vergangenheitsvergleich anbieten. Die Situation war anders, heute haben wir eine Liberalisierung, früher war die Bundesbahn in diesen Bereichen ein Monopolbe­trieb. Es gibt ein paar Beispiele, wo die Bundesbahn ihre Dienste großen Firmen nicht mehr anbieten kann – „just in time“ ist nicht nur ein Begriff –, weil sie nicht fähig ist, Güter pünktlich anzuliefern. Auch das ist ein Problem, und deshalb muss man gerade in diesen Bereichen, etwa in der Organisation, eine Reform machen. Wir kennen ja alle die Probleme, die es gibt, auch die Sozialdemokraten und auch die Grünen.

Es ist fraglich, ob es opportun ist, den Verfassungsgerichtshof anzurufen und zu sagen, dieses oder jenes macht die Regierung falsch. Ich habe heute kein Wort von Ihnen darüber gehört, dass der Verfassungsgerichtshof ganz deutlich und klar gesagt hat, welche Mängel und Privilegien es bei den Bundesbahnen gibt. Ich rede nicht von dem Eisenbahner, der 1 100 oder 1 200 € verdient – das muss man einmal hier sagen! –, der hat unsere Unterstützung, der hat unsere Loyalität, sondern ich rede über den Wasserkopf, den die Sozialdemokraten bei den Bundesbahnen jahrelang aufge­baut haben, der gehört reformiert!

Die Bahn gehört auf Grund ihrer Unbeweglichkeit reformiert. Glauben Sie, dass diese Regierung Milliarden und Abermilliarden in die Infrastruktur investiert, wie Sie es hier gesagt haben, um die Bahn kaputt zu machen? – Nein! Wir wollen ein wettbewerbs­fähiges Unternehmen haben, das international glänzt, das den Arbeitnehmern Sicher­heit bietet und in Österreich pünktlich unterwegs ist. Es sollte nicht so sein, wie es jetzt


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passiert ist, nämlich dass der Streik ausgerufen worden ist. Wir haben heute gehört, wie vielen Pendlern in Tirol – es waren nämlich 80 000 – es nicht möglich war, aus den Tälern zu ihrer Arbeit zu kommen.

Doch Sie regen sich auf! Wir haben auch über ein Wachstumspaket gesprochen. Das, was Sie machen, ist ein Verhinderungspaket in kleinem Maß. Das werden wir aushal­ten. Wir werden diese Bahn zum Positiven reformieren. Wir werden nicht zuschauen, wie die Arbeit, die Sie in der damaligen Zeit gemacht haben, fortgeführt wird und die Bahn im Endeffekt sich selber reduziert, weil sie nicht fähig ist, entsprechende Auf­gaben zu übernehmen.

Wir werden auch schauen, dass gerade die Arbeiter und die Angestellten, die bei der Bahn arbeiten, die nicht zu den Topverdienern gehören, weiterhin ihre Arbeit leisten können und auf dieses Unternehmen stolz sein können.

Gerade Minister Gorbach bewies nicht nur in den vergangenen Tagen, sondern seit er Infrastrukturminister ist, dass er diese Aufgabe ernst nimmt, dass er die ÖBB schätzt. Er hat viele Gespräche geführt, nicht nur Sie. Man kann ihm nicht unterstellen, dass er als Minister dazu angetreten ist, die ÖBB zu entfernen.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Gestern sind wir am Kanzleramt vorbeigegangen, da gab es eine Lehrlingsstreikaktion mit Trillerpfeiferln. Der Jüngste, der dort war, war gerade sechs Jahre, er wird sicher kein Lehrling gewesen sein. Da haben sie mit diesen Pfei­ferln getrillert. (Der Redner hält ein Pfeiferl in die Höhe.) Was hat die Gewerkschaft dort gesagt? – Zuerst sperre diese Regierung die Krankenhäuser zu und dann vernichte sie die ÖBB, wurde dort erzählt. (Abg. Eder: Das ist doch lächerlich, was Sie da erzählen!) Das ist eine Frechheit, dass sich die Gewerkschaft für so etwas hergibt! Dass sich gerade Leute, die hier herinnen sitzen, für so etwas hergeben, für solche Sprüche, ist nicht in Ordnung und bedeutet Verunsicherung. (Abg. Eder: Sie haben eine Psycho­se!) Die ÖBB-Reform wird mit oder ohne Ihre Zustimmung stattfinden, sich positiv für die Bahn auswirken und einen Fortschritt darstellen.

Zu den Ausführungen der Abgeordneten Melitta Trunk, die hier heraußen schäumend Statements von sich gegeben hat, möchte ich sagen: Jahrzehntelang haben die Sozial­demokraten eine Misswirtschaft in Kärnten gehabt. Durch Landeshauptmann Jörg Haider wurde eine positive Trendwende herbeigeführt. (Abg. Dr. Glawischnig: Wo denn?) Ein Landeshauptmann Jörg Haider wird hoffentlich lange Zeit dieses Land ver­walten, denn wenn es zurückgeht an die Sozialdemokraten, dann kann ich nur sagen: Armes Kärnten!

Wenn Sie auf diese Regierungsbank zurückkommen, dann kann ich nur sagen: Armes Österreich! Wir werden das zu verhindern wissen. Wir werden weiterhin konstruktiv für diese Republik arbeiten. Wir werden aufzeigen, was diese Regierung positiv macht, und das ist sehr viel. Sie werden weiterhin auf der Oppositionsbank, schäumend viel­leicht, aber doch, sitzen bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Hoscher. – Bitte.

 


13.46

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Weil Kollege Kopf hier – wie immer – auf die Wirtschafts­politik der Vorgängerregierungen einging, ab 2000 zurückblickend, nur kurz zur Erinne­rung abermals ein paar Namen, die lauten: Wolfgang Schüssel – Wirtschaftsminister, Hannes Ditz – Wirtschaftsminister, Hannes Farnleitner – Wirtschaftsminister, noch immer mit einer Funktion von dieser Regierung betraut. Also wenn alles so schlecht


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war, dann würde ich mich einmal an die eigenen Wirtschaftsminister wenden. Im Staatssekretariat für Finanzen scheint wiederum zum Beispiel ein Hannes Ditz oder auch ein Günter Stummvoll, der sonst immer hier sitzt, auf. Bitte, dann auch an die eigenen Leute wenden!

Wir diskutieren jetzt das dritte Konjunkturpaket der Bundesregierung, was ja logischer­weise heißt, dass zwei Vorgänger da waren, die offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben, sonst würden wir kein drittes brauchen, wobei ohnehin, wenn man sich das dann anschaut, was heute verschämt in den Fächern gelegen ist, der Begriff „Paket“ einigermaßen irreführend ist. Es wäre bestenfalls ein Päckchen, das hier abgeliefert wurde. (Zwischenruf des Abg. Neudeck.)

Wollen wir wieder Mieten erhöhen? Über das können wir auch wieder reden, wenn Sie möchten. (Abg. Neudeck: Wer hat denn schon Mieten erhöht außer der SPÖ?) Der irreführende Hinweis zieht sich aber auch durch das ÖVP-Papier beispielsweise. Das kann die FPÖ dann nachlesen, wenn sie dazu in der Lage ist, beim Aktionsplan, wo gleich auf der ersten Seite steht: Österreich bekennt sich zum Ziel der EU im Rahmen der Lissabon-Strategie. – Fein, da sind wir uns alle einig.

Wenn man dann weiter liest, etwa die restlichen zehn Seiten, dann findet man nichts zu dieser Lissabon-Strategie und zur Umsetzung, oder irgendwer, der das geschrieben hat, hat es ein bisschen falsch verstanden. Die zentralen Punkte der Lissabon-Strategie sind nämlich die Vergrößerung des sozialen Zusammenhaltes, eine aktive Arbeitsmarktpolitik und die Verhinderung von Armut durch soziale Sicherungssys­teme. – Darüber liest man nichts! Das sind die zentralen Punkte, weil das eine wesent­liche Abkehr vom jetzigen Kurs der EU ist.

Liest man im VP/FP-Papier weiter, wenn es überhaupt ein einheitliches gibt, dann findet man eigentlich eine Weiterführung der neoliberalen Politik, aber nicht einmal die wird konsequent umgesetzt, denn wenn ich mich etwa an den Monetaristen Friedman erinnere, einen der Säulenheiligen des Monetarismus, dann fällt mir ein, dass er immer gesagt hat: Ich möchte immer zu jeder Zeit und in jeder Lage Steuern senken! – Gut. Wo?

Wenn Sie es sich durchschauen, dann werden Sie sehen: rund 200 Millionen € zusätz­liche Belastungen im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge, rund 200 Millionen € zusätzliche Belastungen im Bereich der Energiesteuern und damit die Lohnsteuersen­kung mehr als überkompensiert. Das heißt, zusätzliche Steuern für die Arbeitnehmer und die Pensionisten und keine Steuersenkung. Damit wieder nichts mit Lissabon-Strategie, wieder Thema verfehlt.

Einer der wichtigsten Wirtschaftszweige wird dann gleich überhaupt vergessen und nicht angeführt, nämlich der Tourismus, die Freizeitwirtschaft, bestenfalls gibt es ein paar schwammige Aussagen zu KMUs. Aber auch da wird wieder auf die Finanzie­rungskraft der Länder verwiesen, denn dort steht drinnen, dass man für die Förde­rungsprojekte den Länderbeitrag braucht, das heißt, noch dazu ein Paket oder ein Päckchen zu Lasten Dritter.

Wenn dann des Weiteren in der Debatte angeführt wird, dass sozusagen die Opposi­tion jetzt da steht und die Wirtschaft krankjammert, Defizite irgendwie aufzeigt, die gar nicht vorhanden sind, dann muss ich sagen: Man braucht sich nur das Vorblatt des eigenen Antrages anzuschauen, das heute im Fach gelegen ist. Da steht zum Beispiel, Österreich hätte einen Nachholbedarf bei den F&E-Investitionen, während Kollege Scheibner hier gemeint hat, bei Forschung und Entwicklung hätten wir überhaupt kein Problem, da seien wir Weltspitze, da seien wir Führer.


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Wo ist dann das Defizit? – Ich hoffe, es schenkt ihm irgendwer zu Weihnachten ein Lexikon mit dem Buchstaben K, damit er unter „politische Konsistenz“ nachschauen kann.

Nächster Punkt: Alternativen. – Was schreibt die Regierung zu den Alternativen, wenn dieses Päckchen jetzt nicht gemacht wird? – Da steht wörtlich: Beibehaltung der der­zeitigen Situation mit den dargestellten Defiziten.

Wer behauptet jetzt, dass es wirtschaftspolitische Defizite gibt? – Die Regierung selbst! Die Opposition darf es nicht sagen.

Ich glaube, dass Sie wirklich einige Pakete haben, wie im Bereich der Sicherheits­politik, über die wir noch sprechen können, oder im Bereich der Bahn, wo Reformen sicherlich möglich und durchaus sinnvoll sind, allerdings unterscheiden wir uns da – und das wurde bereits gesagt – im Weg, der eingeschlagen werden soll. Sie haben auch im Bereich der Infrastruktur und, wie Sie selbst anführten, im Bereich von F&E einige Pakete zu erledigen. Das heißt, Sie müssten kein Päckchen vorlegen, das im Wesentlichen nur Placebos enthält. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dolinschek. – Bitte.

 


13.51

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der weltweiten Wachs­tumsschwäche seit dem Jahre 2001, von der natürlich auch die österreichische Volks­wirtschaft nicht verschont geblieben ist, hat diese österreichische Bundesregierung seit 2001 konsequent und vorbildhaft konjunkturbelebende Maßnahmen ergriffen. Diese Maßnahmen wurden vor dem Hintergrund der drei Säulen der österreichischen Finanz- und Wirtschaftspolitik gesetzt, nämlich ein ausgeglichenes Budget über den Konjunk­turzyklus hinaus, Senkung der Abgabenquote bis 2010 um zirka 40 Prozent bei Auf­rechterhaltung der finanzpolitischen Stabilität und eine nachhaltige Wachstumspolitik.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die wichtigsten konjunkturbelebenden Maßnahmen sind im Konjunkturpaket I wie auch im Konjunkturpaket II von Dezember 2001 bis De­zember 2002 zusammengefasst worden. Dies hat sich auch auf das Bruttoinlandspro­dukt ausgewirkt, das laut Wifo-Studie auf Grund dieser Maßnahmen um 0,75 Prozent gestiegen ist. Jetzt gilt es, das Konjunkturpaket III zu schnüren und zu verabschieden.

Die Schwerpunkte dieses Konjunkturpaketes sind: mehr Geld für die Forschung, die Offensive für Forschung und Entwicklung wird fortgesetzt, mit dem Ziel, 2,5 Prozent an Forschungsquote bis zum Jahr 2006 und 3 Prozent bis zum Jahr 2010 zu erreichen, Verlängerung der Investitionsbegünstigungen, Förderung von Klein- und Mittelbetrie­ben sowie weitere Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Für zusätz­lichen Schub für die kleine Steuerreform wird gesorgt, die ebenfalls mit 1.1.2004 in Kraft treten wird.

Im Gegensatz zum rot-grünen Bündnis in Berlin hat diese schwarz-blaue Regierung mit den vorgelegten Konjunkturpaketen und Begleitmaßnahmen eine weitere Initiative ge­setzt, das Wachstum in Österreich durch konjunkturbelebende Maßnahmen und struk­turelle Maßnahmen zu unterstützen.

Der 1. Jänner 2004 wird ein guter Tag für die österreichische Wirtschaft, er wird ein gu­ter Tag für die österreichischen Arbeitnehmer. Mit Jahresbeginn gibt es nämlich neben dem Konjunkturpaket die ersten Entlastungen und die so genannte kleine Steuerre­form. Dabei handelt es sich um Steuerbefreiung für Einkommen bis 14 500 € pro Jahr und darüber hinaus bis 21 800 € steuerliche Entlastungen, den begünstigten Steuer-


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satz für nicht entnommene Gewinne, um die Eigenkapitalbildung für die Betriebe zu erhöhen, und um den Wegfall des 13. Umsatzsteuertermins. In konkreten Zahlen, sehr geehrte Damen und Herren, heißt das Folgendes: Diese Entlastung beträgt bei den Selbständigen 580 €, bei den Nichtselbständigen bis zu 475 € und bei den Pensionis­ten bis zu 450 €.

Profitieren von dieser Entlastung werden vor allem 1,65 Millionen Arbeitnehmer in Ös­terreich, 730 000 Pensionisten und 60 000 Selbständige, also insgesamt rund 2,5 Mil­lionen Bürger. Rund 200 000 Steuerpflichtige werden auf Grund dieser Maßnahmen überhaupt steuerfrei gestellt.

Aber auch auf dem Arbeitsmarkt besteht Reformbedarf. Das Arbeitsmarkt-Sonderpro­gramm für arbeitslose 15- bis 18-Jährige wird um weitere zwei Jahre verlängert. Parallel dazu werden die Mittel für die Weiterbildungsmaßnahmen für über 45-Jährige aufgestockt, da diese Maßnahmen vor allem bei den kleinen und mittleren Unterneh­men sehr gut ankommen. Es gibt auch eine Verbesserung bei der Lehrlingsausbildung.

Wir gehen den Weg der modularen Ausbildung. 260 Lehrberufe, wie sie bisher existiert haben, sollen dabei auf rund 100 Grundmodelle zusammengefasst werden. Auf Basis einer soliden Ausbildung erfolgt dann ab dem zweiten Lehrjahr eine Spezialisierung.

Weitere Maßnahmen betreffen den Flexibilisierungsbedarf bei den Arbeitszeiten, die Zumutbarkeitsbestimmungen oder Verbesserungen für den Wiedereinstieg von Frauen ins Berufsleben. Außerdem wird die Bundesregierung 10 Millionen € pro Jahr ins schnelle Internet setzen, speziell im ländlichen Raum investieren, denn der Ausbau dieser Breitband-Internet-Technologie zählt heute zu den zentralen Infrastrukturanfor­derungen. Österreich soll weiterhin an der Spitze der Informationsgesellschaft sein und auch dort vordringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.56

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Krist. – Bitte.

 


13.56

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan“; der Mohr kann gehen. – Wenn dies Schiller 1738 in seinem Stück „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ so formuliert hat, dann neige ich dazu ... (Abg. Großruck: „Fiasko“ heißt es, euer Fiasko bei der Bundesbahn!) – Kollege Großruck! Ich würde dich ersuchen, ein bisschen Zu­rückhaltung zu üben; hör zu, was sich in der wirklichen Welt abspielt! (Zwischenrufe des Abg. Wittauer) –, so wäre ich als unmittelbar Miterlebender versucht, die Ge­schichte zu nennen „Die Verschwörung des Safilo zu Padua“.

Wer das in der Zeitung mitverfolgt, was passiert, sollte wirklich ein bisschen besser aufpassen, wenn es um die wirklichen Probleme der Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben geht, lieber Abgeordneter! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erleben soeben praktisch und leibhaftig die Auswirkungen einer zugegebenerma­ßen bedauernswerten hilflosen österreichischen Wirtschaftspolitik. All jene, die „weni­ger Staat“ und „mehr Privat“ hochjubeln, dürfen jetzt still und heimlich darangehen, sich zu vergewissern, dass wir eigentlich überhaupt keine reale Möglichkeit mehr haben, einzugreifen, wenn ein Unternehmen wie Carrera/Optyl nach fast 50 Jahren untergeht. (Abg. Wattaul: Bist du auch freigestellter Betriebsrat?)

Was sollen sich denn Unternehmer denken, inländische, wie ausländische, wenn ein Herr Staatssekretär Kukacka sich hinstellt und 12 000 ÖBBlern den Weisel gibt, wenn gewinnbringende Betriebe, wie die Austria Tabak, die Voest, Dorotheum und so weiter, von dieser Regierung zum Teil auch an das Ausland verscherbelt werden. (Abg.


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Mag. Molterer: In die Wirtschaft hineingreifen – das wollen Sie!) Wer soll da noch in diesem Land ein schlechtes Gewissen haben, wenn das so ungeniert vorgelebt wird. (Abg. Wattaul: Der Kommunismus hat sich nicht bewährt!)

Die einzige Stelle, welche die Regierung früher gehabt hat, die so genannte Pleite­holding, der wir schon einmal einiges zu verdanken hatten, wurde auch abgeschafft, und zwar mit Ihrer Zustimmung, lieber Kollege von der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.) Sie sind mit verantwortlich für das jetzige Debakel.

Der Kreditschutzverband Oberösterreich hat gestern gesagt – und da hat er Recht –, ein gesundes Bein der oberösterreichischen Wirtschaft wurde amputiert. Damit haben sie Recht, das ist überhaupt keine Frage. 473 Menschen, 289 Frauen, 184 Männer, davon 330 Angelernte, stehen auf der Straße, viele Ehepaare, 150 über 40 Jahre, 93 über 50 Jahre – eine Altersarbeitslosigkeit im Lichte von Pensionskürzungen und höhe­rem Pensionsantrittsalter. Die Menschen werden danke sagen.

Der Leitbetrieb des Bezirkes Linz-Land – aber was stört das Sie? –, ein Leitbetrieb Österreichs ist halt wieder einmal kaputtgegangen.

Meine Damen und Herren! Seit 1978 haben uns internationale angebliche Topmanager „überfallen“ wie sprichwörtlich die Termiten, haben uns ausgesaugt, egal, ob aus Deutschland, der Schweiz oder aus Italien. Jedes Mal haben sich das Unternehmen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder hochgearbeitet, aus eigener Kraft, weil das Produkt gestimmt hat, weil die Mitarbeiter gestimmt haben, weil die Ausbildung gestimmt hat. Immer dann, wenn es ein österreichisches Management gegeben hat, ist es gut gegangen.

Jetzt erleben wir den unkontrollierten und ungezügelten Kapitalismus, wie ihn manche in diesem Hohen Haus sehr gerne sehen. Aber eines ist klar: Unfähigkeit ist global, ist international, und mischt man es noch mit neoliberal, sind die Auswirkungen katastro­phal. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Leid und Elend der Beschäftigten ist aber überall auf der Welt gleich. 473 Men­schen werden jetzt dem AMS überantwortet – einem AMS, dem der Herr Finanzminis­ter regelmäßig wichtige Gelder entzieht. Viele der betroffenen Frauen sollen nach Meinung verschiedenster Spezialisten auf Pflegeberufe umgeschult werden. Ich glaube nicht, dass manche eine Ahnung haben, was es bedeutet, auf Pflegeberufe umge­schult zu werden, wie schwer es ist, nach 20 Jahren Arbeit an einer Maschine plötzlich einen Menschen vor sich zu haben und wie „toll“ vor allem die Entlohnung in diesem Bereich ist. Natürlich ist das eine Möglichkeit, aber es wird so dargestellt, als ob unsere 473 Leute im Umfeld von Linz, in dieser großen, prosperierenden Wirtschaftsregion einen anderen adäquaten Arbeitsplatz bekommen würden, so wie es Herr Bartenstein am Sonntag lapidar und beinahe schon zynisch gesagt hat.

Meine Damen und Herren! 490 offene Stellen werden monatlich dem Arbeitsmarkt­service Traun gemeldet, momentan ist aber auch ein fixer Bestand von 2 200 Arbeits­losen vorgemerkt. Derzeit sind 370 Stellen frei, von den Qualifikationen brauchen wir gar nicht zu reden. Drei Viertel aller offenen Stellen für die Frauen im Bezirk sind im Dienstleistungsbereich, und davon sind 53 Prozent Teilzeitjobs. Wie wir wissen, sind in der heutigen Zeit diese nicht familienfreundlich und auch nicht bestens entlohnt.

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdienen durchschnittlich 1 200 bis 1 400 € brutto im Monat. Ob dieses Einkommens brauchen Sie jetzt nicht zu weinen.

Sehr viele fragen sich natürlich, wie sie mit diesem wenigen Geld jetzt zu Rande kom­men werden. Wenn künftig insbesondere Frauen drei oder vier Teilzeitjobs brauchen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, dann ist das sicher kein Ruhmesblatt


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für die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung und rücken die hochgejubelten Zah­len von steigender Beschäftigung in ein äußerst schiefes Licht.

Folgendes möchte ich noch sagen: Herr Minister Bartenstein hat gemeint, das sei alles nicht so schlimm. Was sagen Sie einem Ehepaar, das im Vorjahr durch das Hochwas­ser das Haus verloren hat und jetzt, da beide bei uns beschäftigt waren, beide den Job verloren haben? Was sagen Sie jener Frau, die vor vier Wochen ihren Mann verloren hat und jetzt mit den Kindern und ohne Job dasteht? Was sagen Sie vor allem jenem Ehepaar, das jahrlang gespart hat – trotz des Einkommens, das ich zuerst erwähnt habe –, jetzt ein Haus gebaut hat, und nun verliert die Frau den Job? Sie müssen das Haus verkaufen, eine kleinere Wohnung nehmen, weiter sparen und verzichten. – Danke, das kann nicht das Österreich sein, das wir wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist es höchst an der Zeit, weniger Golf zu spielen und vielleicht ab und zu die renommierte deutsche Zeitung „Die Zeit“ zu lesen, insbesondere den Artikel vom 30. Oktober: „Der Schöne und das Biest“. Es reicht nicht, mit flotten Sprüchen, fesch und munter im Rennauto oder im Motorboot durch Österreich zu fahren, im Privatjet seiner Gönner zu fliegen, sondern wir müssen uns jetzt der Probleme der Menschen annehmen. Und das sollte in einem Wachstums- und Standortpaket der Bundesregie­rung Platz finden, genauso wie die gesetzlichen Bestimmungen, dass so ein Raub­rittertum, wie es jetzt bei uns der Fall ist, in Zukunft nicht mehr passiert. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ.)

14.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

 


14.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich ist es jedenfalls erstaunlich, dass Betriebsrat Krist seine Verwunderung über das Unter­nehmen Optyl ausdrückt und überrascht ist, was da passiert ist. Er als Betriebsrat hat sich offensichtlich nicht zur richtigen Zeit und zu wenig um diesen Betrieb gekümmert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Binder: Also bitte, was soll das? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ansonsten – und das will ich damit ausdrücken – verstehe ich diese Überraschung nicht.

Geschätzte Damen und Herren! Die Konjunkturpakete I und II haben ihre positive Wir­kung gezeigt. Wir waren dadurch in der Lage, trotz schwieriger und sehr angespannter Konjunktursituation, die europaweit, ja weltweit gewirkt hat, ein Wirtschaftswachstum zu erreichen. Ich begrüße es, dass mit diesem Wachstums- und Standortpaket Maß­nahmen gesetzt werden, die sich zu Beginn eines leichten Wirtschaftsaufschwungs entsprechend verstärkt auf die Konjunktur auswirken werden. Ich begrüße es aus­drücklich, dass eine Nationalstiftung eingerichtet wird, zu deren Dotierung, wie wir ge­hört haben, die Nationalbank 1,5 Milliarden und der ERP-Fonds 1,8 Milliarden beitra­gen werden.

Wenn Herr Kollege Hoscher einen Widerspruch meines Klubobmanns Scheibner dar­zustellen versucht, der gesagt hat, wir werden mit den Maßnahmen dieser Bundes­regierung, was die Forschungs- und Entwicklungsquote anlangt, zur Europaspitze auf­rücken, dann muss ich sagen, ist das kein Widerspruch, denn wir mussten feststellen, dass auch da entsprechender Nachholbedarf gegeben ist, und diese Bundesregierung kommt diesem zwingenden Nachholbedarf in entsprechendem Ausmaß nach.

Geschätzte Damen und Herren! Der Forschungsstandort und eine Forcierung dieses Standortes sind eine, wie ich meine, sehr wesentliche Komponente für einen zukunfts-


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orientierten und für die Zukunft abgesicherten Wirtschaftsstandort. Selbstverständlich ist eine Neustrukturierung des gesamten Forschungs- und Entwicklungsbereiches erforderlich. Es ist der einfachere und transparentere Zugang wesentlich und wichtig, sodass auch innovative kleine und mittlere Unternehmungen daraus einen Vorteil ziehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Erwähnenswert finde ich – ich begrüße das ausdrücklich –, dass die österreichische Breitbandinitiative als eine wichtige Infrastrukturmaßnahme ergriffen wird, von der ins­besondere der ländliche Raum profitieren wird.

Im Konjunkturpaket II war eine befristete Maßnahme zu finden, und zwar die Investi­tionszuwachsprämie, die mit Ende dieses Jahres auslaufen würde. Es freut mich, dass die Verlängerung dieser Maßnahme bis 2004 Teil dieses Pakets, das die Bundesregie­rung jetzt schnürt, ist.

Wichtige und zukunftsorientierte Infrastrukturmaßnahmen, wie eine Infrastrukturoffen­sive für die Verkehrsträger Schiene und Straße, sind Teil dieses Pakets. Geschätzte Damen und Herren! Wenn man von der Schiene spricht, dann kommt immer wieder eine, wie ich meine, zwingend erforderliche Reform der Österreichischen Bundesbah­nen zur Sprache. Ich werde im Detail nicht mehr darauf eingehen, das haben schon viele Vorredner sowohl seitens der Opposition als auch seitens der Regierungsparteien getan. Ich stelle aber fest, dass eine Zukunftssicherung dieses wichtigen österreichi­schen Unternehmens, der Österreichischen Bundesbahnen, nur mittels einer Reform möglich ist. Und da sollten Sie einmal umdenken und einen konstruktiveren Weg be­schreiten als den des parteipolitischen Missbrauchs der Arbeitnehmer auf Grund gewerkschaftlicher Maßnahmen wie Streiks. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Dieses Wachstums- und Standortpaket ist nicht isoliert zu sehen, sondern es ist in Verbindung zu sehen mit jenen Entlastungen, mit jenen steuerlichen Maßnahmen, die bereits beschlossen sind, nämlich mit dem Steuerre­formschritt 1, mit dem immerhin Einkommen in der Höhe bis 14 500 € steuerfrei gestellt werden. Für niedrige und mittlere Einkommen bringt dies einen Vorteil mit sich. Für die Unternehmungen erfolgt durch die Halbierung des Steuersatzes für nicht entnommene Gewinne eine Erleichterung im Ausmaß von 100 000 €.

Maßnahmen zur Konjunkturbelebung sind allerdings, wenn wir einen Vergleich mit unserem Nachbarn, der Bundesrepublik Deutschland anstellen, nur dann möglich, wenn es der budgetäre Rahmen, wenn es der Haushalt erlaubt. Ich bin froh darüber, dass diese Bundesregierung die Hausaufgaben erledigt hat, sodass wir diese konjunk­turell wirkenden Maßnahmen, diese Impuls gebenden Maßnahmen ergreifen können und nicht Gefahr laufen, die 3-prozentige Grenze der Neuverschuldung zu überschrei­ten. Ich bin froh darüber, dass wir diesen Spielraum haben und dass diese Maßnah­men gesetzt werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.10

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

 


14.10

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Man kann sagen, ein gutes Jahr 2004 beginnt mit einem Konjunktur- und Wachstumspaket. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Ab­geordneten der ÖVP.) Für alle, die es noch nicht zur Kenntnis genommen haben, sei gesagt, das bedeutet: mehr Geld für die Forschung, die Verlängerung von Investitions-


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begünstigungen, die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben und Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.

Am 1. Jänner 2004 wird es die erste Entlastung durch den ersten Teil der Steuerreform geben. Und das, meine Damen und Herren von der SPÖ, betrifft gerade jene Men­schen, die Sie angeblich vertreten. Die Verhandlungen über eine Steuerbefreiung für Einkommen unter 14 500 € hat nicht die selbsternannte so genannte Sozialpartei SPÖ geführt, das waren ganz allein die Freiheitlichen. Auch wenn das Ziel, die kleine Steuerreform durchzusetzen und kleine Einkommensbezieher zu entlasten, nicht leicht erreichbar war, wir haben uns durchgesetzt. Wir schreiben keine Pensionistenbriefe, sondern entlasten die Pensionisten mit bis zu 450 € pro Jahr. Wir entlasten Selb­ständige mit bis zu 580 € pro Jahr, und wir entlasten die Nichtselbständigen mit bis zu 475 € pro Jahr.

Was macht die Opposition während dieser Zeit? – Die Opposition unterstützt und för­dert Streikmaßnahmen zum Schaden aller Arbeitnehmer und zum finanziellen Schaden aller Steuerzahler. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Regierung stellt 200 000 Steuerpflichtige steuerfrei und entlastet rund 2,5 Millionen Bürger. Die große Steuerreform 2005 wird Österreich auch nach der EU-Erweiterung wettbewerbsfähig halten. Unser Land wird seine wirtschaftliche Spitzenposition in der EU ausbauen können. Das sind unsere Aufgaben und unsere Ziele. Nicht gerade för­derlich und belebend für die wirtschaftliche Situation, für die Stabilität und das Ansehen im Ausland sind die Maßnahmen der SPÖ-Vorfeldorganisationen, der Gewerkschaften bei den ÖBB.

Wieder stehen Räder still, weil die ÖBB und auch die Postbusse streiken. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich sage Ihnen eines: Es wurde noch kein Unter­nehmen gesund gestreikt. Dieser von Ihnen durchgeführte Streik führt im Endeffekt dorthin, wo Ihr roter „Konsum“ geendet hat. Für normale Bürger ist nicht nachvoll­ziehbar, wofür gestreikt wird, nämlich für Privilegien, von denen jeder Nicht-ÖBBler nur träumen kann.

Wer trägt die Verantwortung für das Dilemma bei den ÖBB? – Waren das nicht Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ? Waren das nicht Ihre roten Verkehrsminister? Jahrelang wurde nichts entschieden, und als man nicht mehr entscheiden konnte, wur­den der Belegschaft notwendige Änderungen abgekauft – zu Lasten der Kunden. Die Kunden wurden damals nicht gehört und werden heute bei Ihren Streikaufrufen auch nicht gehört. Es ist dies der Kampf der Gewerkschaften für ein niedriges Pensionsan­trittsalter, besondere Dienstverträge und privilegierte Arbeitsbedingungen. (Zwischen­ruf der Abg. Silhavy.)

Meine Damen und Herren! Die ÖBB-Bediensteten gehen nicht konform mit den Ge­werkschaften. Es ist ein deutliches Unbehagen bei diesen Streikmaßnahmen, aber dafür viel Verständnis für die Reformpläne der Regierung vorhanden. Es gibt jedoch gewerkschaftlichen Druck, der unverblümt ausgeübt wird. Ich denke, dass diese Ihre Aktion nach hinten losgehen wird. Die Wähler werden den ÖBB-Dienstverträgen wohl keine Träne nachweinen. Die schwarz-blaue Regierung wird aus diesem System aus­brechen und sich für Passagiere, Unternehmen und Gemeinden einsetzen und natür­lich auch für alle fleißigen ÖBB-Bediensteten, die derzeit unschuldig zum Handkuss kommen. (Abg. Silhavy: ... nicht fleißig wären! Das ist ja ungeheuerlich!)

So wie die ÖBB-Reform ein Muss für Österreich und eine deutliche Verbesserung ist, so bringt auch das Wachstums- und Konjunkturpaket unserer Bundesregierung eine Verbesserung. Unsere Politik orientiert sich nicht an sozialistischen Pfründen, sondern


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an den Bedürfnissen der Menschen unserer Heimat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neuverhandlung der ÖBB-Reform unter Einbindung der Unternehmensführung und der Arbeitnehmervertretung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. (Abg. Silhavy: Da sieht man, was man von Ihrer Dialogfähigkeit halten kann!) – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

3. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (236 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (289 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (201 d.B.): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (290 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (132 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltgesundheitsorganisa­tion über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der dreiundfünfzigsten Tagung des Regionalkomitees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien (291 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 3 bis 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeitbe­schränkung: 8 Minuten. – Bitte.

 


14.16

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehr­ter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir beschließen heute den Beitritt von Vorarlberg zur Patientencharta. Es ist dies übrigens die siebente, die wir in diesem Haus mitbeschlie­ßen können, leider fehlen noch zwei. Ich hoffe, dass sich mein Heimatbundesland Wien auch dazu bequemen wird, dieser Patientencharta beizutreten.

Dass das nicht nur ein Gerede im luftleeren Raum ist, möchte ich Ihnen anhand eines Beispiels zeigen, das mir ein Patient letzte Woche erzählt hat, der auf Mallorca auf Ur­laub war. Er war Zeuge eines Unfalles, bei dem ein 49-jähriger deutscher Chirurg beim Spazierengehen unglücklich gestürzt ist, auf den Kopf gefallen ist und sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen hat. Eine geschlagene Stunde mussten die umstehenden Leute warten und zusehen – sie konnten nichts machen –, denn es hat weder einen Rettungswagen noch einen Notarzthubschrauber gegeben. Nachträglich


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wurde den Leuten aber gesagt, dass es schon Hubschrauber auf Mallorca gebe, aber nur dafür, um Golfspieler von einem Platz zu einem anderen zu fliegen.

Wir in Österreich haben flächendeckend 20 Hubschrauberstationen, und ich würde sagen, wir sind diesbezüglich Weltspitze. Ich glaube, das ist vorsorgliche Gesundheits­politik. Dafür müssen wir den Vorgängern von Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat danken, denn hätten wir das nicht, könnten wir die Versorgung nicht sicher­stellen.

Heute ist ein Bericht erschienen, der besagt, dass in Österreich leider oder tragischer­weise 180 bis 220 Kinder pro Jahr an Kinderkrebs erkranken. Zu meiner Zeit, als ich zu studieren angefangen habe, war das absolut tödlich. Heute können 75 Prozent der Kinder gerettet werden. Man arbeitet daran, 80 Prozent oder sogar 85 Prozent retten zu können. Man arbeitet aber nicht nur an der Überlebensrate, sondern man schaut auch, was es für die Kinder bedeutet, Monate lang praktisch einen heldenhaften Kampf überstehen zu müssen. Was bedeutet es für die Eltern, was bedeutet es für die Ange­hörigen? – All das ist Inhalt einer Willenserklärung dieser Patientencharta.

Meiner Meinung nach ist der entscheidende Punkt in der Patientencharta Artikel 4, in dem steht: Jeder hat zweckmäßig und angemessen behandelt zu werden, und zwar jeder, unabhängig – das ist entscheidend – vom Alter, vom Einkommen und nach dem letzten Stand der Wissenschaft. Dass das auch eine massive Bedeutung für die Kosten und für die Entwicklung des ganzen Systems hat, das muss uns klar sein.

Heute ist im „New England Journal of Medicine“, der berühmtesten Medizinzeit­schrift, ein Artikel über eine neue Behandlungsmethode mit Letrozol-Femara für Frauen, die eine Brustkrebserkrankung positiv überstanden haben, erschienen. Diese senkt die Mortalität dieser Frauen noch einmal um 30 Prozent – und das heißt natürlich mehr Behandlung, mehr Kosten, aber ich glaube, es sind dies positive Kosten.

Wir müssen uns in der Gesundheitspolitik überhaupt Facts in Erinnerung rufen: 20 Pro­zent der Menschen brauchen 80 Prozent der Leistungen, und das wiederum sind in der Regel ältere Menschen, und da hauptsächlich Frauen.

Es nützt Österreichs Patienten nichts, wenn Leute, die es sich leisten können, in die Mayo-Klinik fahren, die Behandlung muss für die Leute hier stattfinden.

Krankheiten sind bekanntlich nicht planbar – das ist kein leeres Gerede und absolut nicht selbstverständlich, das zeigt England mit seinen 1,3 Millionen Patienten auf der Warteliste für eine Operation, die teilweise nach Deutschland und Frankreich geschickt werden. In England musste sich Tony Blair letzte Woche dafür verantworten, dass die Überlebensrate bei Krebsbehandlung in England so schlecht ist. Österreich hat bei dieser Studie den ersten Platz eingenommen.

Es wurde gesagt, dass das gesamte Geld, das derzeit in England in das Ge­sundheitswesen gebuttert wird, verpufft, denn es fehlen 100 Spitäler, 15 000 Ärzte, 25 000 Schwestern und medizinisches Fachpersonal. Man braucht dort zirka zehn Jahre, um das System wieder in Ordnung zu bringen.

Vor wenigen Wochen durften wir uns darüber freuen, dass Kardinal König mit 98 Jah­ren einen Schenkelhalsbruch derart gut überstanden hat – ich möchte sagen: überlebt hat.

Ich als Wiener Hausarzt kann Ihnen sagen – viele von euch leben Gott sei Dank in der Gnade, gesund zu sein, ihr seid Gott sei Dank nie schwer krank gewesen –: Es ist für mich immer wieder eine Freude, in Meidling auch für ärmere Leute die gleiche Versorgung wie für Kardinal König sicherzustellen. Ich kann das mit gutem Gewissen sagen. (Beifall bei der ÖVP.) – Das ist für uns alle eine Verpflichtung.


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Ich glaube, wir sollten auch nicht den holländischen Weg gehen. In der Patientencharta steht ganz eindeutig: „Würde vor dem Leben“, „Würde vor dem Sterben“. – In Holland werden unter dem Titel Sterbehilfe 3 200 Leben vorzeitig beendet.

Nicht wenige alte Menschen sagen mir: Herr Doktor, es ist Zeit zu gehen! – Nein, es ist Zeit, eine ordentliche Schmerztherapie zu machen, es ist Zeit, eine gescheite Hospiz­bewegung zu unterstützen. Wir tun das in Österreich mit dem Hospizplan, mit der Hospizkarenz, mit den 425 Betten, damit es neben der sanften Geburt auch ein sanftes Sterben gibt. Das ist die konkret angewandte Patientencharta.

Vor wenigen Tagen haben wir den Gesundheitsdialog und die Gesundheitskonferenz eröffnet. 600 Leute, Experten diskutierten mit uns. Es war einmalig, zu sehen, wie an­genommen sich die Menschen fühlen, wenn man über diese Probleme diskutiert. Wir werden über Lücken, über Probleme reden, wir werden aber auch Lösungen bringen müssen.

In dieser Debatte geht es auch um das Medizinproduktegesetz. Auch da geht es um Rechtssicherheit, um mehr Qualität, um die Umsetzung von EU-Richtlinien.

In diesem Zusammenhang bringe ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Rasinger, Rosenkranz, Haidlmayr, Dr. Grünewald, Lackner, Kolleginnen und Kolle­gen zum Bericht des Gesundheitsausschusses betreffend das Medizinproduktegesetz ein und ersuche den Präsidenten wegen des Umfanges gemäß § 53 Absatz 4 Ge­schäftsordnungsgesetz um die Verteilung an die Abgeordneten.

Ich erläutere die Kernpunkte des Antrages: Die Vorkehrungen zur Instandhaltung von Medizinprodukten für die in Rede stehenden Hochrisikogruppen sollen die Krankenver­sicherungsträger nicht nur dann treffen, wenn die Medizinprodukte unmittelbar von ihnen angeschafft werden, sondern auch dann, wenn lediglich eine Teilfinanzierung im Wege der Zuschussgewährung oder Kostenerstattung erfolgt.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss: Es ist, glaube ich, für uns alle eine Verantwortung, die wir gerne eingehen. Für uns als christlich-soziale Partei und für mich als Arzt ist es insbesondere eine Verpflichtung, dass wir diese Patientencharta mit Leben erfüllen. Eine hohe Versorgungsqualität für alle – unabhängig von Alter und Einkommen – sollte in Österreich eine Selbstverständlichkeit sein; etwas, das inter­national nicht der Fall ist.

Ich sage Ihnen nur eines: Es kann jeden jederzeit, an jedem Tag treffen. Und dann werden wir die Patientencharta mit ihren Auswirkungen dringend brauchen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rosenkranz.)

14.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Dr. Rasinger, Rosenkranz, Haidlmayr, Dr. Grünewald, Lackner, Kolleginnen und Kollegen auch schriftlich über­reicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird er auch dem Stenographi­schen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Rasinger, Rosenkranz, Haidlmayr, Dr. Grünewald, Lackner Kol­leginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungs-


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vorlage (236 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (289 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

Z 24 lautet:

„24. Nach § 85 Abs. 3 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Soferne die entsprechenden Arten, Gruppen oder Klassen von Medizinprodukten in einer Verordnung gemäß § 92 angeführt sind, haben

1. die Träger der Sozialversicherung sowie der Kranken- und/oder Unfallfürsorge für Medizinprodukte, die den Versicherten/Versorgten von den genannten Trägern zur Be­handlung in einer häuslichen Umgebung oder für die Eigenanwendung zur Verfügung gestellt werden oder im Rahmen der Versicherungs-/Versorgungsleistung in den Kos­ten zumindest teilweise erstattet werden, und

2. Einrichtungen, die lebensrettende oder sonst für die Gesundheit wichtige Medizin­produkte in ihrem oder in einem öffentlichen Bereich für die Anwendung bereithalten,

die erforderlichen Vorkehrungen für deren ordnungsgemäße Instandhaltung zu treffen. Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat bei der Bestimmung dieser Medi­zinprodukte in einer Verordnung gemäß § 92 jeweils auf beträchtliche Risken für die Gesundheit und Sicherheit von Patienten und auf Verschlechterungen der Leistung dieser Medizinprodukte, die bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Instandhaltung zu erwarten wären, Bedacht zu nehmen. In der Verordnung gemäß § 92 können auch besondere Anforderungen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Bereithaltung und An­wendung dieser Medizinprodukte und hinsichtlich erforderlicher Schulungsmaßnahmen festgelegt werden.“

Begründung:

Es ist sachgerecht, dass für die in Rede stehenden Hochrisikogruppen von Medizinpro­dukten die Instandhaltungsverpflichtung die Träger der Sozialversicherung bzw. Kran­ken- und/oder Unfallfürsorge nicht nur dann trifft, wenn die Medizinprodukte unmittelbar von ihnen angeschafft werden, sondern auch dann, wenn lediglich eine Teilfinanzie­rung im Wege der Zuschussgewährung oder Kostenerstattung erfolgt. Festzuhalten ist, dass die Wendung „Vorkehrungen treffen“ lediglich eine Pflicht in organisatorischer Hinsicht zum Ausdruck bringt. Darüber hinaus gehende Regelungen können schon aus verfassungsrechtlichen Gründen (Kompetenz des Bundes für Krankenfürsorgeanstal­ten ist nicht gegeben) nicht im Medizinproduktegesetz getroffen werden.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Lackner. – Bitte.

 


14.25

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Dass Gesundheits­politik ein wesentlicher Bereich der Politik ist und diesen auch einnehmen soll, dürfte, glaube ich, unbestritten sein.

Gesundheitspolitik ist, meine Damen und Herren, natürlich auch ein wesentlicher Poli­tikbereich der Sozialdemokratie. Wir stellen immerhin sieben Landesgesundheitsrefe-


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renten, wir haben eine starke Fraktion, die sehr aktiv in der Gesundheitspolitik mitarbei­tet, weil sie sich ständig ihrer Verantwortung gerade in diesem Bereich bewusst ist.

Frau Bundesministerin! Wir sind auch bereit, weiterhin aktiv und konstruktiv an der Gestaltung der Gesundheitspolitik mitzuarbeiten, wenn – ich werde später noch darauf zurückkommen – verschiedene Voraussetzungen, die für uns unabdingbar sind, auch eingehalten werden.

Ich darf nur ganz kurz auf die heutigen Vorlagen eingehen, meine Kolleginnen und Kollegen, die nach mir sprechen werden, werden sich noch eingehend mit diesen Pro­blemen befassen. Ich darf Ihnen aber jetzt schon sagen, dass wir diesen drei Vorlagen natürlich die Zustimmung erteilen werden, weil sie wichtige Problembereiche lösen.

Frau Bundesministerin! Ich hatte die Ehre, in den letzten Tagen bei zwei Events dabei zu sein, bei der Gesundheitskonferenz und beim Gesundheitsdialog. Da wurde zuge­gebenermaßen sehr viel über Gesundheitspolitik gesprochen, aber leider – ich habe Ihnen das bereits mitgeteilt – wurden aus meiner Sicht viele Bereiche noch nicht um­fassend angesprochen oder nur wenig befriedigend angesprochen. Ich darf diese heute noch einmal ansprechen, weil sie in den weiteren Reformbemühungen enorm wichtig sein werden.

Da geht es in erster Linie um die Krankenanstaltenfinanzierung – dazu wurde von Ihnen bei beiden Veranstaltungen relativ wenig gesagt. Ich finde es schon wichtig, zu wissen, wie Sie sich gerade bei einem solch großen Ausgabenblock die weitere Ge­staltung vorstellen.

Auch der Hauptverband wird ein wichtiges Problem sein, denn das für Sie wenig erfreuliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, nach dem der Hauptverband neu organisiert werden muss, wird prioritär zu behandeln sein, da sich derzeit nicht zustän­dige Organe oder nicht verfassungsgemäß zustande gekommene Organe mit Gesund­heitspolitik beschäftigen müssen. Ich denke, hier sollten Sie relativ rasch eine Antwort finden, Sie sollten sich zumindest jetzt schon klar zur Selbstverwaltung bekennen, die ich für wesentlich und auch für wichtig erachte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Auch zum Schlagwort „Altern in Würde“, dazu, wie Sie mit der Pflegeproblematik um­gehen, habe ich von Ihnen relativ wenig gehört. Ich denke, das ist ein wichtiger Bereich.

Wenn ich die Schlagzeilen des letzten Jahres Revue passieren lasse: Der Herr Bun­deskanzler hat uns mitgeteilt, dass er in den nächsten acht Jahren 30 000 diplomierte Krankenschwestern für diesen Bereich rekrutieren will. – Bis heute hat er uns jedoch nicht gesagt, wie er diese wirklich netten Worte auch in Taten umsetzen will. Das habe ich bisher vermisst, und auch von Ihnen, Frau Bundesministerin, habe ich diesbezüg­lich bisher keine Antwort erhalten. (Abg. Steibl: Das AMS soll etwas tun!) – Bitte? (Abg. Steibl: Das AMS könnte ja da noch mehr tun!) – Wissen Sie, das AMS allein wird das schwer machen können. Ich glaube, darauf hat die Politik eine Antwort zu geben, Frau Steibl. Wir sollten darüber nachdenken und nicht immer alles an das AMS abschieben. Das ist mir als Antwort einfach zu wenig. Das mag vielleicht in der Steier­mark reichen, aber österreichweit, würde ich sagen, brauchen wir ein bisschen mehr. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Gesundheitspolitik ist, ich habe das bereits gesagt, sehr wich­tig. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Wir wissen, dass wir in Österreich ein relativ gutes Gesundheitssystem haben. Es ist auch unbestritten, dass Reformen notwendig sind. Das steht außer Zweifel und wird auch von uns anerkannt. Aber – und das ist


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wichtig – bevor wir zur Tat schreiten, sollten wir uns gewisse Ziele verordnen, die poli­tisch unumstritten sein sollten.

Da geht es für mich in erster Linie darum, dass es bei Reformen nicht zu einer weiteren Schwächung kommen darf, sondern zu einer Stärkung des sozialen Zusammenhaltes in der Gesellschaft kommen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Da geht es für mich darum, dass der gleiche und gerechte Zugang zur Basis- und zur Spitzenmedizin kommen muss, Frau Bundesministerin. Auch das ist unabdingbar für weitere Gespräche mit Ihnen.

Und es geht auch um einen effizienten Mitteleinsatz im Gesundheitswesen, um nur ein paar – stellvertretend für viele – Ziele anzuführen; mehr möchte ich jetzt noch nicht sagen.

Das wären sozusagen jene Ziele, die für uns wichtig sind. Und wir werden in den weite­ren Gesprächen versuchen, Ihnen noch mehr der uns wichtigen Bereiche darzustellen.

Wir haben heute 28 Anträge eingereicht, in denen der große Bereich des Gesundheits­wesens allumfassend abgehandelt wird, und Sie werden alsbald Gelegenheit haben, im Parlament, hier im Plenum und auch im Ausschuss, Ihre Konsensfähigkeit unter Beweis zu stellen, wenn Sie es wirklich ernst meinen. Wir reichen Ihnen jedenfalls die Hand, wir sind bereit, im Interesse der Menschen und für die Gesundheitspolitik ge­meinsam mit Ihnen an notwendige Reformen heranzugehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


14.31

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Wir sind in den Prozess der Gesundheitsreform eingetreten, es hat schon zwei Veranstaltungen dazu gegeben. Viele Verhandlungen, ein Prozess, eine Gesundheitsreform werden notwendig sein, wenn wir die beiden Hauptziele, die wir in der Gesundheitspolitik verfolgen und verfolgen müssen, erreichen wollen: erstens die Sicherung der hohen Qualität und zweitens die Verwirklichung des Grundsatzes: alle Menschen müssen – unabhängig von ihren materiellen Möglichkeiten, unabhängig von ihrem sozialen Status – den Zugang zur qualitätvollen Medizin haben.

Um dies zu erreichen, ist eine Reform notwendig, und es ist gut, sich zu Beginn dieser Reformdebatte einiges Grundsätzliches in Erinnerung zu rufen.

Auf kaum einem anderen Gebiet hat sich ein so nachhaltig das Leben der Menschen prägender Fortschritt ereignet wie auf dem Gebiet der Medizin. Krankheiten, die bis vor kurzem absolut tödlich waren, können geheilt werden, Unfälle, die früher junge Men­schen und Kinder aus dem Leben gerissen haben, sind heute eine Bagatellsache.

Die große Chance, die darin liegt, kann nur dann zur Gänze zum Wohle der Menschen genützt werden, wenn einige zusätzliche Vorkehrungen getroffen werden. So meine ich, dass gerade im legistischen Bereich mit dem ständig steigenden Anspruch und der ständig steigenden, der hohen Qualität und den Möglichkeiten, die die Medizin bietet, auch die Kontrolle stärker werden muss, denn der Grundsatz „Nutzt’s nix, schadt’s nix!“ trifft auf diese Produkte nicht mehr zu: so heilsam, so wirkungsvoll sie sind, so schäd­lich können sie sein.

In diesem Zusammenhang ist es sehr zu begrüßen, dass es da zu einem Vier-Par­teien-Antrag gekommen ist, dass das Medizinproduktegesetz gerade für diese ganz hoch entwickelten Produkte, die, so sehr sie nutzen können, ebenso großen Schaden


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anrichten können, wenn sie nicht fachgerecht instand gehalten, nicht ordentlich genutzt werden, spezielle Verpflichtungen vorsieht, dass das die allgemeine Zustimmung dieses Hauses finden wird.

Die ganz genaue Kontrolle dieser hochwertigen Produkte ist notwendig, denn der Patient selbst sieht sich als Laie natürlich völlig außerstande, hier zu beurteilen. Er muss sich darauf verlassen können, dass das, was angeboten wird, auch zuträglich ist, sonst würde man einer ganz üblen Geschäftemacherei, die gerade auf dem Gebiet der Gesundheit viele Gläubige findet, Tür und Tor öffnen.

Medizin ist nicht allein hohe Wissenschaft und hohe Technik, Medizin ist viel mehr – es hat ja nicht umsonst früher „Heilkunst“ geheißen. Medizin arbeitet nicht an einem Objekt, sondern am Leben, am Menschen. Das Visavis ist eines, das unmittelbar reagiert. Und insofern ist auch der Satz, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen muss, nicht nur ein Erfordernis der Humanität und der Beachtung der Menschenwürde, son­dern auch ein vernünftiges Prinzip, wenn man an das Ergebnis und den Erfolg der Medizin denkt.

Der verängstigte, eingeschüchterte, unwissende, desorientierte, demotivierte Patient hat selbstverständlich viel geringere Heilungschancen als ein Patient, der sich in seiner Lage orientiert, der aufgebaut und aufgemuntert wird, sich an seiner eigenen Heilung beteiligt. Das ist das, was man immer wieder beobachten kann, und wird auch in ein­drucksvoller Weise von den Neurowissenschaften bestätigt, die ja nachweisen, wie sehr der Geist mit all seinen physiologischen Prozessen im Gehirn auf die körperlichen Erscheinungen und Phänomene Einfluss hat und wirkt. Insofern hat der Mensch tatsächlich im Mittelpunkt zu stehen, wenn wir einen Erfolg haben wollen. Und insofern hat die Patientencharta – und da müsste man einmal auf Wien dahin gehend einwir­ken, dass sich auch Wien zu einer solchen aufrafft – einen ungeheuer wichtigen Wert; wir schließen sie heute mit Vorarlberg ab.

Die Patientencharta soll die Rechte der Patienten als solche stärken, ihre Aufklärung, ihre Möglichkeiten. Sie wird ganz sicher und notwendigerweise in einem weiteren Schritt ausgebaut werden, wenn alle Bundesländer eine Patientencharta haben und in einem zweiten Durchgang eine bundeseinheitliche Fassung festgelegt werden soll.

Der Mensch im Mittelpunkt und ein sorgfältiger Umgang mit allen hochwertigen Pro­dukten, das sind die beiden Punkte, die wir heute hier erledigen. Es ist erfreulich, dass alle drei Anträge des Gesundheitsausschusses Konsensmaterie sind, denn gerade bei diesem Punkt sollte, so denke ich, jede Parteipolitik vermieden werden. Gesundheits­politik ist etwas, was direkt den Menschen zugute kommen muss und wo ideologische Streitereien hintanzustellen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

 


14.36

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Das Medizinproduktegesetz ist natürlich ein Abbild des Fortschrittes der Wissenschaft: extrem kompliziert. Ich möchte nur erläutern, dass da außer Medika­menten nahezu alles hineinfällt, was auf dem Markt zu finden ist, Tausende von Pro­dukten, deren Sicherheit und Qualität zu beurteilen kein leichtes Unterfangen ist. Des­halb hat die EU Richtlinien erlassen, die Österreich mit den jetzigen Gesetzen teilweise nachvollzieht, und das stößt natürlich auf Schwierigkeiten. Es wird überall gespart. Das Essentielle, wenn ich über Sicherheit in der Medizin rede, ist, denke ich, dass dem


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Fortschritt Rechnung getragen wird, indem er nach Möglichkeiten auch adäquat finan­ziert wird.

Solange wir das Finanzierungssystem des Gesundheitssystems nicht in den Griff be­kommen oder keine sozial verträglichen, guten Vorschläge haben, auf die wir alle uns einigen können, können wir an Medizinprodukten, an Arzneimitteln und anderem her­umbasteln, so viel wir wollen, sie werden dann eben nicht allen zur Verfügung stehen. – Das ist etwas, worauf wir uns zumindest verbal einigen könnten. Aber man sollte dann auch vom Wort zur Tat kommen.

Ich gebe Rasinger mit dem Beispiel, das er angeführt hat, natürlich Recht. Und es ist erfreulich – ich komme aus diesem Fach sozusagen –, wenn tumorkranke, krebs­kranke Kinder heute Heilungsraten aufweisen, die vor wenigen Jahrzehnten völlig un­denkbar waren, wenn Diagnosen behandelbar sind, die früher ein Todesurteil darge­stellt haben, nur – du hast es nicht ganz so gesagt –: Man sollte aber nicht versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass das ein Verdienst der Bundesregierung sei, denn das ist schon ein Zusammenspiel vieler Kräfte. Wenn die Bundesregierung dabei mitspielt, das weiter zu verbessern, ist es gut. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Rasin­ger.)

Ich komme jetzt aber zu einem wesentlichen Punkt: Forschung, Behandlung und Pflege von Kranken oder Menschen mit Handicaps ist nicht nur mit Geld zu machen, sondern bedarf des Personals. Dieses Personal muss aber auch ein Ministerium haben, um sozusagen immer schwieriger werdenden Fragestellungen gerecht zu wer­den. Und ich frage mich schon, ob hier nicht in allen Sektoren zu viel gespart wird, an­gefangen bei Lainz, bei Geriatriezentren bis hin in die obersten politischen Schichten, auch im Wissenschaftsressort, wo sich in der Personalausstattung eigentlich nicht abzeichnet, dass man hier konsequent an Verbesserungen oder zumindest am Mit­halten mit dem Fortschritt interessiert ist und arbeitet.

Bei der Qualitätssicherung, das haben wir nur im Ausschuss diskutiert, ist entschei­dend, dass man wissenschaftlich fundierte Daten hat. Ohne klare Datenlage kann man nur Politik aus dem Bauch heraus machen, und das ist etwas, was selten gut funktio­niert.

Man braucht auch eine verbesserte Ausbildung, die dem neuen Bedarf der Medizin und des Fortschritts angepasst ist. Und man muss den Leuten, die in Gesundheits­berufen tätig sind, Möglichkeiten geben, ihre Karrieren weiterzuentwickeln, sich dem Fortschritt anzupassen und Kompetenz zu erwerben – auch das kostet Geld.

Wenn man schaut, welche Untersuchungs- und Screeningprogramme gerade im Bereich der Tumorheilkunde laufen und wie umstritten zum Beispiel Mammographien in ihrer Wertigkeit, in ihrem Nutzen sind und wie stark das von Qualität abhängt, dann muss man sagen, wir haben noch viel zu tun.

Ich komme jetzt zu einem weiteren Punkt: zur Patientencharta. Und da ist es interes­sant, dass die Frau Bundesminister Leute eingeladen hat, die in der Gesundheitskonfe­renz durchaus auch kritische Bemerkungen vom Stapel ließen. Die Patientencharta ist, wie ein Redner sinngemäß gesagt hat, eine Notlösung, eine Krücke auf dem Weg zu einer bundeseinheitlichen Garantie von Patientenrechten. Warum nur eine Krücke, eine bedauernswerte Krücke? Weil diese Patientenrechte in den Chartas der Länder nicht einklagbar sind, diese gehen über einen Appellcharakter nicht hinaus, ich kann mich darauf nicht berufen, außer moralisch Druck zu erzeugen. Und da stehen natür­lich Dinge drinnen, wo wir die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden, wenn die nicht garantiert wären.


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Zum Beispiel steht da – ich habe mir ein paar Notizen gemacht –: vertraute Umgebung schaffen bei chronisch Kranken, die monate-, wochenlang in Krankenhäusern liegen. Eine vertraute Umgebung schaffen – ich kann mich noch daran erinnern, als Achtbett­zimmer im Geriatriezentrum Lainz verteidigt wurden mit den Worten, da können sich alte Leute viel besser unterhalten und sind nicht so allein. – Bitte, schauen Sie sich das an: Da reicht die Stärke der Stimme nicht, um über eine Bettkante hinaus mit jeman­dem zu reden! Wie Besuche dadurch gehandicapt werden, will ich gar nicht weiter ausführen.

Es sei auch der Lebensrhythmus der Patienten zu berücksichtigen. – Wie schaut es tatsächlich aus? Damit die Tagschicht sozusagen nicht überfordert wird, beginnen die Waschungen des Morgens teilweise um zwei, drei in der Früh. In Verordnungen von Ländern steht drinnen, dass mindestens fünf Minuten pro Patient in Pflegeheimen am Tag geredet werden soll. Stellen Sie sich das vor: Fünf Minuten menschlicher Kontakt durch Gespräch pro Tag findet Eingang in eine Charta! Man greift sich ja wirklich an den Kopf.

Weiters: Die notwendige Versorgung mit Arzneimitteln ist sicherzustellen. – Das sind doch alles Dinge, wo ich meine, das ist doch logisch. Und wenn Kinder unter zehn Jahren aufgenommen werden, sollen auch Eltern mit aufgenommen werden können, sofern – steht aber drinnen – das möglich ist. Man hat nicht den Mut oder man hat nicht das Geld – man will nicht, kann nicht oder verneigt sich damit vor den Ländern –, schon im voraus hineinzuschreiben, das ist bei baulichen Maßnahmen zu berücksichti­gen und so weiter. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist das Recht auf Besuche festgeschrieben. – Stellen Sie sich vor, wie „toll“ das ist: Ein Kranker, eine Kranke darf Besuche empfangen! Das steht in einer Charta drinnen – no na net, hätte ich gemeint.

Das heißt, hier ist noch einiges zu tun, und ich will jetzt gar nicht herumkritisieren und nörgeln, sondern will einfach sagen, dass dieser Dialog erst begonnen hat und auch noch etwas zu regeln ist, nämlich Haftungsfragen. Patientinnen und Patienten können in einer immer komplizierteren Medizin und Behandlungstechnik natürlich zu Schaden kommen. Dieser Schaden geschieht selten grob fahrlässig, sondern meistens aus leichter Fahrlässigkeit, leichtem Verschulden, und PatientInnen sitzen vor Gericht immer am kürzeren Ast. Hier ist Sorge zu tragen, dass sich da etwas tut. Hier ist an einer Medizinhaftung zu arbeiten, wo alle daran Beteiligten, von Gesundheitsberufen, Pharmafirmen bis hin zu Produktherstellern et cetera pp., umfasst werden und ohne komplizierte zivilrechtliche Prozessordnung den Patienten Recht gesprochen wird, nach einem einfachen Prinzip der Verursachung.

Frau Bundesminister, ich hoffe, dass wir den Dialog fortsetzen und hier einiges voran­bringen. Dem Gesetz, so, wie es jetzt ist, können wir jedenfalls zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

14.44

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­langt Frau Bundesminister Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


14.45

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Das Medizinproduktegesetz, das heute hier zur Diskussion steht, dient vorwiegend der Umsetzung zweier EU-Richtlinien. Diese Richtlinien betreffen Medizin­produkte, die bisher schon Grundlage für das Medizinproduktegesetz waren, und sie nehmen zusätzlich Medizinprodukte auf, die in unterstützender Funktion stabile Blut­derivate enthalten.


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Mit der Regelung über die Instandhaltung und die hygienische Aufbereitung von Medi­zinprodukten wird auch ein verbesserter Schutz von Patientinnen und Patienten ge­währleistet. Gleichzeitig werden auch die notwendigen Rahmenbedingungen für die öffentliche Bereithaltung von Defibrillatoren geschaffen. Sie wissen, meine Damen und Herren, es war dieses Haus, das vor drei Jahren – und ich bin sehr stolz darauf, dass ich damals nicht unmaßgeblich daran beteiligt war – überhaupt erst die Möglichkeit ge­schaffen hat, dass Defibrillatoren auch von Sanitätsdiensten verwendet werden dürfen. In der Zwischenzeit hat sich die Technik so weit verbessert, dass auch Laien in der Lage sind, diese Geräte zu bedienen und damit Leben zu retten. In diesem Sinne noch einmal ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Gesetz stellt aber auch die datenschutzrechtliche Absicherung des Datenaus­tausches über Medizinprodukte und deren AnwenderInnen sicher, sodass im Bedarfs­fall rasch Informationen über eventuelle Fehlleistungen an die PatientInnen gelangen oder im Bedarfsfall entsprechende Rückholaktionen durchgeführt werden können.

Wichtig, meine Damen und Herren – und auch dafür möchte ich danken –, war auch der Abänderungsantrag, auf den sich alle vier Fraktionen verständigen konnten. Es war einmal mehr ein Hinweis der Abgeordneten Haidlmayr, was die Kosten für die Instand­haltung von Medizinprodukten – in ihrem Fall waren das die von ihr auch angesproche­nen elektrischen Rollstühle – anbelangt, dass die Übernahme dieser Kosten, die bisher von den Sozialversicherungen übernommen wurden, auch in Zukunft gewährleistet ist, auch dann, wenn nicht das gesamte Medizinprodukt oder der gesamte Rollstuhl von der Sozialversicherung angekauft wurde, sondern nur ein Kostenbeitrag geleistet wurde. Das ist für viele behinderte Menschen ganz, ganz wichtig, weil diese Kosten natürlich die normalen Möglichkeiten des Einkommens eines behinderten Menschen in der Regel überschreiten. Also auch dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte – Herr Abgeordneter Grüne­wald, Sie haben es jetzt angesprochen – ist natürlich ein erster Schritt und ist ein An­fang. Insofern bin ich aber froh, dass es diesen ersten Schritt gibt. 1999, also noch vor meiner Zeit als Gesundheitsministerin, ist dieser Text verfasst worden, das heißt, ich bin für den Inhalt noch nicht verantwortlich gewesen und wünsche mir auch, dass vieles noch im Inhalt verbessert würde. Aber nichtsdestotrotz bin ich froh, dass Vorarl­berg das siebente Bundesland ist, jedoch traurig, dass es noch nicht neun Bundeslän­der sind, die diese Patientencharta seit 1999 ratifiziert haben. Es fehlen uns immer noch die Bundesländer Salzburg und Wien. Ich bin froh zu hören, dass Salzburg auf einem guten Weg zur Ratifizierung ist, aber ich höre leider keine Signale aus Wien. Ich würde die KollegInnen aus Wien hier im Haus, auch von der sozialdemokratischen Fraktion, wirklich bitten, sich dafür einzusetzen, dass auch Wien diese Charta ratifiziert, damit sie endlich in Kraft treten kann und dann auch Verbesserungsvorschläge in dem Sinn, wie Kollege Grünewald das angeführt hat, umgesetzt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Tatsächlich sind ja diese Patientenchartas dazu da, um den Menschen in den Mittel­punkt zu stellen, den Menschen und seine Bedürfnisse, seine Rechte, und das muss uns allen ein Anliegen sein. Ich habe es bei der Gesundheitskonferenz und vorher schon beim Reformdialog immer wieder gesagt: Im Mittelpunkt unserer Gesundheits­reform und aller Reformschritte hat immer der Mensch zu stehen und das, was er zur Erhaltung seiner Gesundheit und zur Wiederherstellung seiner Gesundheit braucht.

Herr Kollege Grünewald, es wird nicht nur einer Patientencharta bedürfen, wir müssen viele der Dinge, die Sie angeschnitten haben, im Zuge der Gesamtreform mit einem großen Qualitätssicherungsgesetz entsprechend absichern, einem Qualitätssiche­rungsgesetz, das alle gesundheitlichen Bereiche umfasst, den intramuralen Bereich


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ganz genauso wie den extramuralen Bereich, die Pflegedienste und vieles andere mehr.

Es beschäftigt sich ja auch ein Gesundheitsdialog mit dem Bereich Qualitätssicherung, und ich denke, wir werden in den nächsten fünf bis sechs Monaten hoffentlich auch zu guten Ergebnissen finden.

Die dritte Vorlage, die wir heute diskutieren, beschäftigt sich mit einem Abkommen zwischen Österreich und der Weltgesundheitsorganisation anlässlich der 53. Tagung des Regionalkomitees, die schon im September stattgefunden hat. Natürlich sind alle Beschlüsse rechtzeitig im Ministerrat erfolgt, auch zwischen Österreich und der WHO. Die Behandlung im Ausschuss hat die Behandlung hier im Plenum erst heute möglich gemacht.

Darum bin ich auch in der glücklichen Lage, Ihnen sagen zu können, dass wir nicht nur eine hervorragende Konferenz abgehalten haben mit den Schwerpunkten psychische Gesundheit und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, sondern unter den mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch eine hohe Zufriedenheit sowohl mit den Inhalten der Konferenz als auch mit der Organisation der Konferenz erlebt haben – eine Begeisterung für Österreich wird letztendlich auch dem Tourismusstandort in Zu­kunft nicht schaden –, obwohl es uns im Zuge einer sehr sparsamen Verwaltung gelun­gen ist – ich habe gleich im März, als ich das Amt angetreten habe, gesagt, dass die Ausgaben zu durchforsten sind –, mit den Kosten für diese Konferenz unter der Hälfte der vorgesehenen Summe zu bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Italien, das die vorherige Regionalkonferenz auszurichten hatte, hat dafür 1,7 Millio­nen € ausgegeben, wir hatten 1,350 Millionen € veranschlagt. Die Prognose wurde dann auf 980 000 € reduziert, im Juli waren es noch 757 000 €. Wir sind dann letztend­lich unter 700 000 € geblieben, haben also den Betrag um knapp mehr als die Hälfte unterschritten und haben trotzdem eine hervorragende Konferenz abhalten können.

Meine Damen und Herren! Wichtiger waren aber die Inhalte dieser Konferenz, nämlich Kinder- und Jugendgesundheit und psychische Gesundheit, und das sind auch Schwerpunkte unserer Arbeit im Rahmen der Gesundheitsreform. Wir haben sie gestern in der Gesundheitskonferenz diskutiert, wo ich dankenswerterweise auch das große Arzneimittelpaket präsentieren konnte, das wesentliche Verbesserungen im Arzneimittelbereich bringt und wofür ich auch allen, die mit mir fünf Monate lang am Verhandlungstisch saßen, sehr herzlich danken möchte.

Dieses Arzneimittelpaket beinhaltet nämlich nicht nur Kostendämpfungsmaßnahmen, sondern das Wichtige ist, dass es im Prinzip ein Strukturpaket ist: Es verändert tat­sächlich die Strukturen im Arzneimittelwesen, sowohl was den Zugang der Patientin­nen und Patienten zu Arzneimitteln als auch was die Bürokratie in der Aufnahme von Arzneimitteln in das Heilmittelverzeichnis für die Pharmaindustrie anlangt. Es ist uns mit dieser Strukturreform gelungen, die Chefarztpflicht für Patientinnen und Patienten fallen zu lassen, die von vielen Versicherten oder von allen Versicherten als Schikane empfunden wurde und die es einfließend ab dem 2. Quartal 2004 nicht mehr geben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir werden gleichzeitig auch einen verstärkten Einsatz von Generika dadurch attrakti­ver gestalten, dass wir die Rezeptgebühr für Generika ungefähr um ein Drittel senken. Eine Kostenersparnis für Versicherte ist ganz wichtig, vor allem für Einkommens­bezieher im unteren Drittel und für Familien mit mehreren Angehörigen, mit mehreren Mitversicherten.


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Wir werden sicherstellen, dass die Preise für neue Arzneimittel, für neu zuzulassende, bisher chefarztpflichtige Arzneimittel auf EU-Durchschnitt sinken – sie waren bisher überhöht.

Wir werden für die Industrie ein transparentes und befristetes Verfahren für die Auf­nahme ins Heilmittelverzeichnis sicherstellen, und letztendlich werden wir auch eine geregelte und rasche Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Innovationen auf dem Heilmittelmarkt sicherstellen und mit einer Preisabsenkung nach Patentablauf die Medikamente preisgünstiger gestalten.

Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, neben den Strukturmaßnahmen auch tatsäch­liche Preisdämpfungsmaßnahmen zu erreichen im Ausmaß von rund 150 Millionen € im Jahr 2004 und in einem sogar etwas höheren in den Folgejahren. Es zeigt einmal mehr, dass es möglich ist, sparsam mit Geld, mit Geldmitteln umzugehen und trotzdem einen verbesserten Zugang zu den notwendigen Mitteln für die Versicherten zu schaffen.

Herr Kollege Lackner, du hast mir einige Stichworte gegeben, die du in der Gesund­heitskonferenz vermisst hast. Ich darf ganz bewusst die Krankenanstaltenfinanzierung aufgreifen, die du angeschnitten hast: Da magst du Recht haben, dazu habe ich nicht sehr viel im Detail gesagt. Ich habe aber sehr wohl im Rahmen der Gesundheitsreform, des Reformdialogs, aber auch bei der Gesundheitskonferenz festgehalten, wie das Ganze aussehen wird, dass es nicht zu punktuellen Maßnahmen kommen wird.

Und genauso wie ich beim Arzneimittelpaket darauf geachtet habe, dass es eine ganz­heitliche Reform ist, also dass nicht einzelne Punkte herausgegriffen werden, die wir auch gar nicht verkauft haben zwischendurch, obwohl wir Ergebnisse hatten, so möchte ich natürlich auch, dass die Krankenanstaltenfinanzierung ein ganzheitliches Paket ist. Wir arbeiten schon daran, sind schon bei der Analyse der Ursachen – wir wollen ja nicht Symptome bekämpfen, wir wollen ja Ursachen bekämpfen – und werden, wenn wir ein ganzheitliches Paket haben, dieses dann präsentieren. Ich lade natürlich alle ein, da mitzutun, sowohl bei der Analyse als auch der Reform.

Was den Hauptverband anbelangt, so hat es ein klares Bekenntnis zur Selbstverwal­tung sowohl vom Herrn Bundeskanzler als auch von mir schon mehrfach gegeben.

Ein Punkt, den du angesprochen hast, war das Altern in Würde. Ich denke, da bin ich wirklich unverdächtig, denn als eine derer, die schon vor 15 Jahren im Rahmen der Hospizbewegung mitgearbeitet haben an der Entwicklung des Hospizgedankens in Österreich, an der ersten Umsetzung, und als eine, die in den letzten zwei Nächten die aufopfernde Tätigkeit des Krankenpflegepersonals am Krankenbett eines sterbenden Angehörigen von mir erleben durfte, weiß ich, was da geleistet wird. Und es ist uns ein Anliegen, den Vier-Parteien-Antrag dieses Hauses zur Hospizbewegung auch tatsäch­lich im Zuge dieser Gesamtreform umzusetzen. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Was Pflegepersonal betrifft, das wir in dieser Frage natürlich brauchen, ist dir einiges entgangen. Es hat am 16. Oktober bereits eine Einladung zu einem großen Pflege­dialog gegeben, zu dem wir alle in Österreich tätigen Pflegeorganisationen eingeladen haben; das haben wir vorgestern bei der Gesundheitskonferenz auch präsentiert. Und es gibt schon Arbeitsmarktservice-Kurse zur Aufgraduierung von Pflegehelferinnen zu diplomierten Schwestern. Das sind zwei Versuche, die laufen, sehr erfolgreich laufen, und wir hoffen, dass wir das auch weiter ausbauen können. Aber wir brauchen generell ein System, das durchlässig ist, das in Modulen aufgebaut ist, das sowohl den ersten Bildungsweg als auch den zweiten Bildungsweg umfasst und das vor allem dem Kran­kenpflegepersonal die Möglichkeit eröffnet, auch zwischendurch in andere Bereiche auszuweichen.


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Wir werden auch noch über einen Kindergesundheitsplan und ein Rehab-Zentrum für Kinder reden.

Ich möchte mich abschließend ganz, ganz herzlich bedanken für die bisherige Zusam­menarbeit und dafür, dass diese drei Vorlagen einstimmig beschlossen werden, und möchte ersuchen, dass dieser Weg auch in den nächsten acht Monaten bis zur großen Gesundheitsreform im nächsten Sommer gemeinsam beschritten wird. – Danke. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 5 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Inneres betreffend Versagen des Innenministers bei der Kriminalitätsbe­kämpfung und Zerschlagung des österreichischen Sicherheitssystemes (1039/J)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 1039/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Österreich gehörte durch Jahrzehnte zu den sichersten Staaten der Welt. Eine hervor­ragend ausgebildete und motivierte Sicherheitsexekutive sorgte dafür, dass die Bürger in der Nacht ruhig schlafen konnten und ausländische Besucher darüber staunten, wie unbesorgt man sich hier fühlen konnte. Dieses Sicherheitsgefühl, das einen wesent­lichen Teil der Lebensqualität in diesem Land und auch der Attraktivität Österreichs als Wirtschaftsstandort ausmachte, bestand nicht nur subjektiv bei allen Menschen, die hier leben, sondern war auch objektiv nachweisbar: In allen Statistiken und internatio­nalen Vergleichen lag Österreich stets an der Spitze. Diese Spitze konnte nur durch ständige Bemühungen und Reformen gehalten werden, die natürlich auch etwas koste­ten. Auf diese Weise konnten auch die neuen Herausforderungen in der Bekämpfung der Kriminalität bewältigt werden, die sich nach dem Fall des Eisernen Vorhanges in den 90er Jahren ergaben. Trotz geöffneter Grenzen konnte die Kriminalität durch vereinte Anstrengungen der Politik und der Sicherheitskräfte rasch wieder auf unter 500.000 Straftaten pro Jahr gedrückt werden.

Seit dem Jahr 2000, dem Amtsantritt der schwarz-blauen Bundesregierung, hat sich dies drastisch geändert. Der Sicherheitsbericht für das Jahr 2002 weist wie für das vor­angegangene Jahr eine stark gestiegene Kriminalität in Österreich aus. Es wurden fast 600.000 Straftaten registriert, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 13,6 %. Im Vergleich dazu wurden 1999, dem letzten Jahr mit einem sozialdemokratischen Innen­minister, weniger als 500.000 Straftaten registriert. Seit dem Amtsantritt von Ernst Strasser ist also die Kriminalität in Österreich um fast 20% gestiegen. Besonders betroffen von dieser Negativentwicklung sind die Wienerinnen und Wiener: Seit 1999 hat es in der Bundeshauptstadt einen dramatischen Anstieg der Delikte gegen fremdes Vermögen gegeben.

Die innere Sicherheit und die Bekämpfung der Kriminalität zählen aber zu den zent­ralen Aufgaben des Staates und den Hauptaufgaben eines Innenministers. Ernst Strasser hätte dafür zu sorgen, dass die Menschen in diesem Land in Sicherheit leben


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und sich auch sicher fühlen können. Der Sicherheitsapparat, den Strasser übernom­men hat, hat jahrzehntelang dafür gesorgt, dass Österreich das sicherste Land der Welt war. Die Politik Strassers hat leider dazu geführt, dass sich das drastisch geän­dert hat. Im internationalen Vergleich gibt die sogenannte „Häufigkeitszahl“ Aufschluss über die Kriminalitätsbelastung in den einzelnen Staaten. Hier liegt Österreich mit 7.274 Straftaten pro 100.000 Einwohner deutlich hinter Ländern wie der Schweiz (5.865), Portugal (3.781), aber auch EU-Erweiterungsstaaten wie Polen (3.634) und Ungarn (4.144). Lediglich in Deutschland ist die Häufigkeitszahl und damit die Krimi­nalität etwas höher (7.893), hier wurde aber bereits einiges getan, um diesen Trend umzukehren (So werden beispielsweise in Bayern 1.400 neue Sicherheitsbeamte eingestellt).

Nun steht der oben erwähnten Steigerung der Kriminalität um 20% bei der Gesamtzahl der strafbaren Delikte seit 1999 laut den Sicherheitsberichten für 1999 und 2002 auch eine um 20% gesunkene Aufklärungsquote gegenüber. Das heißt, es steigt nicht nur die Zahl der Delikte, sondern auch die Zahl der ungeklärten Fälle. Insofern sind Strassers Zahlenspiele (wie zuletzt in der Pressestunde am 9. November) mit einer angeblich steigenden Aufklärung eine Verdrehung der Wahrheit. Die unaufgeklärten Fälle z.B. in Wien im Bereich der strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen sind von 72.486 Fällen im Jahr 1999 auf 139.052 Fälle im Jahr 2002 gestiegen, haben sich also fast verdoppelt. In Prozenten ausgedrückt: Die Aufklärungsquote hat sich in Wien von 34,9% 1999 auf 17,14% halbiert. Auf Bundesebene, wo seit 1999 eine Stei­gerung um 28% in dieser Deliktsgruppe zu beobachten ist, ist die Aufklärungsquote in diesem Bereich im selben Zeitraum um 29% gesunken.

Die mittlerweile für 2003 bekannt gewordenen Zahlen zeigen, dass eine Verbesserung der Situation nicht in Sicht ist. Schon jetzt ist klar, dass im Bereich der Eigentumskrimi­nalität eine weitere Steigerung der Deliktszahl gegenüber 2002 von mindestens 13% zu erwarten ist. Bei Diebstahl, Einbruchsdiebstahl und bei der Straßenraubkriminalität werden die Zuwächse noch beträchtlicher sein. Wieder hat Wien dank Strasser den unrühmlichen ersten Platz: Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres gab es in Wien um 30% mehr Diebstähle als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auf diese Zahlen angesprochen – so wie in der Pressestunde am Sonntag – nennt der Minister Phantasiezahlen von gestiegener Aufklärung und bedient sich dabei eines Zahlen­tricks. Es ist aber klar, dass in absoluten Zahlen bei gestiegener Deliktshäufigkeit auch die ausgeforschten Tatverdächtigen steigen. Mit anderen Worten: In einem vollen Teich ist leicht Fischen. Aussagekräftig ist aber in dem Zusammenhang lediglich die Aufklärungsquote und die wird auch im Jahr 2003 weiter sinken. Für die Wienerinnen und Wiener ebenfalls spürbar: Mehr als 24.000 zusätzliche Fälle, die nicht aufgeklärt wurden.

Diese Zahlen machen deutlich, dass Minister Strasser der Aufrechterhaltung der inne­ren Sicherheit keine prioritäre Bedeutung in seinem Handeln eingeräumt haben kann. Das einst sicherste Land der Welt mit der höchsten Aufklärungsquote von strafbaren Delikten ist auf dem besten Weg, in die Mittelmäßigkeit abzusinken bzw. innerhalb der EU auch hier vom Spitzenvertreter zum Schlusslicht zu werden.

In Anbetracht der Änderungen im Melde- und Fundwesen und der Auslagerung des verkehrsrechtlichen Zulassungswesens an die Versicherungen, erhebt sich die Frage, wie Strasser die dadurch frei werdenden Kapazitäten genutzt hat. Durch den Wegfall dieser Aufgaben hätte eine Konzentration auf die Kernbereiche der inneren Sicherheit erfolgen können. Minister Strasser hat aber seine bisherige Amtszeit hauptsächlich da­mit verbracht, politisch motivierte Versetzungen und Besetzungen im Innenministerium durchzuführen, um seine Parteigänger in hohe Positionen zu bringen. Dazu hat er unzählige hochqualifizierte Beamte versetzt oder in den Ruhestand geschickt, ohne auf


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die Aufrechterhaltung der hohen Qualität der Arbeit der Beamten des Ministeriums zu achten. Wertvolles Know-How wurde von Strasser nicht genützt oder vertrieben. Diese Vorgangsweise hat der Effizienz und der Produktivität des Innenministeriums gescha­det und ist eine der Hauptursachen für die abnehmende Leistung des Staates im Be­reich der inneren Sicherheit. Noch dazu zeigt sich jetzt, dass ein Großteil der von den Betroffenen angefochtenen Versetzungen rechtswidrig gewesen sein dürfte. Damit hat Strassers „Personalpolitik“ nicht nur keine Verbesserungen gebracht, sondern dürfte auch noch eine Menge Geld kosten, weil seine fragwürdigen Entscheidungen nun korrigiert und den Betroffenen adäquate Arbeitsplätze angeboten werden müssen. Im Gegensatz zu seinen Behauptungen in der Pressestunde am 9.11. wurden nämlich die von ihm angeordneten Versetzungen als rechtswidrig, weil unsachlich und willkürlich, erkannt.

Die parteipolitisch motivierte Personalpolitik ist aber bei weitem nicht die einzige Facette der verfehlten Politik Strassers, die zu einer Gefährdung der inneren Sicherheit geführt hat. Ohne Plan und ohne Sinn wurden an allen Ecken und Enden Kürzungen durchgezogen, die dazu führten, dass es nun deutlich weniger Planstellen gibt (die systemisierten Planstellen wurden nach uns vorliegenden Informationen seit 1.7.1999 bis 1.7.2002 von Minister Strasser um 1.357 reduziert, bis Mitte 2004 ist von einer weiteren Reduktion um ca. 700 Stellen auszugehen, von den verbliebenen sind noch dazu derzeit allein im Bereich der Sicherheitswache und den Kriminalbeamten 328 un­besetzt). Die Überstunden wurden drastisch reduziert und die Fahrzeuge der Exekutive (von denen es zum Stand 1.1.2003 um 225 weniger gab als zum Stand 1.1.2000) sind zum Teil in einem erbärmlichen Zustand. Salzburger Gendarmen klagten kürzlich, sie müssten Verkehrsteilnehmer wegen technischer Mängel ihrer Fahrzeuge bestrafen und säßen selber in weitaus desolateren Autos.

Auf die Personalkürzungen und die nicht besetzten Planstellen angesprochen, weicht Strasser regelmäßig aus und behauptet, dass durch Einsparungen in der Verwaltung nunmehr mehr Beamte auf der Straße ihren Dienst versähen. Diesen Behauptungen wird von den zuständigen Personalvertretern und den Experten massivst widerspro­chen. Diese Anfrage hat daher auch die Aufgabe, Bundesminister Strasser zur Beant­wortung dieser Fragen nach den genauen Zahlen anhand besetzter Planstellen das erste mal unter Wahrheitspflicht vor dem Nationalrat zu zwingen. Weicht er dem aus, ist klar, was das zu bedeuten hat.

Der österreichischen Bevölkerung fällt nämlich im Gegensatz zu Strassers Behauptun­gen auf, dass Wachzimmer und Gendarmerieposten geschlossen wurden, gewisse Posten gerade in der Nacht nicht mehr besetzt sind und die Präsenz der Exekutiv­organe auf der Straße oder bei Verkehrskontrollen dramatisch gesunken ist.

Verstärkt wird dieser Trend auch durch die Frühpensionierungsregelung der Bundes­regierung, die dazu führt, dass trotz massiver Pensionsabschläge hunderte Exekutiv­beamte in die Frühpension flüchten. Diese Zahlen machen auch das Klima deutlich, welches bei den Bediensteten des Innenministeriums herrscht: Angst vor willkürlichen Versetzungen, Frustration über permanente Organisationsänderungen, die hauptsäch­lich parteipolitisch motivierte Zielsetzungen verfolgen, aber nicht die Stärkung der inneren Sicherheit Österreichs im Auge haben und ein generell schlechtes Arbeits­klima, weil die Arbeitsbedingungen so verschlechtert wurden.

Für eine rasche Besetzung der freistehenden Planstellen, um die Sicherheitssituation in Österreich zu verbessern, ist es unabdingbar notwendig, dass gut ausgebildete PolizeischülerInnen ehebaldigst zur Verfügung stehen. Es wird daher auch zu hinter­fragen sein, wie viele dieser PolizeischülerInnen wann mit ihrer Ausbildung abschlie­ßen, um als Exekutivorgan tätig zu werden. Denn nur ausreichend gut ausgebildetes


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und hoch motiviertes Personal kann einen Erfolg bei der Verbrechensprävention, der Verhinderung und Aufklärung von Verbrechen garantieren.

Die Übernahme der Zollwachebeamten als Personalaufstockung im Innenministerium zu verkaufen, ist eine krasse Fehlinformation, wenn nicht bewusste Täuschung Strassers. Diese Beamten nehmen nämlich ihre Aufgaben der Grenzkontrolle und damit zusammenhängender Tätigkeiten zum Großteil mit, so dass es sich in Wahrheit um einen schlichten Aufgabentransfer vom Finanzministerium ins Innenministerium handelt. Die wenigsten Zollwachebeamten werden daher zusätzlich für polizeiliche Auf­gaben zur Verfügung stehen, solange Österreich Schengen-Außengrenzen hat. Das zeigen auch die uns vorliegenden Informationen zur geplanten Zuteilungen der etwa 1.050 Zollwachebeamten. Gerade einmal etwa 40 von ihnen sollen der BPD Wien zugeteilt werden, einer Behörde, der mindestens 1.000 Beamte fehlen.

Das „Kaputtsparen“ dieser Regierung macht also offenbar auch vor dem Innenministe­rium nicht Halt. Es gibt aber keine Sicherheit zum Nulltarif. Sicherheit kostet eben etwas. Mit weniger Geld, weniger Beamten und weniger Überstunden den selben hohen Standard aufrechtzuerhalten, für den Österreich berühmt war, bevor Strasser Innenminister wurde, kann nicht funktionieren. Vor allem dann nicht, wenn – wie sich Strasser immer wieder herauszureden versucht – die gestiegene Kriminalität einer angeblich weltweiten Entwicklung entspricht.

Ebenso fragwürdig ist Strassers Asylpolitik. Die jüngst von ihm durchgesetzte Asylge­setz-Änderung bringt Österreich an den politisch rechten Rand Europas und ist in mehrfacher Hinsicht verfassungs- und menschenrechtswidrig. Darauf wurde Strasser in aller Deutlichkeit mehrfach hingewiesen. Vertreter des UNHCR, Verfassungsexper­ten, das Rote Kreuz und auch seiner Partei nahestehende Hilfsorganisationen haben den Minister eindringlich ersucht, das Menschenrecht auf Asyl in Österreich nicht durch dieses nun beschlossene Gesetz leer laufen zu lassen. Durch die Einführung des Neuerungsverbotes vor dem UBAS, die Zurückweisung an der Grenze und einige andere haarsträubende Regelungen wird die Verpflichtung Österreichs gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention ignoriert und außerdem gegen österreichisches Verfas­sungsrecht verstoßen. Sogar der von Strasser wiederholt zitierte Prof. Matscher hat Bedenken gegen den Entfall der aufschiebenden Wirkung geäußert, was Strasser in bewährter Manier verschweigt.

Am 4. Februar 2000, bei seinem Amtsantritt, verkündete Minister Strasser vor den Spitzenbeamten seines Ressorts zum Thema „Polizeireform“ folgendes: „Mich interes­siert nicht das Ergebnis sondern der Prozess.“ Was von dieser Aussage zu halten war, wussten damals vermutlich noch die Wenigsten. Mittlerweile ist bekannt, dass Strasser die Sicherheit in Österreich – also das Ergebnis der Tätigkeit von Polizei und Gen­darmerie – offenbar weniger am Herzen liegt als die Ausübung seiner Macht durch parteipolitische Postenbesetzungen und Versetzungen und seine darin gefundene Selbstbestätigung – der von ihm so bezeichnete „Prozess“ der Polizeireform.

Strasser hat in diesem Rahmen ein an sich ambitioniertes Reformprojekt begonnen, nämlich die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei zu einem einheitlichen Wachkörper. Der diesbezügliche Erstvorschlag des von Strasser ins Leben gerufenen „Team04“ ist landauf, landab bereits hinlänglich bekannt, vor wenigen Tagen ist der Minister damit auch offiziell an die Öffentlichkeit gegangen. So ehrgeizig das Ziel dieses Projektteams war, so enttäuschend ist aber der nun präsentierte Reformvor­schlag. Es ist zu erwarten, dass dieses Vorhaben lediglich der Förderung parteipoliti­scher Interessen Strassers dienen wird. Zahlreiche Führungspositionen werden nach den Organisationsänderungen neu zu besetzen sein, was sich Strasser zu Nutze machen will.


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Das Konzept ist auf eine massive Macht- und Personalkonzentration beim vom Innen­ministerium aus gesteuerten neuen Wachkörper „Polizei“ ausgerichtet und bedeutet nichts anderes als die Strukturierung der Sicherheitsexekutive nach einem militärisch-hierarchischen System unter zentralistischer Leitung. Durchgängig soll in ganz Öster­reich das Gendarmeriemodell zur Anwendung kommen. Schon bei der missglückten Wiener Polizeireform, wo das Rayonsprinzip der Kriminalpolizei durch das Fachgrup­penprinzip ersetzt wurde, hat die Exekutive auf ihrer bürgernächsten Ebene ihre „in die Bevölkerung hinein“ organisierte Struktur verloren und die BürgerInnen verloren im Gegenzug ihre Ansprechpartner bei der Polizei. Gerade auf Bezirks- bzw. Gemeinde­ebene wären aber gleichbleibende Ansprechpartner eine wichtige Service- und Akzep­tanzvoraussetzung. Der Sicherheitsapparat droht durch diese Abkoppelung zu „erblin­den“.

Die Zusammenlegung bringt weiters – so wie sie geplant ist – im Ergebnis die Auf­lösung von Bundespolizeidirektionen außerhalb Wiens und deren Zusammenlegung mit einem jeweils benachbarten Bezirksgendarmeriekommando. Daneben sollen zahl­reiche Bezirksgendarmeriekommandos durch Zusammenlegungen de facto aufgelöst werden. Dass diese Vorgänge von Strasser dazu genutzt werden, weitere unliebsame Mitarbeiter zu entfernen bzw. zu versetzen, steht nach den Erfahrungen mit ihm als Innenminister völlig außer Zweifel.

Derzeit sind den „Bundespolizeidirektionen“ als zuständigen Sicherheitsbehörden jeweils als uniformierte Wachkörper die Bundessicherheitswache (die „Polizei“) und ein Kriminalbeamtenkorps beigegeben. Behörden- und Wachkörperleitung fallen zusam­men, sie unterstehen beide dem Polizeidirektor, der für die gesamte Tätigkeit verant­wortlich ist. Das entspricht der österreichischen Rechtsordnung insofern, als diese vor­sieht, dass sich die Rechtsmacht der Exekutivorgane als Hilfsorgane von der Rechts­macht der Behörde, der sie beigegeben sind, ableitet. Eine Verselbständigung der Wachkörper im innerdienstlichen Bereich besteht zwar historisch bedingt für die Gen­darmerie, jedoch ist auch diese der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft unterstellt und folgt deshalb im Aufbau der Bezirksorganisation. Die Verantwortung für die staatliche Aufgabenerfüllung hat immer bei der Behörde zu liegen. Dazu ist den Behörden not­wendigerweise eine wirksame und gesamthafte Führungsfunktion über ihnen als Organe beigegebene Wachkörper einzuräumen.

Eine vollkommene Verselbständigung der Wachkörper, wie sie nun geplant ist, steht dieser rechtsstaatlichen Tradition diametral gegenüber und entspricht weder den Vor­stellungen des einfachen noch denen des Verfassungsgesetzgebers. Durch die ge­plante Herauslösung der Wachkörper aus den jeweiligen Sicherheitsbehörden werden letztere hinkünftig in die Rolle von Bittstellern versetzt, die zwar Aufträge an den Wach­körper erteilen können, aber wann und wie diese umgesetzt werden und in welcher Priorität, entscheidet der Wachkörper autonom. Abgesehen von damit einhergehenden Doppelgleisigkeiten und Reibungsverlusten eines solchen Systems, sind die Behörden zwar weiter für die Tätigkeit der Wachkörper verantwortlich, sie können diese aber in keiner Weise beeinflussen. Der Wachkörper gehorcht nur mehr Einem, dem Innen­minister, der aber rechtlich für deren Tätigkeit nicht verantwortlich ist . Außerdem hat der Innenminister in Zukunft nicht nur die Auftragserteilung und die Auftragserfüllung, sondern auch die gesamte Steuerung des Informationsflusses in allen sicherheits-, kriminal- und staatspolizeilichen Bereichen und damit die Überwachung der Bürger fest in der Hand, wiederum ohne rechtlich verantwortlich zu sein, mit Ausnahme der An­klageerhebung vor dem Verfassungsgerichtshof, für die die Zustimmung seiner eige­nen Regierungsmehrheit erforderlich ist und zu der es deswegen nie kommen wird.

Nicht eben Projektmanagement-Qualitäten hat Strasser auch bei dem Projekt ADONIS (bundesweites Behördenfunknetz) bewiesen. Dieses für die Exekutive und die Ret-


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tungskräfte wichtige Vorhaben ist komplett gescheitert. Bereits die Ausschreibung und Auftragsvergabe erfolgte in bislang ungeklärten dubiosen Umständen und auch die Tatsache, dass das Finanzministerium nicht involviert war, obwohl das Budget des Innenministeriums über mehrere Jahre und in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen Euro belastet worden wäre, erscheint fragwürdig. Der Betreiber mastertalk erklärte im Juni dieses Jahres überraschend die Beendigung des Vertrages gegenüber dem BMI. Offenbar war die Aufrechterhaltung des Vertrages für mastertalk aus verschiedenen, vom Innenminister zu vertretenen Gründen nicht zumutbar. Von mastertalk wurde dem BMI gegenüber ein Schaden in der Größenordnung von zumin­dest hundert Millionen Euro geltend gemacht. Über diesen Anspruch ist derzeit ein Schlichtungsverfahren anhängig und es ist zu befürchten, dass dem Steuerzahler durch das Scheitern des Projektes hohe Kosten erwachsen. Eine Rechnungshofson­derprüfung ist mittlerweile auf Verlangen der SPÖ anhängig.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres folgende

Anfrage:

1. Wie erklären Sie sich die dramatische Steigerung der Gesamtzahl der Delikte im Jahr 2002 um 20% auf fast 600.000 im Vergleich zum Jahr 1999? Warum ist gleich­zeitig die Aufklärungsquote um 20% gesunken?

2. Was ist der Grund für das enorme Ansteigen der Vermögensdelikte von 1999 bis 2002 um 28%?

3. Warum hat die Aufklärungsquote aller gerichtlich strafbaren Handlungen im Jahr 2002 mit 40,79% einen Rekord-Tiefststand erreicht?

4. Ist für das Jahr 2003 ein weiterer Anstieg der Gesamtzahl der Delikte zu erwarten? Wenn ja, in welchem Ausmaß und wie erklären Sie sich das?

5. Ist aus den Ihnen zugrunde liegenden Informationen ein signifikantes Ansteigen der Delikte in einzelnen Deliktgruppen zu ersehen? Wenn ja, in welchen Deliktgruppen ist dies der Fall und wie erklären Sie sich dies?

6. Warum haben Sie nicht Vorsorge gegen den Anstieg der Kriminalität, der aufgrund der Öffnung der Grenzen zu erwarten war, getroffen?

7. Nach Ihren Aussagen über eine notwendige Aufstockung des Sicherheitspersonals: Wo fehlen wie viele Exekutivbeamte aufgegliedert nach Bundesländern bzw. Behörden und Wachkörpern? Wieviele Planstellen sind insgesamt derzeit systemisiert, wie viele davon unbesetzt? Wieviele waren es zum Stichtag 12. November 2002?

8. Wie viele Beamte Ihres Ressorts haben mit Stichtag 11. November 2003 beantragt, aufgrund der unsozialen Pensionskürzungen der Regierung in den Vorruhestand zu treten und wie viele Beamte werden voraussichtlich noch einen solchen Antrag stellen? Welche Vorsorge haben Sie für die notwendigen Nachbesetzungen getroffen?

9. Wie viele Polizeischüler stehen derzeit in Ausbildung (ohne die Hinzurechnung von Weiterbildungsmaßnahmen)? Wie viele Beamte wurden im Jahr 2002 aus den Polizei­schulen ausgemustert? Wieviele werden es 2003 sein, wieviele 2004? Wieviele Neu­aufnahmen wird es 2004 geben und wann werden diese auszubildenden Beamten für den Exekutivdienst zur Verfügung stehen?

10. Wie viele Beamte werden Sie von der Zollwache übernehmen, welche Aufgaben müssen von diesen ehemaligen Zollwachebeamten „mitgenommen“ und daher weiter


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erfüllt werden und wann werden wieviele Zollwachebeamte tatsächlich für Zwecke der Sicherheitsexekutive zur Verfügung stehen?

11. Werden Sie in Anbetracht der festgestellten Rechtswidrigkeit der Versetzungen in Ihrem Ressort die betroffenen Personen nunmehr auf ihren angestammten Arbeitsplatz zurückversetzen oder ihnen zumindest gleichwertige Posten anbieten? Welche Mehr­kosten werden durch die nun festgestellte Rechtswidrigkeit Ihrer Versetzungen an­fallen?

12. Nach dem Vorliegen des Projektentwurfes von Team04: Welche Bezirksgendarme­riekommanden werden in Kärnten zusammengelegt? Welche Gendarmerieposten wer­den zu temporären Dienststellen umgewandelt?

13. Welche Bezirksgendarmeriekommandos sollen in den übrigen Bundesländern zu­sammengelegt werden? Wieviele Gendarmeriekommandos werden dadurch de facto geschlossen? Wieviele Planstellen gehen dadurch verloren? (jeweils Aufschlüsselung nach Bundesländern)

14. Wieviele Arbeitsplätze (systemisierte Planstellen) sollen durch die nun vorgestellte Reform im Bereich der Sicherheitswache, der Bundesgendarmerie, des Kriminaldiens­tes und der Sicherheitsverwaltung eingespart werden?

15. Welche Einsparungen ergeben sich nach dem neuen Dienstzeitmodell? Mit wel­chen Verlusten müssen E2a-Beamte im neuen Dienstzeitmodell rechnen?

16. Sind Sie der Auffassung, dass sich die durch die Reduzierung von E1- und E2a-Planstellen geminderten Karrierechancen jüngerer Beamter motivierend auf diese aus­wirken?

17. Welche Einsparungen werden durch die Pauschalierung der Reisegebühren, der Neudefinition des Dienstortes sowie der Zuteilungs- und Trennungsgebührenrechnung erwartet, und mit welchen finanziellen Verlusten haben die betroffenen Beamten zu rechnen?

18. Welche Einsparungen bringt die von Ihnen geplante Zusammenlegung der Wach­körper bis zum Ende des Jahres 2006 in Summe?

19. Gegen wie viele Beamte des BMI wird mit Stichtag 10. November 2003 durch das Büro für Interne Angelegenheiten ermittelt (Aufschlüsselung auf Zentralstellen, Wach­körper und Bundesländer)?

20. Warum weigern Sie sich, Ihre bisherigen angeblichen Reformen bzw. das Projekt von Team04 von einer internationalen Expertengruppe evaluieren zu lassen?

21. Warum versuchen Sie, allfällige Ergebnisse des Österreich-Konvents, der sich auch mit der Frage des Verhältnisses der Wachkörper zu den Sicherheitsbehörden beschäftigt, durch das Team 04-Projekt zu präjudizieren?

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Josef Cap als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. 20 Minuten Redezeit. – Herr Kollege, the floor is yours.

 


15.01

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir sind ja seit längerem mit der Tatsache konfrontiert, dass es eine sich entwickelnde Sicherheitsde­batte bei uns in Österreich gibt. Diese Sicherheitsdebatte hat natürlich ihre Gründe, und diese Gründe sind natürlich an Hand von realen Zahlen ablesbar. Vor allem das


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Jonglieren und Gaukeln des Innenministers in den letzten Wochen eben mit diesen Fakten, Daten und Zahlen zeigt, dass er ein schlechtes Gewissen hat, zeigt, dass er in Wahrheit die wirkliche Datenlage kennt und dass er sich bemüht, diese Daten- und Faktenlage in der öffentlichen Debatte zu verbergen. Anders formuliert: Der Minister will sich seine Wirklichkeit selbst schaffen und selbst definieren.

Unsere Aufgabe ist es, das im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, deren Sicher­heitsgefühl immer mehr reduziert wird, die immer mehr verängstigt werden, einmal zu durchleuchten und Druck auszuüben, damit sich die Sicherheitssituation in Österreich endlich verändert. – Deshalb die heutige Dringliche, wodurch der Innenminister unter Wahrheitsverpflichtung angehalten ist, auf Fragen auch entsprechende Antworten zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

In diese Diskussion schwingt mehr mit. Es geht nicht nur um die Frage der Lebens­qualität in Österreich, worauf wir stolz waren, weil wir wirklich über Jahre und Jahr­zehnte ein gutes Lebensgefühl entwickeln konnten: in Sicherheit am Abend spazieren gehen, wo und wann man will, einmal vielleicht das Auto unverschlossen stehen lassen. (Abg. Großruck: Das darf man gar nicht!) Heute können Sie zum Beispiel auf dem Parlamentsparkplatz die Autos nicht einmal mehr verschlossen stehen lassen, wie wir wissen. Sogar hier vor unserer Tür sind schon Autos aufgebrochen worden, falls Sie das noch nicht bemerkt haben. Schauen Sie schnell hinaus, ob das nicht gerade wieder der Fall war! (Abg. Neudeck: Haben Sie ein Alibi für die Zeit, wo eingebrochen worden ist?)

Das heißt, im Bereich Sicherheit ist eine Entwicklung festzustellen, die die Lebens­qualität beeinträchtigt, die den Wirtschaftsstandort Österreich beeinträchtigt, die die In­vestitionsbereitschaft und – was auch von großer Bedeutung ist – vor allem den Touris­mus, einen nicht unwesentlichen Wirtschaftsfaktor, beeinträchtigt. Je bekannter das wird, je schlechter die Sicherheitslage in Österreich.

Darüber kann man sich auch nicht hinwegturnen mittels eines geneigten Einladers. In der vorletzten Sendung „Offen gesagt“ war der Herr Innenminister eingeladen, der Sekundant des Innenministers in Gestalt des Herrn Horngacher, der Justizminister, ein Experte, der so tut, als ob er Experte wäre, dessen Aufgabe es war, ständig so zu tun, als ob er mit Expertenuntersuchungen die Grundlage für die so genannte Polizeireform lieferte, und zu guter Letzt die berühmte Frau Schuh, bei der fünf Mal eingebrochen wurde. Auf die Frage, wann, hat sie dann allerdings gesagt: In den siebziger Jahren!

Die Konzeption solch einer Diskussionssendung muss man sich vor dem Hintergrund vorstellen – und das ergibt der Sicherheitsbericht für das Jahr 2002 –, dass wir fast 600 000 Straftaten registrieren mussten und dass das eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 13,6 Prozent bedeutet. Seit dem Amtsantritt dieses Unsicherheitsministers ist die Kriminalität in Österreich um fast 20 Prozent gestiegen und die Aufklärungs­quote um 20 Prozent gesunken. – Das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

Dort, wo besonders drastisch an der Zerstörung der Sicherheitsstruktur gearbeitet wurde, nämlich in Wien, hat sich die Situation besonders dramatisch entwickelt. In Wien ist im Bereich der strafbaren Handlungen – wir sprechen jetzt immer von strafba­ren Handlungen gegen fremdes Vermögen – die Zahl von 72 486 Fällen im Jahre 1999 auf 139 052 Fälle im Jahre 2002 gestiegen. Die Aufklärungsquote hat sich in Wien von 34,9 im Jahre 1999 auf 17,14 Prozent halbiert. Die Vergleichszahlen auf Bundesebene: 28 zu 29 Prozent.

Das ist ein glattes Nicht genügend für Sie, Herr Innenminister! Sie haben nicht für mehr Sicherheit gesorgt, Sie haben für weniger Sicherheit gesorgt! (Abg. Wattaul: Bist leicht du a Weaner?) – Sie sollten sich nicht so aufblasen, denn Ihre Partei hat jahrelang mit der Sicherheitspolitik versucht, in unserem Land Politik zu machen. Jetzt sollten Sie mit


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Ihren 11 Prozent einmal Sendepause haben! – So weit zu Ihnen, damit Sie sich aus­kennen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Für 2003 ist wiederum ein Ansteigen der Delikte um 13 Prozent zu erwarten. Das be­trifft Diebstahl, Einbruchsdiebstahl, Straßenraubkriminalität. Jetzt sage ich Ihnen etwas: Und das alles in Kombination mit Ihrer Kaputtsparstrategie, die Sie schon seit länge­rem entwickeln, Herr Innenminister! (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Das hat auch Auswirkungen auf die Beamten in diesem Bereich: mehr Druck, mehr Stress! Das hat Auswirkungen auf die Beamten bei ihrer täglichen Arbeit. Wissen Sie, was die Botschaft dieser Politik dieser Regierung und des Innenministers ist? – Wenn die Diebsbanden im Ausland beieinander sitzen und Pläne machen, wo sie ihre nächste Eurotour starten, dann wird Österreich an vorderster Stelle liegen. Angesichts der Aufklärungsquote, angesichts dessen, was hier an Stellen reduziert wurde, was hier im Sicherheitsapparat eingespart wurde, ist das eigentlich ein idealer Platz, um unsere Diebstouren zu veranstalten, werden sie sagen. (Abg. Rädler: Das ist lächer­lich!)

Das ist die Botschaft! – Aber so, sage ich Ihnen, wird Österreich nicht sicherer, wenn diese Botschaft noch weiter ausgesendet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas kommt dazu. Das Wort „Reform“ hat bei dieser Regierung im Allgemeinen, aber bei Innenminister, bei Unsicherheitsminister Strasser im Besonderen fast schon die Attitüde einer gefährlichen Drohung. Nicht umsonst wissen wir – übrigens aus Untersuchungsergebnissen in der Bevölkerung –, dass das Wort „Reform“ längst nicht mehr positiv besetzt ist. (Rufe bei der ÖVP: SPÖ!) Es ist im Zuge der schwarz-blauen Regierung negativ besetzt worden. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.)

Die Art und Weise, wie Sie mit höchst qualifizierten Spitzenleuten in Ihrem Apparat um­gegangen sind, wie Sie diese förmlich hinausgeschasst haben, wie Sie somit auf wertvolles Know-how verzichtet haben – wie erst kürzlich festgestellt wurde, war es zum großen Teil schlicht und einfach rechtswidrig, wie Sie die Versetzungen in die Wege geleitet haben (Abg. Dr. Gusenbauer: Unerhört!) –, daraus muss man auch ein ziemlich gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat erkennen, nicht nur zu der Verfassung, wie einzelne Sprüche des Verfassungsgerichtshofes ja schon bewiesen haben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Es ist unerhört!)

Das scheint Ihnen gleichgültig zu sein. Sie sehen irgendwo die Chance, einen freien Platz mit einem Ihnen parteipolitisch nahe Stehenden, sprich ÖVP-Parteigänger (Abg. Dr. Gusenbauer: Aus Niederösterreich!), besetzen zu können, und flugs, schon wird das in die Wege geleitet – egal, ob es rechtlich in Ordnung oder nicht in Ordnung ist! Und dagegen muss man im Interesse der Bevölkerung, die daran interessiert ist, dass es in Wahrheit mehr Sicherheit gibt, Protest einlegen. (Zwischenruf des Abg. Schöls.)

Sie haben einfach eingespart. Der Herr Finanzminister hat Ihnen irgendeine Marke ge­geben, Sie haben das anscheinend noch selbst weiterentwickelt, und das hat dazu ge­führt, dass es bei den systemisierten Planstellen nach uns vorliegenden Informationen vom 1. Juli 1999 – wir schreiben das in der Dringlichen, damit Sie auch dazu Stellung nehmen können – bis 1. Juli 2002 um 1 357 Stellen weniger gibt. Bis Mitte 2004 werden es weitere 700 Stellen weniger sein. Bei den Überstunden haben Sie auch Druck ausgeübt. Auch dort wurde drastisch reduziert.

Was für ein Beamtenbild steht dahinter, Herr Minister? – Ihrer Meinung nach sind die österreichischen Sicherheitsbeamten Faulpelze! Ungerechtfertigte Überstunden ma­chen sie, unterbeschäftigt sind sie, da kann man weitere Planstellen abbauen. – Das ist die Politik, die Sie verfolgen, und das ist ein Skandal in Bezug auf die fleißigen


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Beamten, die sich für die Sicherheit Österreichs engagieren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Im Übrigen muss sich das im öffentlichen Dienst schon herumgesprochen haben, wenn man nur an die Personalvertretungswahlen in Salzburg denkt, wo die ÖVP massive Verluste in Kauf nehmen musste, weil man eben merkt, welchen Stellenwert der öffent­liche Dienst in den Augen dieser Regierung, aber auch im Speziellen in den Augen dieses Unsicherheitsministers letztendlich einnimmt.

Wissen Sie, was besonders empörend ist? (Rufe bei der ÖVP: Cap! Cap!) Wenn Sie hier versuchen, die Bevölkerung an der Nase herumzuführen (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist besonders arg!), sich so quasi wie ein Gaukler mit den Zahlen hinzustellen und zu sagen – der berühmte Aspekt, den offensichtlich eine Werbefirma dem Innenminis­ter eingeredet hat –: Da gibt es plötzlich 550 im operativen Dienst, die vorher irgendwo faul in der Verwaltung herumgelungert sind. – Die Personalvertreter bestreiten, dass das so ist. Also wer hat Recht? Ich weiß, nach Ihrer Diktion hat ein Personalvertreter grundsätzlich nie Recht und der Innenminister grundsätzlich immer Recht. Das ist Ihre Geisteshaltung, die Sie haben, aber Sie sollten da auch einen demokratischeren Zugang haben.

Dann wollen Sie der Bevölkerung – in der „Pressestunde“, aber Sie lassen es auch in den Zeitungen schreiben – einreden: Da gibt es 930 bei der Zollwache, ganz gierig dar­auf, endlich im Sicherheitsdienst eingesetzt zu werden, bereits qualifiziert. – Falsch! Solange wir das Schengener Abkommen haben, werden diese 930 nicht einsetzbar sein, auch sie werden erst eingeschult werden müssen. Und jene 40, die Sie anschei­nend in Wien einsetzen wollen, müssen natürlich auch erst eingeschult werden. – Ist Ihnen auch Wurscht, Sie haben ja am liebsten Hilfssheriffs, die berühmten 740 Neu­aufnahmen, die den Stern verpasst bekommen, mit der Waffe herumwacheln können und schon im Einsatz sind. – Na danke schön, noch mehr Unsicherheit! Es muss natür­lich zwei Jahre Ausbildung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder: Polizeischüler. Sie sagen, 540 Polizeischüler können wir faktisch gleich einset­zen. – Falsch! Ein Teil wird erst im Jahr 2004, der andere Teil im Jahr 2005 so weit sein. Sagen Sie das den Bürgerinnen und Bürgern!

Und schon gar nicht dazu sagen Sie, dass natürlich auch Hunderte in Pension gehen, und auf Grund der völlig absurden, ungerechten, unsozialen – im Vergleich zu den anderen, die das nicht können – Aktion dieser Bundesregierung mit den Frühpensio­nierungen verlieren Sie noch einmal Hunderte im Sicherheitsapparat. (Abg. Dr. Gusen­bauer: Unerhört! Empörend!) – Wieder mehr Unsicherheit, wieder werden Sie einzelne Posten zusammenlegen, wieder werden in der Nacht einzelne Posten nicht besetzt sein! Man wird anrufen, und die Polizei wird nicht zu Hilfe kommen. Demotivierte Beamte werden dort anzutreffen sein, wenn sie überhaupt noch dort sitzen.

Sie zerstören den österreichischen Sicherheitsapparat! Das ist ein Wahnsinn, und das muss man hier endlich einmal in aller Deutlichkeit darstellen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Gusenbauer: Man traut sich nicht mehr auf die Straße!)

Sie haben heute endlich Gelegenheit, zu den Fragen unter Wahrheitspflicht Stellung zu nehmen. Sie können sich auch ein bisschen mathematisch-begrifflich äußern und Ver­hältnisse aufzeigen: Was ist eine Aufklärungsrate oder -quote, die natürlich im Verhält­nis zum Gesamten steht, und was sind die absolut aufgeklärten Fälle? Das war ja Ihr Obertrick, den Sie in der Öffentlichkeit verbreitet haben: Natürlich, wenn es immer mehr und mehr Delikte gibt, dann kann es schon sein, dass die absolute Zahl der aufgeklärten Fälle ein bisschen ansteigt, aber es geht uns ja um die Quote, um das Verhältnis zu den Delikten, die stattgefunden haben.


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Heute können Sie sich nicht darum herumschwindeln. Nach Ihrer Beantwortung wer­den Abgeordnete von unserer Seite sprechen, und wenn heute nicht endlich einmal die Zahlen klar genannt werden, wenn Sie nicht endlich einmal reinen Wein einschenken, dann wird ordentlich Kritik geübt werden von den nachfolgenden Rednerinnen und Rednern. Rumdrucksen gibt es da heute nicht, die Stunde der Wahrheit ist gekommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zur Ankündigung der Polizeireform – das ist ja das Beste –, und zwar mit einem Augenaufschlag sondergleichen. Der Herr Minister bemüht sich, einen unschuldigen Augenaufschlag zu entwickeln, aber es gelingt ihm natürlich nicht mehr, schon seit langem nicht mehr. Der liberale Lack ist ab!

Polizeireform – was sagen eigentlich die Kommentatoren in den Zeitungen dazu? Man kann ja über die verschiedenen Reformen – wir haben ja Vorschläge gemacht –, über die 25 Sicherheitsregionen, über Zusammenlegungen reden, man kann über Effizienz nachdenken, so ist es ja nicht, unsere Vorschläge liegen ja schon auf dem Tisch, aber nehme ich die alles andere als linksradikale Zeitung, nämlich die „Kleine Zeitung“, in die Hand, dann lese ich in einem Leitartikel von Stefan Winkler, Seite 8 – Sie sollten bis zur Seite 8 blättern, nicht immer nach den ersten zwei Seiten aufhören –:

„Exekutive Neu:“ – Doppelpunkt, steht hier. – „Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre“. – Das fängt schon einmal sehr gut an, Herr Minister.

Stefan Winkler schreibt diese Polizeireform betreffend Folgendes: „Wird er“ – der Innenminister – „die Verschmelzung als Vehikel missbrauchen, um die Exekutive ein­zuschwärzen?

Die bisherige Erfahrung macht argwöhnisch.“ – Ja, mich auch! – „Strasser beteuert zwar mit Unschuldsmiene“ – wie immer, vielleicht jetzt gerade auch –, „sein Ministe­rium trage als einzige Couleur Rot-Weiß-Rot. Doch angesichts der harten Fakten ist das nicht mehr als ein abgeschmackter Zynismus.

Die Absetzung verdienter Generäle wie Franz Schnabl und Oskar Strohmeyer zeigte, dass das liberale Image, das Strasser zu Beginn seiner Amtszeit vermittelte, Schminke war. Der Lack wies bald Risse auf, darunter zum Vorschein kam ein beinharter Macht­politiker, der den Kirchturm-Stalinismus seiner politischen Heimat, der niederösterrei­chischen ÖVP, nicht länger zu verleugnen vermag.“ (Beifall bei der SPÖ.)

Da kann man nur applaudieren. Das war eine klare Analyse, die natürlich die volle Zustimmung finden kann.

Denn worum geht es dabei? Man kann das zwar Reform nennen, aber man kann natürlich davon ausgehen, dass bei jeder strukturellen Veränderung, die wir da vor uns sehen, natürlich auch auf den verschiedenen Ebenen neue Positionen und Posten auszuschreiben sind. Da bekommt er ja ganz glänzende Augen, der Innenminister, bei dem Gedanken daran. Da wird es ihm ja ganz wohlig und ganz warm. – Ein wissendes Lächeln aus den FPÖ-Reihen; die wissen, wovon ich spreche. Sie müssen selbst geplagt zusehen, dass sie für die Besetzungen keine Leute zur Verfügung haben, die ÖVP aber im Dutzend immer wieder.

Wie gesagt, ein Schreibtisch wird frei, eines der letzten verbliebenen Postenkomman­den ist frei – und schon huschen dort der ÖAAB und die ÖVP und alle geschlossen rein, manchmal sogar drei Leute für zwei Sessel, was dann vielleicht doch zu einer Ausweitung der Positionen führt, von der er spricht. – Erst dann und nicht, wenn die Sicherheit es erfordert! Erst dann, wenn die Projektgruppe „Team04“, die ja anschei­nend auch eine Projektgruppe zur Postenbesetzung ist, zu dem Schluss kommt: Wenn wir die zwei Strukturen zusammenlegen, hätten wir drei Leute und nur zwei Posten. Das erzeugt Unsicherheit, man muss daher um einen Posten erweitern! Das ist dann


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vielleicht Grund dafür, dass der Herr Innenminister den erstmals liberalen Gesichtsaus­druck bekommt und sagt: Na gut, na ja, dann installieren wir dort vielleicht doch einen dritten Posten.

So ungefähr läuft das, aber die Sicherheitspolitik bleibt auf der Strecke, sie interessiert niemanden. Und das ist das Verhängnis: dass hier mit Steuergeldern letztendlich her­umgeworfen wird, vermeintlich von Sparen gesprochen wird – dort, wo man wirklich sparen soll, wird allerdings nicht gespart –, dass Sie aber dort kaputtsparen, wo Sie der Meinung sind, dass Sie Ihre Postenbesetzungsstrategie auch wirklich umsetzen können. – Und das ist ein Skandal!

In Wien fehlen 1 000 Beamte. 40 haben Sie jetzt in Bewegung gesetzt, 1 000 fehlen! Sie tragen die Verantwortung, vor allem in den städtischen Bereichen; es geht ja nicht nur um Wien, sondern man kann ein Ansteigen der Deliktshäufigkeit in den verschie­densten städtischen Bereichen verzeichnen. Dazu fällt Ihnen nichts anderes ein, als herumzureden, ein bisschen zu stottern und von einer Polizeireform zu reden, die, so wie es jetzt aussieht, zu einer Massenbesetzungsorgie für ÖVP-Parteigänger wird. Das ist es in erster Linie. Eine ÖVP-Parteipolizei wird es dann möglicherweise sein, wenn man sich die Struktur ansieht, die dafür letztendlich geplant ist.

Ich sage Ihnen noch etwas zu dieser Reform, die Sie hier durchziehen wollen. Es bleibt mir nur noch – das Lichtlein blinkt –, einen Gedanken hinzuzufügen: Sie wollen das auch sehr zentralistisch durchorganisieren; nach dem Gendarmeriemodell, wie man mir sagt. Also eine Macht- und eine Informationskonzentration sondergleichen!

Anders formuliert heißt das: Der Wachkörper, wie wir zu Recht formulieren, wird nur mehr einem gehorchen, nämlich dem Innenminister, der aber rechtlich für dessen Tätigkeit nicht verantwortlich sein wird. Das wird dazu führen, dass Sie künftig den gesamten Informationsfluss in allen sicherheits-, kriminal- und staatspolizeilichen Be­reichen werden lenken können. Da wird sogar Herr Fouché der berühmte französische Polizeiminister Ende des 18. Jahrhunderts, falls Sie ihn nicht kennen –, der Ihnen hier offensichtlich als Vorbild dient, vor lauter Neid blass im Gesicht. Solch eine Konzentra­tion ist gigantisch.

Ich kann Ihnen nur sagen, da bekommt man Angst, auch was diese Konzentration an Überwachungskompetenzen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in einer Hand betrifft.

Resümierend muss ich, auch im Bewusstsein, dass Kritiker bei Ihnen entweder abge­setzt oder kaltgestellt werden, feststellen, dass Sie an einer reflektiven Debatte gar nicht interessiert sind und dass Sie Ihre Reform nur dafür einsetzen, um machtpolitisch zu reüssieren, um Posten zu besetzen.

Anders formuliert: Das Ergebnis Ihrer Politik bringt weniger Sicherheit, bringt Posten­besetzungsorgien für die ÖVP, ist zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger, schadet dem Wirtschaftsstandort und dem Tourismus und führt letztlich dazu, dass Ihnen das Misstrauen auszusprechen ist. Sie sind als Minister nicht mehr tragbar! (Beifall bei der SPÖ.)

15.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bun­desminister für Inneres Dr. Strasser zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.

 


15.21

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Par­lament dafür danken, dass wir die Möglichkeit haben (Abg. Mag. Wurm: Die Wahrheit


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zu sagen!), über Sicherheit zu diskutieren, denn es ist eigentlich eine Auszeichnung und ein großer Fortschritt, wenn es möglich ist, dass die besten Ideen für die Sicherheit hier im Hohen Haus zusammengetragen werden. Egal, woher die Idee kommt, die beste Idee soll daran mitwirken, dass wir für die Sicherheit unserer Bürger sorgen können. In diesem Sinne danke ich für diese Debatte. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Freiheitlichen.)

Es ist auch gut, dass wir über Fakten reden können, dass wir manches von dem, was ich gerade aus dem Munde des Herrn Klubobmannes Cap gehört habe, richtig stellen können, dass wir manches auch in das richtige Eck stellen können, Herr Klubobmann! (Ironische Heiterkeit der Abg. Dr. Glawischnig. – Abg. Mag. Wurm: Ins rechte Eck!)

Gleich zu Beginn möchte ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, fragen: Was kann der ORF dafür, dass Ihre Argumente nicht Platz greifen? Was kann Dr. Jelinek dort oben (der Redner deutet auf die Journalistenloge) dafür oder Herr Stoppacher für die „Pressestunde“? (Abg. Dr. Cap: „Offen gesagt“!) Er kann wirklich nichts dafür, dass Ihre Argumente nicht die nötige Resonanz in der Bevölkerung haben. Und auch was „Offen gesagt“ betrifft, können diese beiden Herren sowie alle anderen im ORF nichts dafür (Abg. Dr. Jarolim: Sie sollten sich schämen!), dass die Argumente, die Sie vorbringen, nicht wirklich greifen, das muss ich Ihnen sehr offen sagen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gu­senbauer: Man hätte ihn ja einladen können! Der ORF ist für die Einladungen zu­ständig!)

Ich verstehe auch nicht, warum Sie auf unseren Beamten im Exekutivdienst herum­hacken, wenn Sie doch den Innenminister treffen wollen. Sprechen Sie doch mich an, aber lassen Sie unsere Beamten ruhig arbeiten, und zwar alle in ganz Österreich, Herr Klubobmann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Klubobmann! Außerordentlich bedauerlich ist (Zwischenruf des Abg. Dr. Jaro­lim – Rufe bei der ÖVP: „Eurolim“! – Abg. Dr. Jarolim: Armselig!), dass die zuständi­gen Verantwortlichen bei der Wiener Polizei, Herr Polizeipräsident Stiedl, der für die Polizeireform verantwortlich war, und Herr Kriminaldirektor Horngacher, verantwortlich für die sehr, sehr erfolgreiche Arbeit unserer Kriminalpolizei gemeinsam mit der Sicher­heitswache im letzten Jahr, derart von Ihnen kritisiert werden. Beide sind übrigens keine ÖVP-Parteigänger. (Ruf bei der ÖVP: A blede Gschicht!) Horngacher ist durch mich auf diesen Posten gekommen und nicht durch irgendwelche andere Umstände. Er ist kein Mitglied der Volkspartei, er leistet hervorragende Arbeit, und ich muss Direk­tor Horngacher vor der SPÖ in Schutz nehmen, damit er seine Arbeit tun kann. Das geht ein wenig zu weit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen: Wieso beleidigen Sie die über 2 000 Mit­arbeiter der Zollwache? Sie reden so, als ob das dahergelaufene Leute wären, die ihr ganzes Leben lang nichts gearbeitet haben. (Abg. Dr. Stummvoll: Unglaublich!) Aber sie haben gut und sauber und ordentlich ihre Arbeit getan! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Gradwohl: Unerhört!)

Es ist nicht so, Herr Klubobmann Cap, dass irgendjemandem irgendein Stern auf die Brust geheftet wird, und dann geht er, sondern das sind alles sehr gute Leute, die im Bereich des Zolls, im Bereich der Fahndung, im Bereich der Kriminalarbeit gut ausge­bildet sind. (Abg. Mandak: Warum bauen Sie dann ständig Leute ab, Herr Minister?) Wir freuen uns auf diese neuen Mitarbeiter, sie werden hervorragende Arbeit für die Sicherheit Österreichs leisten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Unseriös und ahnungslos!)

Sie haben gemeint, dass mein Umgang mit den Personalvertretern unseres Hauses (Abg. Dr. Gusenbauer: Ein schlechter!) kein ordnungsgemäßer wäre. Ich darf Ihnen


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sagen: Da ich jetzt, um 15 Uhr, bei Ihnen sein darf, musste ich eine Auszeichnung für Herrn Amtsdirektor Schuh sehr abgekürzt halten. (Abg. Gaál: Er wird es überleben!) Amtsdirektor Schuh, der Chef der Personalvertreter in unserer Zentralstelle, hat eine hohe Auszeichnung des Herrn Bundespräsidenten erhalten, weil er als Feuerwehr­kommandant von Langenlois bei der Hochwasserkatastrophe hervorragend gearbeitet hat. Nicht nur bei uns im BMI, sondern auch in Langenlois, beim Einsatz mit seinen Mitarbeitern und für die Bürger im Hochwasser, hat er seinen Mann gestellt wie Hun­derte andere auch. (Abg. Dr. Jarolim: Absurd, was Sie da von sich geben!) Das sind Personalvertreter, die wir vor den Vorhang bitten und nicht schlecht beziehungsweise heruntermachen sollten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ja, es gibt eine sehr klare Herausforderung an die innere Sicherheit und an unsere Exekutive, nämlich die importierte Kriminalität! Das ist eine Kriminalität – wir kennen sie bereits vom Beginn der neunziger Jahre –, die in neuer Form aus Rumänien, aus Moldawien, aus Bulgarien, aus der Ukraine, aus Weißrussland und anderen Ländern dieses Teils von Europa zu uns kommt.

Dieser Herausforderung wollen wir uns stellen (Abg. Dr. Gusenbauer: ... Wann kommen wir zu den Fakten?), mit den besten Strukturen, mit den besten Ressourcen, mit den richtigen Leuten. Dem wollen wir uns stellen! Und dafür ist einiges an Neu­organisation notwendig gewesen und ist teilweise nach wie vor notwendig, damit wir diese Aufgabe erfüllen können. (Abg. Dr. Gusenbauer: Fakten haben wir noch immer keine!) Es muss doch klar sein – und das weiß auch jeder –: Die Herausforderungen der ersten Jahre des dritten Jahrtausends können nicht mit den Strukturen aus den siebziger Jahren bewältigt werden. (Ruf bei der SPÖ: Schwarzfärber!) Das wussten nicht nur meine Vorgänger. Viele der Konzepte, die wir heute umsetzen, hat einer meiner Vorgänger, der heute hier sitzt, entwickelt. Er hat sie nur nicht umsetzen – dür­fen, vielleicht auch nicht umsetzen können; vielleicht hat auch die Zeit gefehlt. All das, was wir im Rahmen der Wiener Polizeireform gemacht haben, das, was wir mit dem Bundeskriminalamt gemacht haben, das, was wir jetzt mit der Zusammenführung von Polizei und Gendarmerie machen (Abg. Dr. Jarolim: So ein Unsinn!), wissen Sie, wer der Erste war, der das tun wollte? – Innenminister Rösch von Ihrer Partei! Damals sind wir beide noch in die Mittelschule gegangen. Seit damals warten die Österreicher auf diese Zusammenführung. Heute setzen wir sie mit den Möglichkeiten des Jahres 2003 um! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Da tun Sie jetzt aber dem Helmer unrecht! – Abg. Mag. Molterer – in Richtung des Abg. Schieder –: So lange ist das schon her? – Abg. Dr. Gusenbauer: Und selbst ist Ihnen nichts einge­fallen?)

Die Zusammenlegung der Wachkörper ist ein ganz logischer Schritt. Wir wollen dabei einige Grundsätze beachten: Sowohl das System der Polizei als auch jenes der Gen­darmerie hat seine Vorteile, aber auch den einen oder anderen Nachteil. Wir wollen die Vorteile von beiden nützen, deshalb machen wir diese Zusammenführung. Wir werden das transparent und im Dialog machen; das nun vorliegende Expertenpapier wollen wir mit unseren Mitarbeitern auf breiter Basis diskutieren.

Einige Punkte daraus: Es ist sinnvoll und notwendig, dass wir von 45 Kommandostruk­turen auf neun Kommandostrukturen reduzieren. Zweitens wollen wir die volle Integra­tion der Wachkörper. (Abg. Mag. Posch: Herr Präsident, muss er nicht die Fragen beantworten?) – Ich komme noch zur Beantwortung der Fragen, Herr Abgeordneter Posch! (Abg. Mag. Posch: ... zur eigenen Apologie!) Drittens wird es einen gemein­samen Namen geben. (Abg. Mag. Wurm: Die Zeit ist knapp!) Viertens: Die Farbe der Uniformen wird dunkelblau sein. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das wird sich nicht mehr ausgehen!)


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Lassen Sie mich kurz zu noch einem Punkt kommen. Ich bedanke mich bei Herrn Nationalratsabgeordneten Schopf für seine Frage, wie es mit den Gendarmerieposten im Bezirk Freistadt sein wird. (Abg. Mag. Wurm: Die Zeit wird knapp! Da sind 21 Fra­gen zu beantworten!) Ich darf Ihnen da sehr klar, sehr offen und direkt sagen: Im Zuge der Zusammenführung von Polizei und Gendarmerie wird kein einziges Wachzimmer und kein einziger Gendarmerieposten in Österreich zusammengelegt. (Abg. Dr. Gu­senbauer: Stimmt! Kein Einziger! Sie haben immer zwei zusammengelegt!) Diese Strukturbereinigung haben wir hinter uns, das wird noch abgearbeitet, dann ist für diese Legislaturperiode die Arbeit in diesem Bereich getan. Das ist die Wahrheit, das haben wir vor! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine letzte Anmerkung noch zur Schließung der Bezirksgendarmeriekommandos. (Abg. Mag. Posch: Sind Ihnen die Fragen unangenehm, Herr Minister?) Da gibt es tat­sächlich eine Diskussion, wir sollten aber auch sehr offen darüber diskutieren. Herr Klubobmann Cap, Ihr Parteivorsitzender, Herr Nationalratsabgeordneter Gusenbauer, und der Sicherheitssprecher Ihrer Partei, Nationalratsabgeordneter Parnigoni, haben vorgeschlagen, alle Bezirksgendarmeriekommandos zu schließen (Abg. Dr. Gusen­bauer: Ein so ein Blödsinn!), alle Landesgendarmeriekommandos zu schließen, alle Sicherheitsdirektionen zu schließen (Hö-Rufe bei der ÖVP – Abg. Dr. Stummvoll: Unglaublich!) und aus der Bundespolizeidirektion Wien zwei bis vier unabhängige Be­hördenteile zu machen.

Das ist Ihr Vorschlag! Wir halten das für eine ganz schlechte Idee. Wir glauben, dass es Einsatzzentren im Bezirk braucht, damit die Zusammenarbeit mit der Bezirkshaupt­mannschaft, mit den Bürgermeistern und mit den Gendarmerieposten weiter gewähr­leistet ist. Das ist der Unterschied, über den wir diskutieren sollten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Damit darf ich zur Beantwortung der Fragen kommen, Herr Abgeordneter Posch. (Abg. Dr. Gusenbauer: Nachdem Sie 10 Minuten ... haben, kommen wir endlich zu den Fakten!) Es wird vielleicht in einer weiteren Wortmeldung noch möglich sein, auf etwaige Fragen zum Asyl- und Fremdenrecht einzugehen. Das werde ich dann gerne tun, falls mir das der Präsident gestattet.

Ich darf zur Beantwortung der Fragen kommen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wir haben mit der Polemik ...!)

Zu den Fragen 1 und 2:

Zuerst darf ich festhalten, dass die angestellten Vergleiche des Jahres 1999 mit den Jahren 2001, 2002 unzulässig sind. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Gusenbauer: Auf welche Frage ist das jetzt die Antwort?) – Wenn Sie an den Fakten interessiert sind, dann darf ich Sie um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit ersuchen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sind wir bei Frage 1?)

Mein Vorgänger, Herr Bundesminister Schlögl, hat das System umgestellt. (Abg. Dr. Wittmann: Herr Oberlehrer, ... Belehrung!) Am 1. Februar 2000 wurde ein neues System der Zählung der Kriminaltaten eingeführt, daher sind die Zahlen von 1999 mit jenen von 2000 und folgenden nicht vergleichbar, das darf ich in aller Klarheit festhal­ten. Das ist nicht meine Erfindung, das ist eine Vorgabe, die mein Vorgänger eingeführt hat. Ich sage sehr klar dazu, ich stehe dazu! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist dies eine vernünftige, eine richtige Maßnahme gewesen, es hat nur den Nachteil, dass die von Ihnen angestellten Vergleiche nicht möglich sind, weil es eben verschiedene Sys­teme gibt.


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Die zahlenmäßige Steigerung der Kriminalität in Österreich ist vor allem durch den An­stieg im Bereich der Massenkriminalität, also Eigentumskriminalität und eingeschränkt auch Raub, verursacht.

Die eingelangten Berichte der regionalen Behörden zeigen sehr deutlich, dass Phäno­mene der Diebstahlskriminalität – Einbruchsdiebstahl in Kraftfahrzeuge sowie in und aus Wohnhäusern – teilweise stark zugenommen haben. Die Schwerpunkte beim Ein­bruchsdiebstahl liegen bei Computern, Unterhaltungselektronik, Mobiltelefonen, Bar­geld, Schmuck und unbaren Zahlungsmitteln. Taschendiebstähle und so genannte Bankanschlussdelikte sowie Trickdiebstähle zum Nachteil älterer Menschen haben ebenfalls zugenommen. (Ruf bei der SPÖ: Wie viele?)

Ein Großteil dieser Zunahmen ist auf die vermehrte Straffälligkeit von ausländischen Tätergruppen zurückzuführen. In diesen Deliktsbereichen scheinen nach unseren, aber auch internationalen Erkenntnissen importierte Kriminalitätsstrukturen durch einrei­sende Tatverdächtige eine ganz ausgeprägte Rolle zu spielen. Hiefür dürften die Unterversorgung ausländischer, vor allem osteuropäischer Märkte mit erschwinglichen Gütern sowie das Wohlstandsgefälle ausschlaggebend sein. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja unseriös, was Sie da machen!)

Zur Frage 3:

Die Anzahl der geklärten Fälle ist von 199 491 im Zeitraum von Jänner bis Oktober 2002 auf 216 714 Fälle im Zeitraum von Jänner bis Oktober 2003 gestiegen, das ist ein Plus von 8,6 Prozent! (Abg. Schieder: „Quote“ ist die Frage!)

Die polizeilichen Herausforderungen bei der Bekämpfung dieser Tätergruppen liegen vor allem darin, dass diese zur Verübung der Straftaten einreisen, sich nur kurz im Bundesgebiet aufhalten, eine größere Anzahl von Straftaten verüben und das Land dann wieder verlassen. Dieses Phänomen zeigt sich nicht nur in Österreich, es zeigt sich im gesamten europäischen Raum. Deshalb hat auch über österreichische, bel­gische, niederländische und deutsche Initiative am 6. November ein Projekt begonnen, das zum Ziel hat, die Bekämpfung kleiner, flexibler und mobiler Strukturen, wie es osteuropäische Tätergruppen sind, zu verbessern und die hinter diesen Kleingruppen stehenden kriminellen Organisationen zu zerschlagen.

Zu den Fragen 4 und 5 (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo ist jetzt die Antwort auf Frage 3?):

Die vorliegenden Rohdaten 2003 lassen einen Trend zu einer Zunahme der bekannt gewordenen Straftaten im Ausmaß von rund 10 bis 12 Prozent erwarten. (Abg. Dr. Gu­senbauer: Frage 1 nicht beantwortet, 2 nicht beantwortet, 3 nicht beantwortet!) An­stiege sind vor allem im Bereich der Eigentumskriminalität und der Raubkriminalität zu erwarten. Die Ursachen für diese Entwicklungen habe ich vorhin dargestellt.

Zur Frage 6:

Selbstverständlich (Abg. Schieder: Nach 4 kommt 5!) wurden einige vorsorgende Maßnahmen zur verbesserten Kriminalitätsbekämpfung getroffen, hier sind sowohl organisatorische Maßnahmen wie die Ausgliederung von artfremden Aufgaben und Einsparungen in den Verwaltungsstrukturen als auch die Exekutivbeamten, die im Kernbereich in polizeilichen Aufgabenstellungen eingesetzt werden, zu nennen. (Abg. Dr. Gusenbauer: ... Er hat keine Antworten! Werden die Antworten schriftlich nachge­reicht?)

Die Einrichtung des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungs­schutz war eine überfällige Maßnahme, um eine wesentliche Verbesserung in den Strukturen der Zentralstellen und bei internationaler Kooperation zu erreichen.


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Mit der vom „Team04“ nunmehr erarbeiteten weitgehenden Strukturreform auf Länder­ebene wird diese Strategie konsequent fortgesetzt und mittelfristig zu einer wesent­lichen Erhöhung der Schlagkraft der österreichischen Exekutive führen.

Zur kurzfristigen Steigerung der Effizienz wurde der Sicherheitsmonitor entwickelt, der tagesaktuelle Abfragen der Kriminalitätsentwicklung durch alle Exekutivbeamte ermög­licht und, darauf aufbauend, eine wesentlich bessere Planung des Ressourceneinsat­zes ermöglicht. (Abg. Mag. Wurm: Welche Frage? Damit man mitlesen kann! – Die Abgeordneten Mandak und Dr. Gusenbauer: Bei welcher Frage sind Sie, Herr Minis­ter?)

Ebenso wichtig war die Erarbeitung eines österreichweit einheitlichen Leitfadens für die Tatortarbeit, der zu einer wesentlichen Verbesserung des Standards bei der Spu­rensicherung und bei der Schaffung von Sachbeweisen führt. (Zwischenruf des Abg. Nürnberger.)

Direkte Fallbearbeitung mit zuständigen Stellen im Ausland oder mit österreichischen Verbindungsbeamten oder über österreichische Verbindungsbeamte im Ausland hat bereits deutlich zu einer Steigerung der Effektivität beigetragen. (Die Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Dr. Gusenbauer: Welche Frage ist das?)

Darüber hinaus ist es kriminalpolizeiliche Strategie, Know-how direkt in andere Länder zu transferieren. Es werden dabei auf Führungsebenen Strategien abgesprochen und diese kriminaltechnisch abgestimmt. (Abg. Mandak: Herr Minister, bei welcher Frage sind Sie?)

Von großer Bedeutung ist schon jetzt und auch in Zukunft die Investition in die Be­kämpfung der Cyber-Crime. (Rufe bei der SPÖ: Welche Frage ist das?) – Zur Frage 6! (Abg. Nürnberger: Das ist alles noch Frage 6?!) Ist Ihnen das so recht? (Abg. Man­dak: Ja, aber ...!) Dann darf ich um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten.

Österreich investiert sehr viel in die strategische und operative Analyse. Spezialisten aus dem Bundeskriminalamt arbeiten bei Europol und Interpol (Abg. Dr. Jarolim: ... Schüleraufsatz vorlesen!), engagiert und an führender Stelle. In Österreich selbst gibt es mehrere Programme, die wir in Auftrag gegeben haben, zum Beispiel die pro­beweise Einführung des Sicherheitsmonitors (Ruf: ... Aufsatzwettbewerb ...!), ein Füh­rungsinstrument, das von den operativen Stellen in ganz Österreich stark nachgefragt und auch angewendet wird.

Zu den Fragen 7, 8, 9 und 10 (Abg. Dr. Gusenbauer: Da wollen wir konkrete Antworten!):

Zuerst zu den Stellenplänen. Der Stellenplan 2000 sah für die Exekutive 27 316, für die Verwaltung 6 377 vor. Im Stellenplan 2003 sind für die Exekutive 25 792, für die Verwaltung 5 659 Stellen vorgesehen. (Abg. Mag. Posch: 10 Prozent weniger!) Die Reduktion von Exekutivdienstplanstellen ist nicht gleichzusetzen mit einer Reduktion von Bediensteten im Außendienst. Ein Großteil der in den vergangenen Jahren einge­leiteten Modernisierungen zielte darauf ab, Planstellen in Verwaltungsbereichen der Zentralleitung, der Landesgendarmeriekommandos und der Bundespolizeidirektionen zu reduzieren. Deshalb wurde trotz der Einsparungsvorgaben in den Bundesfinanzge­setzen das Verhältnis der tatsächlich Exekutivdienst verrichtenden Bediensteten zu den Innendienstbereichen erheblich verändert.

Die Zahlen lauten auf Grund der Meldungen aller nachgeordneten Sicherheitsbehörden und Dienststellen, Bundespolizeidirektionen, Landesgendarmeriekommanden sowie deren innerer Gliederungen zum 1. Oktober 2003 wie folgt:


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Anzahl der Außendienst verrichtenden Exekutivbediensteten: plus 163 im gegebenen Zeitraum. Den mir vorliegenden Informationen zufolge meldeten die Sicherheitsbehör­den mit Stichtag 1. Jänner 2000 genau 22 948 Exekutivbeamte – und ich spreche hier von tatsächlichen Mitarbeitern und Köpfen und nicht von Planstellen beziehungsweise Arbeitsplätzen im Außendienst. Mit Stichtag 1. Oktober 2003 waren es 23 111 Exeku­tivbeamte – das sind damit um 163 Beamte mehr im Außendienst.

Im Innendienst wurden am 1. Jänner 2000 nach den Meldungen aller Dienstbehörden 3 911 Exekutivdienstbeamte eingesetzt (Abg. Mag. Wurm: Beantworten Sie die Fra­gen! – Abg. Mag. Johann Maier: Beantworten Sie die Fragen!); mit 1. Oktober 2003 waren es 1 705 – das sind um 2 206 Innendienstbeamte weniger.

Eine gänzliche Beantwortung der Frage 7 zu den systemisierten und besetzten Plan­stellen zum Stichtag 12. November ist in dieser kurzen Zeit nicht möglich. (Ironische Heiterkeit der Abg. Mag. Wurm.) Ich ersuche Sie dafür um Verständnis; die schriftliche Beantwortung wird übermittelt. (Abg. Schieder: Das ist ja unfassbar!)

Zu den Neuaufnahmen und Grundausbildungen. – In den Jahren 2000 bis 2003 wur­den insgesamt 1 025 Exekutivbeamte aufgenommen (Abg. Mag. Johann Maier: Herr Bundesminister, Sie haben die Frage 8 nicht beantwortet!): im Jahr 2000 243, im Jahr 2001 61, im Jahr 2002 412, im Jahr 2003 309 – insgesamt also 1 025 Beamte. (Abg. Dr. Wittmann: Beantworten Sie die Frage!)

Derzeit befinden sich 540 Exekutivbedienstete in Grundausbildung. Davon werden 401 Beamte im Jahr 2004 und der Rest im Jahr 2005 ausgemustert. (Abg. Dr. Witt­mann: Sie beantworten keine einzige Frage!)

Im Jahre 2004 werden mindestens 770 Exekutivbeamte neu aufgenommen. (Abg. Mag. Wurm: Wie viele gehen in Pension?) Die ersten Ausbildungskurse beginnen im Februar 2004. Hinzu kommen 930 Zollwachebedienstete, die mit 1. Mai 2004 im Innen­ministerium ihren Dienst antreten werden. Zusammengefasst werden damit 1 700 Be­dienstete im kommenden Jahr dem Bundesministerium für Inneres zusätzlich zur Verfügung stehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Zu den Pensionierungen, Frau Abgeordnete. Der § 22g des Bundesbediensteten-So­zialplangesetzes trat mit 1. Jänner 2002 in Kraft und ist bis 31. Dezember 2003 be­schränkt. Nach dem derzeitigen Stand werden 476 Bedienstete des Innenministeriums dieses Modell in Anspruch nehmen. Dies wird auch von uns befürwortet, nicht nur deshalb, weil wir einer Forderung der Personalvertretung nachkommen, und zwar aller Gliederungen der Personalvertretungen (Abg. Mag. Wurm: Außer Lokführer! Die ... nicht!), sondern auch, weil junge KollegInnen aufgenommen werden können, eine Kostenreduktion im Innenministerium eintritt und das Innenministerium im Hinblick auf die bevorstehende Zusammenlegung und die Zollwacheeingliederung einen flexibleren Personaleinsatz vornehmen kann. Außerdem befürworten wir das Lebensarbeitszeit­modell für die Exekutive, wie es von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zur Diskus­sion eingebracht wird. Ich hoffe, dass dieses Programm bald auch hier im Parlament diskutiert werden kann. (Abg. Dr. Gusenbauer: Und wer zahlt die Pensionen?)

Durch die vermehrten Pensionsabgänge im Jahr 2003 ist zu erwarten (Abg. Dr. Gu­senbauer: Wer zahlt die Pensionen?), dass sich die Pensionsabgänge in den kom­menden Jahren, Herr Abgeordneter Gusenbauer, deutlich verringern werden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wer zahlt die Pensionen?) Ich bitte um Verständnis, dass eine konkrete Aussage über die Pensionierungen 2004 nicht getroffen werden kann (Abg. Dr. Gusenbauer: Wer zahlt die Pensionen?), da weder krankheitsbedingte Ruhe­stände noch Willenserklärungen der Mitarbeiter vorhersehbar sind.


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Erlauben Sie mir, im Zusammenhang mit den heutigen Fragen und deren Beantwor­tung auch auf die APA-Meldung des Herrn Klubobmannes Cap von gestern einzu­gehen. Der 1.11.2003 ist ja bekanntlich nicht nur in Österreich der Faschingsbeginn. (Abg. Großruck: Der 11.11.! – Abg. Schieder: Nein, in Österreich ist das der 11.11.! – Abg. Mag. Prammer: Der 1.11. ist Allerheiligen! – Abg. Schieder: Bei uns ist Allerheili­gen!) – Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Schieder, Sie haben Recht: Ich meine den 11.11., also gestern. (Abg. Dr. Wittmann: Sie sind ein ganz ein Witziger! – Abg. Dr. Gusenbauer: Und wie war Ihr Faschingsbeginn am 1.11.? Erzählen Sie uns das!) Ich beziehe mich auf eine APA-Meldung vom 11.11.2003 des Herrn Klubobmannes Cap, und dort ist, wie wir beide glauben, der Faschingsbeginn. Wenn man das Thema nicht so wichtig nähme, könnte man die Meldung des Herrn Klubobmannes auch als eine weitere Falschmeldung der SPÖ oder als einen ersten SPÖ-Faschingsscherz bezeichnen.

Nachfolgende Falschmeldungen kamen in der APA-Aussendung des Herrn Klubob­mannes vor: Klubobmann Cap führte aus (Abg. Dr. Gusenbauer: Zu welcher Frage ist das? Bei welcher Frage sind Sie? Frage? Bei welcher Frage?), dass die Hälfte der 550 derzeit in Ausbildung befindlichen Exekutivbediensteten erst Ende des Jahres 2005 zur Verfügung steht. – Wahr ist, dass von den in Ausbildung befindlichen Exekutivbediens­teten bereits 401 Polizisten und Gendarmen im Jahr 2004 ausmustern.

Und zu Ihrer Aussage, Herr Klubobmann, dass 730 Beamte auf Grund der Ausbil­dungszeit erst in zwei Jahren zur Verfügung stehen, darf ich Ihnen sagen, dass die Ausbildung eines Grenzgendarmeriebeamten bereits nach 6 Monaten abgeschlossen ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Bei welcher Frage ist er? – ... das falsche Manuskript!)

Ich schlage vor: Wenn Sie eine Frage zur Gendarmerie oder zur Polizei haben (Abg. Mag. Wurm: Beantworten Sie doch die Fragen!), dann rufen Sie mich an! Ich bin gerne bereit, auch am 11. November, Ihnen dazu Auskunft zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters führen Sie aus, Herr Klubobmann, dass die 930 Zollwachebeamten (Abg. Schieder: Fragebeantwortung! – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm), die im kommen­den Mai ins Innenministerium wechseln, weiterhin ihre Tätigkeit ausüben müssen. (Abg. Schieder: Fragebeantwortung, Herr Präsident!) Wahr ist, dass mit Beitritt der Nachbarländer zur Europäischen Union ... (Abg. Schieder: ... hat keine Fragen beant­wortet!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Herren von der Sozialdemokratie, so geht es nicht! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie stellen hier eine Dringliche Anfrage, und man kann hier heroben die Antworten nicht hören (Abg. Schieder: Das sind eh keine Antworten!), weil Sie ständig hineinreden. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das geht so nicht!

Ich verfolge sehr genau die Ausführungen des Herrn Ministers. Er beantwortet gerade die Frage Nummer 10, da geht es um die Zollwache, um die Ausbildungsdauer. Ich würde daher bitten: Weniger laut Beifalls- oder Entrüstungskundgebungen und mehr Aufmerksamkeit für den Herrn Minister!

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser (fortsetzend): Danke, Herr Präsi­dent. – Ich darf bei der Beantwortung der Frage 10 fortsetzen. (Abg. Dr. Gusenbauer: In der Frage steht aber nichts vom Cap! Da steht nichts vom Cap!)

Herr Klubobmann, Sie führen weiters aus, dass die 930 Zollwachebeamten, die im kommenden Mai in das Innenministerium wechseln, weiterhin ihre Tätigkeit ausüben müssen. (Abg. Schieder: Das ist doch nicht in der Frage 10! Das steht in der Presse­aussendung! – Abg. Dr. Gusenbauer: Der kennt nicht einmal den Unterschied zwi­schen ...!) Wahr ist, dass mit dem Beitritt der Nachbarländer zur Europäischen Union


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die Zollkontrollen an der Grenze wegfallen, dort kein Zollwachepersonal mehr benötigt wird. Das heißt, dass alle Zollwachebeamten, die ins Innenministerium wechseln, aus­schließlich für den Sicherheitsdienst zur Verfügung stehen. Eine Ausnahme bildet hier nur die Grenze zur Schweiz und Liechtenstein (Ruf bei der SPÖ: Ah doch?), weil wir dort weiterhin eine EU-Außengrenze haben.

Heute stellen Tätigkeiten wie die zollamtliche Überwachung, die Überwachung des Warenverkehrs, diesbezüglicher Verbote und Beschränkungen, der Vollzug der Ver­brauchssteuern und andere Fragen Aufgaben der Zollwache dar. – Die Eingliederung von 1 030 Zollwachebediensteten ins Innenministerium stellt somit eine wesentliche Erhöhung der Einsatzkraft der Sicherheitsexekutive dar. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Insgesamt darf ich zu diesem Fragenkomplex resümieren: Im Jahr 2004 werden jeden­falls mehr Exekutivbedienstete zur Dienstleistung für die Sicherheit Österreichs zur Verfügung stehen, als das noch im Jahr 2002 der Fall war.

Zur Beantwortung der Frage 11:

Bis zum 29. Oktober 2003 gab es zu 62 Arbeitsplatzabberufungen im Zuge von Maß­nahmen im Bereich des Innenministeriums und nachgeordneter Dienstbehörden Be­rufungsanträge an die Berufungskommission. Konkret wurden elf Bescheide bestätigt, drei Fälle sind von der Berufungskommission noch nicht entschieden, und in 47 Fällen wurde die qualifizierte Verwendungsänderung durch die Berufungskommission aufge­hoben oder zurückgewiesen.

Die Reform des Innenministeriums und der Landesgendarmeriekommanden betreffend sind sieben Bedienstete noch nicht klaglos gestellt – wie das im Juristendeutsch heißt –, haben noch keinen gleichwertigen Arbeitsplatz bekommen. Auch für diese Be­diensteten werden sozial verträgliche Lösungen gesucht und gefunden werden.

Die Polizeireform in Wien betreffen 26 Fälle, die noch einem weiteren Verfahren unter­worfen sind. Hier möchte ich festhalten, dass 1 574 Arbeitsplätze im Zuge der Reform neu zu besetzen waren. Die Bescheide der Berufungskommissionen ergingen erst un­längst. Festzuhalten ist, dass die neuen Arbeitsplätze vor Umsetzung der Reform durch das zuständige BMöLS geprüft wurden. Von Mehrkosten durch qualifizierte Verwendungsänderungen kann in diesem Sinne nicht gesprochen werden, da es zu wesentlichen Einsparungen im Bereich der Kommandostruktur gekommen ist. Außer­dem darf ich darauf verweisen, dass bereits mit der Besoldungsreform 1995 der Ge­setzgeber sozial verträgliche Bestimmungen wie Wahrungsfunktionen zur Absicherung von Reformen betroffener Bediensteter erlassen hat, die ganz einfach budgetär zu bedecken sind.

Zu den Fragen betreffend die Zusammenlegung der Polizei und Gendarmerie, den Fragen 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 20 und 21 (Abg. Dr. Gusenbauer: Jetzt geht es schnell!), darf ich ausführen: Mit 31. März 2003 habe ich den Auftrag erteilt, eine grundlegende Bewertung der gegenwärtigen Strukturen der Wachkörper im Innen­ministerium anzustellen und einen Vorschlag für eine Zusammenführung vorzulegen.

Einige meiner Vorgaben für das Projekt im „Team04“ waren: Weitere Erhöhung der Einsatzkraft der Exekutive, einheitliche Führung des Wachkörpers, Vermeidung von Parallelstrukturen, bestmögliche internationale Kompatibilität, Straffung der Verwal­tungsabläufe, mehr Durchlässigkeit und bessere Karrieremöglichkeiten für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ich habe von Anfang an größten Wert darauf gelegt, dass dieses Projekt nicht von oben entwickelt oder gar von außen durch externe Berater gesteuert wird, denn diese


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Reform kann von niemandem besser und kompetenter geführt und gestaltet werden als von unseren Mitarbeitern selbst.

Seit Beginn des Projektes haben Hunderte Kolleginnen und Kollegen aus allen Be­reichen und allen Bundesländern in mehr als 20 Arbeitsgruppen an diesem Projekt gearbeitet. Selbstverständlich – und ich verstehe das auch – ist die Zeit, in der diese Arbeit stattgefunden hat, auch eine Zeit gewesen, in der es zu Spekulationen, manch­mal auch zu Irritationen und zu Fehlmeldungen gekommen ist. Die Verunsicherung, die vor allem durch Zurufe und Zwischenmeldungen der einen oder anderen politischen Stimme bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgelöst wurde, ist jetzt beendet, weil das Expertenpapier auf dem Tisch liegt.

Bezüglich einer Verunsicherung, die, wie ich gehört habe, von Personalvertretern einer Fraktion verbreitet wurde, darf ich auch hier vor dem Hohen Haus eine Klarstellung vornehmen (Abg. Öllinger: Den gibt’s nicht mehr!): Es wird im Zusammenhang mit „Team04“ keine Reduktion der Planstellen geben! Das ist kein Auftrag, das ist auch im Projektpapier nicht vorgesehen. (Abg. Öllinger: Die sind schon reduziert!) Das wollen wir nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Am Freitag, dem 7. November, wurde mir das Konzept „Team04“ vom Projektleiter Brigadier Lang übergeben. An diesem Montag habe ich das Papier im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Jetzt ist sogar die ÖVP eingeschlafen! Sogar der Stummvoll schläft schon! – Widerspruch des Abg. Dr. Stummvoll. – Abg. Mag. Molterer – in Richtung des Abg. Dr. Gusenbauer –: Da lernst du was! Schreib mit! Da lernst du was – immer!) Zugleich wurde das gesamte 140 Seiten umfassende Papier auf der Homepage des Innenministeriums im Internet veröffentlicht.

Die Schaffung eines gemeinsamen Wachkörpers von Polizei, Gendarmerie und Zoll­wache ist eine große Modernisierung in der Geschichte der österreichischen Sicher­heitsexekutive. Dieses Ziel wollen wir in einer gemeinsamen Kraftanstrengung und in einem offenen Dialog erreichen. Ich will mir hier auch bewusst Zeit nehmen, dieses wichtige Projekt einem zügigen und breiten Meinungsbildungsprozess mit unseren Mitarbeitern zuzuführen, um ein bestmögliches gemeinsames Ergebnis zu erzielen. Deshalb werde ich in den nächsten Wochen bis etwa Ende Februar mit Brigadier Lang in vielen Informationsveranstaltungen in ganz Österreich mit unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Eckpunkte der geplanten Schritte erläutern und diskutieren.

Was jetzt vorliegt, ist der Vorschlag der Experten. Was ich anstrebe, ist ein Konzept, das nicht nur von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt wurde, sondern das auch von den meisten von ihnen getragen und gelebt werden kann. Das ist das Ziel von „Team04“! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dabei steht für mich auch fest: Nicht jede Empfehlung, die jetzt im Expertenvorschlag vorliegt, wird zu 100 Prozent umgesetzt werden können; aber jeder konstruktive Vor­schlag, der im Projektverlauf vorgetragen wird, wird ernsthaft diskutiert und abgewogen werden.

Wir wollen die Zusammenlegung so zügig wie möglich umsetzen, und deshalb werden wir unsere Mitarbeiter und auch die Öffentlichkeit schnell und umfassend von jedem Schritt informieren.

Zu den Fragen betreffend Bezirksgendarmeriekommandos habe ich schon Stellung ge­nommen, auch zu den Fragen betreffend Polizei- und Gendarmeriebezirke. (Abg. Mag. Wurm: Wo denn? Heute?) Zur Frage der Wachzimmer und Gendarmerieposten habe ich auch bereits Stellung genommen.


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Was Ihre Fragen in Bezug auf die Arbeitsplätze, Dienstzeitmodelle, Karrierechancen und Reisegebühren betrifft (Abg. Mag. Posch: Frage 12 haben Sie nicht beantwortet!): Wir befinden uns zurzeit in einem Informations- und Diskussions-, aber in keinem Ent­scheidungsprozess. Ich darf Sie bitten, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir dieses Expertenpapier mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diskutieren, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Daher können wir diese Fragen auch erst nachher genau beantworten, weil ich die Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung einbeziehen will. (Abg. Dr. Jarolim: Umblättern, bitte! – Heiterkeit des Abg. Dr. Gusenbauer. – Rufe bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Zuhören! Zuhören!)

Zur Frage des Österreich-Konvents: Sie wissen, dass die Fragen der Behördenstruktu­ren und Behördenkompetenzen im Ausschuss 6 behandelt werden, und das ist auch gut so. Wir werden dem Ergebnis des Konvents durch die Zusammenlegung und Vereinfachung der Wachekörper nicht nur nicht vorgreifen, sondern wir leisten eine wichtige Arbeit dahin gehend, dass der Konvent in dieser Frage zu einem guten Ergebnis kommen kann, und wir sind auch gerne bereit, unsere Information, unser Wissen in diesem Konvent durch Experten oder Mitglieder zur Verfügung zu stellen.

Zur Frage 19:

Es wird nicht gegen Beamte ermittelt, sondern es werden nach den gesetzlichen Grundlagen Verdachtslagen geklärt. Mit Stichtag 10. November 2003 waren vier Be­amte der Zentralstelle, 52 Beamte der Gendarmerie, 25 Beamte der Polizei, sieben Beamte der Kriminalpolizei und 41 externe Personen in diese Ermittlungen um etwaige Verdachtslagen involviert. Nach Bundesländern aufgeschlüsselt waren es im Burgen­land 18, in Kärnten acht, in Niederösterreich 14, in Oberösterreich 15, in Salzburg 12, in der Steiermark acht, in Tirol acht, in Vorarlberg vier und in Wien 42.

Im Übrigen darf ich sagen, dass für alle Verdachtslagen und selbstverständlich auch für jede in Verdachtslagen involvierte Person die Unschuldsvermutung gilt.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die Fakten, das sind die Antworten, die verdeutlichen, wie wir die Exekutive im 21. Jahrhundert auf einem guten Weg weiterführen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Also, so schwach war eine ... Dringliche selten!)

15.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Er wünscht eine freiwillige Rede­zeitbeschränkung von 8 Minuten. (Abg. Parnigoni – auf dem Weg zum Rednerpult –: Zehn!) – Die 10 Minuten entsprechen dann der gesetzlichen Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


15.57

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Minister! Herr Bundesminister, ich habe Ihnen jetzt wirklich sehr genau zugehört und habe Folgendes vernommen: Erstens können Sie Allerheiligen und Faschingsbeginn nicht auseinander halten (Abg. Dr. Gusenbauer: Genauso ist es!), und zum Zweiten, so habe ich festgestellt, wissen Sie nicht einmal, wie viele Beamte Sie tatsächlich in Ihrem Ministerium haben. Daher: Wissen Sie, was in Wirklichkeit das Schlimmste für die österreichische Sicherheit ist? – Das Schlimmste ist, Herr Bundes­minister, dass Sie Ihre Glaubwürdigkeit verloren haben. Das ist es in Wirklichkeit! (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Meine Damen und Herren! Das war auch der Eindruck, den jeder Zuseher bei der „Pressestunde“ gehabt hat (Abg. Mag. Molterer: Ausgezeichnet!), wo Ihnen wiederholt von den Journalisten zu Recht vorgeworfen worden ist, dass Sie die Unwahrheit sagen


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(Abg. Mag. Molterer: Souveräner Strasser!), und wo Sie in Wirklichkeit versucht haben, das dramatische Ansteigen der Delikte beziehungsweise Straftaten in Öster­reich einfach schönzureden.

Man hat jetzt bei Ihrer Rede, die über 30 Minuten gedauert hat, gesehen: Der eigene Klub hat genau einmal Zwischenapplaus gespendet. (Widerspruch bei der ÖVP.) Also die Glaubwürdigkeit des Ministers ist wirklich schwer in Mitleidenschaft gezogen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Zählen ist nicht die Stärke des Parnigoni – weiter als bis eins zählen!)

Herr Bundesminister! Ich habe eigentlich geglaubt, dass Sie jetzt die Gelegenheit dieser Dringlichen Anfrage nützen und etwas zur Zukunft, der Verbesserung der Krimi­nalitätsrate sagen werden. Aber diese Chance haben Sie einfach verstreichen lassen. Wieder das Übliche: Schönfärberei, Herumreden, Unwahrheiten, unsachliche Angriffe gegen die Kritiker, Untergriffe gegen die Personalvertreter und Attacken gegen die Opposition – als ob die Opposition für die Misere im Bereich der inneren Sicherheit verantwortlich wäre! (Abg. Dr. Fekter: Für die Untergriffe schon! Für die Untergriffe ist die Opposition verantwortlich!) Das ist ja in Wirklichkeit eine Verdrehung der Tat­sachen.

In Wirklichkeit kennt doch schon jeder in seinem Bekanntenkreis ein Opfer von Krimi­nellen, nämlich von jenen Kriminellen, die in Wirklichkeit nicht gefasst worden sind. Wir wissen genau, dass bei den Vermögensdelikten nur mehr jede fünfte Straftat aufgeklärt wird – und dafür sind Sie verantwortlich, Herr Bundesminister, nicht die Beamten, Sie sind verantwortlich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Gusenbauer: Genauso ist es!)

Meine Damen und Herren! Wie soll Ihnen irgendjemand glauben, dass Sie nun wirk­same Maßnahmen ergreifen werden? Wie soll Ihnen irgendjemand glauben, dass Sie mit der Zusammenlegung von Gendarmerie, Polizei, Kriminalpolizei und Zollwache in Wirklichkeit nicht nur Ihre parteipolitischen Spielchen betreiben wollen? Wie soll ein Innenminister, der selbst nicht glaubwürdig ist, Kriminalität und Kriminelle bekämpfen?

Daher werden wir die Öffentlichkeit heute auch aufklären. Faktum ist, dass es im Jahr 1999 zirka 500 000 Delikte gab, dass es im Jahr 2002 rund 600 000 waren und dass es, wenn wir die Zahlen hochrechnen, im Jahr 2003 etwa 670 000 Delikte sein werden.

Meine Damen und Herren! Drei Viertel davon sind Vermögensdelikte. Das bedeutet, dass jeder dritte Haushalt in Österreich von einem Diebstahl, einem Einbruch oder einem Raub betroffen sein wird. – Das ist Ihre Sicherheitspolitik, Herr Bundesminister! Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Gusenbauer: Ja, genau!)

Meine Damen und Herren! Gegen diese nackten Zahlen treten Sie nun statt mit einer stärkeren Verbrechensbekämpfung mit einem Beschönigungsversuch an. Es sind zwar im Jahr 2003, bis zum Zeitpunkt Ende September, um 10 Prozent mehr Fälle aufge­klärt worden als 2002; das stimmt. Dafür ist den Exekutivbeamten wirklich zu danken, die sich eingesetzt haben und die unter den misslichen Umständen, für die Sie verant­wortlich sind, retten, was zu retten ist. Den Beamten gebührt wirklich unser aller Dank! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber, Herr Bundesminister, entscheidend ist nicht die Zahl der aufgeklärten Fälle, ent­scheidend ist das Verhältnis, die Relation zu den Straftaten und auch die Zahl der Straftaten, die nicht aufgeklärt worden sind. Da, Herr Bundesminister, darf ich Ihnen schon Folgendes ganz genau zeigen (der Redner hält eine Statistik in Form eines Säulendiagramms in die Höhe): Die Zahl der Delikte ist in einem Jahr von 600 000 auf 670 000 gestiegen. (Abg. Neudeck: Er sieht es ja nicht! – Abg. Dr. Partik-Pablé – auf den auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Dr. Strasser weisend –: Dort


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sitzt er, wenn Sie es nicht wissen!) Die Zahl der unaufgeklärten Fälle, meine Damen und Herren, Herr Minister, ist um 15 Prozent gestiegen, und die Aufklärungsrate ist in Wirklichkeit unter 40 Prozent gesunken. Daher sind im Jahr 2003 mehr als 53 000 weitere unaufgeklärte Delikte zu erwarten.

Das soll eine erfolgreiche Sicherheitspolitik sein, die dieser Minister zu verantworten hat? – Nein danke, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Herr Bundesminister! Weiters argumentieren Sie mit den rumänischen Banden, die da­für verantwortlich seien. Wenn man sich aber die Zahlen für das Jahr 2002 anschaut, kann man erkennen, dass Rumänen nicht einmal 1,5 Prozent aller ermittelten Tatver­dächtigen ausmachten. Wenn Sie jetzt glauben, einem Außenfeind die Schuld geben zu können, um damit Ihre Unfähigkeit zu vertuschen, sage ich Ihnen: Das wird Ihnen nicht wirklich gelingen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Was sind denn die Ursachen für das Ansteigen der Kriminalität in Österreich? – Von den Ursachen sprechen Sie nicht, Herr Minister, denn für diese sind Sie selbst verant­wortlich. Seit Ihrem Amtsantritt fuhrwerken Sie im Innenministerium in einer Art und Weise herum, bei der es am Schluss immer darauf hinausläuft, dass Sie Ihre parteipoli­tischen Interessen durchsetzen können.

Sie kümmern sich nicht um den Rechtsstaat. Sie haben zu diesem überhaupt ein gestörtes Verhältnis, denn es interessieren Sie ja auch höchstgerichtliche Entscheidun­gen nicht. Das haben wir schon im Bereich der Zivildiener gesehen und auch bei der Frage der Bundesbetreuung.

Meine Damen und Herren! Gleichzeitig – Klubobmann Cap hat es bereits gesagt – haben Sie auch im Innenressort eine Einsparungspolitik durchgesetzt, die eine sehr schlimme Situation im Sicherheitsapparat herbeigeführt hat. Hier kommen wiederum Ihre Tricks und Unwahrheiten zum Vorschein. Tatsache ist, dass es im Jahr 2003 um über 2 000 Beamte weniger gegeben hat als im Jahr 1999.

Der Minister kündigte an, dass es im Jahr 2004 – so habe ich es gelesen – um über 2 000 Beamte mehr sein sollen. Er hat gemeint, 930 Zollwachebeamte werde es mehr im Innenministerium geben. – Das ist in Ordnung. Aber ich weiß genau, dass an der Nordgrenze in Grametten heute Zollwachebeamte Dienst an der Grenze versehen und auch jene Aufgaben übernehmen, die die Grenzpolizei an den großen Grenzstellen, den großen GreKos, erfüllt. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ein Blödsinn!) Diese werden natürlich, solange Schengen in der Art und Weise aufrecht ist wie jetzt, weiterhin genau dieselbe Aufgabe erfüllen. Wie werden sie dann für andere Exekutivaufgaben zur Verfügung stehen? Das ist ja ein völliger Unsinn!

Sie sagen, 550 sind in Ausbildung, und signalisieren, dass diese 550 gleich zur Ver­fügung stehen. Das stimmt doch auch nicht! Sie versuchen das jetzt zu kaschieren. Natürlich werden 251 von diesen 550 erst im Jahr 2005 zur Verfügung stehen. (Bun­desminister Dr. Strasser: Das stimmt ja nicht!)

Und von den 740, die Sie im Jahr 2004 aufnehmen werden, wie Sie gesagt haben, da wissen Sie ganz genau, dass diese erst zwei Jahre später einsatzfähige Kräfte sein werden – außer Sie bilden diese nur kurzfristig aus, nicht vollständig aus und schaffen wiederum einen neuen Beamtentyp, der unter Umständen vielen Aufgaben nicht gewachsen sein wird. In dem „Team 04“-Papier steht, Sie wollen, dass jeder Beamte sozusagen alle Aufgaben erfüllen kann. Da bin ich aber gespannt, wie das bei einer kürzeren Ausbildungszeit funktionieren soll.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Sie wollen einen Antrag einbringen. Ihre Redezeit ist in wenigen Sekunden zu Ende.

 



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Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Ich bringe somit, weil ich sehe, dass der Bundesminister nicht in der Lage ist, seine Aufgaben im Sinne der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen, folgenden Antrag ein (Abg. Großruck: Viele An­träge, viel Ehr’!):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni gem. § 55 Abs. 1 betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres

Dem Bundesminister für Inneres wird gem. Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.

*****

Und das deshalb, weil er ganz einfach die Reformen, die er angekündigt hat, siehe „Team 04“, durchziehen will und sich dabei nicht an das hält, was andere tun, nämlich bevor man an die Öffentlichkeit geht, diese Konzepte mit den Beamten, mit der Perso­nalvertretung entsprechend zu diskutieren. Er nimmt somit in keiner Weise auf das Personal, auf die vielen Tausenden Beamten Rücksicht.

Ich kann Ihnen eines sagen: Ich war in vielen Gendarmeriekommanden, ich war in vie­len Wachzimmern. (Abg. Großruck: Was haben Sie angestellt?) Wenn ich das höre, was die Kollegen dort sagen, dann kann ich Ihnen versichern, dass es, wenn Sie das nicht ernst nehmen, weiterhin zu einem dramatischen Ansteigen der Zahl der Delikte kommen und weiterhin schlecht um die Sicherheit der Bürger in diesem Land bestellt sein wird. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Sind Sie Freigänger?)

16.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Parnigoni gemäß § 55 Abs. 1 GOG eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Versagung des Vertrau­ens gegenüber dem Bundesminister für Inneres ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.08

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon einige Reden von Klubobmann Cap gehört. Ich komme immer mehr zur Auffassung, dass er eine eigenartige Auffassung von freier Rede hat. Freie Rede heißt bei ihm eigentlich: frei von Fakten und auch frei von jeder Ernsthaftigkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist selbst für eine schwache Opposition etwas zu wenig. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Kollege Parnigoni! Es war für Sie jetzt nicht einfach zu begründen, warum Sie einen Misstrauensantrag stellen. Eigentlich war die Begründung ziemlich jämmerlich. Ich gebe Ihnen die Antwort darauf, warum diese Begründung jämmerlich war: Sie werden, wie andere Kollegen auch, am Montag die österreichischen Tageszeitungen gelesen haben. (Abg. Mag. Wurm: Die Kriminalität steigt!) Da werden Sie gemerkt haben, dass dem Minister mit diesem „Team 04“ ein großer Wurf gelungen ist.

„... Ernst Strasser ist der beste Innenminister, den diese Republik in den vergangenen Jahrzehnten hervorgebracht hat.“ (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)


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Danke für den Applaus. Aber das Zitat stammt nicht von mir, sondern das war die Beurteilung, was die Arbeit von Ernst Strasser betrifft, in der Ausgabe der „Salzburger Nachrichten“ von Montag. Genau so haben die regierungskritischen „Salzburger Nach­richten“ den Minister beurteilt. Und diese Einschätzung impliziert natürlich, dass seine Vorgänger nicht die Durchsetzungskraft und auch nicht die Entscheidungsstärke hatten, die für einen Innenminister notwendig sind, wenn er die notwendigen Reformen setzen möchte. (Abg. Mag. Wurm: Die Kriminalität steigt! Das ist Faktum!)

Ich darf die „Salzburger Nachrichten“ weiter zitieren, weil sie es auf den Punkt gebracht haben. Es heißt außerdem in diesem Artikel:

„... Er“ – gemeint ist Ernst Strasser – „ist seit sehr langer Zeit der erste, der sich nicht als Marionette des starren Apparates missbrauchen lässt. Sein Verdienst ist es, dass er eben diesen Apparat von Grund auf umkrempelt. Und dass er diesen Apparat, ...“ – jetzt kommt es, das ist die Aufgabe! – „... an die steigenden Anforderungen moderner Verbrechensbekämpfung heranführt. Polizei und Gendarmerie, das war die Hausmacht der SPÖ. Jeder Posten eines Polizeidirektors, eines Gendarmeriechefs wurde, oft ungeachtet der möglichen Qualifikation, mit treuen Genossen besetzt.“ (Abg. Mag. Wurm: Das stimmt nicht! Schauen Sie nach Tirol!)

Das ist des Pudels Kern, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Es schmerzt natürlich, dass Sie nicht mehr so schalten und walten können, wie Sie es lange gewohnt waren, in einem, was den Innendienst betrifft, großen – man könnte auch sagen: aufgeblähten – Sicherheitsapparat Ihre Leute entsprechend zu versorgen.

Hier hat Ernst Strasser genau das richtige Ziel, nämlich mehr Beamte auf die Straße zu bringen, vor Ort zu bringen, und weniger Beamte hinter Schreibtischen zu haben. Ernst Strasser ist ein Mann der Tat. Und das tut Ihnen weh. Strasser ist bekannt dafür, dass er Ernst macht, wenn es um unsere Sicherheit geht. Das ist es, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Sie werden mir jetzt nicht unterstellen können, dass der „Standard“ ein Organ ist, das der ÖVP besonders nahe steht. (Abg. Dr. Stummvoll: Wirklich nicht!) Aber am Montag war auch im „Standard“ deutlich zu lesen, was man von der Arbeit des Innenministers hält. Es heißt da im „Kommentar“ des „Standard“:

„Der schwarze Innenminister packt an, was viele seiner roten Vorgänger zum Teil über Jahrzehnte hinweg in Schubladen haben verschimmeln lassen. So auch die Zusam­menlegung von Polizei und Gendarmerie. (...) Dass er sie nun verwirklichen will, kann ihm niemand vorwerfen.“

Leider ein Irrtum, denn heute, aus welchen Gründen auch immer, waren Sie es, die es dem Minister zum Vorwurf machen, dass er diese längst überfällige Reform nun auch umsetzt, um zu einer neuen Sicherheitsstruktur zu kommen. Das jetzt dem Minister zum Vorwurf zu machen und heute sogar einen Misstrauensantrag einzubringen, das bleibt wirklich nur der SPÖ vorbehalten. Misstrauen verdient die Verunsicherungspoli­tik, die Sie heute hier betrieben haben. Das verdient Misstrauen, sage ich Ihnen, und nicht die Sicherheitspolitik von Ernst Strasser! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Lassen Sie mich noch einige Fakten nennen! (Abg. Parnigoni: Welche Fakten?) – Ich komme zu den Fakten (Abg. Öllinger: Ihre Fakten! Das ist das Problem!), zum Bei­spiel zu dem Faktum, was die SPÖ in ihrem Programm „Sicherheitsregionen für Öster­reich“ festgeschrieben hat. (Abg. Öllinger: Was ist da ein Faktum?) Faktum ist, dass es dieses Programm gibt und dass hier festgehalten ist, Kollege Öllinger: 23 bis


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25 Sicherheitsregionen. – Hört, hört! (Der Redner hält ein Papier in die Höhe. – Abg. Parnigoni: „Behörden“! Das steht dort!)

Sicherheitsregionen! Sie kennen nicht einmal Ihr Programm? – Es steht hier: 23 bis 25 Sicherheitsregionen. – Also lesen Sie wieder Ihr Programm! Vielleicht haben Sie es vergessen. Vielleicht wollen Sie es auch vergessen haben. (Abg. Dr. Trinkl: Das war nie ernst gemeint! Eine Luftblase ohne Ernst!)

Das würde nämlich genau dazu führen, was Sie heute beklagen oder behaupten – siehe Frage 12 –, nämlich dass jetzt Bezirksgendarmeriekommanden von der Schlie­ßung bedroht sind oder dass sie zusammengelegt werden. – Ja, sie werden zusam­mengelegt, wenn wir Ihr Konzept umsetzen! (Abg. Parnigoni: Überhaupt nicht!) Nein, wenn wir das Konzept von Minister Strasser umsetzen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wie Ihre Anfrage motiviert ist, kann man ja herauslesen. Das ist interessant. Bei Fra­ge 12 wird nicht gefragt, welche Gendarmerieposten in Österreich von der Schließung bedroht sind – nein, es geht hier nur um Kärnten! Drei Mal darf man raten, warum. In Kärnten finden bekanntlich Landtagswahlen statt. Sie haben nur Salzburg vergessen, denn dann hätten Sie beide Bundesländer gehabt. Es geht Ihnen hier rein darum, im Wahlkampf Verunsicherung zu betreiben. (Abg. Öllinger: Sie wollten Fakten bringen!)

Sie behaupten ja auch, dass auf Grund des Projektentwurfes von „Team 04“ Gen­darmerieposten vor der Schließung stehen. – Das ist ebenfalls unrichtig. Wahr ist vielmehr, dass keine Gendarmerieposten geschlossen werden. (Abg. Öllinger: Herr Kollege Lopatka! Sie wollten Fakten bringen! Fakten bitte!)

Ich bringe Ihnen noch ein Faktum. (Abg. Öllinger: Was war das erste Faktum?) Es wird von der SPÖ behauptet, Ernst Strasser möchte eine ÖVP-Parteipolizei auf­bauen. – Hört, hört! Da kann ich nur sagen – Kollege Cap, Sie haben das gestern ge­sagt –: Wie der Schelm denkt, so spricht er!

Sie waren lange genug im Umfeld von SPÖ-Innenministern, insbesondere auch im Umfeld und in der Nähe des Innenministers Karl Blecha. Er war es, der zurücktreten musste, weil ihm nachgewiesen wurde, dass er natürlich eine SPÖ-Parteipolizei aufge­baut hatte und dass er bei der Lucona-Affäre (Abg. Parnigoni: Das ist ja völlig falsch, was Sie da sagen! Sie sagen die glatte Unwahrheit! Das stimmt nicht!), bei der immer­hin sechs Todesopfer zu beklagen waren – das stimmt –, eine gesetzes- und eine rechtswidrige Weisung erteilt hat. Das war der Grund dafür, dass er zurücktreten musste, denn er wollte damals die Verfolgung von Udo Proksch und seinen mitver­dächtigen Komplizen verhindern.

Ich gebe Ihnen gerne die Aussagen, hier vor einem Untersuchungsausschuss getätigt, anhand derer nachgewiesen worden ist, dass es damals dem SPÖ-Innenminister einzig und allein darum gegangen ist – und nur darum gegangen ist –, inzwischen bewiesene Millionenbetrügereien zu vertuschen – immerhin mussten sechs Menschen mit dem Leben dafür bezahlen –, und dass es damals das oberste Ziel war, die Polizei als eine Vertuschungs- und Verdunklungsmaschinerie einzusetzen.

Wir wollen Aufklärung, sage ich Ihnen. Und wir wollen nicht einen solchen Innen­minister. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Wenn Sie von uns behaupten, wir wollen eine Parteipolizei, so sage ich Ihnen: Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren!

Nehmen Sie auch Folgendes zur Kenntnis: Wenn die Kriminalität steigt, dann brauchen wir Reformen. Und die Kriminalität steigt nicht deswegen, weil wir Reformen machen. Das ist eine Verkehrung der Tatsachen.


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Ich komme zum Schluss: Wir wollen eine einsatzkräftige Exekutive. Wir wollen eine Polizei, einen Polizeiapparat, frei von solchen Machenschaften, wie sie für die Vergan­genheit in Untersuchungsausschüssen hier nachgewiesen wurden. Nehmen Sie das zur Kenntnis!

Und nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass uns die Sicherheit so wichtig ist, dass trotz des konsequenten Sparkurses, den wir einhalten, Ernst Strasser der einzige Minister ist, der ein Plus an Mitarbeitern hat. Ernst Strasser hat hier die nötige Durchsetzungs­kraft. Er verdient daher unser Vertrauen, auch Ihr Vertrauen. (Abg. Parnigoni: Mit Sicherheit nicht!) Ihrer Verunsicherungspolitik kann man nur misstrauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.17

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. 10 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Öllinger: Jetzt sind wir neugierig!)

 


16.18

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Lopatka hat ein Sprichwort vorweggenommen. Die Dringliche Anfrage und auch die Reden des Kollegen Cap und des Kollegen Parni­goni gehörten in Wirklichkeit unter das Sprichwort gesetzt: Wie der Schelm denkt, so ist er! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ihre Unterstellungen, Ihre Vorwürfe, die alle samt und sonders darin gipfeln, dass par­teipolitische Spielchen gemacht würden, zeigen ja, unter welchen Gesichtspunkten oder mit welchen Hintergedanken Sie Politik machen und immer wieder gemacht haben. Das ist wirklich eine zutiefst altgeprägte sozialistische Gewohnheit, überall, bei allen politischen Handlungen parteipolitische Maßstäbe zu setzen. (Abg. Reheis: Da tun Sie sich aber schwer! ...!) Das sind Sie gewohnt aus jener Zeit, als Sie noch die Regierungsverantwortung getragen haben.

Was mich wirklich schockiert, ist Folgendes: Bei Ihnen kann eine Reform gar nicht den Zweck haben, Dinge zu ordnen, neu zu ordnen, die ganz einfach nicht mehr zeitgemäß sind oder nicht mehr gut funktionieren, sondern bei Ihnen kann eine Reform nur den Zweck haben, parteipolitische Umfärbungen vorzunehmen. Und das lehnen wir ab, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Ihre sozialistischen Minister waren ja überhaupt nicht reformfreudig. Sie haben alles beim Alten gelassen. Beispielsweise war die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei zwar immer in aller Munde, wie der Herr Minister schon gesagt hat, aber drü­bergetraut hat sich überhaupt niemand. (Abg. Mag. Wurm: Österreich war sicherer!) Wichtig war Ihnen die Einzementierung der Macht im Sicherheitsbereich, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie. (Abg. Reheis: Der Erfolg hat uns Recht gegeben!)

Ich werde Ihnen jetzt Folgendes sagen, weil Sie immer wieder behaupten, Minister Strasser würde umfärben, einfärben und so weiter: Von allen Bundespolizeidirektionen und von allen Landesgendarmeriekommanden in Österreich gibt es 13 rote, fünf neut­rale und vier schwarze Chefs. Das ist die Folge der sozialistischen Personalpolitik! Da kann man sich wirklich fragen: Mit welcher Berechtigung machen Sie überhaupt so eine Anfrage? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben rot gefärbt: die Polizeidirektionen Wien, Graz, Salzburg, Linz, Innsbruck. In all diesen Polizeidirektionen sind Polizeidirektoren, die der SPÖ angehören. Das müssen Sie sich einmal ins Bewusstsein rufen, und dann können Sie sich überlegen,


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ob Sie noch immer von Umfärben und Einfärben reden wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Dass Ihnen das unangenehm ist, Frau Abgeordnete Wurm, das kann ich mir schon vorstellen! (Abg. Mag. Wurm: Nein, das ist mir nicht unangenehm!) Die Wahrheit wollen Sie ganz einfach nicht hören.

Herr Abgeordneter Parnigoni und Herr Abgeordneter Cap, wenn ich mir Ihre Dringliche Anfrage anschaue, so muss ich sagen: Schon in der Frage 2 beweisen Sie, dass Sie wirklich wenig Ahnung von der Kriminalitätsentwicklung, von der Art der Kriminalität haben, oder Sie verstehen es nicht, denn da fragen Sie: „Was ist der Grund für das enorme Ansteigen der Vermögensdelikte von 1999 bis 2002 um 28 Prozent?“ – Frage 3 lautet dann:

„Warum hat die Aufklärungsquote aller gerichtlich strafbaren Handlungen im Jahr 2002 mit 40,79 Prozent einen Rekordtiefstand erreicht?“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Großteil der Kriminalität ist nicht hausge­macht, sondern wird importiert. Es handelt sich um Kriminaltouristen, um Profikrimi­nelle, die aus dem Ausland kommen und die eben glauben, dass sie das Wohlstands­defizit zu ihren Ländern ausgleichen können, indem sie die Österreicher überfallen, ausrauben oder andere Vermögensdelikte begehen.

69 Prozent der Untersuchungshäftlinge im Landesgericht für Strafsachen Wien sind Ausländer. Angesichts dieses Umstandes können Sie nicht mehr behaupten, dass ein Großteil der Kriminalität von Österreichern verübt wird, sondern das beweist, dass die meisten Vermögensdelikte von Ausländern begangen werden. (Neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Mag. Wurm.)

Frau Abgeordnete Wurm, jeder weiß, dass die Aufklärungsquote bei Vermögens­delikten immer gering ist, was wir auch an den Zahlen aus der Vergangenheit sehen können. Das ist ganz einfach so, und das werden wir auch nicht ändern können. Durch die offenen Grenzen hat sich das Problem noch enorm verschärft: Kaum ist ein Auto gestohlen, wird es schon über die Grenze gebracht, und oft ist nicht einmal noch die Anzeige erstattet worden, schon sind der Täter und auch das gestohlene Gut in Sicherheit. (Abg. Mag. Wurm spricht – über die Bänke hinweg – mit Abg. Scheibner.)

Frau Abgeordnete Wurm, passen Sie doch auf! (Abg. Mag. Wurm: Ihr Klubobmann spricht mich an!) Sie wissen das doch ohnehin, denn Sie sitzen ja im Innenausschuss. Sie haben den Sicherheitsbericht gelesen, daher müssten Sie doch eigentlich die Ursachen der Kriminalität besser kennen, als Sie es hier darstellen. Es ist doch eine Schande, dass Sie das noch nicht wissen! (Abg. Mag. Wurm: Schauen Sie zu Ihrem Innenminister!)

Wissen Sie, die Zeiten, in welchen die Täter einen Wohnungseinbruch begangen haben und nachher zur Ögussa gegangen sind, um den Schmuck dort zu verkaufen, und dann dort beim Verkauf erwischt worden sind, sind vorbei, diese Zeiten gibt es nicht mehr, denn auch die Vermögensdelikte sind in der Hand der organisierten Kriminalität. Es handelt sich um berufsmäßig organisierte Tätergruppen, die einreisen, schnell zugreifen und im Nu wieder weg sind, und die können ganz einfach von der Exekutive nicht dingfest gemacht werden.

Meine Damen und Herren! Ein Mehr an Exekutive, das Sie fordern, ist zwar ein Teil in der Kriminalitätsbekämpfung, aber sicher nicht das Allheilmittel, sondern es muss eine Fülle von weiteren Maßnahmen geben.

Die Bevölkerung hat den Schaden. Das Einzige, was wirklich wirksam wäre und was wir daher machen könnten, ist, die Grenzen wieder zu schließen, aber das wollen Sie


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nicht und das wollen viele andere auch nicht. (Abg. Parnigoni: Eine Chinesische Mauer wäre ein Vorschlag!)

Eine Chinesische Mauer ist gar nicht notwendig (Abg. Parnigoni: Den Eisernen Vor­hang – das wollen Sie!), aber wir wissen ganz genau, dass diese Kriminalitätsakte hauptsächlich von Rumänen verübt werden. Die Statistik, die Sie, Herr Abgeordneter Parnigoni, hier gebracht haben, stimmt gar nicht. Es handelt sich um rumänische Banden, die brutal zuschlagen. Da hat sich die Aufhebung der Visumpflicht für Öster­reich katastrophal ausgewirkt. (Abg. Parnigoni: Das liegt in der Verantwortung des Ministers!)

Wir wollen die Wiedereinführung der Visumpflicht haben, Herr Abgeordneter Parnigoni. Sie könnten wesentlich dazu beitragen, dass die Sicherheit in Österreich wieder erhöht wird, indem wir die Visumpflicht wieder einführen. Sie könnten den Innenminister in Brüssel unterstützen, wenn er das Verlangen stellt, dass zumindest zeitweilig die Visumpflicht für die Rumänen wieder eingeführt wird. Sie könnten durch Ihre EU-Ab­geordneten diese Forderung im Interesse der Österreicher unterstützen. Sie könnten damit etwas tun, um eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung in Österreich zu ermög­lichen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Cap hat ja diese unsere Forderung aufgegriffen und in den Medien auch zur Sprache gebracht. Heute habe ich hier allerdings von seiner Seite nichts davon gehört. Ich hoffe nur, dass Sie, Herr Abgeordneter Cap, sich jetzt nicht davon distanzieren. Sie haben ganz richtig auch die Ursache erkannt, und ich wünsche mir, dass Sie in Ihrer Fraktion ein wenig Aufklärungsarbeit leisten und auch auf Ihre EU-Abgeordneten dahin gehend einwirken, dass wir Österreicher zumindest eine vorüber­gehende Einführung der Visumpflicht für die Rumänen durchsetzen. (Abg. Schieder: Das kommt nicht in Frage!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu: Auch mir ist die Kriminalität zu hoch! Ich möchte haben, dass alle Menschen auf die Bank gehen können, ohne Angst haben zu müssen, überfallen zu werden. Ich möchte haben, dass man, wenn man am Abend nach Hause kommt, die Wohnung unversehrt vorfindet, genau so, wie man sie verlassen hat. Aber das erreichen wir nicht durch haltlose Angriffe, durch Vorwürfe, es werde irgendetwas eingefärbt, umgefärbt oder sonst irgendetwas, sondern indem wir gemeinsam überlegen, was wir tun können. Aber von Ihnen ist bisher kein einziger konstruktiver Vorschlag gekommen, sondern nur Unterstellungen.

Machen wir doch folgende Analyse: Warum gibt es beispielsweise Personaleinsparun­gen? Warum sind Exekutivbeamte eingespart worden? Warum ist die Zahl der Über­stunden reduziert worden? Warum war all das notwendig? – Weil kein Geld da ist! Warum ist kein Geld da? – Weil in den vergangenen Jahrzehnten Ihre sozialistischen Finanzminister zu viel Geld ausgegeben haben, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Deshalb können wir auf überhaupt keine Reserven zurückgreifen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wäre ja wunderschön, wenn Ihre Finanzminister das Budget so sorgfältig bewacht hätten, wie der jetzige Finanzminister Grasser das tut. Dann hätten wir nämlich einen finanziellen Polster, den wir einsetzen könnten, um beispielsweise für den Bereich der inneren Sicherheit Mittel zur Verfügung zu stellen.

Sie wissen ganz genau, dass Ihrem Ruf nach mehr Geld für die Exekutive auch des­halb sehr schwer entsprochen werden kann, weil wir Brüssel gegenüber bestimmte Kri­terien zu erfüllen haben. Wir dürfen uns nicht verschulden, wie wir wollen oder können, sondern wir müssen eben ganz bestimmte Kriterien einhalten. Sie wären die Ersten,


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die Österreich wieder einen Vorwurf machen würden, würden wir den blauen Brief aus Brüssel bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Hören Sie auf, zu verun­sichern! Beginnen Sie mit uns gemeinsam, Ideen zu entwickeln, wie wir die vorbild­hafte Sicherheitssituation in Österreich wiederherstellen können. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

16.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.28

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Poštovani gospod predsednik! Sehr geehrter Herr Bundesminister, zu Ihrer Wortmeldung, die damit begonnen hat, dass Sie hier – und ich habe da, Herr Bundesminister, förmlich das imaginäre Hexenkreuz bei Ihnen gesehen – der SPÖ dafür gedankt haben, dass wir uns endlich einmal im Nationalrat mit Sicherheitsfragen beschäftigen dürfen, möchte ich sagen: Ja haben Sie so ein kurzes Gedächtnis, dass Sie sich nicht mehr an den letzten Freitag erinnern können, an die Sitzung des Innenausschusses, wo wir jetzt eine neue Praxis, die genau parallel zur Ministerschaft Strasser geht, üben, nämlich den Sicherheitsbericht – der tatsächlich ein hervorragendes Werk Ihrer Beamtenschaft ist, in dem sie die Zahlen, Daten und Fakten liefert – mehr oder minder unter Aus­schluss der Öffentlichkeit, still und heimlich – und nicht länger als zwei Stunden, denn mehr Zeit stand Ihrerseits ja nicht zur Verfügung – zu diskutieren? Und dann stellen Sie sich heute, ein paar Tage danach, her und sagen: Danke, liebe Opposition, dass ich endlich Zeit habe, mich hier 45 Minuten lang der österreichischen Bevölkerung, ver­treten durch die Abgeordneten, erklären zu können!

Also bitte, Herr Minister, wenn eine Rede zur Sicherheit in Österreich so beginnt, dann kann sie nur unernsthaft sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Parnigoni: So ist dieser Minister! Falsch! Ein Trickser!)

Herr Bundesminister! So fängt das alles an, und da stellt sich die Frage: Wer erzeugt in Österreich die größte Verunsicherung? (Ruf bei der ÖVP: Die Opposition!) – Nicht oppositionelle Abgeordnete, die ab und zu die Möglichkeit haben, sich öffentlich zu Sicherheitsfragen zu äußern, nein, es ist der Innenminister der Republik (neuerlicher Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), der seit drei Jahren für das objektive, aber auch für das subjektive Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zuständig ist, weil er nämlich etwas getan hat, was ich bisher immer dem Herrn Justizminister Böhmdorfer vorgeworfen habe. Er hat nämlich die Polizei, die Gendarmerie, die Sicher­heitsexekutive ins Gerede gebracht, und zwar so, dass es der österreichischen Bevöl­kerung Angst macht und dass die Unsicherheit sich verstärkt und zunimmt, und zwar überall: sowohl in der Exekutive als auch in der Bevölkerung.

Herr Bundesminister Strasser, Sie legen mit dieser Ihrer Politik und Ihrer Vorstellung von „Team 04“ und Ihrer Weigerung, über Sicherheitspolitik im Innenausschuss mit der Opposition zu diskutieren, ein Verhalten und einen Stil an den Tag, der polarisiert, der ausgrenzt. Diese Reform, die die größte Reform der Sicherheitsexekutive in der Zwei­ten Republik ist, wird von uns – und das, Herr Minister, wird Sie nicht überraschen, das hat Kollege Pilz auch schon gesagt – nicht gänzlich negativ bewertet, nein, sie wird teilweise positiv bewertet. Das, was wir kritisieren, ist Ihr Stil, den Sie dabei an den Tag legen! Statt das Einvernehmen mit der Personalvertretung, mit der Gewerkschaft, mit den Handelnden und auch mit der Opposition zu suchen – denn Sicherheit ist allen VolksvertreterInnen ein Anliegen und nicht nur vermeintlich dem Innenminister! –, gehen Sie den typischen Strasser’schen Weg, nämlich alles über die Medien, alles


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über die Zeitungen abzuwickeln. Ich habe ja jetzt den Verdacht, nachdem ich Herrn Generalsekretär Lopatka gehört habe, dass Sie das tun, um ihm Stoff für seine Reden im Parlament zu liefern, damit er aus Zeitungen zitieren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Signale des Einbindens, des Miteinan­der-Redens, die müssen vom Ressort ausgehen, die müssen von der Ressortspitze ausgehen, Herr Bundesminister, sonst wird diese Sicherheitsreform – und das kann ich Ihnen garantieren – im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose gehen. Genau das wollen wir nicht! Wir wollen dringend notwendige Reformen durchgeführt haben, und die sollen vorher diskutiert werden, und da sollen Sie nicht polarisieren, sondern ein­binden. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Was mir als Mitglied des Innenausschusses – vor allem in den letzten Wochen und Monaten, aber eigentlich schon all die Jahre, seit Sie Minister sind – am meisten zu denken gibt, das ist Ihr Umgang mit dem Rechtsstaat.

Herr Bundesminister! Sie ignorieren beharrlich OGH-Entscheidungen. Sie weigern sich beharrlich, das, was der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen feststellt, zu exekutieren. Sie halten beharrlich fest an einer als bereits zweifach rechtswidrig festge­stellten Vorgangsweise.

Herr Bundesminister! Obwohl Sie – was eigentlich Grund zur Hoffnung gab – nach dem zweiten Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes zur Bundesbetreuung Ihre Bun­desbetreuungsrichtlinie, die ja schon lange als das erkannt war, was sie tatsächlich ist, nämlich rechtswidrig, was ja dann vom OGH auch bestätigt wurde, zurückgenommen haben, hat das in der Praxis null Folgen gehabt. Es werden nämlich AsylwerberInnen trotz Bedürftigkeit und damit trotz Erfüllung der Kriterien, die nach dem Gesetz notwen­dig sind, in die Bundesbetreuung nicht aufgenommen. Allein stehende Männer, aber auch ganze Familien, Kinder, ja sogar unbegleitete Minderjährige werden in die Bun­desbetreuung nicht aufgenommen! (Bundesminister Dr. Strasser: Das ist nicht wahr!)

Sie schrecken da vor nichts zurück, Herr Bundesminister! Ja ganz im Gegenteil: Sie verharmlosen das Ganze nur! Sie verharmlosen das Ganze, indem Sie der Öffentlich­keit weiszumachen versuchen, dass das immer nur Einzelfälle sind.

Herr Bundesminister! Die Liste, die wir haben – ich weiß nicht, wie Ihr Kabinett arbeitet, aber ich weiß, dass Sie sie auch haben –, und zwar die Liste der kirchlichen Organi­sationen und der nicht kirchlichen NGOs, die uns übermittelt wurde und uns bekannt ist, ist lang. Ihr Verhalten, Herr Bundesminister, ist das typisch negativ-österreichische, feudal-höfische Verhalten, so nach dem Motto: Oje, ein Einzelfall! Na, den lösen wir schon! Wenn es jemandem gelingt, bis zum Ohr des Herrn Bundesministers zu dringen, dann kann man ihm vielleicht helfen.

Herr Bundesminister! Das ist eine Systemfrage! Es ist eine Systemfrage, wenn man beharrlich den Rechtsstaat bricht. Das soll nicht davon abhängen, ob man Ernst Strasser gerade sozusagen am rechten oder am linken Bein, also gut gelaunt oder nicht gut gelaunt erwischt. Das bereitet uns Sorge, Herr Minister! (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen – und das ist nur ein kleiner Auszug dessen, was an uns herangetragen wurde – ein paar Fälle nennen: Achtköpfige Familie aus dem Libanon, drei minderjährige Kinder, das jüngste fünf – am 4. November nicht auf­genommen; Frau aus Nigeria, Frau aus Ghana, Frau aus Somalia – nicht aufge­nommen; am 5. November achtköpfige tschetschenische Familie nicht aufgenommen; fünfköpfige tschetschenische Familie getrennt: Vater mit zwei Kindern auf die Straße gestellt, der UNHCR interveniert sozusagen bei Hof, und dann darf wenigstens die Frau noch bleiben.


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Ich bringe weitere Fälle: Freitag, 7. November: Frau mit 18 Jahren aus Somalia – nicht aufgenommen; siebenköpfige Familie aus Tschetschenien, Mutter schwanger, vier Kinder: aufgenommen, allerdings – und das ist das, was mich am meisten empört – wieder entlassen. Diese Frau hat dann – und jetzt gebe ich das positive Ende schon bekannt – am 11. November ein Kind geboren, und die MA 11, das Wiener Jugendamt, hat darum gebeten, dass man das irgendwie regelt, damit die Versicherung bleibt. Das ist ja das Wesentliche bei Asylwerbern: Sie verlieren mit der Entlassung aus der Bun­desbetreuung die Versicherung und damit den Schutz, wenn sie krank werden und ins Krankenhaus müssen. Und eine Hochschwangere, die kurz vor der Entbindung steht, braucht ein Krankenhaus! (Bundesminister Dr. Strasser: Das ist die Unwahrheit!) Wenn so jemand aus der Bundesbetreuung entlassen wird und das nur nach Bitten und Betteln der MA 11 geregelt wird, dann kann ich mich nur wundern. Ich weiß nicht, Herr Bundesminister, wie Sie dieses Verhalten charakterisieren. (Bundesminister Dr. Strasser: Es ist die Unwahrheit!) Ich charakterisiere es als unmenschlich, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Abschließend, Herr Bundesminister, möchte ich sagen: Angesichts all dieses mensch­lichen Leids ist der Hinweis auf die Tatsache, dass Sie nebenbei auch noch eine Menge Steuermittel vergeuden – nämlich in der ganzen Frage der Klagen von NGOs, wo es darum geht, dass sie die Gelder wieder hereinbekommen –, nur eine Randbe­merkung, aber auch das ist ein nicht statthaftes Verhalten.

Aus all dem Gesagten ziehe ich folgenden Schluss: Mit dieser Amtsführung, so wie ich sie jetzt anhand von exemplarischen Fällen geschildert habe, brechen Sie, Dr. Ernst Strasser, tagtäglich und meiner Ansicht nach vorsätzlich die Genfer Flüchtlingskonven­tion und die im Verfassungsrang stehende Europäische Menschenrechtskonvention. Darüber hinaus ignorieren Sie die Höchstgerichte. Also was tun Sie? – Sie kämpfen einen Kampf gegen den Rechtsstaat – und nicht einen Kampf für mehr Sicherheit für die österreichische Bevölkerung, für das Asylrecht!

Herr Minister! Dieses Ihr Verhalten – und so haben wir es auch in unserem Miss­trauensantrag formuliert – ist für den Rechtsstaat untragbar. Deshalb, Herr Minister, versagen wir Ihnen nach drei Jahren Amtsführung erstmals das Vertrauen. Nach meinem Dafürhalten haben Sie nur mehr eine Chance, da auszubrechen: indem Sie sich bessern! – So würde ich mit meinem Sohn sprechen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.39

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sicherheit ist ein Thema für alle Parteien, so natürlich auch für die Sozialdemokratie. Herr Bundesminister, auch wir sind der Meinung, dass Reformen im Exekutivbereich notwendig sind. Nur: Die Art und Weise, wie Sie diese Reformen bislang vorgenommen haben, nämlich gegen den Widerstand Ihrer Dienstnehmer, gegen den Widerstand der Personalvertretung und gegen den Widerstand der Öffentlichkeit, lehnen wir ab. Sie allein, Herr Bundesminis­ter, sind für die jetzige Situation verantwortlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen das deutlich machen. Sie wollen von Sicherheit reden, Herr Bundes­minister. Im Innenausschuss – für wen halten Sie uns eigentlich? – erklären Sie uns: Nein, der Sicherheitsbericht soll enderledigt werden! Sie erklären uns weiters: In vier­zehn Tagen wird der „Team04“-Bericht vorgelegt werden. – Herr Bundesminister, Sie haben ihn am Montag vorgelegt! Was glauben Sie, was wir von Ihnen denken sollen? –


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Sie haben behauptet, Sie kennen den Erstbericht von „Team04“ nicht. Herr Bundes­minister, Sie haben ihn gekannt – wir wissen es –, denn Sie haben Brigadier Lang kurz darauf für seine hervorragende Arbeit gedankt. – Aber das wird noch Gegenstand weiterer Überlegungen sein.

Herr Bundesminister! Wir glauben, wir sollten über die Sicherheit reden – aber ernst­haft und auch über Fakten. Ich glaube jedoch, Sie sind faktenresistent, weil Sie be­stimmte Dinge nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Sie reden hier davon, dass mehr Be­amte im Außendienst sind. Herr Bundesminister, wer glaubt Ihnen Ihre Zahlen noch?

Sie reden davon, dass keine Wachzimmer zugesperrt werden. – Ich war selbst dabei, mit den Medien: Die Wachzimmer wurden zugesperrt, um 10 Uhr auf Grund eines Dienstbefehls! Herr Bundesminister, wer glaubt Ihnen noch, wenn Sie behaupten, dass keine Wachzimmer, keine Gendarmerieposten zugesperrt werden? – Niemand mehr in Österreich glaubt Ihnen das. Dafür sind Sie als Person allein verantwortlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Die Verunsicherung hat mit dem „Team04“-Projekt begonnen. Sie haben heute erklärt – ich habe es mir aufgeschrieben –: nicht weniger Planstel­len. – Ich würde Ihre Beamten ersuchen, die Seiten 66, 67 und 68 über die E1- und E2a-Plandienststellen genau zu lesen, zu vergleichen und mir dann zu sagen, ob diese Zahlen tatsächlich richtig sind. Wenn Sie es mir heute nicht beantworten, werden wir später sicherlich nachfragen.

Herr Bundesminister! Die Exekutive ist verunsichert. Die Exekutive hat Angst vor die­sen Reformen, weil sie nicht transparent waren. Auch die Bevölkerung hat Angst.

Erlauben Sie, dass ich jetzt auf die Ausführungen von Kollegen Lopatka eingehe, weil er wieder einmal unvollständig aus einer Zeitung zitiert hat. Ich zitiere vollständig aus den „Salzburger Nachrichten“ den ersten Absatz:

„Ein Innenminister ist dann erfolgreich, wenn die Kriminalitätsrate niedrig und die Auf­klärungsquote hoch ist. Und: Wenn sich die Bevölkerung sicher fühlt. An diesen Para­metern gemessen ist Ernst Strasser erfolglos.“ (Beifall bei der SPÖ.) „Die Zahl der Ver­brechen explodiert, bei der Aufklärung hinkt die Exekutive hinten nach. Und die Bürger fühlen sich noch weniger sicher als zu Zeiten übelster FPÖ-Angstmacherei.“ (Abg. Großruck: Kollege Lopatka ist glaubwürdiger!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPÖ-Fraktion schließt sich diesen Schlussfolgerungen vollinhaltlich an. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Auch mir ist die Frage des Rechtsstaates, wie der Kollegin Stoisits, ein Problem. Erlauben Sie, dass ich hier auf ein besonderes Problem eingehe, auf Ihren so genannten privaten Geheimdienst, das Büro für interne Angelegenheiten. Es liegt mir hier eine Sachverhaltsdarstellung gegen unbekannte Täter aus dem Be­reich des Büros für interne Angelegenheiten vor – ich zitiere im Folgenden die Tatbe­stände, wegen derer Anzeige erstattet wurde: Amtsmissbrauch in vielen dargestellten Fakten, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Fälschung eines Beweismittels, Miss­brauch von Abhörgeräten, Herbeiführung einer unrichtigen Beweisaussage, Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses, Unterdrückung eines Beweismittels, falsche Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde, Verleumdung, Kreditschädigung und schwere Nötigung.

Herr Bundesminister! Wir haben im Juni hier diskutiert, und ich habe Sie von diesem Platz aus darauf aufmerksam gemacht, dass bei Ermittlungen von Mitarbeitern des Büros für interne Angelegenheiten die Unschuldsvermutung nicht eingehalten wird. Wir können es jetzt beweisen. Es geht um einen Kollegen in Salzburg; Beamte des Büros für interne Angelegenheiten haben wider besseres Wissen in Kenntnis des tatsäch-


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lichen Sachverhaltes Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Salzburg erstattet. Ich halte noch einmal fest: wider besseres Wissen!

Herr Bundesminister! Ich verstecke mich nicht hinter meiner parlamentarischen Immu­nität. Der Leiter des Büros für interne Angelegenheiten wurde von dieser Strafanzeige in einem Zwei-Stunden-Gespräch informiert, es kam zu keiner Reaktion seitens Ihres Ministeriums. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sache liegt bei Gericht, und wir werden nicht nur diesen Fall, sondern die Umstände, die dazu geführt haben, in den nächsten Monaten sicherlich weiter zur Sprache bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.45

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Kößl. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


16.45

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist eigentlich bedenklich, wenn eine Dringliche Anfrage eingebracht wird, bei der man erwartet, dass Argumente ins Treffen geführt werden, die eine Bereicherung für dieses ganze Thema wären und diese Anfrage auch rechtfertigen würden – aber es kommt nichts, nichts Brauchbares, nichts Vernünftiges; stattdessen wird, so möchte ich sagen, Polemik betrieben, und alles wird schlecht ge­macht. (Abg. Öllinger: Bei einer Anfrage erwartet man sich in erster Linie Antworten! – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)

Eigentlich müsste man dem Innenminister äußerst dankbar dafür sein, dass er, seit er im Jahre 2000 das Innenressort übernommen hat, den Reformstau, der im Innenbe­reich gegeben war, angegangen ist. Wir wissen ganz genau, dass man mit einer K.u.k.-Mentalität wie jener der vorherigen Innenminister keinen Staat machen kann und auch keine effiziente Polizeiarbeit leisten kann.

Ich möchte eines klarstellen, weil die steigende Kriminalität angesprochen worden ist: Ja, es gibt eine steigende Kriminalität, aber europaweit, besonders bei Vermögens­delikten, und Österreich ist davon sicherlich nicht ausgenommen. Aber die Aussagen der Opposition sind, bitte, zu relativieren. Unter „drastischer Senkung“ der Aufklärungs­quote verstehen Sie 0,9 Prozent. Sie sagen aber nicht, dass im Jahr 2002 um 7 000 Tathandlungen mehr als im Jahr zuvor aufgeklärt worden sind. Ich möchte auch von dieser Stelle aus der Exekutive ein herzliches Dankeschön sagen! (Beifall bei der ÖVP.)

Verständlich ist natürlich, dass diese Kriminalitätsentwicklung neue Antworten erfor­dert. Deshalb ist die internationale Verzahnung der Polizei besonders wichtig, wichtiger denn je. Aus diesem Grund wurden und werden die Strukturen unserer Exekutive den heutigen Anforderungen angepasst.

Was wurde bisher verändert? – Es wurde ein Bundeskriminalamt geschaffen; das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung, eine wichtige Neuformierung des Kriminaldienstes auf oberster Ebene, um der internationalen Kriminalität entspre­chend begegnen zu können. Es wurden der Bundesverfassungsdienst und die Lan­desverfassungsdienste eingerichtet, auch um der terroristischen Bedrohung besser begegnen zu können. Es gab ein Bündeln der Kräfte bei den Observationsgruppen; die zahlreichen Observationsgruppen, die es in Österreich gegeben hatte, sind zusam­mengeführt worden. Auch das ist ein ganz wichtiger Schritt, um die Kriminalität besser bekämpfen zu können. Außerdem wurde ein weiterer wichtiger Schritt dadurch gesetzt, dass die Ausbildung bei Polizei und Gendarmerie ebenfalls vereinheitlicht wurde, so­dass es jetzt vom Neusiedler See bis zum Bodensee eine einheitliche Ausbildung gibt.


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Eine sehr wichtige Entscheidung für eine effiziente Kriminalitätsbekämpfung ist die Zu­sammenführung der Wachkörper Polizei, Gendarmerie und Zollwache. Das ist eine Forderung von allen hier im Haus vertretenen Parteien. Die Vorgangsweise, wie sie umgesetzt wird oder wie sie begonnen worden ist, ist richtig. Es wurde von Kollegen, die im Dienst stehen, ein Konzept erstellt, und dieses Konzept ist der Öffentlichkeit vor­gestellt worden. Es gibt Verhandlungen mit der Personalvertretung. Ja, ich sage, es ist wichtig, dass mit der Personalvertretung verhandelt wird, einige Punkte sind sicherlich zu verhandeln.

Es gibt eine breite Diskussion mit den Betroffenen. Ich bedanke mich beim Innenminis­ter dafür, dass er sich zur Verfügung stellt, dass er hinausfährt und mit den Beamten draußen vor Ort diskutiert. (Abg. Mag. Johann Maier: Das ist ja seine Aufgabe, Kollege Kößl!) Das hat es früher noch nicht gegeben. (Beifall bei der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.) Ich bin 30 Jahre im Dienst und habe keinen Innenminister draußen bei der Diskussion mit den Bediensteten gesehen – schon gar nicht bei Reformen, weil es die vorher nie gegeben hat! Es hat keine Reformen gegeben, es war ein Riesen-Reform­stau bei Amtsantritt von Minister Strasser! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und ÖVP.)

Es soll dieser Diskussionsbeitrag und dieses Verhandlungsergebnis schließlich in die Endfassung eingebunden werden. Ich sage eines ganz deutlich: Es wäre verantwor­tungslos, den Exekutivbeamten nicht Polizeistrukturen zur Verfügung zu stellen, mit denen sie die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen können.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn von einer „Umfärbelungsaktion“ gesprochen wird, muss eines klar sein: Ende 1999 waren 95 Prozent im Innenministerium SPÖ-Mit­glieder oder SPÖ-nahe Beamte. Es gab keinen einzigen Landesgendarmeriekomman­danten in Österreich, der nicht bei der SPÖ oder besonders SPÖ-nahe war. Ich sage auch genau, warum ich von „besonders SPÖ-nahe“ spreche: weil mich ein Betroffener angerufen und zu mir gesagt hat, er sei nicht Mitglied der SPÖ, aber er stehe der SPÖ sehr, sehr nahe. – Das stimmt, so schaut es aus. Es gab keinen einzigen Abteilungs­leiter, der mit Personalagenden befasst war und nicht der SPÖ angehörte. Wenn jetzt im Zuge von Neubesetzungen eine Nachbesetzung erfolgt, dann muss man doch, bitte, all denjenigen zugestehen, dass sie, wenn sie die beruflichen Voraussetzungen er­bringen, nicht unbedingt das SPÖ-Buch brauchen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Jetzt kommt das niederösterreichische Modell!)

Ich glaube, es wäre wichtig, beim Thema Sicherheit keine Polemik anzuwenden und die Verbreitung von Unwahrheiten zu unterlassen. Es geht dabei um die Erfüllung von ganz wichtigen Aufgaben für die Bevölkerung unseres Landes, da sind wir sicherlich alle gefordert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


16.52

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Kriminalentwicklung in Österreich ist wirklich sehr, sehr uner­freulich, darüber sind wir alle hier uns sicherlich im Klaren. Einige Beispiele: Innsbruck, 8. und 9. November, in einer Nacht 20 Tresoreinbrüche; in Graz Ende Oktober im Laufe von einigen Tagen 100 Wohnungs- und Geschäftseinbrüche; in Wien am 7. No­vember binnen 40 Minuten drei Banküberfälle; am 9. November Raub in einem Café: „Brieftaschen, Handys und Bargeld erbeuten vier Unbekannte in der Nacht auf Sonntag bei einem Überfall auf ein Café in der Taborstraße in Wien II. Die Täter bedrohten Kellnerin und Gäste mit Revolvern.“


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind Verhältnisse wie im Wilden Westen! Das sind keine normalen Verhältnisse mehr mit einer moderat steigenden Kriminalität. Es ist Faktum, dass die Verhältnisse sich dramatisch verschlechtert haben.

Ich zitiere weiter ein Tagesmedium: „Meidling protestiert gegen Drogenwahn. Schon seit Monaten nehmen die Umtriebe schwarzafrikanischer Dealer sowie süchtiger Hand­taschenräuber in Meidling zu. Die Bevölkerung fühlt sich zusehends unsicherer.“ Oder letzte Woche, meine Damen und Herren: „Mit Messer und Pistolen bewaffnete Auslän­der, sechs Mann hoch, überfallen zum wiederholten Mal eine Bank.“

Oder: Überfallserie auf Bim-Fahrer hier in Wien: „Dramatische Entwicklung bei Überfäl­len und Attacken auf Straßenbahnfahrer in Wien. Besonders gefährdet sind das Fahr­personal, aber auch die Gäste in den Linien entlang des Gürtels.“

Dazu ein Betroffener: „Es gibt auf manchen Strecken kaum einen Kollegen,“ – nämlich einen Bim-Fahrer – „der nicht schon tätlich angegriffen oder beraubt wurde, erklärt Straßenbahnfahrer Gerhard Eder aus Rudolfsheim.“

Das sind doch Dinge, die uns zu denken geben müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Aber was wird von Ihnen hier betrieben, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, in Ihrer Anfrage und in dem Misstrauensantrag, in den sie mün­det? – Darin steht: „Seit dem Jahr 2000, dem Amtsantritt der schwarz-blauen Bundes­regierung“, weist die Statistik „eine stark gestiegene Kriminalität in Österreich aus“. Also was heißt das: Seit die blaue Regierung im Amt ist, gibt es mehr Kriminalität? – Das heißt doch nichts anderes, als dass Sie sagen, dass wir dafür verantwortlich sind, dass es mehr Kriminalität gibt. Meine Damen und Herren, die Kriminalität wird immer noch von Kriminellen gemacht, aber nicht von der Bundesregierung und vom Bundes­minister, das müssen sogar Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie unschlüssig die Anfrage der Sozialdemokraten ist, erweist sich auch darin: Man beschwert sich einerseits über Untätigkeit, aber in derselben Ausführung und Erklärung kommt dann sofort Kritik an einer Aktion, einer Handlung, die von der Regierung gesetzt wurde, nämlich an der Asylpolitik. Das ist Ihnen also auch nicht recht! Zuerst lautet die Kritik, dass man nichts unternimmt; dann wird ein taugliches Gesetz dafür geschaffen, dass man Teile der Kriminalität in Zukunft verhindert, aber das ist dann auch nicht richtig. Das geht sogar so weit, dass in Ihrem Entschließungsantrag einer der Gründe für die Versagung des Vertrauens der folgende ist: „Am eklatantesten ist sein“ – des Ministers – „Vorschlag zur Asylgesetzgebung, ...“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines der wichtigsten Mittel, um die Kriminali­tät in Österreich in Zukunft wirksam bekämpfen zu können, ist eben das neue Asylge­setz!

Das werden auch Sie, obwohl doch manche von Ihnen Gutmenschen sind, zur Kennt­nis nehmen müssen, dass Kriminalität auch einen Namen hat: Sie hat unter anderem den Namen „Ausländer“, und sie hat unter anderem leider Gottes auch den Namen „Asylwerber“. Nicht umsonst weist die Statistik aus (Abg. Parnigoni: Aber nur in Ihrer xenophoben ...!), dass von 1 229 Nigerianern, die kriminelle Handlungen gesetzt haben und aktenkundig sind, 690 Asylwerber sind, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es ist nun einmal Realität, dass ein großer Prozentsatz der Asylwerber in die Krimi­nalität verfällt, das muss man zur Kenntnis nehmen.

Ein Thema hat schon meine Kollegin Partik-Pablé gebracht, und Kollege Schieder hat den Kopf geschüttelt: Ja, eine wirksame Maßnahme ist natürlich die Wiedereinführung


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der Visumpflicht für rumänische Staatsbürger! Es schreibt die „Kronen Zeitung“ – bitte, das ist nicht gerade ein unverdächtiges Medium –:

„Besonders Kriminaltouristen aus Rumänien sind seit dem Fall des Visums ein großes Sicherheitsproblem. Denn neun von zehn Festgenommenen stammen aus Rumänien.“

Aber ich nenne ein anderes Medium, nämlich „NEWS“. Sogar „NEWS“ titelt schon:

„Rumänische Diebsbanden überschwemmen Österreich. Die Exekutive ist machtlos.“

Meine Damen und Herren! Wenn man bereits von den Medien so darauf hingewiesen wird, wo die Kriminalität wirklich herkommt, dann sollte man sie auch wirksam bekämp­fen können. Dazu zählt eben auch die Visumpflicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe aber noch ein Thema, das meines Erachtens eine gewisse Bedeutung hat: Nach dem Vorbild des Freistaates Bayern sollte auch in Österreich die Schleierfahn­dung eingeführt werden. Es gibt eine bestens ausgebildete und geschulte Gruppe in der Exekutive, die vor allem auch eine Ausstattung auf höchstem Standard hat. Meine Damen und Herren, es ist dies das EKO Cobra, 336 Beamte in Österreich, die sich selbst als Krisenfeuerwehr der Exekutive bezeichnen. Gemäß einem Erlass aus dem Jahr 2002 darf die Cobra derzeit nur dann tätig werden, wenn für den Einsatz beson­ders ausgebildete und ausgerüstete Spezialkräfte im Verband erforderlich sind. Es werden dann auch Beispiele genannt, es sind dies Amok, Geiselnahme und auch Erpressung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Cobra hat nach Aussage maßgeblicher Exekutivbeamter, die mich darauf aufmerksam gemacht haben, noch freie Kapazitäten. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, zu prüfen, ob nicht diese Sonder-Eliteeinheit zur Bekämpfung jener doch noch nie da gewesenen Welle von Brutalität und von Kriminalität herangezogen werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Schluss kommend: Es ist eine schwierige Situation, was die Kriminalität betrifft. Mit der Neustrukturierung der Exekutive im „Team04“ ist zweifellos ein richtiger Weg beschritten worden, aber unseres Erachtens sind auch Sofortmaßnahmen notwendig. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Wir ersuchen Sie, Herr Bundesminister, hier auch tätig zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzin­ger. Redezeit: wunschgemäß 6 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


16.59

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Damen und Herren! Reden wir doch zuerst einmal über den Umgang des Herrn Ministers mit den Fakten. Die Fakten sind ja heute schon sehr häufig zitiert worden. Als Fakt in dieser Beantwortung wurden als Erstes einmal mehr oder weniger hieb- und stichfeste Hypothesen formuliert, die einen einzigen gemeinsamen Nenner haben – wenn ich jetzt richtig zugehört habe –, nämlich dass sich querdurch eine latente Ausländerfeindlichkeit als politisches Stilmittel zieht, die ich bislang nur von anderer politischer Seite in dieser Drastik und in dieser Deutlichkeit erlebt habe. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Mainoni: Sie verschließen die Augen vor den Fakten, Frau Kollegin! Sie sprachen von Fakten! – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vor­sitz.)

Danach kommen als Zweites einige nach Zahlen, Fakten und Datenmaterial klingende Sachverhalte zur Verlesung. Ich nehme an, der Herr Minister hat bei Finanzminister Grasser gelernt, dass man sicherheitshalber Dinge vorliest, um sich nicht selbst irgend­wo hineinzureiten. Ob es sich dabei tatsächlich um eine Beantwortung gehandelt hat,


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ist aber nur deswegen, weil man an ein paar Stellen Zahlen genannt hat, noch lange nicht gewährleistet!

Drittens gibt es da jene ganz mysteriösen Fakten, die offensichtlich einem partiellen Gedächtnisschwund des Herrn Ministers unterliegen: Offensichtlich hat er immer dann Erinnerungsprobleme, wenn es um Menschen geht, deren Recht auf Bundesbetreuung nicht gesichert war beziehungsweise die abgewiesen wurden, als sie Aufnahme in die Bundesbetreuung suchten.

Wenn man den Herrn Minister in Pressegesprächen darauf anspricht, dann heißt es, dass er von diesen Fällen nichts wisse. Die Caritas hätte zum Beispiel verabsäumt, ihm die Fälle zu nennen. – Tatsächlich hat die Caritas das oft schon Tage, wenn nicht Wochen vorher gemacht. Ich verzichte jetzt darauf, allein die Fälle von letzter Woche noch einmal zu verlesen; meine Kollegin Abgeordnete Terezija Stoisits hat das schon getan.

Herr Minister! Wenn Sie tatsächlich nicht wissen, in welchen Fällen die Bundesbe­treuung verweigert wurde, dann haben Sie entweder ein sehr inferiores Informations­management im Haus – in diesem Fall würde ich Ihnen raten, sich mit Bundeskanzler Schüssel zusammenzutun, der heute in Sachen Infomanagement schon hilfreiche Tipps angeboten hat, oder Sie leiden unter stressbedingtem Gedächtnisausfall. Dann würde ich Ihnen empfehlen, sich einen weniger stressigen Job zu suchen, denn davon hätten nicht nur Sie etwas! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni.)

Reden wir nun über ein zweites Wort aus dem Sprachgebrauch des Herrn Ministers, nämlich über das schöne Wort „Einladung“. – Der Herr Minister hat vor kurzem 70 tschetschenische Flüchtlinge an der österreichischen Grenze „eingeladen“, doch wieder umzukehren. Wie diese „Einladung“ ausgesehen hat, kann man jetzt im „Falter“, und zwar im Detail recherchiert, nachlesen.

Konkret wurde mehreren Personen, die nachweislich Asyl beantragen wollten, nicht einmal dieses Verfahren gewährt, sondern sie wurden unter Umständen zurückgescho­ben, die jeglicher Menschlichkeit spotten! – Wenn es zeitlich und organisatorisch mög­lich ist, die Fingerabdrücke der Betroffenen abzunehmen, zeitlich und organisatorisch aber nicht möglich ist, dass eine Mutter ihr Kleinkind wickelt, dann frage ich zumindest den Präsidenten des Niederösterreichischen Hilfswerkes – Herr Minister Strasser, ich glaube, das sind Sie ja noch immer –: Wo bleibt da die Familienfreundlichkeit und Menschlichkeit der ÖVP? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Einer dieser Menschen, die an der österreichischen Grenze, konkret über die BH Gmünd, abgewiesen wurden, hat einem Journalisten in einem tschechischen Lager einen Bescheid gezeigt, in welchem steht, dass er in Österreich ein Aufenthaltsverbot bis zum 1. November 2008 hat, ohne dass er wüsste, wie er dazu kommt. Im Hinblick darauf ist es, wie ich glaube, doch mehr als begründet, dass es inzwischen eine Klage wegen Amtsmissbrauchs an die Behörde gibt. So kann es jedenfalls nicht gehen! Für solche „Einladungen“ bedanken wir uns herzlich! Abgelehnt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Lassen Sie mich schließlich noch auf die Interpretation des Begriffes Sicherheit durch den Herrn Minister kommen.

Erstens stelle ich fest, dass alle möglichen diffusen Bedrohungsszenarien von Miss­brauch über importierte Kriminalität und was weiß ich noch alles an die Wand gemalt werden. In diesem Zusammenhang kann ich an die Adresse des Herrn Abgeordneten Lopatka nur ihn selbst zitieren. Er hat nämlich gesagt: Wie der Schelm denkt, so ist er. – An dieser Stelle müssen wir aber vor allem feststellen, dass es etwas in Öster-


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reich leider nicht mehr gibt, nämlich die Sicherheit, dass ein politisch verfolgter Mensch Schutz vor dieser Verfolgung in Österreich bekommen kann und dass er ein Recht auf ein faires, korrekt durchgeführtes Asylverfahren hat. Die Prinzipien der Genfer Flücht­lingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und – ganz banal – des Rechtsstaates werden offensichtlich nicht eingehalten.

Stattdessen nimmt dieser Minister, der angeblich für Sicherheit zuständig ist, den Men­schen die Sicherheit auf ein anständiges Verfahren, zum Beispiel auf Schutz vor Ab­schiebung während eines laufenden Verfahrens per Gesetz. Dieser Minister nimmt den Menschen die Sicherheit vor physischen Übergriffen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mai­noni.)

Ich darf zum Beispiel auf einen Fall aufmerksam machen, in dem eine Frau aus dem Kosovo von ihrem eigenen Mann schwer misshandelt wurde. Sie landete im Lager in Traiskirchen in einem Haus, zu dem auch Männer Zugang hatten, und sie hat sich dort zu Tode gefürchtet, weil sie nicht einmal ihren Raum versperren konnte. So geht die österreichische Behörde mit schwer traumatisierten Frauen um! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.)

Offensichtlich gibt es ein eigenes Konzept der Strasser’schen Sicherheitspolitik, das im Wesentlichen lautet: Mit Sicherheit wird nicht geduldet, dass jemand kritisiert oder anderer Meinung ist als der Herr Minister, seien es die Caritas oder das UNHCR. Mit Sicherheit wird ein Gesetz vom Verfassungsgerichtshof wieder aufgehoben, das ganz klar verfassungswidrig ist, aber mit Sicherheit kümmert das den Herrn Minister nicht. Mit Sicherheit macht dieser Minister keine Politik im Interesse von Rot-weiß-Rot, son­dern eine Politik, die tiefschwarz-tiefblau-tiefschwarz ist, das heißt, düstere Perspekti­ven für die österreichische Sicherheit bietet.

Herr Minister Strasser, ich kann Sie daher nur entsprechend Ihrer eigenen Diktion ganz, ganz herzlich einladen: Ziehen Sie die entsprechenden Konsequenzen in Ihrer Lebensplanung und ersparen Sie uns das! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schöls.)

17.06

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

 


17.06

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Gegen sinnvolle Reformen ist nichts einzuwenden. Das, was hier unter dem Deckmantel „Reformen“ präsentiert wird, ist jedoch ein Kür­zungsprogramm, und damit drohen die Glaubwürdigkeit und die Motivation der an sich noch gut funktionierenden Exekutive verloren zu gehen.

Herr Bundesminister! Dieser beinharte Sparkurs, der hier gefahren wird, trägt sehr deutlich die Handschrift des Herrn Finanzministers: Strasser macht, was Grasser sagt! Herr Bundesminister! Ich will es ganz einfach nicht glauben. Aber Grasser ist hauptver­antwortlich für das Budget und für den Stellenplan, und er ist immer federführend tätig, wenn es darum geht, Österreich kaputt zu sparen. Das, Herr Bundesminister, werden wir aber ganz einfach nicht zulassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie dürfen unsere Sicherheit, die Sicherheit Österreichs und seiner Bevölkerung, nicht diesem gefährlichen Sparkurs opfern! Herr Bundesminister! Sicherheit muss uns mehr wert sein, und daraus haben Sie die notwendigen Konsequenzen zu ziehen! Ich kann Ihnen nur empfehlen: Beachten Sie unsere konstruktiven Vorschläge, um die drama­tische Sicherheitssituation in Österreich wieder in den Griff zu bekommen!

Herr Bundesminister! Tatsache ist, dass sich die Exekutive im Ausnahmezustand be­findet. Wir wünschen uns, dass es uns gelingt, auch in Wien – wir sind am meisten


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betroffen, wir haben eine Steigerung der Delikte um 19,5 Prozent – die Situation wieder zu bereinigen. Wir brauchen mehr Beamte in dieser Stadt! Sie selbst haben bestätigt, dass zu wenig Sicherheitsorgane unterwegs sind. Die Beamten sind auf Grund wider­sprüchlicher Aussagen, Bewertungen und letztlich auch auf Grund fehlender Perspek­tiven schwer verunsichert. Dennoch kann man feststellen, dass sie hervorragende Leistungen im Dienste unseres Landes erbringen, und daher ist diesen Beamten auch unser Dank auszusprechen!

Herr Bundesminister! Es wird nicht mehr Polizei auf der Straße geben, und da hilft die ganze Zahlenspielerei nichts, die hier betrieben wird. Auch wenn immer wieder gesagt wird, dass es 770 Neuaufnahmen geben wird, muss gleichzeitig auch bedacht werden, dass es, selbst wenn diese tatsächlich erfolgen, noch Jahre dauern wird, bis diese Mitarbeiter voll einsatzfähig sind. Außerdem möchte ich festhalten: Neuaufnahmen können nur im Rahmen des Stellenplanes erfolgen, und in diesem, Herr Bundesminis­ter, ist vorgesehen, dass im Jahr 2004 wieder um etwa zwei Prozent gekürzt werden wird.

Wir haben also einen gekürzten Stellenplan, und daher ist es nicht möglich, zusätzlich Exekutivorgane aufzunehmen. Der sehr knapp gehaltene Stellenplan erlaubt ganz ein­fach nicht, dass wir tatsächlich zu einem Mehr an Polizei auf der Straße kommen! Wenn überhaupt, wird es sich um ein Nullsummenspiel handeln, und wenn es gut geht, können Sie den Ist-Stand erhalten. – Das bedeutet aber einen eklatanten Mangel an Sicherheit auf Österreichs Straßen, aufs Wiens Straßen!

Herr Bundesminister! Wir brauchen eine Steigerung der Einsatzkräfte und nicht eine Ausweitung des Sparkurses! Die Exekutive soll besser werden und nicht einen gerin­geren Personalstand aufweisen! In einigen Bezirken in unserer Stadt haben wir einen Fehlstand von bis zu 30 Prozent, im Durchschnitt liegen wir jedenfalls bei 20 Prozent. Auf Grund des sehr knappen Dienststellenplanes, der im Verhältnis zu den tatsächlich Dienst versehenden Polizistinnen und Polizisten gekürzt wurde, haben wir schon jetzt einen Fehlstand von 700 Beamten!

Herr Bundesminister! Hier ist Gefahr in Verzug, und hier ist rasches Handeln gefragt, wenn man die ausufernde Kriminalität in dieser Stadt wieder in den Griff bekommen will. Wir brauchen die von uns immer wieder geforderten 1 000 Polizisten, denn nur so kann ein sicheres Wien garantiert werden. Nur mit dieser Anzahl an zusätzlichen Beamten sind wir imstande, das an sich hohe Sicherheitsniveau in dieser Stadt wieder­herzustellen.

Herr Bundesminister! Daher fordern wir sofortige Neuaufnahmen, die Aufhebung des Sparerlasses, die Aufhebung der Überstundenkürzungen und ausreichende budgetäre Mittel, damit die Exekutive ihren Aufgaben gerecht werden kann, denn die Politik ist verpflichtet, der österreichischen Bevölkerung Schutz und Sicherheit zu geben. Gefähr­den Sie mit diesem Kürzungsprogramm nicht das, was wir in Jahrzehnten aufgebaut haben, nämlich ein blühendes Land mit hoher Lebensqualität, in dem sich die Men­schen wohl und sicher fühlen. Dieser Politik sind wir verpflichtet! Diese Politik hat Vor­rang und nicht Ihr Sparkurs! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.12

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte, Herr Minister.

 


17.12

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dieser Debatte möchte


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ich jetzt gern für mich selbst eine Zusammenfassung zur Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie finden.

Diese Zusammenlegung ist logisch, sinnvoll und auch höchst notwendig. Das zeigen nicht nur die damit im Zusammenhang stehenden Debatten, sondern das zeigt auch die internationale Erfahrung, das fordert der Rechnungshof, und das sagt einem letzt­lich auch der Hausverstand. Wir werden diese Zusammenlegung im breiten Rahmen mit den Personalvertretern diskutieren. Frau Abgeordnete Stoisits, ich danke für Ihren Hinweis! Ich werde das sehr gerne auch mit der Oppositionspartei tun! Mit Kollegen Parnigoni habe ich bereits gesprochen, ich werde selbstverständlich auch mit den Grünen diskutieren, und wir werden mit den Bürgern reden.

Wir werden, so wie vorgesehen, in der ersten Hälfte 2004 die Umsetzungsvorbereitun­gen treffen, und wir werden, wenn wir in der zweiten Hälfte 2004 die entsprechenden Ermächtigungen bekommen, die Umsetzung innerhalb dieser Legislaturperiode, also bis 2006, erledigen. Das ist der Plan für die neue Exekutive für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herrn Abgeordnetem Posch habe ich die Frage 12 nicht klar genug beantwortet. Ich darf das daher noch einmal wiederholen.

Frage 12 hat gelautet: Nach dem Vorliegen des Projektentwurfes von „Team04“: „Wel­che Bezirksgendarmeriekommanden werden in Kärnten zusammengelegt?“ – Meine Antwort lautet: keine!

„Welche Gendarmerieposten werden zu temporären Dienststellen umgewandelt?“ – Meine Antwort lautet: keine! Das, was für ganz Österreich gilt, gilt selbstverständlich auch für Kärnten.

Habe ich Ihre Frage jetzt klar und deutlich beantwortet? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Maier! Auch die Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin hat von den systemisierten Planstellen bei der Kripo in Salzburg gesprochen. Sie haben ge­meint, es gäbe derzeit 194 systemisierte Planstellen. – Darauf erwidere ich: Tut Leid, Herr Abgeordneter! Nach unseren Informationen sind es 221 Beamte! Laut Konzept sind künftig in Salzburg aber nicht insgesamt nur mehr 122 Kriminalbeamte, wie Sie geschrieben haben, vorgesehen, sondern insgesamt 213 Planstellen für Kriminalbe­amte, 122 Planstellen in der Landeskriminalabteilung, 64 Planstellen für den Kriminal­dienst bei der Stadtpolizei Salzburg und 27 Planstellen für Kriminalbeamte auf dem Flughafen Salzburg. Das steht im Konzept. Ich darf Sie herzlich einladen, dass wir das vielleicht gemeinsam lesen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Maier.)

Herr Abgeordneter Maier! Zur Frage betreffend BIA: Sie sagen, Sie können etwas be­weisen. – Dann darf ich Sie einmal mehr einladen, dass Sie das nicht nur im Schutz Ihrer Immunität tun, sondern dass Sie uns die Dinge nennen! Wir würden dem gerne nachgehen! Ich finde es nämlich, ehrlich gesagt, etwas eigenartig, dass Sie wiederholt hier und auch in der Öffentlichkeit etwas behaupten, dass Sie aber auf die wiederholte Einladung, uns das vorzulegen, damit wir jedem Tatverdacht nachgehen können, so wie im Innenausschuss vorige Woche sehr zurückhaltend und in sich gekehrt reagieren und sehr schweigsam sind.

Ich lade Sie hier, vor aller Öffentlichkeit, ein: Wenn es etwas gibt, was hier zu über­prüfen ist, dann legen Sie es vor! Wenn Sie aber nichts haben, dann bitte ich Sie, die Unterstellungen gegenüber Beamten zu unterlassen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Zu den Beiträgen der Frau Abgeordneten Stoisits und der Frau Abgeordneten Weinzin­ger: Auch dazu sei hier in aller Klarheit gesagt, dass jedem, dem bis jetzt in Österreich Asyl gewährt wurde, selbstverständlich auch nach dem neuen Asylsystem Asyl gewährt werden wird. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass er nun schneller Asyl bekommen wird, weil wir eben die Zahl der Wirtschaftsflüchtlinge – und acht von zehn der derzeitigen Asylwerber sind Wirtschaftsflüchtlinge, die wieder zurück müssen – in diesem Zusammenhang reduzieren wollen, weil wir davon ausgehen, dass Asylwerber rascher zu ihrem Asylrecht kommen sollen. – Das ist der Punkt, den wir mit dem neuen Asylsystem einführen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich ist und bleibt ein offenes Haus für Menschen, die Asyl suchen. Wir wollen aber keine Hintertür für jene öffnen, die Asyl sagen und etwas anderes meinen. Das ist berechtigt, das ist richtig, das ist konsequent, das ist offen, und zu diesem Weg stehe ich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An die Adresse des Klubs der Sozialdemokraten und auch an die Adresse des Klubs der Grünen möchte ich sehr offen sagen: Ich darf Sie wirklich einmal mehr einladen, mit den Bürgermeistern zu reden! Reden Sie mit dem Bürgermeister von Salzburg! Fragen Sie ihn, wieso er am 2. Mai gesagt hat, dass er keine zusätzlichen Asylwerber in seiner Stadt sehen kann, dass das für ihn nicht möglich ist. Wieso sagt der Bür­germeister von Stockerau, dass es unmöglich ist, zusätzliche Asylwerber zu haben? Wieso sagt der Bürgermeister von Wöllersdorf, dass man keine Asylwerber mehr nehmen kann? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wieso sagt der Bürgermeister von Traiskirchen, dass tausend Asylwerber schon zu viel sind, obwohl ich mich damals mit Minister Löschnak darauf verständigt habe? – Ich verstehe diese Bürgermeister! (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Ich bitte Sie, dass die Bürgermeister und Gemeinden, die für ihre Bürger das Beste wollen, auch hier im Parlament Verständnis finden! Vielleicht sind manche von Ihnen selbst Bürgermeister, dann werden Sie das selbst einschätzen können!

Umso mehr bedanke ich mich bei allen Bürgermeistern, bei allen Gemeinderäten und bei allen Gemeindevorständen, die mithelfen, dass wir jenen, die Asyl brauchen, auch eine entsprechende Betreuung zur Verfügung stellen können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Stoisits! Frau Abgeordnete Weinzinger! Sie haben sehr wortgewaltig hier vor diesem Gremium gesprochen. Ich habe allerdings keinen Antrag der Grünen in Salzburg gesehen, dass Asylwerber nach Salzburg kommen sollen! Ich habe keinen Antrag der grünen Gemeinderäte von Stockerau gesehen! Ich habe keinen Antrag von grünen Gemeinderäten in Mödling gesehen! Ich habe keinen Antrag von grünen Ge­meinderäten in Wöllersdorf gesehen! – Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass von Ihren Gemeinderäten etwas anderes gesagt wird als das, was Sie hier vertreten! Ich darf Sie wirklich einladen, dass Sie Ihre Frage hier überprüfen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit darf ich zu Gmünd kommen: Gestern war ein Vertreter des UNHCR in Gmünd. Er hat sich die Vorgangsweise angesehen und hat an einer Einvernahme teilgenom­men. Ich möchte hier noch etwas aufklären: Es ist nicht die Gendarmerie, es ist nicht die Fremdenpolizei, und es sind nicht die Asylbehörden, die dort an der Grenze die Befragungen durchführen, vielmehr sind es Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft, so auch der Bezirkshauptmannschaft Gmünd. Dennoch sage ich auch sehr klar: Ich bedanke mich bei den Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaft! Sie leisten hervor­ragende Arbeit, und zwar in Form enger Partnerschaft und guten Zusammenwirkens zwischen der Grenzgendarmerie und den Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaft.


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Ich darf Ihnen hier auch zur Kenntnis bringen, was der Vertreter des UNHCR nach seinem Besuch gesagt hat: Er war mit der Einvernahme einverstanden. Er hat gebe­ten, dass man bei einigen Fragen etwas modelliert. Das ist durchaus ein berechtigtes Anliegen. Das werden wir sehr genau prüfen. Aber das, was hier so unangenehm an­gedeutet wird und was ich nicht verstehe, ist, dass Sie Beamten, die in schwierigsten Situationen ihre Pflicht tun und ihre Arbeit machen, unterstellen, dass sie sich nicht an die Gesetze halten. Das ist nicht der Fall, auch wenn es keine Beamten des Innen­ministeriums, sondern Beamte des Landes Niederösterreichs sind! Wir sind ihnen zu Dank verpflichtet, dass sie diese Arbeit sorgsam machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit darf ich nun zu den Äußerungen von Frau Abgeordneter Stoisits kommen. Es gibt eine Weisung, dass alle unbegleiteten Minderjährigen aufzunehmen sind. – Aha, hier ist die Frau Abgeordnete. – Es gibt also eine Weisung, dass alle unbegleiteten Minderjährigen aufzunehmen sind. Jede Entscheidung über Bundesbetreuung wird im Einzelfall entschieden – insbesondere und auch unter besonderer Berücksichtigung von sozialen und humanitären Fällen.

Was wirklich eigenartig ist und was ich nicht verstehe: Es handelt sich heute hier um denselben Vorgang wie in der „Pressestunde“. Mir sind einige Fälle berichtet worden. Ich habe nach der „Pressestunde“ den Kollegen, der diese Fälle angesprochen hat, gebeten, mir die Fälle zu übergeben, damit wir sie noch einmal nachprüfen können oder vielleicht auch das erste Mal prüfen können. Ich kann das nicht beurteilen! Ich habe am Montag den Redakteur anrufen lassen und gebeten, dass er uns die Fälle gibt. Ich habe am Dienstag persönlich mit dem Redakteur gesprochen und dringlich gebeten, dass er uns die Fälle, die er in aller Öffentlichkeit angeführt hat, übergibt. Er hat immer an die Caritas verwiesen.

Wir haben uns bei der Caritas erkundigt. Wir haben bis heute die Fälle nicht, die am Sonntag in der „Pressestunde“ öffentlich gemacht worden sind. Und ich verstehe nicht, dass jemand mehrere Fälle in die Öffentlichkeit platziert, aber nicht bereit ist, diese Fälle dem Innenministerium, dem Innenminister zur Verfügung zu stellen.

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, ich muss kurz darauf aufmerksam machen, dass die 20-minütige Redezeit bei der Antwort nur eine Soll-Bestimmung ist, es aber in § 93 GOG heißt, dass kein Redner in der Debatte länger als 10 Minuten reden darf. Wenn Sie also dann bitte die Ausführungen abschließen.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser (fortsetzend): Jawohl, ich schließe gleich.

Meine Einladung an Frau Abgeordnete Stoisits lautet: Wenn es einen Fall gibt, der zu überprüfen ist, bitte ich Sie sehr, auch wenn Sie das zuvor öffentlich kundgetan haben, dass wir wenigstens nachher die Fälle haben können. Am besten wäre, wenn Sie sie mir jetzt gleich übergeben könnten, damit wir sie überprüfen können. Es kann sein, dass irgendwo ein Fehler passiert ist. Ich will hier nicht sagen, dass alles immer hundertprozentig funktioniert, aber geben Sie uns doch die Chance, dass wir uns das anschauen, sonst müsste ich mir denken, dass es etwas gibt, das einen Grund dafür abgibt, dass man uns diese Information nicht geben will. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.23

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein Verlangen nach einer tatsächlichen Berichtigung vor. – Herr Abgeordneter Öllinger: Redezeit: 2 Minuten. Gegenüberstel­lung: der zu berichtigende Sachverhalt und der tatsächliche Sachverhalt.

 



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17.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Da Sie hier die Behauptung wiederholt haben, dass sich der Salzburger Bürgermeister gegen die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen habe und Sie dafür ein gewisses Verständnis aufbringen könnten, stelle ich hier klar und richtig: Der Bürgermeister von Salzburg hat über die Medien öffentlich erklärt, dass diese Ihre Behauptung unrichtig sei, dass es kein Gespräch zwischen Ihnen und dem Bürgermeister gegeben habe. Daraufhin hat es auch eine Aussendung Ihres Ministerbüros gegeben, in der klarge­stellt wurde, dass es kein direktes Gespräch zwischen dem Salzburger Bürgermeister und Ihnen gegeben hat. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Das war ein Redebeitrag und keine tatsächliche Berichtigung!)

17.25

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ein weiteres Verlangen nach tatsächlicher Berichti­gung hat Herr Abgeordneter Brosz gestellt. – Zu berichtigender Sachverhalt, tatsäch­licher Sachverhalt, maximal 2 Minuten. – Bitte.

 


17.25

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister Strasser hat in seiner Ausführung vorhin behauptet, die grünen Gemeinderäte in Wöllersdorf hätten keinen Antrag eingebracht, Asylwerber in Wöllersdorf aufzunehmen. – Das ist insofern unrichtig, als es keine grünen Gemeinderäte in Wöllersdorf gibt, es ihnen da­her auch nicht möglich war, einen solchen Antrag einzubringen.

2005, bei der nächsten Gemeinderatswahl, wird sich das hoffentlich ändern. Im Übri­gen haben die grünen Gemeinderäte ...

17.25

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: „Im Übrigen“ ist bei tatsächlichen Berichtigungen nicht vorgesehen, es sei denn, Sie haben einen zweiten Punkt. Dann wieder zu berichtigen­der Sachverhalt, tatsächlicher Sachverhalt. (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und Freiheitlichen.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. Freiwillige Redezeitbeschrän­kung: 6 Minuten. – Bitte.

 


17.26

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sonderbar. Kol­lege Gaál hat, was mich besonders freut, die Aufforderung an den Minister gerichtet, dass dieser mehr Polizisten einstellen möge. An den Misstrauensantrag glaubt er somit selbst sicher nicht, weil er den Minister ja auch weiter arbeiten lässt. Kollege Öllinger verteidigt Bürgermeister Schaden, und andere drücken Hoffnungen für zukünftige Gemeinderatswahlen aus.

Ich will nun das Thema Sicherheit wieder einmal aus der Praxis betrachten und Zu­sammenhänge zwischen Reformen und Sicherheit herstellen. Zu Beginn am Beispiel Asylwesen: Der Alltag in den Asylämtern war bis dato beinahe schon untragbar für Asylwerber wie für Entscheider. Oft wurden die Asylwerber erst nach Wochen um Fluchtgrund und Fluchtweg befragt, und dann warteten sie oft jahrelang auf die end­gültige Entscheidung über ihren Asylantrag. Und das ist in Wahrheit unmenschlich und untragbar. Das nunmehrige Asylgesetzt, von unserem Innenminister saniert und repa­riert, wird diese Zustände abstellen. Es wird somit Sicherheit geschaffen, Sicherheit für die, die tatsächlich verfolgt werden, dass sie schnell Hilfe und Asyl erhalten, und Sicherheit für die, die aus nicht asylrelevanten Gründen bei uns um Hilfe bitten. Denen wird schnell, unbürokratisch und in rechtlicher Form mitgeteilt, dass sie nicht bei uns


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bleiben können. Und so gesehen ist das eine gute Reform, ein guter Reformschritt zu mehr Sicherheit für alle Betroffenen.

Ähnlich verhält es sich mit der Kriminalität in Österreich. Einer stetig steigenden Krimi­nalität, immer internationaler und organisierter, immer raffinierter und brutaler, wird durch diesen Minister konkret mit der so notwendigen Umstrukturierung der antiquier­ten Polizei- und Gendarmeriestruktur in Österreich begegnet. Ernst Strasser führt zu­sammen, was zusammengehört, und damit steigt Effizienz und Einsatzstärke unserer Exekutive. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es hat sich auch vieles geändert. Die Komplexität der neuen Kriminalität ist enorm. Schnell und organisiert operieren vor allem ausländische Tätergruppen. Sie kommen herein, werden vor allem im Bereich der Deliktsgruppen Raub und Eigentum aktiv und verschwinden wieder. Ein grenzenloses Europa hat eben auch gewisse Risiken. Andererseits muss aber auch einmal deutlich gesagt werden, dass aus versicherungs­rechtlichen Gründen von den Menschen mehr Eigentumsdelikte angezeigt werden, als dies früher der Fall war. (Abg. Öllinger: Na bitte!) Ähnliches gilt auch für andere Delikte. Es gibt eben auch so etwas wie eine Änderung in der Anzeigekultur. (Abg. Öllinger: Anzeigekultur!?)

Würde unser Minister nicht reorganisieren, umgestalten, verändern und verbessern, wäre es um die Sicherheit in Österreich wirklich schlecht bestellt. Diese Reform dient ausschließlich der Sicherheit unseres Landes, denn Tatsache ist, dass, in absoluten Zahlen gesprochen, heute mehr Straftaten aufgeklärt werden als in den Jahren zuvor.

Zur Kriminalitätsstatistik ist deutlich zu sagen, dass durch geänderte Datenerfassungen sowie eine komplexere Kriminalität im Allgemeinen vieles nicht mehr mit dem Gestern vergleichbar ist. Aber eines ist und bleibt vergleichbar, nämlich die Sicherheitsdaten verschiedener Länder im selben Vergleichszeitraum. In solchen Statistiken schien Österreich in den letzten beiden Jahren wiederholt als das sicherste Land der Welt auf. Und das ist ganz einfach der Verdienst unserer Exekutive, meiner Kollegen, und letzt­verantwortlich unseres Ministers. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Sie, meine Damen und Herren der Opposition, wollen bloß den so gut arbeitenden Innenminister Ernst Strasser anpatzen. Ihnen passt die Tatkraft dieses Ministers nicht. Er packt an, er löst die Probleme, die seine SPÖ-Vorgänger ungelöst liegen gelassen haben. Sicherheit ist eines der wichtigsten Güter unserer Gesellschaft und sollte nicht ständig zur politischen Agitation missbraucht werden.

Herr Kollege Cap, Sie sollten nicht immer und immer wieder die Menschen in unserem Land verunsichern und Ängste schüren. Sie sollten lieber unserem Minister Ernst Strasser vertrauen – und den besten Innenminister der Zweiten Republik arbeiten lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Wer sagt das?)

17.30

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.31

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Es ist schon interessant, dass die SPÖ sich jetzt so sehr um die Sicherheit besorgt zeigt. Über viele Jahre hinweg hat sie die freiheitliche Fraktion, wenn sie genau diese Sorge geäußert hat, heftig kritisiert. Man hat gesagt, man verunsichere die Bevölkerung, man betreibe Panikmache, das sei alles abzu­lehnen, denn es sei ohnehin alles in Ordnung.


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Meine Damen und Herren! Wir gehen jetzt als Regierungspartei nicht diesen Weg der Beschönigung und Verharmlosung, sondern in diesem Bereich sind wir uns, so meine ich, alle einig darin, dass sich die Entwicklung der Kriminalität als sehr besorgnis­erregend darstellt. Selbstverständlich müssen wir Maßnahmen setzen, um diese stark steigende Kriminalität besser bekämpfen zu können. Selbstverständlich müssen wir Maßnahmen setzen, um die Exekutive in die Lage zu versetzen, der Bevölkerung jenen Schutz und jene Unterstützung zu geben, die sie zu Recht fordert. Nur, meine Damen und Herren vor allem von der Sozialdemokratie, man kann nicht auf der einen Seite etwas zu Recht kritisieren, nämlich die Kriminalitätsentwicklung, aber dann auf der anderen Seite die Augen vor den Tatsachen, vor den Ursachen des Anstiegs der Kriminalität verschließen und völlig falsche oder zumindest unzureichende Maßnah­men verlangen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein Misstrauensantrag gegen einen Minister, der sich, wie ich meine, wirklich redlich bemüht, auf diese Situation zu antworten, auf diese Situation zu reagieren, ist sicher­lich der falsche Weg. Genauso ist es der falsche Weg, meine Damen und Herren von der SPÖ, die Realität nicht anzuerkennen, wenn wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass es sich in erster Linie um organisierte Kriminalität handelt, dass es sich in erster Linie auch um ausländische Tätergruppen handelt. (Abg. Parnigoni: Nein, das stimmt nicht!)

Herr Kollege Parnigoni! Genau das ist es ja. Es stimmt nicht, sagen Sie. Wir wissen aber, dass pro Tag bis zu 30 000 Rumänen nach Österreich kommen. (Abg. Parni­goni: Da müssten wir ja schon Millionen da haben!) Leider nicht als Touristen, denn 30 000 Touristen pro Tag zusätzlich hätten wir ganz gerne in der Ostregion, Herr Kollege Parnigoni. Bis zu 30 000 rumänische Kriminaltouristen, die nur kurze Zeit hier bleiben, die alle Schliche kennen, damit sie nicht betreten werden, sodass man auch bei Kontrollen das Diebsgut nicht sicherstellen kann. Das ist die Problematik bei den Eigentumsdelikten, zum Teil auch bei Gewaltdelikten.

In diesem Bereich gibt es auch eine ganz einfache Maßnahme, nämlich dass man – und das lässt der Schengen-Vertrag auch zu – partiell die Visumspflicht einführt, um eben diese legale Einwanderung oder dieses legale Nach-Österreich-kommen zu unterbinden, weil augenscheinlich ist, dass damit Missbrauch betrieben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon beim Missbrauch sind, sehen wir eben auch, dass 80 Prozent der Asylwerber das Asylrecht missbrauchen, weil sie andere Gründe haben, hier um Asyl anzusuchen, als wirklich politische oder religiöse Verfol­gung. Wenn jetzt vor wenigen Tagen – Gott sei Dank! – ein Asylgesetz beschlossen worden ist, das diesem Asylmissbrauch einen Riegel vorschiebt und im Gegensatz zu Ihrer Kritik den wirklich Verfolgten raschere, effizientere Hilfe angedeihen lässt, dann verstehe ich überhaupt nicht, warum Sie gegen diese Neuregelung zu Felde gezogen sind. Diese 80 Prozent, die abgelehnt werden, und das wissen wir, die gehen nicht zurück in ihre Heimatländer, sondern sie verschwinden – und das hat auch der Rech­nungshof festgestellt – zu einem guten Prozentsatz in der Illegalität. Und aus der Illegalität heraus – und das ist auch kein Vorwurf, sondern das ist dann leider eine natürliche Entwicklung, denn der muss ja überleben und möchte hier auch ein ent­sprechendes Einkommen haben, aber das kann er auf legale Art und Weise nicht erreichen – ist auch der Weg in die Kriminalität offen.

Wenn wir die Kriminalität kritisieren, und auch Sie tun das, dann schauen Sie sich einmal die Situation etwa bei der Drogenkriminalität an. Auch hier muss – und Gott sei Dank gibt es hier jetzt auch Maßnahmen – entsprechende Härte eingesetzt werden. Selbstverständlich! (Abg. Parnigoni: Zeit!)


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Das ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung, aber ich verstehe schon, Kollege Parni­goni, dass dir das nicht angenehm ist, von dieser Realität zu hören. Hört doch einmal auf, mit der Verharmlosung bei den Drogen fortzufahren, denn das ist auch ein Anreiz, in diesem Bereich größere Probleme zu schaffen.

Wenn es um die Motivation geht, meine Damen und Herren von der Sozialdemo­kratie – Kollege Gaál hat kritisiert, dass die Beamten zu wenig motiviert sind –, dann soll aber die Politik diesen Beamten auch dann die Unterstützung geben, wenn sie tätig werden. (Abg. Parnigoni: Genau!) Es soll nicht so sein, dass sich jeder Beamte, wenn von den Straffälligen der Vorwurf kommt, dass irgendwelche Rechte verletzt worden seien, sofort auch in einer politischen Debatte befindet, sich rechtfertigen und Angst vor einem Disziplinarverfahren haben muss. (Abg. Parnigoni: Nur auf dem Papier!)

Ja zu mehr Personal, ja zu mehr Budget in den Sicherheitsressorts Inneres, Landes­verteidigung und Justiz, und zwar dort, wo es notwendig ist. Hier werden Sie unsere Unterstützung finden, Herr Innenminister. Wir verlangen konsequente, klare Maßnah­men. Die Kriminalität nur zu kritisieren, aber dann nicht bereit zu sein, die notwendigen Maßnahmen zu setzen, das ist zu wenig, meine Damen und Herren von der Oppo­sition! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.37

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Die Redezeit ist 4 Minuten. – Bitte.

 


17.37

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister mit dem kalten Herzen! (Heftiger Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Zur Asylpolitik werden wir hier noch öfter diskutieren, wir haben schon letzte oder vorletzte Woche darüber diskutiert, und zwar deswegen, weil dieses Asylgesetz in vielen Punkten, und davon bin ich überzeugt, verfassungswidrig ist. Wir werden noch öfter die Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren, Herr Bundesminis­ter. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was sich heute durch die ganze Debatte dieser Dringlichen Anfrage gezogen hat, ist, dass, und das bestreitet niemand hier im Haus, die Kriminalität steigt und die Aufklä­rungsquote sinkt. Und das hat Innenminister Strasser zu verantworten. Er hat eine verfehlte Sicherheitspolitik zu verantworten.

Wenn Klubobmann Scheibner behauptet hat, im Osten des Bundesgebiets sei es be­sonders schlimm, dann kann ich aus dem Westen des Bundesgebiets einiges ergän­zend zur Debatte beitragen. Von Jänner bis August dieses Jahres hat es in Innsbruck ein Drittel mehr an Vermögensdelikten gegeben, 6 000 Vermögensdelikte, davon 1 500 Einbrüche. Das ist keine Kleinkriminalität, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das wurde auch nicht von rumänischen Banden verursacht. Nicht in Tirol, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Warum ist es zu einer derart verfehlten Sicherheitspolitik gekommen? Meiner Meinung nach hat das drei Ursachen: Strukturkonzepte wurden noch und nöcher vorgestellt, teilweise auch umgesetzt. Abgeordneter Mainoni hat sie vor zehn Tagen einmal in die Presse gestellt. Fünf haben Sie meiner Erinnerung nach aufgezählt, Herr Abgeordne­ter, und haben dazu gesagt, dass das ein Problem für die Exekutive war, wenn ich richtig gelesen habe.

Auch der Personalabbau ist ein großes Problem innerhalb der Exekutive. Und es ist andererseits noch ein großes Problem, dass Sie, Herr Bundesminister, Versprechun­gen machen, weil Sie die Probleme teilweise erkennen, aber dann Ihre Versprechen einfach nicht einlösen.


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Zum Tatort eins, zum so genannten Umstrukturieren: Hiebei geht es zum Beispiel um das Wachzimmer-Strukturkonzept. Ich kann mich noch gut an Ihr Wachzimmer-Struk­turkonzept erinnern, Herr Bundesminister Strasser. Dabei ist Ihnen ja fast ein Schild­bürgerstreich gelungen. Sie wollten das Wachzimmer am Bahnhof Innsbruck zusper­ren. 30 000 Passagiere gehen dort täglich ein und aus. Und Sie wollten das sperren! Es ist uns jedoch gelungen – mit „uns“ meine ich die Politik und die Bevölkerung –, dass es zumindest als Filiale weitergeführt wird, weil Sie nicht mehr anders konnten, weil Sie nicht mehr ausgekommen sind, sodass dieser Unfug gestoppt werden konnte. Gott sei Dank! (Abg. Wittauer: Das stimmt nicht!) Ich danke auch der Bevölkerung für die Unterstützung bei der Petition mit all den Unterschriften, bei der Bürgerinitiative. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben weiters mit Ihren Umstrukturierungen noch etwas zustande gebracht, und es war wieder Abgeordneter Mainoni, der darauf hingewiesen hat, nämlich auf die „Cobra“-Einheit. Die „Cobra“ sollte auch andere Dienste verrichten und nicht nur für die besonders hochschwelligen Delikte, wenn ich das so sagen darf, wie Geiselnahmen, Terror, Erpressung, Entführungen und so weiter, zuständig sein. Sie sollte in Wirklich­keit das erfüllen, was das Mobile Einsatzkommando in den Städten so vorbildlich geleistet hat. Aber das haben Sie aufgelöst, Herr Innenminister!

Die nächste Reform, die sich nicht besonders gut zu Buche geschlagen hat, war die Reform von Polizei- und Kriminaldienst.

Aber lassen Sie mich zu Tatort zwei kommen, denn die Zeit ist schon knapp. Ich fordere von Ihnen endlich eine Planstellenwahrheit ein. Die Planstellen, die systemi­siert sind, haben nahezu nichts damit zu tun, wie viele Polizisten wirklich vor Ort sind. 413 sind es laut Stellenplan in Innsbruck. Auf der Straße, wie Sie sagen, sind vielleicht die Hälfte. Das ist Ihre Personalpolitik.

 


Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlusssatz, Frau Abgeordnete, denn das ist keine freiwillige, sondern die sich aus der Geschäfts­ordnung ergebende Redezeit!

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (fortsetzend): Herr Präsident! Ich komme zu meinem Schlusssatz.

Lösen Sie die Versprechungen ein, die Sie der Bevölkerung gemacht haben, zum Bei­spiel 34 Polizisten mehr in Innsbruck bis zum Herbst, sieben Gendarmeriebeamte in Kundl für die Verkehrskontrolle – fünf davon sind schon in Pension gegangen –, zum Beispiel ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich muss alle gleich behandeln. Die Redezeit ist beendet! (Abg. Wattaul: Auf Wiederschauen!)

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (abschließend): Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Da mache ich auf Folgendes aufmerksam: Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschrän­kung von 9 Minuten angegeben, der Kollege Öllinger eine solche von 7 Minuten. Das ergibt 16, aber es sind in Summe aber nur mehr 9 Minuten vorhanden. Ich mache nur darauf aufmerksam.

 


17.42

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Das Problem wird sich relativ einfach lösen. Nur eine kurze Anmerkung: Herr Innenminister, Ihre Ausführungen vor­hin über die nicht vorhandenen Anträge grüner GemeinderätInnen in diversen Orten sind, finde ich, schon ein starkes Stück. Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam


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machen, dass es in der Vergangenheit, dass es in den letzten Wochen den Versuch gegeben hat, in Baden und in mehreren Gemeinden in der Umgebung von Traiskirchen aus unserer Sicht sehr populistische Resolutionen zu formulieren, die auf eine Schlie­ßung des Flüchtlingslagers Traiskirchen abzielen. Die Grünen waren die Einzigen, die sich insbesondere in Baden – weil das der Ort ist, in dem wir im Gemeinderat sind – geweigert haben, eine solche Resolution mitzutragen, weil das wohl nicht die Lösung sein kann. Die KollegInnen Ihrer Fraktion, der ÖVP, haben das selbstverständlich mit­getragen, genauso wie in vielen anderen Gemeinden der Umgebung. Sie sollten hier wohl vor der eigenen Tür kehren, bevor Sie den Grünen vorwerfen, in der Asylpolitik eine Position zu vertreten, die Anlass zu irgendeiner Kritik gäbe. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben auch Mödling angeführt. Ich weiß nicht genau, worum die Diskussion in Mödling geht. Ich kann Ihnen nur sagen, wenn man es gescheit anlegt, so wie in Mödling in der Vorderbrühl, wo ich meinen Zivildienst gemacht habe, dann sieht man, dass man auch Flüchtlingsbetreuungsstellen führen kann, über die es keine Diskussion in der Öffentlichkeit gibt, in denen es entsprechende Angebote für die Flüchtlinge gibt, in denen es Sprachkurse für die Flüchtlinge gibt, in denen es Unterstützung für die Kinder gibt. Wenn Sie solche Modelle in Österreich – auch in Niederösterreich – anbie­ten, um menschwürdigere Unterbringungen zur Verfügung zu stellen, dann werden Sie in den Grünen sicher einen Partner haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.43

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten, Restredezeit der ÖVP: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.44

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Liebe heißblütige Frau Kollegin Wurm, es ist schon wirklich abenteuerlich, was da heute passiert ist: Man vermischt die Polizeireform mit der Kriminalitätsentwicklung, polemisiert ein bisschen, geht auf den Minister los und nennt das Ganze Sicherheits­debatte. Ich bin enttäuscht, meine Damen und Herren, enttäuscht von Ihnen, Herr Kollege Cap, enttäuscht von den Kollegen Parnigoni und Gaál. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Polizeireform, Herr Kollege Gaál, ist nicht verantwortlich für die Kriminalitätsent­wicklung. Oder waren Sie der Meinung, der Herr Bundesminister bestellt an der Grenze die Kriminalitätsentwicklung? Dass die Eigentumskriminalität gestiegen ist, ist in der Zwischenzeit allen bekannt, aber es gibt aber keinen Politiker, der sie bestellt. (Abg. Dr. Niederwieser: Aber die Grenzen sind schon länger offen! Die sind nicht erst jetzt offen!)

Das, worum es geht, Herr Kollege Gaál, ist, optimale Strukturen zu schaffen, damit die Exekutive arbeiten kann. Darum geht es in Wirklichkeit! Das, was da heute seitens der Opposition, seitens der Grünen und der SPÖ, passiert ist, ist eine Verunsicherungspoli­tik gegenüber der Bevölkerung (Abg. Öllinger: Kollege Miedl, das stimmt doch über­haupt nicht!), die, meine Damen und Herren, Herr Kollege Öllinger, jeder Grundlage entbehrt.

Zu den Strukturen: Ich sage Ihnen, es liegt jetzt ein Reformentwurf vor, der von uns zu diskutieren ist, Herr Kollege Öllinger, und ich lade Sie herzlich dazu ein. Ich bin Mitglied des Innenausschusses und freue mich auf die Diskussion und die Beiträge der Grünen. Oder glauben Sie nicht, dass die Zusammenführung von Gendarmerie und Polizei und Zollwache sinnvoll ist? Glauben Sie nicht, dass man Synergien sinnvollerweise nutzen sollte? Glauben Sie nicht, dass es gescheiter ist, eine Personalverwaltung zu haben? Glauben Sie nicht, dass es gescheiter ist, eine Ausbildung zu haben oder eine gemein-


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same technische Infrastruktur zu nutzen, damit E-Mails unter den verschiedenen Wachkörpern möglich sind?

Herr Kollege Gaál! Herr Kollege Cap! Frau Kollegin Wurm! Glauben Sie das oder glau­ben Sie das nicht? Wenn ja, dann machen wir das doch bitte! Der größte Vorwurf in Richtung SPÖ ist ja doch der, dass Sie mehr als 30 Jahre Zeit gehabt haben und das alles nicht getan haben. Sie sind keine Reform angegangen. Ihre Minister haben sich auf die faule Haut gelegt und haben nichts unternommen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Niederwieser: Wir waren nur eines der sichersten Länder! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Herren Kollegen und meine Damen Kolleginnen! Ich habe mir die Mühe ge­macht – Herr Kollege Gaál, jetzt hören Sie gut zu! – und habe einen Pro-Kopf-Ver­gleich der Exekutive in Europa gemacht: Da kommen – ich habe mir sozialdemo­kratisch geführte Länder Europas herausgesucht – auf einen Exekutivbeamten in Deutschland 320 Einwohner, in England auf einen Exekutivbeamten 434 Einwohner, in Schweden gar 546 Einwohner. Und jetzt hören Sie, meine Damen und Herren: In Österreich sind es 268 Einwohner!

Das ist ein Vergleich, der sich sehen lassen kann. Ich bin stolz darauf, dass es unse­rem Minister gelungen ist, diese Zahl zu halten, und er hat uns zugesagt, sie auch noch auszubauen. Wenn wir dann auch noch moderne Strukturen dazubekommen, dann bin ich gespannt auf die Diskussion mit Ihnen. (Abg. Dobnigg hält ein Schrift­stück in die Höhe und macht einen Zwischenruf.) Herr Kollege, auch Sie lade ich ein, denn in Wirklichkeit sind Sie eine stockkonservative Partei, der es nicht gelungen ist, auch nur einen Schritt einer Reform zu unternehmen. Das, was hier an Reformen pas­siert, kann sich sehen lassen, nicht nur im Sicherheitsbereich, sondern in allen anderen Bereichen auch. Ich lade alle ein, hier mitzutun und mitzuarbeiten (Abg. Dobnigg: Haha! Das kennen wir schon!) und Verantwortung zu übernehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.48

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Rest­liche Redezeit: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Mainoni: Die wird er hoffentlich nicht brauchen! – Abg. Grillitsch: 7 Minuten ist eh lang!)

 


17.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Das war tatsächliche eine bemerkenswerte Beantwortung einer Dring­lichen Anfrage. Sie erfolgte ungefähr nach dem Muster, auf die Frage „Warum ist es draußen kalt?“ die Antwort zu geben: „Ich trinke gerne heißen Tee.“ Das war Ihre Ant­wortpolitik, Herr Bundesminister. Sie sind sehr konkret gefragt worden im Einzelnen – Warum steigt die Kriminalität? Wie sieht es mit der Dienstpostenplanentwicklung aus? –, und Sie haben alles Mögliche erzählt, aber nur nicht die konkreten Antworten dazu gegeben.

Herr Bundesminister! Am 7. November hat der zuständige Ausschuss den Sicherheits­bericht debattiert, und es wurden auch Fragen zur bevorstehenden Reform gestellt. Sie haben damals, am Freitag, dem 7., im Ausschuss den Ausschussmitgliedern gegen­über erklärt, Sie arbeiten hart daran, um den Endbericht in den nächsten 14 Tagen vor­legen zu können. Der Ausschuss war zu Ende, zwei Stunden waren seit dem Ende der Ausschussberatungen vergangen, und schon erfolgte seitens des Ministers bezie­hungsweise des Ministeriums die Präsentation des Endberichtes in der Öffentlichkeit. – Das zu Ihrer Beantwortungs- oder Informationspolitik.


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Jetzt komme ich zur Einladungspolitik. Das gehört nämlich auch zu dem, was Sie uns heute geboten haben. Sie laden ein: Die Flüchtlinge laden Sie ein, wieder in ihre Her­kunftsländer zurückzukehren, die Bürgermeister laden Sie ein, Flüchtlinge aufzuneh­men, und die Abgeordneten laden Sie allgemein zur Diskussion ein.

Fangen wir mit den Bürgermeistern an. Sie laden die Bürgermeister ein, Flüchtlinge aufzunehmen. Ich habe Ihnen vorhin in der tatsächlichen Berichtigung den Wortwech­sel, den öffentlichen, offiziellen Wortwechsel zwischen Ihnen und dem Salzburger Bür­germeister genannt. Sie haben mir dann im Vorbeigehen gesagt, das war ja nicht die genaue Fragestellung. Wissen Sie, was die genaue Fragestellung war? Auch da haben wir uns kundig gemacht. Im Abtausch mit der Fußball-EM, die 2008 in Salzburg statt­findet, ging es darum, ob eine Kaserne, die  Siezenheim-Kaserne – ich glaube, sie hat jetzt einen anderen Namen –, frei gemacht wird. Da gibt es einen Abtausch zwischen Siezenheim und, ich glaube, der Riedenburg-Kaserne, und bei diesem Abtausch soll die Stadt Salzburg zu etwas gebracht werden. Weil die Stadt Salzburg nicht gleich nachgegeben hat, hat man dann von Seiten Ihres Ministeriums der Stadt Salzburg erklärt: Wenn ihr nicht zustimmt, dann füllen wir euch die Kaserne mit tausend Flücht­lingen an. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Das ist genau das Konzept, mit dem Sie – egal, um welche Gemeinde es geht – verhandeln. Wenn es ein großes leer stehendes Objekt in einer Gemeinde gibt, dann sind Sie sofort dabei, anzubieten: Wie schaut es aus? Nehmt Ihr 200, 300, 400 Flüchtlinge?

Natürlich wird bei derartigen Vorschlägen des Innenministers jede Gemeinde zurück­zucken. Deshalb müssen wir über das Konzept dieser Riesenflüchtlingslager diskutie­ren. Das ist ja auch das fehlgeschlagene Konzept von Traiskirchen. So bitte geht es nicht, dass man anfüllt, anfüllt, anfüllt, ohne Betreuung anfüllt, und dann noch glaubt, hier handelt es sich um Flüchtlingsbetreuung!

Diskutieren wir das Zweite: Sie laden die Flüchtlinge ein, zurückzukehren. Das ist ein Zynismus, Herr Bundesminister, der in dieser Form nicht nur schwer erträglich ist, son­dern der alles übersteigt, was man sich vorstellen kann, wenn man sich ganz konkret die Situation derjenigen Flüchtlinge, die an der niederösterreichisch-tschechischen Grenze oder an der slowakischen Grenze angegriffen worden sind, vergegenwärtigt und wenn man das nachliest, was im „Falter“ dazu steht.

Diese Flüchtlinge, Herr Bundesminister, wollten Asyl und haben auch versucht, Asyl zu beantragen, doch sie sind zurückgeschickt worden. Das sind Ihre Einladungen, Herr Bundesminister.

Dritter Punkt: Herr Bundesminister! Interessant an der heutigen Debatte habe ich gefunden – ich habe das wie einen Film an mir vorüberziehen lassen –, dass vor drei Jahren zwischen den Fragen der Abgeordneten Partik-Pablé und Ihren Antworten noch ein ganz tiefer Graben war. Jetzt, Herr Bundesminister, passt kein Blatt mehr zwischen Sie und die Frau Abgeordnete Partik-Pablé. Wie eine kleine Einheit agieren Sie, und die Frau Abgeordnete Partik-Pablé spricht davon, dass die Opposition nicht verun­sichern soll. Der Herr Mainoni verstärkt sie noch darin und wirft der Opposition vor, dass sie Panikmache betreibe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Damen und Herren – von den Regie­rungsparteien vor allem! Wenn das heute eine Verunsicherungs-Dringliche gewesen sein soll, dann sind Sie offensichtlich nichts mehr gewöhnt. Ich kann mich noch an andere Zeiten erinnern. Wenn die Kriminalitätsrate in Österreich auch nur um ein Pro­zent angestiegen wäre unter der Ägide des Oppositionsführers Haider, dann hätten Sie etwas anderes erlebt. Mit einer plumpen Verunsicherungspolitik haben die Freiheit­lichen damals versucht, ihre Politik durchzuziehen, und Sie haben nicht gewusst, was


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Sie darauf antworten sollen. Und jetzt erleben Sie den Versuch einer Opposition, einen Dialog herbeizuführen, Antworten zu bekommen, und einen Innenminister, der sich selbstherrlich hinstellt und sagt: Ich rede ganz einfach von irgendetwas, Hauptsache, dass wir so die Zeit herunterbiegen. – Aber die Opposition verunsichert!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1 600 Planstellen sind in den Jah­ren 2001/2002 in diesem Ministerium, in den Außenstellen, dort, wo der Dienst ge­macht werden soll, abgebaut worden. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzei­chen.) Wenn Sie in Wien in einer U-Bahn-Station oder in der Öffentlichkeit herumge­hen und tatsächlich die Verunsicherung der Leute merken, wenn Sie merken, da ist ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... keine Polizei da, dann wissen Sie, welche Bewandtnis es damit hat, wenn der Herr Minister hier antwortet: Alles ist in Ord­nung. – Nichts ist in Ordnung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.55

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Parnigoni betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Herrn Bundesminister für Inneres nach Art. 74 Abs. 1 der Bundesverfassung.

Ich stelle fest, dass das im § 74 Abs. 2 vorgeschriebene Quorum von mindestens der Hälfte der Abgeordneten erfüllt ist.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die sich für den Misstrauensantrag, der von Abgeordnetem Parnigoni eingebracht wurde, aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Der Misstrauensantrag hat nicht die erforderliche Mehrheit. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 720/AB

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu der Kurzdebatte über die Anfragebe­antwortung des Bundesministers für Finanzen mit der Ordnungszahl 720. Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass in der Debatte kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Begründer eine Redezeit von 10 Minuten zukommt und die Stellungnahme des Bundesministers 10 Minuten nicht überschreiten soll.

Ich ersuche Frau Abgeordnete Dr. Moser als Erstantragstellerin, die Debatte zu eröff­nen. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 


17.58

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren! Es geht bei dieser Anfragebe­sprechung um den größten Immobilienwert, den die Republik jemals zur Veräußerung freigegeben hat. Der Verkehrswert beträgt sicherlich 3 Milliarden €, Herr Finanzminis­ter. Bei diesem großen Verkaufsvolumen, das Sie derzeit auf internationalen Märkten platzieren lassen, gibt es verschiedenste Punkte, die einer genauen Überprüfung unterzogen werden müssen, denn diese großen Immobilienbereiche haben sowohl wohnungspolitische als auch sozialpolitische, finanzpolitische und vermögenspolitische Komponenten.


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All diese Komponenten zeigen, dass Sie, Herr Minister, in Ihrer Vermögenspolitik sehr, sehr stark an Inkompetenz leiden, weil Sie – das kann ich dann genau ausführen, denn der Rechnungshof ist ja glücklicherweise immer mit Prüfungen unterwegs – in der ganzen Herangehensweise, in der ganzen Prozessentwicklung zahlreiche wesentliche Fehler gemacht haben, weil Sie nämlich so gemurkst und gepfuscht haben, dass ins­gesamt das Ziel, das Sie verfolgen, nämlich maximale Erlöse zu erzielen und Schulden zu tilgen, höchstwahrscheinlich nicht erreicht werden kann.

Konkret: Herr Finanzminister, vor einem halben Jahr haben wir bereits eine Anfragebe­sprechung zu diesem Thema hier im Parlament abgehalten. Sie sind mir schon damals einige Antworten auf meine Fragen schuldig geblieben. Sie haben mir zum Beispiel damals schon nicht gesagt, welche Rolle eigentlich Ihr Freund Karlheinz Muhr gespielt hat, als es darum ging, den Auslober für dieses große Immobilienpouvoir, für diese großen Immobilienbereiche zu finden. Sie haben mir damals keine Antwort gegeben. Ich möchte sie wirklich einmal hören, und deshalb haben wir zu diesem Thema heute wieder eine Anfragebesprechung.

Herr Minister! Vor einem Vierteljahr gab es den Unterausschuss des Rechnungshof­ausschusses, der sich mit einem großen Prüfungsauftrag beschäftigt hat, der insge­samt verschiedenste Beteiligungen der Republik Österreich umfasst. Herr Finanzminis­ter, Sie sind dort zwar auch kurz Rede und Antwort gestanden und haben darauf hin­gewiesen, wie das Vergabeverfahren vor sich gegangen ist, das diesen Auslober Lehman Brothers nach sich gezogen hat, Sie haben allerdings dort wiederum klar ver­schwiegen – so muss ich das leider formulieren –, in welcher Weise informiert worden ist und wie andere Angebote ausgeschaut haben.

Sie haben damals, am 11. Juli 2003, gesagt – ich habe mir ja das Protokoll durchge­sehen –, dass Lehman ein Hauptangebot und zwei Alternativangebote gelegt hat. Ein Alternativangebot hat, so glaube ich, etwas mehr als 83 Punkte erzielt und war damit das Bestangebot.

Sie haben uns damals aber nicht gesagt, ob die anderen Bieter auch Alternativange­bote brachten oder ob Lehman Brothers vielleicht doch – und das ist der Punkt, der mir sehr wesentlich erscheint! – irgendwelche Vorinformationen darüber hatte, warum es günstig sei, ein Haupt- und zwei Alternativangebote vorzulegen, und noch dazu in welche Richtung die Alternativangebote gehen sollten, damit eventuell dann doch herauskommt, Lehman sind die besten.

Diese Frage haben Sie nicht geklärt, und die Antwort, ob die anderen auch Alternativ­angebote vorgelegt haben oder ob das von vornherein ein abgekartetes Spiel in Rich­tung Lehman Brothers war, sind Sie uns damals auch schuldig geblieben. Das war teilweise auch mit der Rolle Ihres Freundes Karlheinz Muhr verknüpft.

Das war vor einem Vierteljahr. Vergangenen September gab es einen Wahrnehmungs­bericht des Rechnungshofes, der diesbezüglich auch zwei wesentliche Kapitel um­fasste, nämlich die Prüfung von BUWOG und WAG und der Vorgänge, die Sie ver­anlassten, diese großen Wohnbaugesellschaften, die im Bundeseigentum stehen, zum Zweck der Schuldentilgung zu veräußern.

Dieser Rechnungshofbericht ist in den Medien sehr klar zitiert und auch sehr kritisch kommentiert worden beziehungsweise ist die Kritik des Rechnungshofes in vollem Umfang wiedergegeben worden. Herr Finanzminister! Der Bericht zeigt uns Länge mal Breite, in welcher verfehlten, verpfuschten und vermurksten Art Sie an diese Veräuße­rung der Wohnbaugesellschaften herangegangen sind.

Herr Finanzminister! Erstens: Sie waren sich nicht im Klaren darüber, ob Sie im Hin­blick auf die Senkung des Maastricht-Defizites budgetrelevante Formen wählen sollen.


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37. Sitzung / Seite 170

Da haben Sie sich vorher nicht informiert! Der Rechnungshof wirft Ihnen das vor: Sie haben die Rahmenbedingungen nicht erkunden lassen.

Zweitens: Sie haben dann das Kaufangebot an die Mieter sozusagen als Erstvariante des Verkaufes eingeschlagen. Im Rechnungshofbericht wird festgestellt, dass Sie in dieser Richtung auch völlig verfehlt an die Sache herangegangen sind, weil Sie keine klaren Bedingungen schafften und weil Sie vor allem diese Hürde einbauten, dass als Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt kaufen können, 25 Prozent der Mieter in einem Objekt Interesse am Kauf zeigen mussten.

Der Rechnungshof sagt, das sei sehr dilettantisch angegangen worden. Die Woh­nungsgesellschaften hatten einen erheblichen Aufwand. Ich habe auf eine meiner 23 Anfragen zu dem Thema von Ihnen in Ihrer Antwort klare Zahlen mitgeteilt bekom­men. Die Gutachterkosten für diesen Murks, der vom Handelsgericht Wien wieder auf­gehoben werden musste, betrugen ja allein bei der BUWOG 9 655 €, bei der WAG 10 645 € und bei der WBG 5 941 €. Die Prozesskosten betrugen bei der BUWOG 17 396 €, bei der WAG 17 940 € und bei der WBG 11 922 €.

Das sind lauter überflüssige Kosten, die die Gesellschaften tragen müssen, die Sie jetzt aber verkaufen wollen. Das heißt, Sie verkaufen ja zum Teil schon lädierte – so formuliere ich es – Gesellschaften, die Sie mit Ihrer dilettantischen, falschen Vor­gangsweise in ein Prozessrisiko hineingehetzt haben. – Das ist nur wieder eines der Elemente, die auch der Rechnungshof kritisiert.

Wenn es um die Begutachtung der Werte und um die Herangehensweise bei der Ver­äußerung geht, ziehen Sie nicht die hauseigenen Fachjuristen bei, sondern Sie verge­ben wieder Gutachten an Universitätsprofessoren. Diese Vergabe hat ebenfalls Kosten verursacht, die der Rechnungshof als belastendes Element, das gar nicht notwendig war, stark kritisiert. Wozu haben wir denn im Finanzministerium kompetente Juristen?

Herr Finanzminister! Der dritte Punkt, den der Rechnungshof kritisiert, ist für mich der allerwichtigste Punkt: Sie haben zu keiner Zeit und in keiner Art und Weise eine Rela­tion hergestellt zwischen einerseits dem, was Sie bei einem Verkauf durch Einnahmen zur Tilgung der Staatsschulden verwenden können, wodurch Sie sich Zinszahlungen ersparen können, und andererseits dem, was Sie doch möglicherweise durch Dividen­den und Abflüsse aus den Gesellschaften über mittlere oder längere Zeiträume an Erlösen erzielen und insofern auch dem Budget zuführen können.

Sie haben ja selbst in einer Anfragebeantwortung zugestanden, dass diese Erlöse durchaus respektabel sind. Das stellen Sie aber nicht in Relation, und das kritisiert der Rechnungshof. Das ist ein massiver fachlicher Mangel und ein Fehler, den Sie als Finanzminister an sich nicht begehen hätten dürfen. – So weit der Rechnungshof.

Jetzt aber ganz konkret zur Anfrage, die Sie mir im September beantwortet haben: Herr Finanzminister! Sie sind mir wieder einiges schuldig geblieben. Sie sprechen schon wieder von Firmengeheimnissen. Eignungskriterien, Fakten, Zahlen und Daten dürfen Sie nicht verraten, wenn es um diese Ausloberangelegenheit Lehman Brothers geht, denn das sei ein Firmengeheimnis.

Sie enthalten mir das Stimmverhalten der Mitglieder der Vergabekommission vor. Sie nennen mir zwar großzügigerweise diesmal die Personen, die da drinnen sitzen: Wie­der gibt es einen Herrn Plech, der von Bedeutung ist, weil er ja Experte ist, wieder gibt es Ihre Mitarbeiter, wieder gibt es Ihre Freunde, die in dieser Vergabekommission sit­zen. Der einzige Beamte, der dort als Mitglied Ihres Ministeriums auch etwas versteht, stimmt dagegen. Und was passiert? – Dieser Beamte wird – mit der „Aktion 55“ oder sonst einer Aktion – in Frühpension geschickt. (Abg. Öllinger: Das ist ja unglaublich!)


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Herr Finanzminister! Ich meine, das ist nicht nur aufklärungsbedürftig, das ist unter­suchungsausschussbedürftig! (Bundesminister Mag. Grasser: Ja, ja!) Ich glaube, da sollten wir weiter nachstoßen! (Beifall bei den Grünen.)

Dazu läuft übrigens gerade noch eine Anfrage. Vielleicht gibt es da noch einmal eine Besprechung Ihrer Antwort. Bei der Anfrage, die heute zur Diskussion steht, haben Sie mir wieder die Antwort vorenthalten, warum Lehman zum Zug gekommen ist und wodurch – das ist der Punkt – Lehman besser war als die anderen. Wieso kommt das Alternativangebot von Lehman mit seinen etwas mehr als 83 Punkten überhaupt in diesen hohen Rang? Wie schaut es da aus? Wofür? Was ist da die große Qualifi­kation? – Sie haben einmal von deren internationaler Erfahrung geschrieben und dass sie in Italien schon Wohnbaugesellschaften verkauft haben et cetera. Klar geantwortet haben Sie mir aber nicht. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Herr Präsident, ich weiß, es ist Zeit.

Die letzten beiden offenen Fragen an den Herrn Finanzminister, weil er sie nicht beant­wortet hat (Abg. Scheibner: Das geht sich nicht mehr aus!): Welche möglichen Ver­wertungsvarianten gibt es? – Der Prozess läuft ja jetzt. Und vielleicht geben Sie auch noch bekannt, wie die internen Bewertungskriterien waren. Es sind viele Fragen gestellt. (Beifall bei den Grünen.)

18.08

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme zum Gegenstand, die gleich­falls 10 Minuten nicht überschreiten soll, hat sich Herr Bundesminister Mag. Grasser zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Finanzminister.

 


18.08

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vielleicht darf ich damit beginnen, der Abgeordneten Moser, mit der wir ja schon in der Vergangenheit einen intensiven Austausch in dieser Frage pflegten, nochmals darzulegen, warum wir uns entschlossen haben, diese Privatisierung durchzuführen.

Frau Abgeordnete! Aus meiner Sicht und nach meiner Überzeugung muss es einfach ganz besondere Gründe dafür geben, wenn ein Unternehmen oder ein Wirtschafts­zweig nicht privat organisiert und geführt werden soll, sondern vom Staat geführt wird. Das heißt, für mich ist es einfach der Normalfall, dass Wirtschaftsunternehmen in priva­ten Händen sind und auch nach den Gesetzen des Marktes geführt werden.

Daher sage ich Ihnen auch: Wenn Sie von 3 Milliarden € Verkehrswert sprechen, dann wissen Sie mehr als der Markt und als Bewertungsgutachten. Ich würde Ihnen anbie­ten, dass wir doch den Markt und damit Angebot und Nachfrage in einer Marktwirt­schaft als Bewertungsmaßstab, der darüber entscheidet, was etwas wert ist, nehmen und damit den sinnvollsten Mechanismus in einer Wettbewerbsgesellschaft, nämlich den Marktmechanismus heranziehen.

Frau Abgeordnete! Ich glaube, man muss einfach darauf hinweisen, dass die Situation, was den Wohnbau betrifft, eine andere ist als früher. Sicher hat es in Österreich eine Zeit gegeben, in der eine staatliche Funktion vorhanden war. Sicher war es in der Nachkriegszeit so, dass Wohnungsversorgung ein wichtiges Thema des Staates war.

Ich glaube aber, dass es heute, wenn Märkte wieder funktionieren, nur logisch ist, dass man zu einem marktwirtschaftlichen System zurückkehrt und der Staat sich in diesem Bereich aus der Wirtschaft zurückziehen kann. (Abg. Öllinger: Darum sitzt der Plech drinnen! Der Vertreter des Marktes!)

Wenn Sie sich die Wohnbaustatistiken ansehen, dann können Sie feststellen, dass auf der einen Seite der soziale Wohnbau zwar noch immer wichtig ist und es ja auch eine


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Reihe von Einrichtungen gibt, die das positiv aufgreifen, dass sich auf der anderen Seite aber der Stellenwert doch deutlich gewandelt hat, dass es einen sehr deutlichen Trend zu Eigenheimen gibt und sich mehr als 90 Prozent der Österreicher wünschen, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. (Abg. Mag. Wurm: Stimmt nicht! Wünschen schon, aber leisten können sie es sich nicht!)

Ich sage Ihnen: Wir haben einfach keine Angst vor dem Eigentum. Wir sind nicht gegen das Eigentum, sondern – ganz im Gegenteil – für das Eigentum. (Abg. Mag. Wurm: Die Menschen können es sich nicht leisten!) Wir wollen Eigentum schaf­fen und die Möglichkeit zur Eigentumsschaffung geben, weil wir wissen, dass damit Wertsteigerung und auch Altersvorsorge – ein wichtiger Aspekt! – verbunden sind und dass Eigentum auch Sicherheit und Unabhängigkeit bedeutet.

Wenn Sie sich ansehen, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen sehr deutlich zu­rückgegangen ist und fast 70 Prozent der Neubau-Leistung auf Hausbau und Woh­nungseigentum entfällt, dann wissen Sie, dass die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung offensichtlich so denkt.

Genau das war der Grund, weshalb diese österreichische Bundesregierung gesagt hat: Wir geben den Mietern eine Chance und bieten ihnen erstmals in Österreich diese Wohnungen auch zum Kauf an. – Ich bin stolz darauf, dass wir das gemacht haben. Es war eine kluge Vorgangsweise, den Mietern erstmals die Möglichkeit zu geben, Eigentum zu schaffen und diese Wohnungen zu erwerben, wenn sie wollen. (Abg. Mag. Wurm: Wie viele haben es in Anspruch genommen?)

Wenn Sie dazu berücksichtigen, dass von uns immer sehr klar gemacht worden ist, dass der Eigentümerwechsel an den Wohnbaugesellschaften keine Auswirkung auf das Vertragsverhältnis beziehungsweise auf das Mietverhältnis zwischen Mietern und Gesellschaft haben wird, weil die strengen gesetzlichen Schutzbestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes weiterhin voll wirksam sind – was gut so ist, was wichtig ist –, dann sehen Sie, dass wir natürlich immer auch den Mieter im Blickpunkt unserer diesbezüglichen Privatisierungsaktion gehabt haben.

Ich darf Ihnen an dieser Stelle nochmals sagen, dass ich mich bereits im Dezem­ber 2000 an die Mieter gewendet und auch klargestellt habe, dass selbstverständlich in bestehende Mietverträge aus Anlass der damaligen Gesetzesänderung des WGG in keiner Weise eingegriffen wird und dass die Schutzbestimmungen des WGG selbstver­ständlich voll aufrecht bleiben, der Mieter also geschützt bleibt.

Ich glaube daher, dass das von uns sehr klar durchgeführt worden ist. Der Mieter hatte in keiner Frage jemals Nachteile, sondern es ist uns gelungen, Chancen aufzu­machen und dem Mieter zu sagen, wer möchte, kann Wohnungen erwerben. – Immer­hin sind es etwa 1 000 Wohnungen in der BUWOG, an denen es ein sehr deutliches Kaufinteresse gibt; 433 Verträge sind abgeschlossen. In der WAG sind 183 Verträge abgeschlossen. Man sieht also, dieses Angebot ist doch auch angenommen worden!

Frau Abgeordnete, was Ihre Aussagen betrifft, ich hätte nicht informiert, sage ich Ihnen ganz offen: Ich glaube, es gibt wenige Fragen, zu denen man mehr diskutiert hat, zu denen man mehr und umfassender informiert hat und bei denen man transparenter vorgegangen ist als bei dieser Frage.

Sie haben sich, wie Sie ja selbst sehr gut wissen, seit dem Jahr 2000 dieser Frage im Detail angenommen. Es gibt 22 Anfragen, die ich bisher dazu beantworten konnte, von denen einen großen Teil Sie gestellt haben. Es gibt einen Rechnungshofbericht, auf den ich eingehen werde, vier Ministerratsvorträge, zwei Gesetzesänderungen und vier Rechnungshofausschüsse – einer hat bereits getagt, wie Sie schon gesagt haben, drei weitere sind festgelegt. (Abg. Jakob Auer: Was wollt ihr denn noch?) Meine Damen


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und Herren! Umfassender kann man gar nicht informieren, als wir das in dieser Frage gemacht haben.

Sie haben Karlheinz Muhr angesprochen. Ich habe Ihnen bereits einmal hier im Hohen Haus gesagt, Karlheinz Muhr hat in der Frage Privatisierung der Wohnbaugesellschaf­ten überhaupt keine Rolle gespielt. Er hat keinen Auftrag von Seiten der Republik und hat auch nicht einen Euro von der Republik bekommen. – Vielleicht nehmen Sie das heute zur Kenntnis! (Abg. Dr. Gabriela Moser: Das habe ich ja nie behauptet!) – Des­wegen wollte ich Ihnen nur Ihre Frage beantworten.

Sie haben die Terminologie verwendet, wir hätten von Beginn an ein „abgekartetes Spiel“ in Richtung Lehman praktiziert. – Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich kann zu­nächst Ihrer Wortwahl wirklich nicht beipflichten, und ich habe das im Rechnungshof-Unterausschuss schon gesagt, den Herr Abgeordneter Kräuter dann öffentlich gemacht hat. – Das schätze ich zwar auf der einen Seite nicht, weil man gegen die Vertrau­lichkeit verstoßen hat, auf der anderen Seite hat das einer breiten Masse aber die Möglichkeit gegeben, auch nachzulesen, wie dieses Vergabeverfahren abgelaufen ist. (Abg. Dr. Kräuter: Die haben alle gelacht!)

Mehr, als dass es eine Kommission mit elf Mitgliedern gegeben hat, in der zwei Vor­stände der betreffenden Gesellschaften, ein Immobilienexperte, der Leiter der Bundes­beschaffungs GesmbH, zwei Abteilungsleiter aus dem BMF, ein Rechtsanwalt und zwei Universitätsprofessoren gesessen sind, kann man nicht verlangen. – Sie kennen meine Ausführungen dazu, dass wir hoch spezialisierte externe Spezialisten aus dem jeweiligen Fachgebiet beigezogen haben und dass diese Vergabe mit größtmöglicher Objektivität und Transparenz abgelaufen ist. Das ist eine mustergültige Vorgangs­weise einer Vergabe, und wenn Sie sich den Rechnungshofbericht ansehen, werden Sie feststellen, dass darin auch in keiner Weise Kritik an der Vergabe geübt wird.

Frau Abgeordnete! Sie haben Maastricht angesprochen. Der Wesensinhalt von Maas­tricht und die Einschätzung, ob etwas gemäß den Maastricht-Verträgen im Sinne der ESVG-Bestimmungen 1995 akzeptiert wird oder nicht, erfolgt so, dass im Nachhinein von EUROSTAT eine statistische Entscheidung getroffen wird, ob es anerkannt wird oder nicht. Es ist daher überhaupt nicht relevant für diesen Vorgang, denn es ist von uns erstens nicht von vornherein feststellbar, ob es im Sinne der Maastricht-Verträge akzeptiert ist oder nicht, weil wir es nicht entscheiden können, sondern es eine EUROSTAT-Entscheidung im Nachhinein ist. Zweitens hätte es überhaupt nichts verändert, ob es nur für das administrative Defizit gilt oder auch für das Maastricht-Defizit, weil völlig klar war: Die grundsätzliche Entscheidung zu privatisieren ist eine gute Sache, und zwar für die Mieter, weil wir ihnen die Wohnungen zum Kauf angeboten haben, und auch für die Steuerzahler.

Nun komme ich auf Ihr Argument zu sprechen: Sie haben gesagt, wir hätten auf den Rechnungshof bezogen nie verglichen, wie sich auf der einen Seite die Staatsschuld und damit die Zinszahlung verändert und wie es auf der anderen Seite mit den Dividen­den aus den Gesellschaften ausschaut. Frau Abgeordnete! Ich folge dem Rechnungs­hof hundertprozentig in diesem Argument. Der Rechnungshof hat auch gesagt, er kann jetzt noch nicht beurteilen, ob dieser Verkauf ein Erfolg ist oder nicht, weil er genau diesen Zusammenhang hergestellt hat. Natürlich kann er es jetzt noch nicht beurteilen, weil wir noch nicht verkauft haben und er daher nicht weiß, wie hoch der Verkaufserlös ist, so wie wir das selbst auch noch nicht wissen.

Klar ist aber: Die Verzinsung der Staatsschuld macht heute im Durchschnitt ungefähr 5 Prozent aus, das heißt, wir müssen zumindest 500 Millionen € Verkaufserlös er­zielen. Warum 500 Millionen €? – Weil wir in den letzten Jahren operativ aus allen Gesellschaften in etwa 25 Millionen € an Dividende bekommen haben.


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Frau Abgeordnete! Sie unterhalten sich, während ich Ihre Anfragen beantworte. Sie werden dann wahrscheinlich die nächste Kurzdebatte verlangen, weil Sie mir nicht zugehört haben. – Das tut mir Leid, aber ich beantworte Ihnen die Dinge gerne auch mehrfach. (Abg. Mag. Wurm: Nicht arrogant werden!)

Klar ist der Zusammenhang: 25 Millionen Dividende in den letzten Jahren aus allen Gesellschaften, 5 Prozent Verzinsung unserer Staatsschuld, das ergibt also zumindest 500 Millionen € Verkaufserlös. Ganz im Sinne der Ausführungen des Rechnungshofes ist das notwendig, um zu sagen, das ist ein Erfolg oder es ist kein Erfolg. – Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese 500 Millionen € überschreiten werden, und dann hoffe ich, dass Sie mir beipflichten werden, dass es ein großer Erfolg sein wird.

Ich bitte Sie, sich einmal in Ihrer Terminologie selbst zu entscheiden: Auf der einen Seite sagen Sie „dilettantisch, vermurkst“, und auf der anderen Seite fragen Sie, war­um man nicht die BMF-Mitarbeiter heranzieht, und werfen uns vor, dass wir externe Experten beigezogen haben. (Abg. Bures: Das sagt der Rechnungshof! Das ist die Sicht des Rechnungshofes!)

Frau Abgeordnete! Bei einem solchen Verfahren zieht jeder in Europa – auf der gan­zen Welt! – externe Experten bei. Wir tun es deswegen, weil wir vorbildlich vorgehen und professionell vorgehen wollen und weil die BMF-Mitarbeiter, die auch eine hohe Kompetenz haben, sagen, es geht da um so viel und das ist ein so wichtiger Prozess, dass wir keine Fehler machen wollen, sondern dass wir den Prozess im Interesse der Mieter und im Interesse der Steuerzahler vorbildlich abwickeln wollen.

Schauen Sie sich einmal um: Deutschland hat Wohnungen verkauft – unter einer sozialdemokratisch-grünen Regierung übrigens –, England hat Wohnungen verkauft –unter einer sozialdemokratischen Regierung –, Italien hat Wohnungen verkauft. (Abg. Mag. Wurm: Wieso machen Sie es dann?) – Das heißt, Österreich tut das, was mehrere Länder in Europa auch tun. Ich denke, wir tun das in einer sehr guten Art und Weise. Das kann ich Ihnen von meiner Seite aus versichern.

Sie haben Verwertungsvarianten angesprochen. – Ich habe Ihre Anfragen mehrfach in schriftlicher Form beantwortet. Einerseits geht es um die Veräußerung von Geschäfts­anteilen, andererseits geht es um eine Verbriefungsvariante. Diese Frage wird in Zu­kunft beim weiteren Vorgehen zu entscheiden sein.

In Summe, Frau Abgeordnete: Wir sind erstens völlig korrekt, einwandfrei und vorbild­lich vorgegangen. Zweitens: Wir haben den Mietern die Chance gegeben, Eigentum zu erwerben. Drittens: Wir haben penibel Wert darauf gelegt, dass es durch die Veräuße­rung der Geschäftsanteile oder durch die Verbriefung zu keiner Schlechterstellung der Mieter kommen kann. Somit darf ich Ihnen versichern, wir haben im österreichischen Interesse, im Interesse der Steuerzahler gehandelt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.21

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: In der nunmehr beginnenden Debatte zum Thema ist Herr Abgeordneter Großruck der erste Redner. Alle Redner haben 5 Minuten zur Ver­fügung. – Bitte.

 


18.21

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Nach den politischen Spielchen der Opposition hatten wir beim vorigen Tagesordnungspunkt Strasser jagen. Man hat mit der geladenen Büchse des Misstrau­ensantrags auf den Innenminister geschossen, ihn aber natürlich wie immer verfehlt. Jetzt haben wir das oppositionelle Spiel Grasser jagen. Sie verwenden jetzt nicht das Instrumentarium des Misstrauensantrags, das geht laut Geschäftsordnung nicht, son-


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dern der Anfragebeantwortung. Sie schießen also jetzt mit einem politischen Luftdruck­gewehr auf unseren Finanzminister. Und Sie werden auch ihn verfehlen.

Frau Kollegin Moser, man muss sich den ganzen Komplex anschauen. Ich halte Sie für sehr intelligent und meine, dass Sie die Anfragenbeantwortungen und das gesamte Kompendium, das in dieser Sache schon passiert ist, kennen, lesen und natürlich auch verstehen. Für mich ist es schlüssig, der Herr Finanzminister hat alle Fragen, die im Laufe der letzten Monate und Jahre gekommen sind, mit Akribie, mit Zahlen unter­mauert, beantwortet. Es ist alles nachzulesen. Sie versuchen immer wieder – so wie Sie es auch gemacht haben beim Eurofighter-Kauf, wo sich dann herausgestellt hat, dass überhaupt nichts dahinter war; die Staatsanwaltschaft hat alles zurückgelegt; der Rechnungshof hat bestätigt, dass alles korrekt war –, und zwar auch in diesem Fall, einem erfolgreichen Finanzminister etwas in die Schuhe zu schieben, nämlich was den Bundeswohnungsverkauf betrifft, und Sie versuchen, ihn hier wieder ins kriminelle Eck zu drängen. Das ist falsch und das ist auch unseriös.

Wenn Sie, Frau Kollegin Moser, die Diskussion über bestimmte Fragen führen wollen, dann sagen Sie einfach, es entspricht nicht unserer Ideologie, dass Wohnungen ver­kauft werden. Dann wäre das die richtige Diskussion. Aber das getrauen Sie sich nicht, weil Sie wissen, dass die Mehrheit der Österreicher – der Herr Finanzminister hat es erwähnt – für Eigentumsbildung, für Eigentumsschaffung ist. Es ist nicht Kernaufgabe des Bundes, Wohnungen zu haben. Es war sie einmal, als Wohnungsnot herrschte. Jetzt ist es Kernaufgabe des Bundes, mitzuhelfen, dass günstiger Wohnraum geschaf­fen wird, etwa durch Förderungen, dass Wohnraum geschaffen wird, der sozial ausge­wogen ist, finanziell leistbar und auch qualitativ hochwertig ist. Das ist die Hauptauf­gabe des Bundes und der Wohnbaupolitik, die hier betrieben werden soll, und nicht das Horten von Wohnungen, so wie es die rote Gemeinde Wien macht, wo man viel­leicht nur mit einem Parteibuch eine günstige Wohnung bekommt. (Zwischenruf der Abg. Bures.) Das möchte ich einmal feststellen, Frau Bures.

Wenn Sie erfahren wollen, dass dieser ganze Wohnungsverkauf natürlich eine andere Dimension bekommt, wo jetzt auch die SPÖ im Boot ist, dann brauchen Sie nur das „FORMAT“ von dieser Woche zu lesen:

„Privatisierung: Die neuen roten Immohaie

Ex-SP-Staatssekretär Wittmann möchte 62.000 BUWOG-Wohnungen kaufen.“ (Abg. Lentsch: Oh!)

Vielleicht könnten Sie sich, meine Damen und Herren von der Opposition, intern einmal darüber unterhalten. Herr Dr. Wittmann hat sicher mehr Informationen über den gan­zen Verkaufs- und Beschaffungsvorgang als Sie von der grünen Fraktion. Vielleicht kann Ihnen Frau Bures, vielleicht kann Ihnen Herr Dr. Wittmann Auskunft geben, warum er bereit ist, diese Wohnungen zu kaufen. Nur, meine Damen und Herren, er hat sie nicht bekommen. Sein Angebot wurde nicht einmal angenommen, weil es zu unseriös ist.

Mit im Boot des Herrn Wittmann ist laut Bericht des „FORMAT“ auch der ehemalige rote Innenminister Karl Schlögl. Lassen Sie mich zitieren, nur damit Sie wissen, mit wem es der Herr Finanzminister als Käufer von BUWOG-Wohnungen zu tun hat:

„Die Immobilien-Connection. Die SBW“ – so heißt diese Firma, vielleicht heißt das Schlögl, Bures, Wittmann, ich weiß es nicht – „selbst ist wiederum Kommanditist an der BC Immobilien Management GmbH & Co Grundstücksverwertung KEG – deren Ge­schäftsadresse ist gleichzeitig die Büroadresse der SBW.

Über diese Firma besteht auch ein enger Geschäftskontakt zur IMB Holding AG, die aus dem Umfeld der ehemaligen börsennotierten Residenz AG entstanden ist. Die


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Residenz-Pleite war eine der größten Börsepleiten der österreichischen Immobilienge­schichte.“

Meine Damen und Herren! Vielleicht stellen Sie hier einmal in diese Richtung Fragen, wo Sie wirklich auch Licht in diese „neuen roten Immohaie“ hineinbringen wollen. Das wäre für die Öffentlichkeit interessanter, als Fragen zu stellen, die der Herr Bundes­minister ohnehin schon laufend und zur Genüge beantwortet hat.

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren: Zur allgemeinen Diskussion der Reformwilligkeit. Alle Parteien hier herinnen sagen, Reformen sind notwendig. Es sagt auch die Opposition, Reformen sind notwendig. Die Regierung macht sie! Sie macht sie in Fragen der Pension, der Gesundheit und auch bei den Bundesbahnen und beim Wohnungsverkauf.

Ich ende mit einem halben Vierzeiler, der die Reformpolitik der Opposition signalisieren soll: Reformen ja, sie müssen sein, doch später, zu St. Nimmerlein. – Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.26

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich hätte mir schon einen ganzen Vierzeiler gewünscht, muss ich sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Das Thema ist schon abge­droschen, da gibt es keinen Vierzeiler!)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

 


18.27

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht nur auf die peinliche Rede des Kollegen Großruck kurz replizierend. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Kollege Wittmann hat gesagt, dass erstens der Bericht von Ihnen falsch zitiert worden ist. Zweitens hat er angekündigt, dass er das auch einklagen wird. Wenn Sie das nicht geschützt vom Rednerpult aus gesagt hätten, wären Sie gleich mit angeklagt, wenn Sie hier völlig falsche Dinge bringen, in Wirklichkeit nur, um abzulenken. Und das ist peinlich, Herr Kollege Großruck. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit drei Jahren haben wir jetzt die Diskussion rund um den Verkauf der Bundeswohn­baugesellschaften. Wir erleben seit drei Jahren auch ein peinliches Schauspiel, ähnlich wie es Ihre Rede war, Herr Abgeordneter. In Wirklichkeit ist die Diskussion deshalb peinlich, weil man gesehen hat, dass es Ihnen ja gar nicht darum geht, Mieter zu Woh­nungseigentümern zu machen – darauf werde ich noch zurückkommen –, sondern offensichtlich darum, innerhalb Ihres Freundeskreises ein großes Unternehmen – es sind fünf Wohnbaugesellschaften – zu verscherbeln.

Herr Bundesminister, Sie haben davon gesprochen, dass der Markt das regeln soll. Ich kann Ihnen nur sagen, wir sind in den letzten Jahrzehnten in Österreich sehr gut damit gefahren, dass wir auch den sozialen Wohnbau hatten, dass wir einen gemischten Wohnungsmarkt haben, nämlich auch deshalb, weil es viele junge Familien gibt, die eine Wohnung suchen und die nicht so wie Sie immer auf die Butterseite gefallen sind und ins Penthaus vom Herrn Haider ziehen können, sondern die auf diesen sozialen Wohnraum angewiesen sind, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Gras­ser.)

Aber die Diskussion rund um die Wohnbaugesellschaften reiht sich ohnedies nahtlos in Ihren Privatisierungswahn ein. Sie wollen alles verscherbeln, was in diesem Land nicht niet- und nagelfest ist. Sie verscherbeln fünf Wohnbaugesellschaften, wofür Sie gar keine rechtliche Grundlage haben. Zwei dieser Wohnbaugesellschaften sind gemein­nützig, und Sie haben überhaupt kein Recht, diese zum Kauf anzubieten. Was man


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dabei sagen muss, ist, wie sooft führen Sie immer alle hinters Licht. Selbst die Bieter dieser Wohnbaugesellschaften, die glauben, 60 000 Wohnungen zum Kauf angeboten zu bekommen, erfahren jetzt, weil Sie nämlich zu Unrecht anbieten, dass Sie ein Drittel dieser Wohnungen, also 20 000 Wohnungen, gar nicht verscherbeln können, es fehlt Ihnen jede Rechtsgrundlage dafür. Sie führen die Bieter in Wirklichkeit hinters Licht, Herr Bundesminister. Aber das ist Ihre Methode. (Beifall bei der SPÖ. – Bundes­minister Mag. Grasser: Wir haben 38 000 Wohnungen zum Kauf angeboten!)

Sie führen die Menschen auch hinters Licht, denn viel mehr trifft es mich natürlich, wie Sie die Mieter hinters Licht führen. Sie stellen sich heute hier her und sagen wieder, wir wollen die Mieter zu Wohnungseigentümern machen. Hier im Parlament hat die Mehr­heit, nämlich die FPÖ und die ÖVP, ein Gesetz beschlossen, wodurch der vorrangige Verkauf der Wohnung an die Mieter ersatzlos gestrichen wurde. Sie hatten überhaupt nie ein Interesse daran, Mieter zu Wohnungseigentümern zu machen. 1 000 Wohnun­gen – schämen Sie sich, Herr Minister, schämen Sie sich! –, 1,7 Prozent der Wohnun­gen sind das in Wirklichkeit, die Mieter kaufen wollten. Und die Mehrheit dieser Woh­nungen werden Sie an Immobilieninvestoren verscherbeln. (Zwischenruf des Abg. Neudeck.) – Sie sind vielleicht ein Günstling des Herrn Ministers, das mag schon sein, Herr Abgeordneter Neudeck. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Rechnungshofbericht zeigt das klar auf und auch die Anfragebeantwortungen. Herr Bundesminister, Sie haben in einer Anfragebeantwortung vom 30. Juni geantwortet, dass es möglich wäre, im Zuge des Einzelverkaufs von Wohnungen 60 Prozent ins Wohnungseigentum zu übertragen. Was haben Sie denn getan? – 1,7 Prozent – das ist Sand in die Augen streuen –, 1,7 Prozent der Wohnungen sind verscherbelt worden. Diesen Leuten haben Sie die Chance gegeben. Alles andere soll Immobilienspekulan­ten zugute kommen. Das ist das Unredliche an Ihrer Politik, Herr Bundesminister! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Sie haben versprochen, dass die Mieter eine Chance haben werden, Wohnungseigen­tum zu erwerben. – Von Ihnen bekommen sie nichts außer Sand in die Augen gestreut. In Wirklichkeit stehen die Wohnungsmieter dieser Wohnbaugesellschaften heute vor dem Problem, dass sie nicht genau wissen, ob sie nicht Opfer von Immobilienspeku­lanten werden. Und Sie streuen den Steuerzahlern Sand in die Augen und führen sie hinters Licht.

Sie haben zunächst von 3 Milliarden € an Einnahmen durch den Verkauf der Bundes­wohnungen gesprochen, dann von 1 Milliarde €. Heute geben Sie es schon ganz billig: nur mehr 500 Millionen € aus dem Verkauf von Bundeswohnungen. Also was Ihre Ein­nahmen betrifft, wissen mittlerweile alle in diesem Land: Bei Ihnen ist nix fix! Das Einzige, was fix ist, sind die Ausgaben. Die Ausgaben an die Firma Lehman Brothers in Höhe von 10 Millionen € sind fix, dort sitzt der Konsulent, Herr Muhr, Ihr Freund, der an Provisionen natürlich mitschneidet. Aber, Herr Bundesminister, ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

 


Abgeordnete Doris Bures (fortsetzend): Herr Bundesminister! Sie haben es leicht: Es gibt zwei Termine für eine Sitzung des „kleinen Untersuchungsausschusses“. Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass Sie Licht in diese dunkle Angelegenheit bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. Glei­che Redezeit. – Bitte.

 



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18.32

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Bures, in der Angelegenheit ist, glaube ich, zwischenzeitig schon so viel Licht, dass wir vor lauter Leuchten gar nicht mehr sehen, worum es Ihnen geht. Sie reden von Penthäusern. Meinen Sie damit Präsidenten Verzetnitsch, der auf Kosten der BAWAG-Sparer oder Lebensversicherten in einem günstigen Penthaus lebt und sich das Herr Generaldirektor Flöttl in Fortführung einer günstigen Miete noch gekauft hat? – Im Gutachten steht: Der Grundriss, den er sich vorher als Planer gewünscht hat, ist so ungünstig, dass man den Preis so vermindern muss, dass sich natürlich jeder Mieter einer BUWOG-Wohnung freuen würde, wenn er sein Objekt zu ähnlichen Kondi­tionen bekommen würde.

Eines ist auch ganz komisch: Wer war denn der große Kämpfer gegen den Verkauf an die Mieter? – Die Arbeiterkammer ist gelaufen, hat das madig gemacht, die SPÖ ist ge­laufen, hat das madig gemacht. Ich verstehe nicht ganz, warum Sie heute der Meinung sind, dass die Zahl der verkauften Wohnungen zu gering ist. Sie hätten es in der Hand gehabt, diesen Anteil wesentlich zu erhöhen. Dort, wo heute Ihre privilegierten Mieter sitzen, dort, wo heute die im geschützten Bereich tätigen Geschäftsführer dieser ge­meinnützigen Gesellschaften vielleicht den Wind der Marktwirtschaft um die Ohren sausen haben, werden Sie nervös. Denn eines ist auch klar: Die Mieter sind auf Grund der gesetzlichen Rahmenbedingungen weiterhin geschützt. (Abg. Bures: Bei Ihnen nicht!) – Meine Mieter sind geschützt. Meinen Mietern geht es besser als den von Ihnen in der Mietervereinigung vertretenen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Bures.) – Da können Sie noch so schreien, die Diskussion gewinnen wir auf jeden Fall.

Die Leute wohnen lieber in Häusern von mir als in den Gemeindebauten bei Ihnen, das können Sie gerne schriftlich haben. Nur, ich muss schon dazu sagen: Jetzt ist es lang­sam so, die Mieter wissen, sie sind geschützt, aber Ihre Günstlinge, die Geschäfts­führer waren in diesen Gesellschaften, spüren den Wind. Genau deswegen schreien sie. (Zwischenruf der Abg. Bures.)

Apropos alter Hut. Frau Kollegin! Schauen Sie, Bundesminister Grasser hat Berater, lässt das begleiten, daher wird auch ein ordentlicher Preis herauskommen. Ich habe hier ein Stenographisches Protokoll aus dem Jahre 1997, wonach Abgeordneter Firlin­ger sagte:

„Es ist geplant, daß die gemeinnützige allgemeine Bau-, Wohn- und Siedlungsgenos­senschaft die ESG Villach“ – ich hätte es nicht gesagt, aber wenn Sie mit alten Hüten anfangen, gehört Ihnen das – „und die ESG Linz sowie die WBG Wien ,erwirbt’ – unter Anführungszeichen. Damit wird ein Imperium mit über 20 000 Wohnungen unter dem Eisenbahner-ÖGB-Einfluß errichtet. Der Preis beträgt 180 Millionen Schilling.“ – Schil­ling, nicht Euro! – „Die Kapitalwerte machen über 750 Millionen Schilling aus, der Wert der Wohnungen beträgt aber über 10 Milliarden Schilling.

Sie haben versucht, sich die Sache zu richten.“ – Der vertrauliche Informant war not­wendig, denn damals war es ja nicht möglich, Licht in dieses Dunkel zu bringen. – „Der vertrauliche Informant schreibt weiters: Die Koalitionsparteien, vor allem der ÖGB nützen die Gesetzeslücke aus, wonach ein Erwerb nur zum Nominalwert erfolgen darf. Man soll sich durch das momentane Ruhen nicht täuschen lassen. Die Aktion ist auch vorbereitet. Im Aufsichtsrat der ESG Villach sind lauter Eisenbahnergewerkschafter“ – das sind die, die jetzt streiken –, „wie Dr. Karl Hofrichter und Ing. Emil Maurer, beide Eisenbahner und aus dem Sparda-Bereich Villach. Sie wurden in den Aufsichtsrat gewählt, um die Aktion durchzuziehen. Die Sparda Wien AG ist eine Tochter der BAWAG.“


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Wenn Sie wollen, können wir jetzt wieder zu Verzetnitsch und so weiter kommen, machen wir aber nicht.

Frau Kollegin, für solche Vergaben wie diese brauchen Sie keine Vergabekommission, brauchen Sie keine Berater. Sie zahlen auch kein Honorar. Sie brauchen nur viel Glück, dass Ihnen nie jemand draufkommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.37

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Gleiche Redezeit. – Bitte.

 


18.37

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die Vorredner von den Regierungsparteien haben es bevorzugt, sich mit der SPÖ auseinander zu setzen und weniger mit den nicht beant­worteten Fragen des Herrn Bundesministers. Herr Bundesminister, man mag unter­schiedlicher Meinung sein oder das ideologisch motiviert austragen, das ist ja noch nichts Schlimmes, was die bessere Wohnbauveranstaltung der öffentlichen Verantwor­tung ist oder auch das Zuteilen von Wohnungen; das kann man ja ganz unaufgeregt diskutieren, theoretisch. – Theoretisch, denn praktisch müssen wir uns den Vorgängen zuwenden, für die Sie nun einmal verantwortlich sind. Ich diskutiere jetzt nicht – ich schicke das voraus – die Frage, wo das Eigentum angesiedelt sein soll oder nicht. Sie gehen davon aus, es sei besser aufgehoben, wenn das Ganze privatisiert ist, quasi privatisiert. – Gut.

Dann stellt sich aber die entscheidende Frage, wie dieser Eigentumsübergang von­statten, also über die Bühne geht. Das ist die entscheidende Frage, und das ist auch der Kontrollaspekt an der Sache, und es ist auch das, worauf Sie genaue Antworten regelmäßig verweigern, im Übrigen auch im Untersuchungsausschuss. Darauf werde ich am Schluss noch zu sprechen kommen. Im Untersuchungsausschuss haben Sie nur eine Sache vorgelesen. Sie haben sich der Befragung dadurch entzogen, dass Sie so lange gesprochen haben, dass keine Zeit mehr für Fragen war. Wir werden das noch ausstreiten, ob Sie noch einmal in diesen Ausschuss kommen oder nicht.

Momentan hält ja die ÖVP-Fraktion die schützende Hand darüber, und regelmäßig werden die Ladungsanträge, was Ihre Person betrifft – vielleicht wissen Sie das gar nicht –, abgelehnt. Man würde Sie sogar daran hindern, wenn Sie endlich einer nähe­ren Befragung zur Verfügung stehen wollten. Vielleicht können wir das ja aufklären und später doch noch die Gelegenheit, Herr Ausschussvorsitzender Hornek, in dem dafür eingerichteten Untersuchungsausschuss wahrnehmen.

Kommen wir zu praktischen Privatisierungsvorgängen! Bei aller Theorie darf hier die Empörung durchaus steigen, denke ich. Erinnern wir uns noch einmal kurz an die ÖIAG-Vorgänge, denn ich halte das für entscheidend. Das „profil“ dieser Woche schreibt in seinem Hauptkommentar, dass bei uns in Österreich, was die Privatisierung betrifft, Zustände herrschen wie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, wie in Russland 1990. – Das ist meines Erachtens eine richtige Analyse, weil dort die Frage der Eigentumsübertragung aus dem öffentlichen Bereich heraus auch eine gewisse Casino-Mentalität hatte, und nicht nur das, es sind immer bestimmte Leute beteilt worden. Und das ist auch hier das Problem.

Reden wir jetzt nicht darüber, ob das Eigentum da oder dort besser aufgehoben ist, reden wir darüber, wie Sie das Eigentum der öffentlichen Hand und damit in Wirklich­keit das Interesse der Steuerzahler verraten und verkaufen! Das ist Thema, das ist


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auch Thema im Untersuchungsausschuss, und da blockieren Sie. Damit werden Sie aber nicht durchkommen bis zum Schluss. (Beifall bei den Grünen.)

Die Parallele zur ÖIAG ist aufgelegt. Zuerst gab es diese Sache mit „Minerva“ und Wolf. Sie sind rechtzeitig ertappt worden, nachher wurde alles geleugnet. Es gab die üblichen Kontakte. Mit „üblich“ hätte ich den Vorgang nicht bezeichnet. Dann war die Sache mit Herrn Veit Schalle. Jetzt wird so getan, als ob er sich mit diesem Angebot nicht mehr andient. Das ist nur deswegen zu Stande gekommen, weil sich die Opposi­tion und andere Meinungsträger in der Öffentlichkeit korrekt dagegen gestemmt haben. Es ist auch nicht damit getan gewesen, dass Herr Schalle viel zu spät aus dem Auf­sichtsrat ausgeschieden ist, denn zu diesem Zeitpunkt hatte er schon alle Insider­informationen.

Ihr Ministerium ist federführend und vorantreibend bei dieser Abverkaufsaktion unter Freunden, diese passiert in dieser Republik. Sie wissen genau, wer Herr Veit Schalle ist. Ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie nicht rechtzeitig das Wort ergriffen haben, da hätten Sie noch irgendwie aus dem Schlamassel herauskommen können, indem Sie sagen: So geht das nicht. – Nein, Sie haben geschwiegen! Erst im Nachhinein haben Sie irgendetwas kommentiert. Und genauso ist es hier.

Wenn Sie jetzt sagen, dass da eine Vergabekommission am Werke war, dann kann ich das nur bestätigen, es hat eine Vergabekommission gegeben. Aber wie schaut diese aus? – Sie haben sich jetzt in dieser Anfragebeantwortung geoutet. Mittlerweile ver­stehe ich, warum Sie sich immer verschweigen wollen. Kaum antworten Sie, ist der nächste Fettnapf aufgebreitet, und zielsicher springen viele hinein, so auch Sie, ge­schätzter Kollege Großruck, denn das Vorgehen haben Sie nicht beleuchtet.

Wie finden Sie es, Herr Kollege Großruck, dass Herr Kommerzialrat Karl Plech – im Übrigen hier mit weichem B geschrieben, das wird die Verschleierung aber nicht per­fektionieren – in sechs Aufsichtsräten sitzt, er ist Aufsichtsratvorsitzender der Bundes­wohnungsgesellschaften und Immobiliengesellschaften? Ein ganzes Netzwerk hat er privat noch! Eineinhalb Seiten Firmenbuchauszüge gibt es dazu. Diesen Mann haben Sie uns als Experten angetragen.

Das ist Ihre Privatisierungspolitik unter Freunden. Das ist die Wirtschaftspolitik à la Grasser: Freunderlwirtschaft und Abverkauf. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: In dieser Debatte ist niemand mehr zu Wort gemeldet; sie ist daher beendet.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir setzen mit der Debatte zu den Tagesordnungs­punkten 3, 4 und 5, die um 15 Uhr unterbrochen wurde, fort.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Steibl. Die Uhr ist wunschgemäß auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

 


18.43

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich freue mich, dass ich jetzt wieder auf ein Thema zurück­kommen darf, das die Menschen bewegt und worüber wir Einstimmigkeit haben.

Ich möchte eingangs auf einen Tagesordnungspunkt eingehen, den auch die Frau Bundesministerin in ihrer Rede schon erwähnt hat, nämlich auf die bedeutendste Ver­anstaltung der europäischen Region im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens,


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auf die Regionaltagung der WHO. Dieser Regierung ist es nach 30 Jahren – 30 Jahre lang gab es, wie man weiß, eine SPÖ-dominierte Regierung – gelungen, diese Tagung wieder nach Wien zu bringen, und das ist, so glaube ich, schon eine Errungenschaft unserer Frau Bundesministerin. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Großveranstaltung geht weit über Österreich hinaus und ist in vielen Bereichen auch wichtig für den Aufbau eines internationalen Netzes, bei dem es nicht nur darum geht – das wurde schon erwähnt –, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Gerade im europäischen Raum sind noch viele Reformen notwendig. Zum Bei­spiel wird innerhalb der europäischen Region der Tod von 55 000 Jungendlichen jähr­lich mit Alkoholkonsum in Verbindung gebracht. Im Alter von 15 Jahren haben schon 60 bis 70 Prozent der Jugendlichen mindestens einmal geraucht.

Daher ist das Ansinnen unserer Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, einen großen Schwerpunkt auf die Gesundheitsvorsorge zu legen, sehr wichtig. Zum Beispiel kann man nun ab dem 19. Lebensjahr eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nehmen, aber nur 13 Prozent der Österreicher tun dies. Vorsorgeuntersuchung neu heißt auch – die Frau Bundesministerin hat das in Bezug auf die Gesundheitspässe angekündigt – Ausweitung des Mutter-Kind-Passes, Verlängerung in der Form für Jugendliche, für Erwerbstätige und auch für Senioren.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die große Zufriedenheit mit der Ge­sundheitsvorsorge. Österreich liegt unter 75 Ländern an zweiter Stelle. Damit diese Leistungen erbracht werden können, arbeiten sehr viele Frauen und Männer in den Einrichtungen der Gesundheitssysteme: Pfleger, Schwestern und Ärzte. Ich denke, dass in dieser Diskussion auch ein Danke für dieses Personal, für ihre harte Arbeit in unseren Spitälern, in unseren Arztpraxen angebracht wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

Vorsorgliche Weiterführung der Gesundheitspolitik heißt daher: richtig reformieren über eine Gesundheitsversorgung, die nicht nur heilt, sondern auch vor Krankheit schützt –eine Gesundheitsversorgung, bei der alle Gesundheitspartner im Interesse der Men­schen an einen Strang ziehen, mit einem Gesundheitssystem, das am Puls der Zeit ist.

Meine Damen und Herren! Gesundheit ist mehr als eine Beitragsdebatte. Gesundheit heißt: weil der Mensch zählt. Ich möchte Sie auch zu fortgeschrittener Stunde noch einmal auf eine Aktion hinweisen. (Die Rednerin hält kurz ein Plakat in die Höhe.) Viel­leicht können Sie auch in den nächsten Stunden den inneren Schweinehund nicht nur bezüglich des Nichtzuhörens bei Rednerdebatten, sondern auch in der Cafeteria ein wenig bekämpfen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Scharer. – Bitte.

 


18.47

Abgeordnete Erika Scharer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Wir stimmen natürlich der Regierungsvorlage bezüglich der 53. Tagung des Regionalkomi­tees zu. Österreich hat damit einen wesentlichen Beitrag für diese Tagung geleistet, und wir gratulieren Ihnen zu der gelungenen Organisation.

Wichtig ist uns aber, dass im eigenen Land eine Gesundheitspolitik betrieben wird, die für alle Menschen in unserem Land leistbar ist. In Ihrem Reformdialogprogramm, Frau Bundesministerin, steht unter „Ursachen für die Kostensteigerung im allgemeinen me­dizinischen Bereich“ als erster Punkt der demografische Faktor „alternde Gesellschaft“.

Die Bevölkerung ist gesünder, wird immer älter, gesundheitliche Beeinträchtigungen vor allem am Bewegungsapparat nehmen zu, und vor allem ältere Menschen, die auf


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Grund Ihrer Pensionsreform künftig weniger Geld zur Verfügung haben, laufen Gefahr, sich eine gute medizinische Betreuung nicht mehr leisten zu können.

Bei unserer älteren Generation – ich höre es in sehr vielen persönlichen Gesprächen – herrscht große Verunsicherung, dass sie dem Staat in der Altersversorgung, aber auch im Gesundheitswesen zu teuer sein könnte. Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es darf nicht so weit kommen, dass Menschen auf Grund ihres Alters und ihres gesellschaftlichen Status eine minderwertige medizinische Versorgung in Kauf nehmen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es muss weiterhin gewährleistet sein, dass auch zum Beispiel Achtzigjährige und Ältere bei Bedarf ein Recht auf ein neues Kniegelenk haben und nicht mit der Anmer­kung „zu alt“, und damit sei eine Operation unrentabel, abgefertigt werden.

In Ihrem Konzept fehlen konkrete Maßnahmen für ältere Menschen, um die Versor­gungslücken zum Beispiel im Bereich der Übergangspflege, bei Hospizbetten und in der Palliativmedizin zu schließen. Es darf aus Kostenersparnisgründen zu keinen Ver­sorgungsdefiziten bei unserer älteren Generation kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine wesentliche Herausforderung scheint uns aber auch der arbeitsmarktpolitische Bereich und damit die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen speziell in den länd­lichen Regionen zu sein. Wir brauchen eine umfassende Reform der Gesundheitsbe­rufe, die Schaffung eines bundeseinheitlichen Berufsbildes der AltenfachbetreuerInnen und die unentgeltliche Ausbildung für alle medizinisch-technischen Dienste. Die SPÖ-Gesundheitsinitiative hat diesbezüglich Anträge eingebracht.

Diese Herausforderungen, die Schaffung von zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkei­ten, aber vor allem auch die wichtigen Ausbildungen darf man nicht allein dem Arbeits­marktservice anlasten. Eine künftige kursmäßige Ausbildung wird nicht genügen, und vor allem fehlen auch dem AMS die entsprechenden Mittel, um diese Aus- und Weiter­bildungen anbieten zu können.

Herr Staatssekretär Dr. Waneck hat im Juni 2000 zugesagt, alle Reformen der Ge­sundheitsberufe bis zum Ende des Jahres 2000 anzupassen und abzuschließen. Passiert ist leider bis heute nichts! Auch jetzt ist es so, Frau Ministerin, dass ein Arbeitskreis nach dem anderen zu Gesundheitsthemen installiert oder in Aussicht gestellt wird, die Frage bleibt aber offen, wie es mit den Umsetzungen ausschaut.

Zum Abschluss ein zwar abgedroschener, aber doch passender Spruch: Wer nicht mehr weiter weiß, gründe einen Arbeitskreis! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.52

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte.

 


18.52

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ganz kurz zu meiner Vorrednerin: Ich spreche sehr oft mit meinen Großeltern, ich habe Gott sei Dank ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen. Sie vergleichen natürlich die jetzigen mit den früheren Zeiten und sind an und für sich mit dem Gesundheitssystem sehr zufrieden. Wahrscheinlich haben sie sich in den fünfziger Jahren und sechziger Jahren keine Gedanken über künstliche Kniegelenke gemacht. Natürlich kann sich das wahr­scheinlich nicht jeder leisten.

Die Ansprüche an das Gesundheitssystem sind größer geworden, weil das Gesund­heitssystem einfach besser geworden ist. Jetzt geht es darum, dass wir das Gesund­heitssystem mittels eines Gesundheitsreformdialogs dahin gehend verbessern, dass wir immer mehr Leuten eine große Palette an Gesundheitsleistungen, an Operationen


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und sonstigen Mitteln, die sie für ein gutes Leben im Alter brauchen, zur Verfügung stellen.

Die Gesundheitskonferenz ist zu einer Institution geworden, an der sich alle im Ge­sundheitswesen relevanten Gruppen beteiligen. Die Gesundheitskonferenz ist die Basis für den Reformdialog zur Gesundheitsreform. Ein Kernpunkt der Gesundheitsre­form ist die Qualitätssicherung, denn im Mittelpunkt des Gesundheitswesens muss natürlich der Mensch stehen. Der Patient hat in diesem Sinne oberste Priorität. Oberste Priorität hat daher auch die Qualität, insbesondere – darüber diskutieren wir heute – die Qualität der Medizinprodukte.

Das geänderte Medizinproduktegesetz trägt wesentlich dazu bei, dass die Zukunft der Gesundheitsversorgung gewährleistet wird, denn Gesundheitsversorgung bedeutet: optimale Instandhaltung und hygienische Aufbereitung von Medizinprodukten, optimale Anwendung medizinischer Produkte und optimale Anwendung medizinischer Unter­suchungs- und Therapiemethoden, das heißt, eine Nutzung eines gesamtmedizintech­nischen Netzwerkes.

Zu diesem Netzwerk gehören natürlich auch die Rechte der Patienten, und auf Initia­tive des Staatssekretärs Waneck ist es auch gelungen, mit dem Land Vorarlberg und dem Bund die Patientenrechte endlich zu besiegeln. Damit konnte auch eine Sicher­stellung der Patientenrechte gewährleistet werden. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Die Frau Ministerin hat es vor ein paar Stunden schon angesprochen: Es wäre natür­lich auch wichtig, dass Vertreter der Stadt Wien endlich einsichtig werden würden, damit wir ein bundesweites Patientencharta-Gesetz verabschieden könnten. Dann könnten wir auch damit beginnen, so wie wir es im Ausschuss diskutiert haben, even­tuelle Fehler zu beobachten, zu evaluieren, und diese Patientencharta im Sinne der Qualitätssicherung überarbeiten.

Wie wichtig und richtig unsere Gesundheitspolitik in Österreich ist, zeigt auch – auch das wurde schon angesprochen –, dass die Tagung des Regionalkomitees der WHO in Wien zu Gast war. Es war dies das erste Mal nach 30 Jahren. Turnusmäßig – darüber haben wir auch im Ausschuss gesprochen – würde Österreich nur alle 100 Jahre dran­kommen.

Kollegin Haidlmayr hat im Ausschuss darauf aufmerksam gemacht, dass zum Beispiel einige Dinge wie die Elektro-Rollstühle nicht ganz im Sinne der Patienten gelöst wor­den sind. Da wir ein gutes Klima in Österreich, aber auch im Ausschuss haben, haben wir daraufhin einen Konsens geschlossen und einen Antrag heute eingebracht, um die­ses Problem auszuräumen. Ich wünsche mir, dass auch im Sinne der Patienten, im Sinne der Gesundheit weiterhin so an der Gesundheit gearbeitet wird, wie wir das auch im Ausschuss gemacht haben. – In diesem Sinne danke ich. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.56

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.57

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich relativ kurz halten. Ich finde die Tatsache, dass die Patientencharta jetzt von Vorarlberg unterzeichnet wird, gut und sinnvoll. Die Mängel der Patientencharta sind ja bekannt.

Es ist geplant, so hat es zumindest die Frau Ministerin versprochen, dass dann, wenn alle Länder unterschrieben haben, die Forderungen, die ich das letzte Mal vorgebracht


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habe, mit aufgenommen werden. Zum Beispiel ist die Situation von blinden Menschen, aber auch die Situation von gehörlosen Menschen in der Patientencharta nicht ge­regelt. Es ist in der Patientencharta zum Beispiel auch nicht die Inanspruchnahme einer Assistenzleistung im Krankenhaus geregelt. Dafür gibt es keine Regelung. Das sind aber wesentliche Punkte.

Sie wissen, Frau Ministerin, wenn ein behinderter Mensch in ein Spital kommt, sind einmal alle überfordert. Man ist froh, wenn jemand mitkommt, der die Sache in die Hand nimmt, wenn ein Team zusammengespielt ist. Das passiert aber jetzt nicht, und das gibt es jetzt auch nicht.

Dasselbe betrifft natürlich auch Kinder. Es ist zwar sehr nett, wenn hier steht, dass es Eltern-Kind-Zimmer geben sollte, wenn aber das Zimmer nicht vorhanden ist, dann wird das Kind ohne Elternteil im Spital sein müssen. Welche psychische Belastung da­durch für die Kinder entstehen, wissen wir alle.

Diese Regelungen müssen in die Patientencharta noch mit aufgenommen werden. Das Wesentliche bei der Patientencharta ist, dass sie eine gewisse Rechtsverbindlichkeit für den Patienten haben muss, die sie jetzt nicht hat. Jetzt ist es nur eine Aufzählung von Dingen, wie es sein sollte. Aber der Einzelne hat im Grund genommen keinen An­spruch darauf, das einklagen zu können, wenn dem nicht so ist. Das muss sich schnell ändern.

Ich hoffe, dass Salzburg und Wien die Patientencharta im ersten Halbjahr 2004 unter­schreiben werden, damit man dann auf Grund der Tatsache, dass es eben neun Ver­einbarungen gibt, diese entsprechend verändern und verbessern kann. Das ist mein großer Wunsch, und ich hoffe, dass er sich sehr bald erfüllen wird.

Ich möchte aber jetzt zum Medizinproduktegesetz kommen. Ich glaube, dass mein Einwand, den ich im Ausschuss gemacht habe, ganz wichtig war, dass er im Interesse der Patienten wahrgenommen worden ist, damit niemand mehr Angst haben muss, wenn er ein elektronisches Medizinprodukt hat, dass er, wenn er in die Luft fliegt – salopp gesagt –, für dieses Gerät selbst verantwortlich ist. Nun steht in der Charta, dass die Kostenträger, egal in welcher Höhe sie sich an der Finanzierung des Pro­duktes beteiligen, sehr wohl für die Qualität und für die Instandhaltung zuständig sind.

Das ist ganz wichtig. Ich denke, gerade bei diesen medizinisch-technischen Produkten ist es wichtig, dass es so etwas wie ein Pickerl gibt, dass man ein regelmäßiges Service machen muss und dass dieses Service auch finanziert wird. Die Leute können sich das in der Regel nicht selbst finanzieren.

Ich möchte Ihnen gar nicht erzählen, was eine Stunde kostet, wenn mein E-Rolli beim Service steht. Ich kann mir das leisten, aber jemand, der 1 000, 1 500 € monatlich verdient, kann sich das nicht leisten. Oder: Wenn man ein Hörgerät zur Reparatur bringt, kommt man unter 170 € dafür gar nicht durch. Für viele Leute ist das ein Ver­mögen, daher ist es mir wichtig, dass drinsteht, dass diese Versorgung und damit auch die Finanzierung und die Qualitätssicherung sichergestellt sind. Das habe ich im Aus­schuss klarmachen können, und das ist jetzt auch im Abänderungsantrag enthalten. Deshalb werden wir sowohl der Patientencharta als auch dem Medizinproduktegesetz zustimmen, weil sie eben Verbesserungen bringen.

Frau Ministerin! Ich möchte aber trotzdem die Gelegenheit nützen und sagen, dass ich glaube, dass wir im ersten Halbjahr des nächsten Jahres – und nicht irgendwann – eine Regelung zustande bringen müssen, die es mobilitätsbeeinträchtigten Menschen ermöglicht, die freie Arztwahl auch umzusetzen. Das heißt: „Barrierefreie Arztpraxen“ darf nicht mehr nur ein Projekt sein, das irgendwann einmal kommt, sondern muss in den nächsten Jahren umgesetzt werden! Ich weiß, dass Sie in Ihrer Fraktion große


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Gegner haben – das ist ganz klar, denn viele Arztpraxen sind in Altbauten, zum Bei­spiel im dritten Stock, und die kann man nicht von heute auf morgen ändern, aber das erwartet auch niemand. Ich denke, mit einem Übergangszeitraum von zehn Jahren ist es jedoch sehr wohl möglich, tatsächlich barrierefreie Arztpraxen zu schaffen und – Frau Ministerin, da kommt gleich der nächste Punkt, der wichtig ist – in den Kranken­häusern barrierefreie Patientenzimmer, denn diese gibt es auch nicht.

Wenn heute ein Rollstuhlfahrer im Krankenhaus die Toilette oder die Dusche, die im Zimmer angeschlossen ist, benützen möchte, hat er Pech gehabt. Er muss schon froh sein, wenn er im gesamten Spital eine einzige Toilette findet, auf die er gehen kann, mit der Dusche spielt sich in der Regel ohnedies nichts ab.

Aber auch für blinde und gehörlose Menschen muss man ein Leitsystem et cetera schaffen. Es verlangt kein Mensch, dass das gesamte Spital plötzlich zu 100 Prozent barrierefrei gemacht wird, aber wesentliche Bereiche müssen barrierefrei sein. Und es muss auch sichergestellt sein, dass in jedem Krankenhaus bei Bedarf zumindest ein Gebärdensprache-Dolmetscher abrufbar ist, denn eine Verständigungsmöglichkeit für gehörlose Menschen ist in einem Krankenhaus so gut wie nie gegeben. Dass das für den Patienten ein zusätzlicher Stressfaktor ist, darüber braucht man, glaube ich, nicht zu reden, das wissen wir alle. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Frau Ministerin! Ich bitte Sie, dass wir diese Punkte im ersten Quartal 2004 in Angriff nehmen. Es ist dann zwar das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung vor­bei – viele sind froh darüber –, das heißt aber nicht, dass sich die Situation der behin­derten Menschen durch dieses Jahr verbessert hätte. Es gibt zwar kleine Ansätze, aber diese noch ungelösten Fragen müssen wir in den nächsten Jahren bewältigen. Als Erstes ist ein anständiges Behinderten-Gleichstellungsgesetz zu machen, und zwar von den behinderten Menschen und nicht von Mitarbeitern des Ministeriums!

Ich hoffe, dass Sie, Frau Ministerin, darauf einwirken können, dass die Arbeitsgruppe, die wir im Entschließungsantrag gemeinsam beschlossen haben – in einem Vier-Par­teien-Antrag! –, die es jedoch nicht mehr gibt, wieder eingesetzt wird. Wissen Sie, dass es diese Arbeitsgruppe nicht mehr gibt? Sie ist zerbröselt, da man im Ministerium gesagt hat: Nein, wir machen jetzt ein Gesetz ohne euch, und alles, was schwierig ist, streichen wir gleich heraus! – Das ist Tatsache, wirklich wahr, darüber gibt es Wort­protokolle. Man hat auch gesagt: Uns ist es Wurscht, welches Behinderten-Gleichstel­lungsgesetz wir vorlegen, irgendeines wird es schon werden! – Das ist wirklich wahr, Frau Ministerin!

Die Betroffenen sind nicht mehr in dieser Arbeitsgruppe vertreten, die Arbeitsgruppe ist aufgelöst worden, und die Arbeit wird nur noch von den Beamten im Sozialministerium gemacht. Das haben Sie wahrscheinlich noch nicht erfahren, aber so läuft das seit 24. Oktober.

Auch Sie werden ein Schreiben der österreichischen Behindertenbewegung bekom­men haben, und ich bitte Sie, Frau Ministerin, unterstützen Sie uns weiterhin, damit der Entschließungsantrag, so wie er damals beschlossen wurde, in seinem gesamten Umfang umgesetzt wird. Die Betroffenen und die Behindertenbewegung erwarten sich eine Antwort auf diesen Brief, nämlich ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz, das im Interesse der behinderten Menschen ist, und nicht irgendein Gesetz, nur damit das Ministerium willkürlich irgendetwas produziert, das wir dann vielleicht sofort wieder bekämpfen müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Riener. – Bitte.

 



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19.05

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Auch ich möchte mich heute mit dem Bericht der dreiundfünfzigsten Tagung des Regionalkomitees für Europa der WHO, das in Wien getagt hat, beschäftigen. Schwerpunkt dieser Tagung war, wie bereits Kollegin Steibl erwähnt hat, die psychische Gesundheit, aber auch die psy­chische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

In diesem Bericht wird ausgeführt, dass es zwischen den Ländern große Schwankun­gen bei den Gesundheitsausgaben gibt, und zwar zwischen 2 und 11 Prozent des BIP. Folgende weitere Unterschiede wurden aufgezeigt: In den osteuropäischen Ländern überwiegt die stationäre Behandlung. Mangelnde Pflegebedingungen sowie die man­gelnde Achtung von Menschenrechten und der persönlichen Integrität führen in einigen Einrichtungen zu einer Sterberate von bis zu 40 Prozent.

Umgekehrt werden in einigen westlichen Ländern psychisch kranke Menschen auf inakzeptable Weise vernachlässigt. Auch haben zum Teil Unterschiede in der Lebens­erwartung mit gesellschaftlich bedingtem Stress, psychischen Störungen und gesund­heitsschädlichen Lebensweisen zu tun. Depression und Suizid, Sucht, Gewalt, risiko­trächtiges Verhalten, riskante Lebensweisen und kardiovaskuläre Morbidität und Morta­lität sind kennzeichnende Faktoren dafür.

In Ländern im Westen der Region fordern psychische Störungen, Depressionen und Hilflosigkeit in Verbindung mit gesellschaftlichen Veränderungen, drohendem Arbeits­platzverlust und einer Schwächung des sozialen Zusammenhalts ihren Tribut: 41 Millio­nen Erwachsene trinken übermäßig oder sind Alkoholiker. 66 Prozent von ihnen werden nicht behandelt. Die Kosten des Alkoholismus werden in einigen Ländern der Region auf zirka 3 Prozent des BIP geschätzt.

Bei 25 Prozent aller Menschen tritt im Laufe des Lebens eine psychische Störung auf. Von 1 000 Erwachsenen leiden 58 an einer schweren Depression. In der gesamten europäischen Region entspricht das 33,4 Millionen Menschen.

Zwischen 10 und 20 Prozent aller Kinder leiden an einer oder mehreren Verhaltens­störungen. Mehr als 25 Prozent haben psychische oder verhaltensbezogene Probleme.

In vielen Ländern übersteigt die Suizidrate heute die Zahl der Verkehrstoten. Eine mittlere bis hohe Suizidrate belastet ein Land mit bis zu 1,5 Prozent seines BIP.

Deshalb freut es mich besonders, dass unsere Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat in ihren Gesundheitszielen im Bereich der Gesundheitsförderung einen großen Wert auf die psychische Gesundheit legt. Der richtige Umgang mit Stress, ob im Berufsleben, im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung berücksichtigt, oder in der Familie und Freizeit, wird in unser aller Leben einen wichtigen Stellenwert ein­nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Vor allem innere Ruhe und Balance sind Voraussetzung für ein gesundes Leben. Dass das auch ein Grundbedürfnis jedes Menschen ist, zeigt der Wellness- und Esoterik­boom.

Menschen brauchen in ihrem Leben Orientierung und Antworten. Wir von der ÖVP mit Bundeskanzler Schüssel und Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat bieten diese Orientierung und Unterstützung. Eine diesbezügliche Umsetzungsmaßnahme wird der Gesamtvertrag für Psychotherapie, als eines der Strukturziele genannt, sein. Öster­reich hat nicht nur eines der weltbesten Gesundheitssysteme, sondern bietet mit die­sem Vorhaben allen Menschen in diesem Land die Sicherheit: In Österreich ist das Leben lebenswert! (Beifall bei der ÖVP.)

 


19.10


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37. Sitzung / Seite 187

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 


19.10

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass wir heute mit dem siebenten Bundes­land eine Vereinbarung betreffend Patientencharta abschließen können – und selbst­verständlich werden wir dem gerne zustimmen, wiewohl wir es besser fänden, wenn es eine bundeseinheitliche Lösung dazu gäbe, eine Lösung, die wir ja seit geraumer Zeit anstreben, wobei dies allerdings mit den Regierungsfraktionen bis heute nicht möglich war, geht es ihnen doch möglicherweise nur um äußere Effekte, darum, Aktivitäten vorzutäuschen.

Daher werden wir heute neuerlich einen Versuch unternehmen, mit einem Entschlie­ßungsantrag eine bundeseinheitliche Lösung zu erwirken, eine Lösung, die klar, präzise und auch einklagbar ist.

Mit diesem Antrag sollen dem Patienten Rechte gegeben werden: Recht auf Aufklä­rung über den Gesundheitszustand, über Zweck und Art der Behandlung, über Risken und mögliche Behandlungsalternativen, Recht auf Einholung auch einer zweiten medizinischen Beurteilung sowie Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte. Unser Ziel ist es zudem, die Privatsphäre und die Eigenständigkeit der Patienten zu stärken.

Ich darf die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen dazu einladen, diesen Antrag einmal nicht durch die Parteibrille zu sehen. Sie werden daran ge­messen werden, ob Ihre Aussagen so zu verstehen sind, wie sie gemacht wurden und werden. Wir werden also sehen, ob Sie von ÖVP und FPÖ auch für eine Verbesserung der Gesundheit der Österreicher sind – oder ob Ihnen nur egoistische Gruppeninteres­sen und Geschäftemacherei wichtig sind.

Österreich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten unter sozialdemokratischer Füh­rung zu einem der wohlhabendsten Länder unserer Welt entwickelt, zu einem Land, in dem durch soziale Sicherheit dem Land Frieden und den Menschen Zukunft gege­ben wurden. Das österreichische Gesundheitssystem stellte dazu einen elementaren Beitrag dar.

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, gehen nun daran, dieses gute System zu schwächen beziehungsweise überhaupt zu zerstören. Ihre neuen Selbstbehalte sind nichts anderes als ein Griff nach dem Geld der Benachteiligten. Sie wissen, dass die Armen leider ein höheres Gesundheitsrisiko haben als die Reichen. War es bisher in Österreich gesamtgesellschaftlicher Konsens, dass das Gesundheits­system solidarisch über Beiträge und Steuern finanziert wird – und das war auch gut so! –, so missbrauchen Sie von den Regierungsparteien heute die Kranken und das Gesundheitssystem für Ihr böses und ideologisches Spiel zur Umverteilung von Arm zu Reich.

Für uns Sozialdemokraten heißt Gesundheitsreform nicht nur das Lösen von Finanzie­rungsproblemen, sondern auch: Anpassung des Leistungsangebotes an die jeweilige Bedarfslage, leistbare Behandlungen sowie Spitzenmedizin für alle Menschen. Wir Sozialdemokraten sind gegen eine Mehrklassen-Medizin.

Unser Antrag geht in diese Richtung – und Ihr Umgang damit, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, wird zeigen, ob Sie auch für eine Besserstellung der Patienten, für eine Stärkung und Verbesserung unseres Gesundheitssystems eintre­ten. – Ich fürchte jedoch, dass Ihre alte Politik Sie daran hindern könnte. (Beifall bei der SPÖ.)

 


19.14


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37. Sitzung / Seite 188

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hütl. – Bitte.

 


19.14

Abgeordneter Dipl.-Ing. Günther Hütl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahre 1996 ent­stand das Medizinproduktegesetz, das heute wieder geändert wird, und zwar werden jetzt Produkte in das Gesetz aufgenommen, die in unterstützender Funktion stabile Derivate aus menschlichem Blut enthalten. Ferner geht es um diverse Anpassungen bei der Instandhaltung und bei der hygienischen Aufbereitung sowie um kleinere Klar­stellungen.

Derzeit sind mehr als 400 000 Medizinprodukte auf dem Markt. Dieses Gesetz ge­währleistet einen hohen Schutz der Gesundheit von Patienten und deren Sicherheit. Änderungen gibt es bezüglich des Abschnittes Überwachung von Einrichtungen durch Organe des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen oder durch von diesem beauftragte Sachverständige – natürlich immer wieder im Hinblick auf mögliche Ge­fährdungspotentiale.

Die Überwachung von Einrichtungen des Gesundheitswesens wird ausgebaut, und zwar kann eine Überwachung unter Bedachtnahme auf das jeweilige Gefahrenpotential systematisch, stichprobenweise oder im Anlassfall erfolgen – und nicht wie bisher bei Vorliegen von gewissen Umständen, dass dem Gesetz nicht mehr entsprochen wird.

Unser heutiger Abänderungsantrag bezieht sich unter anderem darauf, dass bei Ein­richtungen, die lebensrettende oder sonst für die Gesundheit wichtige Medizinprodukte bereit halten, erforderliche Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Instandhaltung zu treffen sind. Das ist auch sehr wichtig und sinnvoll für Hochrisikogruppen von Medizin­produkten.

Ferner wird der Abschnitt über die Verschwiegenheitspflicht erweitert. Dieses Gesetz regelt den Umgang und die Handhabung von Daten insofern, als für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes benötigte Daten über Herstellung, Anwendung, Prüfung von Medizinprodukten et cetera automationsunterstützt vermittelt und verarbeitet werden können.

Wer kann nun feststellen, ob solch ein Medizinprodukt ein Höchstmaß an Sicherheit für den Menschen bietet und keine Gefährdung für Leben und Gesundheit in sich birgt? An welche Stelle kann sich ein Hersteller oder Importeur wenden, wenn dieser ein neues Gerät oder ein anderes Medizinprodukt auf den europäischen oder österreichi­schen Markt bringt? – Diese Stellen sind zum Beispiel der TÜV oder die Prüfstelle für Medizintechnik, die eng mit der Technischen Universität Graz verbunden ist. Ich selbst habe am Institut für Elektro- und Biomedizinische Technik in Graz studiert – und aus diesem Institut hat sich, und zwar noch während meiner Studienzeit, diese Prüfstelle für Medizintechnik herausentwickelt.

Der Vorteil dieses Prüfinstitutes liegt darin, dass das gesamte Know-how aus Wissen­schaft und Forschung, der Stand des Wissens der TU Graz vorhanden ist und auch die Wissenschafter und Forscher des Institutes für Biomedizinische Technik zur Verfügung stehen. Diese Prüfstelle ist eine staatlich akkreditierte Europaprüfstelle für medizi­nische Geräte, Laborgeräte, Software und so weiter. Laut dieser Gesetzespassage geht es dabei um eine benannte Stelle, eine Notified Body, die über ein vollständiges Qualitätssicherungssystem für Prüf- und Zertifizierstellen verfügt. Es geht auch darum, das CE-Zeichen zu vergeben. Das hängt dann wieder von Konformitätsklassen ab, die eben je nach Gefährdungspotential eingeteilt sind. – Das rote Licht hier beim Redner­pult blinkt schon wieder.


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37. Sitzung / Seite 189

Sehr geehrte Damen und Herren! In der Gesundheitspolitik stehen uns viele Aufgaben bevor. Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat hat ja vergangenen Montag mit der Gesundheitskonferenz einen zukunftweisenden Reformdialog eingeleitet. Unsere Auf­gabe als Politikerinnen und Politiker ist es, die besten Bedingungen und Voraussetzun­gen für die Gesundheit zu schaffen, Maßnahmen für die Qualitätssicherung zu forcie­ren sowie Gefahren und Risken zu minimieren. Und dazu wird auch das vorliegende Bundesgesetz beitragen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Silhavy zu Wort. – Bitte.

 


19.19

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Bundesministerin, auch wir Sozialdemokraten haben es begrüßt, dass die dreiundfünfzigste Tagung des Regionalkomitees für Europa der WHO in Österreich stattgefunden hat, aber dennoch verstehe ich Ihren Umgang mit diesem Hohen Haus nicht ganz.

Dieses Abkommen ist am 31. März 2003 in Kopenhagen unterzeichnet worden; in Wien am 4. Juni dieses Jahres. Es wäre doch ein ordentlicher Umgang mit dem Hohen Haus gewesen, wenn die Beschlüsse, die wir heute hier fassen – wir stimmen dem zu, auch wenn das nachträglich ist, eben weil wir das grundsätzlich begrüßen –, bereits vor dieser Tagung dem Hohen Haus bekannt gemacht worden wären und diese eben dann tatsächlich vorher hier im Hause hätten beraten werden können.

Ich würde also darum ersuchen, dass man in Zukunft Beschlüsse, die notwendig sind, nicht im Nachhinein, sondern bereits im Vorhinein hier in diesem Hause fassen kann. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Da muss der Gesundheitsausschuss tagen!)

Frau Bundesministerin! Ich kenne die Geschichte mit dem Tagen der Ausschüsse. Ich habe sieben Termine für den Sozialausschuss bekannt gegeben – es wären zwei Minister und eine Ministerin dafür zuständig –, aber es war nicht möglich, an einem die­ser sieben Termine eines der Regierungsmitglieder in den Ausschuss zu bekommen. Ich möchte Ihnen das schon sagen, denn auch daran sieht man, wie diese Bundes­regierung mit dem Hohen Haus umgeht, das möchte ich hier schon kritisch anmerken. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, Sie haben heute auch die Heilmittelkostensenkung erläutert, und ich stehe nicht an, hier zu sagen, ich gratuliere allen, die aktiv verhandelt haben, zu diesem Ergebnis. Wir haben das schon lange gefordert und sind sehr froh, dass hier ein Erfolg erzielt worden ist, weil das der richtige Weg in die richtige Richtung ist.

Aber, Frau Bundesministerin, ein Thema ist damit nicht aus dem Weg geräumt: Sie haben im Ausschuss bei der allgemeinen Aussprache angeführt, Sie könnten sich vor­stellen, dass die Tabaksteuer eklatant angehoben wird, um damit das Gesundheits­wesen mitzufinanzieren. Sie haben für mich erfreulicherweise auch gesagt, die 5,5 Pro­zent des BIP, dieser Wert, mit dem Sie die Gesundheitskosten bis 2010 deckeln wollen, wie Sie angekündigt haben, sei für Sie kein Dogma. Das sind Worte, die ich sehr begrüße, aber ich frage mich trotzdem: Wie soll künftig diese Selbstbehalt-Rege­lung ausschauen? Herr Kollege Kaipel hat dieses Thema ja schon kurz angesprochen und auf die Problematik von Selbstbehalten hingewiesen.

Die zweite Frage, die ich mir stelle: Wie soll uns ein Verwaltungskörper diese Selbstbe­halte vorschlagen, wenn nicht einmal gewährleistet ist, dass er selbst, nämlich der Hauptverband, überhaupt verfassungskonform ist, beziehungsweise er in dieser Zeit nicht verfassungskonform ist? – Das heißt, es wäre doch als erstes Problem zu lösen,


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dass man zumindest einmal den Hauptverband auf verfassungskonforme Beine stellt, damit man die Rechtssicherheit hat, dass das, was dem Hohen Haus vorgelegt wird, auch verfassungskonform ist und verfassungsmäßig hält.

Ein Punkt noch zur Ambulanzgebühr. Frau Ministerin! Wir haben kritisiert, dass die Am­bulanzgebühr erst mit 1. April 2003 aufgehoben wurde. Sie wissen, es sind nach wie vor Gebühren aus dem zweiten, dritten und vierten Quartal 2002 und aus dem ersten Quartal 2003 ausständig. Ich habe in der Regierungsvorlage, die wir heute bekommen haben, gesehen – offensichtlich haben Sie auch da, wenn auch spät, dazugelernt –, dass man anscheinend auch in diesen Fällen von einer Einhebung Abstand nehmen wird, was ich sehr begrüße. Ich hätte mir nur gewünscht für die Patientinnen und Patienten, für die Verwaltung, für uns alle miteinander, dass diese Erkenntnis bereits wesentlich früher zum Tragen gekommen wäre und nicht erst mit so langer Verzöge­rung, mit so viel Aufwand für die Verwaltung und so viel Aufregung für Patientinnen und Patienten.

Letzter Punkt, Frau Ministerin: Es ist, glaube ich, schon eine Novität, dass wir zwei Begutachtungsverfahren zu ein und derselben Gesetzesmaterie haben und wir heute hier eine Regierungsvorlage vorfinden, die sich in zwei Teile gliedert. Offensichtlich ist diese Bundesregierung auf Grund der neuen Kompetenzverteilung nicht in der Lage, uns ein einheitliches Konzept für eine einheitliche Gesetzesmaterie vorzulegen, was das Begutachtungsverfahren natürlich nicht erleichtert, wenn man verschiedene Vor­lagen zu ein und demselben Thema, zum Teil unterschiedliche Inhalte zum selben Paragraphen hat. Ich denke mir, es trägt nicht zur Transparenz der Gesetzgebung und zur Nachvollziehbarkeit auf Seiten der Bevölkerung bei, wenn Sie auf diese Art und Weise weiterarbeiten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Höllerer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.24

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Die vorliegende Novelle zum Medizinproduktegesetz wurde von meinen Vorrednern umfassend behandelt. Ich möchte hier nur anmerken, dass auch ich diesen Abänderungsantrag begrüße, der auf Grund der Anregung der Frau Abge­ordneten Haidlmayr eingebracht wurde, womit erreicht wird, dass dann, wenn Medizin­produkte von der Sozialversicherung teilfinanziert werden, auch die Instandhaltungs­kosten von dieser übernommen werden.

Zur Vereinbarung zur Sicherung der Patientenrechte, der so genannten Patienten­charta. Auch Herr Abgeordneter Grünewald hat dazu gesprochen und angemerkt, dass es selbstverständlich darum geht, das Gesundheitssystem in gleicher Qualität für alle Menschen zur Verfügung zu haben. Ich möchte vielleicht noch eine Anmerkung zur Frau Abgeordneten Scharer machen, die gesagt hat, von der Bundesregierung bezie­hungsweise von der Frau Ministerin werde bei den älteren Menschen Verunsicherung betrieben: Mit solchen Reden, wie Sie sie hier gehalten haben, werte Frau Abgeord­nete, verunsichern Sie die älteren Menschen, damit tragen Sie dazu bei, dass sie es nicht mehr als Selbstverständlichkeit ansehen, dass sie auf alle Leistungen, die das Gesundheitswesen in Österreich bietet, zugreifen können und zu diesen Zugang haben bis ins hohe Alter.

Den uneingeschränkten Zugang zu den Leistungen der modernen Medizin für alle will die Frau Bundesministerin, weshalb auch eine Gesundheitsreform stattfinden muss, damit diese Leistungen allen Österreicherinnen und Österreichern auch in Zukunft in gleicher Weise zugänglich sind. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)


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Selbstverständlich geht es da um die Finanzierbarkeit, und, wie auch von Abgeordne­tem Grünewald angemerkt wurde, Forschung, Behandlung und Pflege müssen hier eine Rolle spielen. Nicht nur Geld, sondern auch das Personal ist in diesem Zusam­menhang sehr wichtig. Was diese Patientencharta betrifft, konnte immerhin das achte Bundesland gewonnen werden, mit dem Bund diese Vereinbarung zu treffen. Das ist der richtige Weg zu einer bundeseinheitlichen Patientencharta! (Neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Silhavy.) – Das siebente, Entschuldigung, Sie haben Recht! Salzburg wäre das achte, das noch in Verhandlungen steht, aber wo auch abzusehen ist, dass es sehr bald zu einem Beschluss kommen wird. Das neunte Bundesland, Wien, ist leider noch ausständig. Wenn es auch um die Kompetenzen der Bundesländer und um die Verantwortung für ihre Patientinnen und Patienten im eigenen Bundesland geht, wenn hier ganz maßgebliche Qualitätsschritte gesetzt werden müssen, dann muss das auch in Wien passieren!

Herr Abgeordneter Grünewald hat die Länderverordnungen angesprochen und ge­meint, dass darin sehr veraltete Standards festgehalten sind. Aber nicht einmal diese Standards konnten in Lainz wirklich erfüllt werden! Darum ist es zu begrüßen, dass diese Patientencharta in dieser Weise in allen Bundesländern abgeschlossen werden kann.

Ich möchte zum Abschluss der Frau Bundesministerin gratulieren, die sich Ziele bei dieser Gesundheitsreform gesetzt hat, die sie ausformuliert hat und die sie auch durchsetzen wird. Bereits jetzt sind Ergebnisse vorhanden, insbesondere wenn ich an das bereits ausverhandelte Arzneimittelpaket denke, das die explodierenden Kosten eindämmen wird und mit dem gleichzeitig auch strukturelle Maßnahmen gesetzt werden konnten.

Gesundheit ist kein Zufallsprodukt, sondern Gesundheit ist etwas, was ganz besonders ernsthaft kranke Menschen zu schätzen wissen, die dann natürlich die Leistungen der modernen Medizin bekommen müssen und auch die nötige psychische Motivation.

Allen Menschen muss aber die Eigenverantwortung im Umgang mit der Gesundheit ins Bewusstsein gerufen werden, denn zum Gesundsein kann jeder etwas beitragen. Das ist ganz im Sinne der „iSch“-Kampagne, die Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat gestartet hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.29

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeord­neter Spindelberger zu Wort. – Bitte.

 


19.29

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die heute zu behandelnde Regierungsvorlage zum Medizin­produktegesetz beinhaltet für mich unter anderem wichtige Anliegen wie etwa auch die Anpassungen bei der Instandhaltung und bei der hygienischen Aufbereitung von Medi­zinprodukten. Es ist deswegen wichtig, weil es dem Schutz für die Patientinnen und Patienten dient und diesen Schutz gewährleistet.

Dabei wird auch die Entwicklung des Outsourcings behandelt, wo den ganzen Leistun­gen der Gesundheitseinrichtungen künftig mehr Rechnung getragen wird. Das erfordert allerdings auf Grund der dynamischen Entwicklung in diesem Bereich und auf Grund der vielen neuen Aufgabenstellungen auch eine Überwachung aller Gesundheitsein­richtungen, verbunden mit neuartiger Medizinproduktsicherheit und systematischen und stichprobenartigen externen Überwachungskonzepten und einer Routineüberwa­chung. Damit können nämlich wirklich unnötige Doppelgleisigkeiten vermieden werden,


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und deshalb werden auch wir von der SPÖ sowohl der Regierungsvorlage als auch dem Abänderungsantrag zustimmen.

Aber was mich bei der ganzen Vorbereitung ein bisserl gestört hat: So wichtig diese Regelungen sind, wundert mich schon auch die Stellungnahme der Ärztekammer in diesem Zusammenhang, die sich gegen systematische und stichprobenartige Überwa­chungen ausgesprochen hat, obwohl es zum Wohl der Patienten ist. Und ich glaube, das kann doch auch den Ärzten nicht egal sein. (Abg. Dr. Rasinger: Hat sie sich durchgesetzt?) – Nein, aber das hat mich bei dem Ganzen gestört, denn ich frage mich: Wieso hat die Ärztekammer Angst vor solchen Routineüberwachungen, wenn sie immer beteuert, ohnehin immer alle Bestimmungen einzuhalten? Vor wem und wovor hat sie Angst?

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, gehört unser österreichisches Gesund­heitssystem zu den effektivsten, wirtschaftlichsten, aber auch verteilungspolitisch fairsten der Welt. Und Sie wissen alle genauso wie ich, dass dieses gute Gesundheits­system hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung hat und dieses System sehr hoch gelobt wird; dieser Befund wurde auch von der WHO und der Europäischen Kommission bestätigt.

Daher ist es für mich unverzichtbar, und das möchte ich den verantwortlichen Regie­rungsmitgliedern und Ihnen, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, wirklich ins Stammbuch schreiben: Die gesundheitliche Versorgung ist ein öffentliches Anliegen und nicht ein privates Anliegen. Und ich unterstreiche das, was Frau Abgeordnete Rosenkranz heute Nachmittag gesagt hat, nämlich dass unabhängig vom sozialen Status jeder den gleichen Zugang zu unserem System haben muss. Dazu sage ich nur: Ihr Wort in Gottes Ohr!, denn die Realität schaut für mich anders aus. Wenn ich mir nämlich die Wortmeldungen einiger ÖVP-Vasallen wie zum Beispiel von Herrn Gleitsmann als ehemaligem Präsidenten des Hauptverbandes anhöre, wie das Ge­sundheitssystem in Zukunft ausschaut, dann wird mir angst und bang. Besagter weiß im Auftrag der Ministerin nichts Besseres zu tun, als über die Einführung von zusätz­lichen Selbstbehalten zu sagen: Es muss so sein wie bei den Pensionen. Wenn du dir zusätzlich privat etwas leistest, dann bekommst du auch dementsprechend mehr Leistungen. Hast du eine Zusatzversicherung, kannst du beruhigt krank werden – hast du keine, wissen wir nicht, wie es weitergeht!

Offensichtlich sind solchen Personen die Versicherten und deren Gesundheitszustand egal, denn sonst kann man nicht auf solch hirnrissige Ideen kommen. Wie soll sich eine Teilzeitbeschäftigte im Handel zusätzliche Selbstbehalte leisten? Sie haben ja mit Ihrer verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik sowieso schon die letzten Cents aus den Taschen dieser Versicherten gezogen!

Es kann doch keine Gesundheitspolitik sein, wenn die Kranken einseitig belastet wer­den! Und wenn in der Vorwoche – und das stimmt mich noch mehr bedenklich – der gerade vorsitzführende Präsident sagt: Wozu brauchen wir noch eine Pflichtversiche­rung in Österreich? Es soll sich jeder versichern, wo und wie er will!, und wenn dann noch der Vizekanzler sagt, das Ganze sei diskussionswürdig, dann, muss ich sagen, zeigt dieser eingeschlagene Weg wieder einmal das Chaos der letzten dreieinhalb Jahre dieser Bundesregierung auf. Da weiß die Rechte nicht, was die Linke will.

Wenn heute Mittag Herr Abgeordneter Scheuch gesagt hat: Wir arbeiten für dieses Land!, dann sage ich: Arbeit ist nicht gleich Arbeit! Da gibt es auf der einen Seite Profis und auf der anderen Seite Pfuscher. Nachdem Ihre Arbeit in der Koalition in den letzten drei Jahren nur darin bestand, Husch-Pfusch zu machen, sage ich Ihnen: Lassen Sie das Arbeiten besser!, denn es ist bis jetzt nichts zum Besseren reformiert worden, sondern alles zerschlagen worden, was wirklich gut war. Das gehört in den Bereich des


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Pfuschertums, das ist keine Politik, die sich die Menschen in unserem Land verdient haben! (Beifall bei der SPÖ.)

19.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


19.35

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Wie schon vielfach angekündigt, stimmen wir heute über eine Änderung des Medizinproduktegesetzes ab. Es geht hier vorwiegend um die Umset­zung von EU-Richtlinien und darum, neuen Innovationen und Trends in der Forschung und Entwicklung im Bereich der Medizinprodukte gerecht zu werden.

Ich möchte aber diese Gelegenheit auch nützen, die Wichtigkeit und das Positive die­ses Gesetzes zu unterstreichen. Es existieren an die 500 000 Medizinprodukte, die Bandbreite reicht von teils harmlosen Heftpflastern bis hin zu Hochrisikogeräten wie Computertomographen, und alle müssen selbstverständlich einem gewissen Standard und einer bestimmten Qualität entsprechen. Je risikoreicher das Gerät, desto strenger sind das Zulassungsverfahren und die Überprüfung.

Daher müssen wir bemüht sein, unsere Gesetze auf dem Laufenden und sozusagen auf dem Stand der Technik zu halten. Wir müssen den Patienten und Anwendern den höchstmöglichen Schutz und die größte Sicherheit bieten, meine Damen und Herren. Als Mitarbeiter des Roten Kreuzes kenne ich das Medizinproduktegesetz aus der Sicht des Anwenders. Wir haben sehr viele derartige Produkte in Verwendung, und meine Erfahrung bestätigt mir die Notwendigkeit der Schaffung von gesetzlichen Rahmen­bedingungen.

Ein derartiges Medizinprodukt im Bereich des Roten Kreuzes ist zum Beispiel der De­fibrillator. Auch er unterliegt natürlich den strengen Qualitätskriterien und Verordnun­gen des Medizinproduktegesetzes. Diese Novellierung beinhaltet unter anderem auch die Anpassungen bei der Instandhaltung und die notwendigen Voraussetzungen für die öffentliche Bereithaltung von Defibrillatoren.

Ich nehme an, alle oder zumindest jene, die noch im Plenarsaal sind, kennen das Pro­jekt des Roten Kreuzes. Zusammen mit zahlreichen Partnern wird versucht, den „Defi“ mehr und mehr im öffentlichen Bereich und in den Betrieben zu etablieren. Ich muss an dieser Stelle ein großes Lob an die Betriebe und Institutionen aussprechen, die ohne gesetzliche Verpflichtung einen „Defi“ in ihren Gebäuden installieren. Derzeit sind österreichweit zirka 1 050 Geräte bestellt und bereits 800 aufgestellt worden. Auch wir im Parlament haben seit Juli 2001 einen bei der Feuerwache platziert, das ist sehr positiv zu erwähnen.

Allein in Oberösterreich konnten seit Anfang des Jahres 230 Geräte in Unternehmen wie IKEA, BP, VA-Tech, um nur einige wenige zu nennen, aufgestellt werden. Neben öffentlichen Plätzen wie Gemeindeämtern, Bezirkshauptmannschaften, Banken, Schu­len, Hallenbädern wurden besonders auch die Altenheime und sogar Justizanstalten in das Projekt mit eingebunden. Wichtig ist dabei vor allem die entsprechende Schulung von Bediensteten und Bürgern, die zum Großteil vom Roten Kreuz durchgeführt wird. Österreich nimmt hier eine beachtliche weltweite Vorreiterrolle ein, meine sehr geehr­ten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Noch bedeutender sind aber die Erfolgszahlen dieses Projekts, dieses so genannten Laien-„Defis“. Da sind all jene nicht mit eingerechnet, die sich bei den Rettungsdiens­ten befinden. Dieser so genannte Laien-„Defi“ war österreichweit schon 28 Mal im Ein­satz, und von den 13 Mal, wo das Gerät wirklich aktiv wurde, überlebten zehn Men-


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schen. Die Überlebenschance bei einem derartigen Kreislaufstillstand lag bisher bei zirka 10 Prozent. Wenn man von jährlich zirka 10 000 solcher Fälle in Österreich aus­geht, ist dies eine sehr überzeugende Zahl. In Oberösterreich hatten wir kürzlich den erfreulichen Fall, dass ein durch den „Defi“ wieder belebter Patient bereits nach zwei Tagen das Krankenhaus wieder verlassen konnte. Diese Zahlen, meine Damen und Herren, sprechen für sich und untermauern die Wichtigkeit dieses Projektes und die Unterstützung seitens des Gesetzgebers. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Abschließend hätte ich noch einen Wunsch als Vertreter des Roten Kreuzes: Vielleicht können wir in puncto Defibrillator auch einmal eine Regelung andiskutieren: Warum soll ein „Defi“ ab einer gewissen Betriebsgröße oder für öffentliche Gebäude nicht ver­pflichtend eingeführt werden, wie dies bei bestimmten Betrieben der Fall ist, wo gesetz­lich ein oder mehrere ausgebildete Ersthelfer vorgeschrieben sind? Ich bitte, dies zu überdenken, und für diese Novelle um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

 


19.40

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie schon gesagt worden ist, werden wir den Vorlagen, unter anderem auch der Patientencharta, zustimmen. Das sind Schritte in die richtige Richtung.

Ich muss aber gleich zu Beginn meiner Ausführungen darauf hinweisen, dass diese Bundesregierung auch sehr viele Schritte in die falsche Richtung gesetzt hat. Das aufzuzeigen ist mir ein besonderes Anliegen, und daher möchte ich zwei Beispiele bringen: zum einen die Einführung von neuen Selbstbehalten und zum anderen die Pri­vatisierung im Gesundheitsbereich. Diesbezüglich wurden wir auch insbesondere von der WHO kritisiert.

Die WHO bestätigte die negativen Auswirkungen auf das Gesundheitssystem im Zu­sammenhang mit Privatisierung und der Einführung von Selbstbehalten. Das ist auch vollkommen klar, weil dadurch ganz einfach jene Personen, die krank sind, zur Kasse gebeten werden, und weil Selbstbehalte insgesamt die Gesundheitssituation in einem Land verschlechtern. Das ist, so meine ich, gerade in Österreich, das doch noch immer ein sehr reiches Land ist, wirklich nicht angebracht.

Tatsache ist auch, dass weder die Privatisierung noch die Einführung von Selbstbehal­ten eine Effizienzsteigerung im Gesundheitssystem bringen werden beziehungsweise gebracht haben. Einzig und allein herausstellen wird sich, dass die Leute weniger zum Arzt gehen werden. Auch das ist, so meine ich, etwas, das wir nicht wollen.

Wichtig in diesem Zusammenhang scheint es mir auch zu sein, darauf hinzuweisen, dass die Chancen, gesund zu bleiben, in Österreich auch an die soziale Stellung und daran, wie hoch das Einkommen ist, geknüpft sind. Daher ist es mir sehr wichtig, dar­auf hinzuweisen, dass die Gesundheitsvorsorge und die Belange um die gesundheit­liche Situation in Österreich Aufgabe der öffentlichen Hand und nicht Privatsache der einzelnen Bürgerin oder des einzelnen Bürgers sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Unserer Überzeugung nach ist es ganz einfach wichtig und notwendig, dass alle Men­schen denselben fairen Zugang einerseits zu einer Basisversorgung, aber andererseits natürlich auch bis hin zur Spitzenmedizin haben müssen. Es kann nicht so sein, dass die finanziellen Möglichkeiten darüber entscheiden, welche gesundheitlichen Vorsor-


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gen und welche ärztlichen Besuche man sich leisten beziehungsweise nicht leisten kann.

Ebenfalls ein wichtiges und brennendes Problem stellt sich für mich im Zusammen­hang mit Kindern und Jugendlichen. Experten sagen, dass 80 Prozent der Arzneimittel, die in diesem Bereich angewandt werden, nicht in der Kinderheilkunde einzusetzen sind, weil sie vorwiegend bei Erwachsenen ausgetestet worden sind. Meiner Meinung nach müssen auch Kinder und Jugendliche die gleichen Chancen und Möglichkeiten im Zusammenhang mit gesicherter und adäquater Arzneimitteltherapie haben.

Ein weiterer Punkt, ebenfalls notwendig und entscheidend: Für jene Menschen, die in der Gesundheitspflege tätig sind, muss mehr gemacht werden. Ich weise darauf hin, dass es notwendig ist, dass Heimhelferinnen eine umfassende Ausbildung bekommen, dass sie aber auch arbeitsrechtlich und sozialrechtlich ganz einfach besser abgesichert sind. Und ganz wichtig, weil hier doch vorwiegend Frauen tätig sind, ist der Umstand, dass es im Zusammenhang mit dem Pflegeberuf endlich zu einem bundesweit einheit­lichen Ausbildungsbild kommen muss und dass die Pflegeberufe auch in den Bundes­ländern anerkannt werden.

Ich denke, im Gesundheitsbereich ist noch sehr viel zu tun, und ich hoffe, dass wir auch in den nächsten Sitzungen des Gesundheitsausschusses gute gemeinsame Be­schlüsse fassen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.43

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Winkler. – Bitte.

 


19.44

Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Vereinbarung zur Sicherstellung der Patien­tenrechte, nämlich die Patientencharta, die zwischen dem Bund und dem Land Vorarl­berg gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz vereinbart und heute vom Natio­nalrat beschlossen wird, stellt einen weiteren wichtigen Schritt zur Verbesserung der Patientenrechte dar und ist somit wieder ein wesentlicher Baustein für ein noch besse­res österreichisches Gesundheitssystem.

Nachdem das Bundesland Kärnten – und das darf ich durchaus auch mit etwas Stolz vermelden – 1999 als erstes Bundesland diese Patientencharta abgeschlossen hat, folgten in den vergangenen Jahren bilaterale Abschlüsse mit den Bundesländern Bur­genland, Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark.

Geschätzte Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass über den Inhalt dieser Patientencharta alle Bescheid wissen, auf Grund der Wichtigkeit erlaube ich mir aber dennoch, auf einige Punkte hinzuweisen und inhaltlich in Erinnerung zu rufen.

Als besonders wichtig erachte ich es, dass im Mittelpunkt dieser Charta der Mensch als Patient steht; die Charta definiert nämlich ganz klar die Persönlichkeitsrechte des Patienten. Ich betone dies deshalb, weil es in der Diskussion um unser Gesundheits­system bisher oft nur um die Frage gegangen ist: Wie viel kann eingespart werden?, also nur über Geld und Ökonomie diskutiert wurde, dabei aber sehr oft viel zu wenig auf den Patienten selbst geachtet wurde.

Die Patientencharta legt in mehreren Punkten unter anderem klar fest, dass der Patient die bestmögliche Behandlung erhält, dass seine Privatsphäre gewahrt wird und dass er ein Recht auf Selbstbestimmung und Information hat.

Die Patientencharta verweist auch darauf, dass Behandlung, Diagnostik und Pflege nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaften zu erfolgen haben und der Gesichts-


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punkt der bestmöglichen Schmerztherapie – das ist ja heute schon einmal erwähnt worden – besonders zu beachten ist.

Von großer Bedeutung ist auch Abschnitt 3 der Charta, der ausführt, dass Patienten ein Recht auf Achtung der Würde und Integrität haben. Dieses Recht auf Würde und Integrität umfasst die Tatsachen, dass Daten von Patienten der Geheimhaltung unter­liegen, dass Patienten Besuche empfangen oder auch ablehnen können, dass ihnen religiöse Betreuung zukommt beziehungsweise dass sie Vertrauenspersonen zu Hilfe ziehen können.

Besonders wichtig ist auch die Tatsache, dass durch diese Charta der Patient umfas­send über Diagnose und Behandlungsarten aufgeklärt werden muss. Dies hat so zu erfolgen, dass das Wohl der Patienten nicht gefährdet ist. Die Aufklärung soll schonend erfolgen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ebenso dürfen Patienten nur mit ihrer Zustimmung behandelt werden.

Weiters wird ausdrücklich festgehalten, dass niemand ohne seine ausdrückliche Zu­stimmung zu Forschungs- und Unterrichtszwecken herangezogen werden darf. Das heißt, mit Patienten dürfen ohne Zustimmung keine Experimente gemacht werden.

Abschließend darf ich noch kurz auf Artikel 24 der Charta hinweisen, der eine beson­dere Bestimmung für Kinder enthält. Konkret führt dieser Artikel aus, dass bei Gefahr in Verzug lebensnotwendige Behandlungen von Kindern auch gegen den erklärten Willen des Erziehungsberechtigten durchgeführt werden beziehungsweise ansonsten die Ge­nehmigung des Gerichtes einzuholen ist.

Nicht unerwähnt lassen darf ich, dass der Geist der Charta auch bewusst gelebt wer­den muss. So gesehen ist das Eintreten für Patienteninteressen durch Patientenvertre­tungen auch ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil. Ich bin froh darüber, dass es diese Einrichtungen bereits in allen Bundesländern gibt. Die jährlich ansteigende Zahl von Anliegen beziehungsweise Prüfungen von Beschwerden zeigt, dass diese Einrich­tungen auch angenommen werden.

Ich hätte natürlich noch einiges dazu auszuführen, möchte aber in aller Kürze nur noch erwähnen, dass es von besonderer Bedeutung ist, das Gesundheitssystem auch ent­sprechend weiterzuentwickeln, wofür sich die Frau Bundesministerin in besonderer Weise engagiert und eintritt. Dafür herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Ich darf abschließend ein Sprichwort von Arthur Schopenhauer ansprechen, wenn­gleich es am Beginn nicht ganz das trifft, was meinem Selbstverständnis entspricht:

„Gesundheit ist nicht alles, aber alles ist ohne Gesundheit nichts!“ (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier. – Bitte.

 


19.49

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Der Redner platziert eine Packung „CM3 Alginat“ sowie eine Packung „Strobby“ auf dem Rednerpult.) Ich möchte mich als Konsumentenschützer mit dem Medizinproduktegesetz, mit Richtlinienumset­zungen einerseits, andererseits auch mit den Problemen, die es sowohl für Konsumen­ten als auch für Patienten gibt, auseinander setzen.


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Mit dieser Gesetzesänderung wird klargestellt, dass Derivate aus menschlichem Blut Medizinprodukte sind. Ich möchte jetzt aber keine Abgrenzungsdiskussion beginnen: Sind Medizinprodukte mit menschlichem Blut Medizinprodukte oder Arzneimittel?

Frau Bundesministerin, wir wissen, dass in Europa eine derartige Regelung notwendig ist. Ich darf Sie daran erinnern, dass in Italien, und zwar in Trient, ein Strafverfahren gegen österreichische Hersteller von Blutplasma läuft, die diese europäischen Bestim­mungen nicht eingehalten haben und wo es in weiterer Folge zu schwersten Gesund­heitsschädigungen von italienischen Patienten gekommen ist. – Daher begrüßen wir Sozialdemokraten diese Regelung.

Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu wahrnehmen, Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, mich namens meiner Fraktion bei den engagierten Beamtinnen und Be­amten Ihres Ressorts zu bedanken, die ja das Medizinproduktegesetz zu vollziehen haben.

Aus einer Anfragebeantwortung, die vor kurzem auch wieder im Gesundheitsaus­schuss bestätigt wurde, ergibt sich, dass die Zahl der Beamtinnen und Beamten, die dieses schwierige Gesetz zu vollziehen haben, nur in etwa ein Drittel des Personal­standes ausmacht, wie das etwa bei einem vergleichbaren anderen europäischen Staat der Fall ist. Ich schätze diese Beamtinnen und Beamten, und ich ersuche Sie, Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, diesen unseren Dank für ihre engagierte Arbeit zum Ausdruck zu bringen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in der vergangenen Sitzung des Gesundheitsausschusses auch darüber diskutiert, dass im Zuge dieser Gesetzes­novelle vier Verordnungen erlassen werden. Frau Bundesministerin, Sie haben unserer Fraktion zugesagt, dass uns diese Verordnungen zugestellt werden. Wir haben gehofft, dass wir bereits heute bei dieser Debatte über diese Verordnungs-Entwürfe verfügen. Bedauerlicherweise haben Sie uns diese jedoch nicht zur Verfügung gestellt. Ich ersuche Sie daher, Frau Bundesminister, uns diese nachträglich zu übermitteln.

Das Hauptproblem, werte Kolleginnen und Kollegen, liegt allerdings darin, dass wir hier in Österreich Medizinprodukte auf dem Markt haben, die nicht kontrolliert werden. Not­wendig ist auch eine neue europäische Regelung, gibt es doch ein Nahrungsergän­zungsmittel (der Redner hält die Packung „Strobby“ in die Höhe), das als Medizinpro­dukt zertifiziert wurde und so verkauft wird: arzneimittelrechtliche Bestimmungen gelten nicht, lebensmittelrechtliche Bestimmungen gelten nicht. Und es gibt ein weiteres Pro­dukt (der Redner hält nun die Packung „CM3 Alginat“ in die Höhe), ebenfalls als Medi­zinprodukt zertifiziert, von niemandem kontrolliert; ein ähnliches Produkt führte bereits zu mehreren Todesfällen.

Frau Bundesministerin! Unsere Fraktion unterstützt Ihre Beamtinnen und Beamten in Brüssel, die darauf drängen, dass es diesbezüglich zu einer Regelung kommt. „Strobby“ beispielsweise ist in England ein Arzneimittel, in Niedersachsen ein Medi­zinprodukt – und in Österreich weiß niemand, welche Auswirkungen solche Produkte tatsächlich haben.

Daher: Wir brauchen eine neue Regelung, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. (Beifall bei der SPÖ.)

19.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

19.53

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja sehr erfreulich, dass Bund und


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Land – diesmal ist es Vorarlberg – über Kompetenzhürden hinweg eine Willenserklä­rung abgeben, in der sie sich zur Sicherung der PatientInnenrechte bekennen. – Ja, Herr Kollege Scheuch, wenn ich PatientInnen sage, sind natürlich die Patienten mitge­meint.

Das Recht auf eine bestmögliche Gesundheitsversorgung des Einzelnen korrespon­diert mit der Pflicht der staatlichen Gemeinschaft, eine solche auch zur Verfügung zu stellen, und zwar für alle – und nicht nur für jene, die es sich leisten können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Kranke Menschen mit generellen Selbstbehalten, Gebühren und so weiter zu belasten, verletzt diese Pflicht – und ist daher kategorisch abzulehnen! Das heißt, mit jeder Maßnahme in diese Richtung entfernt sich diese schwarz-blaue Bundesregierung von der Willenserklärung, die sie hier und heute abgibt. Ein Trost ist allerdings, dass dank einer funktionierenden Rechtssprechung ein Großteil dieser Maßnahmen – wie man ja beispielsweise anhand der Unfallrentenbesteuerung oder auch der Ambulanzgebühren gesehen hat – nicht von langer Dauer ist.

Das beweist aber auch, sehr geehrte Frau Ministerin, eine andere Tatsache: dass diese Bundesregierung offensichtlich schneller handelt, als sie zu denken in der Lage ist. Und das ist besonders bedenklich, vor allem, wenn es sich um das höchste und sensibelste Gut, das wir haben, handelt, nämlich um die Gesundheit. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Eine optimale Gesundheitsversorgung ist ein öffentliches Anliegen – und keine Privat­sache, wie sich das offensichtlich manche von Ihnen vorstellen. In einem funktionieren­den Gesundheitssystem muss der faire und gleiche Zugang zu Präventionsmaßnah­men, zur Basisversorgung und zur Spitzenmedizin, und zwar unabhängig von Einkom­men und Alter, gewahrt bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Punkt ist mir in der Patientencharta noch aufgefallen, der es auch verdient, näher erörtert zu werden, nämlich die Frage der Haftung für Behandlungsschäden. Das sind mitunter die kompliziertesten Fälle, mit denen man in der Praxis konfrontiert ist, weil es auf Grund der Komplexität physischer Vorgänge oft geradezu unmöglich ist, den Beweis zu erbringen, dass ein Verhalten ursächlich für einen Gesundheitsschaden war. Der Kausalitätsbeweis ist gerade bei Medizin-Haftungsfällen überhaupt der am schwersten zu führende Beweis und kann meist nur, wenn überhaupt, mit einem Riesen-Aufgebot an medizinischen Sachverstän­digen gelöst werden. Und dann schließt sich erst der Verschuldensbeweis an, der auch nicht viel einfacher zu führen ist.

Umso wichtiger ist es daher, dass es außergerichtliche Möglichkeiten gibt, dass ge­schädigte Patientinnen und Patienten rasch und unbürokratisch Schadenersatz bekom­men. Zwar sind in den vergangenen Jahren bei Ärztekammern und PatientInnenan­waltschaften Schlichtungsstellen eingerichtet worden, allerdings bewegen sich diese weitgehend im rechtsfreien Raum, weil es nur sehr vage verfahrensrechtliche Vor­schriften gibt. Die Gefahr, dass sich Geschädigte unter den tatsächlich zustehenden Entschädigungssummen abspeisen lassen, weil sie die Kosten und Risken eines Rechtsweges fürchten, ist sicherlich gegeben.

Um bei den bereits angesprochenen Schwierigkeiten im Falle von Behandlungsschä­den zu seinem Recht zu kommen, sollten wir uns auch in Österreich verstärkt Gedan­ken über eine umfassende Neuregelung der Medizinhaftung machen. Geschädigten und potenziell Haftpflichtigen wäre sicherlich mit einer stärkeren Betonung des Ver­sicherungsprinzips am meisten gedient, wie es ja auch Teil der SPÖ-Gesundheitsinitia­tive ist, die Kollege Lackner unlängst vorgestellt hat. Das würde auch die Patienten-


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charta von Bundesseite her mit Leben erfüllen, denn: Wer Recht hat, soll auch schnell zu seinem Recht kommen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

 


19.58

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Bei dieser Debatte heute war sehr viel die Rede vom Arzneimittelpaket, von Kostendämpfungsmaßnahmen, von Generika, und Frau Ministerin Rauch-Kallat hat heute bei ihrer Pressekonferenz gemeint: „Alle haben kurz aufgejault, gequietscht – und mit den Zähnen geknirscht.“ – Alle, frage ich, meine Damen und Herren – oder haben auch Einzelne gelächelt und sich die Hände gerieben? (Abg. Dr. Partik-Pablé: „Gejault“ ist ein Ausdruck, den wir hier nicht verwenden!)

Wie schaut das genau aus? – Im Laufe der Verhandlungen, heißt es dazu im „Stan­dard“, verzichteten die Apotheker auf 33 Millionen, der Großhandel auf etwa 20 Millio­nen, und die Industrie gewährt von ihren stetigen Zuwächsen 40 Millionen Rabatt. – Die Industrie gewährt von den Zuwächsen Rabatt, und bei „Rabatt“ und so weiter kommt man ja auf bestimmte Gedanken. Und folgerichtig schreibt hiezu ein Leserbrief-Schreiber im „Standard“, dass man annehmen könne, dass diese Maßnahmen beson­ders der Firma von Bartenstein nützen werden. (Abg. Dr. Trinkl: Schämen Sie sich!)

Kollege Trinkl, diese Befürchtung ist legitim, war doch im Jahre 1995 Dr. Bartenstein Alleineigentümer der Bartenstein-Gesellschaft; diese hat ja Anteile an den Lannacher Heilmitteln sowie an Genericon – natürlich heute nicht, das hat alles ein Treuhänder, eine gewisse Frau Dr. Ilse Bartenstein. Da werden Geschäfte gemacht mit Universi­tätskliniken, mit dem Heeres-Materialamt. Die Zuwächse dieser Firma sind ja geradezu atemberaubend, Herr Kollege Trinkl! Genericon beispielsweise hat einen Zuwachs um 35,8 Prozent, und zwar allein von 2002 auf das erste Quartal 2003.

Meine Damen und Herren! Es muss sehr wohl legitim sein, sich die Frage zu stellen: Wie entwickelt sich das Privatvermögen eines österreichischen Wirtschaftsministers durch Reformen im Medikamentenbereich? (Abg. Großruck: Schämen Sie sich!) Gibt es vielleicht, Kollege Großruck – das sollte Sie als Ober-Controller der ÖVP interessie­ren –, problematische Schnittstellen, wenn beispielsweise die Lannacher Werke oder Genericon öffentliche Aufträge erhalten? (Abg. Großruck: Schämen Sie sich! – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es wäre auch noch interessant, zu wissen, ob es internationale Beispiele gibt, ob es irgendwo international einen Wirtschaftsminister gibt, der durch Maßnahmen der eigenen Regierung Hunderte Millionen Euro verdient und davon profitiert.

Meine Damen und Herren! Ich halte diese Fragen für legitim und werde sie auch in par­lamentarischen Anfragen stellen, denn die Regierung belastet die sozial Schwachen (Abg. Großruck: Gehen Sie nach Russland zurück!), belastet die Schwachen im Sozial- und Gesundheitsbereich, währenddessen das Privatvermögen eines Ministers ins Unermessliche steigt.

Und ich kann Ihnen versichern, dass Hunderttausende Arbeitslose sehr daran interes­siert sein werden, wie es dem Herrn Minister für Arbeit selbst und seinem Vermögen geht. Und diesem Interesse werden wir mit parlamentarischen Anfragen entspre­chen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Es lebe die Sowjet­union! – Abg. Öllinger: Die Sowjetunion gibt es auch nicht mehr!)

 


20.01


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
37. Sitzung / Seite 200

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich bitte, Platz zu nehmen, denn wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Rasinger, Rosenkranz, Haidlmayr, Lackner, Kolle­ginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 24 des Gesetzent­wurfes eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf in 236 der Beilagen samt Titel und Eingang in der Fassung des Abänderungsantrages der Ab­geordneten Dr. Rasinger, Rosenkranz, Haidlmayr, Lackner, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, ersuche ich um ein diesbezügliches Zei­chen. – Das ist angenommen, und zwar einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, dem Abschluss der Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patienten­charta) gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz in 201 der Beilagen die Geneh­migung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschus­ses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Weltgesundheitsorganisation über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der dreiund­fünfzigsten Tagung des Regionalkomitees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien, in 132 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungs­vorlage (217 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhoch­schul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz) geändert wird (263 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungs­vorlage (197 d.B.): Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation (264 d.B.)

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
37. Sitzung / Seite 201

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Debattenredner hat sich Herr Abgeordneter Broukal zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.04

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Geschichte der Fachhochschulen ist eine Erfolgsgeschichte – mit kleinen Einschränkungen, aber doch. In letzter Zeit aber wird auch bei ihnen ge­spart. Wir werden daher trotz mancher von uns anerkannter Verbesserungen die von der Regierung vorgeschlagene Änderung des Fachhochschul-Studiengesetzes ableh­nen. (Abg. Dr. Brinek: Schade!)

Ich darf Ihnen unsere Gründe kurz aufzählen.

Erstens: Wir glauben, dass der Bedarf weit größer ist als die sehr mäßige Erhöhung der Zahl der Studienplätze, die Sie in den nächsten Jahren zulassen. Wir verlangen einen Ausbau um 10 000 neue Studienplätze bis zum Jahr 2008. Wir sind uns einig, Österreich braucht mehr Akademikerinnen und Akademiker. Und die Fachhochschulen können und sollen dazu mehr beitragen als nach Ihren Plänen.

Zweiter Grund für unsere Ablehnung: Es macht Sinn, mehr Frauen und Männer an die Fachhochschulen zu holen, als die Wirtschaft jetzt und heute braucht. Wer gute akademische Bildung hat, findet neue Beschäftigung auch in anderen Berufsfeldern. Es gibt hier interessante Beispiele, etwa von AbsolventInnen von Tourismusstudien, die mit ihren an der Fachhochschule erworbenen Kenntnissen der Betriebswirt­schaftslehre in anderen Berufen außerhalb des Tourismus – akademisch – Fuß fassen konnten.

Dritter Grund für unsere Ablehnung: Es macht unserer Ansicht nach keinen Sinn, bei den Fachhochschulen auch in Zukunft nur eine regionale Bedarfsdeckung zuzulassen. Es macht Sinn, etwa an einer guten Fachhochschule in Niederösterreich auch eine Ausbildung anzubieten, die in Wien oder Oberösterreich oder in der Steiermark nach­gefragt wird.

Wir sehen viertens zu wenig Förderung des Zugangs ohne Matura. Nach Gründung der ersten Fachhochschulen gab es ja durchwegs ermutigende Zahlen, 11 Prozent der ersten Fachhochschul-Studentinnen und -Studenten kamen mit dem Lehrabschuss oder der Meisterprüfung an die Fachhochschule. Seither geht dieser Prozentsatz aber kontinuierlich zurück, wir sind jetzt bei 7 Prozent, also ein Rückgang um von oben gerechnet 40 Prozent. Wir vermissen Maßnahmen der Gegensteuerung.

Fünftens: Die Fachhochschulen haben jetzt etwa 10 Prozent der Studierenden der Uni­versitäten. Es wäre Zeit, ein Konzept vorzulegen, das die Unis, die Fachhochschulen, die Akademien an jenen Platz im Bildungssystem stellt, wo sie ihrer Aufgabe am besten gerecht werden können. Und es wäre Zeit, der unnützen Konkurrenz zwischen den Fachhochschulen und den Unis ein Ende zu machen.

Sechstens – und das ist unser Ceterum censeo –: Sie schreiben jetzt erstmals auch an den Fachhochschulen Studiengebühren fest. Da sind wir dagegen!

Wir finden, Sie haben sich in Ihrem Rahmen ein wenig bewegt. Wir verlangen mehr Bewegung. Wir stimmen dem Wenigen nicht zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

 


20.07


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
37. Sitzung / Seite 202

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abge­ordnete Dr. Brinek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.07

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich kann die Ausführungen des Kollegen Broukal ergänzen. Seine These, dass es einen weit größeren Bedarf an Fachhochschulen gibt, stimmt nur bedingt. An manchen Fachhochschulen sind gar nicht alle Studienplätze besetzt, weil die Nach­frage unter dem Angebot liegt.

Zweitens: Atypische Zugänge sind weiterhin gefördert und gefragt und von der Regie­rung unterstützt. Bedenken Sie bitte, dass die Berufsreifeprüfung dazu führt, dass junge Männer und Frauen dieses atypischen Zugangs auch andere höhere Bildungs­gänge besuchen.

Ich möchte Ihnen eine sehr erfreuliche Statistik zur Kenntnis bringen, die ich heute von ÖSTAT veröffentlicht gefunden habe und laut welcher die Zahl der Akademiker in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen ist. Jüngere Frauen haben bereits eine bessere Ausbildung als gleich alte Männer. Unter Einbeziehung der hochschulver­wandten Lehranstalten beträgt diese Steigerung sogar 54 Prozent, mehr als 71. Und die Akademikerquote allgemein – vom Berufseinsteiger bis zum Ende der Berufstätig­keit – liegt zurzeit bei 8 Prozent; bei den 30- bis 34-Jährigen liegt sie bei 11,6 Prozent, bei den Frauen allein bei 12,5 Prozent. Alles in allem sind das also erfreuliche Entwick­lungen, die wir mit der heutigen Novelle weiter befördern wollen.

Mit dieser Gesetzesnovelle sollen heute akademische Grade für Fächergruppen fest­gelegt werden. Weiters wird damit die Grundlage für Ergänzungsprüfungen geschaffen, damit Reifeprüfungszeugnisse gleichwertig gestellt werden können. Ebenso soll die Basis zur Durchführung von Doppeldiplomprogrammen geschaffen werden, es soll eine gesetzliche Ermächtigung zur Einhebung von Studienbeiträgen in begrenzter Höhe – eine gesetzliche Ermächtigung und keine verpflichtende Einführung – sowie die Grundlage für die entsprechende Bezeichnung für das Fachhochschulpersonal, auch in Einklang mit der Entwicklung an den Universitäten, geschaffen werden. Zudem soll damit die Einführung eines Qualitätsmanagements sowie die Schaffung einer Kompe­tenz des Fachhochschulrates für Empfehlungen bezüglich Standorte und Studien­gänge ermöglicht werden.

Eine noch weiter darüber hinaus gehende Verbesserung soll mit einem Abänderungs­antrag erreicht werden. Es ist schade, dass die ursprünglich positive Stimmung dazu aus dem Ausschuss nicht auch ins Plenum übertragen werden konnte. Ich werde diesen Abänderungsantrag in den Kernpunkten erläutern.

Es ist ein Antrag Dr. Bleckmann, Dr. Brinek zum Bericht des Ausschusses für Wissen­schaft und Forschung über die Regierungsvorlage 217 der Beilagen. Ich ersuche wegen des Umfanges dieses Antrages den Präsidenten gemäß § 53 der Geschäftsord­nung um Verteilung an die Abgeordneten. Soviel ich weiß, ist das bereits geschehen.

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, den Abänderungsantrag in jener Fassung, die ich nun mit redaktionellen Korrekturen vorstelle, zu berücksichtigen. Gemäß dieser redaktionellen Korrektur muss es unter Punkt 2 heißen: „Nach Z 9 des Berichts wird folgende Z 9a eingefügt:“ statt „Nach Z 10 des Berichts wird folgende Z 10a eingefügt:“ Weiters dann: „9a“ statt „10a“ – Das war ein redaktionelles Versehen. Wir sind um eine Nummer zu weit gesprungen, es geht um die Nummerierung.

Ich sage Ihnen gerne, was wir im Kern mit dieser Abänderung erreichen wollen: Auch Fachhochschulen sollen in Zukunft die Möglichkeit haben, ähnlich wie die Universitäten Lehrgänge zur Weiterbildung anzubieten. Die Fachhochschulen sind auf Grund ihrer


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
37. Sitzung / Seite 203

berufsfeldbezogenen Ausbildung zu regelmäßiger beruflicher Weiterbildung geradezu prädestiniert. Deshalb tut es mir doppelt Leid, wenn die Opposition sagt, sie könne diesem Abänderungsantrag nicht zustimmen. Vielleicht lassen Sie sich noch dazu be­wegen – ich blicke vor allem in Richtung des Kollegen Grünewald –, dieser Weiterbil­dungsermächtigung gewissermaßen zuzustimmen.

Die vorgeschlagene Regelung bietet auch den notwendigen Qualitätsschutz – wenn Sie so wollen. Es gibt die Möglichkeit, dass der Fachhochschulrat bei nicht ausreichen­dem Qualitätsnachweis innerhalb von drei Monaten eine Untersagung ausspricht. Wir meinen, dass vor allem in Bereichen von Lehrgängen, wo akademische Grade und Be­zeichnungen verliehen werden, der Standard mit jenem anderer Anbieter vergleichbar sein muss.

Wir wissen aus dem Ausschuss, dass die Frage der akademischen Weiterbildung, sicher auch noch was Akkreditierung und Qualitätssicherung anlangt, weiter verfolgt und evaluiert werden muss. Ich hoffe, dass wir zu einem guten, breiten Weiterbildungs­angebot im postsekundären und tertiären Bereich kommen werden. Dass wir mit dieser Novelle dabei einen Schritt weiter gekommen sind, dürfte evident sein.

Auch ich bin der Meinung, dass wir in Bezug auf Fachhochschulen von einem sehr erfreulichen Modell, von einem Erfolgsmodell reden können, dass wir diese Erfolgsge­schichte mit der Änderung in Richtung Weiterbildung und Steigerung der Akademiker­quote und Steigerung der Weiterbildungsbereitschaft fortsetzen und damit hochwertige, junge Bildungsangebote, wie es die Fachhochschulen, die Privatuniversitäten – die Donauuniversitäten – sind, zusammen mit den klassischen, etablierten Universitäts­angeboten und den hochschulähnlichen Einrichtungen vorwärts bringen und zu einem selbstverständlichen Bildungsangebot im postsekundären und tertiären Bereich ma­chen, damit die Lissabon-Ziele erreichen und somit auf jenen Stockerlplatz kommen, den wir anstreben.

In der Gegend von Bronze sind wir schon. Gold ist unser Ziel. Mit der heutigen Ent­scheidung kommen wir diesem Ziel einen Schritt näher. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.12

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Dr. Brinek, Mag. Dr. Bleck­mann, Kolleginnen und Kollegen schriftlich überreicht wurde und auch genügend unter­stützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Er wird auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Brinek, Mag. Dr. Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen zum Be­richt des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage 217 d.B.: Änderung des Fachhochschul-Studiengesetzes (263 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. In Z 5 des Berichts (§ 4 Abs. 3a) wird das Wort „Fachhochschulkollegiums“ durch die Wortfolge „Lehr- und Forschungspersonals“ ersetzt.


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Stenographisches Protokoll
37. Sitzung / Seite 204

2. Nach Z 9 des Berichts wird folgende Z 9a eingefügt:

„9a. Nach § 5 Abs. 2 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Zur Unterstützung der internationalen Mobilität der Studierenden ist der Verlei­hungsurkunde eine englischsprachige Übersetzung anzuschließen, wobei die Benen­nung des Erhalters und des ausstellenden Organs sowie der akademische Grad selbst samt Zusatzbezeichnung nicht zu übersetzen sind.““

3. Nach Z 20 des Berichts wird folgende Z 20a eingefügt:

„20a. Nach § 14 wird folgender § 14a samt Überschrift eingefügt: ,Lehrgänge zur Weiterbildung‘

§ 14a. (1) Die Erhalter sind berechtigt, in den Fachrichtungen der bei ihnen akkreditier­ten Fachhochschul-Studiengänge auch Lehrgänge zur Weiterbildung anzubieten.

(2) Im Studienplan eines Lehrganges zur Weiterbildung dürfen im jeweiligen Fach inter­national gebräuchliche Mastergrade festgelegt werden, die den Absolventinnen und Absolventen jener Lehrgänge zur Weiterbildung zu verleihen sind, deren Zugangsbe­dingungen, Umfang und Anforderungen mit Zugangsbedingungen, Umfang und Anfor­derungen entsprechender ausländischer Masterstudien vergleichbar sind. Die Qualität der Lehre ist durch ein wissenschaftlich und didaktisch entsprechend qualifiziertes Lehrpersonal sicher zu stellen.

(3) Wenn Abs. 2 nicht zur Anwendung kommt, darf die Bezeichnung „Akademische“ bzw. „Akademischer“ mit einem die Inhalte des jeweiligen Lehrganges zur Weiter­bildung charakterisierenden Zusatz festgelegt werden, die den Absolventinnen und Absolventen jener Lehrgänge zur Weiterbildung zu verleihen ist, die mindestens 60 ECTS-Anrechnungspunkte umfassen.

(4) Die Erhalter haben die Studienpläne gemäß Abs. 2 und 3 vor der Einrichtung des Lehrganges zur Weiterbildung dem Fachhochschulrat zu übermitteln. Der Fachhoch­schulrat hat die Einrichtung innerhalb von drei Monaten ab Einlangen in der Geschäfts­stelle des Fachhochschulrates bescheidmäßig zu untersagen, wenn die Voraussetzun­gen gemäß Abs. 2 bzw. Abs. 3 nicht vorliegen.

(5) Für den Besuch von Lehrgängen zur Weiterbildung haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Lehrgangsbeitrag zu entrichten. Er ist unter Berücksichtigung der tat­sächlichen Kosten festzusetzen.

(6) Den Urkunden über die Verleihung der Bezeichnung dürfen fremdsprachige Über­setzungen angeschlossen werden, wobei die Benennung des Erhalters und des aus­stellenden Organs sowie die Bezeichnung selbst nicht zu übersetzen sind.““

Begründung

zu Z 1:

Die Änderung dient der Bereinigung eines Redaktionsversehens.

zu Z 2:

In der Regierungsvorlage wird vorgeschlagen, das Diploma Supplement auch im Fach­hochschulbereich einzuführen und so einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Bologna-Ziele zu leisten. Zur weiteren Verstärkung der internationalen Mobilität der Absolventinnen und Absolventen wird vorgeschlagen, zusätzlich auch die Übersetzung der Verleihungsurkunden vorzusehen und damit an die entsprechende Regelung des Universitätsgesetzes (§ 87 Abs. 3) anzuschließen.


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37. Sitzung / Seite 205

zu Z 3:

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung sollen die Erhalter von Fachhochschul-Studien­gängen und Fachhochschulen in die Lage versetzt werden, wie die Universitäten attraktive Lehrgänge zur Weiterbildung anzubieten. Die Erweiterung des Ausbildungs­spektrums wird insbesondere aus zwei Gründen vorgeschlagen. Zum einem hat der tertiäre Sektor generell einen wichtigen Beitrag zu den Aktivitäten lebensbegleitenden Lernens zu leisten. An dieser Aufgabe, die erst kürzlich im Berlin-Communique als zentraler Teil des Bologna-Prozesses bekräftigt wurde, sollen auch die Fachhoch­schulen teilhaben. Zum anderen sind die Fachhochschulen auf Grund der berufsfeld­spezifischen Ausbildung und der laufenden Veränderungen der beruflichen Anforde­rungen zur regelmäßigen beruflichen Weiterbildung geradezu prädestiniert.

Die vorgeschlagene Regelung bietet den Erhaltern größtmögliche Flexibilität und bin­det die Lehrgänge in eine angemessene Form der Qualitätssicherung durch den Fach­hochschulrat ein, sofern für die Absolventinnen und Absolventen akademische Grade oder Bezeichnungen vergeben werden sollen. Diese abgeschwächte Form der Quali­tätssicherung ist sachgerecht, weil die Lehrgänge nur in jenen Fachbereichen angebo­ten werden dürfen, in denen auch akkreditierte Fachhochschul-Studiengänge durchge­führt werden.

Wie an den Universitäten müssen auch an den Fachhochschulen für Lehrgänge zur Weiterbildung jedenfalls kostendeckende Beiträge eingehoben werden.

In der Regierungsvorlage wird vorgeschlagen, das Diploma Supplement auch im Fach­hochschulbereich einzuführen und so einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Bologna-Ziele zu leisten. Zur weiteren Verstärkung der internationalen Mobilität der Absolventinnen und Absolventen wird vorgeschlagen, zusätzlich auch die Übersetzung der Verleihungsurkunden vorzusehen und damit an die entsprechende Regelung des Universitätsgesetzes für Universitätslehrgänge (§ 58 Abs. 3) auch in dieser Hinsicht anzuschließen.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Grünewald zu Wort. – Bitte.

 


20.13

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Wir haben es uns nicht leicht gemacht, dieses Gesetz abzu­lehnen. Ich werde Ihnen die Gründe dafür nennen.

Wenn Sie sagen, dass Fachhochschulen eine Erfolgsstory sind, so kann ich Ihnen in diesem Fall sogar beipflichten, sie sind es! Es ist dem Ausschuss sogar ein außer­gewöhnlich guter Fachhochschulbericht vorgelegt worden, der, wie wenige Berichte sonst, aufschlussreich ist, den man diskutieren kann und der sehr objektiv Plus und Minus, Fehlendes und bereits Getanes differenziert aufzeigt.

Was uns aber doch fehlt, ist, dass auf dem Sektor des tertiären Bildungssystems eigentlich kein General- und Gesamtplan sichtbar ist, auch keine Strategien; dass die Abstimmung (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Brinek und Dr. Wolfmayr) – nein, das stimmt schon, das sagen auch andere, nicht nur ich! (Abg. Prinz: Glauben Sie immer, was andere sagen?) – zwischen Universitäten und Fachhochschulen noch nicht optimal ist und – was man auch sieht und im Bericht bestätigt wird – dass die Zahl atypischer Einstiege, also ohne übliche Matura, sondern über einen Lehrabschluss


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37. Sitzung / Seite 206

oder andere berufsbegleitende oder berufsbezogene Einstiege, in den letzten Jahren gesunken ist. (Abg. Zweytick: Das ist ja logisch! Das ist ja verständlich, oder?)

Verständlich ist es schon, aber gewünscht hat es sich niemand. Die Fachhochschulen sollten offen für diverse Zugänge sein und nicht unbedingt die Matura voraussetzen. So ist es. Man wollte auch Berufstätigen, die Interesse daran haben, sich weiterzubil­den, die Möglichkeit geben, dort einzusteigen und sich zu qualifizieren. (Abg. Zwey­tick: Sie wollen ja eine qualifizierte Ausbildung, oder?) – Ich will eine qualifizierte Aus­bildung, aber das heißt ja nicht, dass jemand, der eine Lehre abgeschlossen hat, meh­rere Jahre Berufsbildung aufweist, nicht qualifiziert ist. Wenn Sie so etwas öffentlich sagen wollen, bitte, publizieren Sie es! (Abg. Dr. Brinek: Nein! Die Berufsreifeprüfung ist ja ...!) – Das würde Ihnen, glaube ich, nicht gut tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Positiv ist, dass der Frauenanteil erhöht wurde – da hat man etwas getan! Aber es gibt relativ wenig berufsbegleitende Studiengänge. Auch werden, wenn man sich die For­schungsaktivitäten anschaut, diese nicht so genützt, wie es sich die Regierung und andere, darunter die Universitäten, wünschen würden. Was im Gesetz auch sehr posi­tiv zu bewerten ist, sind die Wünsche nach mehr Qualitätsmanagement, die Ausgestal­tung von validen und nachvollziehbaren Evaluierungsinstrumenten.

Positiv war weiters die Aussage, dass es notwendig sein wird, die Fachhochschulen in Zukunft auch für Gesundheitsberufe zu öffnen. Im Bereich der medizinisch-technischen Dienste, also ErgotherapeutInnen, LogopädInnen, OrthoptistInnen, PhysiotherapeutIn­nen, radiologisch-technische Dienste, medizinisch-technische AnalytikerInnen ist eini­ges aufzuholen, der Frauenanteil beträgt da an die 90 Prozent. Diese stoßen nicht an eine gläserne Decke, sondern an eine Betondecke ihrer Karriere, haben international Schwierigkeiten, mit ihrer Ausbildung in Österreich, die, was die Dauer des Studiums und auch die Stundenzahl, die sogar höher als in den Fachhochschulausbildungen liegt, anlangt, mindestens Fachhochschul-Charakter hat, mitzuhalten, und international eigentlich diskriminiert sind. Im Interesse dieser Frauen, aber auch im Interesse der Qualitätssicherung sollte man da also etwas tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Wenn der Abänderungsantrag, der bedeutet, dass Lehrgänge auch von Fachhoch­schulen angeboten werden können, wie das bislang nur Universitäten möglich war, ge­trennt abgestimmt werden kann, würden wir dem jedenfalls zustimmen. (Demonstrati­ver Beifall der Abg. Dr. Brinek.) – Es ist auch für mich fast eine Premiere, Frau Brinek, aber es freut mich sehr.

Eine punktuelle Zustimmung wäre in vielen Dingen möglich, aber auch wir sagen, dass durch dieses Gesetz Möglichkeiten der Einhebung von Studiengebühren sozusagen auf dem Silbertablett auch jenen Standorten und jenen Bundesländern, die bislang da­von abgesehen haben, offeriert worden sind. Und sie werden es nötig haben, Studien­gebühren einzuführen, weil die Budgets nicht so expansiv sind wie die Raten an neu eintretenden Fachhochschul-Studentinnen und -Studenten. Das heißt, der Ausbau ist budgetär eigentlich nicht 100-prozentig abgesichert.

Weiters ist die in einem früheren Entwurf enthalten gewesene Beteiligung, Partizipation der Studierenden und auch des Lehr- und Forschungspersonals an Entscheidungen – wie das früher einmal an der Uni war, jetzt ohnehin kaum mehr – rausgeflogen, auch das können wir nicht gutheißen.

Und drittens: Bezüglich der Standortfragen hat der Fachhochschulrat sehr vernünftige Konzepte dafür, Fachhochschul-Standorte zu konsolidieren, indem man die Diversifi­zierung von einzelnen wenigen Lehrgängen in immer weitere Wüsten oder Trockenge­biete einzudämmen versucht. Es ist, glaube ich, gut, wenn Fachhochschulen nicht nur


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37. Sitzung / Seite 207

an universitären Standorten, sondern auch in den Regionen stehen. Aber sie brauchen ein bestimmtes Umfeld, sie brauchen mehrere Lehrgänge, damit der Charakter eines Studienortes auch deutlich unterstrichen, Forschung betrieben werden kann und so weiter.

Hiebei hat der Fachhochschulrat lediglich beratenden Charakter, und das Ministerium wird schwer zu kämpfen haben, den Wünschen Ihrer Klientel von Bezirkshauptleuten, Landeshauptleuten, Bürgermeistern und Sonstigen entgegenzutreten, auch dann, wenn Sie das vom Kopf her gerne täten. Man hat gesehen, eine zersplitterte Land­schaft ist nicht gut.

Wir stimmen dem Abänderungsantrag zu, dem Rest nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.20

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministe­rin! Hohes Haus! Ich finde es schon fast großartig, dass die Herren von der Opposition (Abg. Dr. Lichtenberger: Mein Gott!), die eigentlich immer alles, was die Regierung macht, schlecht machen, zugeben, dass die Entwicklung der Fachhochschule einen Erfolgskurs widerspiegelt. Aber wenn Sie die Zahlen im letzten Fachhochschulbericht lesen, die Ihnen ja vorliegen, dann können Sie ja gar nicht anders. (Abg. Dr. Bauer: Wer hat denn die Fachhochschulen ...?) So liest man in diesem Bericht etwa, dass im Jahr 2003/2004 7 000 Anfänger-Studienplätze zur Verfügung stehen, dass der Ausbau der Studiengänge einen Stand von 136 Studiengängen erreicht hat und dass es eine ganze Menge, nämlich über 37 Studiengänge, gibt, die auch berufsbegleitend zur Verfügung stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Seit die schwarz-blaue Regierung im Amt ist, wurde der Ausbau der Studiengänge um den Faktor 2,5 erhöht. Was mich besonders freut, ist auch, dass die Anzahl der weib­lichen Studentinnen stetig steigt: Während im Jahr 1994 noch 25 Prozent weibliche Studentinnen auf den Fachhochschulen waren, sind es jetzt über 36 Prozent.

Besonders bei der Zahl der jungen Frauen im Bereich der Technik ist eine ganz große Steigerung zu verzeichnen, und zwar von 2,1 Prozent auf über 21 Prozent, also auf mehr als das Zehnfache. Das heißt, dass die Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, um junge Frauen für untypische Berufe zu motivieren, ganz offensichtlich greifen und nun auch die Mädchen daran denken, dass es nicht nur die herkömmlichen Berufe gibt.

Der Erfolg kommt aber nicht von selbst. Durch das Sonderfinanzierungsprogramm „600 plus“ wurde die Planungsgröße der Studienplätze bei weitem übertroffen. Auch für das Jahr 2003 gibt es nun 2 Millionen € mehr. Das heißt, 107 Millionen € sind im Budget für die Fachhochschulen vorgesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Broukal, Sie haben zuerst gesagt, dass das zu wenig Geld sei. – Gerade im Jahr 2004 werden 10 Millionen € zusätzlich zum schon beschlossenen Budget zur Ver­fügung gestellt, womit den Fachhochschulen 117 Millionen € zur Verfügung stehen!

Eine Besonderheit der Fachhochschulen ist die praxisbezogene Ausbildung auf Hoch­schulniveau und dass die Angebote durch den Bedarf in der Wirtschaft gedeckt sind. Das bedeutet aber auch für alle Absolventen, dass nach dem Abschluss ein nahtloser Übergang in die Wirtschaft möglich ist. Das soll aber auch heißen, dass nicht wahllos


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37. Sitzung / Seite 208

Studiengänge erhöht oder eingeführt werden können, dass es nicht sein darf, dass Quantität vor Qualität steht.

Wichtig ist, dass der Bedarf und die Akzeptanz sichergestellt sind. Auch der Fachhoch­schulrat schreibt in seinem letzten Bericht, dass es primär wichtig ist, dass das quanti­tative Wachstum, das bis jetzt erreicht worden ist, qualitativ abgesichert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Sicherstellung der Qualität erfolgt durch ein ausgezeichnetes Evaluierungssystem, das sowohl externe als auch interne Evaluierungen vorsieht, und zusätzlich institutio­nelle, das heißt im Hinblick auf Management und Verwaltung der Fachhochschulen, ebenso wie studiengangsbezogene Evaluierungen, also im Hinblick auf Berufsfeld und Lehrplan.

Dieser dynamischen Entwicklung in den Fachhochschulen wird in dieser neuen Fach­hochschul-Studiengesetz-Novelle Rechnung getragen, indem die Anpassungen zum Universitätsbereich vollzogen werden und ein neues Qualitätsmanagement-System etabliert werden soll.

Zusätzlich soll durch die Möglichkeit der Lehrgänge zur Weiterbildung der Notwendig­keit von Veränderungen, die im Beruf ständig gegeben ist, entsprochen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Es tut mir wirklich Leid, dass Sie nicht mitstimmen können bei einer zusätzlichen Novelle eines Bereiches der Fach­hochschulen, einer bedarfsgerechten, berufsbezogenen und qualitätsvollen Bildungs­möglichkeit, einer Bildungspolitik, mit der die Regierung sicher in die richtige Richtung geht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet ist Frau Bundesminister Gehrer. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


20.25

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen der Rednerinnen und Redner der Fraktionen sehr genau zugehört. Ich bedanke mich dafür, dass alle gefunden haben, dass die Fachhochschulen eine Erfolgsstory sind – die Fachhochschulen, 1993/1994 von Erhard Busek ins Leben gerufen, weitergeführt von Minister Scholten, weitergeführt von Minister Einem, wo ein Ausbau erfolgte.

Im Jahr 2000 habe ich die Kompetenz dafür übernommen. Es erfolgte ein weiterer Ausbau, man konnte auf einer guten gemeinsamen Basis aufbauen.

Im Studienjahr 2000/2001 hatten die Fachhochschulen 67 Studiengänge und 11 700 Studierende. Durch das Programm „600 plus“ haben wir heute 136 Studien­gänge und rund 21 000 Studierende.

Auch das, was Sie sich wünschen, das, was Sie gefordert haben, ist ein Anliegen von mir und wird in hohem Maße in vielen Bereichen berücksichtigt. Wir arbeiten an der Berufsreifeprüfung. 7 000 Jugendliche bereiten sich auf die Berufsreifeprüfung vor, 580 Personen haben 2002 die Berufsreifeprüfung abgelegt. Es ist uns ein Anliegen, dass die jungen Menschen dann weiterbildende Bildungsangebote annehmen.

Auch die berufsbegleitenden Angebote sind uns sehr wichtig. Ein Drittel der derzeit be­stehenden Studiengänge, also ein Drittel der 136 Studiengänge sind berufsbegleitend, und ein Viertel der Fachhochschul-Studierenden sind in diesen berufsbegleitenden Studiengängen.


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Ich meine, dass wir dieselben Ziele haben, und ich verstehe deshalb nicht, wieso Sie bei einem guten Gesetz, das damals auch von Ihnen mitgetragen wurde, einigen ver­nünftigen Erweiterungen nicht Ihre Zustimmung geben und nicht bereit sind, mit uns gemeinsam dann den Fachhochschulentwicklungsplan III zu erarbeiten, der sehr wich­tige Ziele enthalten wird.

Der Fachhochschulentwicklungsplan III ist für die Studienjahre 2005/2006 bis 2009/2010 gedacht. Die Inhalte sind: der Vorschlag zum quantitativen Ausbau. Wenn Sie sagen: 10 000 mehr – jetzt sind wir bei 21 000 –, dann sind wir sehr schnell bei 30 000. Wenn die Gesundheitsberufe dazukommen, werden wir über 30 000 sein. Es kann also kein Problem sein, sich da auf ein gemeinsames Ziel zu einigen.

Weiters: Der nachhaltige Aufbau von angewandter Forschung und Entwicklung, die verstärkte Internationalisierung, Einführung überregionaler Bedarfs- und Akzeptanzer­hebungen – das ist uns ein Anliegen; es gibt bereits jetzt viele Studiengänge, die für ein viel größeres und weiteres Gebiet ausbilden als nur für ihr Bundesland –, der Aus­bau der internationalen Konkurrenzfähigkeit durch Anhebung der Zahl der Bakkalaure­atsstudiengänge, die Erhöhung der Anzahl der Absolventen aus berufsbegleitenden Studiengängen, die Anhebung des Frauenanteils vor allem in technischen Studien­gängen.

Wir werden all die Wünsche im Fachhochschulentwicklungsplan III festhalten und wer­den uns dann freuen, wenn wir gemeinsam auf diese Ziele hinarbeiten können, wenn wir auch mit Ihrer Unterstützung rechnen können.

Wir sehen auf der anderen Seite aber auch, dass nach einer derart intensiven Phase des Wachstums eine gewisse Konsolidierung vonnöten ist, dass wir uns fragen müssen: Wo gibt es Synergieeffekte? Wo gibt es eventuell Doppelgleisigkeiten?, und dass wir uns fragen müssen: Werden alle Studiengänge noch dementsprechend ange­nommen? – Wir sehen beim Studienjahr 2002/2003, dass es bei 30 Prozent aller Stu­diengänge weniger Anfänger gab, als vom Fachhochschulrat bewilligt waren. Das heißt, wir müssen uns überlegen: Sind diese Ressourcen da noch richtig angelegt, auch zukunftsorientiert angelegt, oder sollen wir diese Ressourcen besser für andere Angebote verwenden? – Ich glaube, die Zeit für die Konsolidierungsphase müssen wir uns nehmen.

Ich meine also, dass wir für den Fachhochschulbereich den neuen Fachhochschulent­wicklungsplan mit einer neuen Steigerung der Anzahl der Studierenden, mit der notwendigen Absicherung im Budget vorsehen müssen, dass wir aber auf einer soliden Basis aufbauen müssen, dass wir die Evaluierungen jetzt abwarten müssen und dass wir sagen müssen: Auch in der Zukunft geht im Fachhochschulbereich Qualität vor Quantität, damit die Fachhochschulen jenen Standard, den sie erreicht haben, auch halten und damit die Absolventen der Fachhochschulen auch in Zukunft derart gute Möglichkeiten für Arbeitsangebote aus der Wirtschaft und aus den verschiedenen Bereichen haben.

Ich würde mich also sehr freuen, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie sich doch dazu durchringen könnten, diesem zukunftsorientierten Gesetz Ihre Zu­stimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

20.30

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


20.30

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Fachhochschul-Studiengesetz ist trotz des


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vorliegenden Abänderungsantrages nichts, dem die SPÖ zustimmen könnte. Das Fest­schreiben von Studiengebühren, eine mangelhafte Mitbestimmungsmöglichkeit für Studierende und nach wie vor Unklarheiten bei der Weiterentwicklung der Evaluierung zwingen uns dazu, diese Novelle abzulehnen.

Frau Ministerin! Sie kündigen im ÖVP-Aktionsplan einen neuen Entwicklungsplan für die Fachhochschulen an. Das ist jetzt der dritte Entwicklungsplan nach den Entwick­lungs- und Finanzierungsplänen 1994 und 2000. 1994 und 2000 handelte es sich noch um Entwicklungs- und Finanzierungspläne, jetzt sind es nur mehr Entwicklungspläne. Das Wort „Finanzierung“ findet sich in der Diktion Ihres eigenen Papieres nicht mehr. Da müssen schon die Alarmglocken schrillen, wenn keine Finanzierung mehr vorhan­den wäre. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gehrer.) Ich denke, es handelt sich bei dem, was Sie da schreiben, nicht nur um ein semantisches Problem, sondern um ein durchaus reales Problem.

Auch von der Entwicklung bleibt nicht mehr sehr viel übrig. Sie schreiben hier, dass die ÖVP für die Erhöhung der Zahl der Studienplätze im Fachhochschulbereich auf insge­samt 30 000 bis zum Jahr 2010 eintritt. Das steht hier.

Laut dem Fachhochschulbericht, den wir letzte Woche im Wissenschaftsausschuss auch diskutiert haben, ist genau diese Zahl analog dem Null-Szenario, das der Fach­hochschulrat uns vorlegt, also jener Entwicklung, die sich ergibt, wenn wir überhaupt nichts tun, wenn wir überhaupt nicht weiterentwickeln, wenn wir überhaupt keine zusätzlichen neuen Studienplätze schaffen.

Diese Zahl, die Sie sich als Ziel setzen, erreichen wir, indem wir nichts tun. Das ist eine Stillstandspolitik, und da tun wir uns schon schwer, sie mitzutragen. (Abg. Zweytick: Haben Sie nicht zugehört vorher?) – Ich habe schon zugehört, darum kann ich den Plan auch kritisieren und weiß, warum ich ihn kritisieren kann.

Die Pläne, die Sie haben, gehen nämlich ziemlich an der Bildungsrealität vorbei, und sie gehen auch an den Bedürfnissen der Studierenden, an den Bedürfnissen der Wirt­schaft und des Arbeitsmarktes vorbei.

Ich darf daher den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, Broukal und KollegInnen betreffend Offensive für Fachhochschulen einbringen.

Dieser Antrag verfolgt in seinen Grundzügen einige quantitative und qualitative Ziele. Wenn wir diesbezüglich zu einer gemeinsamen Position finden können, dann können wir durchaus auch darüber reden, dass wir einen Entwicklungsplan III konzis diskutie­ren, konzis beschließen.

Wir haben einige Ideen, die wir gerne umgesetzt hätten. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir gerne 600 neue Anfänger-Studienplätze pro Jahr dazu hätten, so wie das schon in den letzten Jahren der Fall war. Das Ziel wäre, dass es im Jahr 2008 10 000 Anfänger-Studienplätze gibt. Nicht mitgerechnet sind dabei allerdings all jene Ausbildungsgänge, die jetzt postsekundar organisiert sind und ins Tertiärsystem umge­leitet werden sollten, zum Beispiel die schon angesprochenen nicht-ärztlichen medizini­schen Ausbildungen.

Was mir auch wichtig erschiene, ist, dass es einen Hochschulrahmenplan gibt, der alle tertiären und postsekundären Studiengänge und Ausbildungsgänge, die es gibt, irgendwie sinnvoll organisiert und auch zusammenführt und die Schnittstellen zwischen diesen besser koordiniert und eine höhere Durchlässigkeit schafft.

Wir wollen eine transparente Evaluierung und glauben, dass der Fachhochschulrat das bisher ganz gut gemacht hat, wiewohl es auch notwendig ist, die Möglichkeiten des Rates qualitativ und quantitativ zu erweitern und diesen besser zu supporten.


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Wir wollen Frauen einen erleichterten und besseren Zugang zur Fachhochschule schaffen, sie einerseits motivieren, in nicht-traditionelle Studienbereiche hineinzuge­hen, und andererseits aber auch all jene Studienbereiche, die vor allem von Frauen nachgefragt sind, mehr fördern und dort auch mehr Plätze anbieten.

Es ist zwar richtig, dass es in technischen Bereichen schon mehr Plätze als Interessen­ten und Interessentinnen gibt, aber gerade im Gesundheitsbereich und im Sozialbe­reich ist das Verhältnis der Zahlen der Interessierten zu den Zahlen der vorhandenen Plätze beispielsweise 10 : 1.

Wir wollen mehr Angebote für Berufstätige. Wir können uns vorstellen, dass da multi­mediale Elemente und Fernlehr-Elemente einen guten Beitrag leisten können, auch dann, wenn es darum geht, dass Menschen ohne Matura einen besseren Zugang zum tertiären Bildungssystem finden, dass es durchlässiger wird. Da haben wir in den letzten Jahren sehr große Rückschritte gemacht.

Wir wollen eine Verbesserung der studentischen Mitbestimmung, eine seriöse Beglei­tung von Berufspraktika durch die Fachhochschulträger, und wir wollen eine Neuorien­tierung der nichtärztlichen medizinischen Ausbildung.

Ich denke, jeder, dem die Fachhochschule am Herzen liegt, kann diesem Entschlie­ßungsantrag nur zustimmen. Wenn die Forderungen, die wir stellen, die wir durchaus berechtigterweise und aus guten Gründen vertreten, im dritten Entwicklungs- und Finanzierungsplan berücksichtigt werden, dann glaube ich durchaus, dass wir einen gemeinsamen Weg gehen können. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

20.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Bayr, Kollegin­nen und Kollegen auch schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung verteilen und vervielfältigen. Im Übrigen wird er dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, Broukal und KollegInnen betreffend Offensive für Fach­hochschulen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (217 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz) geän­dert wird (263 d.B.)

Seit ihrer Einführung in den 90er Jahren haben die Fachhochschulen einen rasanten Aufschwung erfahren. Die Erwartungen, was das Interesse der Studierenden an dem neuen Bildungsangebot betrifft, wurden bei weitem übertroffen. Bei rückblickender Be­trachtung der beiden Entwicklungspläne von 1994 und 2000 zeigt sich aber auch, dass viele der ambitionierten Ziele nicht erreicht wurden. So wurde z.B. das Bekenntnis, die Akademien und Schulen für den medizinisch-technischen Dienst in den Fachhoch­schulsektor mit einzubeziehen bereits im ersten Entwicklungsplan abgelegt. Ebenso sollten AbsolventInnen der dualen Berufsausbildung der Weg in das tertiäre Bildungs-


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system geebnet, Reformdruck auf die Universitäten ausgeübt, es sollten private Inves­toren in die Finanzierung einbezogen werden und es wurde nicht ausgeschlossen, dass der Bund nach einer ersten Evaluierung durch den Fachhochschul-Rat auch Bau- und Investitionskosten übernehmen kann. Von vielen dieser Ziele sind wir Ende 2003 weit entfernt, anderswo konnten Fortschritte erreicht werden, wenn auch zum Teil sehr zaghaft, was beispielsweise die Erhöhung der Anzahl von weiblichen Studierenden und Lehrenden betrifft.

Das große Interesse sowohl von künftigen Studierenden also auch von potentiellen ArbeitgeberInnen von AbsolventInnen von Fachhochschulstudiengängen ist jedenfalls Anlass genug, eine bildungspolitisch ernsthafte Weiterentwicklung des Fachhochschul­sektors in Gang zu setzen.

Große Veränderungen sowohl im tertiären Bildungssektor, am Arbeitsmarkt, bei der Globalisierung der Bildung und bei den Ansprüchen von Studierenden machen klar, dass es Zeit ist, zu neuen Ufern aufzubrechen und dafür konkrete Vorhaben abzu­stecken.

Die gegenwärtige Situation der studentischen Vertretung und der Mitbestimmung ist, uneinheitlich, nicht durchschaubar und daher nicht akzeptabel. Relevante Mitbestim­mungsrechte für Studierende sind im FH-Bereich Utopie.

Die bisherigen Erfahrungen von Fachhochschul-AbsolventInnen haben gezeigt, dass bei vielen Studierenden das Praxissemester wegen mangelnder Qualität Unzufrieden­heit hervorruft. Probleme bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, unqualifizierte Tätigkeiten und mangelnde Betreuung durch Fachhochschulen und Betriebe führen dazu, dass für viele AbsolventInnen das Praxissemester nicht die gewünschte Ausbil­dung für das Berufsleben bietet. Aufgrund teils erheblicher Unterschiede bei der Hand­habung des Praktikums durch die verschiedenen Fachhochschulen bzw. Studiengänge profitieren die Studierenden höchst unterschiedlich von den ihnen als Teil des kosten­pflichtigen Studiums vorgeschriebenen Praktika.

Die gesamte medizinische nicht-ärztliche Ausbildungssituation ist eher unübersichtlich und bei den Schnittstellen sehr schlecht verbunden.

Aufgrund der Erkenntnis, dass seit Bestehen der Fachhochschulen vor allem junge Männer das neue Bildungsangebot angenommen hatten und der Frauenanteil nur bei etwa einem Viertel lag, wurde im Entwicklungs- und Finanzierungsplan II die Erhöhung des Frauenanteils bereits in den Kriterienkatalog zur Vergabe einer Bundesförderung als eines der zehn Kriterien miteinbezogen. Studiengänge, die Maßnahmen zur Er­höhung des Frauenanteils an den Studierenden und/oder den Lehrenden vorsahen, sollten bevorzugt werden. Konkrete Frauenförderpläne wurden aber weder von den einzelnen Trägern noch vom Rat jemals entwickelt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der Frauenanteil sehr vom inhaltlichen Angebot der einzelnen Studiengänge abhängig ist.

Für den Fachhochschulbereich wurde im E&F-Plan II als Ziel festgehalten, dass einem Fachhochschulangebot, welches auf Berufserfahrung aufbaut, besonderes Augenmerk zu schenken ist. Leider geht der Anteil des Angebots für Berufstätige zurück. So waren im Studienjahr 1999/2000 noch 33,7 % der Studiengänge berufsbegleitend, im Stu­dienjahr 2002/03 waren es hingegen nur mehr 28,7 %.

Im Studienjahr 2002/03 bewarben sich 1.244 Personen ohne traditionelle Reifeprüfung an den österreichischen Fachhochschulen. Von diesen wurden 39,3 % oder 489 tat­sächlich aufgenommen. Mit 7,6 % der ErstinskribentInnen an Fachhochschulen aus der Gruppe der Personen mit atypischen Zugangsvoraussetzungen ist eine wirkliche


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Öffnung und Durchlässigkeit des Fachhochschulsektors für diese Personengruppe jedoch noch immer nicht in zufrieden stellendem Ausmaß erreicht.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, ein Offensiv-Programm für Fachhochschulen zu starten und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bis 2008 jährlich 10.000 Plätze für StudienanfängerInnen zur Verfügung stehen und dem Nationalrat die erforderlichen gesetzlichen Änderungen unter Berück­sichtigung folgender Zielsetzungen und Schwerpunkte vorzulegen:

Eine umfassende Reform des FH-Sektors soll in Gleichklang mit den Schwerpunkten eines neuen E&F-Planes vorgenommen werden. Dieser Entwicklungsplan soll unter Einbeziehung aller relevanten Akteure im Hochschulbereich, vor allem unter Einbezie­hung der Sozialpartner erarbeitet werden. Der Entwicklungsplan in Form eines koope­rativen Verfahrens einschließlich einer parlamentarischen Beratung sollte im FHStG verankert werden.

Neben dem E&F-Plan für den FH-Bereich bedarf es der Erstellung eines Hochschul­rahmenplans, der die Entwicklung in den verschiedenen Bereichen der postsekundä­ren Ausbildung in Österreich koordiniert.

Die Praxis der Bedarfsprüfungen soll von ihrer derzeit stark regional beschränkten Aus­richtung auf österreichweite Studien umgestellt werden. Im Rahmen der gesamten Hochschulplanung sollen dabei auch die Weichen gestellt werden, an welchen der verschiedenen Einrichtungen im postsekundären Bereich und in welcher Bildungshöhe die Ausbildung angeboten wird

Die eingeleitete Umstellung auf das dreigliedrige System soll koordiniert für den ge­samten Hochschulbereich erfolgen. Dabei ist darauf Wert zu legen, dass die Bakka­laureatsstudien eine breitflächige Ausbildung anbieten und die Spezialisierung erst in den Magisterstudiengängen einsetzt. Parallelangebote im FH- und Universitätsbereich sind zu vermeiden.

Die freie, gleiche und demokratische Wahl von VertreterInnen der Studierenden (Jahr­gangsprecherInnen, StudiengangssprecherInnen, FachhochschulsprecherInnen), auf bundeseinheitlichem, hohem Niveau geregelt im ÖH-Gesetz.

Einbindung der Studierenden in die regelmäßige Evaluierung der Lehre und Lehrenden

Mitbestimmung bei allen für die Studierenden wichtigen Entscheidungen.

Integration von Studierenden und Studierendenvertretung der Fachhochschulen und FH-Studiengänge in die österreichische Hochschülerschaft.

Ausbildungsmusterverträge für Praxissemester sind bei der Akkreditierung vorzulegen, bei Verlängerung von Studiengängen muss zusätzlich in einem eigenen Kapitel über die bisherigen Erfahrungen mit den Berufspraktika berichtet werden.

Die im Ausbildungsmusterverträge angeführten Aufgabengebiete des Berufspraktikums und deren Anforderungen an den/die Studierende/n muss ebenso wie die Entlohnung dem Ausbildungsstandard der StudentInnen entsprechen. Ausbildungsziele: der be­rufliche Tätigkeitsbereich, Qualifikationsprofil, Curriculum und didaktisches Konzept müssen schlüssig beschrieben, allen Beteiligten bekannt und nachvollziehbar doku­mentiert sein.


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Mindeststandards bezüglich der Betreuung müssen seitens der FH formuliert und ein­gehalten werden (Betreuungspersonen, Zeitaufwand, Ablauf, Einbettung in das Stu­dium, Vorgehen bei Auslandspraktika). Die angebotenen Ausbildungsplätze müssen durch die FH auf diese Voraussetzungen geprüft werden; ein weiterer Schwerpunkt sollte auf Netzwerkbildung liegen.

Die FH ist zur Unterstützung von StudentInnen bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz verpflichtet, insbesondere in problematischen Branchen sowie bei Auslandspraktika.

Die Gründe für Dispens vom Praktikum sollen anhand von einer von der FH zu erarbei­tenden Richtlinie überprüft werden, diese Richtlinie muss ebenfalls bei der Akkreditie­rung/Verlängerung der Akkreditierung dem Fachhochschulrat vorgelegt werden.

Bei der Evaluierung von Bakkalaureat-Studien muss die FH besonderen Augenmerk auf zeitlich und inhaltlich auftretende Probleme bezüglich des Berufspraktikums legen und dies dem Fachhochschulrat zur Kenntnis bringen.

Mädchen und Frauen sind schon im Bildungssystem, das einem Fachhochschulstu­dium voran geht, dazu zu motivieren, „nicht typische“ Studiengänge zu beginnen. Dazu ist unter anderem der Ausbau einer frühen Berufs- und Bildungswegsorientierung, die Burschen und Mädchen ermutigen soll, atypische Berufsausbildungen anzustreben. Weibliche Role-Models sind dazu ebenso heranzuziehen wie die Möglichkeit zum Kontakt mit Studentinnen in nicht typischen Frauendomänen. Erfolgreiche öffentliche Kampagnen wie „Töchter können mehr“ sind zu adaptieren und auf die Zielgruppe der potentiellen FHS-Studierende zu übertragen. Genauso sind Burschen dazu zu motivie­ren, in „typisch weiblichen“ Branchen wie dem Sozial- und Pflegebereich Fuß zu fassen (Andenken einer Kampagne nach dem Motto: „Söhne können mehr“.). Bei jüngeren Studierenden ist auch das Elternhaus in die Bewusstseinsarbeit miteinzubeziehen.

Bei der Erhöhung des Frauenanteils im FH-Bereich sind zwei sich nur vordergründig widersprechende Strategien einzuschlagen:

Zum einen sind Fachhochschulstudiengängen, die bei der Ersteinreichung oder der Evaluierung auf Frauengewinnungsprogramme verweisen können, bei der Bewilligung von Bundesmitteln der Vorzug zu geben. Studiengänge, die eine sehr ungleiche Ge­schlechterverteilung zu Ungunsten der Frauen haben, sollen bei der Evaluierung ver­pflichtet sein, konkrete Maßnahmen bekannt zu geben, wie und in welchen Zeitraum sie den Frauenanteil steigern wollen. Der Erfolg ist bei der nächsten Evaluierung nach­zuweisen.

Zum anderen ist auch bei den Studienangeboten anzusetzen. Dafür spricht vor allem, dass bei den überwiegend von Burschen und Männern belegten technischen Studien­richtungen das Verhältnis von InteressentInnen zu Studienplätzen „nur“ bei 2:1 liegt, im Bereich Tourismus hingegen bei 6:1 und im Bereich Soziales und Gesundheit sogar bei 8:1, was zeigt, dass hier vor allem Frauen als potentielle Studierende vorhanden wären, nur das Angebot eklatant unterdotiert ist.

Finanzielle Anreize für Fachhochschul-Träger, die vermehrt berufsbegleitende Studien­gänge anbieten.

Flexiblere Fachhochschul-Studiengänge unter Nutzung neuer Medien, um berufstäti­gen Studierenden die Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie zu erleichtern.

Mittelfristige Erhöhung der Quote der Studierenden mit atypischem Zugang auf 15 % und eine langfristige Steigerung auf 20 %.

Eine Informationsoffensive in den Berufsschulen, Lehrgängen zur Berufsreifeprüfung und Werkmeisterprüfung zu starten, um die Betroffenen nachdrücklich auf die Möglich-


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keit aufmerksam zu machen, über diese Schiene Zugang zu Hochschulbildung zu erlangen.

Etablierung eines Angebots unmittelbar nach der Berufsschule bzw. an diese Lehr­gänge, in dessen Rahmen Lehrgangsteilnehmer sich bei Interesse auf die Aufnahme­tests vorbereiten können (z.B. Training von Logiktests, Sprachtests, etc.).

Die Einrichtung von Förderstrukturen für FH-Studierende mit atypischer Reifeprüfung (Studierende mit Berufsreifeprüfung, Studienberechtigungsprüfung, Facheinschlägiger BMS, Lehrabschlussprüfung, Werkmeisterprüfung) durch die FH-Studiengänge, beson­ders im ersten Studienjahr.

Studiengänge müssen breiter über ihr Angebot informieren und dürfen keine potentiel­len Studierenden-Gruppen durch Defizite in ihrer Informationsarbeit benachteiligen.“

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

 


20.36

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eigentlich schon im Aus­schuss sehr bedauert, dass man nicht zur Einstimmigkeit gekommen ist. Ich glaube nämlich, dass unsere Positionen in Wirklichkeit sehr eng zusammenliegen und dass die SPÖ und die Grünen unter Umständen vielleicht doch noch einmal darüber nach­denken sollten.

Es freut mich, dass die grüne Fraktion heute zumindest dem Abänderungsantrag zu­stimmt. Die SPÖ darf ich dazu auffordern. Ich halte es nämlich für unglaublich wichtig, wenn wir immer vom lebenslangen Lernen sprechen, dass wir gerade in Institutionen, die das Personal und das Know-how haben, eine entsprechende berufsbegleitende Fort-, Aus- und Weiterbildung auch für das Erwachsenenbildungswesen anbieten.

Das ist bei den Fachhochschulen, glaube ich, sehr gut aufgehoben. Ich halte es auch für wichtig, dass es die Möglichkeit gibt, solche Weiterbildungsangebote zu unter­sagen, um die Qualität zu sichern.

Des Weiteren halte ich es auch für sehr wichtig, dass die Fachhochschulen nicht in einem Wildwuchs allen anderen Institutionen Konkurrenz machen können, sondern dort, wo sie spezialisiert sind, dort, wo sie Studiengänge anbieten, auch die entspre­chende Fort- und Weiterbildung vorantreiben können.

Ich bedauere, dass die SPÖ auch diesem Abänderungsantrag offenbar nicht zustim­men will, und habe bis jetzt nicht verstanden, warum.

Es wurde bereits im Ausschuss die Frage diskutiert: Wie bekommen wir mehr „atypische“ – unter Anführungszeichen – Studenten ohne Matura auch in den tertiären Bildungsbereich? – Ich möchte vielleicht doch noch einmal darauf aufmerksam machen, dass wir darauf insgesamt sehr, sehr großes Augenmerk gelegt haben.

Zum einen ist es so, dass selbstverständlich die Fachhochschulen auch Studierenden ohne Matura offen stehen und dass diese dort erwünscht sind. Es ist, glaube ich, auf der anderen Seite aber auch, ganz praktisch und pragmatisch gesehen, eines der Hauptprobleme, dass die jungen oder auch älteren Leute ohne Matura sich oft gar nicht trauen, zu den Aufnahmeprüfungen anzutreten. Ich habe das in Gesprächen fest­gestellt. Es wird daher unsere Aufgabe sein, im Sinne eines Empowerments auch etwas mehr Mut zu machen, damit sich exzellente Mitarbeiter in Unternehmen, die eine


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Facharbeiterausbildung haben, an eine Fachhochschule wagen. Da ist zum einen nach wie vor die Hemmschwelle, sich zu bewerben, sehr groß; zum anderen ist es auch so, dass überall dort, wo die Kurse überlaufen waren und sind, die Dichte der guten Be­werber sehr hoch ist.

Ich glaube aber nicht, dass man jemanden, der vielleicht etwas weniger geeignet
ist – und das sind nicht immer die, die keine Matura haben, aber es wird auch vorkom­men –, obwohl er weniger geeignet ist, weil er keine Matura hat, in eine Fachhoch­schule aufnehmen soll. Das wäre der Qualität abträglich und wirklich kontraproduktiv.

Wir haben aber noch viel mehr getan, als nur die Fachhochschulen für Studierende ohne Matura zu öffnen. Wir haben parallel dazu auch die lehrbegleitende Matura, die bereits in der Ausbildung oder unmittelbar im Anschluss an die Lehre gemacht werden kann, sodass sich für die Absolventen einer Lehre die Möglichkeit eröffnet, mit einem geringen Aufwand die Matura zu machen. Diese fallen jetzt alle unter „Maturanten“, sodass auch von ihnen bereits mehr an den Universitäten und in besseren Positionen tätig sind.

Wir haben hier nicht nur einen Weg eröffnet, sondern mehrere. Diese Wege werden auch genutzt.

Ganz wichtig ist auch, was über den höheren Anteil von Frauen in den Fachhoch­schulen gesagt wurde. Das ist richtig, es ist wünschenswert, es ist unser erklärtes politisches Ziel. Was ich nicht verstehe, ist, was es mit Ihrer Ablehnung der heutigen Vorlagen zu tun haben soll.

Wo liegt das Kernproblem, dass wir immer noch zu wenige Frauen beziehungsweise weniger Frauen insbesondere in den technischen Studiengängen haben? – Es ist grundsätzlich so, dass im gesamten deutschsprachigen Raum eine größere Technik­ferne als im angloamerikanischen Raum insbesondere bei den Frauen vorherrscht. Ich bin Bundesministerin Gehrer ganz besonders dankbar dafür, dass sie durch e-fit und „Frauen in die Technik“ und durch weitere Programme, die bereits in den Schulen angesiedelt sind, das Übel sozusagen an der Wurzel packt, damit sich Frauen trauen, verstärkt in die technischen Bereiche zu gehen. Daran erst beim Eintritt in die Fach­hochschule zu denken ist zu spät; da ist die Berufsrichtungswahl bereits getroffen.

Auch die Gesundheitsberufe im Fachhochschulbereich auszubauen und das Pro­gramm „600 Plus“ weiterzuführen ist von großer Bedeutung. Dies wird auch von Bun­desministerin Gehrer und von der ÖVP ganz gezielt weitergetragen.

Ich darf Ihnen sagen, dass wir bei allen Plänen, die wir bis jetzt gemacht haben, die eigenen Ziele, die wir uns gesteckt haben – die sich die Bundesregierung gesteckt hat –, jeweils sowohl von den Studierendenzahlen als auch von den zur Verfügung gestellten Mitteln her weit übertroffen haben. Sie können davon ausgehen, dass wir diesen Weg forciert weitergehen. Ich bitte Sie abermals darum, Ihre Ablehnung noch einmal zu überdenken. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Freiheitlichen sowie des Abg. Broukal.)

20.41

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

 


20.42

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Hohes Haus! Erstens freue ich mich, dass dem Thema Fachhochschule so viele interessiert lauschen. Es ist ein gutes Zeichen für dieses Haus, dass das ein wichtiges bildungspolitisches Thema ist.


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Zum Zweiten, Frau Bundesministerin und geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien, kann ich Ihnen eines versichern – Sie haben das von Josef Broukal und Petra Bayr schon gehört –: Wir lehnen zwar dieses Gesetz ab, aber wir lehnen natürlich nicht die Fachhochschulen ab. Wir unterstützen in vielfältiger Form und durch eigene Konzepte die Entwicklung dieses Sektors. Das ist uns ein großes An­liegen; daher haben wir auch einen umfangreichen Entschließungsantrag eingebracht, der genau die Richtung vorgibt, wie sich dieser Sektor weiterentwickeln soll.

Ein paar Punkte dazu. Erstens: Kollegin Brinek hat gemeint: Wieso stößt ihr euch an der Studiengebühr, die jetzt in der Gesetzesnovelle steht? (Abg. Dr. Brinek: Eine Er­mächtigung!) Das sei ja nur eine Ermächtigung. – Ja, wir können schon lesen, Kollegin Brinek. Aber was bedeutet diese Ermächtigung, wenn man genauer hinschaut? (Abg. Dr. Brinek: Mit einer Plafondierung!) Das ist auch die Ermächtigung für das Bundes­ministerium, den Betreibern, die jetzt keine Studiengebühren einheben wollen, zu sagen: Okay, dann werden wir den Zuschuss, den wir euch geben, wenn der Vertrag ausläuft, reduzieren, denn ihr hättet ja die Möglichkeit, eine Studiengebühr einzu­führen.

Ich rede da nicht von irgendetwas, wo ich das Gras wachsen höre, sondern ich rede von Dingen, die diesen Betreibern ja schon direkt so gesagt worden sind. Das heißt, sobald das im Gesetz steht und der Vertrag ausläuft, wird diese Kürzung vorgenom­men werden. Daher finden wir es falsch, dass das als Ermächtigung im Gesetz steht.

Zum Zweiten: die ganzen Fragen der Finanzierung. Wir erinnern uns noch sehr gut daran – vielleicht erinnert sich auch Kollegin Hakl daran –, wie wir bei der Budgetde­batte hier im Haus darüber gesprochen haben, ob die Fachhochschulen für heuer und für nächstes Jahr ausreichend finanziert sind. Sie haben uns jeden Eid geschworen und öffentliche Erklärungen abgegeben, dass die geplante Entwicklung in diesem Bereich selbstverständlich ausreichend finanziert wird.

Jetzt höre ich durchaus mit Genugtuung und mit Freude, dass für heuer 2 und für nächstes Jahr 10 Millionen € zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Also hat es ja doch nicht gereicht, was im Budget stand, sonst hätte man diesen Schritt nicht setzen müssen.

Ich frage mich: Wieso weigern Sie sich so, die Realität zur Kenntnis zu nehmen, um dann ein halbes Jahr später festzustellen, dass Sie jetzt doch mehr Geld brauchen? (Abg. Dr. Brinek: Um den Bedarf abzutesten!)

Zum Dritten: die Lehrgänge. Dass sich die Universitäten, die Fachhochschul-Studien­gänge und die Fachhochschulen der Weiterbildung widmen sollten, ist, glaube ich, unbestritten. Es wissen alle, die all diese Diskussionsprozesse in den letzten Jahren miterlebt haben, dass wir immer wieder versucht haben, dass so etwas in das Gesetz hineinkommt.

Erinnern Sie sich aber bitte auch an das Universitätenkuratorium, dessen Vorsitzender Bundschuh das letzte Mal im Ausschuss war! Was steht im Bericht des Universitäten­kuratoriums über diese Lehrgänge? – Da steht das Wort „Wildwuchs“ und noch einiges dazu. Wir reden seit längerer Zeit davon, dass sich das Ministerium das von der Quali­tät her tatsächlich anschauen müsste. Und wir bekommen laufend Zusagen: Ja, das werden wir uns anschauen. Das werden wir uns anschauen.

Aber was bekommen wir umgekehrt, Frau Bundesministerin, beinahe jede Woche? – Etwas zu einer Begutachtung, wo es beispielsweise um einen akademisch geprüften Manager geht, der irgendwo ausgebildet wird. Da frage ich mich schon: Wie gehen wir mit diesem „Wildwuchs“ um, wenn wir bei den Universitäten und bei anderen Einrich-


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tungen nicht einmal bereit sind hinzuschauen? (Abg. Dr. Brinek: Das werden wir machen!)

Noch einmal die Aufforderung, die Bitte an Sie: Es ist ein dringendes bildungspoliti­sches Anliegen, dass Qualität angeboten wird und dass gerade bei diesen Lehrgängen einmal genau hingeschaut wird. Das, was Sie bezüglich dieser Lehrgänge vorschla­gen, Kollegin Brinek, ist zwar eine Form der Qualitätssicherung, wobei Sie extra in die Begründung hineinschreiben, das sei gerade das Notwendigste, was man tun muss. (Abg. Dr. Brinek: An den Unis müssen wir ...!)

Was wir heute vermisst haben – und ich vermisse auch Kollegen Lichtenegger; ich hätte gedacht, er spricht dazu –, ist Folgendes: Er hat ja vor kurzem an alle Fachhoch­schulbetreiber ein Mail und eine Presseaussendung geschickt mit der Bitte, allen mit­zuteilen, wofür sich die Freiheitliche Partei jetzt bei den Fachhochschulen einsetzt, nämlich für die „A-Wertigkeit“ – unter Anführungszeichen. Das werde nun von den Freiheitlichen in Angriff genommen. – Davon lese ich aber nichts im Gesetz, ich frage mich, wieso.

Herr Kollege Scheibner, Sie brauchen nicht auf uns zu zeigen, als ob wir das verhin­dern würden. (Abg. Scheibner: Schritt für Schritt!) Das wäre auch notwendig. Frau Kollegin Bayr hat es ja schon ausgeführt.

Frau Bundesministerin! Im Begutachtungsentwurf waren noch Elemente zur Mitbestim­mung enthalten. Es war angelehnt an das Universitätsgesetz, wie diese Mitbestim­mungsformen an den Fachhochschulen ausschauen sollten. Dann hat sich irgend­jemand – ich mag gar nicht weiterphilosophieren, wer das war – darüber aufgeregt, dass dadurch die Hochschülerschaft wieder eine Rolle bekommt und dass man dann diese lästige Mitbestimmung auch an den Fachhochschulen bekommt. – Und schwups war das aus dem Begutachtungsentwurf heraußen!

Sie stimmen heute nicht darüber ab, ob es Mitbestimmung an den Fachhochschulen geben wird. Sie wurde gestrichen! (Abg. Dr. Brinek: Das ÖH-Gesetz muss man ändern!) Da sagen wir: Wir sind uns zwar in vielem, was diese Entwicklung anlangt, einig. Da Sie, Kollegin Hakl, aber den Mut angesprochen haben, muss ich sagen: Sie sind uns in vielem, was wir uns vorstellen, zu wenig mutig.

Wenn es das nächste Mal eine größere Novelle gibt, in der sich wirklich auch jene Punkte, die wir heute vorgeschlagen haben, finden – zumindest teilweise finden –, dann werden wir wieder gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. – Bitte.

 


20.48

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Minister! Hohes Haus! Kollege Niederwieser, es ist schon immer interes­sant: Überall wollen Sie sonst eine Gleichstellung der Fachhochschulen mit den Uni­versitäten, aber wenn es um die Ermächtigung geht, die Sie angesprochen haben, darf das wieder nicht so sein. Sie suchen sich immer nur die Goodies heraus und nicht die anderen Dinge.

Sie haben ohnehin schon festgestellt, dass es sehr erfreulich ist, dass doch zusätzliche Gelder – dieses Jahr 2 Millionen € und nächstes Jahr 10 Millionen € – zur Verfügung stehen. Da muss ich schon sagen: Recht machen kann man es Ihnen eigentlich nie. Zuerst heißt es, es ist nichts da, dann wird etwas zur Verfügung gestellt und Sie sagen: Das hätten Sie ja gleich machen können. (Abg. Dr. Niederwieser: Budgetwahrheit!)


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Dass man aber für gewisse Verhandlungen vielleicht den richtigen Zeitpunkt braucht und abwarten muss, um dann die Möglichkeit zu haben, zusätzliche Gelder für einen Bereich herauszuholen, müssen Sie schon selber wissen. (Abg. Dr. Niederwieser: Den Zeitpunkt bestimmen Sie, oder?!) Und das ist ja der Frau Minister gelungen. Wie gesagt: Ihnen kann man es leider nie Recht machen. Das ist eben das Grundproblem, das besteht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ein Raunzer ist er!) – Er ist es eigentlich nicht, eher seine Fraktion. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er ist auch ein Raunzer!)

Wir haben vom Wunsch des Präsidenten der Fachhochschulkonferenz Dr. Jungwirth, der ja auch im Ausschuss war, gehört. Dieser Wunsch wird jetzt quasi in einem Abänderungsantrag eingebracht. Das ist eben ein Wunsch, dem wir nachkommen, um hier den Fachhochschulen die Möglichkeit zu geben, zusätzliche Lehrgänge einzurich­ten. Ich habe das schon im Ausschuss so verstanden, dass diesbezüglich eigentlich sehr wohl eine gewisse Einigkeit oder Zustimmung signalisiert wurde, dass wir uns in diesem Bereich sehr genau anschauen müssen, wie die Kontrolle vor sich geht. Es muss zum Beispiel die Möglichkeit bestehen, wie Professor Konrad über den Akkredi­tierungsrat gesagt hat, dass diese Lehrgänge über das laufen. Das wäre zum Beispiel eine gute Variante, um in diesem Bereich eine Kontrolle einzuführen.

Ich glaube auch, dass das wichtig und notwendig sein wird. Ich habe es im Ausschuss so verstanden, dass in dieser Frage Einigkeit besteht, dass man in diese Richtung etwas unternimmt und tun wird.

Kollegin Bayr hat gesagt, die Pläne gehen an den Bedürfnissen vorbei. – Ich muss schon Folgendes dazu sagen: Anscheinend kennen Sie die Pläne noch nicht so genau und so ganz. Bringen Sie sich doch erst einmal auch mit ein! Schauen Sie sich genau an, wie das tatsächlich aussieht! Dann können Sie sagen, die Pläne gehen an den Bedürfnissen vorbei. Man muss zuerst einmal schauen, wie es wirklich ist. Bringen Sie sich doch konstruktiv bei den Verhandlungen, bei der Erstellung des Planes ein! Nach­her kann man darüber reden, ob es passt oder nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Aber schon vorab zu sagen, wie Sie es immer tun, es passt alles nicht ... (Abg. Broukal: Mehr Applaus, bitte! – Abg. Scheibner: Sie können mitklatschen!)

Es hören beim Thema Fachhochschulen zwar viele zu, aber manche sind um diese Zeit vielleicht schon ein bisschen woanders. Das muss man auch verstehen. Ich weiß, dass Sie nicht klatschen können, Herr Kollege Broukal, denn es ist auch eines Ihrer Prinzipien, es ja nicht, wenn bei einer Frage irgendwelche Leute Recht haben, auch wenn es die Regierungsparteien sind, zuzugeben. (Abg. Dr. Brinek: Nein, er hat schon geklatscht! – Abg. Broukal: Ich habe ununterbrochen geklatscht!)

Wo denn? (Abg. Broukal: Ich habe bei jeder Rede zu diesem Tagesordnungspunkt geklatscht!) – Bei jeder Rede haben Sie geklatscht?! (Abg. Broukal: Sicher!) Entschul­digung, das ist mir entgangen. Tut mir Leid, ich leiste Abbitte bei Ihnen. Ich wusste nicht, dass Sie bei jeder Rede geklatscht haben. Ich werde Sie jetzt genauer beobach­ten, Kollege Broukal, wie Sie es in Zukunft handhaben werden, ob Sie bei den Reden klatschen oder nicht. (Abg. Broukal: Sie haben es nicht verdient!) Ich weiß, bei meiner Rede klatschen Sie nicht, das zeichnet mich aus und darüber bin ich froh. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Broukal: Bitte sehr!)

20.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

 



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20.52

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein wesentlicher Grund dafür, warum die SPÖ die­ses Gesetz ablehnt, ist die Einführung der Studiengebühren auch für die Fachhoch­schulen. Da wir die Studiengebühren an den Universitäten nach wie vor ablehnen, wer­den wir das konsequenterweise auch im Fachhochschulbereich tun, da doch die Fach­hochschulen die Zugänglichkeit erhöhen sollen und das hier im besonderen Maße gilt.

Ich möchte mich auf einen besonderen Bereich konzentrieren, den Frauenanteil. Ich denke, dass gerade die Einführung der Studiengebühren eng damit im Zusammenhang steht, da wir doch wissen, dass an den Universitäten die Einführung der Studiengebüh­ren sehr wohl dazu geführt hat, dass diejenigen, die neu an die Universitäten kommen, eine andere soziale Zusammensetzung haben. Davon sind in besonderem Maße Frauen aus bildungsferneren Schichten, aus einkommensschwächeren Schichten be­troffen. Und Sie tragen natürlich durch diese Maßnahme nicht dazu bei, das angeblich gemeinsame Ziel, den Frauenanteil auch an den Fachhochschulen zu erhöhen, zu erreichen.

Es war am Anfang der Erfolgsstory Fachhochschulen so, dass der Frauenanteil beson­ders niedrig war. Er ist bei einem Viertel gelegen. Mit einem sehr wichtigen Schritt im Entwicklungsplan 2, nämlich in den Kriterienkatalog die Erhöhung des Frauenanteils aufzunehmen, ist es gelungen, da auch tatsächlich weiterzukommen. Das wollen wir natürlich auch anerkennen. Während im Jahr 1994/1995 der Frauenanteil bei rund 25 Prozent gelegen ist, liegt er im Jahr 2002/2003 bereits bei rund 37 Prozent, was ein Fortschritt ist, aber – ich glaube, darauf können wir uns einigen – ein langsamer Fort­schritt.

Der Grund für diesen Anstieg war noch dazu nicht jener, dass man besonders ge­worben und Frauengewinnungsprogramme gemacht hat, sondern dass es strukturelle Änderungen gegeben hat, Angebote gemacht wurden, die eher in die traditionellen frauenspezifischen Bereiche hineingehen, was im Grunde in Ordnung ist, aber ein Schritt ist und nicht der einzige bleiben soll.

In den technischen Bereichen haben die Frauen tatsächlich erfreulicherweise aufge­holt, sind jetzt auf einem Stand, der zwar höher ist, aber der uns nach wie vor nicht zu­frieden stellen kann. Das heißt, wir müssen auf mehreren Ebenen ansetzen, um in den nächsten Jahren wieder einige Schritte, einige nachvollziehbare und größere Schritte weiterzukommen.

Zum einem müssen wir in den Bildungsbereichen, die dem Fachhochschulbereich vor­gelagert sind, also in den Schulen, ansetzen, was die Berufsorientierung eben in den Schulen betrifft. Dort muss Ermutigung stattfinden, müssen Mädchen dazu ermutigt werden, auch in Berufsfelder hineinzugehen, die eben nicht die traditionell frauenspezi­fischen sind. Es müssen aber auch Buben ermutigt werden können, in traditionell mäd­chenorientierte Berufsfelder hineinzugehen. Nach dem Muster von „Töchter können mehr“ kann eine derartige öffentliche Kampagne unter dem Titel „Söhne können mehr“ gemacht werden.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Frage der Ersteinreichung. Diesbezüglich könnten wir uns vorstellen, dass in Hinkunft die Bewilligung der Mittel damit in Zusammenhang ge­setzt werden soll, ob es Frauengewinnungsprogramme gibt, ob diese eingeplant sind. Dann kann man jenen den Vorzug geben, die derartige Programme aufweisen können.

Ein weiterer wichtiger Punkt wäre, dass dort, wo besonders niedrige Frauenanteile ge­geben sind, Evaluierungen stattfinden sollen und auf Basis dieser Evaluierungen Krite­rien ausgearbeitet werden, wie der Frauenanteil zu steigern ist. Selbstverständlich muss man auch weiterhin darauf schauen, in welche Bereiche Frauen hineinwollen und


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wo es zukunftsorientierte Chancen und Nachfrage gibt. Da gilt es, die entsprechenden Angebote auszubauen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.56

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. – Bitte.

 


20.57

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der interessante und nach wie vor boomende Fachhoch­schulsektor ist in ständiger Entwicklung und muss den neuen Bedürfnissen laufend an­gepasst werden. Ich denke, das ist uns allen bewusst, obwohl wir, wie man heute sieht, verschiedene Schlüsse daraus ziehen. Ich möchte jedenfalls hier und heute versuchen, die wichtigsten Punkte der jetzt vorzunehmenden Anpassungen aufzulisten und gleich­zeitig zu veranschaulichen, wie sich dieser Fachhochschulbereich durch Maßnahmen, die in erster Linie die Qualitätssicherung und -steigerung betreffen, weiter profiliert und so für Studierende, die zielgerichtet auf einen raschen Abschluss in innovativen Berufs­zweigen mit teilweise sehr guten Berufschancen hinarbeiten, immer noch interessanter wird.

Meine Damen und Herren! Das Fachhochschul-Studiengesetz ist 1993 erstmals in Kraft getreten und wurde bereits in den Jahren 1998, 2000 und 2002 novelliert. Bei der jetzigen Novellierung, die wir heute verabschieden möchten, wird jeder Fachhochschul­erhalter dazu verpflichtet, ein eigenes Qualitätsmanagement zu etablieren. Dement­sprechend wird die Verantwortung des Fachhochschulrates zur Gewährleistung von Standards für die Durchführung dieser Evaluierungen eindeutig klargestellt.

Weiters werden die gesetzlichen Grundlagen für Doppeldiplom-Programme, der Zusatz zum Diplom und die Festlegung der Höhe der Studienbeiträge im Fachhochschul-Studiengesetz integriert. Und ich glaube, dieser letzte Punkt – man hat das ja bei der letzten Meldung meiner Kollegin Kuntzl gemerkt –, ist der einzige, an dem man sich stößt. Stolperstein, um nicht zustimmen zu können, sind anscheinend wirklich allein die Studienbeiträge.

Meine Damen und Herren! Schon bisher hat es eine äußerst dynamische Entwicklung im Fachhochschulbereich mit sehr positiven Ergebnissen gegeben. Ich möchte an die­ser Stelle vielleicht eine persönliche Erfahrung anbringen. Ich war einige Male an der Fachhochschule Joanneum in Graz eingeladen, um in der Doppelrolle als Künstlerin und Abgeordnete Vernissagen zu eröffnen. Ich habe mich bei diesen Anlässen und auch durch viele intensive Gespräche von der kreativen Atmosphäre, die dort herrscht, und vom kunst- und kulturfreundlichen Klima überzeugen können.

Sicher: Die Grazer Fachhochschule beherbergt unter anderem die Lehrgänge Indust­rial Design, Informationsdesign, Informationsmanagement, Marketing, Journalismus und Unternehmenskommunikation, geführt übrigens von einer ganz patenten und kom­petenten Frau, Frau Mag. DDr. Gabriele Russ. Auch die Direktorin ist eine Frau, Dr. Anni Koubek – das als Nebenbemerkung zum Thema Frauen. Also die Lehrgänge, von denen ich hier spreche, sind von ihrem Thema her schon eher kunstfreundlich. Aber es geht eben darum, wie man mit seinen kreativen Leuten und den vorhandenen Ressourcen umgeht.

Damit meine ich auf der einen Seite die Studierenden, aber auch die Lehrenden. Ideen nämlich nicht nur theoretisch zu verbreiten, sondern ganz praktisch Raum und Fläche zur Verfügung zu stellen, Veranstaltungen zu organisieren, die von Studierenden gerne angenommen werden, und sich als Fachhochschule zur interessanten Ausstellungs­fläche, zur Galerie zu entwickeln, auch das ist ein Zeichen, ein Symbol dafür, dass


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man nicht nur lehrt, sondern ganz direkt in die Praxis einsteigt und einen lebendigen Austausch unter teilweise ganz jungen Künstlern und Künstlerinnen eben praktisch ermöglicht. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Auch so wird Qualität nach außen sichtbar, spürbar und erlebbar. Ich möchte der Grazer Fachhochschule an dieser Stelle für das tolle Manage­ment ganz herzlich gratulieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich hätte noch ein paar Punkte aufzulisten, kann sie aber aus Zeitgründen nun nicht mehr vorstellen. Sie können das alles ja dann auch noch nachlesen.

Im Großen und Ganzen möchte ich abschließend feststellen: Dieses neue Fachhoch­schul-Studiengesetz stellt einen weiteren wichtigen Schritt in der Entwicklung des Fachhochschulwesens dar, und ich finde es sehr schade, dass das von den Kollegin­nen und Kollegen von der Opposition anscheinend nicht so gesehen wird und sie bei diesen notwendigen und meiner Meinung nach selbstverständlichen Reformen nicht mitgehen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Krainer für 4 Minu­ten ans Rednerpult. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


21.01

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche heute zum Protokoll über die wei­tere Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungs­kooperation.

Im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung haben Sie, Frau Bundesministerin, ein paar Fragen nicht wirklich beantworten können. Vielleicht hatten Sie in der Zwischen­zeit die Möglichkeit, ein paar Recherchen zu machen, um diese jetzt beantworten zu können.

Das gegenständliche Protokoll wurde am 22. November 2001 mehr oder weniger feier­lich in Bratislava unterschrieben, und man hat immerhin fast zwei Jahre gebraucht, um es in dieses Hohe Haus zu bringen. Es ist ein sehr „umfangreiches“ Protokoll, nämlich zwölf Zeilen lang, also man brauchte zwei Monate pro Zeile, um es in dieses Hohe Haus zu bringen. Es stellt sich da die Frage, weshalb so etwas dermaßen lange dauert.

Diese Aktion basiert auf einem Kulturabkommen, das es mit der Tschechoslowakei gab. Nachdem die Tschechoslowakei sich selbst aufgelöst hat und zwei Nachfolge­staaten gebildet worden sind, nämlich Tschechien und die Slowakei, war die Grund­lage dieser Aktion weg. Aus der Not heraus wurde ein Provisorium geschaffen, nämlich dieses Protokoll, weil es in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen ist, ein eigenes Kulturabkommen mit der Slowakei zu schließen und diese Aktion auf Basis eines derartigen Kulturabkommens fortzuführen, die ja gut und wichtig ist.

Jetzt gibt es in der Zwischenzeit dieses Abkommen, und das hätte natürlich auch als Grundlage für diese Aktion dienen können, aber das ist nicht der Fall. Das hängt viel­leicht damit zusammen, dass wir in Österreich leben und hier Provisorien ein längeres Leben haben als so manche Dauerlösung.

Was allerdings neu für mich ist, ist der Umstand, dass, wie Sie es im Ausschuss gemacht haben, solche Provisorien dann gelobt werden und betont wird, dass es ursprünglich in Wahrheit eine geniale Idee war, das zu machen, und ich frage mich, warum Sie nicht bei dem bleiben, wie es vor sechs Jahren in der Regierungsvorlage gestanden ist, und sagen, dass es eigentlich ein reines Provisorium ist.


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Aber ich will heute nicht so viel kritisieren, denn das Protokoll ist etwas Positives, wes­halb wir es auch unterstützen. Ich möchte diese Gelegenheit nützen, um Ihnen zu sagen, was wir in diesem Bereich noch unterstützen würden. Bei Fragen von Studen­tenaustausch oder Bildungskooperationen, wo es um den Austausch von Lehrenden, von Lernenden, von Studierenden geht, geht es um Mobilitätsvermittlung, um Spra­chenvermittlung und dergleichen.

Was ein wichtiger Punkt oder ein wichtiger Aspekt ist, ist die Tatsache, dass wir in Ös­terreich Tausende Kinder haben, die Tschechisch, Slowakisch, Polnisch, Rumänisch, Bulgarisch et cetera als Muttersprache haben. Die Integration dieser Menschen heißt nicht, dass die sich jetzt anpassen müssen und ihre Muttersprache vergessen sollen, sondern bedeutet eine gemeinsame Entwicklung der Menschen, die in Österreich leben. Es wäre auch schlichtweg dumm – wenn ich das sagen darf, Herr Präsident –, auf die Qualitäten dieser Menschen zu verzichten. Insofern unterstützen wir Sie zum Beispiel beim weiteren Ausbau oder bei der Schaffung von Volks-, Mittel- und Haupt­schulen, von AHS, BHS, BMS mit bilingualem Unterricht, damit wir diese Fähigkeiten noch stärken. Gerade die Möglichkeit, die Sprachen der Beitrittsländer als Mutterspra­che zu haben, ist eine, die auch für die Wirtschaft in den nächsten Jahren sehr wichtig sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir unterstützen Sie auch gerne bei der Schaffung ganztägiger Schulformen, und zwar vor allem jener ganztägigen Schulform, der alle Studien das höchste pädagogische Niveau aussprechen, nämlich der Ganztagsschule mit verschränkten Einheiten, näm­lich von Lerneinheiten, von Erholungseinheiten und von Vertiefungsphasen. Dabei unterstützen wir Sie auch! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir unterstützen Sie auch dabei, das österreichische Fremdenrecht dahin gehend zu ändern, dass Austauschprogramme im Bereich von Fachhochschulen genauso rei­bungslos funktionieren können wie zwischen Universitäten, denn es gibt im Fremden­recht Bestimmungen, die den Austausch für Studierende, aber auch für Lehrende, die es im Fachhochschulbereich nicht gibt, erleichtern. Es wäre vernünftig, das auch hier zu tun.

Wir unterstützen Sie auch dabei, dass verschiedene Fachhochschulstudien, Universi­tätsstudien, aber auch andere Berufsausbildungen zwischen den Staaten besser an­erkannt werden. Wir unterstützen Sie selbstverständlich auch dabei, die unsozialen Studiengebühren abzuschaffen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Brader 4 Minu­ten. – Bitte.

 


21.06

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Mein Vorredner hat gesagt, dass er der Ministerin bei der Errichtung von Ganztagsschulen mit verschränktem Charakter Unterstützung angedeihen lassen will. Herr Abgeordneter, diese Möglichkeit besteht ja schon. Wie Sie wissen, kann bei Zustimmung von zwei Dritteln aller Eltern und Lehrer diese Schul­form eingerichtet werden. Persönlich halte ich nicht sehr viel davon, weil ich glaube, dass die Wahlmöglichkeit bestehen bleiben soll. Es ist mit Sicherheit nicht sinnvoll, die Kinder zwangsweise den ganzen Tag in der Schule zu behalten, wenn sie auch anderswo ihre Bildung und ihre Freizeit genießen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber das ist jetzt nicht mein eigentliches Thema, sondern mein eigentliches Thema ist die Fortführung der bilateralen Wissenschafts- und Erziehungskooperation im Rahmen der Aktion Österreich-Slowakei.


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Was vor zehn Jahren als eine Art Hilfsmaßnahme begonnen hat, ist inzwischen zu einem passablen Projekt, einem wissenschaftlichen Joint Venture geworden, und diese intensiven Kontakte sind sehr gut weiterentwickelt worden, und die Zusammenarbeit reicht bis in die EU-Ebene.

Universitäten, Fachhochschulen, Fachhochschul-Studiengänge und andere Bildungs­institutionen haben die Möglichkeit, Projekte aus allen wissenschaftlichen Disziplinen einzureichen, aber auch Einzelpersonen können das tun. Mit der Tschechischen Republik – auch mein Vorredner hat das angesprochen – und mit Ungarn bestehen ebenfalls derartige Übereinkommen, und das ist gut so, weil das, wie ich glaube, ein wichtiges Signal ist, das wir gerade jetzt, kurze Zeit vor dem Beitritt der österreichi­schen Nachbarn zur Europäischen Union, geben sollen. Ich freue mich auch darüber, dass im Ausschuss bei allen Fraktionen Einigkeit darin bestanden hat, dass dieser Ver­trag bis einschließlich 31. Dezember 2007 verlängert werden soll.

Im Zuge der Aktion Österreich-Slowakei wurden bis Ende 2002 ganze 670 Projekte genehmigt, 303 Stipendianten gefördert und 1 206 Stipendienmonate vergeben. Zu­sammen mit den Förderungen für Exkursionen, Tagungen, Workshops und so weiter wurden bis jetzt 3,3 Millionen € ausbezahlt. Ich glaube, dass das eine gute Investition ist – für die Zukunft der Österreicherinnen und Österreicher in einem gemeinsamen friedlichen Europa, in einem Europa, das nicht hinter Kittsee, Klingenbach oder Spiel­feld endet. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.09

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner für 4 Minuten ans Rednerpult. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


21.09

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Auch ich möchte einige Worte zum Thema Fachhochschulen in Österreich sagen. Zur Kollegin Bleckmann – sie hat sich leider verabschiedet – möchte ich sagen: Ihre Beharrlichkeit, Kritik, nicht wahrnehmen zu wollen, was die budgetäre Ausstattung der Fachhochschulen zu Jahresbeginn anlangt, ist wirklich FPÖ-typisch und zeugt von reiner Realitätsverweigerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass es auf Grund der Studienplätze und Studentenzahlen von vornherein klar war, dass diese budgetären Mittel notwendig waren. Es war also durchaus keine Hellseherei der SPÖ-Vertreter, seinerzeit diese Mittel einzufordern, die jetzt nachge­schossen werden müssen. Wir befürchten, dass in vielen Bereichen, insbesondere im Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereich, ähnliche budgetäre Nachbesserun­gen notwendig werden, wenngleich auch heute der Herr Bundeskanzler sehr groß­spurig von Milliardenfonds und Milliardentöpfen berichtet hat, von denen dann aber de facto nur die bescheidene Verzinsung forschungsfördernd wirksam werden wird. Daher ist es wirklich wieder einmal ein großer Bluff auch im Bereich der Forschungs- und Technologieentwicklung in Österreich. Das ist schade, denn es wäre wirklich toll, wenn es einen Fonds gäbe, der über solche Mittel verfügen würde, der auch Forschungs­patentrechte mitfinanzieren und auch nutzen könnte und damit das Geld auch zum Wachsen bringen könnte. Es ist halt wieder einmal eine große Chance vertan worden.

Zurück zu den Fachhochschulen: Ich glaube, dass die Fachhochschule in Summe wirk­lich ein Erfolgsprojekt des letzten Jahrzehnts ist und dass es von der Konstruktion her aus bundespolitischer Sicht eine sehr kostengünstige Form des Studiums ist. Es ist meiner Meinung nach allerdings notwendig, bei den Fachhochschulen die Qualitäts­sicherung auch in Zukunft offensiv zu betreiben. Die Evaluierer sind ja sehr restriktiv unterwegs, das muss man wirklich sagen und kann man auch bestätigen. Es muss


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aber die Flexibilität gegeben sein, dass die Zahl der Lehrgänge, nach welchen keine so große Nachfrage besteht, wie an Studienplätzen zugeteilt werden, reduziert wird und andere, wo eine große Nachfrage gegeben ist, expandieren können. Da ist, glaube ich, noch mehr Mut zur Flexibilität erforderlich. Ich ersuche Sie, Frau Bundesminister, in diese Richtung zu agieren.

Ich glaube, dass es auch ein effektives Wachstum an Studienplätzen geben muss. Dass die jetzt geplanten oder der Fertigausbau der vorhandenen Lehrgänge zu zirka 30 000 Studenten führen wird, ist klar. Es ist vorerst im Wesentlichen kein weiterer Ausbau vorgesehen, und da ist es, denke ich, notwendig, da noch Maßnahmen zu set­zen, insbesondere Einstiegsmöglichkeiten für jene zu schaffen, die sich aus dem ers­ten Berufsweg in eine zweite, verbesserte Berufsqualifizierung hineinbegeben wollen.

Letzter Punkt, den ich noch kurz ansprechen möchte: Ich glaube, dass die Mitbestim­mung an der Fachhochschule ein Thema sein muss. Es kann nicht sein, dass die Fachhochschule weniger Mitbestimmung hat als jede Hauptschule in Österreich. Es ist schade, dass die diesbezügliche Passage aus dem Gesetz wieder herausgenommen wurde. Unsere Ablehnung empfinden wir schon allein aus diesem Grund als gerecht­fertigt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Kurzbauer 4 Minu­ten zu uns. – Bitte.

 


21.13

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kuntzl, Sie haben in Ihrer Wortspende gemeint, dass sich durch die Einführung der Studiengebühren die Frauenquote beim Besuch beziehungsweise bei der Absolvierung eines Hochschul­studiums reduziert hat. (Abg. Mag. Kuntzl: Das habe ich nicht gesagt!) Ich habe das so aufgefasst. (Abg. Mag. Kuntzl: Das ist ein Missverständnis!) Aber ich möchte das trotzdem anhand von Zahlen darstellen.

Im Jahre 2001/2002, als es noch keine Studiengebühren gab, betrug der Anteil der Frauen 30 Prozent, und im Jahre 2002/2003, also einer Zeit mit Studiengebühren, liegt der Anteil bei 37 Prozent.

Nun zur Entwicklung bei den Studierenden im Technikbereich. Da betrug der Frauen­anteil im Jahre 2000/2001 17,7 Prozent, und im Jahre 2002/2003 gibt es eine Steige­rung auf fast 22 Prozent, konkret sind es 21,9 Prozent. Also das ist ein klarer Beweis dafür, dass die Frauenquote in diesem Bereich nichts mit der Einführung der Studien­gebühren zu tun hat.

Geschätzte Damen und Herren! Unter Tagesordnungspunkt 7 behandeln wir die Regierungsvorlage über die Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei. Das österrei­chisch-tschechoslowakische Kulturabkommen war letztlich die Grundlage für die Aktion Österreich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperationen. Dieses Abkom­men hat zum Ziel die erweiterte Zusammenarbeit im Stipendienbereich, aber auch, die Hilfestellung zur Verwirklichung oder zur Umsetzung ausgewählter Projekte im Bereich der Wissenschaft und der Erziehung gemeinsam zu koordinieren und zu finanzieren.

Die Laufzeit dieser Aktion Österreich-Slowakei war ursprünglich mit 31. Dezember 1996 begrenzt und konnte auf Grund des seinerzeit vertraglich geltenden Kulturabkom­mens mit der Tschechoslowakei nicht verlängert werden, und zwar deswegen nicht, weil aus der Tschechoslowakei zwei selbständige Staaten, nämlich Tschechien und die Slowakei, errichtet wurden. Am 9. Dezember 1996 wurde deshalb ein eigenes völker­rechtliches Abkommen abgeschlossen. Auf Grund des Erfolges sieht jetzt die vorlie-


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gende Regierungsvorlage eine neuerliche Verlängerung bis einschließlich 31. Dezem­ber 2007 vor.

Der Kostenrahmen per anno ist mir zirka 189 000 € beziehungsweise mit rund 2,6 Mil­lionen Schilling budgetiert und soll unverändert bleiben. Ich nehme jetzt nur einige Bei­spiele heraus: In den letzten Jahren wurden zirka 300 Kooperationsprojekte zwischen österreichischen und slowakischen Universitäten und Fachhochschulen finanziell unterstützt sowie einige begleitende Maßnahmen wie etwa die Unterstützung von wissenschaftlichen Veranstaltungen im Ausland oder die Förderung von Anbahnungs­kontakten für Projektkooperationen gesetzt, um nur einige Beispiele zu nennen.

Geschätzte Damen und Herren! Wir stimmen selbstverständlich der Verlängerung die­ses Abkommens zu. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Broukal.)

21.17

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. 4 Mi­nuten Redezeit. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


21.17

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Auch ich zähle mich zu jenen, die die Fachhochschule als ein durchaus gelungenes Werk aus den frühen neunziger Jahren bezeichnen, obwohl ich mich auch selbst zu jenen zähle, die damals bei der Entstehungsdiskussion dem doch etwas kritisch gegenübergestanden sind. Aber auch wenn wir das als gut bezeichnen, ist unserer Meinung nach trotzdem nicht alles, was in der Entwicklung in den vergan­genen 14 Jahren passiert ist, positiv.

Frau Abgeordnete Wolfmayr meint, dass sich die Fachhochschule ständig den neuen wirtschaftlichen und globalen Entwicklungen anpassen muss, und darin gebe ich ihr vollkommen Recht, aber das ist genau der Punkt, der eben nicht eingetreten ist, und daher kann unsere Fraktion dieser Novelle nicht zustimmen. Es wurde schon von Abgeordnetem Broukal in der Einleitung deutlich klargelegt, warum wir dieser Novellie­rung nicht zustimmen können, aber ich möchte dem noch einige Punkte hinzufügen.

Es ist nicht gelungen, eine flächendeckende Ausstattung mit Fachhochschul-Studien­gängen zu erwirken. Das ist noch nicht forciert angegangen worden, aber das ist ge­rade im ländlichen Raum, wo die Distanzen sehr groß sind, eine nicht unbeträchtliche Erschwernis für die jungen Menschen. Dort, wo die Mobilitätsgarantie nicht gegeben ist, also wo es einen erschwerten Zugang gibt, kommen zu den zusätzlichen finanziel­len Ausgaben für den Wohnungsmarkt jetzt auch noch die Studiengebühren dazu.

Wir haben heute schon gehört, dass speziell für Berufstätige die Zugangsmöglichkeiten nur wenig erleichtert, ja sogar eher erschwert wurden. Aber es muss doch der Sinn der Fachhochschule sein, dass verstärkt junge Menschen aus dem dualen System die Möglichkeit haben, eine hochschulmäßige Ausbildung zu machen, wobei ich überhaupt meine, Frau Bundesministerin, dass wir im tertiären Bereich noch sehr viel Anpas­sungsarbeit vor uns haben.

Es wurde auch schon gesagt, Universität und Fachhochschule dürfen nicht Kon­kurrenten sein, sondern sollen einander ganz im Gegenteil mehr und mehr ergänzen. Ich zähle hier auch noch die pädagogischen Hochschulen hinzu. Es kann hier – weil ich es schon sagte – auch nicht so sein, dass Universitäten Lehrer ausbilden und dass pädagogische Hochschulen ebenfalls Lehrer ausbilden. Hier könnten wir doch einiges gemeinsam tun.

Was mir ebenfalls als erschwerend auffällt – und das können wir auch nachlesen –, das sind die Praxissemester. Von vielen Studenten erfahren wir, dass sie in den Praxissemestern in der Betreuung allein gelassen werden, dass aber auch viele quali-


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tativ hochwertige Ausbildungsplätze fehlen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung rufen, dass das nicht bloß bei den Fachhochschulen so ist, sondern auch bei den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, in denen der Lehrplan zwin­gend ein Unterrichtspraktikum vorschreibt. Nur: Die Plätze dafür sind nicht vorhanden. Daher müssen wir uns überlegen, entweder die Lehrpläne dahin gehend zu ändern oder für die jungen Menschen eine Garantie dafür zu schaffen, dass sie diese Ausbil­dungsplätze auch bekommen.

Ein Letztes: Es ist durchaus positiv, dass ein Qualitätssicherungsmanagement einge­richtet werden muss. Nur: Der Erhalter ist verpflichtet, dieses zu bezahlen. Ich hoffe und bin davon überzeugt, dass diese Qualitätsmanagements so objektiv sind, dass sie dem Auftrag gerecht werden, und nicht das der Fall ist, was man manchmal vielleicht auch annehmen könnte: Wer zahlt, schafft an. Auch dafür muss Garantie bestehen, dass die Qualität entsprechend gesichert ist.

Grundsätzlich ist zu sagen: Fachhochschulen sind ein gelungenes Werk, aber für Jubellieder ist es noch immer zu früh. Daher können wir dem nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Stimmen Sie doch zu! 5 Minuten haben Sie noch, stimmen Sie dann zu!)

21.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. 4 Mi­nuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


21.22

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn man die Debatte verfolgt – und ich habe jetzt die ganze Zeit zugehört – und nicht wirklich vom Fach ist oder jemand, der nie studiert hat oder nie studieren konnte, wie auch immer, hat man eigentlich einen ganz anderen Zugang zu den Fachhochschulen in diesem Land und auch zu deren Entwicklung. Ich muss schon sagen – und Sie haben das auch selbst zugegeben –, dass es eine Erfolgsstory ist, die im Jahr 1993 mit Erhard Busek begann, und dass es ein sehr interessantes, spannendes Projekt ist, auch auf die Zeit gesehen. Diese Entwicklung gibt eigentlich auch dem heutigen Stand und dem jetzigen Status quo absolut Recht.

Ich glaube, es ist hier jeder gut beraten, der diese Entwicklung unterstützt hat und auch in weiterer Folge, in den nächsten Schritten, Schritt für Schritt unterstützen wird, weil dieses spannende Projekt ja eine Dynamik in sich birgt, sodass man sich ständig an­passen muss, ständig flexibel sein muss, da es hier auch ständig Veränderungen gibt. Auf der einen Seite wird kritisiert, dass wir heute schon Fachhochschul-Studiengänge haben, die nicht mehr ausgelastet sind, auf der anderen Seite wird kritisiert, dass es viele gibt, die wir noch nicht angeboten haben.

Was ist tatsächlich geschehen? – In knapp zehn Jahren: derzeit 136 Lehrgänge, die laufen und die auch, Kollege Rada, Gott sei Dank schon dezentral in den neun Bun­desländern stattfinden, weil es auch wichtige, entscheidende Impulsgeber für die Regionen sind, dort, wo es um den Standort und Arbeitsplatz geht, dort, wo es um die Absicherung geht, um die Qualifizierung der österreichischen Berufsausbildungen und der Menschen, die Arbeitnehmer sind, die einfach von der Qualifikation her zu den Besten Europas zählen. Das kommt nicht von irgendwo her, das ist sicher auch nicht nur in den letzten zehn Jahren entstanden, aber gerade die letzten zehn Jahre haben es zur heutigen Situation zugespitzt.

Ich bin sehr froh, dass hier seitens der Gesetzgebung objektives Bewusstsein herrscht, was in Zukunft ansteht. Es steht hier aus meiner Sicht auch keine Kritik im Raum, denn


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ich höre hier Zustimmung von allen Seiten, mit dem Hinweis auf die Problematik und auch auf die Gefahr.

Aber da sehe ich ein bisschen einen einseitigen Hinweis, und zwar dann, wenn man sich immer nur mit dieser Materie beschäftigt und darin gelebt hat oder aus der Materie kommt, wie viele Akademiker, die in der heutigen Debatte meine Vorredner waren. Dann vergleiche ich das auch mit anderen Sparten: Wenn man immer nur einen Bil­dungsweg hat und diesen Bildungsweg kennt, wenn man in andere Sparten eigentlich keinen Einblick hat und das nicht macht, dann wird man gewissermaßen blind. Es gibt eine bestimmte Blindheit, bei der ich das Gesamte nicht mehr sehen kann, obwohl ich das Gesamte sehen muss. Ich möchte diesen Aspekt heute bewusst einbringen, weil ich mit manchen Kritikbereichen nicht einverstanden bin und doch glaube, hier auch einen großen, objektiven Teil einer Meinung unserer Bevölkerung vertreten zu können – aus meiner Sicht, aus meiner Region, die auch eine Grenzregion ist.

Aber das ist jetzt kein Beitrag zu der Sache, die Sache ist oft genug positiv erwähnt worden. Ich möchte sie nicht mehr wiederholen, aber doch darauf hinweisen, dass es nicht mein Eindruck ist, dass es an den Studiengebühren liegt. Es haben einfach wenige Leute die Möglichkeit, sich neben dem Beruf auch eine Weiterbildung leisten zu können. Daher ist diese Studiengebühr einerseits auch berechtigt. Viele Leute in den Universitäten haben nicht die Möglichkeit, dass sie neben dem Job auch eine FH besuchen können. Dass Bildung Geld kostet und etwas wert sein muss, ist ,glaube ich, auch allen klar.

Ich denke vielmehr und habe den Eindruck – und das ist eher bedenklich und bedauer­lich für mich –, es liegt daran, dass es ein Antrag der Regierungsparteien ist, und daher, Herr Grünewald und Freunde von der SPÖ, ist es fast selbstverständlich, dass man das ablehnt. Man sucht eben ein Argument und setzt sich dann drauf. Auffallend ist nur die Einstimmigkeit, da das Wort „Studiengebühr“ heißt. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Wenn es nur das wäre – und Sie wissen, dass das ein lebendes Projekt ist, das weitergeht –, dann kann es nicht daran scheitern, dass dieses Projekt FH auch für die Zukunft Ihre Zustimmung hat, nämlich für entscheidende Verbesse­rungen in diesem Rahmen. (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Ich möchte mich besonders bei der Frau Ministerin für ihren Kampf, dass da etwas weitergegangen ist, herzlich bedanken. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

21.26

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ans Rednerpult tritt nun Frau Abgeordnete Mag. Trunk. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

 


21.27

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mir eine freiwillige Redezeitbeschränkung von zwei Minuten auferlegen, und zwar aus Solidarität zu meinem Kollegen Wimmer. (Demonstrativer Beifall des Abg. Wittauer.)

Punkt eins: Es sind die Studiengebühren und viele andere berechtigte Argumente, warum die SPÖ-Fraktion nicht zustimmt. Es ist anerkannt, dass Studiengebühren eine Barriere sind, und wir sind in diesem Bereich – da Österreich eine zu geringe Akademi­kerquote hat – gegen jede Form von Barriere. Wir werden daher auch aus diesem Grund nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der zweite Punkt ist die Intention im Ausschuss und auch seitens der Ministerin, die Fachhochschul-Standorte dort zu konzentrieren und zusammenzufassen, wo es auch


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ein universitäres Umfeld gibt. Auf den ersten Blick kann man dem etwas abgewinnen. Dennoch gebe ich zu bedenken, und zwar sehr nachhaltig, dass Fachhochschul-Standorte auch dort ihre Berechtigung haben, wo sie für die regionale und lokale Bil­dungs-, Wirtschafts- und Standortentwicklung vonnöten sind. Ich spreche hier insbe­sondere den ländlichen Raum an.

Dritter Punkt: Es steht mir zu – und zwar nicht aus Lokalpatriotismus oder aus der Be­grenztheit des Denkens in engen Grenzen –, hier auch Lobbyistin zu sein für eine Fachhochschule, die es noch zu errichten gilt, nämlich für das wirklich sehr innovative Konzept der Fachhochschule Wolfsberg in Kooperation mit einer schwedischen Hoch­schule. Das ist ein innovatives Konzept, und ich fordere hier von Seiten des Bundes erstens infrastrukturelle, zweitens finanzielle und drittens auch willentliche Zustim­mung, eine faire Chance für den Fachhochschulstandort Wolfsberg. Ich baue darauf! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner zu diesem Punkt ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hütl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


21.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Günther Hütl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir – ich meine damit eine Gruppe von Wieselburgern – vor zehn Jahren um die Fachhochschule in Wieselburg angesucht und darum gekämpft haben, hatten wir nicht die geringste Ahnung oder Vorstellung davon, welch erfolgreichen und rasanten Weg diese Schulen gehen würden. Mit dem Fachhochschul-Studiengesetz 1993 wurde der Grundstein für eine dynamische hochschulpolitische Entwicklung gelegt, und dieser Erfolg ist untrenn­bar mit unserer Bundesministerin Elisabeth Gehrer verbunden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mittlerweile haben wir den Zuschlag bekommen – vor fünf Jahren und nicht zuletzt dank der Mithilfe des damaligen Landwirtschaftsministers Wilhelm Molterer und unse­res Landeshauptmannes Erwin Pröll. (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP.)

Was wird nun in Wieselburg angeboten? – Der Studiengang heißt MLR Produkt- und Projektmanagement und ist ein Filialbetrieb der Wiener Neustädter Fachhochschule für Wirtschaft und Technik GmbH. Mit dem Beginn dieses Diplomstudienganges Produkt- und Projektmanagement wurde für die österreichische Food-Branche sowie für das aufstrebende Feld der nachwachsenden Rohstoffe und erneuerbaren Energie und des Umweltmanagements ein zukunftsorientierter Studiengang entwickelt.

Ab dem Studiengang 2004 werden in Wieselburg natürlich auch ein Bakkalaureat-Stu­dium und voraussichtlich auch ein Lehrgang angeboten werden, um das Angebot zu erweitern. Die Studiengangsleiterin ist stolz darauf, den Bedürfnissen der Wirtschaft zu entsprechen – und ich zitiere jetzt wörtlich –, dass die Studentinnen und Studenten lernen, über den Wissensstoff hinaus zu lernen, innovativ, unkonventionell, flexibel zu denken und zu handeln.

Im Mittelpunkt steht der Mensch, der Student, im Zentrum allen Geschehens. Es soll für die Studenten mehr als eine Ausbildung sein, der Student soll auch fähig sein, ge­sellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Durch „Training on the job“ werden den Studierenden in kurzer Zeit marktrelevante Zusammenhänge sowie das Spezialwissen näher gebracht. Was den Studiengang auszeichnet, ist die Verbindung von Manage­mentwissen und technischer Kompetenz, wodurch unsere Absolventen den Prozess


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vom Rohstoff über die Produktentwicklung bis hin zum konsumierten Produkt managen können.

Eine Besonderheit ist vielleicht auch zu erwähnen. Wir sprechen immer von Quoten; was die Studenten betrifft, haben wir eine ausgewogene Quote, also 51 Prozent Herren und 49 Prozent Damen, und wenn man das interne Lehr- und Forschungsper­sonal betrachtet, haben wir einen Frauenanteil von über 73 Prozent. Das ist sehr be­achtlich. Wenn man allerdings das Gesamtpersonal hernimmt, dann liegen die Frauen wieder bei 37 Prozent.

Die Entwicklung der Fachhochschulen wird auch in der Bevölkerung sehr anerkannt. Im aktuellen Bildungs-Monitoring erhalten unsere Fachhochschulen die ausgezeich­nete Note 1,8. Dass wir mit unserem Plansoll voraus liegen, wurde sicherlich schon vorhin erwähnt.

Ich möchte daher nur noch eines sagen: Unter dem Aspekt des Wachstumspaketes der Bundesregierung, wie es heute Bundeskanzler Schüssel schon ausgeführt hat, in dem Forschung und Entwicklung enorm forciert werden, sowie in Hinblick auf einen europäischen Hochschulraum und auf den europäischen Wissenschaftsraum leisten die österreichischen Fachhochschulen mit der praxisbezogenen Ausbildung, mit ihrem dynamischen Prozess und ihrer Qualitätsoffensive sicherlich einen wesentlichen Bei­trag für die Zukunft unseres Landes. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

21.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Diese De­batte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge geändert wird, in 217 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Brinek, Mag. Dr. Bleckmann, Kolleginnen und Kol­legen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner liegt ein von Abgeordnetem Dr. Grünewald eingebrachtes Verlangen auf ge­trennte Abstimmung hinsichtlich des eben erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrages vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag und vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Mag. Dr. Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Wer hiefür eintritt, den ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehr­heit und damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen und daher auch in dritter Lesung so entschieden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Ab­schluss des Staatsvertrages: Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Öster­reich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation, in 197 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zum 8. Punkt der Tagesordnung, einer ersten Lesung. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Gibt es einen Entschließungsantrag? – Ich reassümiere.

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis. Es ist ein Entschließungsantrag betreffend Offensive für Fachhochschulen noch nicht abgestimmt, daher komme ich zurück zum letzten Tagesordnungspunkt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensive für Fachhochschulen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich frage: Gibt es noch weitere Entschließungsanträge? – Das Sekretariat sagt nein.

8. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz geändert wird (172/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


21.37

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Auch das Parlament stockt manchmal im Vorgehen, wenn mit „Speed kills“ bestimmte Dinge laufen. Ein gutes Beispiel waren die rigiden Kürzungen im Bereich der Unfallversicherungen. Dort hat uns Schwarz-Blau einen Einschnitt in einer unangenehmen Art und Weise beschert, bei Menschen, die es im Leben nicht leicht gehabt haben: Unfallopfer, Personen, die Entschädigungen bekommen, die deutlich unter dem liegen, was andere Länder zahlen, Entschädigungen, die der Höhe nach unter Rücksicht auf den Umstand der Steuerfreiheit festgesetzt worden sind.

Der Verfassungsgerichtshof musste auch bei diesem Beispiel der schwarz-blauen Re­gierung in die Parade fahren. (Abg. Wittauer: Ihr habt früher die Verfassungsgesetze geändert ...!) Jetzt hat der Verfassungsgerichtshof diese Regelungen für zwei Jahre


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aufgehoben. Jetzt, 2003, schicken Sie wieder die Opfer zur Antragstellung, anstatt ihnen die Steuerfreiheit zu geben, wie sie vorher bestand.

Daher stellen wir erneut den Antrag, auch für das Jahr 2003 und Folgejahre Steuerfrei­heit zu gewähren und den Menschen, denen die Lohnsteuer bisher abgezogen worden ist, diese im Wege des kleinen Jahresausgleichs nach § 77 Abs. 3 Einkommensteuer­gesetz zu ersetzen. Seien Sie so anständig, lassen Sie den Opfern die Steuerfreiheit! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.38

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Tancsits zu uns. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


21.38

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Matznetter hat offensichtlich den Antrag seiner Fraktion, den er uns vorgetragen hat, nicht gelesen. Denn in der Begründung dieses Antrages heißt es: „Der Verfassungsgerichtshof hat die Besteuerung der Unfallrenten für grundsätzlich verfassungskonform erklärt.“

Genau das ist der Tatbestand, um den es sich heute dreht. Erstens verstehe ich nicht, wie man bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen kann, dass Gesetze nicht so durchge­führt werden können, weil sie mit dem Verfassungsgerichtshof in Konflikt kommen – dazu gäbe es übrigens noch einiges zu sagen: von 339 Überprüfungsanträgen sind sechs dieser Bundesregierung etwa im vergangenen Jahr aufgehoben worden –, und wird dann etwas dem Grundsatz nach bestätigt, so wollen Sie es nachträglich ändern.

Zweitens verstehe ich es von der Besteuerung her nicht, Herr Kollege Matznetter und Ihre Fraktion, da Sie uns doch an einem einzigen Plenartag Anträge und Entschließun­gen servieren, die ein Vielfaches dessen kosten würden, was die Unfallrentenbesteue­rung einbringt, und nachher verlangen Sie eine Steuersenkung für alle.

Drittens: Ich verstehe die Logik nicht, wenn Sie immer von der Entlastung kleinen Einkommen sprechen und mit der hier konstruierten Unfallrentenbesteuerung ohnedies eine extreme Entsteuerung von kleinen Einkommen, nämlich bis zu 20 000 S monat­lich, gegeben ist. Genau das ist Rechtsgegenstand, genau das ist verfassungskonform! Die Einführung in der vorgesehenen Geschwindigkeit wurde richtigerweise 2001 und 2002 ausgesetzt, nicht aber der Grundsatz dieser Unfallrentenbesteuerung.

Es ist nämlich nicht so – das sei noch am Rande erklärt –, wie Sie im zweiten Absatz Ihres Antrages schreiben, dass darin ein Eingriff in die Rentenleistung zu sehen ist, der den im Rentenwesen gültigen Vertrauensgrundsatz verletzt. Wenn das so wäre, dann wäre ja jede Leistungsänderung in der Sozialversicherung praktisch nur mit Zweidrittel­mehrheit machbar. Das ist nicht der Fall, das sei der Ordnung halber festgestellt!

Die Unfallrentenbesteuerung für 2003 ist richtig, ebenso die 70 Millionen €, die wir für die Projekte aus dieser Behindertenmilliarde brauchen, die Entsteuerung der Einkom­men bis 20 000 S und das um 50 Prozent erhöhte Schwerversehrtenrentengeld. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dolinschek zu uns. 5 Minuten Redezeit. – Sie sind am Wort.

 


21.42

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Matznetter, mit Ihrem Antrag sind Sie etwas zu spät! Die Besteuerung ist falsch interpretiert.


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Wenn ich mir den Antrag durchlese – mein Vorredner, Kollege Tancsits, hat das ja schon erläutert –, dann muss ich sagen, dass in Wahrheit vermutlich keiner versteht, wieso Sie den Antrag nicht überhaupt zurückziehen. (Abg. Dr. Matznetter: Der Antrag ist vom Juni!) Ich weiß, dass er vom Juni ist! Aber dann könnten Sie ihn ja jetzt zurück­ziehen, denn diese Unfallrentenbesteuerung war, wie der Verfassungsgerichtshof be­stätigt hat, verfassungskonform. (Abg. Dr. Matznetter: Warum zurückziehen? Sie tun ja nichts!) Es wurde lediglich die schnelle Einführung mit dem Jahr 2001 bekrittelt, und es wurde eine Frist für eine Reparatur bis zum 31. Dezember 2003 gesetzt. Diese wurde jetzt vorgenommen. Im Jahr 2004 wird es diese Unfallrentenbesteuerung auch nicht mehr geben.

Bei der Einführung der Besteuerung der Unfallrente, Herr Kollege Matznetter, sind wir systemgerecht vorgegangen – das müssten Sie, Herr Steuerberater, eigentlich wis­sen! –, wobei wir die Zielsetzung verfolgt haben, dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu entsprechen. Wenn ein Steuerpflichtiger beispielsweise eine Rente aus einer privaten Unfallversicherung erhält, dann ist diese als wiederkehrender Bezug steuerpflichtig, und zwar selbst dann, wenn die Unfallrente keinen Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit aufweist. Und wenn ein Unfallopfer aus der Haftpflichtversicherung eines Autolenkers, der den Unfall verschuldet hat, eine Rente erhält, dann ist dieser Rentenbezug in vollem Umfang steuerpflichtig. Ähnlich verhält es sich, wie gesagt, bei der Rentenleistung aus einer privat abgeschlossenen Unfallversicherung.

Zur Ungleichheit zwischen der Besteuerung der Unfallrenten und der Invaliditätspen­sion – ich spreche jetzt noch in Schilling –: Aus einer Invaliditätspension von 25 000 S brutto erhält man 20 200 S netto, bei einer Unfallrente erhält man hingegen brutto für netto 25 000 S.

Das Ungerechte dabei ist Folgendes, Herr Kollege Matznetter: Wenn ein Lehrling einen Arbeitsunfall hat und eine Unfallrente bekommt, dann ist diese minimal, weil sie sich am Einkommen orientiert. Wenn hingegen ein Abgeordneter einen Arbeitsunfall auf dem Weg vom oder zum Parlament hat, dann wird diese sehr hoch sein. (Abg. Dr. Matznetter: Sie verstehen das wirklich nicht!) Das ist die Ungerechtigkeit an diesem System, aber das müssten sie eigentlich erkennen!

Auf jeden Fall wurden aber sämtliche Begleitmaßnahmen zu dieser Regelung getrof­fen. Die Behindertenmilliarde wurde geschaffen, und es wurden sämtliche Vorkehrun­gen getroffen, was früher nicht der Fall war.

Herr Kollege Matznetter, abschließend möchte ich noch sagen: Sie sind mit diesem Antrag auf jeden Fall etwas zu spät gekommen, denn er erübrigt sich inzwischen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

21.45

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner hiezu: Herr Abgeordneter Öllinger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.45

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Kollege Dolinschek, auch wenn du dich noch so sehr aufregst: Dennoch kannst du das Faktum nicht wegreden, dass durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes die Unfallrentenbesteuerung zwar für die Jahre 2001 und 2002 aufgehoben wurde, nicht aber für das Jahr 2003! (Zwischenruf des Abg. Dolinschek.)

Kollege Dolinschek! Erkläre du einmal deinen Leuten, für die du dich hier angeblich einsetzen willst, dass man jetzt für 2001/2002 nachträglich einen Antrag stellen kann, mit welchem die Besteuerung wieder rückgängig gemacht wird, dass aber dieselbe


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Person, die für die Jahre 2001 und 2002 diesen Antrag stellen konnte, diese Steuer im Jahr 2003 zahlen muss!

Erkläre doch – wenn wir schon dabei sind, und ich halte mich gleich an das schöne Beispiel, das du selbst gebracht hast –, warum eine Person, die 17 000 S – auch ich spreche jetzt in Schilling – Pension erhält, wobei das sicherlich nicht die kleinste, aber auch keine aufregende Pension ist, und dazu noch eine Unfallrente von 4 000 S oder 5 000 S bezieht, weil sich der Unfall am Anfang der Berufstätigkeit dieser Person ereignete, obwohl es ein schwerer Unfall mit 50 oder 60 Prozent Erwerbsminderung gewesen sein kann, von dieser Summe jetzt Steuer zahlen muss! Ist das verständlich? Vor allem bleibt die Besteuerung, wenn der Fall erst nach 2001/2002 eingetreten ist, auch in Zukunft für diese Person aufrecht.

Zusammenfassend: Der Antrag ist in sich stimmig und sinnvoll. Und gerade deshalb, weil Herr Bundesminister Haupt und die Frau Staatssekretärin sich auch noch öffent­lich mit Steuergeldern bewerben lassen haben, dass sie die Unfallrentenbesteuerung rückgängig machen, während ihr hier erklärt, dass das ja gar nicht in Frage kommt, ist dieser Antrag noch sinnvoller. Wenn nämlich in der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt wird und die Abgeordneten dann hier erklären, dass etwas gar nicht in Frage kommt, dann führen wir diese Debatte gern öffentlich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dolinschek: So viel wie in dieser und in der vorigen Legislaturperiode ist noch nie für die Behinderten geschehen!)

21.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 172/A dem Finanzausschuss zu.

9. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz und das Neugründungs-Förderungsgesetz geändert wird (201/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. Seine Redezeit beträgt 3 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Wittauer: Herr Kollege! Seien Sie gütig! – Abg. Mag. Moser – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich werde sehr gütig sein!)

 


21.48

Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns wurde heute ein Wachstums- und Standardsicherungsgesetz vorgelegt. Trotz intensiven Studiums und Verfolgung der gesamten Diskussion konnte ich aller­dings nicht in Erfahrung bringen, welche positiven Auswirkungen dieses Paket auf das Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren haben soll. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Welche Wachstumsraten sind, in Prozent ausgedrückt, zu erwarten? Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze werden damit geschaffen werden?

Wir Sozialdemokraten sind schon sehr lange der Ansicht, dass es eines echten Kon­junkturbelebungsprogramms bedarf und haben daher ein solches schon im Sommer vorgelegt, welches den Infrastrukturbereich und den Bildungsbereich betrifft. Wir sind überzeugt, dass bei einem Konjunkturbelebungsprogramm zwei Punkte wichtig sind. Der erste Punkt ist die Dimension, das heißt, es muss sich um einen ordentlichen An-


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reiz handeln. Der zweite Punkt ist, dass es eine zeitliche Beschränkung geben muss. Wenn man diese beiden Punkte einhält, dann zeigt sich auch Wirkung.

Wir sind daher besonders interessiert, dass Unternehmensinvestitionen zusätzlich stattfinden und haben einen Antrag betreffend einen Gesetzentwurf eingebracht, ge­mäß welchem ein neuer Investitionsfreibetrag von 30 Prozent festgelegt wird, der für Investitionen gilt, die über dem Durchschnitt der letzten drei Jahre liegen. Wir glauben, dass wir damit eine echte Alternative zur Investitionsprämie, die heute verlängert wurde, geschaffen haben, weil diese Investitionsprämie schon zwei Jahre wirkt und eine zusätzliche Verlängerung im Effekt geringer wird.

Daher unser Appell: Unterstützen Sie diesen Antrag, um die österreichische Wirtschaft zu beleben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stumm­voll 5 Minuten oder weniger zu uns.

 


21.50

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme meinem Vorredner in zwei Punkten zu: Es ist positiv, dass sich auch der SPÖ-Klub Gedanken darüber macht, wie man Investitionsanreize setzen könnte.

Zweitens ist positiv, dass hiefür das Modell der Investitionszuwachsprämie in einem Vergleichszeitraum von drei Jahren gewählt wurde. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matz­netter.) Herr Kollege, was mir nicht gefällt, ist, dass im Gegensatz zur Investitionszu­wachsprämie der Freibetrag nur jenen Unternehmen zugute kommt, die einen Gewinn haben! Alle anderen haben nämlich nichts von diesem Investitionsfreibetrag. Das muss man leider sagen.

Daher halte ich das Modell der Investitionszuwachsprämie, wie sie auch im Wachs­tumspaket für ein Jahr verlängert wird, für wesentlich effizienter. Wir werden die Detail­diskussion im Finanzausschuss führen, aber ich sage noch einmal: Ich halte die In­vestitionszuwachsprämie für intelligenter als das – wenn auch abgewandelte – Modell des alten Investitionsfreibetrags. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

21.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Bucher. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.52

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben heute schon über das Wachstumspaket gesprochen. In diesem konkreten Antrag geht es darum, neuerlich einen Investitionsfreibetrag einzuführen, wie wir ihn ja schon in der Vergangenheit mehrere Jahre hatten.

Wir sind jedenfalls der Ansicht, dass die Investitionsprämie ein viel besserer Investi­tionsanreiz ist, zumal er gleichzusetzen wäre mit einem Investitionsfreibetrag von 30 Prozent, wie er von Ihnen vorgeschlagen wurde.

Ich meine, dass wir in Summe mit diesem Wachstumspaket und mit dieser Investitions­prämie eine viel intelligentere, bessere und wirkungsvollere Lösung getroffen haben und ich denke, dass wir auch dabei bleiben werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


21.52


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Präsident Dr. Andreas Khol: Nach Josef Bucher spricht Abgeordneter Mag. Kogler 4 Minuten. (Abg. Wittauer: Oder weniger! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheit­lichen.) Ich betone, dass 4 Minuten kein Muss, sondern ein Können bedeuten!

 


21.53

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Danke für die Zurufe unter dem Hinweis, dass wir die Details im Ausschuss diskutieren werden. Ich bin dafür diesmal sehr dankbar. Das letzte Mal haben Sie gesagt, dass das, was von der SPÖ kommt, ein Unsinn ist. Dann hört man das gerne!

Ich nehme für mich in Anspruch, dass man in diesem Zusammenhang beide Instru­mente sehen kann und darf. Möglicherweise war das System der achtziger Jahre in diesen Dingen gar nicht das blödeste, nach welchem die Unternehmen sich alternativ zwischen vorzeitiger Abschreibung, Investitionsprämie und Investitionsfreibetrag ent­scheiden konnten.

Ich sage nur so viel: Für mich ist die Investitionsprämie auch eine gute und in diesem Sinne durchaus liebe und teure Maßnahme, Herr Kollege Moser, weil die Prämie für alle wirkt. Wenn nämlich gerade wir beide uns darüber verständigen, dass Konjunktur­politik gemacht werden soll, dann hätten eigentlich Sie gewissermaßen einen Erklä­rungsnotstand, aber ich bringe Ihnen das sozusagen bei. (Abg. Dr. Stummvoll: Wir geben Ihnen auch eine Chance!)

Die Prämie wirkt dann für alle, wenn insgesamt so etwas Ähnliches wie Stagnation auf hohem Niveau – ich sage das jetzt ausnahmsweise einmal unironisch – herrscht. Dann ist natürlich vollkommen klar, was geschieht, und das ist das Problem, das wir sehr wohl lösen müssen: Es muss irgendwann die Glaubwürdigkeit der Politik dazu führen, dass dieses Instrument abgeschnitten wird. Wir verlängern die Prämie diesmal. Ich halte das für richtig, wir hatten das heute schon gesagt. Jetzt sollten wir uns darauf verständigen, dass es im Jahre 2004 gemäß der Ankündigung, die heute im Rahmen des Pakets formell eingebracht wurde, tatsächlich aus ist. Ich meine, es sollten sich alle Parteien darauf verständigen, damit die Unternehmen es schon im Voraus wissen. Dann gibt es nämlich die ständigen Umerzieheffekte, die wir nicht wollen, nicht. Wenn wir Maßnahmen treffen, dann sollen diese jetzt konjunkturstimulierend wirken.

Für den Fall, dass in der Wirtschaft nicht so starke Schwankungen herrschen, halte ich den Investitionsfreibetrag wiederum für das sinnvollere Mittel. Auch Ihnen müsste das gelegen kommen, weil es natürlich nicht so strukturkonservierend wirkt wie die Prämie. Langfristig ist es ja dann, marktwirtschaftlich argumentiert, vielleicht sogar ein Vorteil, dass jene etwas davon haben sollen, die irgendwann zwischendurch auch einmal Gewinne machen. Es kann nicht sein, dass wir ständig Investitionen prämieren, bei welchen eigentlich nicht irgendwann einmal ein Gewinn herauskommt.

So gesehen würde sich die Wahrheit in der Mitte finden. Jetzt ist die Prämie sicherlich noch akzeptabel, sie muss dann aber auslaufen, und der Investitionsfreibetrag ist sicherlich eine vernünftige Alternative. In diesem Sinne sollten wir an dieser Stelle die Wahlfreiheit für die Unternehmer, die von Ihnen immer apostrophiert wird, ausrufen. Und auch die Branche des Steuerberaters wird sich wieder freuen. (Beifall bei den Grünen.)

21.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
37. Sitzung / Seite 237

21.56

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich diesbezüglich den Ausführungen des Kollegen Kogler anschließen.

Kollege Stummvoll, wir sehen das eher als Ergänzung dazu. Das heißt, tatsächlich soll es beide Instrumente geben. Die Prämie hat durchaus ihre Verdienste, aber es werden Gewöhnungseffekte eintreten, insbesondere der Mitnahmeeffekt, wie wir auch aus der ökonomischen Literatur wissen.

Das heißt: Es soll die Prämie und zusätzlich den Freibetrag geben. Ich glaube, darauf könnten wir uns verständigen. Wenn Sie das im Zusammenhang mit den anderen Punkten sehen, die wir mit diesem Paket eingebracht haben, also Stabilitätsfonds für die KMU plus unserem Bildungsprämienmodell, dann ist das ein Gesamtmodell im Unterschied zu dem, was die Bundesregierung heute Vormittag präsentiert hat. Es ist dies tatsächlich ein Schritt in die Lissabon-Richtung. Dabei sind alle Aspekte der Lissa­bon-Richtung, insbesondere auch im Zusammenhang mit den Humanressourcen, be­rücksichtigt.

Zusätzlich wären bei diesem Projekt allerdings noch verstärkte öffentliche Investitionen notwendig. Auch das ist im Lissabon-Projekt vorgesehen. Nur wenn sie diese vorneh­men und entsprechende Rahmenbedingungen für die privaten Unternehmen schaffen, werden auch diese zusätzlich motiviert, Investitionen zu tätigen, und genau das soll mit unserem Modell gefördert werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin ist Frau Abgeordnete Sburny. 4 Minu­ten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.57

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Ich glaube, dass es grundsätzlich gut ist, hier noch einmal zusätzliche Investitionsanreize zu diskutieren. – Wir würden allerdings im Ausschuss mit der SPÖ gerne auch noch weiter über die Gegenrechnung diskutieren, die sie bei der Kostenbedeckung anstellt, dass sie nämlich die steuerliche Begünsti­gung der nicht entnommenen Gewinne dafür hernehmen und damit abschaffen will. Wir sind uns nicht ganz sicher – beziehungsweise würde ich das einmal gerne diskutie­ren –, ob das nicht durchaus eine zusätzliche Maßnahme sein kann.

Allerdings glaube ich auch, dass diese steuerliche Begünstigung in der Art, wie sie jetzt beschlossen ist, nicht günstig ist, dass sie allerdings mit einer Abänderung einerseits in Richtung von Investitionsanreizen und nicht einfach quasi im Sinn von Prämiensparen für Unternehmen und andererseits auch betreffend die Frage der Höhe verbessert wer­den könnte. Es müsste geklärt werden, bis zu welcher Gewinnhöhe das möglich sein soll und ob das nicht, wenn man diese absenkt, durchaus auch für kleine und Kleinst­betriebe eine gute Möglichkeit für die Eigenkapitalstärkung sein kann.

In diesem Sinne werden wir sicherlich noch einiges zu diskutieren haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 201/A dem Finanzausschuss zu.


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37. Sitzung / Seite 238

10. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 geändert wird (168/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Schließlich gelangen wir zum schönen 10. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Die erste Wortmeldung steht Herrn Abgeordnetem Wimmer zu. 3 Minuten sind Sie am Wort.

 


21.59

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Kolle­ginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es geht, wie angekündigt, bei dieser ersten Lesung um eine Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes von 1997.

Ich möchte es in aller Kürze auf den Punkt bringen: Wir wollen ähnliche Regelungen, wie sie das Lebensmittelgesetz vorsieht. Das heißt, es muss einmal öffentliche War­nungen beziehungsweise Hinweise geben, wenn gesundheitsschädliche Futtermittel in Verkehr gebracht wurden. In der Vorlage ist vorgesehen, dass diese Informationspflicht beziehungsweise diese Warnpflicht in § 29 festgeschrieben werden soll. – Das ist der eine Punkt.

Ein zweiter Punkt ist für uns sehr wichtig: Es gibt jedenfalls im alten Gesetz keinen Revisions- und Probenplan, wie er für Lebensmittel vorgesehen ist. Daher wird dieser Sicherheitsmechanismus in § 28a neu geregelt werden, weil es einfach nicht so sein darf, meine Damen und Herren, dass durch gesundheitsschädliche Pflanzenschutz­mittel möglicherweise eine große Bevölkerungsgruppe gefährdet wird.

Meine Damen und Herren! Weiters geht es auch um den Schutz der bäuerlichen Betriebe. Es besteht da dringender Handlungsbedarf, und daher dürfen wir Sie, meine sehr geschätzten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dazu einladen, dieses Problem mit uns gemeinsam zu lösen und gemeinsam mit uns bei den nächsten Lesungen den Beschluss herbeizuführen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Schultes 5 Minuten zu uns; das ist eine Obergrenze. – Bitte.

 


22.00

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir erleben etwas, was wir nicht verdient haben. Wir erleben gerade den dritten Aufguss eines abgeschriebenen Entwurfs von einem alten Gesetz. Das ist wirklich peinlich, denn Abgeordneter Maier hat das schon im Jahr 2001 eingebracht, es ist nichts daraus geworden, dann hat es Abgeordneter Gradwohl wieder gebracht, der hat aber heute kein Interesse mehr. Maier hat auch kein Interesse mehr, und Abgeordneter Wimmer kann nichts dafür, er wird hierher ans Rednerpult geschickt, um etwas vorzu­lesen, was in der Sache nicht korrekt ist. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Interessanterweise reden wir hier vom Pflanzenschutzmittelgesetz, in der Antragsbe­gründung schreibt ihr jedoch von Futtermittel. Das kommt aber in allen Paragraphen nicht vor – euch ist echt ein Malheur passiert, ein Schlamassel, ein Durcheinander, eine Schlamperei. Solch eine Opposition haben wir uns nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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37. Sitzung / Seite 239

Das Thema Pflanzenschutzmittel ist immer ein Thema, bei dem es um das Anpatzen geht. Das könnt ihr gut, und das tut ihr sehr gerne, es ist einfach schade. Ratlos, ideen­los und immer wieder dieselbe Walze. Das interessiert keinen mehr! Die österreichi­schen Konsumenten wissen, dass unsere Produkte etwas wert sind, sie kennen die Qualität. Die Deutschen wissen es: Wir exportieren heute mehr, als wir importieren. Die Frische und die Vitalität unserer Produkte – das mögen die Menschen. Ich kann nur sagen: Was etwas wert ist, darf auch etwas kosten. Wenn ihr das der Arbeiterkammer sagt, wird man vielleicht auch die Informationspolitik ändern.

Freunde! Kulinarische Vielfalt ist ein regionales Kulturgut, und das ist etwas wert und darf etwas kosten. Und euch gebe ich einen guten Tipp: Esst’s was Gscheites, viel­leicht werden dann auch die Anträge gscheiter. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.02

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch 5 Minuten zu uns; auch das ist eine Obergrenze.

 


22.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine ge­schätzten Damen und Herren! Es geht jetzt zwar um Landwirtschaft, ich möchte die Gelegenheit jetzt aber auch dazu nutzen, meinem Kärntner Freund Puswald sozu­sagen späte Ehre zuteil werden zu lassen dafür, dass anscheinend heute im Zuge meines Debattenbeitrags eine Unstimmigkeit aufgetreten ist. Er hätte irgendetwas gesagt, dass er das nicht macht und dass das deppert ist. – Das hat sich nicht auf die Eisenbahn bezogen, sondern auf irgendeine andere Materie in einem Zwiegespräch.

Lieber Kollege! Ich hoffe, dass damit alle Unklarheiten beseitigt sind. Natürlich weiß ich deine Wertschätzung in diesem Bereich zu schätzen, es sei mir aber auch verziehen, dass wir in einer Vorwahlzeit unter Kärntner Abgeordneten hier hin und wieder ein Wort wechseln, das vielleicht nicht ganz dem entspricht, was auch gesagt wurde. (Unruhe im Saal.)

Zum Thema Landwirtschaft: Mein Vorredner hat es auf den Punkt gebracht. Das Pflan­zenschutzgesetz, das wir momentan haben, ist kein schlechtes Gesetz, und wir wer­den sicherlich gut daran tun, ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren, ein bisschen leiser bitte!

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (fortsetzend): ... dafür zu sorgen, dass sie wettbewerbsfähig bleibt. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es für mich ein bisschen erstaunlich ist, dass Herr Kollege Gradwohl den Antrag zwar einbringt und protegiert, es aber anscheinend selbst zu so später Stunde nicht mehr der Mühe wert findet, hier zu sitzen, sondern aus welchen Gründen auch immer nach Hause gegangen ist. Ich will darüber gar nicht mutmaßen, denn das obliegt mir nicht.

Im Großen und Ganzen werden wir sicherlich im Ausschuss darüber diskutieren. Wir werden uns anschauen, was wir damit machen, und unsere Fraktion wird sich sehr wohl überlegen, ob dieser Antrag im Interesse der Bauern ist oder ob dieser Antrag nur im Interesse eines populistischen Gedankens ist. – Danke. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

22.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorläufig letzter Redner des heutigen Tages ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber, der sich 5 Minuten vorgenommen hat. – Bitte. (Abg. Mag. Molterer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abgeordneten


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37. Sitzung / Seite 240

Dipl.-Ing. Pirklhuber –: 2 Minuten! – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Gut, wir werden schauen!)

 


22.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Eines einmal zur Ehrenret­tung des Kollegen Gradwohl, Herr Kollege Scheuch. Kollege Gradwohl ist gesundheit­lich angeschlagen. Ich denke, es ist verständlich, dass er heute nicht mehr im Plenum ist.

Zur Feststellung des Kollegen Schultes, dass das der dritte Aufguss sei: Meine Damen und Herren! Es geht hier um einen ganz zentralen Bereich, nämlich den der Lebens­mittelsicherheit, von der wir in den letzten Jahren wirklich viel gesprochen haben und wo wir wenig getan haben. (Abg. Mag. Molterer: Sie vielleicht! Wir haben viel getan!)

Es geht hier um einen der sensibelsten Stoffe, nämlich um Pflanzenschutzmittel, um hochsensible Stoffe, Kollege Molterer! Nehmen Sie nicht zu viel von diesen Stoffen zu sich, sie sind ungesund. Daher besteht auch die Notwendigkeit von Revisions- und Kontrollplänen, einer echten effizienten Überwachung, einer Warnung der Öffentlichkeit zum Schutz der Bevölkerung.

Meine Damen und Herren! Gerade die Abtrift und das Entweichen von Pflanzenschutz­mitteln in die Atmosphäre – das ist bekannt – ist äußerst gefährlich für die Umwelt, für die ganze Biodiversität. (In Richtung des Abg. Mag. Molterer, der dem Redner einen Imbiss anbietet:) Kollege Molterer, was wollen Sie mir hier anbieten? Ein Zuckerl? Ich hoffe kein Pflanzenschutzmittel!

Dazu muss man sagen, dass bisher die Maßnahmen zur Reduktion von Pestiziden in Österreich wirklich nicht effizient genug waren. Es ist eine leichte Reduzierung fest­stellbar, aber wir haben immer noch 3 200 Tonnen jährlich an Wirkstoffen, die wir in die Luft pulvern, die wir auf den Boden bringen und die ganz entschieden auch für die Gesundheit der Bäuerinnen und Bauern gefährlich sind. Deshalb ist der Antrag der Kollegen Gradwohl, Maier, Kolleginnen und Kollegen auch sehr wichtig und richtig. Er sollte ernsthaft behandelt werden und im Ausschuss auch seine Zustimmung finden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Abend ohne Pflanzenschutzmittel und vielleicht auch noch bei einem guten Gläschen Wein. Das wäre durchaus ange­messen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

22.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 168/A dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 251/A bis 288/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1039/J bis 1068/J eingelangt.

Schließlich sind Anfragen der Abgeordneten Mag. Cordula Frieser sowie der Abgeord­neten Theresia Haidlmayr an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden, und ich meine, ich habe beide Anfragen sogar schon beantwortet.

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37. Sitzung / Seite 241

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 13. November, um 9 Uhr ein. Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Diese Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Guten Abend und gute Nacht!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.08 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien